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German Pages 244 Year 2010
Tobias Hoymann Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung des Bundes
Tobias Hoymann
Der Streit um die Hochschulrahmengesetzgebung des Bundes Politische Aushandlungsprozesse in der ersten großen und der sozialliberalen Koalition
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Diss. Univ. der Bundeswehr München, 2009
. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Marianne Schultheis VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17277-4
Danksagung
Die vorliegende Arbeit ist die aktualisierte Fassung meiner Dissertation, die 2009 an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München angenommen wurde. Die Erstellung einer Dissertation erfordert zwar vor allem Fleiß und Selbstdisziplin, kann aber niemals eine Einzelleistung sein. Diese Untersuchung wäre wohl nie erstellt worden – vermutlich nicht einmal begonnen worden – ohne die Hilfe, die mir von verschiedenster Seite zuteil wurde. Nun, wo alles fertig ist, möchte ich mich für diese Unterstützung bedanken. Meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Ursula Münch, danke ich für ihre umfassende und intensive Betreuung. Sie hat mir jederzeit unkompliziert mit Rat und Tat zur Seite gestanden und ich verdanke ihr wesentliche inhaltliche Anregungen und Denkanstöße. Ohne ihr Engagement wäre die nebenberufliche Erstellung dieser Dissertation kaum möglich gewesen. Herrn PD Dr. Franz Kohout danke ich für seine kurzfristige Bereitschaft das Zweitgutachten zu übernehmen. Herrn Prof. Dr. Dieter Biallas, Herrn Karl Moersch sowie Herrn Anton Pfeifer danke ich für ihre Bereitschaft mir als Zeitzeugen wertvolle Auskünfte zu erteilen. Für seine akribische formale Durchsicht der Arbeit und viele hilfreiche Hinweise danke ich Herrn Gert Lohschelder. Stellvertretend für alle, die durch ihre Anregungen, Diskussionen, Durchsichten des Manuskripts oder motivierenden Worte zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben, danke ich meiner Patentante Annette Wier. Meinen Eltern, Paul und Karola Hoymann, danke ich für ihre stete Förderung und ihr Interesse an meiner Arbeit. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Die nebenberufliche Erstellung einer Dissertation, die notwendigerweise den größten Teil der Freizeit einnimmt, ist ohne Unterstützung der Familie nicht möglich. Meiner Frau Jana danke ich deshalb ganz besonders dafür, dass sie mich bis zum Schluss motiviert und entlastet hat und vor allem für ihre Bereitschaft, die Entbehrungen der letzten Jahre mitzutragen.
Köln, im Februar 2010
Tobias Hoymann
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Inhalt
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. 13 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis .......................................................... 17
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Einleitung .............................................................................................. 19 1.1 1.2 1.3 1.4
2
Thematische Einführung und Fragestellungen ................................... 19 Methodik und Aufbau der Arbeit ....................................................... 23 Literatur- und Quellenlage ................................................................. 25 Definition und Abgrenzung wichtiger Begriffe ................................. 27
Vorüberlegungen .................................................................................. 31 2.1 Die politische Ausgangslage für die Gesetzgebung ........................... 31 2.1.1 Die Grundeinstellung der Parteien zum Föderalismus ............. 31 2.1.2 Die politische Lage in den Ländern und die Mehrheiten im Bundesrat 1966-1976 ................................................................ 32 2.1.3 Die große Koalition beim Bund 1966-1969 ............................. 38 2.1.4 Die sozialliberale Koalition beim Bund zwischen 1969 und 1982 ................................................................................... 41 2.2 Grundsätzliche Fragen des Föderalismus und Instrumente des politischen Aushandlungsprozesses ................................................... 44 2.2.1 Der Staatscharakter der Länder bei verminderten Gestaltungsmöglichkeiten ........................................................ 44 2.2.2 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes .............................. 48 2.2.3 Entscheidungsfindungen in den Gremien von Bundestag und Bundesrat .................................................................................. 50 2.2.4 Der Vermittlungsausschuss ...................................................... 52 2.2.5 Der Vetospieler-Ansatz ............................................................ 54 2.2.6 Der Bundesrat als mögliches Blockadeinstrument der Bundestagsopposition ............................................................... 56
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2.3 Die hochschulpolitische Ausgangslage für die Gesetzgebung ........... 63 2.3.1 Die prognostizierte Bildungskatastrophe .................................. 63 2.3.2 Die Lage an den Hochschulen in den 1960er Jahren ................ 66 2.3.3 Die studentischen Proteste an den Hochschulen in der politischen Reflexion ................................................................ 68 2.3.4 Die Hochschulgesetze der Länder bis 1976 .............................. 71 2.4 Zusammenfassung ............................................................................. 74 3
Das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes von 1969 bezüglich der Kompetenzen im Bildungs- und Hochschulbereich ... 77 3.1 Überblick über das Gesetzgebungsverfahren ..................................... 77 3.1.1 Die große Finanzreform als Rahmen für Kompetenzverlagerungen ............................................................ 77 3.1.2 Der Gesetzgebungsgang zum Hochschul- und Bildungswesen 79 3.2 Handlungsstrategien und Koordinierung der beteiligten Akteure ...... 82 3.2.1 Die FDP als Protagonist einer zentralen Hochschulpolitik des Bundes ................................................................................ 83 3.2.2 Handlungsziele und Koordinierungen der Bundesregierung .... 87 3.2.3 Die internen Abstimmungen von Union und SPD ................... 91 3.2.4 Die partei- und ebenenübergreifende Koordinierung am Beispiel der Maßnahmen gegen die Studentenproteste ............ 94 3.2.5 Die Selbstkoordinierung der Länder im Staatsvertrag über das Ordnungsrecht und das Hochschulwesen ........................... 96 3.3 Die Überlagerung des parteienstaatlichen durch das föderative Element am Beispiel der Verhandlungen in den Politikarenen .......... 97 3.3.1 Die Verhandlungen im Bundestag ............................................ 98 3.3.1.1 Die Beratungen in den Bundestagsausschüssen .............. 98 3.3.1.2 Die zweite und dritte Lesung im Bundestag ................. 101 3.3.2 Die ablehnende Haltung der Länder im Bundesrat ................. 104 3.3.2.1 Die Beratungen in den Bundesratsausschüssen ............ 104 3.3.2.2 Die Debatte im Plenum des Bundesrates ...................... 105 3.3.3 Die Kompromissbildung im Vermittlungsausschuss .............. 107 3.3.3.1 Die Verhandlungen über die Bildungsplanung ............. 108 3.3.3.2 Die Verhandlungen über das Hochschulwesen ............. 111 3.4 Die Rolle von Interessenverbänden im Gesetzgebungsprozess ....... 115 3.5 Zusammenfassung ........................................................................... 117
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4
Das Hochschulrahmengesetz von 1976 ............................................. 121 4.1
Die gesellschaftspolitischen und verfassungsrechtlichen Konfliktlinien einer Hochschulrahmengesetzgebung ...................... 121 4.1.1 Die formalen Konflikte .......................................................... 122 4.1.2 Die materiellen Konflikte ....................................................... 124 4.1.2.1 Die Demokratisierung des „Elfenbeinturmes“ .............. 124 4.1.2.2 Die Gesamthochschulen als Fundament einer sozialliberalen Hochschulreform .................................. 126 4.1.2.3 Das Problem von Zulassungsbeschränkungen gegen die Überfüllung der Hochschulen ................................. 128 4.1.2.4 Das Ordnungsrecht zur Eindämmung der studentischen Gewalt ................................................... 129 4.1.2.5 Die Neuordnung des Hochschulwesens durch eine Studienreform ............................................................... 131 4.2 Überblick über das Gesetzgebungsverfahren ................................... 132 4.2.1 Das Gesetzgebungsverfahren in der fünften und sechsten Wahlperiode ........................................................................... 132 4.2.2 Äußere Einflüsse auf das Gesetzgebungsverfahren ................ 133 4.2.2.1 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum numerus clausus und zur Mitbestimmung ............. 135 4.2.2.2 Die Rolle von Interessenverbänden .............................. 137 4.2.3 Die Gesetzgebung in der siebten Wahlperiode ....................... 140 4.3 Handlungsstrategien und Koordinierungen der beteiligten Akteure 141 4.3.1 Die Arbeitsweise und Interessendurchsetzung der Bundesregierung ..................................................................... 142 4.3.1.1 Die strukturelle und personelle Entwicklung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft ..... 142 4.3.1.2 Die 14 Thesen Hans Leussinks ..................................... 149 4.3.1.3 Der Regierungsentwurf der sechsten Wahlperiode ....... 153 4.3.1.4 Der Regierungsentwurf der siebten Wahlperiode ......... 158 4.3.1.5 Der „Mob-Plan“ der Bundesregierung zur Umgehung eines Bundesratsvetos ................................................... 161
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4.3.2
Die Abstimmungen der Bundestagsopposition mit den unionsgeführten Bundesländern und deren Interessen ........... 165 4.3.2.1 Interessenunterschiede zwischen der Union im Bund und in den Ländern ....................................................... 165 4.3.2.2 Das Ringen der Union um einen eigenen Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsopposition ................................. 168 4.3.2.3 Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundesstagsopposition ............................... 172 4.3.2.4 Das koordinierte Vorgehen der Union in der siebten Wahlperiode .................................................................. 174 4.4 Die Überlagerung des föderativen durch das parteienstaatliche Element am Beispiel der Verhandlungen in den Politikarenen ........ 176 4.4.1 Die Verhandlungen in der sechsten Wahlperiode .................. 177 4.4.1.1 Die erste Lesung zweier konkurrierender Gesetzentwürfe im Bundestag ...................................... 177 4.4.1.2 Die Verzögerung der Ausschussberatungen in der sechsten Wahlperiode ................................................... 179 4.4.1.3 Die alternativlose Annäherung der Koalition an die Opposition ..................................................................... 182 4.4.1.4 Die Bundesratsverhandlungen in der sechsten Wahlperiode .................................................................. 187 4.4.2 Die Verhandlungen in der siebten Wahlperiode ..................... 190 4.4.2.1 Die offene Konfrontation in der ersten Lesung im Plenum des Bundestags ................................................ 191 4.4.2.2 Die Verzögerung der Beratungen in den Bundestagsausschüssen ................................................ 193 4.4.2.3 Die Verzögerung der Ausschussberatungen durch interne Streitigkeiten der Regierungskoalition .............. 197 4.4.2.4 Die konfliktreiche zweite und dritte Lesung im Bundestag ..................................................................... 198 4.4.2.5 Die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung ............................. 201 4.4.2.6 Die Verhandlung des Bundesrates über den Entwurf des Bundestages ............................................................ 204 4.4.3 Die Koordinierung und Kompromissbildung im Vermittlungsausschuss ........................................................... 205 4.5 Das Kompromissergebnis eines Hochschulrahmengesetzes in der Bewertung durch die Akteure .......................................................... 209 4.6 Zusammenfassung ........................................................................... 212 10
5
Folgen der Hochschulrahmengesetzgebung ..................................... 217 5.1 Die Auswirkungen eines verspäteten Gesetzes ................................ 217 5.2 Föderalismusdiskussionen ............................................................... 219 5.2.1 Die Verfassungsreform 1994 .................................................. 219 5.2.2 Die Bundesstaatskommission 2003 ........................................ 220 5.2.3 Die Grundgesetzänderungen der zweiten großen Koalition 2006 ........................................................................................ 221 5.3 Zusammenfassung ........................................................................... 223
6
Schluss ................................................................................................. 225
Quellenverzeichnis ....................................................................................... 235 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 237 Rechtsprechungs-, Schriftverkehr- und Interviewverzeichnis ................. 249
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Abkürzungsverzeichnis
a.F. Abg. Abs. ACDP ACSP AdL AdsD AG AK akt. Anl. AöR APuZ Art. Aufl. BAK BArch bay. BayHStA BayVBl. BayVerfGH Bd. bearb. BFA BGBl. BK BKA BLAG BLK BM BMBF
alte Fassung Abgeordnete(r) des Bundestages Absatz Archiv für christlich demokratische Politik Archiv für christlich soziale Politik Archiv des Liberalismus Archiv der sozialen Demokratie Arbeitsgemeinschaft Arbeitskreis aktualisierte Anlage Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) Artikel Auflage Bundesassistentenkonferenz Bundesarchiv Koblenz bayerisch Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Band bearbeitete Bundesfachausschuss Bundesgesetzblatt Bundeskanzler Bundeskanzleramt Bund-Länder Arbeitsgruppe Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung Bundesminister Bundesministerium für Bildung und Forschung
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BMBW BMF BMI BMJ BMVg BMwF BMWi BR BRD BR-Drs. BReg BR-StBer. Bs. BT BT-Drs. BT-HA BT-IA BT-PlPr. BT-RA BT-WA
BVerfG BVerfGE BW ca. CDU ChBKA CSU DA DDI DDS ders. DGBV dies. Diss. DNH Dok 14
Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium des Innern Bundesministerium der Justiz Bundesverteidigungsministerium Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung Bundeswirtschaftsministerium Deutscher Bundesrat Bundesrepublik Deutschland Drucksache des Deutschen Bundesrates Bundesregierung Stenografische Berichte des Deutschen Bundesrates Beschluss Deutscher Bundestag Drucksache des Deutschen Bundestages Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Innenausschuss des Deutschen Bundestages Plenarprotokolle der Sitzungen des Deutschen Bundestages Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Ausschuss für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik des Deutschen Bundestages (bis 5. WP); Bundestagsausschuss für Bildung und Wissenschaft des Deutschen Bundestages (ab 6. WP) Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsentscheid Baden-Württemberg zirka Christlich Demokratische Union Deutschlands Chef des Bundeskanzleramtes Christlich Soziale Union in Bayern Demokratische Arbeitsgemeinschaft (Partei) Die deutsche Ingenieurschule (Zeitschrift) Die deutsche Schule (Zeitschrift) derselbe Deutsche Gesellschaft für Bildungsverwaltung dieselbe(n) Dissertation Die neue Hochschule (Zeitschrift) Dokumente – Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog
DÖV DP Drs. DUZ-HD DVBl. ebd. ehem. erw. EU ev. evtl. FAZ fdk FDP FN GB/BHE GBl. GG ggf. GMBl. GVBl. Habil. HLB HRG i.d.v.F. kath. KMK KOMBO KPr. m.w.N. MdL MittHV MP n.F. NJW NRW
Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsche Partei Drucksache Deutsche Universitätszeitung vereinigt mit Hochschuldienst Deutsches Verwaltungsblatt ebenda Ehemalige(r) erweiterte Europäische Union evangelisch eventuell Frankfurter Allgemeine Zeitung freie demokratische Korrespondenz Freie Demokratische Partei Fußnote Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (Partei) Gesetzblätter Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsames Ministerialblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Habilitation Hochschullehrerbund Hochschulrahmengesetz in den verschiedenen Fassungen katholisch Ständige Konferenz der Kultusminister (Kultusministerkonferenz) Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung Kurzprotokoll mit weiteren Nachweisen Mitglied des Landtags Mitteilungen des Hochschulverbandes (Zeitschrift) Ministerpräsident neue Fassung Neue juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nordrhein-Westfalen 15
PA-DBT phil. RA-Drs. RdJB Red. RefE RegE RP S. SH sog. SPD StBer. StS StZ SZ u. u.a. UA überarb. Univ. v. VA VA-KPr. VDS vgl. VorschaltG WissR WP WR WRK z.B. Ziff. zit. ZPF zugl.
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Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages philosophiae Drucksache des Rechtsausschusses Recht der Jugend und des Bildungswesens (Zeitschrift) Redaktion Referentenentwurf Regierungsentwurf Rheinland-Pfalz Seite (in Verbindung mit Gesetzestexten auch „siehe“) Schleswig-Holstein so genannte(r) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Stenografischer Bericht Staatssekretär(in) Stuttgarter Zeitung Süddeutsche Zeitung und unter anderem Unterausschuss überarbeitete Universität vom Vermittlungsausschuss Kurzprotokoll des Vermittlungsausschusses Verband Deutscher Studentenschaften vergleiche Vorschaltgesetz für ein Niedersächsisches Gesamthochschulgesetz Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung (Zeitschrift) Wahlperiode des Deutschen Bundestages Wissenschaftsrat Westdeutsche Rektorenkonferenz zum Beispiel Ziffer zitiert Zeitschrift für Parlamentsfragen zugleich
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungen Abbildung 1: Abbildung 2:
Entwicklung der Koalitionen im Bundesrat 1969-1972 unter Berücksichtigung der Bundesratsstimmen ................. 35 Die Verteilung der Bundesratsstimmen nach der Finanzkraft 1966-1969 ........................................................ 37
Tabellen Tabelle 1:
Überblick über die Machtverteilung in den Bundesländern 1966-1976 . ........................................................................... 33
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1 Einleitung
1.1 Thematische Einführung und Fragestellungen „Zum Bildungs- bzw. Hochschulbereich mussten wir also feststellen, dass das Herstellen von Einvernehmlichkeit nicht möglich ist.“1 – Mit dieser ernüchternden Feststellung scheiterte 2004 die Arbeit der Bundesstaatskommission,2 die von Bundestag und Bundesrat mit der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung beauftragt worden war. Eine Reform des Föderalismus war seinerzeit als notwendig angesehen worden, um die Verflechtung von Bundes- und Länderkompetenzen zu entzerren und so die Gesetzgebung zu erleichtern. Die Länder hatten hierzu unter anderem die Abschaffung des Bundeshochschulrahmengesetzes und die Streichung von dessen Grundlage sowie der Gemeinschaftsaufgabe „Bildungsplanung“ im Grundgesetz gefordert.3 Diese hatten dem Bund seit Jahrzehnten eine teils intensive Beteiligung an der Bildungs- und Hochschulpolitik ermöglicht, weswegen der Bund in diesem Bereich auch nicht zu Zugeständnissen bereit gewesen und so auch insgesamt keine Einigung über eine Föderalismusreform zustande gekommen war. Die Kommissionsarbeit musste daraufhin ergebnislos eingestellt werden.4
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Vorsitzender Franz Müntefering in der 11. Sitzung der KOMBO am 17.12.2004, StBer., S. 279. Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Bund und Länder waren sich in der Kommission zwar grundsätzlich über die Abschaffung des HRG einig, jedoch nicht in der Frage, inwieweit dem Bund künftig noch Kompetenzen für die Abschlüsse und die Zulassung zu den Hochschulen bleiben sollten. Im Bereich der Bildungsplanung bestand der Bund auf einer Beibehaltung seiner Kompetenzen; ggf. mit neuer Bezeichnung. Vgl. die beiden Vorsitzenden Franz Müntefering und Edmund Stoiber in der 11. Sitzung der KOMBO am 17.12.2004, StBer., S. 279-282. Dadurch wurden auch die bereits erreichten Kompromisse auf anderen Gebieten vorerst zunichte gemacht. Vgl. Münch, U., Bildungspolitik, 2005, S. 150.
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Erst nach der Bundestagswahl 2005 konnte der Bund-Länder-Dissens im Koalitionsvertrag der großen Koalition beigelegt werden.5 Die dort festgeschriebene Föderalismusreform sah vor, das Hochschulrahmengesetz abzuschaffen und mit der Abschaffung der Rahmengesetzgebung dem Bund die Kompetenz für eine derartige Gesetzgebung zu entziehen.6 Ganz offensichtlich hatte die Zuständigkeit für das Bildungs- und Hochschulwesen eine derart große Bedeutung für die Länder, dass sie 2004 das Scheitern der von ihnen als so dringend empfundenen Föderalismusreform in Kauf genommen hatten. Sie begründeten dies mit der Feststellung, der Verfassungsgeber habe den Ländern 1949 einen Zuständigkeitsbereich ganz bewusst übertragen: „Das ist der gesamte Bildungsbereich.“7 Tatsächlich war für den Bund ursprünglich kaum ein Mitspracherecht in Bildungs- und Hochschulfragen im Grundgesetz vorgesehen gewesen. Wenn das Bildungs- und Hochschulwesen für die Länder also schon seit Gründung der Bundesrepublik eine so hervorgehobene Bedeutung hatte, drängt sich die Frage auf, wieso sie ihre Kompetenzen dann überhaupt an den Bund abgetreten hatten. Geschehen war dies bereits 1969 während der ersten großen Koalition auf Bundesebene8 unter Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger. Seinerzeit war mit Zustimmung der Länder die Bundeskompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens geschaffen worden. Zugleich hatte der Bund auch das Recht zur Mitwirkung an der Bildungsplanung erhalten. Den Rahmen hierfür bildete damals ebenfalls eine Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung, die so genannte große Finanzreform. Der nachlassende Auftrieb des deutschen Wirtschaftswunders hatte in den 1960er Jahren zu einem abnehmenden Optimismus in der deutschen Öffentlichkeit geführt und auch Kritik an den verworren anmutenden Zuständigkeiten im deutschen Föderalismus hervorgerufen. Fast zwei Jahrzehnte nach der Verkündung des Grundgesetzes schien die Zeit für eine Neuordnung dieses Verfas5
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Vgl. CDU; CSU; SPD, Koalitionsvertrag, 2005. Die Einigung basierte ganz wesentlich auf den Ergebnissen der Bundesstaatskommission von 2004, die als Anlage 2 in überarbeiteter Fassung an den Koalitionsvertrag angehängt wurden. Vgl. ebd., S. 93 u. Anl. 2. Allerdings wurde dem Bund das konkurrierende Gesetzgebungsrecht über die Zulassung zu den Hochschulen und die Hochschulabschlüsse zugestanden. Den Ländern wurde in Form eines Abweichungsrechts gestattet, von den Bundesregelungen abweichende Regelungen zu treffen. Die Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung entfiel zugunsten einer Regelung, die dem Bund bei der Evaluation des Bildungswesens eine Beteiligung zugestand. Vgl. CDU; CSU; SPD, Koalitionsvertrag, 2005, S. 7, 15 u. 34 der Anl. 2 sowie Art. 72 und Art. 91b GG n.F. Vorsitzender Edmund Stoiber in der 11. Sitzung der KOMBO am 17.12.2004, StBer., S. 281. 1966 bis 1969.
sungswerkes gekommen zu sein. Und tatsächlich wurde die große Koalition, die eine Bundestagsmehrheit von nahezu 90 Prozent aller Bundestagsmandate hinter sich vereinen konnte, vor allem als zeitlich limitierte Chance zur Lösung der dringlichsten Probleme des Staates gesehen.9 Schon in seiner Regierungserklärung hatte Kiesinger eine Neuordnung des Kompetenzgeflechts für die Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern angekündigt.10 „Wir alle müssen wissen, daß, wenn wir auf irgendeinem Gebiet versagen, die Geschichte niemand [sic!] die Entschuldigung abnehmen wird, ihm habe die Kompetenz gefehlt.“,11 brachte der Bundeskanzler den Kern seiner Reformpolitik später auf den Punkt. Die Voraussetzungen für grundlegende Reformen schienen in der großen Koalition ideal: Die FDP als einzige Oppositionspartei im Bundestag war mit nur rund zehn Prozent der Sitze de facto wirkungslos und die Länder im Bundesrat wurden alle durch einen Ministerpräsidenten12 der Union oder SPD regiert. Mitunter wird unterstellt, der Bund habe gerade wegen dieser völligen parteipolitischen Gleichfärbung von Bundesregierung und Regierungschefs der Länder seine Ziele zur Zentralisierung von Kompetenzen umsetzen können.13 Zu fragen bleibt aber, wieso die Länder gerade einer Kompetenzabtretung im für sie augenscheinlich so essentiellen Bildungs- und Hochschulbereich ihre Zustimmung gaben. Dies zu untersuchen ist ein erstes Ziel dieser Arbeit. Mit Bildung der sozialliberalen Bundesregierung ab dem Herbst 1969 änderten sich die politischen Rahmenbedingungen dann schlagartig. Mit der Union stand der Regierungskoalition im Bundestag nunmehr eine machtvolle Opposition gegenüber, deren Parteifreunde im Bundesrat zudem noch die Mehrheit stellten. Deutlich wurde dieser Umstand nicht zuletzt am Hochschulrahmengesetz, welches die neue Bundeskompetenz für das Hochschulwesen ausfüllen sollte und als ein Prestigeprojekt der neuen Bundesregierung galt.14 Das Gesetz konnte erst 1976, nach sechsjährigem Tauziehen zwischen Bund und Ländern, verkündet werden. Die Verzögerungen, so wird oft unterstellt, ergaben sich 9
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Der Bundeskanzler erklärte bereits in seiner Regierungserklärung, die Regierungsparteien hätten den festen Willen, die Koalition nur bis zum Ende der Legislaturperiode fortzuführen. Vgl. BK Kiesinger, BT-PlPr. 5/80 v. 13.12.1966, S. 3657. Vgl. BK Kiesinger, BT-PlPr. 5/80 v. 13.12.1966, S. 3660. BK Kiesinger, zit. nach MdB Ertl (FDP), BT-PlPr. 5/204 v. 11.12.1968, S. 11037. Die Bezeichnung Ministerpräsident steht in dieser Arbeit stellvertretend auch für die Regierungschefs der Stadtstaaten. Vgl. Führ, C., Koordination, S. 74. Führ erklärt die Kompetenzverschiebung außerdem mit einer mehr als zwei Jahrzehnte währenden engen, aber spannungsvollen bildungspolitischen Zusammenarbeit von CDU/CSU und SPD. Vgl. ebd. In seiner Regierungserklärung hatte Bundeskanzler Brandt die Bildungspolitik an die „Spitze der Reformen“ gesetzt. Vgl. BT-PlPr. 6/5 v. 28.10.1969, S. 26.
21
durch Blockaden der unionsgeführten Länder im Bundesrat. Diese Begründung scheint zunächst realistisch. Wie die liberale Bundestagsabgeordnete Helga Schuchardt 1973 muss man aber fragen, „was die CDU/CSU im Mai 1969 wohl dazu bewogen haben mag, dem Bund durch Änderung des Grundgesetzes eine Rahmenkompetenz zu geben, wenn heute die CDU und die CSU über den Bundesrat nach Kräften zu verhindern suchen, daß diese Rahmenkompetenz inhaltlich auch tatsächlich ausgestaltet wird“.15 Der nahe liegende Verdacht, die Länder hätten ganz wesentlich parteipolitisch agiert, als sie 1969 bei gleichgerichteten Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat einerseits einer Kompetenzverlagerung zustimmten und bei divergierenden Mehrheiten andererseits das Hochschulrahmengesetz verzögerten, soll mit dieser Arbeit überprüft werden. Es soll aber auch geklärt werden, ob der offensichtlich begründet scheinende Vorwurf, die Länder wären für die Verzögerungen beim Hochschulrahmengesetz verantwortlich, überhaupt zutrifft. Da sowohl mit der Kompetenzverlagerung als auch mit dem Hochschulrahmengesetz derselbe Zweck verfolgt wurde, nämlich dem Bund mehr Mitsprache im Bereich des Hochschulwesens zu ermöglichen, bietet sich eine vergleichende Untersuchung gerade dieser beiden Gesetze an. Das Ziel soll es sein, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Gesetzgebungsprozesse des 22. Grundgesetzänderungsgesetzes von 1969, soweit es die Kompetenzverlagerung zur Bildungs- und Hochschulrahmengesetzgebung betrifft, mit dem Hochschulrahmengesetz von 1976 aufzuzeigen. Hierzu sollen insbesondere die Aushandlungsprozesse zwischen den verschiedenen Akteuren zu den Gesetzen betrachtet werden. Der interne Abstimmungsprozess der Akteure soll ebenfalls Gegenstand der Untersuchung sein. Auf dieser Grundlage soll auf folgende Fragen eine Antwort gefunden werden: Wo lagen die Interessen der Beteiligten, was unternahmen sie zu deren Durchsetzung und wie gingen sie miteinander um? Mit dieser Erkenntnis soll dann auf die Frage eine Antwort gegeben werden, ob die Länder parteipolitisch agierten oder ob für sie Länderinteressen im Vordergrund standen. Außerdem soll geprüft werden, ob der Vorwurf, der Bund strebe nach einer immer stärkeren Zentralisierung von Gesetzgebungskompetenzen, in diesem Fall zutrifft. Diese Arbeit thematisiert somit ein breites Spektrum an Fragen, die beispielhaft den gegenseitigen Umgang von Bund und Ländern in einer Zeit des politischen Umbruchs16 verdeutlichen und einen Einblick in die Handlungsweise der dama15 16
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MdB Schuchardt (FDP), BT-PlPr., 7/71 v. 13.12.1973, S. 4466. Für Gerhard Lehmbruch war das erstmalige Auftreten unterschiedlicher Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat 1969 ein „Strukturbruch im politischen System der Bundesrepublik
ligen Akteure geben. Eine historiographische Darstellung der Gesetzgebungsprozesse ist hingegen nicht das Ziel der Arbeit,17 wenngleich gerade die Beschäftigung mit den Zielen und Handlungsweisen der Akteure hierzu einen umfassenden Beitrag liefert. 1.2 Methodik und Aufbau der Arbeit Grundsätzlich steht bei der Erarbeitung des Themas der formale Teil des Gesetzgebungsprozesses im Vordergrund. Materielle Anteile werden nur da einbezogen, wo dies zum Verständnis der Konfliktlinien zwischen den Akteuren erforderlich und sinnvoll ist. Insbesondere beim Hochschulrahmengesetz ist eine Darstellung der Reformabsichten der beteiligten Parteien notwendig. Die Ergebnisse der Arbeit werden vor allem aus einer umfassenden Auswertung von Archivmaterial der Parteien und der Gesetzgebungsorgane gewonnen. Schwerpunktmäßig sind dies die offiziellen Protokolle der Sitzungen des Bundestages, des Bundesrates, der Ausschüsse dieser Gremien sowie des Vermittlungsausschusses, aber auch Akten von Bundesministerien und Protokolle von Fraktionssitzungen und Fraktionsvorstandssitzungen der Parteien. Außerdem wurden für diese Arbeit Zeitzeugen befragt, die meist schriftlich, aber auch fernmündlich Auskunft erteilten. Die Darstellung und Bewertung des Vorgehens der verschiedenen an der Gesetzgebung beteiligten Akteure in den Aushandlungsprozessen wird vorwiegend anhand dieser Quellen vorgenommen. Zunächst werden im Rahmen von Vorüberlegungen die in der fraglichen Zeit vorherrschenden politischen Konstellationen in Bund und Ländern dargestellt. Dabei soll deutlich werden, welche Möglichkeiten die einzelnen Parteien zur Durchsetzung ihrer Interessen hatten. Erläuternde Angaben zu den beiden für diese Arbeit maßgeblichen Regierungskoalitionen auf Bundesebene sollen zudem die Hintergründe für die politischen Anspannungen erläutern, die durch den Wechsel von der großen zur sozialliberalen Koalition entstanden waren. Anschließend werden die Grundlagen zu den Instrumenten des politischen Aushandlungsprozesses in der Bundesrepublik und insbesondere der Funktion des Bundesrates im Gesetzgebungsprozess gezeigt. Dabei soll vor allem geklärt werden, inwieweit dem Bundesrat aus heutiger Sicht ganz allgemein eine Blockadefunktion zugesprochen wird. Zuletzt wird die hochschulpolitische Aus-
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Deutschland (…) der durch eigentümliche entwicklungsgeschichtliche Verwerfungen bedingt ist“. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 9. Vgl. Bartz, O., Wissenschaftsrat, 2006, S. 185 (FN 344).
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gangslage in der für diese Arbeit relevanten Zeit erläutert. Anhand der Debatte um eine drohende Bildungskatastrophe und die aufkeimenden Studentenproteste wird vor allem die besondere Bedeutung der Bildungs- und Hochschulpolitik in den 1960er und 1970er Jahren aufgezeigt. Darauf aufbauend erfolgt die Darstellung der beiden Gesetzgebungsprozesse. Hierzu kommen mehrere Vorgehensweisen in Betracht. Nahe liegend erscheint eine chronologische Wiedergabe, welche jedoch die Gefahr einer reinen Deskription in sich birgt. Stattdessen werden die Geschehnisse primär thematisch gegliedert und in zweiter Linie in ihrer zeitlich korrekten Reihenfolge aufgeführt. Die Darstellung des Verhaltens der einzelnen Akteure über den gesamten Gesetzgebungszeitraum ist auf diese Weise gebündelt und nachvollziehbarer möglich. Beim Hochschulrahmengesetz erfolgt der Übersichtlichkeit halber eine Trennung in die Vorgänge der sechsten und der siebten Wahlperiode,18 da hier über zwei unterschiedliche Regierungsentwürfe beraten wurde und sich auch das Vorgehen der Akteure teilweise erheblich verändert hatte. Die Genesen sowohl des 22. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes als auch des Hochschulrahmengesetzes werden zunächst jeweils im Rahmen eines kurzen Überblicks beschrieben. In einem zweiten Schritt erfolgt anhand ausgewählter Themenfelder dann eine Analyse der internen Arbeit der beteiligten Akteure. Dies sind insbesondere die Bundesregierung mit den sie stützenden Parlamentsfraktionen sowie die Vertreter der jeweiligen Oppositionspartei im Bundestag sowie ihre Parteifreunde im Bundesrat. Durch die Betrachtung interner Vorgänge bei den Akteuren soll vor allem deren Interessenlage und politische Taktik deutlich werden. Darauf aufbauend werden die Verhandlungen der Akteure in den verschiedenen Politikarenen, also im Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuss, analysiert. Hier interessieren insbesondere die Umgangsformen der politischen Gegner miteinander, aber auch, welcher Umstand zu Problemen, Verzögerungen oder schließlich zu Lösungen führte. Auch der externe Einfluss von Interessenverbänden und Urteilen des Bundesverfassungsgerichts soll berücksichtigt werden, soweit er belegbar ist. Schließlich werden die Auswirkungen des Hochschulrahmengesetzes kurz dargestellt, um das Thema abzurunden. Mit dem Einfluss der Hochschul- und Bildungsgesetzgebung auf die versuchten und teilweise auch durchgeführten Föderalismusreformen der letzten 15 Jahre soll der aktuelle Bezug des Themas wieder aufgegriffen und die Kontinuität der großen Bedeutung von Bildungs18
24
6. WP: 1. Kabinett Willy Brandt (1969-1972); 7. WP: 2. Kabinett Brandt (1972-1974), 1. Kabinett Helmut Schmidt (1974-1976).
und Hochschulthemen aufgezeigt werden, die diese bis heute haben. Im Schlussteil werden die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und gegeneinander abgewogen. Aufgrund der Gesamtergebnisse sollen die Forschungsfragen beantwortet und ein Ausblick auf weitere hiermit verbundene Forschungsfelder gegeben werden. 1.3 Literatur- und Quellenlage Die Literaturlage ist in Qualität und Quantität als sehr gemischt zu bezeichnen. Zum Themenfeld der Errichtung einer Bundeskompetenz für die Rahmengesetzgebung über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens ist kaum ausführliche Literatur vorhanden. Lediglich zur großen Finanzreform an sich, die den Rahmen für die Kompetenzverschiebung bildete, liegt ausreichend Literatur vor. Die Hochschul- und Bildungsgesetzgebung findet dabei jedoch kaum Beachtung. Nur in der hochschulwissenschaftlichen Fachliteratur wird das Thema aufgegriffen, allerdings weniger von der formalen als eher von der für diese Arbeit zweitrangigen materiellen Seite her. Ein ähnliches Bild bietet sich auch bezüglich des Hochschulrahmengesetzes. Hier ist zwar eine äußerst reichhaltige Literaturbasis vorhanden, jedoch beschäftigen sich die Autoren vorwiegend mit den Inhalten des Gesetzes. Insbesondere in den Zeitschriften der 1970er Jahre wurde der Entstehungsprozess des Gesetzes aufmerksam beobachtet und durch zahlreiche Artikel und Aufsätze begleitet.19 Wegen ihrer teilweise interessenpolitischen Färbung sind diese aber oft eher als Quelle für die gesellschaftliche Stimmungslage zur Hochschulgesetzgebung interessant. Hinzu kommen einige Monographien über das Hochschulrahmengesetz, die jedoch entweder vor dessen Verabschiedung entstanden sind und sich vorwiegend materiell mit den Regierungsentwürfen auseinandersetzen20 oder unmittelbar nach Verkündung des Gesetzes veröffentlicht wurden, so dass ihnen der erforderliche wissenschaftliche Abstand fehlt.21 Eine einschlägige Dissertation, die mit etwa sechs Jahren Abstand veröffentlicht wurde, entstammt dem Funktionalismus und ist vor allem wegen ihrer umfangreichen und detaillierten Beschreibung der Entwicklungsstufen des Hochschulrahmengeset19
20 21
Vgl. hierzu insbesondere die zahlreichen Beiträge in der Zeitschrift DUZ-HD zwischen 1970 und 1976, die die Jahresregister zum Stichwort „Hochschulrahmengesetz“ nachweisen. Vgl. Denninger, E., Hochschulrahmengesetz, 1972. Vgl. Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976. Gerade diese Monographie ist dem sozialdemokratischen Lager zuzuordnen und vor allem wegen der chronologischen Beschreibung der Entwicklung des Gesetzes interessant.
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zes hilfreich, darüber hinaus für diese Arbeit aber kaum verwertbar.22 Weitere Monographien streifen das Hochschulrahmengesetz am Rande und sind für die Beantwortung von Teilfragen dieser Arbeit interessant.23 Die (ver)öffentlich(t)e Meinung spiegelt sich insbesondere in zeitgenössischen Zeitungs- und Magazinartikeln wieder. Wertvoll sind vor allem dort abgedruckte Interviews mit damaligen Verantwortlichen.24 Bezüglich der Themenfelder Föderalismus und Bundesrat ist die Literaturlage dagegen als sehr gut zu bezeichnen. Beide Themen sind ständige Forschungsschwerpunkte der Politikwissenschaft, weswegen aktuelle Literatur in Monographien und Zeitschriftenaufsätzen in ausreichendem Maße vorliegt. Dazu wurde auch gezielt zeitgenössische Literatur recherchiert, um die damalige Sichtweise vor allem auf die Funktion des Bundesrates zu ergründen. Die Handlungsweise einzelner Akteure lässt sich vor diesem Hintergrund teilweise besser nachvollziehen. Hauptsächlich stützt sich diese Arbeit aber auf die Auswertung von Archivmaterialien vor allem der Parteiarchive, des Bundesarchivs und des Parlamentsarchivs, die aufgrund der Bestimmungen des Archivgesetzes teilweise erst seit kurzem einsehbar sind. Neben den Protokollen der öffentlichen Sitzungen von Bundesrat und Bundestag gibt vor allem der Schriftverkehr zwischen den Beteiligten, insbesondere die Dokumentation von seinerzeit nichtöffentlichen Sitzungen der Bundestags- und Bundesratsausschüsse und des Vermittlungsausschusses Aufschluss über die Aushandlungsprozesse. Interne Akten der Bundesministerien und vereinzelt von Landesregierungen zeigen zudem das taktische Vorgehen und die Interessenlage der Bundes- und Landesregierungen weitestgehend ungefärbt. Protokolle der Fraktions- und Fraktionsvorstandssitzungen der Parteien geben umfangreich Aufschluss über Koordinierungsbemühungen und Verhaltensweisen. Internetquellen werden nur insoweit verwendet, als sie von den offiziellen Seiten der verschiedenen Organe, Parteien und staatlichen sowie zwischenstaatlichen Stellen stammen, sie dienen vorwiegend dazu, Dokumente als Download zu erhalten, die in gedruckter Form noch nicht oder nicht mehr zugänglich sind. Sie werden, soweit verwendet, als Internetquelle gekennzeichnet. Insgesamt ist die Literaturlage als gut zu bezeichnen, wenn auch qualitative Abstriche bei der Literatur über die thematisierten Gesetze gemacht werden 22
23 24
26
Vgl. Müller, R., Entstehungsgeschichte, 1982. Der Autor thematisiert im Wesentlichen die Reproduktionsfunktion der Hochschule als Bestandteil des politischen Herrschaftssystems der bürgerlichen Gesellschaft. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990. Insbesondere im Magazin Der Spiegel.
müssen. Die Quellenlage ist hingegen sehr gut, wobei aber auch hier qualitative Unterschiede in der Aktenführung gerade auch zwischen den verschiedenen politischen Parteien konstatiert werden müssen. 1.4 Definition und Abgrenzung wichtiger Begriffe Die Beschäftigung mit dem genannten Thema macht die Definition einiger zentraler Begriffe notwendig. Die Begriffe Bund, Zentralisierung, Unitarisierung und Bundesstaat sollen deswegen im Folgenden näher umschrieben und abgegrenzt werden. Wird hier von Bestrebungen des Bundes geschrieben, so könnte „Bund“ vielfältige Bedeutungen haben. Zum einen könnte der Begriff sich allein auf die Exekutive und deren anhängenden Verwaltungsapparat beziehen. Er könnte aber auch nur die Legislative oder sogar nur die Judikative umfassen. Betrachtet man lediglich das Organ Bundestag, so kann dieses sich wieder allein auf die Bundestagsmehrheit oder auch – weiter gefasst – ebenso auf die Opposition erstrecken. Nicht vergessen werden darf, dass auch die Landesregierungen über den Bundesrat an der Politik des Bundes mitwirken und der Bundesrat in dieser Sichtweise eben kein Länderorgan, sondern ein Bundesorgan ist.25 Dieser Oberbegriff bedarf daher einer differenzierteren Betrachtung. Zunächst umfasst der Begriff „Bund“ alle Institutionen und Organe, die der Bundesebene zuzuordnen sind. Die Handlungslogiken innerhalb des Systems Bund müssen dabei durchaus nicht gleichgerichtet und können sogar in weiten Teilen voneinander entkoppelt sein. Sind sich Bundestagsmehrheit und Bundesregierung in der Regel hinsichtlich ihrer Interessen einig, was leicht dadurch erklärbar ist, dass die Bundesregierung sich im Normalfall auf die Bundestagsmehrheit stützt, lassen sich innerhalb der Institution Bundestag gegenläufige Interessen zwischen Bundestagsmehrheit und Opposition aufzeigen.26 Im Einzelfall können solche Gegensätze sogar innerhalb der Bundesregierung zutage treten, was prinzipiell zwar durch das Kabinettsprinzip oder die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers unterbunden wird, über die Medien aber dennoch zuweilen an die Öffentlichkeit dringt. Die Bundesministerien und ihre
25 26
Vgl. Barrios, H.; Krennerich, M., Bundesländer, 2002, S. 36. Die Kontrolle der Bundesregierung geht somit fast vollständig auf die Opposition über, die letztlich aber keinen Mehrheitsentscheid herbeiführen kann und somit in ihrer Kontrollfähigkeit eingeschränkt ist. Vgl. Ellwein, T., Regierungssystem, 1965, S. 218.
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politische Verwaltung gelten dabei als der verlängerte Arm der Bundesregierung, so dass sie dieser zuzurechnen sind.27 Insgesamt sind es also die Organe Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, die über tatsächliche gestalterische Macht verfügen, wobei die Unterteilung exakter in die Bundesregierung, zusammen mit der Mehrheit des Bundestages, die Bundestagsopposition und den Bundesrat vorgenommen werden sollte. In dieser Arbeit bezieht sich der Begriff „Bund“ deshalb nur auf die Interessen der Bundesregierung einschließlich der Bundesministerien und der Bundestagsmehrheit. Die Oppositionsinteressen werden stattdessen als eine von der originären Bundesauffassung abweichende Meinung einer auf Bundesebene agierenden Gruppe verstanden. Der Bundesrat bleibt nach dieser Definition vollkommen außen vor. Er verhandelt zwar als Bundesorgan auf Augenhöhe mit den anderen Bundesorganen, artikuliert im Kern aber die Interessen der Landesregierungen. Eine der Fragen dieser Arbeit ist, inwiefern der Bund im Bereich der Hochschulgesetzgebung Zentralisierungsbestrebungen hatte und inwieweit diese Bestrebungen durch sein Zutun eine tatsächlich zentralisierende Wirkung entfalten konnte.28 Der Begriff „Zentralisierung“ scheint auf den ersten Blick klar und nicht mehr erläuterungsbedürftig zu sein. Geht es doch prinzipiell darum, eine Gesetzgebungsmaterie, die bislang durch die Länder geregelt wurde, auf den Bund zu übertragen. Dieser wird dadurch befugt, Entscheidungen in diesem Bereich zu treffen. Tatsächlich versteht man unter Zentralisierung zunächst ganz allgemein einen Prozess der Zusammenfassung von Aufgaben und Entscheidungskompetenzen innerhalb eines hierarchischen Organisationsaufbaus an der Spitze der Hierarchie.29 Letztlich hat Zentralisierung also eine Vereinheitlichung von Arbeitsabläufen zur Folge, da die zentral vorgegebene Materie von allen untergeordneten Ebenen in der gleichen Weise umzusetzen ist. Der Prozess der Vereinheitlichung wird allerdings auch vom Begriff der Unitarisierung erfasst, der von dem der Zentralisierung abgegrenzt werden muss. Während Zentralisie27
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29
28
Die Bedeutung der Bundesgerichte bleibt an dieser Stelle unberücksichtigt; wenngleich sie der Ebene „Bund“ zweifelsfrei zugerechnet werden können, ist ein eigenes politisch motiviertes Auftreten als „Bund“ zu verneinen. Dennoch entfaltet die Rechtsprechung der Bundesgerichte durchaus steuernde Wirkung auf die Arbeit des Bundesgesetzgebers. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990. Vgl. statt vieler Schmidt, H.-J., Bundesrat, 1973, S. 469 und Berggreen, I., Bildungswesen, 1992, S. 437f, die eine häufige Übertragung von Länderkompetenzen auf den Bund konstatieren, und Blankart, C.B., Thesen, 1999, S. 145, der bei einem Vergleich der Fassungen des Grundgesetzes von 1949 und 1999 eine beträchtliche Zentralisierung von Kompetenzen feststellt. Vgl. o.V., Zentralisation, 2003, S. 1233.
rung früher eher die Organisation des Verwaltungsapparates eines politischen Systems umschrieb und Unitarismus die Beziehung der Organe und Ebenen der politischen Willensbildung umschreiben sollte,30 werden diese Begriffe heute in der Literatur uneinheitlich verwendet.31 Der Begriff „Unitarisierung“ wird weitgehend durch den Begriff „Zentralisierung“ verdrängt.32 In dieser Arbeit bezeichnet Zentralisierung die Verlagerung von Kompetenzen auf die Ebene des Bundes, wenn dieser dadurch die Möglichkeit erhält, auf die Gesetzgebung der Länder durchzugreifen und zentrale Vorgaben zu machen, die von den Ländern umgesetzt werden müssen. Dabei ist es unbedeutend, ob den Ländern ein eigener Entscheidungsspielraum überlassen bleibt. Im Vordergrund steht also das Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Ebenen, während der erreichte Grad der sachlichen Vereinheitlichung lediglich das Resultat der Kompetenzverlagerung darstellt. Unitarisierung wird hingegen als organisatorische Vereinheitlichung innerhalb eines Staates verstanden und bezieht sich auf eine freiwillige Kooperation aller Verantwortlichen, die auf eine einheitliche Problemlösung abzielt.33 Anders als Zentralisierung meint Unitarisierung eine Vereinheitlichung von Vorgehensweisen, die entweder durch die Verlagerung von Kompetenzen auf eine zwischenstaatliche Ebene34 oder auch ohne eine Verlagerung von Kompetenzen erfolgen kann.35 Im Gegensatz zur Zentralisierung geht Unitarisierung demnach auf eine Initiative der Gliedstaaten und nicht auf die Anweisung des Zentralstaates zurück.36 Es wäre aber falsch, Unitarisierung alleine als Maßnahme der Länder untereinander zu verstehen, die den Zentralstaat völlig außen vor lässt. 30 31
32
33 34
35
36
Vgl. Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 17. Vgl. ebd., S. 15. Vgl. auch begriffsprägend Konrad Hesse mit seiner 1962 erschienen Schrift „Der unitarische Bundesstaat“, der unter „Unitarisierung“ sowohl eine ständig fortschreibende Selbstkoordinierung der Länder, als auch eine Konzentration der staatlichen Aufgaben beim Bund versteht und eine Verlagerung der politischen Wirksamkeit der Länder zunehmend auf deren Beteiligung an der Bundesgesetzgebung durch den Bundesrat konstatiert. Vgl. Hesse, K., Bundesstaat, 1984, S. 128. Lehmbruch hingegen benutzt auch für Koordinierungen der Länder den Begriff „Zentralisierung“, soweit die Bundesebene hieran beteiligt ist. Vgl. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 117. Vgl Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 17, die dies u.a. auf den angelsächsischen Sprachgebrauch zurückführt, in dem für Veränderungsprozesse häufig nur von „centralization“ die Rede ist. Vgl. ebd. Vgl. hierzu Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 16. So genannte „Dritte Ebene“, die durch einen Zusammenschluss z.B. aller Länder durch einen Staatsvertrag entsteht. Zu Staatsverträgen s. weiterführend Vedder, C., Staatsverträge, 1996. Z.B. durch Absprachen hinsichtlich der Umsetzung bestimmter Gesetzesmaterien, die zu einer Vereinheitlichung führen. Vgl. Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 16.
29
Vielmehr kann die Koordinierung der Länder auch in Eintracht mit dem Bund erfolgen oder als Forderung an den Bund ergehen, für eine einheitliche Regelung zu sorgen.37 Die Thematisierung von Zentralisierungs- und Unitarisierungsprozessen erfordert die Erläuterung des Bundesstaates deutscher Prägung. Entscheidend ist, dass Deutschland ein traditionell föderativer Staat ist, der nicht aus einer zentralen Einheit, sondern einer Vereinigung bestehender Staaten hervorging.38 Die völkerrechtliche Souveränität liegt aber beim Zentralstaat, der die Gesamtheit der Gliedstaaten nach Außen vertritt.39 Der Begriff „Bundesstaat“ bezieht sich dabei nicht auf das Organisationsprinzip, sondern auf die staatliche Gliederung als solche. Entscheidend für den Bundesstaat ist, dass keine der beiden Ebenen die uneingeschränkte Regelungsmacht erhält.40 Zudem müssen die Aufgaben zwischen den Ebenen verteilt und die dafür notwendige finanzielle Eigenständigkeit vorhanden sein. Die Gliedstaaten müssen die verfassungsrechtlich gesicherte Möglichkeit haben, sich an der Willensbildung des Zentralstaates angemessen zu beteiligen.41 In dieser Arbeit werden die Begriffe „Gesamtstaat“ und „Zentralstaat“ gleichbedeutend verwendet und bezeichnen den Zusammenschluss der Gliedstaaten.42
37 38
39 40
41 42
30
Vgl. Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 16. Vgl. Champris, T., Vorbereitung, 2003, S. 58. Die Staatlichkeit der Länder wurde nachgewiesen in BVerfGE 36, S. 342ff (326). Vgl. Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 19. Vgl. ebd. Die so genannte Kompetenz-Kompetenz verleiht die Möglichkeit, einseitig die Befugnisse der jeweils anderen Ebene zu beschneiden. Diese Fähigkeit ist Kennzeichen des so genannten dezentralisierten Einheitsstaates, in dem der Zentralstaat jederzeit die Möglichkeit hat, die Aufgabenverteilung der Gliedstaaten neu zu regeln. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Die Möglichkeit weiterer Differenzierungen, wie etwa bei Hans Nawiasky, für den erst Zentralstaat und Gliedstaaten zusammen den Gesamtstaat bilden, wird hier nicht berücksichtigt. Zu den Thesen Nawiaskys vergleiche Bungardt, K., Finanzreform, 1969, S. 662.
2 Vorüberlegungen
2.1 Die politische Ausgangslage für die Gesetzgebung 2.1.1 Die Grundeinstellung der Parteien zum Föderalismus Im föderativen System sind die Akteure auf den Ebenen Bund und Land die politischen Parteien, die dementsprechend in Bundes- und Landesparteien gegliedert sind.43 Es ist durchaus möglich, dass eine in einer Partei auf Landesebene entstandene Idee zur Grundlage für das Handeln der Gesamtpartei wird. Da letztlich hinter jeder im politischen Prozess beteiligten Institution stets eine oder mehrere Parteien stehen, deren partielle Interessen zum Beispiel im Gesamtinteresse der Institution Bundestag kumulieren, wird zunächst die grundsätzliche Ausgangshaltung der damals maßgebenden Parteien aufgezeigt. Weder CDU, CSU noch SPD oder FDP waren bei der Verabschiedung des Grundgesetzes föderalismusfeindlich eingestellt, wobei das Ausmaß der föderativen Orientierung aber nicht unerheblich variierte. CDU und CSU forderten einen Bundesstaat als einen Zusammenschluss selbständiger und freier Länder. Die CSU betrieb dabei eine besonders deutlich auf den Erhalt des Föderalismus ausgerichtete Politik.44 Die SPD hingegen vertrat die Ansicht, in einem Bundesstaat müsse das Bundesrecht stets über dem Landesrecht stehen. Die Bundesrepublik müsse zwar so föderalistisch wie möglich, dabei aber auch so zentralistisch wie nötig organisiert sein. Der Einfluss der Länder und der Erhalt des bundesstaatlichen Charakters standen für die Sozialdemokraten dabei nicht im Vordergrund.45 Die FDP vertrat eine insgesamt stark zentralisierende Politik, wollte die Staatsgewalt soweit möglich auf die Zentralinstanz legen und die Kompetenzen 43
44
45
Die ebenfalls, vor allem als politische Basis der Parteien, bedeutende Kommunalorganisation der Parteien wird in dieser Arbeit nicht betrachtet. Vgl. Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 59. Vertreter der CSU lehnten darüber hinaus den Entwurf des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat ab, da ihnen dieser zu zentralistisch erschien. Vgl. ebd., S. 68. Vgl. ebd.
31
der untergeordneten Ebenen möglichst weit einschränken.46 Bezüglich des Bildungswesens folgte die FDP einer aus dem 19. Jahrhundert stammenden Tradition zur Schaffung eines einheitlichen nationalen Bildungssystems.47 In den 1960er Jahren vertrat sie aus ihrer Oppositionsrolle heraus eine entschiedene bildungspolitische Reformprogrammatik und versuchte allgemein aufkeimende Forderungen nach einem Umbau des Bildungssystems mit einem liberalen Gesellschaftsbild zu verknüpfen.48 Insgesamt lagen zentralisierende Tendenzen somit bei der SPD und wesentlich stärker bei der FDP vor, während die Unionsparteien mehr den Ansatz eines möglichst ausgeprägten Föderalismus vertraten, wobei hier wiederum die CSU die weitgehendste Position innehatte. 2.1.2 Die politische Lage in den Ländern und die Mehrheiten im Bundesrat 1966-1976 Von den seinerzeit elf deutschen Bundesländern waren acht Flächen- und drei Stadtstaaten, wobei Berlin eine politische Sonderrolle einnahm. Das Land hatte aufgrund des Viermächteabkommens zwar Sitz, aber keine Stimme im Bundesrat.49 Für die Bildung von Mehrheiten im Bundesrat war Berlin aus diesem Grund bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 bedeutungslos. Tabelle 1 zeigt die politische Situation in den Bundesländern zwischen 1966 und 1976 und stellt die Regierungschefs in den Bundesländern sowie die jeweiligen Stimmen im Bundesrat dar. Für eine Mehrheit im Bundesrat wurden seinerzeit 21 Stimmen benötigt. Für eine Zweidrittelmehrheit, wie sie zur Änderung des Grundgesetzes notwendig ist, waren demnach 27 Stimmen erforderlich. Das Abstimmverhalten im Bundesrat wurde, sofern parteipolitische Erwägungen im Vordergrund standen, vor allem durch die vorherrschenden Koalitionen in den Ländern geprägt. Sichere Stimmen konnte eine Bundesregierung nur
46 47
48 49
32
Vgl. Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 68. Vgl. Anweiler, O., Bildungspolitik, 2006a, S. 719f. Schon frühzeitig war die Partei u.a. auch für die Schaffung eines Bundeskultusministeriums eingetreten. Vgl. die Abg. Zoglmann (FDP), BT-PlPr. 3/43 v. 3.10.1958, S. 2456f. Vgl. Anweiler, O., Bildungspolitik, 2006a, S. 717. Auch im Bundestag verfügten die Berliner Abgeordneten nur über beratendes Stimmrecht. Bundesgesetze wurden für Berlin erst durch eine erneute Beschlussfassung im Berliner Senat rechtswirksam.
Land
Jahr
Regierung
Land
Jahr
Regierung
Baden-Württemberg
1966 CDU; SPD
Niedersachsen
1965 SPD; CDU
5 Stimmen
1968 CDU, SPD
5 Stimmen
1967 SPD; CDU
finanzstark
1972 CDU
finanzschwach
1970 SPD
1976 CDU
1974 SPD; FDP
Bayern
1966 CSU
1976 CDU
5 Stimmen
1970 CSU
Nordrhein-Westfalen
finanzstark
1974 CSU
5 Stimmen
1966
1966 SPD; FDP
finanzstark
1970 SPD; FDP
Berlin
1967 SPD; FDP
1966 CDU; FDP SPD; FDP (ab 8.12.66)
1975 SPD; FDP
nicht
1971 SPD
Rheinland-Pfalz
1963 CDU; FDP
stimmberechtigt
1975 SPD
4 Stimmen
1967 CDU; FDP
finanzschwach
1969 CDU; FDP
Bremen
1963 SPD; FDP
3 Stimmen
1967 SPD; FDP
1975 CDU
finanzstark
1971 SPD
1976 CDU CDU; FDP1965 DPS
Hamburg
1971 CDU
1975 SPD
Saarland
1966 SPD
3 Stimmen
1970 CDU 1974 CDU
3 Stimmen
1970 SPD; FDP
finanzschwach
finanzstark
1974 SPD; FDP
Schleswig-Holstein
1962 CDU; FDP
4 Stimmen
1967 CDU; FDP
Hessen
1966 SPD
4 Stimmen
1970 SPD; FDP
finanzstark
1974 SPD; FDP
finanzschwach
1971 CDU 1975 CDU
Tabelle 1: Überblick über die Machtverteilung in den Bundesländern 19661976. Bei Koalitionen wird der Regierungschef durch die kursivgedruckte Partei gestellt. Quelle: Eigene Darstellung mit Angaben aus: Mielke, S.; Reutter, W. (Hrsg.), Länderparlamentarismus, 2004 (um eigene Angaben ergänzt). 33
dann einkalkulieren, wenn die Koalition in dem jeweiligen Land der Koalition auf Bundesebene entsprach. Gleiches gilt entsprechend für die Opposition und die ihr nahe stehenden Bundesländer. Diejenigen Landesregierungen, die aus Koalitionen mit einer Partei bestanden, die im Bundestag der Opposition angehörte, mussten sich im Zweifelsfall mit Rücksicht auf den Fortbestand der Koalition ihrer Stimme im Bundesrat enthalten oder sogar entgegengesetzt zur Bundesregierung abstimmen. So hatte die große Koalition von 1966 bis 1969 zwar theoretisch alle Bundesländer hinter sich, da die Regierungschefs aller Länder entweder der CDU/CSU oder der SPD angehörten, konnte de facto aber nicht sicher mit allen Stimmen rechnen. 19 Stimmen wurden von Ländern abgegeben, die entweder rot/gelbe50 oder schwarz/gelbe51 Koalitionen hatten. Für die absolute Mehrheit waren die übrigen 22 Stimmen stets ausreichend. Die qualifizierte Zweidrittelmehrheit konnte im Bundesrat hingegen nur erreicht werden, wenn auch Länder mit FDP-Regierungsbeteiligung zustimmten.52 In der Zeit der sozialliberalen Koalition auf Bundesebene änderten sich dieses Bild und die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat durch Regierungswechsel nach Landtagswahlen erheblich. Die von der Union dominierten Länder konnten zu Beginn der sozialliberalen Koalition zwar 21 Stimmen hinter sich vereinen, während die übrigen 20 Stimmen durch SPD-Ministerpräsidenten vertreten wurden. Bei näherer Betrachtung konnte die CDU/CSU zunächst aber lediglich fünf, ab Juni 1970 dann acht, ab April 1971 zwölf und ab Mai 1971 dann schließlich 16 Stimmen ohne Einfluss eines Koalitionspartners abgeben, während dies bei der Regierungskoalition stets mehr Stimmen waren. Die übrigen Länder, die durch Koalitionen der CDU mit der FDP oder SPD regiert wurden, galten als neutral und konnten zumindest bei hochpolitischen Sachverhal-
50 51 52
34
Bremen und Nordrhein-Westfalen. Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein. Eine Teilung der Stimmen eines Landes, z.B. bei unterschiedlichen Auffassungen in der Regierungskoalition, ist nicht möglich. Das Grundgesetz schreibt eine einheitliche Stimmabgabe vor. Erst 2002 hat das Bundesverfassungsgericht hierzu im Fall des Zuwanderungsgesetzes entschieden, dass diese Einheitlichkeit nicht durch die maßgebende Stimmabgabe des Stimmführers entsteht, sondern abweichende Stimmabgaben im Bundesrat zulässig sind. Diese führen aufgrund der vorgeschriebenen Einheitlichkeit der Stimmabgabe allerdings zur Ungültigkeit der Stimmen des betreffenden Landes. Das Zuwanderungsgesetz wurde durch diese Entscheidung nichtig. (Vgl. BVerfGE 106, S. 310ff). Dieses Beispiel zeigt den mitunter großen Einfluss auch kleiner Koalitionspartner auf die Stimmabgabe eines Bundeslandes, auch wenn dies zur damaligen Zeit noch nicht höchstrichterlich bestätigt war.
1969
1970
Schleswig Baden Holstein Württemberg
Schleswig Baden Holstein Württemberg
Saarland
Saarland Bayern
Rheinland Pfalz
Bayern
Rheinland Pfalz
Bremen Niedersachsen
Bremen Niedersachsen
Hamburg Nordrhein Westfalen
Hamburg Nordrhein Westfalen
Hessen
Hessen
1971
1972
Schleswig Baden Holstein Württemberg
Schleswig Baden Holstein Württemberg
Saarland
Saarland Bayern
Rheinland Pfalz
Bayern
Rheinland Pfalz
Bremen Niedersachsen
Bremen Niedersachsen
Hamburg Nordrhein Westfalen
Abbildung 1:
Hessen
Hamburg Nordrhein Westfalen
Hessen
Die Entwicklung der Koalitionen im Bundesrat 1969-1972 unter Berücksichtigung der Bundesratsstimmen jeweils zum Jahresende. Quelle: Eigene Darstellung.
35
ten ihre Stimmen nicht voll für die Interessen der Union zur Geltung bringen.53 Erst ab Mai 1972 änderte sich dieses Bild mit dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg, welches bis dahin von einer großen Koalition unter Führung der CDU regiert worden war. Von nun an verfügte die CDU/CSU über eine ständige absolute Mehrheit von 21 Stimmen. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der parteipolitischen Koalitionen im Bundesrat für diesen Zeitraum unter Berücksichtigung der Stimmenverhältnisse. Es kann aber auch vorkommen, dass die Interessen einzelner Länder von denen anderer Länder abweichen, die durch Vertreter derselben Partei regiert werden. Gründe hierfür können in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der geografischen Lage oder vor allem auch der Finanzkraft eines Landes liegen.54 Vor allem wegen letzterem ist eine Unterscheidung der Länder in so genannte arme und reiche Länder, also steuerstarke und steuerschwache Länder, für die weiteren Überlegungen hilfreich. Die Verschiebung der Kompetenz für die Hochschulrahmengesetzgebung wurde schließlich im Rahmen der Finanzreform vorgenommen, die einen großen Einfluss auf die Finanzkraft der Länder hatte. Interessant ist eine Unterteilung deshalb für den Zeitraum dieses Gesetzgebungsverfahrens, also 1966 bis 1969. Abbildung 2 stellt diese Stimmverhältnisse dar. Berlin ist als für die Abstimmungen nicht relevantes Bundesland nicht aufgeführt. Die Zuordnung nach der Finanzkraft ist nicht deckungsgleich mit der parteipolitischen Zuordnung. Von den finanzstarken Ländern wurden zwei von der Union regiert, während vier durch die SPD regiert wurden. Von den finanzschwachen Ländern waren drei B-Länder und eines ein A-Land. Insgesamt standen im Bundesrat also 25 Stimmen reicher Länder gegen 16 Stimmen armer Länder. Wenngleich die reichen Länder die absolute Mehrheit im Bundesrat hatten, waren Grundgesetzänderungen nicht ohne die Stimmen zumindest eines der armen Länder möglich. Für den Gesetzgebungsprozess zum Hochschulrahmengesetz war die Unterteilung nach finanzstarken und -schwachen Ländern nicht mehr von wesentlicher Bedeutung. Sie hatte sich aber auch nicht wesentlich geändert.55
53
54 55
36
Die Koalitionspartner achteten in diesen Ländern genau darauf, dass sie ihre Stimmen im Bundesrat nicht obstruktiv abgaben. Vgl. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 141. Vgl. auch Schmidt, M.G., System, 2007; S. 201. Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007; S. 202 und Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 173. Lediglich Bremen wurde als Auswirkung der Finanzreform vom Geber- zum Nehmerland. Ansonsten wurde das Ausgleichsvolumen insgesamt kleiner. Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Ausgleichsbeiträge, 2005.
SchleswigHolstein; 4
BadenWürttemberg; 5
Saarland; 3 Bayern; 5 RheinlandPfalz; 4 Bremen; 3
Niedersachsen; 5
Hamburg; 3
NordrheinWestfalen; 5
finanzschwach
Abbildung 2:
56
Hessen; 4
finanzstark
2/3-Mehrheit
Die Verteilung der Bundesratsstimmen nach der Finanzkraft 1966-1969. Quelle: Eigene Darstellung56.
Vgl. Renzsch, W., Finanzausgleich, 1991, S. 244 u. 251; Schmoekel, R.; Kaiser, B., Regierung, 1991, S. 277. Diese Angaben decken sich weitgehend mit den Zahlungen bzw. empfangenen Leistungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs. Lediglich Bayern, welches als reiches Land aufgeführt ist, war in dieser Zeit noch Nehmerland im Länderfinanzausgleich. Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Ausgleichsbeiträge, 2005.
37
2.1.3 Die große Koalition beim Bund 1966-1969 Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland hatte die Union, meist in verschiedenen Koalitionen mit kleineren Parteien,57 ununterbrochen die Bundesregierung gestellt. Im Zuge der Bundestagswahl 1965 wurde Ludwig Erhard als Bundeskanzler in einer Koalition aus CDU/CSU und FDP wiedergewählt, verfügte in der Union aber kaum noch über Rückhalt.58 Eine Streitfrage zwischen den Koalitionsparteien in der Haushaltspolitik führte schließlich im Oktober 1966 zum Rücktritt aller vier FDP-Bundesminister und damit zum Auseinanderbrechen der Regierungskoalition.59 In dieser zugespitzten Situation, in der außer Neuwahlen für die Union lediglich eine große Koalition mit der SPD, eine Minderheitsregierung oder eine möglicherweise neue personell veränderte Koalition mit der FDP blieb, erklärte Bundeskanzler Erhard, eine neue Regierungsbildung solle an seiner Person nicht scheitern. Daraufhin wählte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Kurt-Georg Kiesinger am 10. November 1966, allerdings erst im dritten Wahlgang, zum Kanzlerkandidaten der Union.60 Nicht nur dieser Umstand zeigt, dass Kiesinger für die Union nicht die erste Wahl eines Kanzlerkandidaten war. Weitere prominente Kandidaten wie Rainer Barzel fanden aber noch weniger Zuspruch. Für Kiesinger sprach jedoch einiges: Er „war Süddeutscher, als Ministerpräsident kam er aus dem föderalistischen Lager, und er versprach vor allem, kein sehr starker Kanzler mit langer Amtszeit zu werden“.61 Nachdem Koalitionsverhandlungen mit der FDP über die Neubildung einer Regierung gescheitert waren, einigte sich eine Verhandlungskommission zwischen Union und SPD nur einen Tag später auf die Bildung einer großen Koali-
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1949-1953: CDU/CSU, DP, FDP; 1953-1957: CDU/CSU, FDP, DP, GB/BHE (scheidet aus am 23. Juli 1955) Ab 27.3.1956: CDU/CSU, DP, DA; 1957-1961: CDU/CSU, DP (ab 3.5.1961 nur CDU/CSU); 1961-1965: CDU/CSU, FDP; Alle Angaben aus Schindler, P., Datenhandbuch, 1999, S. 3635-3647. März, P., Macht, 2002, S. 129. Die FDP hatte es abgelehnt, das wachsende Haushaltsdefizit durch Steuererhöhungen auszugleichen. Vgl. März, P., Macht, 2002, S. 129. Darüber hinaus war die Koalitionsregierung von ständigem Misstrauen geprägt gewesen, und die FDP fühlte sich von der Union als Koalitionspartner in der Regierung weder ernst genommen noch respektiert. Vgl. Moersch, K., Abenteuer, 2001, S. 279f, der das ständige Misstrauen sogar als eigentliche Ursache des Auseinanderbrechens der Koalition ansieht. „Die Union betrachtete sich als die Staatspartei, für sie waren die Freien Demokraten von 1961 an nur lästige, unwürdige Beifahrer in einer schwarzen Staatskarosse.“ Ebd. Vgl. Schindler, P., Datenhandbuch, 1999, S. 3647. März, P., Macht, 2002, S. 132f.
tion mit Kiesinger als Kanzler und Willy Brandt als Vizekanzler.62 Die Gründe für diesen bis dahin kaum für möglich gehaltenen Schritt63 waren vielfältig. Es bestand erheblicher Reformbedarf, der zuvor unter der starken Opposition der SPD nicht hatte beseitigt werden können.64 Von einer großen Koalition versprach man sich nun eine schnelle Lösung der dringendsten Probleme des Staates.65 Die SPD erblickte hierin die Chance, ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen und sich nach 17-jähriger Oppositionszeit von den Stigmata der Neinsager-Partei zu befreien.66 Die Union verfolgte hingegen das Ziel einer Erneuerung und Neuausrichtung der Partei nach der langen prägenden Zeit unter der Führung Konrad Adenauers.67 Zudem bewertete die Union die große Koalition lediglich als eine Zwischenphase bis zur nächsten Alleinregierung. Auch die SPD sah in der großen Koalition nur eine Etappe auf ihrem Weg zu einer zukünftig allein regierenden Sozialdemokratie.68 Aus diesen Gründen war es nahe liegend, sich nur soweit aneinander zu binden, wie dies zur Erledigung der notwendigsten Aufgaben unbedingt erforderlich war. Bereits in der Regierungserklärung der großen Koalition im Dezember 1966 kündigte Bundeskanzler Kiesinger deshalb das Ende der Koalition an, indem er erklärte, es sei der feste Wille der Partner der großen Koalition, diese nur auf Zeit, also bis zum Ende der Legislaturperiode fortzuführen.69 Von ihrer Auslegung her war die große Koalition demnach ein Zweckbündnis, das 62
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Vgl. Schindler, P., Datenhandbuch, 1999, S. 3647. Rechnerisch wäre auch eine Koalition zwischen SPD und FDP möglich gewesen, die von Willy Brandt auch befürwortet worden wäre. Herbert Wehner erschien diese Alternative aber zu riskant und zu brüchig, so dass die SPD eine Koalition mit der Union befürwortete. Vgl. März, P., Macht, 2002, S. 146. Vgl. Gaus, G., Regierung, 1965, S. 113. „Die Einwände gehören sozusagen zum demokratischen Glaubensbekenntnis der westdeutschen Öffentlichkeit.“ Ebd. „Die Notstandsgesetze, seit Ende der fünfziger Jahre ein Thema, sollten verabschiedet werden, ein neues Wahlrecht, das jeweils eindeutige Mehrheiten verhieß, stand auf der Tagesordnung. In der Finanz- und Wirtschaftspolitik wehte ein neuer keynesianisch-planerischer Zeitgeist, der auch das unitarische gegenüber dem föderalen Element im deutschen Bundesstaat stärken sollte.“ März, P., Macht, 2002, S. 135. Helmut Müller nennt als wesentliche Motive für die Bildung der Koalition „die sich rasch verschärfende wirtschaftliche Rezession mit hohem Haushaltsdefizit und schnell ansteigenden Arbeitslosenzahlen [und; T.H.] (…) die Sorge um das Anwachsen des Rechtsradikalismus (…).“ Müller, H.M. u.a., Schlaglichter, 2002, S. 372. Vgl. hierzu Gaus, G., Regierung, 1965, S. 113, der eine Allparteien-Regierung bereits für die Bundestagswahl 1965 als Idealfall angesehen hatte, und Waldemar Besson, der bereits 1962 die Überzeugung äußerte: „Im Grunde ist die Allparteienregierung der geheimste Wunsch aller Gruppen.“ Zitiert nach Borm, W., Opposition, 1969, S. 213f. Vgl. Hereth, M., Opposition, 1969, S. 154. Vgl. März, P., Macht, 2002, S. 135. Vgl. März, P., Macht, 2002, S. 135. Vgl. Moersch, K., Abenteuer, 2001, S. 279. Vgl. BK Kiesinger, BT-PlPr. 5/80 v. 13.12.1966, S. 3657.
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dazu beitragen sollte, wichtige staatspolitische Reformen einzuleiten, und das darüber hinaus von den Koalitionspartnern als Sprungbrett zu einer zukünftigen Alleinregierung gewertet wurde. Im Ergebnis hielt die große Koalition trotz aller Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, insbesondere in der Ostpolitik,70 bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Herbst 1969 zusammen. Die wichtigsten Reformen wurden angegangen und auch eingeleitet. Neben anderen71 ist für diese Arbeit insbesondere die große Finanzreform relevant, in deren Rahmen auch die Verlagerung der Hochschulgesetzgebungskompetenzen festgeschrieben wurde. Zudem wurde das Institut der Gemeinschaftsaufgaben geschaffen, wodurch Bund und Länder in die Lage versetzt wurden, in bestimmten Politikbereichen zusammenzuarbeiten. Die große Koalition erfuhr vor allem wegen ihres faktischen Ausschaltens einer Opposition umfangreiche Kritik in der Bevölkerung, da die FDP mit ihren 49 Abgeordneten gegenüber den 447 von CDU/CSU und SPD keine wirkungsvolle politische Kraft sein konnte.72 Im Übrigen schien sich die Opposition im Wesentlichen verlagert zu haben von einer Kritik der Parteien untereinander in eine Bereichsopposition, in der die Koalitionspartner jeweils die Politikbereiche kritisieren, für die der jeweils andere Koalitionspartner verantwortlich zeichnete.73 Die Bewertung der großen Koalition war nicht einheitlich. Allgemein wurde der Koalition zwar großer Fleiß bei der Verabschiedung von Gesetzen attestiert,74 die Ergebnisse wurden aber unterschiedlich bewertet. Einerseits habe die große Koalition vielerlei bewirkt,75 auf der anderen Seite wird ihre Leistung eher als gering eingeschätzt, da zu viele Kompromisse wirklich entscheidende Reformen verhindert hätten.76 Letztlich wurde mit den Reformen der großen
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Vgl. Müller, H.M. u.a., Schlaglichter, 2002, S. 374. Zu nennen sind hier insbesondere das Stabilitätsgesetz, eine Strafrechtsreform, und die Notstandsgesetze. Vgl. Borm, W., Opposition, 1969, S. 213. Von Günter Grass als „Kartell der Angst“ bezeichnet, erstreckten sich die negativen Bewertungen der Koalition bis hin zur Feststellung des Studentenführers Rudi Dutschke, die große Koalition stelle das abscheulichste aller politischen Regime dar. Vgl. Laquer, W., Deutsche, 1985, S. 155. Vgl. Kevenhörster, P., Opposition, 1969, S. 208f. Vgl. Rummel, A., Koalition, 1969, S. 24. Vgl. März, P., Macht, 2002, S. 142. Vgl. Rummel, A., Koalition, 1969, S. 24; vgl. Ziegler, G., Kiesinger, 1985, S. 415, Vgl. Thränhardt, D., Opposition, 2000, S. 437.
Koalition aber die Grundlage für die Arbeit der nachfolgenden Bundesregierung gelegt.77 2.1.4 Die sozialliberale Koalition beim Bund zwischen 1969 und 1982 Bereits gegen Ende der großen Koalition verhärteten sich die Konfliktlinien zwischen den Regierungsparteien mit dem immer näher rückenden Wahlkampf wieder, was vor allem in der Deutschland- und Ostpolitik sowie der Wirtschaftspolitik zum Ausdruck kam.78 Zudem hatte sich angedeutet, dass die FDP einer Koalition mit der SPD nicht abgeneigt gegenüber stehe.79 Die Bundestagswahlen im September 1969 ermöglichten im Ergebnis eben jene Regierungsbildung aus SPD und FDP, auch wenn letztere starke Stimmverluste hatte hinnehmen müssen und die Union die stärkste Fraktion stellte.80 Unmittelbar nach der Wahl meldete Willy Brandt seinen Anspruch an, die Führung einer aus SPD und FDP gebildeten Bundesregierung übernehmen zu wollen, und wurde in der Folge zum ersten sozialdemokratischen deutschen Kanzler seit 1930 gewählt.81 Die neue Regierung löste eine Art Aufbruchstimmung aus, die 77
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Vgl. Ziegler, G., Kiesinger, 1985, S. 415. So sah es auch Willy Brandt, der in einem Brief an Bundeskanzler Kiesinger nach der letzten Kabinettssitzung der großen Koalition 1969 die Ansicht geäußert hatte, die neue Regierung werde sich auf das durch die große Koalition Geleistete zu stützen haben. Abgedruckt in Schmoekel, R.; Kaiser, B., Regierung, 1991, S. 373. Vgl. März, P., Macht, 2002, S. 141f. Vgl. Kevenhörster, P., Opposition, 1969, S. 208. Bei der Bundespräsidentenwahl im März 1969 hatte der SPD-Kandidat, Bundesjustizminister Gustav Heinemann, den Sieg durch die Unterstützung des größten Teils der FDP davon getragen. Vgl. Rauhaus, G., Koalition, 1989, S. 230. Vgl. auch Hamm-Brücher, H., Lebensbilanz, 1996, S. 193. Dieser Schritt war aber nicht das erste Signal einer politischen Neuausrichtung der FDP, sondern lediglich deren konsequente Umsetzung. Bereits 1967 musste die Union befürchten, dass sich die Wähler der Liberalen nicht mehr klar für eine Koalition mit ihr aussprechen, sondern hierfür ebenso die SPD in Betracht ziehen könnten. Vgl. den Vermerk für den Bundeskanzler über „Das Bild der politischen Meinung in der Bundesrepublik Deutschland“ v. 22.03.1967, in: BArch, B 145, 3920. Die FDP-Wähler favorisierten zu gleichen Teilen (jeweils 1/5) eine Regierung aus CDU/CSU/FDP oder SPD/FDP. Vgl. Ebd. Auch eine Neuauflage der großen Koalition schien angesichts der politischen Realitäten nicht mehr machbar. Bereits im Vorfeld war eine große Koalition in NRW gescheitert und in BW nur noch mit großer Mühe zustande gekommen. Vgl. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 43f. Das Ergebnis der FDP sank von 9,5% auf 5,8% der Stimmen. Vgl. Schindler, P., Datenhandbuch, 1999, S. 3650. Schon vor der Wahl hatte die FDP erhebliche Austritte, Rücktritte und Übertritte zu verzeichnen. Vgl. Rauhaus, G., Koalition, 1989, S. 230. Vgl. Müller, H.M. u.a., Schlaglichter, 2002, S. 381. Für die FDP, die mit der Wahl der SPD als Koalitionspartner vorläufig ihrer Abkehr von der CDU/CSU Ausdruck verschafft hatte, bedeutete die sozialliberale Koalition vor allem eine Anspannung im Umgang mit der Union, wie
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die „Endzeitstimmung“,82 die durch den allgemeinen Eindruck der politischen Erschöpfung der seit 20 Jahren ununterbrochen an der Macht stehenden Union ausgelöst worden war, ablöste.83 Die technokratische Einstellung der großen Koalition wurde durch den Enthusiasmus der sozialliberalen Koalition ersetzt.84 Die hohen Erwartungen an die neue Regierung wurden durch Bundeskanzler Brandt zusätzlich durch einen selbst auferlegten Druck auf schnelle Veränderungen verschärft, der kaum zu erfüllen war.85 Brandt kündigte ein sehr umfangreiches innenpolitisches Reformprogramm an, das er mit dem Anspruch, „mehr Demokratie wagen“86 zu wollen, auf den Punkt brachte.87 „Es galt, unter Aufnahme von manchem, was die Protestbewegung seit 1967 formuliert hatte, die innenpolitische Reformpolitik der großen Koalition verstärkt fortzuführen und in immer mehr Bereichen des gesellschaftlichen Lebens das durchzusetzen, was man damals mit dem Schlagwort der „Demokratisierung“ bezeichnete.“88 Bezogen auf den Hochschulbereich stellte sich die sozialliberale Koalition weitgehend hinter die zentrale Forderung der Studenten auf mehr Mitbestimmung an den Hochschulen und eine neue Personalstruktur.89 Deutlichstes Zeichen, die beim Bund neu geschaffenen Kompetenzen zur Hochschulgesetzgebung auch ausnutzen zu wollen, war die erstmalige Etablierung eines Bundesministeriums für Wissenschaft und Bildung. Die sozialliberale Koalition profilierte sich am deutlichsten durch einen Wandel in der Ostpolitik, wo auch die meisten Konfliktlinien mit der Union verliefen.90 Diese Konflikte, in denen die Union annahm, einen Großteil der
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ein Ausspruch Hans-Dietrich Genschers in einer FDP-Fraktionssitzung zeigt: „Wir Freien Demokraten müssen uns auf allerhand gefasst machen in unserem künftigen Verhältnis zur Union, die CDU zumindest betrachtet uns als Hausbesetzer.“ Zit. nach Moersch, K., Abenteuer, 2001, S. 279. Zudem musste die FDP befürchten, künftig von wichtigen Finanzierungsquellen aus Industrie und Handel abgeschnitten zu werden. Vgl. Kevenhörster, P., Opposition, 1969, S. 208. Schenk, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 32. Vgl. ebd. Vgl. Thränhardt, D., Bundesrepublik, 2000, S. 73. Vgl. Bracher, K.D.; Jäger, W.; Link, W., Republik, 1986, S. 130. BK Brandt, BT-PlPr. 6/5 v. 28.10.1969, S. 20. Vgl. Müller, H.M. u.a., Schlaglichter, 2002, S. 381. Diese Regierungserklärung erzürnte die Unionsfraktion nachhaltig, da befürchtet wurde, die angestrebte Demokratisierung ginge zu Lasten der Beteiligung des Parlaments zugunsten des Bürgers. Vgl. Barzel, R., Demokratie, 1999, S. 27. März, P., Macht, 2002, S. 146. Vgl. Behrmann, G., Leussink, 2001, S. 434f. Im Wesentlichen zielte die Ostpolitik der sozialiberalen Koalition darauf ab, den Zusammenhalt der deutschen Nation durch einen vermehrten Austausch der Menschen in den beiden deutschen Staaten zu erreichen, die Lebensfähigkeit West-Berlins zu sichern und die Entspan-
Bevölkerung zu repräsentieren, wurden von der Union zum Anlass genommen, den Versuch eines vorzeitigen Regierungswechsels zu unternehmen.91 Am 27. April 1972 beantragte die Union ein Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Brandt mit dem Ziel, ihren Fraktionsvorsitzenden Rainer Barzel zum Bundeskanzler zu wählen. Dieses Votum scheiterte jedoch knapp, so dass sich die Hoffnung der Union auf einen Regierungswechsel nicht erfüllte.92 Da aber auch die Bundesregierung keine verlässliche Mehrheit mehr hatte, stellte Bundeskanzler Brandt die Vertrauensfrage mit dem Ziel, die Auflösung des Bundestages zu erreichen und Neuwahlen herbeizuführen, was durch die Nichtbeteiligung der Angehörigen der Bundesregierung an der Abstimmung im Bundestag auch gelang. Durch die folgende Bundestagswahl wurde die SPD erstmals die stärkste Fraktion im Bundestag und konnte nun gestärkt zusammen mit der FDP und einer klaren Mehrheit ihre reformpolitisch orientierte Arbeit fortsetzen.93 Einen Einschnitt erlebte die sozialliberale Koalition durch die so genannte Guillaume-Affäre, als ein enger Mitarbeiter Brandts als Spion der DDR enttarnt und von der Bundesanwaltschaft verhaftet wurde. In Folge dieses Ereignisses kündigte Brandt seinen Rücktritt an und Helmut Schmidt wurde am 16. Mai 1974 zu seinem Nachfolger gewählt.94 Für die Bildungspolitik bedeutete dieser Wechsel eine politische Schwerpunktverlagerung. Hatte die Bildungsreform für Brandt noch eine gewisse Priorität gehabt, die auch durch umfangreiche Investitionen und finanzielle Zuwen-
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nung und Sicherung des Friedens in Europa weiter voranzutreiben. Die hierzu ausgehandelten Verträge (Warschauer-, Moskauer- [beide 1970] und Grundlagenvertrag [1972]) lösten heftige innenpolitische Auseinandersetzungen aus. Vgl. Müller, H.M. u.a., Schlaglichter, 2002, S. 382-385; S. 388-390. Vgl. Thränhardt, D., Opposition, 2000, S. 437 und Müller, H.M. u.a., Schlaglichter, 2002, S. 387. Vgl. Müller, H.M. u.a., Schlaglichter, 2002, S. 387f. Vgl. März, P., Macht, 2002, S. 153f. Gegenüber der Sitzverteilung seit 1969 mit 254:242 Sitzen hatten die Fraktionen der Regierungskoalition mit insgesamt 271:225 Abgeordneten eine klare Mehrheit inne. Vgl. Müller, H.M. u.a., Schlaglichter, 2002, S. 388. Vgl. März, P., Macht, 2002, S. 155. Ob dieser Umstand, an dem Brandt an sich keine Schuld trug, einen Rücktritt als Bundeskanzler erforderlich gemacht hat, ist zweifelhaft. Hätte er unbedingt weiterregieren wollen, wäre dies mit großer Wahrscheinlichkeit möglich gewesen. Möglicherweise kam Brandt der Zwischenfall aber auch gelegen, um die politische Verantwortung nicht aus anderen Gründen abgeben zu müssen. Die Umfrageergebnisse der SPD und FDP waren 1973 und 1974 auf einem Tiefpunkt angelangt, und bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am 3.3.1974 sank der Stimmanteil für die SPD um 10,4%. Hinzu kam, dass der rechte Flügel der SPD den politischen Kurs einer Solidarisierung mit der Protestgeneration zusehends ablehnte. Vgl. ebd. Vizekanzler Scheel schrieb später, er habe Brandt gebeten, im Amt zu bleiben, was dieser jedoch abgelehnt hätte, da es nicht seiner Auffassung entspreche. Vgl. Scheel, W., Blick, 1999, S. 20.
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dungen zum Ausdruck gebracht werden sollte, die wiederum regelmäßig das Veto des Finanzministers Helmut Schmidt gefunden hatten, so läutete dessen Wahl zum Bundeskanzler das Ende dieser Priorität für die Bildungs- und Hochschulpolitik ein.95 Die sozialliberale Koalition wurde unter Helmut Schmidt bis 1982 fortgeführt, als dieser mit Hilfe eines konstruktiven Misstrauensvotums durch den Kandidaten der Union, Helmut Kohl, abgelöst wurde. 2.2 Grundsätzliche Fragen des Föderalismus und Instrumente des politischen Aushandlungsprozesses 2.2.1 Der Staatscharakter der Länder bei verminderten Gestaltungsmöglichkeiten Dass die deutschen Bundesländer nicht nur Staatscharakter haben, sondern schlechthin echte Staaten sind, ist unbestritten.96 Weder die traditionelle Staatsrechtslehre, wonach ein Staat durch das Vorhandensein von Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt gekennzeichnet ist, noch die herrschende Meinung in der Politikwissenschaft stehen dieser Betrachtungsweise im Wege.97 Die Ministerpräsidenten der Bundesländer avancieren somit zu Staatsoberhäuptern, deren Vertretung ihres Staates nach Außen jedoch nur bis an die Ebene des Zentralstaates heranreicht, der die völkerrechtliche Vertretung wahrnimmt.98 Die Annahme des Staatscharakters wird vor allem auch durch die Tatsache gestützt, dass es die Länder waren, die sich zum Bundesstaat zusammenschlossen und nicht etwa aus einem bereits vorhandenen Gesamtstaat hervorgingen.
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Vgl. Schenk, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 72. Jedoch wird die reale Staatsqualität durchaus in Abhängigkeit zur Aufgabenfülle der Länder gesehen. Bereits in den 1950er und 1960er Jahren zweifelten amerikanische Politologen in Ermangelung der Eigenständigkeit der Länder am föderativen Charakter des deutschen Bundesstaates. Vgl. Benz, A., Dezentralisierung, 1998, S. 21. Für die Länder ist es deshalb für den essentiellen Aspekt ihrer Staatsqualität „von besonderer Bedeutung, dass sie nicht auf den Erlass Lücken füllender oder nur untergeordneter Gesetze beschränkt sind, sondern auch über Gesetzgebungsrechte auf solchen Gebieten verfügen, die für das gesellschaftliche und staatliche Leben in den Ländern Gewicht haben und mit deren Erlass auch politische Gestaltungskraft verdeutlicht werden kann.“ Dittmann, A., Bildung, 2004, S. 4. Vgl. statt vieler Schmidt, M.G., System, 2007, S. 196; Dittmann, A., Bildung, 2004, S. 1 und Woyke, W., Bundesländer, 2000, S. 51. Abgesehen von einigen Mitspracherechten im Rahmen der EU, die den Ländern auch direkten Einfluss auf die internationale Politik eröffnen.
Die Bildung eines Zentralstaates bedingt aber zwangsläufig die Übertragung von Kompetenzen und Finanzierungsmöglichkeiten, damit der Zentralstaat arbeitsfähig wird. Diese Kompetenzübertragung wurde in Deutschland durch die Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 vollzogen und bedeutete für die Länder teilweise eine Kompetenzverminderung, in erster Linie aber einen Kompetenzverzicht.99 Die ausschließliche und damit uneingeschränkte Gesetzgebung steht den Ländern lediglich in den Bereichen der kulturellen Angelegenheiten und hier insbesondere in der Schul- und Bildungspolitik, dem Hörfunk und Fernsehen, dem Kommunalwesen und dem Polizeirecht zu.100 Ansonsten beschäftigen sich die Parlamente der Länder primär mit der Umsetzung von Bundesvorgaben, da die Ausführung der Bundesgesetze im Wesentlichen auf der Ebene der Länder verortet ist.101 Fast zwangsläufig resultieren aus dieser Ausgangslage Interessenunterschiede zwischen Bund und Ländern bei der Verteilung von Steuern, der Zuweisung von Aufgaben und Ausgaben sowie in Zuständigkeitsfragen.102 Änderungen in der Verteilung der Machtsphären zwischen Bund und Ländern können nur im Rahmen der Bundesverfassung erfolgen.103 Die Länder beklagen, dass Verfassung und Verfassungswirklichkeit durch zentralistische Entwicklungen und zunehmende Aushöhlung ihrer Kompetenzen gekennzeichnet waren.104 Da weder Länder noch Bund über eine Kompetenz-Kompetenz zur Änderung der bestehenden Kompetenzverteilung verfügen,105 ist eine Veränderung von Zuständigkeiten zum Nachteil der Länder prinzipiell aber ohne deren Zustimmung nicht möglich. Die Verlagerung von Kompetenzen auf die Bundesebene muss den Ländern also einen Vorteil eingebracht haben oder aufgrund der Rahmenbedingungen als dringend erforderlich erschienen sein, da sie sich ansonsten hierauf kaum eingelassen hätten. Ein erster Erklärungsansatz mag sein, dass der Bundesstaat in der Bevölkerung nach dem zweiten Weltkrieg nach Meinungs99
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Zwar wurden dem Zentralstaat 1949 essentielle Befugnisse über die Vertretung nach Außen, die Freizügigkeit, das Währungswesen und später über die Landesverteidigung zugesprochen. De facto lagen viele der neuen Bundesbefugnisse zuvor aber gar nicht bei den Ländern, sondern wurden durch die Besatzungsmächte wahrgenommen, so dass die Gründung der Bundesrepublik primär keinen Kompetenzverlust der Länder, sondern einen Souveränitätsgewinn für die Bundesrepublik Deutschland darstellte. Vgl. Woyke, W., Bundesländer, 2000, S. 51. Vgl. Scharpf, F.W., Bundesrat, 1989, S. 121. Vgl. Posser, D., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 208. Vgl. Bungardt, K., Finanzreform, 1969, S. 663. Vgl. die Eckpunkte der Länder für die bundesstaatliche Ordnung im vereinigten Deutschland. Zit. nach Benz, A., Dezentralisierung, 1998, S. 21. Vgl. Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 19.
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umfragen zunächst nur einen geringen Rückhalt hatte.106 Die Erwartungshaltung der Menschen war vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus und der aus der kriegsfolgenbedingten Bevölkerungsverschiebung resultierenden hohen Mobilität groß und insgesamt auf eine zunehmende Angleichung der Lebensverhältnisse ausgerichtet.107 Ein zu großes Auseinanderdriften der Lebensverhältnisse konnte also nicht im Interesse der Landesregierungen sein, weswegen schon vor Verabschiedung des Grundgesetzes Unitarisierungsprozesse auf der zwischenstaatlichen Ebene begonnen wurden.108 Diese Form der Selbstkoordinierung, die auf keiner verfassungsgemäßen Grundlage stand, von dieser aber auch ebenso wenig untersagt wurde, wurde in der Folgezeit weiter vorangetrieben, wodurch die den Ländern verbliebenen Gesetzgebungskompetenzen durch mehrere Faktoren eingeschränkt sind: Zum einen muss sich das Landesrecht stets am Bundesrecht orientieren, da die Verfassung dem Bundesrecht den Vorrang vor dem Landerecht einräumt.109 Zum anderen erfährt die Landesgesetzgebung durch den Zwang zur möglichst weitgehenden Angleichung des Rechts in den verschiedenen Ländern eine weitere Einschränkung, um beispielsweise dem Grundrecht der Freizügigkeit Rechnung zu tragen. Die Angleichung des Landesrechts geschieht im Wesentlichen durch Länderkonferenzen, in denen die Landesregierungen die Interessen ihres Landes vertreten.110 Die dort gefassten Beschlüsse müssen, wenn sie einen gewissen Grad an Vereinheitlichung erzeugen sollen, ohne große Änderungen in den Landesparlamenten verabschiedet werden. Kritisiert wird deshalb, dass die Landesparlamente oft nur noch bereits Beschlossenes abnicken könnten, ohne noch wesentlichen Einfluss auf die Landesgesetzgebung ausüben zu können. Anstelle der gewählten Volksvertreter bestimmen somit die gekorenen Regierungsvertreter in weiten Teilen über die Gesetzgebung der Länder. Diese Feststellung wird aber dadurch relativiert, dass die Landtagsmehrheit in den allermeisten Fällen mit der politischen Arbeit der durch sie gestützten Landesregierung einverstanden ist und dass innerhalb einer Partei auch über die Gewaltengrenze hinweg weitestgehende Einigkeit über zu beschließende Maßnahmen besteht. Verlierer ist somit hauptsächlich die Landtagsopposition, da dieser ihre originären Einflussmöglichkeiten auf ein Gesetzgebungsverfahren faktisch genommen werden.111 106 107 108 109 110 111
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Vgl. Andersen, U., Bundesstaat, 2000, S. 80. Vgl. ebd., S. 82. Hier ist vor allem die Kultusministerkonferenz zu nennen. S. Art. 31 GG „Bundesrecht bricht Landesrecht“. Z.B. KMK, Ministerpräsidentenkonferenz, Innenministerkonferenz. Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007, S. 209.
Eine weitere Konsequenz der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen ist eine Verschiebung der tatsächlichen Entscheidungssphären, weg vom jeweiligen Land und hin zum Bund.112 Da die Länder kaum noch über ausschließlich durch sie zu behandelnde Gesetzgebungsmaterie verfügen, zudem Bundesrecht zu befolgen haben, wofür sie aber auch verstärkten Einfluss auf die Bundesgesetzgebung ausüben können,113 ergibt sich die größte Einflussmöglichkeit auf die Gestaltung des jeweiligen Landesrechts direkt auf der Bundesebene.114 Hier haben die Landesregierungen gemeinsam über den Bundesrat Einfluss auf die Gesetzgebung und können, wiederum ohne Beteiligung der Landtage115, ihre Politikvariante vertreten und je nach Mehrheitskonstellation auch durchsetzen.116 Der Machtgewinn der Gesamtheit der Landesregierungen im Bundesrat reduziert somit die Entscheidungsmöglichkeiten der Landtage in den einzelnen Bundesländern.117 Eine Beauftragung der Ministerpräsidenten durch die Landtage ist nicht vorgesehen. Vielmehr erwächst den Landesregierungen über ihre Beteiligung am Bundesrat die Möglichkeit, ihren Landesparlamenten Vorgaben machen zu können, die diese dann aufgrund des Vorrangs des Bundesrechts umsetzen müssen. Auf diese Art und Weise politischer Gestaltung können die Landesregierungen prinzipiell also ihre Politikvariante durchsetzen, ohne dabei auf die Haltung in ihren Landtagen Rücksicht nehmen zu müssen. Zudem können sie im Nachhinein beim Wähler argumentieren, aufgrund von Bundesvorgaben keine andere Gesetzgebung hätten machen zu können. Vor allem für unpopuläre Entscheidungen bringt dies den Vorteil, den Bund als Sündenbock benennen zu können. Ein großer Nachteil für die Landesregierungen entsteht aber immer dann, wenn die Mehrheit der Ministerpräsidenten nicht die gleiche Sichtweise vertritt wie sie selbst, denn dann kann es passieren, dass durch das Bundesrecht
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Vgl. hierzu Hesse, K., Bundesstaat, 1984, S. 135. Vgl. Konow, G., Bundesrat, 1989, S. 244. Als Ausgleich für die Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes wurden die Zustimmungsrechte des Bundesrates ausgeweitet, was dessen Macht verstärkte. Vgl. Stüwe, K., Bilanz, 2004, S. 28. Der Kompetenzverlust der Landesparlamente wird durch den Bundesrat aber nicht kompensiert. Vgl. Margedant, U., Föderalismusdiskussion, 2003, S. 6 Vgl. Andersen, U., Bundesstaat, 2000, S. 81. Vgl. Leisner, W., Landesparlamente, 1968, S. 390. Politik wird deswegen zwar vorwiegend auf der Bundesebene, jedoch nur mit wesentlicher Beteiligung der Länder gemacht. Vgl. Thränhardt, D., Opposition, 2000, S. 436. Vgl. Konow, G., Bundesrat, 1989, S. 244. Mitunter wird auch von einer „Republik der Landesfürsten“ gesprochen. Winfried Steffani, zitiert nach Schmidt, M.G., System, 2007, S. 198. Vgl. auch Schultze, R.-O., Föderalismus, 2002, S. 131.
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Vorgaben gemacht werden, die der eigenen Absicht zuwider laufen, aber dennoch befolgt werden müssen. Insgesamt ist eine Ausdünnung der Gesetzgebungsmöglichkeiten der Landesparlamente durch Unitarisierungs- und Zentralisierungsprozesse zu konstatieren. Durch beide Mechanismen wird eine Vereinheitlichung des Rechts in der Bundesrepublik angestrebt, die im Umkehrschluss aber auch zu einer Entfremdung der Einwohner vom eigenen Land führt, da die Unterschiede zwischen den Ländern vermindert werden. Die Absicht, dass es zu keinen Nachteilen für einen Bürger führen darf, in dem einen statt einem anderen Bundesland zu wohnen, führt so dazu, dass die Niederlassung in einem bestimmten Bundesland auch keinen wirklichen Vorteil mehr bietet.118 2.2.2 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes Die Aufteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten ist im Grundgesetz vordergründig klar zum Vorteil der Länder geregelt.119 Der Bund hat nur soweit das Recht zur Gesetzgebung, wie ihm das Grundgesetz ausdrücklich die Befugnis hierzu verleiht. Diese optimistische Grundaussage täuscht aber über die realpolitischen Vorgänge innerhalb des Gesetzgebungsprozesses hinweg. Die Länder haben längst kein so großes Betätigungsfeld, wie es das Grundgesetz suggeriert. Neben den Fällen, in denen der Bund über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz verfügt,120 konkurriert der Bund in bestimmten Fällen mit den Ländern um die Gesetzgebung,121 wobei die Länder in diesem Konkurrenzkampf regelmäßig unterliegen. Darüber hinaus konnte der Bund den Ländern bis zur
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Gelegentlich bemühen sich die Länder, hier Akzente zu setzen. Besonders im Bereich der Wirtschaft werben Länder mit steuerlichen Vorteilen oder kürzeren Verwaltungswegen, um Unternehmensansiedelungen zu erwirken. Auch z.B. bei der Erbschaftssteuer werben einzelne CDU/CSU-geführte Länder (auch B-Länder genannt) mit deren Nichteinführung, untermauert mit der gleichzeitigen Aufforderung an die SPD-geführten Länder (A-Länder), diese einzuführen; wohl wissend, dass ein solches Vorgehen für diese Länder dann negative Auswirkungen hätte und eine einseitige Einführung deshalb politisch nicht möglich ist. Unpopuläre Entscheidungen bedingen also, dass diese von allen Ländern gemeinsam getragen werden müssen, sollen sie nicht bereits im Ansatz scheitern. S. Art. 70, Abs. 1 GG. Die Zuständigkeitsvermutung geht zunächst immer zugunsten der Länder. S. Art. 73 GG. S. Art. 74 GG.
Abschaffung der Rahmengesetzgebung durch die Föderalismusreform 2006 verbindliche Vorgaben für deren Landesgesetzgebung machen.122 Im Gegensatz zur konkurrierenden Gesetzgebung, mit der der Bund eine Gesetzesmaterie abschließend regeln kann, musste der Bund den Ländern hier noch etwas zu regeln übrig lassen.123 Die Länder mussten die Möglichkeit zu echten Willensentscheidungen haben, ohne nur darauf beschränkt zu sein, zwischen vorgegebenen Alternativen zu wählen.124 Die Rahmengesetze mussten, „wenn auch nicht in allen einzelnen Bestimmungen, so doch als ganzes durch die Landesgesetzgebung ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig, jedenfalls auf solche Ausfüllung hin angelegt sein“.125 Zur Gewährleistung eines Standards an Einheitlichkeit des Rechts, durfte der Bund den Ländern somit Vorgaben machen, ohne diese Reglungsmaterien aber auszuschöpfen.126 Damit der Bund in der Rahmengesetzgebung überhaupt tätig werden durfte, musste bis 1994 zusätzlich ein Bedürfnis für eine bundesgesetzliche Regelung bestehen, weil die „Wahrung der Rechts- oder Wirtschafteinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert“.127 Die ursprünglich als Begrenzung von Zentralisierungsbestrebungen des Bundes gedachte, von den Alliierten zu diesem Zweck durchgesetzte und von den Verfassungsgebern missbilligte Formel entfaltete aber in der Verfassungspraxis kaum Wirksamkeit.128 Im Gegenteil stellte sie sich sogar als Triebfeder für die Ausdehnung der Bundeskompetenzen heraus. Bereits im Oktober 1949 hatten sich Vertreter der Justizministerien von Bund und Ländern, der Richterschaft, der Staatsrechtslehrer sowie der Anwaltschaft darauf geeinigt, der Bedürfnisklausel nur eine untergeordnete rechtliche Wirksamkeit zu verleihen. Hierzu sollte es eine Ermessensentscheidung des Bundes selbst sein, ob ein Bedürfnis nach einer bundesgesetzlichen Regelung vorliege. Eine Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht sollte hingegen nur über die Frage des korrekten Ermessensgebrauchs möglich sein.129 Der 122
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S. Art. 75 GG a.F. Inwiefern die Rahmengesetzgebung als Unterform der konkurrierenden oder als eigenständige Gesetzgebung anzusehen ist, ist umstritten. Vgl. Münch, I., Rahmengesetzgebung, 1983, S. 148. Vgl. BVerfGE 4, S. 115ff (129f). Vgl. Kaltenborn, M., Rahmengesetzgebung, 2003, S. 436. Isensee, J., Kautelen, 2004, S. 692. Vgl. Isensee, J., Kautelen, 2004, S. 692. Dabei trifft die Länder aber keine Pflicht zur Ausfüllung der Rahmengesetze. Vgl. Münch, I., Rahmengesetzgebung, 1983, S. 152. S. Art. 72, Abs. 2, Ziff. 3 GG a.F. Zur Entstehung der Bedürfnisklausel im Parlamentarischen Rat vgl. ausführlich Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 88-90. Vgl. auch Scheuner, U., Grundgesetz, 1970, S. 390f. Vgl. hierzu Münch, U., Sozialpolitik, 1997, S. 90f m.w.N.
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Bund konnte im Wege der Rahmengesetzgebung und konkurrierenden Gesetzgebung somit weit reichende Regelungen schaffen und musste hierfür lediglich die Gefahr eines Auseinandergehens der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet behaupten. 2.2.3 Entscheidungsfindungen in den Gremien von Bundestag und Bundesrat Als arbeitendes Redeparlament130 bleibt die Bedeutung der Plenardebatten des Bundestages hinter der Funktion der Ausschussarbeit zurück, mit der die Beschlüsse des Plenums letztlich vorentschieden werden. Anstelle der Überzeugung des politischen Gegners dienen die Reden somit eher einer Verdeutlichung an den Wähler, wieso bestimmte Entscheidungen getroffen wurden, oder der Darstellung einer Gegenmeinung durch die Opposition. Eine ausführliche Beschäftigung mit der zum Teil sehr komplexen Gesetzgebungsmaterie ist im Plenum hingegen im Regelfall nicht möglich.131 Den Bundestagsausschüssen kommt deshalb in erster Linie eine Vorbereitungsfunktion für die Beschlussfassung in der parlamentarischen Beratung zu.132 Sie sollen dem Plenum Beschlüsse empfehlen.133 Um hierbei vom Expertenwissen der Ministerialbürokratie unabhängig arbeiten zu können, werden die Ausschüsse meist mit solchen Abgeordneten besetzt, die auf den jeweiligen Gebieten über Spezialwissen verfügen.134 Diese Abgeordneten beziehen ihr Wissen oft aus einer Funktion als Interessenvertreter eines Fachverbandes, weswegen der indirekte Einfluss der Lobby bei der Beratung einzelner Gesetze mitunter eine große Rolle spielen kann.135 Da die Modifizierung der Gesetzesvorlagen in den Ausschüssen stattfindet und das Ergebnis
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Vgl. Steffani, W., Demokratie, 1979, S. 345. Steffani bezeichnet den Bundestag als Mischparlament, das zwischen dem britischen Unterhaus als einem Redeparlament und dem amerikanischen Kongress als einem Arbeitsparlament steht. Hübner, E., Parlament, 2000, S. 222f, hebt vor allem die abnehmende Bedeutung der Plenardebatten des Bundestages hervor. Der Bundestag produzierte in den späten 1960er Jahren ca. 2500 Gesetzesseiten jährlich. Vgl. Majonica, E., Parlament, 1969, S. 116. Vgl. Plöhn, J., Ausschüsse, 2000, S. 23. Vgl. Oberreuter, H., Bundestag, 2000, S. 97. In den Ausschüssen sind die Abgeordneten entsprechend der Stärke ihrer jeweiligen Fraktionen im Bundestag vertreten. Die Personalauswahl für die Ausschussbesetzung obliegt dabei den Fraktionen. Vgl. Berg, W., Ausschüsse, 1970, S. 27. Vgl. ebd., S. 27f.
der Beratungen im Regelfall später nicht mehr geändert wird,136 konzentriert sich aber auch der direkte Einfluss der Interessengruppen vorrangig auf die Ausschüsse, was durch persönliche Kontakte oder durch die Übersendung von Stellungnahmen erfolgen kann.137 Da die Sitzungen der Bundestagsausschüsse im Normalfall unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, haben die Abgeordneten die Möglichkeit, ihre Meinung offener zu äußern und mehr Kompromissbereitschaft zu zeigen, als dies in einer öffentlichen Plenardebatte möglich wäre.138 Die tatsächliche Intention der Parlamentarier kommt deshalb im Ausschuss deutlicher zutage, wobei auch hier Abstriche gemacht werden müssen, da es sich in der Ausschussarbeit meist um kontroverse Verhandlungen mit dem politischen Gegner handelt. Die Beschlüsse des Bundesrates werden formal in den Ausschüssen des Bundesrates vorbereitet. Im Gegensatz zu den Bundestagsausschüssen sind diese aber nicht durch die Mitglieder des Plenums besetzt, sondern in aller Regel durch Beamte der jeweiligen Landesministerien.139 Die Ausschussempfehlungen präjudizieren fast immer die Beschlüsse des Plenums. Da in den Ausschüssen aber jedes Land nur über eine Stimme verfügte und zudem die Stimmen Berlins im Gegensatz zum Plenum auch schon vor 1990 mitgezählt wurden, konnte und kann es bei nur knappen Mehrheiten im Bundesrat doch zu Abweichungen von den Ausschussempfehlungen kommen. Diese Empfehlungen werden aber eben nicht auf der politischen, sondern auf der administrativen Ebene getroffen, weswegen die politischen Entscheidungen meist bereits zuvor außerhalb des Bundesrates und seiner Ausschüsse fallen.140 Die Ausschussberatungen werden zunehmend durch die Fachministerkonferenzen vorbereitet. Zudem nutzen die Ministerpräsidenten ihre regelmäßigen Arbeitsbesprechungen auch zur Abklärung ihrer Positionen in Fragen der Bundespolitik.141 Die Entscheidungen über das jeweilige Länderverhalten sind so bereits vor den Sitzungen gefallen, weswegen die Debatten im Bundesrat in der
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Zumindest ist dies wegen der Komplexität der Themen nur sehr schwer möglich. Vgl. Majonica, E., Parlament, 1969, S. 116. Vgl. Oberreuter, H., Bundestag, 2000, S. 97. Vgl. hierzu Berg, W., Ausschüsse, 1970, S. 28; vgl. Majonica, E., Parlament, 1969, S. 23f. Theodor Heuss hatte hierzu im Parlamentarischen Rat die Prognose geäußert, der Bundesrat werde ein „Parlament der Oberregierungsräte“. Das GG schreibt in Art. 51 Abs. 1 vor, dass die Bundesratsmitglieder im Plenum nur durch Angehörige ihrer Regierung vertreten werden können, also die Minister persönlich. Vgl. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 94. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 95.
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Regel ohne große Lebhaftigkeit von statten gehen.142 Vielmehr geben die Ministerpräsidenten ihre Stimmen nach einer zuvor festgelegten Stimmliste ab, oft ohne zu wissen, über was konkret abgestimmt wird.143 Weit weniger, als es im Bundestag der Fall ist und sein Name es erwarten lassen würde, hat der Bundesrat demnach eine Beratungsfunktion, sondern dient vielmehr der Beschlussfassung. 2.2.4 Der Vermittlungsausschuss Der mitunter als „Überparlament“, „Obergesetzgeber“, „Dritte Kammer“, „Dunkelkammer der Gesetzgebung“ oder auch „anonyme Allparteienregierung“144 bezeichnete Vermittlungsausschuss145 stellt eine institutionalisierte Möglichkeit der Interessenausdifferenzierung zwischen Bundestag und Bundesrat dar. Zwischen 1957 und 1990 bestand der Ausschuss aus 22 stimmberechtigten Mitgliedern, von denen jeweils die Hälfte durch den Bundestag und die andere Hälfte durch den Bundesrat gestellt wurden. Kennzeichnend ist, dass hier nicht nur die Abgeordneten des Bundestages, sondern auch die Bundesratsvertreter ein freies Mandat wahrnehmen und an koalitionsspezifische oder parteipolitische Weisungen nicht gebunden sind.146 Zutritt zu den Sitzungen haben außerdem die jeweils fachlich zuständigen Bundesminister oder deren Stellvertreter und ein Vertreter des Bundeskanzleramtes.147 Die Mitglieder des Bundestages und ihre Vertreter werden nach Fraktionsstärke vom Bundestag gewählt, während die Bundesratsvertreter und jeweils ein Stellvertreter in den Ländern durch Kabinettsbeschluss bestimmt werden.148 Die Funktion des Vermittlungsausschusses besteht in der Abstimmung politischer Gegenpositionen, so dass für alle tragbare Gesetzgebungsergebnisse zustande kommen.149 Ziel ist es somit, nach einem politisch durchsetzbar erscheinenden Kompromiss zu suchen.150 Dabei ist der Vermittlungsausschuss aber nur ein Vorschlagsgremium, das keine eigenen, abschließenden Entschei142
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„Der Bundesrat ist das langweiligste gewesen, was man hätte erfinden können.“, resümierte Henning Schütz deshalb 1989. Posser, D. u.a., Gesprächsrunde, 1989, S. 259. Vgl. Herzog, R., Bundesrat, 1989, S. 226f. Alle Begriffe bei Vogel, F., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 220. Ausschuss nach Art. 77 GG (Vermittlungsausschuss). Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007, S. 207. Vgl. Plöhn, J., Vermittlungsausschuss 2000, S. 624. Vgl. Posser, D., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 204. Vgl. Günther, H., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 241. Vgl. Vogel, F., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 214.
dungen treffen, sondern nur Vorschläge machen kann, über die Bundestag und Bundesrat in jeweils eigener Verantwortung zu entscheiden haben.151 Ein Einigungsvorschlag kann die Änderung, Aufhebung oder Bestätigung des Gesetzesbeschlusses sein.152 Kommt keine Einigung zustande, was der Fall ist, wenn nach mindestens zwei Sitzungen ohne Einigung ein Mitglied den Abschluss des Verfahrens beantragt,153 kann der Vermittlungsausschuss erneut angerufen werden, jedoch insgesamt in derselben Sache von jedem der Organe Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung nur einmal. Mehr als drei Anrufungen bei einem Gesetzgebungsverfahren sind somit nicht möglich.154 Insgesamt ist der Vermittlungsausschuss aber oft der Schlüssel für die Auflösung von Blockaden in der Gesetzgebung.155 Die Mitwirkung in diesem Gremium gehört nach der Selbsteinschätzung von Politikern zu den schwierigsten und politisch verantwortungsvollsten Tätigkeiten, die auf einen Politiker zukommen können. Die Belastung wird als erheblich empfunden, da die Ergebnisse angesichts der politisch oft kontroversen Ausgangssituation sowohl für die Parteien als auch für die Bürger vielfach unbefriedigend im Sinne des jeweiligen politischen Grundverständnisses sind.156 Dabei ist es umstritten, ob der Vermittlungsausschuss eher parteipolitisch oder aufgabenorientiert geprägt ist.157 Die Vorbesprechungen der Sitzungen finden häufig körperschaftsübergreifend nach der jeweiligen Parteizugehörigkeit statt,158 was darauf hindeutet, dass eine Vertretung von Bundes- oder Landesinteressen zuweilen eher in den Hintergrund rückt. Dabei ist den Mitgliedern des Vermittlungsausschusses ständig vor Augen, dass, wenn sie nicht imstande sind, eine Einigung herbeizuführen, ein ganzes Gesetzgebungsvorhaben mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt ist. Deswegen kann grundsätzlich ein ernsthaftes Bemühen um einen Kompromiss unterstellt werden. Hierzu trägt auch bei, dass die Beratungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und die Protokolle erst zwei Legislaturperioden später zur Einsichtnahme freigegeben werden. Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses können somit frei
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Vgl. Herzog, R., Beziehungen, 1989, S. 169f; vgl. Leunig, S., Verhandlungen, 2003, S. 30. Vgl. Posser, D., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 205. Vgl. ebd., S. 205f. Vgl. ebd., S. 210. Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007, S. 207. Der Vermittlungsausschuss wird deshalb mitunter als der eigentliche Gesetzgeber gewertet, was aber eine übertriebene Darstellung ist. Vgl. ebd. Vgl. Günther, H., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 240-242. Vgl. Leunig, S., Verhandlungen, 2003, S. 40. Vgl. Plöhn, J., Vermittlungsausschuss, 2000, S. 624.
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sprechen, ohne Rücksicht auf Parteifreunde, Interessenverbände oder Wählergruppen nehmen zu müssen.159 2.2.5 Der Vetospieler-Ansatz Maßgebliche Teilnehmer am Gesetzgebungsverfahren sind neben dem Bundesrat auch der Bundestag und die Bundesregierung. Ersteren beiden kommt, zumindest in bestimmten Fällen, die Position eines so genannten Veto-Spielers zu. Mit seinem Vetospieleransatz hat George Tsebelis eine Methode vorgelegt, verschiedene Regierungssysteme miteinander zu vergleichen, indem die Durchsetzbarkeit von Gesetzgebungsvorhaben verglichen wird. Gleichwohl lassen sich mit diesem Ansatz auch Aushandlungsprozesse bewerten und vergleichbar machen. Vetospieler zeichnen sich gemäß Tsebelis dadurch aus, dass sie politische Reformen und Gesetze direkt verhindern können.160 Sie sind individuelle oder kollektive Akteure, deren Zustimmung für eine Veränderung des legislativen Status quo notwendig ist.161 Dabei werden institutionelle und parteipolitische Vetospieler unterschieden.162 Für Deutschland sind dies vor allem der Bundestag, bei zustimmungsbedürftigen Gesetzen der Bundesrat, das Bundesverfassungsgericht, sofern es nach Anrufung eine direkte oder indirekte Normenkontrolle vornimmt, und der Bundespräsident im Rahmen seines abgeschwächten Prüfungsrechtes.163 Innerhalb von Bundestag und Bundesrat können parteipolitische Vetospieler agieren, die zusammen etwa eine Regierungskoalition bilden und damit über die Mehrheit im Parlament verfügen.164 Hier üben die Parteien eine Vetospielerfunktion innerhalb bestimmter Institutionen aus. Insgesamt setzt das Vorhandensein von Vetospielern eine hohe Konsensfähigkeit voraus.165 159
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Vgl. Plöhn, J., Vermittlungsausschuss, 2000, S. 624; vgl. Vogel, F., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 219. Vgl. Tsebelis, G., Veto Players, 2002, S. 19. Vgl. Abromeit H.; Stoiber, M., Demokratien, 2006, S. 63. Vgl. Tsebelis, G., Veto Players, 2002, S. 79. Vgl. Strohmeier, G.A., Vetospieler, 2003, S. 18. Strohmeier nennt die Regierung anstelle des Bundestages in der Annahme, die dortigen Mehrheiten seien mit der in der ersten Kammer identisch. Vgl. ebd. S. 19. Tatsächlich kann die Regierung aber nicht als Vetospieler angesehen werden, da sie im Gesetzgebungsverfahren über keine Vetofunktion verfügt. Diese Möglichkeit erwächst den Regierungsparteien nur über das Parlament. Vgl. Tsebelis, G., Veto Players, 2002, S. 79. Vgl. Strohmeier, G.A., Vetospieler, 2003, S. 19.
Der Ansatz geht von stabilen Präferenzen der Akteure aus. Sind in einem System viele Vetospieler mit entgegengesetzten Präferenzen vorhanden, ist eine Änderung des Status quo unwahrscheinlicher als in einem System mit nur wenigen Vetospielern. Eine Änderung ist aber dann möglich, wenn Lösungen existieren, die für alle Vetospieler eine Verbesserung gegenüber dem Status quo erbringen oder zumindest keine Verschlechterung bedeuten.166 Mit zunehmender Entfernung einer bestimmten Politik vom eigenen Idealpunkt nimmt der Nutzen der Akteure ab. Jeder Vetospieler ist deshalb bestrebt, ein Politikergebnis zu erreichen, das möglichst nahe an seinen Idealpunkt heranreicht. Die Konsensmenge aller Vetospieler wird als „winset“ bezeichnet.167 Tsebelis kommt auf dieser Grundlage zu mehreren Kernaussagen, von denen die beiden für diese Arbeit wichtigsten vorgestellt werden sollen. „Je größer die Distanz zwischen Vetospielern wird, desto kleiner wird das winset, und die policy-Stabilität erhöht sich.“168 Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass bei entgegen gesetzten Interessen der Akteure die Chance auf einen Kompromiss und eine Änderung der Politik gering ist.169 „Da der Agenda-Setzer weiß, welches das winset der möglichen Lösungen ist, wird er jene Lösung innerhalb des winsets vorschlagen, die seinem Idealpunkt am nächsten kommt. Haben die Vetospieler keine Möglichkeit, diesen Vorschlag abzuändern, werden sie ihn akzeptieren, da sie sich alle gegenüber dem Status quo verbessern werden“170, folgert Tsebelis weiter. Der Agenda-Setzer ist dabei derjenige Akteur, der festlegt, worüber abgestimmt wird. Im deutschen Bundesstaat kommt diese Rolle der Bundesregierung und der sie tragenden Bundestagsmehrheit zu.171 Der Bundesrat kann zu den Vorschlägen des Bundestages lediglich ja oder nein sagen. Änderungen kann er zwar vorschlagen, aber nicht beschließen. Innerhalb der institutionellen Vetospieler agieren die parteipolitischen Vetospieler, also beispielsweise die Fraktionen des Bundestages. Auch hier gelten die Grundsätze zur Interessenausdifferenzierung gleichermaßen. Ist die stärkste Partei im Parlament auf einen Koalitionspartner angewiesen, so kann sie nur für diejenigen Vorschläge die Mehrheit des Parlaments erwarten, die im winset der Interessen beider Koalitionspartner liegen. Hat im Bundesrat nun die Opposition 166 167 168 169
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Vgl. Abromeit, H.; Stoiber, M., Demokratien, 2006, S. 64. Vgl. ebd. Ebd. „Entscheidungsblockaden können [aber; T.H.] vermieden werden, wenn Streitfragen (…) am toten Punkt dann doch notfalls durch Mehrheiten entschieden werden können.“ Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 27. Abromeit, H.; Stoiber, M., Demokratien, 2006, S. 65. Vgl. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 27.
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die Mehrheit, gilt mitunter nicht der gesamte Bundesrat als Vetospieler, sondern nur die Bundestags-Oppositionspartei, da diese alleine eine Vetofunktion einnimmt.172 Weiterführende Überlegungen zur Vetospielertheorie schließen das politische Motiv der Stimmenmaximierung in das Modell mit ein. Wenn die Regierungsparteien erwarten, bei der nächsten Wahl dafür belohnt zu werden, dass überhaupt eine Politikveränderung stattfindet, können sie auch solchen Lösungen zustimmen, die weiter von ihrem Idealpunkt entfernt liegen und eher der Idealposition der Opposition entsprechen, wenn diese beispielsweise über den Bundesrat eine Vetospielerfunktion innehat.173 2.2.6 Der Bundesrat als mögliches Blockadeinstrument der Bundestagsopposition Die entscheidende Macht des Bundesrates entfaltet sich bei den Zustimmungsgesetzen, in denen der Bundesrat als Vetospieler agieren kann. Über dieses Verfahren sollte die Länderkammer die Möglichkeit erhalten, Bundesgesetze, die für die Länder einseitig ungünstig ausfallen würden, abzumildern oder im Extremfall auch ganz zu verhindern.174 Dabei wird zwischen landesspezifischen und föderalen Interessen der Länder unterschieden. Erstere betreffen die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen Länder, wie die geografische Lage oder die finanzielle Situation. Letztere bezeichnen das oft gemeinsame Interesse der Länder im Verhalten gegenüber dem Bund, wenn es beispielsweise um die Beschneidung ihrer Kompetenzen geht.175 Jedoch ist nicht festgeschrieben, dass die Landesregierungen sich im Bundesrat ausschließlich am Wohle des eigenen Landes zu orientieren haben.176 Vielmehr handeln sie als Bundesorgan, was eine Sichtweise aus der Interessensperspektive des Bundes nahe legt.177
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Vgl. Abromeit, H.; Stoiber, M., Demokratien, 2006, S. 66. Vgl. ebd., S. 68. Vgl. Laufer, H.; Münch, U., Bundesrat, 2000, S. 59 und vgl. Konow, G., Bundesrat, 1989, S. 256. Im Prinzip soll der Wille des Landes und nicht der des Landesvertreters im Bundesrat zum Ausdruck kommen. Vgl. Woyke, W., Bundesländer, 2000, S. 51f. Vgl. Leunig, S., Bundesrat, 2004, S. 34. Der Amtseid verbietet den Ministerpräsidenten aber, Maßnahmen gegen das Landeswohl zu treffen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Bundesrat nur nach Bundesinteressen entscheiden dürfte. Vgl. Koschnick, H., Bundesrat, 1989, S. 83. Aufgrund der mitunter weit reichenden Auswirkungen der Entscheidungen im Bundesrat, sind die Landesvertreter immer auch gezwungen,
Zum anderen können aber durchaus auch andere Überlegungen und Motive in die Handlungsentscheidung mit einfließen, wie etwa Parteiinteressen.178 Obwohl eine Landesregierung an sich nur die Interessen der Landespartei vertreten kann, wird aufgrund der engen organisatorischen und personellen Verzahnung zwischen Bundes- und Landespartei unausgesprochen stets die Wahrnehmung von Bundesparteiinteressen unterstellt.179 In den siebziger Jahren führte die Frage, ob der Bundesrat überhaupt nach parteipolitischen Aspekten entscheiden dürfe, zu einer ausgiebigen Kontroverse.180 Die herrschende Staatsrechtslehre beantwortete diese Frage schließlich positiv.181 Da sowohl die Landesverbände als auch der Bundesverband einer Partei aber meist für die selben politischen Werte stehen und die Regierungsparteien in den Ländern gerade wegen dieser Werte die Mehrheit der Wählerstimmen erhalten haben, verfolgen die Landesregierungen mit einer Unterstützung ihrer Parteifreunde im Bund in der Regel auch Landesinteressen.182 Schließlich obliegt es den Landesregierungen, das Interesse ihres Landes zu definieren.183 Die vermeintliche Überlagerung des bundesstaatlichen durch das parteienstaatliche Element184 hat dem Bundesrat im Laufe seines Bestehens viel Kritik eingebracht.185 Da sich Deutschlands politische Klasse fast ausschließlich aus
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die Folgen ihrer Entscheidung auch auf die Politik anderer Länder mit zu berücksichtigen. Vgl. Laufer H., Münch, U., System, 1997, S. 192. Vgl. Klein, H.H., Legitimation, 1989, S. 101. Vgl. auch Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 196, der den in den 70er Jahren unionsdominierten Bundesrat als bundesparteipolitisches Instrument der Opposition und reformbremsend für die sozialliberale Reformpolitik kennzeichnet. Vgl. auch Weber, W., Föderalismus, 1966, S. 14. Grundlegend s. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000. Vgl. Leunig, S., Bundesrat, 2004, S. 35. Vgl. Schultze, R.-O., Föderalismus, 2002, S. 130. Vgl. Leunig, S., Bundesrat, 2004, S. 33. „Eine Verfassung, die ein Verfassungsorgan wie den Bundesrat aus Landesministern, d.h. aus hohen Landespolitikern (…), zusammensetzt (…) nimmt zumindest in Kauf (…), dass dieses Organ dann in bestimmten Bereichen (…) politisch entscheidet.“ Roman Herzog 1976 zu diesem Streit; zit. nach Leunig, S., Bundesrat, 2004, S. 36. Vgl. ebd., S. 33. Vgl. Benz, A., Reformblockierer, 2003, S. 33. Vgl. Leunig, S. Bundesrat, 2004, S. 36-38. Dennoch sind für die Landesregierungen mitunter Erwägungen wichtiger, die nicht mit der Auffassung ihrer Parteifreunde im Bundestag deckungsgleich sind. Vgl. Renzsch, W., Bundesstaat, 2000, S. 61. Vgl. Stüwe, K., Bilanz, 2004, S. 32 und Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 148. So ist es seit den 1970er Jahren zur Gewohnheit geworden, dass die Ministerpräsidenten der Länder im Bundestag zwar als Vertreter des Bundesrates sprechen dürfen, dort aber als Parteipolitiker reden. Vgl. o.V., Föderalismusreform, 2006, S. 2. „Ich stehe hier aus eigenem Recht und spreche für meine Freunde von der CDU/CSU Deutschlands.“ Helmut Kohl als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz am 26.11.1975 im Bundestag, zit. nach ebd. Vgl. hierzu auch Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 148.
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politischen Parteien rekrutiert, wird die Bundesrepublik vielfach als „Parteienstaat“ bezeichnet. Die parteipolitische Verteilung der Bundesratsstimmen ist deshalb von großer Bedeutung für das politische Kräfteverhältnis in der Bundesrepublik.186 Während in den Anfangsjahren der Bundesrepublik bis 1969 die Bundesregierung überwiegend auf eine parteipolitisch gleich gerichtete Bundesratsmehrheit setzen konnte187, während zu Zeiten der großen Koalition zwischen 1966 und 1969 sogar eine vollständige Gleichausrichtung vorlag188 und man in den ersten 20 Jahren der Bundesrepublik einen anderen Zustand auch für äußerst unwahrscheinlich hielt,189 änderte sich dieses Bild 1969 mit Bildung der sozialliberalen Koalition. Zuvor hatte der Bundesrat ein eher unscheinbares Dasein gefristet190 und war immer dann in Erscheinung getreten, wenn es um die Verteidigung echter Länderinteressen, vor allem bei Änderungen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung ging.191 Nach Übernahme der Bundesregierung durch die sozialliberale Koalition stand dieser jedoch ein mehrheitlich unionsgeführter Bundesrat gegenüber. Diese ungewohnte Situation eröffnete der Bundestagsopposition faktisch die Möglichkeit, zustimmungspflichtige Gesetzesvorhaben der Bundesregierung erheblich zu verzögern und teilweise sogar ganz zu verhindern.192 Nachdem die 186 187
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Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007, S. 199. Die Mehrheit im Bundesrat lag in den ersten Jahren der BRD zwar nicht stabil bei der Union, jedoch konnte auch die SPD auf keine absolute Mehrheit zurückgreifen. Vgl. Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 146. Schmidt weist am Beispiel der 2. großen Koalition von 2005 darauf hin, dass eine Gleichausrichtung an sich nur mit Ländern vorliegt, die ebenfalls von großen Koalitionen regiert werden. Die Unterstützung der übrigen Länder muss der Bund von Fall zu Fall gewinnen. Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007, S. 201. Vgl. Hesse, K., Bundesstaat, 1984, S. 137, der in den 1960er Jahren eine Oppositionsmehrheit im Bundesrat für eine kaum praktische Möglichkeit hielt. Werner Weber sagte über den Bundrat 1951, seine verdeckte Verantwortlichkeit mache ihn zu einer „dunklen, von kühler Distanziertheit umgebenen Größe im politischen Kräftespiel, zum Träger einer im Schatten bleibenden potestas indirecta“. Zit. nach Klein, H.H., Legitimation, 1989, S. 95. Vor allem während der großen Koalition hatte sich der Bundesrat bei den den Föderalismus neu definierenden Reformen (Finanzreform, Einführung der Gemeinschaftaufgaben) einen Namen als Verteidiger der Länderinteressen gemacht. Vgl. Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 175. Bis Juni 1972 hatten die B-Länder aber eher eine theoretische Mehrheit, da die Union nicht auf die Unterstützung der so genannten M-Länder, also derjenigen Landesregierungen, die auf Bundesebene sowohl der Regierung als auch der Opposition angehörten, zurückgreifen konnte. Vgl. Stüwe, K., Bilanz, 2004, S. 27, FN 11. Aus Enttäuschung über das Bündnis der FDP mit der SPD, aber auch wegen des Problems von Koalitionen zwischen Union und Liberalen
Dimension dieses Problems zunächst weitgehend unterschätzt wurde,193 machte bald das Wort von einer „Obstruktionspolitik“ und einer „Neinsagemaschine“, die nichts anderes sei als der „verlängerte Arm der Opposition“ und eine faktische „Gegenregierung“ darstelle, die Runde,194 was zunächst auch gar nicht unbegründet war. Der neue Bundeskanzler warnte die Opposition zwar eindringlich davor, ihre Macht im Bundesrat auszunutzen;195 dennoch kündigte sein Vorgänger an, den Bundesrat als Instrument der Opposition gebrauchen zu wollen.196 In der Folge versuchte die Union das Blockade-Image aber abzulegen und dementierte derartige Überlegungen.197 Letztlich war es für die Union aber auch weniger entscheidend, alle Gesetze des Bundes abzublocken; entscheidend war vielmehr die Tatsache, dass der Opposition im Bundestag, die nun mit der Bundesratsmehrheit im Rücken agieren konnte, von vornherein mehr Gehör verschafft wurde.198 Die Blockademöglichkeiten des Bundesrats verwandeln sich über den Vetospieleransatz somit zu Konsens- und Kompromissfindungszwängen. Je größer dabei die Mehrheit der Bundesratsstimmen ist, die die Bundestagsopposition unterstützen, desto größer sind ihre Vetochancen und ihre Chance des Mitregierens.199
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auf Landesebene, hatte der vormalige Bundeskanzler Kiesinger noch 1969 angekündigt, die FDP aus den Landtagen „herauskatapultieren“ zu wollen. Zit. nach Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 47. Vgl. ebd., S. 10 u. 141. Alle Begriffe bei Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 169. Auch heute haftet dem Bundesrat in der öffentlichen Debatte noch dieser Ruf an. Vgl. Lhotta, R., Bundesrat, 2003, S. 16. Vgl. o.V., Opposition, 1969, S. 31. “Ich sehe im Bundesrat während dieser Legislaturperiode in der Tat ein wichtiges Instrument für die Opposition. Wir haben eine solche Mehrheit (…) Und wir werden diese Mehrheit selbstverständlich benützen. Das ist durchaus legitim.“ Kiesinger, Kurt-Georg am 22.02.1970 zit. nach Laufer, H., Opposition, 1970, S. 319. Dieses Verhalten war sicherlich auch der Tatsache zu schulden, dass die aus der BT-Wahl als stärkste Kraft hervorgegangene Union sich als eigentlicher Wahlsieger sah. So z.B. der bayerische Staatsminister Franz Heubl. Vgl. Laufer, H., Interview, 1970, S. 310313. Vgl. Scheuner, U., Kooperation, 1972, S. 591. Helmut Kohl widersprach als Ministerpräsident den Vorwürfen einer Blockadepolitik. Vgl. ebd. Teilweise wird dem Bundesrat bei umgekehrten Mehrheitsverhältnissen die Funktion eines heimlichen Gesetzgebers zuerkannt, der die Parlamente als eigentliches Legislativorgan ausboten kann. Vgl. Lhotta, R., Föderalismus, 1998, S.84f. Diese Einschätzung trifft zu, verkennt aber, dass auch der Bundesrat für die Bundesebene ein Legislativorgan darstellt, für das unter diesen Umständen lediglich bessere Durchsetzungsvoraussetzungen vorliegen als für den Bundestag. Vgl. auch Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 69. Lhotta sieht zwar eine Entwicklung zu einer expliziten Politisierung des Vetos im Bundesrat, äußert aber Zweifel, dass dies eine stärkere Abhängigkeit der Bundesregierung zur Folge hätte. Vgl. Lhotta, R., Bundesrat, 2003, S. 20. Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007, S. 205.
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Aus diesem Grund machen sich in Phasen unterschiedlich gerichteter Kammern die Bundestagsausschüsse verstärkt Gedanken darüber, wie der Bundesrat auf die Vorstellungen des Bundestages reagieren wird, so dass die prognostizierte Länderhaltung bereits die Beratungen im Bundestag beeinflusst.200 Außerdem werden die formellen und informellen Verhandlungen zwischen den verschiedenen Ebenen innerhalb der Partei, aber auch zwischen Vertretern der Regierung und den Entscheidungsträgern in den Ländern wesentlich intensiver geführt.201 Eine andere Möglichkeit, dieser Situation zu begegnen, ist der Versuch, die Gesetzesvorlagen derart mit Forderungen an die Länder zu überzeichnen, dass der Bundesrat gezwungen ist, Streichungen vorzunehmen. Die überzeichneten Materien dienen dann als Verhandlungsmasse, die gestrichen werden kann, um die wirklich wichtigen Forderungen als Kompromiss durchsetzen zu können.202 Der Vorwurf der jeweiligen Regierungspartei auf Bundesebene, die jeweils andere Seite betreibe im Bundesrat eine Blockadepolitik, war stets Ausdruck unterschiedlicher Mehrheiten in den beiden Kammern.203 Untersuchungen über das Verhalten des Bundesrates in den genannten Zeiträumen haben indes gezeigt, dass zumindest rein von der Anzahl der letztlich blockierten Gesetze der Vorwurf einer absoluten Blockadepolitik haltlos ist.204 Die Zahl der durch den Bundesrat verhinderten Gesetze liegt im Schnitt zwar deutlich höher als in den Jahren gleichgerichteter Mehrheiten, beschränkt sich in Anbetracht der Vielzahl von Gesetzesvorhaben absolut aber auf ein Minimum und ist somit wesentlich
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Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007, S. 203. So macht die Bundesregierung von ihrem Recht auf Teilnahme an Ausschusssitzungen des Bundesrates regen Gebrauch. Vgl. Herzog, R., Beziehungen, 1989, S. 172 und vgl. Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 112f. Weite Teile der Bundes- und Landespolitik werden zudem in Länder- und Kompetenzgrenzen überschreitenden Gremien der Kooperation (z.B. der Ministerpräsidentenkonferenz oder entsprechenden Gremien der Verwaltung) vorbesprochen. Vgl. Klein, H.H., Legitimation, 1989, S. 99. Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat wird zudem im Vorfeld der Sitzungen jeweils innerhalb der Gruppen der A- und B-Länder durch die Landesbevollmächtigten erörtert. Vgl. Günther, H., Vermittlungsausschuß, 1989, S. 240. Beispiel: Als während der großen Koalition über die Finanzreform verhandelt wurde, umfasste der ursprüngliche Katalog der Gemeinschaftsaufgaben neun Punkte, von denen aber nur sechs im Vorfeld als unentbehrlich bezeichnet worden waren. Vgl. Henle, W., Finanzreform, 1968, S 400f. Vgl. Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 147. Dieses Verhalten dient regelmäßig dazu, dem Wähler die jeweils andere Partei als Schuldige für das Scheitern eines bestimmten Gesetzesvorhabens zu präsentieren. Vgl. Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 67. Vgl. Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 148; vgl. Lhotta, R., Bundesrat, 2003, S. 22.
niedriger, als man dies in Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse erwarten könnte.205 Andererseits wäre es zu einfach, den Vorwurf der Obstruktion mit diesen Zahlen alleine widerlegen zu wollen. Denn auch die Zahl der Anrufungen des Vermittlungsausschusses ist im Schnitt spürbar angestiegen206, was zunächst auf eine viel stärkere Kontroverse zwischen den Gesetzesvorlagen und der Auffassung des Bundesrates hindeutet als in Zeiten gleichgerichteter Kammern. Die hohe Anzahl an Vermittlungsbegehren bedeutet aber auch, dass die Bundesratsmehrheit verstärkt eigene Interessen bei den Gesetzgebungsvorhaben durchsetzen konnte.207 Blockade bedeutet hier also nicht das Scheiternlassen der Gesetze durch die Länder, sondern ist vielmehr Ausdruck des Zwangs des Bundes, den Landesregierungen stärkere Zugeständnisse zu machen, die Gesetze überwiegend nach deren Vorstellungen zu formen oder sogar ganz fallen zu lassen.208 Untersuchungen zu konkreten Gesetzesvorhaben zeigen zudem, dass die unionsgestützte Mehrheit im Bundesrat zum einen nicht immer einheitlich abgestimmt hat und zum anderen bei bestimmten Themen eben nicht den Wünschen der Bundestagsopposition gefolgt ist oder dass sie den Vermittlungsausschuss anrief, obwohl die Bundestagsopposition den Gesetzen äußerst positiv gegenüber stand.209 In Fragen ausgeprägter Länderinteressen hat der Bundesrat außerdem bisweilen ein die Parteigrenzen nicht beachtendes Abstimmungsverhalten an den Tag gelegt.210 Die partielle Mitregierung der Länder im Bund äußert sich deswegen von Thema zu Thema in unterschiedlicher Form.211
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Der Bundesrat versagte seine Zustimmung zwischen 1969 und 1980 37 mal gegenüber 44 versagten Zustimmungen in den 20 Jahren vor 1969. Die Zahl der trotz Vermittlungsverfahren letztlich gescheiterten Gesetze liegt aber bei nur 18 zwischen 1969 und 1980 gegenüber 19 zwischen 1949 und 1969. Vgl. Schindler, P., Datenhandbuch, S. 2430f. Im Schnitt wurden 1,08 Prozent aller Gesetze blockiert. Vgl. Stüwe, K., Bilanz, 2004, S. 29. 267 Anrufungen von 1949 bis 1969 gegenüber 214 Anrufungen zwischen 1969 und 1980. Vgl. Schindler, P., Datenhandbuch, S. 2450f. Vgl. Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 65, der neben der Möglichkeit zur Blockade von Gesetzen als Kriterium für die Durchsetzbarkeit von Änderungswünschen auch die Entschlossenheit zur Blockade wertet, ohne eine Angabe über deren Messbarkeit zu liefern. Durch das Einwirken des unionsdominierten Bundesrates wurde eine Reihe von Gesetzen erheblich verändert. Vgl. ebd., S. 65f. Vgl. auch Stüwe, K., Bilanz, 2004, S. 30. Vgl. Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 171. Für den Beweis einer Obstruktionspolitik hätte das Verhalten von Bundestagsopposition und Bundesrat demzufolge wesentlich öfter übereinstimmen müssen. Vgl. ebd. Vgl. Hassel, K.-U., Bundesrat, 1989, S. 74 und vgl. Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 79. Vgl. Renzsch, W., Parteien, 1998, S. 95. Vgl. Scharpf, F.W., Bundesrat, 1989, S. 127f, der
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Insgesamt zeigen die Untersuchungen somit, dass der Bundesrat bislang keine grundsätzliche Obstruktions- oder gar Blockadepolitik vertreten hat,212 sondern vielmehr seinen Einfluss dahingehend verwendet hat, um die Gesetze nach seinen Wünschen mitzugestalten.213 Diese neue Erfahrung eines starken und auf Augenhöhe mitverhandelnden Bundesrates214 war es schließlich, die die These einer Obstruktion begünstigt hat.215 Während die meisten Gesetze den Bundestag anstandslos passierten, waren es vor allem die hochpolitischen Sachverhalte, in denen der Bundesrat mit seinen Forderungen bis an die Grenze eines Scheiterns des gesamten Gesetzes gegangen ist.216 Eine absolute Blockade hätte sich dagegen immer gegen das gesamte Gesetz gerichtet und somit dafür gesorgt, dass auch Änderungen zugunsten der Länder nicht mehr hätten umgesetzt werden können. Der Spielraum des Bundesrates bei der Einbringung seiner Änderungswünsche wurde also durch den Zeitpunkt begrenzt, an dem das Gesetz für den Vetospieler Bundestagsmehrheit nicht mehr lohnend erschien, so dass die endgültige Verweigerung der Zustimmung nur in wenigen Fällen zum Tragen kam.217
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hierfür vor allem die Tatsache als ausschlaggebend ansieht, dass die Bundesratsmitglieder nicht nur als Parteimitglieder, sondern auch als Regierungschefs agieren. Vgl. Thränhardt, D., Opposition, 2000, S. 436f. Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007; S. 203 und Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 148. Vgl. Lehmbruch, G. Parteienwettbewerb, 2000, S. 149. Vgl. auch Fromme, F.K., Gesetzgebung 1980, S. 169, der die Überlegung anfügt, dass zwar der Bundesrat als Instrument der Bundestagsopposition abgestempelt würde, jedoch niemand auf die Idee käme, die Bundestagsmehrheit als „Regierungsinstrument“ der Bundesregierung zu betrachten, obwohl er dieser in aller Regel auch zu folgen pflegt. Vgl. ebd. S. 170. Auch dass die Bundesregierung „ihre“ Länder politisch zu instrumentalisieren versucht, wird kaum kritisiert. Vgl. Leunig, S., Bundesrat, 2004, S. 35. Vgl. Lhotta, R., Bundesrat, 2003, S. 20. Betrachtet man die in der 6. WP mit nur einer endgültig verweigerten Zustimmungen und mit 33 Anrufungen des Vermittlungsausschusses sogar noch geringere Anzahl als in den davor liegenden Wahlperioden, wird deutlich, dass auch der Bundesrat selbst den Gebrauch der neu erworbenen Machtfülle erst noch erlernen musste. In den nachfolgenden Wahlperioden stiegen diese Zahlen spürbar an. Für die Angaben vgl. Schindler, P., Datenhandbuch, 1999, S. 2430 und S. 2450. So hat sich der Bundestag lange nicht daran gewöhnen können, dass der Bundesrat ein von ihm ernstzunehmendes Bundesorgan ist. Vgl. Hassel, K.U., Bundesrat, 1989, S. 74. Vgl. Stüwe, K., Bilanz, 2004, S. 30, Leunig, S., Bundesrat, 2004, S. 36 und Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 78. Vgl. Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 68. Ein Verhindern wichtiger Gesetze würde bei einer permanenten Blockade zudem ein demokratisches Legitimationsdefizit des Bundesrats offenbaren und in der Öffentlichkeit entsprechend gewürdigt. Vgl. Stüwe, K., Bilanz, 2004, S. 30.
Die Möglichkeiten einer echten Blockade sind für den Bundesrat somit begrenzt und nicht so weit reichend, wie dies in zweiten Kammern anderer Länder der Fall ist.218 Aus diesem Grund wird eher die Ansicht vertreten, der Bundesrat habe sich trotz aller Vorwürfe als wichtiges Instrument der Gewaltenhemmung bewährt und sei „eine vorzügliche Verfassungskonstruktion“.219 2.3 Die hochschulpolitische Ausgangslage für die Gesetzgebung Gesetze setzen in der Regel ein Regelungsbedürfnis voraus, dass vor dem Zeitpunkt der Gesetzgebung noch nicht bestand und sind somit oft Reaktionen auf gesellschaftliche Veränderungen.220 Es ist deshalb sinnvoll, die hochschulpolitischen Rahmenbedingungen darzustellen, die zur Zeit der Transferierung der Hochschulrahmengesetzgebungskompetenz auf den Bundesgesetzgeber und der Etablierung des Hochschulrahmengesetzes vorherrschten. Es sollen die prognostizierte Bildungskatastrophe, die seit den 1960er Jahren immer mehr auch das Interesse der Öffentlichkeit fand, die Studentenproteste an den Hochschulen, die später unter dem Namen „68er-Revolution“ im Gedächtnis bleiben sollten, sowie die Verabschiedung von Hochschulgesetzen durch die Länder näher betrachtet werden. 2.3.1 Die prognostizierte Bildungskatastrophe Während die frühen Jahre der Bundesrepublik eher funktional durch das Beharren der Länder auf ihrer gesetzgeberischen Zuständigkeit für die Bildungspolitik geprägt waren, die durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen dieser Debatten als „Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder“221 qualifiziert worden war, blieben inhaltliche Debatten, wie sie in der Kultusministerkonferenz durchaus geführt wurden, der breiten Öffentlichkeit eher verborgen. Erst zu Beginn 218 219
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Vgl. Lhotta, R., Bundesrat, 2003, S. 22. Bernhard Vogel im Interview in Posser, D. u.a., Gesprächsrunde, 1989, S. 258. Vgl. auch Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 149; vgl. Henning Schütz im Interview in Posser, D. u.a., Gesprächsrunde, 1989, S. 259. So wurde das mobile Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung für die Fahrer von Kraftfahrzeugen erst verboten, als sich die Unfallzahl häufte, während das Bedürfnis nach einem eigenen Strafrecht bei nahezu allen Staaten bereits zu Beginn der Entstehung dieser Staaten vorhanden war. BVerfGE 6, S. 309ff (347).
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der 1960er Jahre erhielten bildungspolitische Themen aufgrund publizistischer Unterstützung eine stärkere Resonanz.222 Insbesondere die 1964 zunächst als Artikelserie in der Zeitschrift „Christ und Welt“ veröffentlichte Warnung des Pädagogen Georg Picht vor einer „Bildungskatastrophe“ setzte das Thema Bildung in der politischen Agenda mit einem Mal weit nach oben.223 Picht machte auf nur ungenügende Unterrichtsbedingungen und eine im Vergleich zu anderen Ländern geringere Abiturientenquote aufmerksam. Zudem prangerte er die durch den Bildungsföderalismus verursachten Unterschiede im Bildungswesen der einzelnen Bundesländer und eine extreme Ungleichverteilung der Bildungschancen in der Bundesrepublik an.224 Er forderte ein stärkeres Engagement des Bundes im Bildungsbereich.225 Bezüglich der Hochschulen warnte er vor stetig zunehmenden Studentenzahlen und forderte eine schnellstmögliche und deutliche Erweiterung der Kapazitäten. Picht prognostizierte einen Lehrer- und Hochschullehrerbedarf, der seiner Ansicht nach durch die Absolventen an deutschen Hochschulen kaum noch zu decken war.226 Insgesamt übte Picht mit seinem düsteren Szenario einer Zeit, in der Deutschland seine hohen Bildungsstandards nicht mehr würde beibehalten können, massive Kritik am Bildungsföderalismus und regte mit dem Leitsatz: „Jedes Volk hat das Bildungswesen, das es verdient“227 zu durchgreifenden Veränderungen an. 1965 setzte der Soziologe Ralf Dahrendorf mit seinem Buch „Bildung ist Bürgerrecht“ nach, dessen Titel zum geflügelten Wort avancierte und
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Vgl. Anweiler, O., Bildungspolitik, 2006a, S. 711. Auslöser für das gesteigerte Interesse an bildungspolitischen Themen war auch die infolge des „Sputnik-Schocks“ zunehmende Angst, technologisch den Anschluss an andere Nationen zu verlieren. Vgl. Friedrich, H.R., Anmerkungen, 2006, S. 481. Aufgrund des großen Interesses wurden die Aufsätze als Buch zusammengefasst in Picht, G., Bildungskatastrophe, 1964. Vgl. Wolf, F., Bildungspolitik, 2006, S. 230. Vgl. Picht, G., Bildungskatastrophe, 1964 S. 56-58. Mit dieser Forderung wandte sich Picht auch direkt an die politische Verantwortlichen in den Ländern, z.B. in einem Schreiben an den Justizminister von Baden-Württemberg (Wolfgang Haussmann, FDP) v. 7.8.1963, in dem er warnte, man gehe einer Katastrophe entgegen, Vorwürfe gegen die Kultusminister erhob und eine stärkere Beteiligung des Bundes forderte. Vgl. AdL, A7-108. Vgl. Picht, G., Bildungskatastrophe, 1964, S. 65f. Unter Berufung auf Berechnungen der Kultusminister schreibt Picht, dass 90 Prozent aller Hochschulabsolventen Lehrer werden müssten, um den Bedarf zu decken. Vgl. ebd. So waren es insbesondere die quantitativen Probleme, die die wissenschaftlichen Hochschulen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt haben. Vgl. Schuster, H.J., Hochschulplanung, 1969, S. 40. Vgl. Picht, G., Bildungskatastrophe, 1964, S. 42 u .87.
mit dem er auf eine Gefahr für die bundesdeutsche Demokratie aufgrund zu großer Bildungsdefizite in Deutschland aufmerksam machen wollte.228 Die Warnungen fanden vermutlich gerade wegen ihrer unverblümten Sprache und der schonungslosen Hinweise auf die Folgen einer unverändert fortgesetzten Bildungspolitik das Interesse der Medien und der Bevölkerung und damit auch die Aufmerksamkeit der Politik.229 „In allen elf Bundesländern wurden Notmaßnahmen gegen den Lehrermangel ergriffen; (…) Begabtenförderung sowie die Steigerung der Schülerzahlen an Realschulen und Gymnasien standen überall auf der kulturpolitischen Tagesordnung. Die öffentlichen Ausgaben für den Schul- und Bildungsbereich schnellten in die Höhe.“230 Die Diskussion führte nicht zuletzt zur Gründung des deutschen Bildungsrates und gab dem Bund Rückenwind für sein Bestreben, sich stärker in bildungspolitischen Belangen engagieren zu müssen. So wurde 1967 beispielsweise ein Entschließungsantrag in den Fraktionen des Bundestages diskutiert, mit dem der Bundestag Kernfragen der Bildungspolitik zu gesamtstaatlichen Problemfeldern emporheben wollte.231 Die Bundesregierung verfasste im Oktober 1967 einen eigenen „Bericht über den Stand der Maßnahmen auf dem Gebiet der Bildungsplanung“ und machte ihr Mitwirkungsrecht wegen des Zusammenhangs der Bildungspolitik mit Politikfeldern geltend, für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz hatte.232 Den Ländern nahmen die schwerwiegenden Vorwürfe und das verstärkte öffentliche Interesse hingegen den argumentativen Wind aus den Segeln, wenn es um die beharrliche Verteidigung ihrer Zuständigkeiten vor äußeren Einflüssen ging. Sie betonten zwar, dass die Verantwortung bei ihnen liege, bezogen den Bund in die Entscheidungsfindung bei der Bildungsplanung durch eine gegenseitige Rücksichtnahme aber ausdrücklich mit ein.233 Ob die Vorwürfe begründet waren und tatsächlich eine Bildungskatastrophe drohte, ist an dieser Stelle nicht entscheidend. Wichtig ist aber, dass die 228 229
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Vgl. Dahrendorf, R., Bürgerrecht, 1965. Vgl. Hamm-Brücher, H., Tauwetter, 1967, S. 2. Picht selbst bezeichnete die Folgen der Bildungskatastrophe als den „dritten großen Zusammenbruch der deutschen Geschichte in diesem Jahrhundert“. Picht, G., Bildungskatastrophe, 1964, S. 87. Hamm-Brücher, H., Tauwetter, 1967, S. 2. Vgl. den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, o.D., AdL A7108, 19-22. Der Antrag wurde wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien nicht eingebracht; er ging der Fraktion der FDP beispielsweise nicht weit genug, da er keine direkten Kompetenzverlagerungen forderte. Vgl. AdL A7-108, 15-18. Bericht über den Stand der Maßnahmen auf dem Gebiet der Bildungsplanung. BT-Drs. V/2166. Vgl. die Antwort der Länder in BT-Drs. V/2166, S. 256.
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Politik die Kritik auffing, sich die Koordinierung zwischen Bund und Ländern in der Folge verstärkte und der Bund gerade durch finanzielle Unterstützung an der Weiterentwicklung des Bildungssystems mitwirkte.234 Die Politiker standen auf allen Ebenen in der Pflicht und vor allem unter dem Druck, Erfolge zu erzielen und den Wählern zu demonstrieren, dass sie nicht in der Untätigkeit verharrte, sondern die erkannten Probleme und Mängel abzustellen gedachte. Bundeskanzler Kiesinger hatte bereits 1968 dringende und durchgreifende Veränderungen gefordert.235 Durch die nachfolgende Bundesregierung wurde die Bildungs- und Hochschulpolitik an „die Spitze der Reformen“236 gestellt. In diesem ausgesprochenen Aktionismus lag ein wesentlicher Unterschied zum Umgang mit der Bildung in früheren Jahren. 1959 beklagte sich beispielsweise ein Bundestagsabgeordneter darüber, dass die Bundesregierung eine über ein Jahr alte Aufforderung des Bundestages237 nicht bearbeit hatte, mit der ihr aufgetragen worden war, mit den Ländern über die Kompetenzverteilung bezüglich des Bildungs- und Hochschulwesens zu verhandeln.238 Im Zeichen der drohenden Bildungskatastrophe war das Thema Bildungs- und Hochschulpolitik aber für die folgenden zehn Jahre in den Vordergrund gerückt worden. 2.3.2 Die Lage an den Hochschulen in den 1960er Jahren Während die prognostizierte Bildungskatastrophe vor allem auf den Schulbereich gerichtet war, rückten Unzulänglichkeiten an den deutschen Hochschulen auf eine andere Art in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die deutsche Hochschule, die im Kern seit der Zeit Humboldts zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach einem unveränderten Prinzip funktionierte, befand sich bereits seit etwa 1900 in einem Reformprozess. Durch diesen Prozess wurde versucht sie an die
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Vgl. Anweiler, O., Bildungspolitik, 2006a, S. 711. Vgl. Kiesinger, K.G., Bericht, 1979, S. 170. BK Brandt in seiner Regierungserklärung der 6. WP, BT-PlPr. 6/5 v. 28.10.1969, S. 26. Führ bemerkt, dass sich das oft als Signal einer neuen zukunftsorientierten Politik des Bundes bewertete Zitat Brandts vor dem Hintergrund einer seit einem Jahrzehnt von den Ländern betriebenen Reformpolitik eher als spätes Nachziehen ausnahm. Vgl. Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 18. Vgl. den Beschluss des Kulturausschusses des BT zum Antrag der CDU/CSUBundestagsfraktion, BT-Drs. III/531 sowie BT-PlPr. 3/43 v. 3.10.1958, S. 2463. Vgl. Lohmar, U., Kulturpolitik, 1959, S. 1f.
veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen, ohne aber dass diese Bemühungen grundlegende Veränderungen hervorgebracht hätten.239 Das Hochschulwesen war stark in die verschiedensten Fachrichtungen gegliedert, was auch mit erheblichen Statusunterschieden verbunden war.240 Es gab keine Hochschulgesetze, die die traditionelle Autonomie der Hochschulen hätten einschränken können, weswegen auch von einem Elfenbeinturm gesprochen wurde, in dem sich die Angehörigen der Universitäten befanden.241 Hinzu kam eine hierarchisch abgestufte Rangordnung der Universitätsmitglieder, nach der die Ordinarien mit allen wesentlichen Befugnissen ausgestattet waren und diverse Privilegien innehatten.242 Im Wesentlichen war die deutsche Hochschule ein in tiefen Traditionen verwurzeltes Gebilde, das sich einem wirklichen Reformprozess, der nicht ohne ein Aufbrechen des tradierten Systems hätte vonstatten gehen können, bis dahin erfolgreich entzogen hatte.243 Der zunehmende Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften einerseits und die durch die beginnende Bildungsexpansion vermehrt an die Hochschulen strömenden Abiturienten andererseits machten nun gravierende Änderungen am überkommenen System der deutschen Hochschule erforderlich. Als der Wissenschaftsrat 1960 seine Empfehlungen über die Notwendigkeit eines Ausbaus des Hochschulsystems abgab, bestand hierüber politisch weitgehende Übereinstimmung.244 An den Hochschulen setzte sich vermehrt die Erkenntnis durch, dass ihre traditionellen Strukturen und Organisationsformen überholt waren und den Bedürfnissen der veränderten Rahmenbedingungen nicht mehr entsprachen.245 Der angestrebten und offenkundig notwendigen Reform der Universität von innen heraus fehlte jedoch „die Schubkraft, der Motor, der feste und entschlos239
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Vgl. Wilhelmi, H.-H., Rechts-Reife, 1969, S. 2; vgl. Maunz, T., Abgrenzung, 1970, S. 266 u. Knoll, J.H., Universitäten, 1969, S. 401, der ein Bemühen um eine Reform aber erst seit etwa 1930 erkennt. Vgl. Dahrendorf, R., Politik, 1968, S. 21. So gab es die eigentliche Universität, während in absteigender Reihenfolge die Technischen Hochschulen, die Pädagogischen Hochschulen, mit einigem Abstand die Ingenieurschulen und einige höhere Fachschulen angesehen waren. Vgl. ebd. Vgl. Oel, H.G., Elfenbein-Turm, 1968. Zu den Befugnissen des Ordinarius vgl. Oehler, C.; Bradatsch, C., Hochschulentwicklung, 1998, S. 413. Nach 1945 erforderten die Probleme in anderen staatlichen Bereichen, wie dem Wiederaufbau, soviel Aufmerksamkeit der Regierenden, dass sie die Hochschulen im Wesentlichen nach dem traditionellen Modell konstituierten, das seit dem 19. Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik bestanden hatte. Vgl. ebd., S. 412-414. Vgl. Anweiler, O., Bildungspolitik, 2006a, S. 739. Vgl. Vogtmann, L., Verhältnis, 1969, S.7.
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sene Wille, aus der Summe der kleinen und größeren Mängel und Fehlentwicklungen die Konsequenz zu einer umfassenden Neuordnung zu ziehen“.246 Notwendig schien also eine Reform der Hochschulen per Gesetz, um zu den geforderten Veränderungen zu gelangen.247 2.3.3 Die studentischen Proteste an den Hochschulen in der politischen Reflexion Während die Studenten der Nachkriegszeit mehr an stabilen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen interessiert gewesen waren, übten diejenigen, die die Folgen des Krieges nicht mehr unmittelbar gespürt hatten und Ende der 1960er Jahre an die Hochschulen kamen, vermehrt Kritik an den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Gegenwart und hinterfragten auch tradierte Selbstverständlichkeiten kritisch.248 Zunächst war es den Studenten im Wesentlichen um eine Ausweitung der Hochschulkapazität gegangen, um das Problem der Quantität zu lösen und möglichst allen Studierwilligen ein Hochschulstudium zu ermöglichen. Schon bald traten aber andere Problembereiche in den Vordergrund, die innerhalb der Studentenschaften an den Hochschulen diskutiert und zu Forderungen erhoben wurden. Schwerpunkte waren eine zukunftsweisende Hochschulreform und hier insbesondere die Umwandlung des gegliederten Hochschulsystems in ein Gesamthochschulsystem. Dazu wurde im Rahmen der Hochschulreform auch eine Studienreform und somit eine Veränderung der Studiengänge gefordert. Schwerpunkte sollten anders gesetzt und Studienzeiten sollten an moderne Erfordernisse angepasst werden. Die innere Organisation der Hochschule wurde hinterfragt und damit die Forderung nach einer neuen Hochschulverfassung verbunden.249 Zudem verstärkte sich zunehmend die Forderung nach einer Demokratisierung der Hochschule, was im Kern mehr Mitbestimmung für die bei gleichzeitiger Einschränkung der Privilegien der Professoren bedeutete. Das Wort von der Drittelparität machte bald die Runde, mit der in allen Gremien Professoren, Studenten und sonstige Mitarbeiter an der Hochschule gleich viele Stimmen 246 247 248
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Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 15. Vgl. Thieme, W., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 193. Vgl. Waibel, W.-W., Engagement, 1970, S. 246f. Die Studentenbewegung sorgte für eine Thematisierung der internen Hochschulorganisation in Wissenschaft und Öffentlichkeit. Vgl. Wolf, F., Bildungspolitik, 2006, S. 230. Vgl. Thieme, W., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 194.
erhalten sollten. Diese Forderung verbreitete sich schnell und wurde auch von der Politik, vorwiegend bei der SPD und FDP, aufgenommen.250 Kein anderes Thema im Bereich der Hochschulpolitik war derart emotional geladen.251 Die studentischen Proteste begannen in Deutschland zwischen 1965 und 1967 zuerst fast ausschließlich an der Freien Universität Berlin und waren zunächst auf die genannten Veränderungen an den Universitäten beschränkt.252 Die verkrusteten Zustände sollten aufgebrochen und „der Muff aus tausend Jahren“ sollte „unter den Talaren“ des Hochschulsystems hervorgeholt werden. Dabei waren die protestierenden Studenten aber nicht die Begründer der Hochschulreform. Diese war längst im Gang, als die Nachwuchsakademiker ihre ersten Forderungen stellten, und resultierte aus den offenkundigen Problemen, mit denen das Hochschulwesen seit den 1960er Jahren konfrontiert war.253 Die Proteste, die an einigen deutschen Hochschulen stattfanden, wurden im Laufe des Jahres 1968 immer radikaler. Verschiedene Auflistungen von Parteien,254 des Bundestages255 und auch des Bundesamtes für den Verfassungsschutz,256 zeigen eine Entwicklung, die von einfachen Störungen und Boykotten von Lehrveranstaltungen bis zu sabotageartigen Aktionen, wie Manipulationen an elektrischen Einrichtungen sowie Psychoterror und Drohbriefen, reichten.257 250
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Vgl. Reinhardt, R., Gedanken, 1970, S. 167. Die Forderung nach einer Drittelparität wurde zuerst von den Hamburger Studenten gestellt. Vgl. ebd. Vgl. Lachmann, G., Hochschulgesetzgebung, 1970, S. 9. Vgl. Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 16; vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 92. Neben einer Reform der Universitäten hatten die „68er“ auch andere Ziele, die im gesellschaftlichen Bereich lagen. Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit sowie Proteste gegen den Vietnamkrieg und die Arbeit der großen Koalition (Notstandsgesetze) waren ebenfalls zentrale Inhalte der Bewegung. Vgl. Führ 1998, C., Bildungsgeschichte, S. 16 und Wiater, W., Geschichte, 1997, S. 696. Dabei war zunächst umstritten, inwiefern sich Studenten überhaupt allgemeinpolitisch betätigen durften. Vgl. Wagner, W.; Dahrmann, D., Studentenschaften, 1969, S. 162. Vgl. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 112; vgl. Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 17. „Nicht unter dem Dach verkrusteter Zustände hat sich die studentische Protestbewegung entfaltet, vielmehr inmitten einer sehr dynamischen Hochschulreformpolitik, die in ihren wirksamen Anfängen mindestens zehn Jahre älter war, als die Protestbewegung.“ Hermann Lübbe, zitiert nach Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 17. Vgl. die Schrift „Hochschulen – Keimzelle der Revolution?“ der CDU-Bundesgeschäftstelle, in: BArch, B138, 57111. Vgl. die Übersicht über Vorfälle, durch die die Rechtsordnung an den Universitäten verletzt wurde v. 11.6.1971, erstellt durch den wissenschaftlichen Dienst des BT, in: BArch, B138, 57111. Vgl. das Schreiben des BMI an das BMBW v. 14.9.1971; darin: Bundesamt für den Verfassungsschutz, Übersicht über Störungen an Universitäten, in: BArch, B138, 57111. Vgl. auch Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 16.
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Diese Entwicklung wurde an den Hochschulen als äußerst bedrohlich wahrgenommen. Standen vor allem die jungen Hochschullehrer den Forderungen der Studenten zunächst positiv gegenüber, distanzierten sie sich schon bald in dem Maß, in dem die Gewaltbereitschaft der protestierenden Studenten zunahm. Sie stärkten somit eher die Position der konservativen Mehrzahl der Hochschullehrer, die zu weit reichende Reformen ablehnte.258 Ein Professor schrieb Anfang der 1970er Jahre an die Bundesregierung, die Zustände an den Hochschulen seien teilweise schlimmer als im dritten Reich.259 Der Staat, der kaum eine Handhabe sah, auf die studentische Gewalt angemessen zu reagieren, fühlte sich durch derartige Vorkommnisse in seinen Grundfesten bedroht. Da es Hochschulgesetze noch nicht gab, waren Vorschriften, mit deren Hilfe man gegen die Studenten hätte vorgehen können, nicht vorhanden. Grundsätzlich gab es Probleme, das geltende Strafrecht auf die Studenten anzuwenden, da dies als unzulässiger Eingriff in die Autonomie der Hochschule angesehen wurde. Zudem gab es keine Straftatbestände für Störungen an Hochschulen, so dass man lediglich bei schweren Gewalttaten hätte einschreiten können. Als die eigentlich Verantwortlichen für das Hochschulwesen sahen sich vor allem die Länder einem starken und unmittelbaren Druck ausgesetzt. Aufgrund der weiten Verbreitung der Proteste fühlte sich aber auch der Bund angesprochen und herausgefordert. Dabei bewerteten die Parteien das Aufbegehren der Studenten höchst unterschiedlich. In der Union wurden die Proteste kritisch und weitgehend ohne Verständnis reflektiert.260 Bundeskanzler Kiesinger teilte seiner Fraktion mit, das Volk kümmere sich nicht um die Konsequenzen, sondern wolle einfach, dass etwas passiere. Es sei eine schwierige Sache, auf die Herausforderung der Studentenunruhen zu reagieren. Eine nicht unbeträchtliche studentische Minderheit stelle eine beträchtliche Gefahr für das Gemeinwesen dar.261 Die Hochschulreform sei
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Vgl. Oehler, C.; Bradatsch, C., Hochschulentwicklung, 1998, S. 417. Der Einsatz von Gewalt schadete somit den seinerzeit in der Öffentlichkeit teilweise als berechtigt angesehenen Reformansätzen. Vgl. Wiater, W., Geschichte, 1997, S. 696. Vgl. das Schreiben eines Hochschullehrers an das BMBW v. 27.3.1972, in: BArch, B138, 57111. „Wenn sich etwa die Fachabteilung Lehrerausbildung in ein marxistisch gesonnenes Kollektiv verwandelt, das sich als Kaderschmiede versteht, als eine Schule für Missionare des Marxismus, wer übernimmt dafür die politische Verantwortung?“, fragte etwa der CDU-Abgeordnete Hans Dichgans. Ders., Entscheidung, 1971, S. 730. Vgl. Sitzungsprotokoll der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 11.2.1969, in: ACDP, VIII-0011018/1.
wichtig, doch die Bevölkerung erwarte zunächst einmal, dass dieses „Ganoventum an unseren Hochschulen“262 aufhöre. In den Reihen der SPD und FDP nahm man die Anliegen der Studenten hingegen ernster als bei der Union, versuchte die Ursachen der Proteste zu verstehen und womöglich auf die als berechtigt anerkannten Forderungen der Studenten einzugehen. Während in der SPD noch 1967 die Anwendung von Gewalt scharf verurteilt wurde,263 forderten einzelne sozialdemokratische Abgeordnete bereits wenige Monate später eine Amnestie für die von Studenten begangenen Störaktionen. Schließlich, so befand man, verdeutlichten die Unruhen den Drang der Studenten nach mehr Demokratie, was positiv zu werten sei. Im Gegensatz zur Union, die die Hochschulen sogar als „Keimzelle der Revolution“264 betrachtete, wertete die SPD die Handlungen der Studenten nicht als kriminell, sondern als politisches Aufwallen.265 Grundsätzlich war die SPD in ihrer Haltung zum Aufbegehren der Studenten aber uneinig.266 2.3.4 Die Hochschulgesetze der Länder bis 1976 Bis zur Verlagerung der Rahmenkompetenz über das Hochschulwesen lag die Hochschulgesetzgebungskompetenz unbeschränkt bei den Ländern. Diese war den Ländern nicht explizit zugesprochen worden, sondern war vor allem deshalb dort verortet, weil der Bund diese Kompetenz nicht hatte und somit automatisch die Länder zur Gesetzgebung in diesem Politikfeld ermächtigt waren. Dem traditionellen Selbstverständnis der autonomen Hochschule folgend, waren bis in die 1960er Jahre aber keine Hochschulgesetze ergangen, wohl auch, weil sie 262
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Sitzungsprotokoll der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 11.2.1969, in: ACDP, VIII-0011018/1. „Willy Brandt und Helmut Schmidt wenden sich unter Zustimmung der Fraktion gegen das Vorhaben einzelner Studenten oder Teile der Studentenschaften, ihre größtenteils berechtigten Forderungen notfalls im Wege einer Störung der öffentlichen Ordnung zu verwirklichen.“ Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 28.11.1967, in: AdsD, 5. WP, 77. Vgl. die Schrift „Hochschulen – Keimzelle der Revolution?“ der CDU-Bundesgeschäftstelle, in: BArch, B138, 57111. Vgl. das Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 29.4.1968, in: AdsD, 5. WP, 92. Aufgrund von Einwänden, unter anderem von Helmut Schmidt, sprach sich die Fraktion aber gegen eine Amnestie der Handlungen protestierender Studenten aus. Vgl. ebd. Vgl. auch Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 434f. So wurde es in der Fraktion als besonders peinlich empfunden, dass sich unter den Demonstranten der Sohn eines SPD-Bundesministers befand. Es wurde angeregt, aufsässige Söhne in ein Internat einzuweisen, um zu verhindern, dass „man uns gegen die Schienenbeine stoßen kann“. Sitzungsprotokoll der SPD Bundestagsfraktion v. 29.4.1968, in: AdsD, 5. WP, 92.
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nicht für erforderlich gehalten wurden. Das deutsche Hochschulrecht beruhte bis dahin zum größten Teil auf ungeschriebenen, weitgehend bundeseinheitlich angewandten Grundsätzen, ständigen Übungen und Satzungen, im Wesentlichen also auf Gewohnheitsrecht.267 Die zunehmenden Unruhen an den Hochschulen, die öffentlich proklamierte Gefahr der drohenden Bildungskatastrophe und der damit einhergehende äußere Druck bewegten die Kultusministerien und Landesregierungen aber schließlich, auf diesem Politikfeld tätig zu werden.268 Im April 1968 leitete die Kultusministerkonferenz mit ihren „Grundsätzen für ein modernes Hochschulrecht und für eine strukturelle Neuordnung des Hochschulwesens“ die Hochschulreformen der Länder ein.269 Durch die Änderungen sollte der Weg für eine Ablösung der Ordinarienuniversität mit ihrem hierarchischen Aufbau durch die so genannte Gruppenuniversität, die sich insbesondere durch die Mitwirkung aller Hochschulgruppen an der Entscheidungsfindung auszeichnete, bereitet werden.270 Inhaltlich waren die Grundsätze aber eher allgemein gehalten und legten sich nicht konkret auf eine einheitliche, neu zu schaffende Hochschulstruktur fest.271 Im Oktober 1968 hatten sich die Regierungschefs der Länder darauf geeinigt, bei ihren Hochschulgesetzen von bestimmten gemeinsamen Grundsätzen auszugehen. Diese Grundsätze wurden zum Teil allerdings derart vage formuliert, dass die Bemühungen zu einer weitergehenden Vereinheitlichung Anfang Februar 1969 gescheitert waren.272 267
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Vgl. Kempen, B., Grundfragen, 2004, S. 14. Kempen weist darauf hin, dass dies in vielen Politikbereichen der Regelfall war und z.B. auch das Verwaltungsrecht bis in die 1970er Jahre ein „Konglomerat ungeschriebener allgemeiner Grundsätze“ war. Ebd. Vgl. auch Thieme, W., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 193. Vgl. Lachmann, G., Hochschulgesetzgebung, 1970, S. 3. Vgl. Bracher, K.D.; Jäger, W.; Link, W., Republik, 1986, S. 130. „Unter der allgemeinen Prämisse, daß das Bildungswesen nachfrage- und zugleich bedarfsgerecht auszubauen sei, sprachen sich die Kultusminister in diesem Beschluß für weitgehende Änderungen der Hochschulverfassung (u.a. Präsidialverfassung oder mehrjähriges Rektorat, Einrichtung von Fachbereichen, funktionsgerechte Mitsprache der an Forschung und Lehre beteiligten Gruppen einschließlich der Studenten), eine Reform des Lehrkörpers mit einer verstärkten Beteiligung des Mittelbaus und eine Studien- und Prüfungsreform mit dem Ziel einer Verkürzung der tatsächlichen Studienzeiten aus.“ Fränz, P.; Schulz-Hardt, J., Kultusministerkonferenz, 1998, S. 196. Vgl. Bracher, K.D.; Jäger, W.; Link, W., Republik, 1986, S. 130 Vgl. Lachmann, G., Hochschulgesetzgebung, 1970, S. 6. Vgl. das Protokoll der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder am 28.02.1969, in: BArch B136, 4179, Nr. 102f, S. 3. Die Beteiligten waren sich zwar einig, dass reformiert werden müsse, in Motiven, Begründungen sowie Zielen und Methoden bestanden aber erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Vgl. Raupach, H., Struktur, 1969, S. 135.
Bereits seit 1966 hatten einige Länder mit der Vorbereitung und Verabschiedung einzelner Hochschulgesetze begonnen und damit einer Auseinanderentwicklung auf dem Gebiet des Hochschulwesens Vorschub geleistet.273 Diese Gefahr wurde auch im Bundeskanzleramt erkannt, und Kanzler Kiesinger drängte auf größere Einheitlichkeit zwischen den Ländern.274 Der besondere Umstand der großen Koalition, in der die Regierungschefs aus beiden großen Parteien sich der amtierenden Bundesregierung politisch zugehörig fühlten, hat allerdings nicht nennenswert zu einer Einigung auf dem Gebiet des Hochschulwesens beigetragen. Der Wunsch des Bundeskanzlers nach einer einheitlichen Hochschulgesetzgebung wurde nicht erfüllt. Ein geplanter Staatsvertrag über Grundsätze für die Reform der wissenschaftlichen Hochschulen und über die Vereinheitlichung des Ordnungsrechts an den Hochschulen wurde zwar im März 1969 mit Ausnahme von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen von allen Landesregierungen unterschrieben, abgesehen von den zwei Nichtunterzeichnerländern scheiterte der Vertrag aber auch an der Nichtratifizierung durch die Parlamente in vier weiteren Bundesländern.275 Es erklärten sich jedoch alle Landesregierungen dazu bereit, den sachlichen Inhalt des Staatsvertrages in die Entwürfe ihrer Hochschulgesetze oder Novellen mit einzubeziehen,276 was zu einer relativ weitgehenden Vereinheitlichung des Hochschulwesens geführt hätte. In Folge der Bildung der sozialliberalen Koalition und der damit verbundenen Oppositionsrolle der Union auf Bundesebene ab 1969 schlug dieses Vorhaben aber in das Gegenteil um. Die Länder verabschiedeten nun verstärkt Hochschulgesetze oder Änderungen zu bestehenden Gesetzen277, die den parteipoliti273
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Hessen (Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Hessen v. 16.5.1966 in: GVBl. Hessen S. 121); Baden-Württemberg (Hochschulgesetz v. 19.3.1968 in: GBl. BadenWürttemberg S. 81; Hamburg (Gesetz über die Universität Hamburg v. 25.4.1969 in: GVBl. Hamburg S. 61. „Außerdem sollten die Länder zu möglichst einheitlichen Hochschulgesetzen kommen“ – so Bundeskanzler Kiesinger auf der Besprechung mit den Regierungschefs der Länder am 28.2.1969, Protokoll der Besprechung in: BArch B136, 4179, Nr. 102f, S. 3. Die Absicht, ein einheitliches Hochschulwesen in den Ländern zu etablieren, verkündete Kiesinger auch öffentlich im Vorwort zum Jahresbericht der Bundesregierung 1968. Vgl. Kiesinger, K.G., Jahresbericht, 1979, S. 283f. Eine Ratifizierung für das Land Bremen war von vornherein nicht vorgesehen. Zudem war für die Länder Berlin, Rheinland-Pfalz sowie das Saarland nicht mit einer Ratifizierung zu rechnen. Vgl. Protokoll der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder am 29.05.1969, in: BArch B136, 4179, Nr. 275f, S. 3. Vgl. ebd. Bis 1972 hatten fast alle Länder Hochschulgesetze verabschiedet. In Niedersachsen existierte ein Vorschaltgesetz, und in Bayern gab es einen Vorentwurf für ein Hochschulgesetz. Eine
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schen Vorstellungen ihrer Regierung entsprachen, ohne die eventuellen Einschränkungen durch ein zu erwartendes Hochschulrahmengesetz abzuwarten.278 Dies lag zum einen an dem nach wie vor bestehenden äußeren Druck, zu schnellen Änderungen im bestehenden Hochschulsystem zu kommen, und zum anderen an dem Umstand, dass mit einer zeitnahen Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes nicht zu rechnen war.279 Die ansonsten gerade im Bildungswesen „recht effektive Selbstkoordinierung der Länder in Ministerpräsidenten- und Kultusministerkonferenzen versagte vor dieser großen Aufgabe“.280 Die Länder orientierten sich bei ihrer Gesetzgebung allgemein am jeweiligen Stand der Beratungen zum Hochschulrahmengesetz im Bundestag. Gerade in den hochpolitischen Sachbereichen dieses Gesetzes versuchten die Landesregierungen aber ihre eigenen hochschulpolitischen Vorstellungen ohne Rücksicht auf eventuelle Kompromisse im Hochschulrahmengesetz umzusetzen.281 „Das Landesrecht floß [somit; T.H.] auseinander, die Hochschulen wurden von Land zu Land unterschiedlicher.“282 2.4 Zusammenfassung Die Grundgesetzänderung zur Schaffung einer Hochschulrahmengesetzgebungskompetenz beim Bund sowie zur Hochschulrahmengesetzgebung fand in einer sowohl politisch als auch gesellschaftlich äußerst bewegten Zeit statt. In der großen Koalition verfügte die Bundesregierung über den theoretischen Rückhalt aller Landesregierungen im Bundesrat. Da aber in einigen Ländern auch Regierungskoalitionen mit der FDP bestanden, war eine für Grundgesetzänderungen erforderliche zwei Drittel Mehrheit nicht selbstverständlich. Zudem waren für die Länder auch andere Kriterien für ihre Stimmabgabe entscheidend, wie insbesondere ihre finanzielle Situation. Die Verteilung der finanzarmen und
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Aufzählung der Landesgesetze und Entwürfe m.w.N. (Stand Mai 1972) ist abgedruckt in Boppel, W.; Kollenberg, U., Hochschulgesetze, 1972, S. 665. Vgl. Lachmann, G., Hochschulgesetzgebung, 1970, S. 3. Vgl. Rieger, W., St. Nimmerleinstag, 1971, S. 738. Thieme, W., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 194. Vgl. Boppel, W.; Kollenberg, U., Hochschulgesetze, 1972, S. 665. Dies traf insbesondere auf die Sachgebiete Mitwirkungsrechte des Staates am Hochschulwesen (generelle Einführung einer Fachaufsicht), Mitbestimmung und Paritätenregelung in Hochschulgremien zu. So hätten bei einer stärkeren Berücksichtigung der Vorstellungen der Union vor allem die A-Länder ihre Hochschulgesetze anpassen müssen. Thieme, W., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 194.
finanzstarken Länder deckte sich nicht mit der jeweiligen parteipolitischen Situation. Mit dem Wechsel der großen zur sozialliberalen Koalition im Herbst 1969 änderte sich die politische Ausgangslage dann grundlegend. Erstmals führte die SPD eine Bundesregierung an, und zum ersten Mal musste die Union im Bundestag die Oppositionsrolle einnehmen. Neben einer nun wieder sehr starken Opposition sah sich die Bundestagsmehrheit auch mit einer Bundesratsmehrheit von durch die Union geführten Bundesländern konfrontiert. Diese hatte zudem noch angedroht, ihre Mehrheit auch zur Opposition im Bundestag nutzen zu wollen. Die Bundesregierung konnte den Auseinandersetzungen mit der Union trotz dieser mehr als ungünstigen Bedingungen zunächst dennoch entspannt entgegensehen, denn die meisten der unionsgeführten Länder hatten eine Regierungskoalition unter Beteiligung der FDP, die auch der Bundesregierung angehörte. Die Stimmen der Länder waren deshalb im Zweifel für die Union nicht sicher. Mit den folgenden Landtagswahlen änderte sich diese Lage aber deutlich zu Gunsten der Union. Ab Mai 1972 verfügte sie schließlich über eine ungetrübte Mehrheit der Bundesratsstimmen und besaß so die Macht, Gesetze des Bundestages zu blockieren. Die Forschung hat gezeigt, dass die These von einem als Blockadeinstrument missbrauchten Bundesrat zwar zutreffend ist, diese Blockaden in der Regel aber nur eine verändernde Zielsetzung hatten und selten ein Gesetzentwurf völlig abgelehnt wurde. Die Zahl der endgültig blockierten Gesetze war in Relation zur Gesamtzahl gering, allerdings waren es insbesondere hochpolitische Sachverhalte die entweder spätestens im Vermittlungsausschuss entscheidend verändert oder letztlich im Bundesrat abgelehnt wurden. Bewegend war die damalige Zeit aber vor allem auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Die 68er-Studenten forderten gesellschaftliche Veränderungen und wollten diese insbesondere an den Hochschulen durchsetzen. Das Mehr an Mitbestimmung, das den Kern der Forderungen bildete und das die Studierenden an einigen Hochschulen auch mit psychischer und physischer Gewalt gegen unliebsame Professoren oder Einrichtungen der Hochschulen selbst durchzusetzen versuchten, forderte die Politik heraus. Während die Regierung der großen Koalition zusammen mit den Ländern ein hartes Vorgehen zur Beendigung der Zustände an den Hochschulen beschlossen hatte und die Union diese Haltung auch in den nachfolgenden Wahlperioden beibehielt, ging die sozialliberale Koalition auf die Studenten ein und versprach ein Mehr an Demokratie. Zu den gesellschaftlichen Turbulenzen kamen so noch grundlegend unterschiedliche politische Zielsetzungen von Regierung und Opposition, die über die unterschiedli-
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chen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat auch zu unterschiedlichen Interessen im Bund und in der Mehrheit der Länder führten. Zudem fielen die beiden untersuchten Gesetze in eine Zeit, in der auch bildungspolitisch Vieles in die Diskussion geriet. Schon seit Beginn der 1960er Jahre hatte es deutliche Kritik am deutschen Bildungswesen und insbesondere auch am Bildungsföderalismus gegeben. In der Öffentlichkeit entwickelte sich zunehmend der Eindruck eines Schulchaos, welches wegen der unterschiedlichen Reaktionen der Länder auf die steigenden Kapazitätsengpässe auch für die Hochschulen befürchtet wurde. Diese Befürchtungen wurden durch unterschiedliche Landeshochschulgesetze gesteigert, die zunehmend ohne Rücksicht auf die zu erwartenden vereinheitlichenden Regelungen eines Hochschulrahmengesetzes verabschiedet wurden. Die Themen Bildung und Hochschulwesen waren also in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion, als die Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen und das Hochschulrahmengesetz verabschiedet wurden.
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3 Das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes von 1969 bezüglich der Kompetenzen im Bildungs- und Hochschulbereich
3.1 Überblick über das Gesetzgebungsverfahren Am Vorabend der ersten sozialliberalen Koalition auf Bundesebene, am 14. Mai 1969, wurde das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes verkündet. Inhalt war unter anderem eine Erweiterung des Artikels 75, durch die dem Bund die Rahmenkompetenz über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens zugesprochen wurde.283 Das Änderungsgesetz war Bestandteil der so genannten großen Finanzreform der großen Koalition. Die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen im Hochschulbereich war in dieser Reform ursprünglich ebenso wenig vorgesehen gewesen wie eine neue Bundeszuständigkeit für die Bildungsplanung. Erst im späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurden sie thematisiert und mit der Finanzreform verbunden. 3.1.1 Die große Finanzreform als Rahmen für Kompetenzverlagerungen Ziel der Finanzreform war eine Neuverteilung der Finanzmittel, Aufgaben und Kompetenzen zwischen Bund und Ländern, durch die eine Gesundung der Staatsfinanzen herbeigeführt werden sollte.284 Bereits 1963 war die Notwendigkeit einer Reform der damals geltenden Finanzverfassung durch Bund und Länder übereinstimmend festgestellt worden. Der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard verständigte sich im März 1964 mit den Ministerpräsidenten der Länder über die Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission, die den Auftrag erhielt, ein Gutachten über eine mögliche Reform des Finanzsystems zu 283 284
S. BGBl I, 1969, S. 363. Vgl. BK Kiesinger, BT-PlPr. 5/80 v. 13.12.1966, S. 3660. Die SPD hatte eine Finanzreform darüber hinaus zu einer Bedingung für den Eintritt in die große Koalition gemacht. Vgl. Görgens, H., Finanzreform, 1970, S. 70.
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erstellen.285 Die nach ihrem Vorsitzenden, dem damaligen Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank,286 benannte Troeger-Kommission legte im Februar 1966 ein Gutachten vor, das im Kern versuchte, das Problem der Verteilung der Finanzmittel von der Aufgabenzuweisung her anzugehen Der Finanzbedarf sollte durch die Ausgaben bestimmt werden, die die jeweils bei Bund und Ländern liegenden Aufgaben erforderten. Der erkannte Finanzbedarf sollte dann die Verteilung der Steuereinnahmen nach sich ziehen.287 Zusätzlich sollte die seit längerem praktizierte Zusammenarbeit und gemeinsame Finanzierung staatlicher Aufgaben zwischen Bund und Ländern legalisiert werden, wie sie zum Beispiel im Rahmen des Wissenschafts- oder des Deutschen Bildungsrates initiiert worden war.288 Da „eine trennscharfe Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Bund und Ländern (…) in dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben (…) mit seinen vielfältigen und sich vermehrenden überregionalen Verflechtungen nicht mehr auf allen Gebieten möglich [war; T.H.] (…) mußte diese Finanzreform eine verfassungsrechtliche Regelung für die gemeinschaftliche Erfüllung besonders gewichtiger Aufgaben durch Bund und Länder schaffen“.289 Der nachhaltigste und umstrittenste Vorschlag der Kommission war die aus diesem Grund angeregte Einführung so genannter Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern.290 Die Veröffentlichung des Troeger-Gutachtens löste eine breit angelegte Diskussion über die Finanz- und die föderale Ordnung zwischen Bund und Ländern aus.291 Bundeskanzler Kiesinger legte schließlich das Entwicklungsziel 285 286 287
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Vgl. Grommes, K.-P., Finanzreform, 1969, S. 1200. Heinrich Troeger. Vgl. Henle, W., Finanzreform, 1968, S. 400. Vgl. auch Strauß, F.J., Finanzverfassung, 1969, S. 71. Vgl. Troeger, H., Finanzreform, 1966, S. 536f. Strauß, F.J., Finanzverfassung, 1969, S. 71. Vgl. Troeger, H., Finanzreform, 1966, S. 537. Vgl. Bracher, K.D.; Jäger, W.; Link, W., Republik, 1986, S. 129f.; vgl. Görgens, H., Finanzreform, 1970, S. 71. Henle bezeichnet die Gemeinschaftsaufgaben als „heißestes Eisen der Reform“. Henle, W., Finanzreform, 1968, S. 400. Die Troeger-Kommission hatte noch vorgeschlagen, keine enumerative Aufzählung einzelner Gemeinschaftsaufgaben im Grundgesetz vorzusehen, sondern eine Generalklausel einzufügen, die es Bund und Ländern ermöglicht hätte, per Bundesgesetz die Bereiche festzulegen, in denen Bund und Länder gemeinsam wirken sollten. Aus Gründen der Durchsetzbarkeit dieser Bestimmung im Bundesrat und der Tatsache, dass dann lediglich der einfache Gesetzgeber über die Kompetenzordnung im Bundesstaat bestimmt hätte, wurde dieser Vorschlag von der Bundesregierung aber nicht übernommen. Stattdessen wurden die vorgesehenen Kompetenzen in der Regierungsvorlage zur Finanzreform einzelnen aufgezählt. Vgl. Strauß, F.J., Finanzverfassung, 1969, S. 74. Vgl. Müller, R., Entstehungsgeschichte, 1982, S. 168.
fest, indem er betonte, es werde nötig sein, „durch einen kooperativen Föderalismus eine gerechte und fruchtbare Ordnung in den Bereichen des Bundes, der Länder und Gemeinden herbeizuführen“,292 womit er sich ausdrücklich hinter die Empfehlungen der Troeger-Kommission stellte. Das Troeger-Gutachten teilte damit nicht das Schicksal anderer Sachverständigengutachten, zu den Akten gelegt und nicht beachtet zu werden, sondern wurde im Gegenteil zu einer viel zitierten Grundlage für die folgenden Beratungen zur Finanzreform und Änderung der föderalen Ordnung.293 Die Länder verbanden mit der Finanzreform vor allem den Wunsch, „eine verfassungsrechtlich einwandfreie und klare Aufteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern herzustellen, die die Verantwortung der Aufgabenträger gegeneinander abgrenzt, Überschneidungen vermeidet und einen wirtschaftlichen Einsatz der öffentlichen Mittel gewährleistet“.294 Das neu zu schaffende Institut der Gemeinschaftsaufgaben stand dieser Forderung allerdings vollkommen entgegen und sollte unter dem Schlagwort eines kooperativen Föderalismus stattdessen eine Vermischung von Kompetenzen und Aufgaben der verschiedenen Ebenen herbeiführen. Die Notwendigkeit, das praktizierte Zusammenwirken auf eine verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen, wurde indes aber auch von den Ländern nicht verneint.295 Basierend auf den Vorschlägen der TroegerKommission legte die Bundesregierung einen Regierungsentwurf für eine Finanzreform vor und initiierte mit dessen Übersendung an den Bundesrat das Gesetzgebungsverfahren formal. 3.1.2 Der Gesetzgebungsgang zum Hochschul- und Bildungswesen Vorschläge für eine Kompetenzverlagerung im Bereich des Hochschul- und Bildungswesens wurden erst durch einen Antrag der FDP-Bundestagsfraktion im November 1967 in die Diskussion eingebracht. Dieser sah vor, in die konkurrierende Gesetzgebung des Artikels 74 des Grundgesetzes die Forschungsor292 293 294
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BK Kiesinger, BT-PlPr. 5/80 v. 13.12.1966, S. 3660. Vgl. Gross, R., Finanzreform, 1967, S. 599. Senator Heinsen (Hamburg) in der 322. Sitzung des Bundesrates am 05.04.1968, BR-StBer. S. 46. Vgl. Kölble, J., Finanzreform, 1967, S.2. So sollte der Bund beispielsweise Kompetenzen auf den Gebieten Hochschulbau und Forschungsförderung erhalten, da eine alleinige Finanzierung durch die Länder der Bedeutung dieser Bereiche nicht mehr gerecht geworden wäre und teilweise auch schon längst in der Realität so gehandelt wurde. Vgl. Schmoekel, R.; Kaiser, B., Regierung, 1991, S. 278.
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ganisation und das Hochschulwesen aufzunehmen, außerdem unter die Bundeskompetenzen zur Rahmengesetzgebung des Artikels 75 Grundgesetz die Bildungsplanung.296 Grundsätzlich hatte es zuvor in allen Fraktionen des Bundestages Stimmen für einen stärkeren Einfluss des Bundes im Bereich des Hochschulwesens gegeben, wobei der Antrag der Liberalen in seinen Reformintentionen aber am weitesten führte. Er wurde, zunächst noch ohne formale Zugehörigkeit zum Reformwerk der Finanzverfassung, im Bundestag federführend an den Rechtsausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik überwiesen.297 Im Wissenschaftsausschuss wurde auf Vorschlag der SPD und CDU/CSU der Beschluss gefasst, auf eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 74 Grundgesetz zu verzichten.298 Als Ergebnis der Beratungen wurde dem federführenden Rechtsausschuss empfohlen, stattdessen die allgemeinen Rechtsverhältnisse auf dem Gebiet des Hochschulwesens in die Rahmenreglungen des Artikels 75 Grundgesetz aufzunehmen.299 Im Rechtsausschuss stimmten sowohl Vertreter der CDU/CSU als auch der SPD den Vorschlägen zu. Versuche der FDP-Vertreter, doch noch eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zu verwirklichen, scheiterten indes.300 Der Rechtsausschuss beschloss, in Artikel 75 Grundgesetz den Wortlaut „Die Bildungsplanung und das Hochschulwesen“ als neue Nummer 1a aufzunehmen.301 Man glaubte, eine Rahmenkompetenz des Bundes reiche aus, „um für die Zukunft die Einheitlichkeit unseres Hochschulwesens insoweit zu gewährleisten, als dies im Interesse der Allgemeinheit erforderlich ist“.302 Zudem wurden die vorgesehene Kompetenzverlagerung wie auch anstehende Änderungen des Grundgesetzes aus anderen Bereichen mit der Finanzreform verknüpft. Im Plenum des Bundestages wurde die Fassung des Rechtsausschusses nach längerer Debatte schließlich in zweiter und dritter Lesung angenommen und als Bestandteil der Finanzreform an den Bundesrat weitergeleitet.303 Dieser musste auf Grund der Bündelung der Grundgesetzänderungen über die Finanzreform zusammen mit allen anhängenden zusätzlichen Gesetzen ent296 297 298 299 300
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Vgl. den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion v. 15.11.1967, BT-Drs. V/2280. Vgl. BT-PlPr. 5/152 v. 07.02.1968, S. 7840. Vgl. die 65. Sitzung des BT-WA v. 30.10.1968, KPr. S. 6f; in: PA-DBT, V-324, A-47. Vgl. BT-RA-Drs. V/128 v. 30.10.1968; in: PA-DBT, V-324, A-48. Vgl. die 99. Sitzung des BT-RA v. 14.11.1968, KPr. S. 4f; in: PA-DBT, V-324, A-103. Auch ein zusätzlicher im Bundestag eingebrachter Änderungsantrag der FDP-Bundestagsfraktion führte nicht zum Erfolg. Vgl. BT-Umdruck 547 v. 10.12.1968; in: PA-DBT, V-324, A-110. Vgl. die 99. Sitzung des BT-RA v. 14.11.1968, KPr. S. 9f; in: PA-DBT, V-324, A-103 . Berichte der Abg. Bayerl und Arndt v. 06.12.1968, S. 4, zu BT-Drs. V/3605. Vgl. BT-PlPr. 5/204 v. 11.12.1968, S. 11050 u. 11075.
scheiden und hatte in Vorbereitung seiner Beratungen einen Sonderausschuss einberufen, der dem Bundesrat schließlich die Einberufung des Vermittlungsausschusses empfahl. Auf seiner Sitzung beschloss der Bundesrat entsprechend den Vorschlägen des Sonderausschusses. Zur Frage der Bildungs- und Hochschulgesetzgebung hatte der Sonderausschuss die Ansicht vertreten, vor allem durch die koordinierende Tätigkeit der Ministerpräsidenten- und der Kultusministerkonferenz sei ein derart hohes Maß an Übereinstimmung für die landesrechtlichen Regelungen erzielt worden, „wie es für die notwendige und wünschenswerte Einheitlichkeit erforderlich war“.304 Ein Erfordernis für Gesetzgebungskompetenzen des Bundes wurde also verneint. Der auf Beschluss des Bundesrates einberufene Vermittlungsausschuss verständigte sich darauf, das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes in drei Gesetze aufzuteilen, wobei die Hochschulkompetenz zusammen mit anderen finanzreformfremden Änderungen behandelt werden sollte. Zudem beschloss der Vermittlungsausschuss, dem Bund nicht die Rahmengesetzgebungskompetenz für die Bildungsplanung und das Hochschulwesen zu übertragen. Lediglich für die „allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ sollte diese erteilt und als neue Nummer 1a in den ersten Absatz des Artikels 75 Grundgesetz aufgenommen werden.305 Die vom Bundestag beschlossene Rahmengesetzgebungskompetenz für die Bildungsplanung sollte nach den Vorstellungen des Vermittlungsausschusses nunmehr durch eine Erweiterung des Artikels 91b des Grundgesetzes geregelt werden, welche zusammen mit den Gemeinschaftsaufgaben in einem anderen Teilgesetz beschlossen werden sollte. Der Vermittlungsvorschlag lautete: „Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen in der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken“.306 Diese Variante war vor allem deshalb gewählt worden, weil Bildungsplanung nach Ansicht der Länder zweckmäßiger durch Regierungsvereinbarungen als durch Gesetze zu bewerkstellen sei.307 Aus mit der Finanzreform zusammenhängenden politischen Gründen wurde der Vorschlag zunächst im Bundestag nicht angenommen und musste erneut im Vermittlungsausschuss beraten werden. Schließlich konnte nach erfolgter Zustimmung des Bundestages auch der Bundesrat über das Gesetz abstimmen. 304 305 306
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Staatsminister Heubl (Bayern) am 07.02.1969 im Bundesrat. BR-StBer. der 334. Sitzung, S. 4. Vgl. den mündlichen Bericht des VA v. 26.02.1969, BT-Drs. V/3896, S. 1 und 12f. Der Vorschlag geht auf MP Zinn (Hessen) zurück. VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 3.6.1969 über die Sitzung v. 24.2.1969, S. 69. Vgl. den Bericht Senator Heinsens (Hamburg) im Bundesrat am 09.05.1969, BR-StBer. der 338. Sitzung, S. 109.
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Dort stimmten die Länder dem Gesetzesentwurf einstimmig zu und setzten damit den Schlussstrich unter das Gesetzgebungsverfahren.308 Das Gesetz wurde unter dem Titel „Zweiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ am 14. Mai 1969 im Bundesgesetzblatt verkündet.309 Für die Bildungsplanung wurde ebenfalls der Vorschlag des Vermittlungsausschusses angenommen, diese Kompetenz in Artikel 91b des Grundgesetzes festzuschreiben.310 3.2 Handlungsstrategien und Koordinierung der beteiligten Akteure Im Folgenden sollen, aufbauend auf der Darstellung des Gesetzgebungsprozesses, die internen Handlungsstrategien und Koordinierungen der jeweiligen politischen Akteure eingehender dargestellt werden. Hierzu werden die grundsätzlichen Handlungsmuster anhand von beispielhaften Abschnitten aus dem Gesetzgebungsprozess analysiert und bewertet. Der Rahmen des Gesetzgebungsprozesses wird hierbei weit gefasst, da die verabschiedete Kompetenzverlagerung letztlich auch das Ergebnis einer Reihe von Absprachen und Verhandlungen war, die mit dem Gesetzgebungsvorhaben nicht direkt in Zusammenhang standen. Zunächst werden die Vorbereitungen der initiierenden FDP für die Gesetzgebung dargestellt, um die Entwicklung der Gesetzgebungsmaterie zu verstehen und die hierfür ausschlaggebenden Kräfte kennen zu lernen. Im nächsten Schritt wird der Umgang der Bundesregierung mit dem Vorschlag einer Kompetenzverlagerung dargestellt. Zusätzlich sollen interne Kontakte und Verhandlungen der Akteure aufgezeigt werden. Am Beispiel der gemeinsamen Reaktion von Bund und Ländern auf die als Bedrohung aufgefassten Studentenproteste werden zudem die relevanten Krisengespräche zwischen den beteiligten Regierungen beleuchtet sowie deren Handlungsabsichten , die als rein exekutives Handeln mit dem Gesetzgebungsprozess formal nicht in Verbindung standen. Sie verdeutlichen aber, welche Lösungsansätze für das Problem an den Hochschulen zunächst angedacht waren. Zusätzlich soll anhand des Länderstaatsvertrages über eine gemeinsame Koordinierung des Hochschulwesens und eines Ordnungsrechts das erfolglose Ringen der Länder untereinander um eine eigene Lösung der Hochschulprob308 309 310
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Vgl. BR-StBer. der 338. Sitzung v. 09.05.1969, S. 115. BGBl I, 1969, S. 363. 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 12.5.1969, BGBl 1, 1969, S. 359.
lemantik aufgezeigt werden. Hätten die Länder hier eine Einigung zustande gebracht, wäre die Gesetzgebung über die Schaffung der Hochschulrahmenkompetenz beim Bund vermutlich nicht zustande gekommen. 3.2.1 Die FDP als Protagonist einer zentralen Hochschulpolitik des Bundes Die FDP vertrat als Partei bereits seit Ihrer Gründung zentralistisch orientierte Ziele,311 so dass ihr Streben nach verstärkten Einflussmöglichkeiten des Bundes im Bereich der Bildungs- und Hochschulpolitik nicht verwundert. Seit Mitte der 1960er Jahre nahmen die Forderungen innerhalb der Partei zu, zu diesem Zweck eine Verfassungsänderung anzustreben. Dieses Bestreben erhielt durch die Unterstützung von FDP-Spitzenpolitkern zusätzlichen Auftrieb.312 Auf dem XVIII. Bundesparteitag der FDP im April 1967 wurden schließlich die Fraktionen der Partei im Bund und den Ländern formell aufgefordert, parlamentarische Initiativen zur Erweiterung der Bundeskompetenzen, vor allem im Bereich der Bildungsplanung, zu ergreifen.313 Bei der konkreten Umsetzung dieses Beschlusses kam der FDP aber ein ähnlich geartetes Vorhaben der Fraktionen CDU/CSU und SPD im Bundestag vom Oktober 1967 zuvor. Die Regierungsparteien wollten gemeinsam mit der FDP-Opposition eine Entschließung verabschieden, die eine deutlichere Einflussmöglichkeit des Bundes im Bildungs- und Hochschulbereich vorsah.314 „Da die Gestaltung des deutschen Bildungswesens die Gesamtheit unserer Mitbürger betrifft, über alle Ländergrenzen hinweg, fühlt der Bundestag die Verpflichtung, für diese Gesamtheit eine Meinung zur Bildungspolitik zu bilden und auszusprechen. Er begrüßt es, wenn sich die Mitglieder des Bundesrates an der meinungsbildenden Aussprache im Bundestag beteiligen. Er hat nicht die Absicht, Zuständigkeiten für sich in Anspruch zu nehmen, die nach unserer Verfassung
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„Seit bestehen der Bundesrepublik sind die Freien Demokraten für eine größere Vereinheitlichung des Bildungswesens eingetreten.“ O.V., Bildungsplanung, 1967, S. 2. Vgl. auch Laufer, H.; Münch, U., System, 1997, S. 59. Vgl. hierzu u.a. Hamm-Brücher, H., Tauwetter, S. 2-5; vgl. o.V., Bildungsplanung, 1967, S. 24; vgl. Willner, H., Flurbereinigung, 1967, S. 4f. Vgl. o.V., Aktionsprogramm, 1967, These 22, S.6. Vgl. den Entwurf für einen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP; in: AdL, A7-108, Nr. 19-22.
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anderen Organen zustehen“,315 heißt es im Entwurf, der der FDP mit der Bitte, sich dem Antrag anzuschließen, übergeben wurde.316 Die FDP, die grundsätzlich ein deutlicheres Vorgehen in dieser Hinsicht begrüßte, lehnte den Vorschlag aber dennoch ab. Intern wurde insbesondere die Zurückhaltung von Union und SPD kritisiert, die ausdrücklich auf Kompetenzübertragungen verzichten wollten.317 Diese Situation, in der die Regierungsmehrheit offensichtlich gewillt war, das Thema Bildungs- und Hochschulgesetzgebung auf die Tagesordnung im Bundestag zu setzen, dies andererseits aber nicht in einer Weise tat, dem die FDP zustimmen konnte, setzte diese in Zugzwang, den Beschlüssen aus ihrem Aktionsprogramm nun auf Bundesebene Rechnung zu tragen. Da die Liberalen die Rolle des Forderers stärkerer Bundeskompetenzen bisher für sich reklamiert hatten, hätte ein vom politischen Gegner eingebrachter ähnlicher Antrag das politische Profil der FDP schwächen können. Dementsprechend war es nur konsequent, dass die FDP-Fraktionsführung einen eigenen Antrag anregte, der die akzeptablen Punkte des interfraktionellen Entwurfs aufnehmen, „aber vorab unsere Prinzipien der Bildungspolitik und unsere Vorstellungen zur Verfassungsänderung in diesem Bereich“ deutlich machen sollte.318 Ein solcher Antrag wäre aufgrund der Oppositionsrolle der Liberalen aber ein rein politisches Zeichen ohne Aussicht auf Erfolg gewesen, weshalb prinzipiell auch eine spätere Zustimmung zum Antrag der Regierungsfraktionen angedacht war.319 War im interfraktionellen Entwurf davon die Rede, der Bundestag sollte seine Meinung zur Bildungspolitik lediglich äußern, so „fühlt“ er sich nach Auffassung der FDP „zur Mitwirkung in der Bildungspolitik verpflichtet“. „Der Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf, Vorschläge zur Schaffung der verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine, gesamtstaatlichen Erfordernissen entsprechende, Bildungsplanung vorzulegen.“320 Im Bereich der Hochschulgesetzgebung traten die zentralistischen Vorstellungen der FDP noch deutlicher zutage. Hielten die Fraktionen von Union und SPD eine Verständigung zwi315
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AdL, A7-108, Nr.19-22, S. 1. Andere Unterpunkte des Antrags beinhalteten Vorschläge an die Länder, wie diese ihre Bildungskompetenz ausfüllen sollten (z.B. Abitur nach 12 Jahren Schule). Vgl. ebd. S. 1-4. Vgl. ebd., S. 4. Vgl. den Vermerk des Referats Bildungspolitik der BT-Fraktion der FDP v. 26.10.1967; in: AdL, A7-108, Nr. 15-18, S. 1. Ebd. Im Original mit Hervorhebungen. Vgl. ebd. Ebd., S. 2.
schen den Ländern über Mindestanforderungen an den Hochschulen lediglich für wünschenswert,321 wurden diese durch die FDP-Fraktion als notwendig erachtet. Ausdrücklich forderte der Entwurf der Liberalen eine „dringend notwendige Kompetenzbereinigung“, wohingegen bestehende und geplante Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern nur als befristete Übergangshilfen angesehen wurden.322 Der interfraktionelle Antrag kam schließlich nicht zustande, da eine Einigung zwischen SPD und Union nicht möglich war.323 Grundsätzlich werteten die Liberalen die Situation aber als äußerst günstig für die Umsetzung ihres Parteitagsbeschlusses, da mit Unterstützung zumindest von Teilen der anderen Parteien zu rechnen war.324 Dies führte im November 1967 schließlich zu einem Antrag der FDP-Bundestagsfraktion auf Änderung des Grundgesetzes, der vorsah, die Forschungsorganisation und das Hochschulwesen in die konkurrierende Gesetzgebung aufzunehmen. Durch die Rahmengesetzgebung sollte zudem die Bildungsplanung geregelt werden.325 Aus Sicht der Liberalen sollten so schwere Defizite des deutschen Föderalismus korrigiert werden, in dem das rückständigste Bundesland das Tempo aller anderen Länder bestimmte und eine weitgreifende und umfassende Bildungspolitik verhindert wurde.326 Kritisiert wurde vor allem das vorgebliche 321
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Vgl. den Entwurf für einen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP; in: AdL, A7-108, Nr. 19-22, S. 2 Vgl. den Vermerk des Referats Bildungspolitik der BT-Fraktion der FDP v. 26.10.1967; in: AdL, A7-108, Nr. 15-18, S. 3. Vgl. das Protokoll der Sitzung des Fraktionsvorstandes der SPD-Bundestagsfraktion v. 16.11.1967. Auch ein eigener Entwurf der SPD, der aber ebenfalls weit hinter den Forderungen der FDP zurückblieb, wurde nicht im Bundestag eingebracht Der Entwurf des Entschließungsantrags ist dem Protokoll als Anlage beigefügt; in: AdsD, 5. WP, 210. So erklärte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Mischnick, zur Begründung des Antrags, er gehe davon aus, dass die Vorschläge des Antrags manchem im Bundestag nicht weit genug gingen. Diese stellten jedoch eine Basis dar, auf die man sich einigen könne. Vgl. BT-PlPr. 5/152 v. 7.2.1968, S. 7839. Bezüglich des Verhaltens des Bundesrates erwartete er, dass es „möglich sein wird, die Herren Ministerpräsidenten, die alle der gleichen Koalition angehören wie die Bundesregierung, davon zu überzeugen, dass hier ein gemeinsames Handeln im Sinne dieses Antrags, also die Zustimmung des Bundesrates, möglich und nötig ist.“ Ebd., S. 7840. Vgl. den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion vom 15.11.1967, BT-Drs. V/2280. Vgl. Moersch, K., Bildungsplanung, 1967, S. 2. Später nannte Karl Moersch noch weitere Gründe für den Antrag seiner Partei: Nach einer Bildungsreise in die USA 1965, während der er unter anderem auch US-amerikanische Bildungseinrichtungen wie die Universitäten Stanford und Berkley besucht hatte, hätte er der Fraktion empfohlen, ein Wettbewerbssystem zwischen staatlichen und privatrechtlichen Hochschulen zu fordern. Dies hätte aber eine Änderung des Stiftungsrechts erforderlich gemacht. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen und die Forschungsorganisation sollte die Gründung privater Stif-
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Unvermögen der Länder, ihren bildungspolitischen Auftrag erfüllen zu können, da diese sich aus finanziellen Gründen nicht mehr das dringend Notwendige leisten könnten.327 Da dieser allen Parteien bekannte Missstand nicht zu Konsequenzen führte,328 wollte die FDP diesen „mißverstandenen Föderalismus“329 korrigieren. Die Selbstsicherheit der FDP, ihr Antrag würde letztlich erfolgreich sein, war nicht nur vorgegeben. Noch vor Abschluss der Beratungen im Bundestag wurde im November 1968 FDP-intern im Bundeshauptausschuss der Partei über den Entwurf für ein Hochschulgesetz beraten, welches das Hochschulwesen umfassend regeln und den Ländern ihre Kompetenzen weitgehend nehmen sollte.330 Zudem begann die FDP die Studentenunruhen insofern zu nutzen, als sie versuchte, im Spektrum der demonstrierenden Studenten Zuspruch für ihre Politik zu gewinnen. In einer Stellungnahme zu einer Demonstration gegen den Bildungsnotstand im Juli 1968 legte sie ihre Forderung nach einem vereinheitlichten Schulwesen in allen Bundesländern dar. Sie führte aus, es komme ihr hierbei vor allem auf die Verwirklichung der Gleichheit der Bildungschancen an,331 was neben anderem auch eine wesentliche Forderung der Studenten war. Bei ihren Bemühungen, eine Neuordnung des Hochschul- und Bildungswesens herbeizuführen, war die FDP auf allen Ebenen aktiv. Die Bundestagsfraktion stand in engem Kontakt zu den FDP-Mitgliedern in den Landesregierungen und Landtagen, woher sie auch Informationen über die dort vorherrschende Stimmungslage bezog. Nachdem der Bundestagswissenschaftsausschuss die Forderung der Rahmen- statt der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen beschlossen hatte, ergab beispielsweise eine informelle Umfrage unter den Ländern, dass dieser sechs Länder zuzustimmen gedachten, während aber nur zwei von ihnen einer Rahmengesetzgebung für die Bildungsplanung ihre Stimme geben wollten.332 Man ging in der FDP-
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tungs-Universitäten ermöglichen. Vgl. Schreiben Moersch, Karl an den Verfasser v. 21.06.2007. Vgl. Willner, H., Flurbereinigung, 1967, S. 4. Vgl. o.V., Bildungsplanung, 1967, S. 2. Moersch, K., Bildungsplanung, 1967, S. 2. Vgl. das Wortprotokoll des FDP-Bundeshauptausschusses v. 30.11.1968; in: AdL, A12-71. Ein Exemplar des Hochschulgesetzes ist archiviert in AdL, 1584. Vgl. den Entwurf einer Stellungnahme der FDP zur Studentendemonstration am 1.7.1968 gegen den Bildungsnotstand von 1968, in: AdL, 1584. Zur Hochschulgesetzgebung wollten Bremen, Hamburg, Hessen, NRW, das Saarland und SH mit ja stimmen; zur Bildungsplanung gaben nur Hamburg und NRW an, mit ja stimmen zu wollen. Bremen, Hessen, das Saarland und SH wollten hingegen mit nein stimmen. RP hatte in beiden Fällen noch keine Kabinettsentscheidung getroffen. Vgl. das Ergebnisprotokoll der Sit-
Bundestagsfraktion deshalb von einer Annahme der Kompetenzverlagerung im Hochschulwesen aus und befasste sich aufgrund dieser Erkenntnis mit der weiteren Erstellung von Ausführungsgesetzen für die erwartete Grundgesetzänderung.333 Auch nach der Grundgesetzänderung und der erfolgten Schaffung einer Rahmengesetzgebungskompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens beim Bund setzte sich die FDP für eine Ausweitung der Bundeskompetenzen ein. Schon im August 1969 kündigte die Partei an, sich neben einer Ausschöpfung der neuen Hochschulkompetenz des Bundes auch für die Schaffung einer Bundeskompetenz für das übrige Bildungswesen einsetzen zu wollen.334 3.2.2 Handlungsziele und Koordinierungen der Bundesregierung Die Bundesregierung, in dieser Angelegenheit hauptsächlich vertreten durch das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, war am Gesetzgebungsverfahren über die Kompetenzen für den Hochschul- und Bildungsbereich formal nicht beteiligt, da dieses erst nachträglich zur Finanzreform aus der Mitte des Bundestages eingebracht wurde.335 Dennoch wurde das Gesetzgebungsbegehren der Liberalen im Ministerium mitverfolgt und bewertet. Die Darstellung der Arbeitsabläufe dort und der Umgang mit den Gesetzgebungsvorhaben soll deshalb Aufschluss über die Interessen der Bundesregierung geben. Dem Gesetzentwurf der FDP wurde durch den Bundesforschungsminister öffentlich eine deutliche Absage erteilt: „Im Hinblick auf die (…) laufenden Verhandlungen zur Finanzreform und die dort bereits erzielten Ergebnisse bei der Abgrenzung umstrittener Zuständigkeiten und der Einigung über den Katalog der Gemeinschaftsaufgaben sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, Art. 74 Ziff. 13 GG im Sinne des von der FDP gestellten Antrages zu ändern.“336
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zung des Bundesfachausschusses für Kultur- und Bildungspolitik am 18.12.1968; in: AdL, A7-49. Neben einem Rahmengesetz für die Gesamthochschule waren ein Überleitungsgesetz für die höheren Fachschulen und ein Hochschulentwicklungsplan vorgesehen. Vgl. AdL, A7-49. Vgl. o.V., Kulturföderalismus, 1969, S. 5. Die Bundesregierung war an den Beratungen zu den Kompetenzen zwar beteiligt, hatte jedoch kein Stimmrecht. Einflussmöglichkeiten auf den weiteren Gesetzgebungsgang hatte die Bundesregierung somit formal nicht. Redeentwurf für BM Stoltenberg, BMwF, zum Antrag der FDP v. 7.2.1968; in: BArch, B138, 57110.
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Intern werteten die Ministerialbeamten den Vorstoß der Liberalen aber keineswegs so negativ, wie die offizielle Haltung ihres Ministers dies hätte vermuten lassen können. Die Vorschläge wurden zumindest auf lange Sicht als wünschenswert bezeichnet, wenngleich davon ausgegangen wurde, sie seien aufgrund des einhelligen Widerstands der Länder erst einmal nicht realisierbar.337 Auf dem Gebiet der Bildungsplanung sprachen die Ministerialbeamten dem Bund schon allein deshalb die größere Kompetenz zu, weil sie glaubten, für eine Bildungsplanung sei die genaue Kenntnis der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Bundesrepublik notwendig, über welche nur der Bund verfüge. Sie hielten deshalb eine Rahmenkompetenz des Bundes für die Bildungsplanung für erforderlich.338 Auf der anderen Seite wurde hingegen konstatiert, durch die geforderten Kompetenzverlagerungen werde eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern als ein wesentliches Anliegen der Finanzreform nicht erreicht. Während dort die Bestrebungen auf eine Koordinierung der Aufgaben von Bund und Ländern abzielten, wurde am FDP-Entwurf die vorgesehene Verlagerung von Kompetenzen auf den Bund bemängelt. Um hier zu einer Lösung zu kommen, hätte zusätzlich zu den Kompetenzen auch die Verwaltungszuständigkeit übertragen werden müssen, urteilten die Ministerialbeamten.339 Die im Bundestag artikulierte Ablehnung der Kompetenzverlagerung hatte somit den primären Grund, die Finanzreform nicht durch eine gegenläufige Gesetzgebung zu gefährden und die Länder durch einen entsprechenden Vorstoß nicht zu einer ablehnenden Haltung in dieser Frage zu bewegen. In der Sache selbst vertrat das Ministerium hingegen ähnliche Ansichten wie die FDP. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass das Bildungswesen in erheblichem Umfang regionale Unterschiede aufweise, die beseitigt werden müssten, damit die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse gewahrt bleibe, wozu auch die Gleichheit der Bildungschancen gezählt wurde.340 An sich glaubte man also auch auf Seiten der Bundesregierung, nur der Bund sei imstande, die drängenden Probleme des Bildungswesens zu lösen, zumindest aber bedürfe es seiner Beteiligung. Diese gespaltene Haltung führte das Ministerium in das Dilemma, zwar eine Chance für einen als positiv und notwendig erachteten Kompetenzwechsel zu haben,
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Vgl. den Sprechzettel des BMwF v. 6.2.1968; in: BArch, B138, 57110. Vgl. die interne Stellungnahme des BMwF vom 6.2.1968; in: BArch, B138, 57110. Vgl. den Sprechzettel des BMwF v. 6.2.1968; in: BArch, B138, 57110. Vgl. die interne Stellungnahme des BMwF vom 6.2.1968; in: BArch, B138, 57110. Darüber hinaus wurde bemängelt, dass die Bildungspläne der einzelnen Länder zu einer weiteren Zersplitterung des Bildungswesens in der BRD führen könnten. Vgl. ebd.
diese jedoch nicht offensiv vertreten zu können, wollte man nicht die Finanzreform gefährden. Aufgrund dessen zeigte man sich im Forschungsministerium bezüglich des weiteren Vorgehens unsicher. In einem Vermerk wurde vorgeschlagen, zunächst einmal abzuwarten. Es sollte sich zeigen, ob eine Ausschöpfung der Bundeskompetenzen, insbesondere mit Blick auf die geplanten Gemeinschaftsaufgaben, nicht ausreiche, um eine geeignete Bundesregelung zu treffen. Ausdrücklich sollte aber die von der FDP-Fraktion vorgeschlagene Verfassungsänderung nicht grundsätzlich als verfrüht abgelehnt werden. Einer Diskussion in der Sachfrage sollte nicht ausgewichen werden.341 Als wichtig wurde insbesondere eine Bundeskompetenz für die Bildungsplanung angesehen, während man glaubte, die erforderliche Vereinheitlichung des Hochschulwesens auch über Staatsverträge der Länder erreichen zu können.342 Da hierzu aber Einstimmigkeit unter den Ländern erzielt werden musste, wertete man auch eine Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen als grundsätzlich positiv. Wenn man dieser auch keine Dringlichkeit beimaß, so glaubte man doch, eine günstige Gelegenheit für deren Etablierung erkannt zu haben. Vor allem wurde auch die Reformbereitschaft der Länder, bei allen inhaltlichen Differenzen, als sehr hoch eingeschätzt. 343 Über den Stand der Gesetzesverhandlungen wurde der politischen Führung des Bundesforschungsministeriums laufend Bericht erstattet. Die Ablehnung der Kompetenzverschiebungen durch den Sonderausschuss des Bundesrates wurde darin nicht grundsätzlich negativ beurteilt. Eine Bewertung hatte besagt, die Länder hätten erklärtermaßen eine extreme Position eingenommen, um im Vermittlungsausschuss noch Kompromisse erzielen zu können.344 Um diese mögliche Einigung zu unterstützen, gab Bundesminister Stoltenberg die Entwicklung 341
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Vgl. den Vermerk des BMwF v. 26.3.1968 über Vorschläge für die Stellungnahme der Vertreter des Ministeriums auf der 59. Sitzung des BT-WA am 28.3.1968; in: BArch, B138, 57110. Zudem hatten prominente Landespolitiker zu erkennen gegeben, ggf. dem Bund zusätzliche Kompetenzen auf dem Gebiet des Hochschulwesens einräumen zu wollen. Vgl. ebd. Wenn die Entwicklung dies nicht erfordere, müsse eine Rahmenkompetenz Hochschulwesen nicht realisiert werden, schrieben die Referenten ihrem Minister deshalb in ihre Stellungnahmen. Vgl. den Vermerk zu Finanzverfassung und Hochschulwesen des BMwF v. 27.1.1969 zur Sitzung des BR-Sonderausschusses am 29./30.1.1969; in: BArch, B138, 57110. Vgl. ebd. Vgl. den Vermerk des BMwF über die Sitzung des BR-Sonderausschusses v. 30.1.1969, in: BArch, B138, 57110. Bezeichnend auch die handschriftlichen Notizen des zuständigen Unterabteilungsleiters: „Die Meinungsverschiedenheiten werden in der heutigen Presse zu stark betont. In Wirklichkeit besteht kein Zweifel, daß man sich im Vermittlungsausschuß einigen kann und will.“ Ebd.
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einschränkender Begriffe für die Formulierung „Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen“ in Auftrag, um den Ländern ihre Zustimmung so möglicherweise zu erleichtern.345 Im Gegensatz zur FDP strebte er eine äußere Neuordnung des Hochschulbereichs an und zeigte kein Interesse an einer Reform der inneren Hochschulstrukturen. Man hoffte, mit dieser einschränkenden Erklärung eine positive Reaktion der Ländern zu erreichen.346 Engen Kontakt hielt das Ministerium zu den Regierungsparteien. So wurde berichtet, bei Gesprächen in SPD-Gremien habe sich ergeben, dass gegen eine Rahmenkompetenz Bildungsplanung nach wie vor Bedenken bestünden. Bezüglich der Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen sei mit einer Zustimmung der SPD-geführten Länder zu rechnen. Aus diesem Grund wurde angeregt, die Bereiche Hochschulwesen und Bildungsplanung zu trennen, um eine separate Abstimmung hierüber zu ermöglichen.347 Zusätzlich zu den Arbeiten im Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung schaltete sich auch das Bundeskanzleramt direkt in die Vermittlungen zwischen Bundestag und Bundesrat ein und erklärte die angestrebten Kompetenzverschiebungen im Bildungs- und Hochschulbereich damit zur Chefsache. Auf einer Besprechung mit den Ministerpräsidenten der Länder im Januar 1969 machte Bundeskanzler Kiesinger deutlich, dass die Öffentlichkeit neben der Beseitigung des zu großen Gefälles zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern durch die Finanzreform vor allem eine zukunftsweisende und den modernen Anforderungen gerecht werdende Reform des Bildungs- und Hochschulwesens erwarte. Dies sei eine Bewährungsprobe für die Effizienz des Bundesstaates.348 Kiesinger kam es dabei vorrangig auf eine Lösung durch eine Selbstkoordinierung der Länder an. Im Gegensatz zum Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung lehnte er eine zentrale Regelung zunächst ab. Als ehemaliger Ministerpräsident kannte er die Sichtweise der Länder und stand einer zu 345
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Vgl. das Protokoll der Hausbesprechung im BMwF v. 4.2.1969; in: BArch, B138, 57110. So wurde z.B. überlegt, den Ländern mit der Formulierung „wissenschaftliche Hochschulen“ oder der Umschreibung „Ausbildung an Hochschulen“ entgegenzukommen. Vgl. ebd. Vgl. die Niederschrift über die Ressortbesprechung im BMwF v. 6.2.1969; in: BArch, B138, 57110. Im BMwF wurde die Analyse der Haltung der einzelnen Länder offenbar nach der Parteizugehörigkeit der einzelnen Landeschefs vorgenommen, obwohl diese bei der Abstimmung im Sonderausschuss nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte. Von den sechs Ländern, die die Kompetenzänderungen ablehnten, waren jeweils drei A- und drei B-Länder. Vgl. den Vermerk des BMwF über die Sitzung des BR-Sonderausschusses v. 30.1.1969; in: BArch, B138, 57110. Vgl. das Protokoll über das Gespräch des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder am 31.1.1969; in: BArch, B136, 4178.
großen Einschränkung des Föderalismus eher kritisch gegenüber. Eines der vordergründigsten Probleme war für ihn aber das Bildungswesen. Während es im 19. Jahrhundert auch kleinen Ländern möglich gewesen sei, Universitäten von Weltrang zu gründen, seien diese dazu nun nicht mehr in der Lage, glaubte er.349 Insgesamt zeigt sich, dass die Bundesregierung im Gesetzgebungsprozess eine aktive Rolle einnahm. Trotz aller anders lautenden offiziellen Bekundungen wurden Kompetenzstärkungen des Bundes von Seiten des Bundesforschungsministeriums begrüßt und intern auch vorbereitet. 3.2.3 Die internen Abstimmungen von Union und SPD Die SPD-Bundestagsfraktion stand einer Kompetenzausweitung des Bundes grundsätzlich kritisch gegenüber, da man die Verabschiedung der Finanzreform nicht gefährden wollte. Doch Teile der Sozialdemokraten befürworteten prinzipiell eine Stärkung des Bundes im Hochschulbereich. Bereits 1958 war die Bundesregierung durch den Bundestag aufgefordert worden, mit den Ländern über eine Verteilung der Kompetenzen im Hochschul- und Bildungsbereich zu verhandeln, was durch die Regierung seinerzeit aber nicht im erhofften Maß umgesetzt worden war.350 Rund zehn Jahre später wurde in der SPD-Fraktion erneut ein Entschließungsantrag beraten, der in seiner ursprünglichen Fassung die Bundesregierung konkret auffordern sollte, „mit den Ländern über eine Kompetenzverteilung zu verhandeln, die zu einer schnellen und umfassenden Hochschulreform führt“.351 Die Verabschiedung dieser Entschließung gelang ihren Befürwortern in der Fraktion nicht. Der Antrag wurde entsprechend den Vorstellungen der Fraktionsmehrheit umfomuliert, in der Folge aber dennoch nicht in den Bundestag eingebracht. Gemäß der bereinigten Form sollte mit den Ländern lediglich noch über eine schnelle und umfassende Hochschulreform verhandelt werden,352 was ein rein politisches, aber vor allem auch wirkungsloses Signal gewesen wäre. Bereits im September 1968 schlug der Arbeitskreis für Inneres der SPDBundestagsfraktion erneut eine Gesetzesinitiative vor, die zu einer Kompetenz-
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Vgl. das Protokoll über das Gespräch des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder am 31.1.1969; in: BArch, B136, 4178. Vgl. Lohmar, U., Kulturpolitik, 1959, S. 1f. Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 7.5.1968, in: AdsD, 5. WP, 93. Vgl. ebd.
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verschiebung auf dem Gebiet des Hochschulwesens führen sollte.353 Der Fraktionsvorstand beschloss jedoch, dort keine Initiativen zu ergreifen.354 Die SPD vertrat in der Frage der Kompetenzverlagerungen also keine einheitliche Meinung. Wenn sie äußerlich auch den Eindruck vermittelte, an der bestehenden Kompetenzordnung nichts ändern zu wollen, so gab es intern doch viele gegenteilige Auffassungen. Diese innere Zerrissenheit der SPD blieb dem in gemeinsamer Koalition stehenden politischen Kontrahenten nicht verborgen. Sogar ein Scheitern der Regierungskoalition wurde durch die Union nicht ausgeschlossen.355 Kennzeichnendes Merkmal der SPD-Fraktion zu jener Zeit war also eine deutliche Uneinheitlichkeit in der Bewertung der Hochschulfrage. Als der Vermittlungsausschuss schließlich seinen Kompromiss vorlegte, stimmte die SPD den Ergebnissen jedoch geschlossen zu.356 Schon während der Arbeit des Vermittlungsausschusses ließ sich die Fraktion stets aktuell über den Stand der Verhandlungen berichten und wertete die Ergebnisse für sich aus.357 Auch die Union, die nach außen hin ebenfalls dem Antrag der FDP mit Ablehnung begegnete, wollte grundsätzlich eine stärkere Verantwortung des Bundes in der Hochschulpolitik. Während die CSU-Landesgruppe diese ablehnte, verabschiedete die CDU im November 1968 sogar einen Bundesparteitagsbeschluss, gemäß dem es ein Ziel der CDU sein sollte, neben einem Bundeskultusministerium auch die Rahmenkompetenz für das Bildungswesen beim Bund zu schaffen.358 Ziel sollte unter anderem eine „möglichst große Einheitlichkeit der Hochschulgesetzgebung“359 sein. 353
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Vgl. den Vermerk über die Parlamentsinitiativen der Arbeitskreise der SPDBundestagsfraktion, als Anlage in: Protokoll der Vorstandssitzungen der SPDBundestagsfraktion v. 16.11.1967, in: AdsD, 5. WP, 228. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzungen der SPD-Bundestagsfraktion v. 16.11.1967, in: AdsD, 5. WP, 228. BM Strauß: „Wenn die Koalition scheitert, dann nur an der inneren Zerrissenheit der SPD.“ Bundeskanzler Kiesinger: „Die Sorge um die SPD dauert nur so lange, so lange sie in der Regierung mit ist.“ Notiz zur Besprechung des Bundeskanzlers mit den MP der CDU/CSU, dem CDU-Präsidenten, Strauß, Heubl und Stücklen v. 9.5.1968; in: ACSP, NL Stücklen, 243. Vgl. das Protokoll der Vorstandssitzung der SPD-Bundestagsfraktion v. 25.3.1969; in: AdsD, 5. WP, 245. Vgl. auch das Protokoll der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion v. 22.4.1969; in: AdsD, 5. WP, 125. Vgl. z.B. das Protokoll der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion v. 25.2.1969 u. das Protokoll der Vorstandssitzung der SPD-Bundestagsfraktion v. 25.2.1969; in: AdsD, 5. WP, 118 u. 243. Vgl. CDU, Beschluss, 1968, S. 79. Dieser Beschluss war aber innerhalb der CDU stark umstritten. Während die in den Ländern in Regierungsverantwortung stehenden CDULandesverbände ihn ablehnten, wurde er in den Landesverbänden mit CDU-Opposition befürwortet, da man dort glaubte, im Wahlkampf so einen Angriffspunkt gegen die jeweilige Landesregierung zu haben. Vgl. die Diskussion auf dem CDU-Bundesparteitag 1969 in Mainz: Niederschrift, 1968, S. 161-172. Bundeskanzler Kiesinger lehnte den Beschluss ab. Vgl. den
Im Bundestag wurde dieser Parteitagsbeschluss durch die Fraktion aber nicht umgesetzt, um damit nicht den durch die eigene Partei regierten Ländern zu schaden. Zudem hatte man unionsintern vereinbart, eine Lösung der Hochschulfrage zunächst im Wege einer Koordinierung der Länder untereinander zu finden, und den unionsregierten Ländern entsprechende Zusagen gemacht.360 Erst als diese Koordinierung der Länder nicht zustande gekommen war, änderte die Bundestagsfraktion ihre Haltung in dieser Frage. Das Vermittlungsergebnis wurde deshalb auch sehr enttäuscht aufgenommen, da es keine Gesetzgebungskompetenz über die Bildungsplanung mehr beinhaltete und für das Hochschulwesen nur eine Rahmenkompetenz vorsah.361 Fraglich ist, wieso die Unionsfraktion sich zuvor im Bundestag in dieser Frage nicht stärker engagiert hatte, was allerdings vor dem Hintergrund einer verstärkten Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Länder zu sehen ist. Da das Hauptanliegen der Regierungsparteien die Verabschiedung der großen Finanzreform war, spielte die Gesetzgebung zum Hochschul- und Bildungswesen letztlich nur eine untergeordnete Rolle. Grundsätzlich fand das Vermittlungsergebnis auch die Zustimmung der CSU, wobei diese aber ihre Ablehnung ankündigte für den Fall, dass ein anderer Teil der Finanzreform den Bundestag nicht passieren
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Vermerk über das Gespräch des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder am 31.1.1969 v. 3.2.1969; in: BArch, B136, 4178. Vgl. CDU, Anlage, 1968, S. 47. Barzel: „Die Fraktion ist nicht kompetenzlüstern. Hauptsache ist, daß es funktioniert. Die Kompetenzfrage wird sich nicht stellen, wenn sichtbar wird, daß Befriedigendes geschieht.“ Notiz zur Besprechung des Bundeskanzlers mit den MP der CDU/CSU, dem CDUPräsidenten, Strauß, Heubl und Stücklen am 9.5.1968; in: ACSP, NL Stücklen, 243. „Wir kriegen also keine Gesetzgebungszuständigkeit über die Bildungsplanung, nicht einmal im Rahmenwege, sondern wir können uns, der Bund kann sich mit den Ländern verständigen über Bildungsplanung. Das setzt die Zustimmung beider voraus, uns alle auf der anderen Seite natürlich [sic!]. Was die Gesetzgebung betrifft, so kriegen wir eine Rahmengesetzgebungskompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens. Ich persönlich, anderer Meinung sind hier aber unsere Sachverständigen, habe die große Befürchtung, daß wir damit zwar an einen Brei rankommen, ohne den Löffel zu haben. Denn was ein Rahmen ist für allgemeine Grundsätze, nehmen Sie die eine Streitfrage aus der Praxis, und wir müssen uns hier eine Sekunde dran aufhalten, denn das ist der Punkt, der in den nächsten vier Jahren im Vordergrund stehen wird, und (…) auch koalitionspolitisch für die Herbstentscheidung [gemeint ist die Wahl zum BT; T.H.] von größter Entscheidung sein wird. Was wird eigentlich sein, wenn wir zu der Frage (…) auf dem Verwaltungsgebiet der Mitbestimmung der Studenten, wenn wir uns dazu nicht äußern, sagt die interessierte Öffentlichkeit, der Gesetzgeber ist wohl nicht ganz zu retten, wenn wir uns dazu äußern, werden wir natürlich so konkret, daß man sagen wird, das geht über den Rahmen der allgemeinen Grundsätze hinaus. Das ist meine persönliche Befürchtung.“ Fraktionsvorsitzender Barzel auf der Sitzung der CDU/CSUBundestagsfraktion v. 18.3.1969, Protokoll; in: ACDP, VIII-001-1018/1.
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würde. Trotz aller Beschwörungen seiner Fraktion konnte es der CDU/CSUFraktionsvorsitzende nicht erreichen, dass alle Unionsmitglieder sich konsequent hinter die Reform stellten.362 Beide Regierungsparteien neigten somit einer Unterstützung des FDPAntrags grundsätzlich zu, konnten aber wegen der Finanzreform keine Konfrontation mit den Ländern riskieren. Im Ergebnis sorgten die Fraktionsführungen demnach für ein defensives Verhalten ihrer Fraktionen in Bildungs- und Hochschulfragen, was deren Durchsetzung gegenüber den Ländern entsprechend schwierig machte. 3.2.4 Die partei- und ebenenübergreifende Koordinierung am Beispiel der Maßnahmen gegen die Studentenproteste Da die Bundesländer am Ende der 1960er Jahre die volle Verantwortung für das Hochschulwesen trugen und somit allein die Möglichkeit zur Hochschulreform hatten, richtete sich der Protest der Studenten in erster Linie an sie. Die Länder waren somit einem ständigen Druck ausgesetzt, der ihnen die politische Arbeit im Hochschulbereich erschwerte. Vor allem die Beratungen der geplanten Landeshochschulgesetze in den Landesparlamenten wurden durch die teilweise gewalttätig protestierenden Studenten beeinträchtigt. Die Bundesregierung befand, trotz der Proteste müsse die Hochschulreform unbeirrt fortgeführt werden. Im Bundesinnenministerium wurde eine Beteiligung des Bundes zur Unterstützung der Länder im Rahmen seiner Möglichkeiten gefordert.363 Diese Möglichkeiten lagen vor allem in einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Studentenunruhen.364 Hierzu wurde eine gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgruppe, bestehend aus dem Bundeskanzler, den Kultusministern und Ministerpräsidenten der Länder und dem Bundesinnenminister, mit 362
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Vgl. Barzel, CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Protokoll der Sitzung v. 20.3.1969, in: ACDP, VIII-001-1018/1. Barzel: „Und sollten wirklich Länder wegen der Haltung in der Finanzverfassungsreform (…) hier Äpfel mit Birnen vermischen, dann ist sowieso diese Gesetzgebung insgesamt auf einem schiefen Dampfer. Deswegen würde ich wirklich empfehlen, diese Sache, Änderung des Grundgesetz, doch mit Zustimmung zu versehen.“ Ebd. Vgl. den Vermerk des BMI v. 18.2.1969, in: BArch, B136, 4179. So beschloss die Bundesregierung beispielsweise im März 1969, die Förderung des Verbandes Deutscher Studentenschaften (VDS) durch Bundeszuschüsse mit sofortiger Wirkung einzustellen und Dachverbände der Studenten erst dann wieder zu fördern, wenn diese sich auf die in den Hochschulgesetzen und Hochschulsatzungen festgelegten Aufgaben beschränkten, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekannten und sich für eine ordnungsgemäße Haushaltsführung verbürgten. Vgl. Waibel, W.-W., Engagement, 1970, S. 255f.
dem Ziel einer Beendigung der Studentenausschreitungen und einer Abwehr der Gefahren an den Hochschulen gebildet. Die Bund-Länder Arbeitsgruppe nahm ihre Arbeit noch im Februar 1969 auf. Einigkeit bestand darüber, dass zur Befriedung der Hochschulen drei Maßnahmen ineinander greifen müssten: Neben einer Erweiterung der Aufnahmefähigkeit der Hochschulen durch zusätzliche Bauprogramme, die dem Druck der Studentenproteste zunächst einmal den Wind aus den Segeln nehmen sollten und insoweit ein Zugeständnis an die Forderungen der Studenten waren, sollte eine Hochschulreform durch möglichst einheitliche Landesgesetze verabschiedet werden.365 Als Grundlage für konkrete Maßnahmen waren die Empfehlungen des Wissenschaftsrates angedacht.366 Hierin wird der Wille der Länder erkennbar, die Hochschulprobleme selbst zu bewältigen und durch Koordinierung die Hochschulprobleme zu lösen. Als dritte Maßnahme wurde die Einführung eines unter den Ländern einheitlichen Ordnungsrechts für erforderlich gehalten.367 Für die Ministerpräsidenten stand indes vor allem die Etablierung eines Ordnungsrechts an den Hochschulen im Vordergrund.368 Hierzu hatten sie bereits im Vorfeld koordinierende Arbeiten aufgenommen. Bundeskanzler Kiesinger äußerte hingegen die Hoffnung, zukünftig ein einheitliches Ordnungsrecht auf der Bundesebene verabschieden zu können.369 Das Ordnungsrecht sollte die Verfahren regeln, die zur Beseitigung nachhaltiger Störungen des Hochschulbetriebs ergriffen werden sollten. Die angedachten Maßnahmen sollten die Studenten nicht bestrafen, sondern nur die Ordnung an den Hochschulen wieder herstellen; erwogen wurden Ermahnungen, Suspendierungen oder Verweise von der Hochschule. Das Thema wurde mehrfach unmittelbar mit dem Bundeskanzler beraten. Unterschiede in der Beurteilung der Lage bestanden zwischen den Ebenen oder Parteien hierbei nicht. Eine derart enge Koordinierung wurde vor allem durch gleiche Interessen möglich.370 So beschlossen die Ministerpräsidenten schließ365
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Vgl. den Vermerk über die Zusammenkunft der BLAG am 20.2.1969 v. 26.2.1969, in: BArch, B136, 4179. Vgl. das Protokoll über die Besprechung des Bundeskanzlers mit den MP der Länder am 28.2.1969, in: BArch, B136, 4179, Nr. 102-105, S. 2. Vgl. den Vermerk über die Zusammenkunft der BLAG am 20.2.1969 v. 26.2.1969, in: BArch, B136, 4179. Vgl. das Protokoll der Besprechung mit den MP der Länder am 31.1.1969, in: BArch, B136, 4178. Vgl. CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Protokoll der Sitzung v. 11.2.1969, in: ACDP, VIII-0011018/1. Vgl. das Protokoll über die Besprechung des Bundeskanzlers mit den MP der Länder am 28.2.1969, in: BArch, B136, 4179, Nr. 102-105, S. 2.
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lich, auf Grundlage der Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein einheitliches Ordnungsrecht für die Universitäten zu schaffen, wozu ein Staatsvertrag zwischen den Ländern abgeschlossen werden sollte.371 3.2.5 Die Selbstkoordinierung der Länder im Staatsvertrag über das Ordnungsrecht und das Hochschulwesen Übereinstimmend hatten die Länder das Ziel möglichst einheitlicher Hochschulgesetze formuliert, um einer Zersplitterung des Hochschulwesens vorzubeugen. Es zeigte sich aber, dass die Umsetzung nicht ohne weiteres möglich war. So wurde im Oktober 1968 zwar der Beschluss gefasst, bei der Hochschulgesetzgebung von gemeinsamen Grundsätzen ausgehen zu wollen. Diese waren seinerzeit aber nur äußerst vage formuliert worden. Die Bemühungen zu einer weitergehenden Vereinheitlichung waren schließlich im Februar 1969 gescheitert. Die Länder waren bei ihren Reformbestrebungen unterschiedlich vorgegangen und hatten teilweise auch bereits Landeshochschulgesetze erlassen. Eine nachträgliche Vereinheitlichung oder die Hinzufügung eines einheitlichen Ordnungsrechts wurde als nicht mehr machbar angesehen.372 Auffassungsunterschiede über die Notwendigkeit einheitlicher Regelungen gab es demzufolge in den Ländern nicht. Die Realisierungsmöglichkeiten reduzierten sich aber, sobald zu dem abstrakten Ziel einer stärkeren Vereinheitlichung konkrete inhaltliche Reformziele kamen. Um wenigstens ein Mindestmaß an Einheitlichkeit bei der Gesetzgebung zu erreichen, schlug der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Heinz Kühn im Februar 1969 vor, der Bundeskanzler und Bundesaußenminister Brandt sollten „auf die in der Opposition stehenden Fraktionen ihrer Parteien in den Länderparlamenten im Sinne einer einheitlichen Lösung einwirken“.373 Ein Vorgehen, welches Bundeskanzler Kiesinger im Sinne der Einheitlichkeit ausdrücklich für nützlich befand, wobei unnötige Angriffe auf diesem Gebiet aber vermieden werden sollten.374 Trotz aller Versuche, die Oppositionsparteien in den Ländern auf eine gemeinsame Linie mit der Bundesregierung und den Länderchefs zu verpflichten, kam der „Staatsvertrag über die Grundsätze der Reform der wissenschaftlichen 371
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Der Beschluss wurde auf der MP-Konferenz am 28.2.1969 gefasst. Vgl. das Protokoll über die Besprechung des Bundeskanzlers mit den MP der Länder am 28.2.1969, in: BArch, B136, 4179, Nr. 102-105, S. 2. Vgl. ebd., S. 3. Ebd. Vgl. ebd., S. 4.
Hochschulen und über die Vereinheitlichung des Ordnungsrechts“ vom 27. März 1969 nicht zustande, da er nicht von allen Ländern unterschrieben oder ratifiziert wurde.375 Vor allem die Länder mit FDP-Regierungsbeteiligung standen einer Unterzeichnung oder Ratifizierung des Staatsvertrages ablehnend gegenüber. Der von den Landesregierungen beschworene Einigungswille und ihre Einigungsfähigkeit klafften also weit auseinander – anders als dies im Vorfeld von ihnen propagiert worden war. Immerhin hatten sich aber alle Landesregierungen dazu bereit erklärt, den sachlichen Inhalt des Staatsvertrages, insbesondere ein Ordnungsrecht, in die Entwürfe ihrer Hochschulgesetze oder deren Novellen mit einzubeziehen.376 Im Ergebnis hatten sich die Länder in eine desolate Situation manövriert. Alle Aussagen über ihre Einigungskraft und ihre Fähigkeit zur Selbstkoordinierung und die Zusage an den Bundeskanzler, möglichst einheitliche Hochschulgesetze und ein einheitliches Ordnungsrecht verabschieden zu wollen, waren mit einem Mal unglaubwürdig geworden. In der Folge hatten die Länder einer stärkeren Beteiligung des Bundes am Bildungs- und Hochschulwesen kaum noch überzeugende Argumente entgegenzusetzen, denn die anerkannten Probleme in diesem Bereich sowie die Gefahr von dessen Zersplitterung bestanden nach wie vor. 3.3 Die Überlagerung des parteienstaatlichen durch das föderative Element am Beispiel der Verhandlungen in den Politikarenen Neben den Handlungsstrategien der jeweiligen politischen Akteure interessiert besonders, wie die Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner bestritten und welche Strategien hierbei verfolgt wurden. Neben informellen Kontakten fanden diese Aushandlungsprozesse vor allem in den dafür vorgesehenen politischen Gremien im Bundestag und Bundesrat sowie beim Vermittlungsausschuss als zwischengelagerter Instanz statt. Anhand der Beratungen innerhalb dieser Gremien sollen im Folgenden die Aushandlungsprozesse bewertet werden, insbesondere im Hinblick auf die Zielsetzungen der 375
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Vgl. das Protokoll über die Besprechung des Bundeskanzlers mit den MP der Länder am 29.5.1969, in: BArch, B136, 4179, Nr. 275-278, S. 3. Der Staatsvertrag wurde von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nicht unterzeichnet, für das Land Bremen war eine Ratifizierung trotz Unterzeichnung von vornherein nicht vorgesehen, und für die Länder Berlin, Rheinland-Pfalz und das Saarland war mit einer Ratifizierung nicht zu rechnen. Vgl. ebd. Vgl. das Protokoll über die Besprechung des Bundeskanzlers mit den MP der Länder am 29.5.1969, in: BArch, B136, 4179, Nr. 275-278, S. 3.
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einzelnen Parteien, ihre Mittel zur Durchsetzung dieser Ziele und darauf, inwiefern die Umsetzung der Ziele gelang. Die Betrachtung erfolgt dabei für die Beratungen in den Ausschüssen und dem Plenum des Bundesrats und des Bundestags jeweils getrennt. Die Plenardebatten waren aufgrund ihrer Öffentlichkeit zwar verbal oft eindrucksvoller, sind jedoch im Hinblick auf Kompromissbildungen nicht aussagekräftig. Ernsthafte Verhandlungen mit dem politischen Gegner fanden in der Regel eher hinter den verschlossenen Türen der Ausschüsse und besonders im Vermittlungsausschuss statt. 3.3.1 Die Verhandlungen im Bundestag 3.3.1.1 Die Beratungen in den Bundestagsausschüssen Der FDP-Antrag auf Änderung der Kompetenzen im Bildungs- und Hochschulwesen war durch den Bundestag federführend an den Rechtsausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Kulturpolitik, Wissenschaft und Publizistik verwiesen worden. Der mitberatende Ausschuss nahm seine Arbeit hierzu im März 1968 auf.377 Die in allen Ausschusssitzungen anwesenden Fachbeamten des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung wurden aktiv in die Beratungen mit eingebunden.378 Wegen deren Warnung, eine Kompetenzverlagerung könnte die Beratungen zur Finanzreform stören,379 wurde die Beratung des FDP-Antrags immer wieder vertagt, bis im Oktober 1968, also fast ein Jahr, nachdem der Antrag in den Bundestag eingebracht worden war, einer Debatte im Ausschuss nicht mehr ausgewichen werden konnte.380 377
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Vgl. KPr. der 56. Sitzung des BT-WA v. 6.3.1968; in: PA-DBT, V-324, A-45. Auf dieser Sitzung wurde aber lediglich beschlossen, den Antrag in bereits laufende Beratungen zu verschiedenen Anträgen der Bundestagsfraktionen zur Wissenschaftsförderung mit einzubeziehen. Vgl. KPr. der 59. Sitzung des BT-WA v. 28.3.1968, S. 11; in: PA-DBT, V-324, A-46. Vgl. die 59. Sitzung des BT-WA v. 28.3.1968, S. 11f; in: PA-DBT, V-324, A-46. Es wurde angeregt, zunächst einmal abzuwarten und die vorhandenen Kompetenzen auszunutzen. Vgl. ebd. Bereits auf der Sitzung am 28.3.1968 wurde durch die CDU angeregt, die Auswirkungen der Grundgesetzänderungen in Bezug auf die geplante Finanzreform zunächst in einem Arbeitskreis des Ausschusses zu beraten. Ein solches Vorgehen hätte die Beratungen stark verzögert. Vgl. ebd., S. 12. Diesem Vorschlag wurde nicht nachgegangen, aber auch so verzögerten sich die ursprünglich für Mitte Mai 1968 vorgesehenen Beratungen über sieben Monate und wurden auch dann nur deshalb auf die Tagesordnung gesetzt, weil der federführende Rechtsaus-
In der Diskussion waren die Abgeordneten der FDP keineswegs isoliert, sondern wurden durch einige Abgeordnete der SPD und der CDU unterstützt. Zwar stand die Angst vor einer Behinderung der Finanzreform durch ein Vorgehen in dieser Sache bei vielen Politikern im Vordergrund, und man wollte unter allen Umständen vermeiden, den Ländern Argumente gegen die Finanzreform zuzuspielen;381 auf der anderen Seite wurde aber insbesondere eine Rahmenkompetenz für das Bildungswesen als institutionelle Garantie einer kooperativen Zusammenarbeit mit den Ländern angemahnt. 382 Aus den Reihen von SPD und CDU kristallisierte sich im Laufe der Beratungen der Vorschlag heraus, für das Hochschulwesen nicht die konkurrierende Gesetzgebung, sondern die Rahmengesetzgebungskompetenz zu fordern. 383 Andere Abgeordnete schlugen vor, die Länder durch die Drohung einer institutionellen Regelung zu einer effektiven Zusammenarbeit mit dem Bund zu bewegen.384 Von Seiten der Befürworter einer Kompetenzverlagerung wurde zudem die Ansicht geäußert, dass man bei geschickter Anwendung dieser Drohung in Bezug auf eine Rahmengesetzgebung auch nicht auf den Widerstand der Länder stoße.385 Insgesamt zeigten die Ausschussberatungen im Wissenschaftsausschuss, dass das Thema vor allem innerhalb der Regierungsparteien kontrovers war. Eine Haltung, die eine besondere Rücksichtnahme auf die Interessen der durch die eigenen Parteien geführten Länder widerspiegelt, zeigte sich in den Beratungen nicht. Die Länder wurden stattdessen parteiübergreifend eher als Gegner aufgefasst, die dem Willen des Bundestages im Wege standen. Einige der Vorschläge wurden deshalb ausdrücklich aus „taktischen Überlegungen“386 heraus gemacht, und es wurden verschiedene Methoden diskutiert, die Länder zur Zustimmung zu bewegen. Letztlich einigte man sich darauf, dem federführenden Rechtsausschuss vorzuschlagen, die Rahmengesetzgebung in Artikel 75 Grundgesetz um die allgemeinen Rechtsverhältnisse des Hochschulwesens und der Bildungsplanung zu erweitern.387
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schuss dringend um die Übersendung des Wissenschaftsausschuss-Beschlusses gebeten hatte. Vgl. KPr. der 65. Sitzung des BT-WA v. 30.10.1968, S. 4; in: PA-DBT, V-324, A-47. Vgl. ebd., S. 6. Vgl. Abg. Rau (SPD), ebd., S. 5. Vgl. das KPr. der 65. Sitzung des BT-WA v. 30.10.1968, S. 5f; in: PA-DBT, V-324, A-47. Vgl. auch das KPr. der 59. Sitzung des BT-WA v. 28.3.1968, S. 12; in: PA-DBT, V-324, A46. Vgl. das KPr. der 65. Sitzung des BT-WA v. 30.10.1968, S. 6; in: PA-DBT, V-324, A-47. Vgl. ebd., S. 7. Ebd., S. 6. Das Hochschulwesen sollte in die bestehende Ziffer 2 des Art. 75 GG (allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse und des Films) eingefügt werden. Für die Bildungsplanung sollte eine
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Der Rechtsausschuss befasste sich mit dem Änderungsantrag der FDP und dem hierzu vom Wissenschaftsausschuss übersandten Beschlussvorschlag erstmalig im November 1968 im Rahmen seiner Beratungen zur Finanzreform.388 Bezüglich der Änderungen in Artikel 75 Grundgesetz schloss sich der Rechtsauschuss den Empfehlungen des Wissenschaftsausschusses an. Ein Abgeordneter der SPD teilte hierzu mit, der Überlegung des kulturpolitischen Ausschusses zur Erweiterung der Rahmengesetzgebungskompetenz über das Hochschulwesen werde innerhalb der SPD weitgehende Sympathie entgegengebracht.389 Versuche der FDP, ihren ursprünglichen Antrag auf Erweiterung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen beschließen zu lassen, scheiterten hingegen an der Ausschussmehrheit.390 Diese einigte sich schließlich auf die Variante, eine neue Nummer 1a, „Die Bildungsplanung und das Hochschulwesen“ im Artikel 74 Grundgesetz zu schaffen.391 Gleichzeitig wurde durch die Union darauf verwiesen, dass bei Einführung der geplanten Gemeinschaftsaufgaben im Grundgesetz eine weitergehende Ausdehnung der Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes nicht erforderlich sei.392 Eine im Laufe der Beratungen aufgekommene Idee, eine Gesetzgebungskompetenz für das gesamte Bildungswesen anzustreben, wurde hingegen verworfen.393 Zudem ordnete der Rechtsausschuss die Änderungsvorschläge zum Hochschulwesen und zur Bildungsplanung formal in das laufende Gesetzgebungsverfahren der Finanzreform ein. Man wollte so vermeiden, innerhalb der letzten Monate der Legislaturperiode noch mehrere unterschiedliche Grundgesetzänderungsgesetze beschließen zu müssen. Die Zusammenlegung erfolgte dementsprechend aus verfahrensökonomischen Gründen und sollte keinen inhaltlichen Zusammenhang zur Finanzreform ausdrücken.394 Der ursprüngliche Änderungsantrag der FDP wurde im Rahmen der Ausschussarbeit demzufolge lediglich in der Frage der Gesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen geändert, welche in den Bereich der Rahmengesetzgebungskompetenz überführt wurde. Das Erfordernis einer Rahmenzuständigkeit für die Bildungsplanung wurde aber allgemein anerkannt.
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neue Ziffer geschaffen werden. Vgl. das KPr. der 65. Sitzung des BT-WA v. 30.10.1968, S. 7; in: PA-DBT, V-324, A-47. Vgl. KPr. der 99. Sitzung des BT-RA v. 14.11.1968; in: PA-DBT, V-324, A-103. Vgl. ebd., S. 4. Vgl. das KPr. der 99. Sitzung des BT-RA v. 14.11.1968, S. 4; in: PA-DBT, V-324, A-103. Vgl. ebd., S. 9. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 8. Vgl. den Antrag aller Länder v. 30.1.1969, BR-Drs. 14/2/69.
3.3.1.2 Die zweite und dritte Lesung im Bundestag Die einzige ausführliche Parlamentsdebatte über die geplanten Kompetenzänderungen zur Bildungsplanung und zum Hochschulwesen fand im Bundestag im Rahmen der zweiten und dritten Lesung über die Finanzreform statt.395 In Vorbereitung dieser Beratungen reichten die Fraktionen der CSU und FDP Änderungsanträge ein. Die CSU forderte die Streichung der Einführung einer Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen und die Bildungsplanung.396 Die FDP erneuerte hingegen ihren ursprünglichen Antrag und weitete ihn teilweise noch aus: Das Hochschulwesen sollte wiederum durch die konkurrierende Gesetzgebung beim Bund geregelt werden. Die ursprünglich geforderte Rahmengesetzgebungskompetenz für die Bildungsplanung sollte sich nach der Vorstellung der FDP nun aber auf das gesamte Bildungswesen erstrecken.397 Zur Begründung ihres Antrags führte ein FDP-Abgeordneter aus: „Die konkurrierende Gesetzgebung ist stärker als die Rahmengesetzgebung, die der Bund in dieser Frage anstrebt. Wir wünschen eine verstärkte Position des Bundes im Verhältnis zwischen seinen Institutionen und den Ländern.“398 Untermauert wurde diese Haltung durch die Ansicht, es gehe nicht nur um die Wahrung einheitlicher Lebensverhältnisse, wie es das Grundgesetz vorsehe, vielmehr müsse diese Einheitlichkeit erst einmal geschaffen werden, wozu die Vorschläge des Rechtsausschusses nur bedingt als geeignet angesehen wurden.399 Interessant an der Debatte ist die große Leidenschaft, mit der die Diskussion durch die Liberalen geführt wurde. Der Abgeordnete Hans-Dietrich Genscher sah in der Zuordnung des Hochschulwesens zur konkurrierenden Gesetzgebung sogar eine Grundsatzfrage für die Zukunft des Föderalismus.400 395 396 397
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Vgl. BT-PlPr. 5/204 v. 11.12.1968, S. 11025-11078. Vgl. den Änderungsantrag der CSU, BT-Umdruck 555 (neu), in: PA-DBT, V-324, A-114. Vgl. den Änderungsantrag der FDP v. 10.12.1968, BT-Umdruck 547 v. 10.12.1968; in: PADBT, V-324, A-110. Die Möglichkeiten einer Bildungsplanung gingen der FDP offenkundig nicht weit genug. Im Pressedienst der Partei hieß es dazu, Deutschland befinde sich in einem Bildungsschlaf, und nur „ein einheitliches Bildungssystem (…) kann noch verhindern, daß die Bundesrepublik zum Entwicklungsland wird. (…) Es ist vordringliche Aufgabe des Bundes, heute an morgen zu denken, heute die Voraussetzungen für morgen zu schaffen.“ o.V., Stillstand, 1968, S. 2. Abg. Emde (FDP), BT-PlPr. 5/204 v. 11.12.1968, S. 11026. Vgl. Abg. Emde (FDP), ebd., S. 11026. „Das Gefälle der Lebensverhältnisse zwischen Nord und Süd, Ost und West, arm und reich, Großstadt und Kleinstadt ist so groß, daß wir von einheitlichen Lebensverhältnissen in unserem Lande weit entfernt sind.“ Ebd. „Die Beratung der Großen Finanzreform kann auch für den Föderalismus eine Sternstunde sein, (…) wenn die Träger unseres Staatsaufbaus in Bund und Ländern erkennen, daß es (…) erforderlich ist, den Föderalismus, die Zersplitterung unseres Bildungswesens zu überwinden.
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Die CSU machte zur Begründung ihres gegen eine Kompetenzverschiebung gerichteten Antrags Bedenken gegen eine vermeintliche Aushöhlung des Föderalismus geltend und drängte nachhaltig auf eine Streichung der Änderung. Stattdessen sollten die Gemeinschaftsaufgaben, über die der Bund ein Mitspracherecht erhalten sollte, zunächst erprobt werden. Die Christ-Sozialen befürchteten, der Bund werde sich eben nicht, wie es der CDU-Abgeordnete Hans Dichgans vorgeschlagen hatte, mit der Ausübung seiner Gesetzgebungsbefugnis zurückhalten, sondern diese Kompetenz dann extensiv nutzen. Die Fortentwicklung des Föderalismus sei, so wurde kritisiert, in den Jahren seit Gründung der Bundesrepublik stets eine Einbahnstraße gewesen, die die Kompetenzen zum Bund hin verschoben habe.401 Der Antrag der CSU-Landesgruppe war Ausdruck ihrer streng föderalistischen Haltung und wurde mit „beträchtlicher Mehrheit“402 abgelehnt. Auch der Antrag der FDP auf Schaffung der Rahmengesetzgebungskompetenz für das Bildungswesen fand nicht die Zustimmung des Bundestages, wohingegen die Fassung des Rechtsausschusses in zweiter Lesung angenommen und auch in dritter Lesung mit der für Grundgesetzänderungen erforderlichen Mehrheit beschlossen wurde.403 Die Heterogenität der Abgeordneten der Regierungsfraktionen wurde in dieser Debatte offensichtlich. Während es das erklärte Ziel der Regierungsfraktionen war, dem Bund die Rahmengesetzgebungskompetenz zu übertragen,404 sprach sich die CSU, entsprechend ihrem Antrag, gegen jede Form einer Kompetenzübertragung aus, während ein SPD-Abgeordneter den Ländern weitgehend die Kompetenz zur Lösung bildungspolitischer Probleme absprach.405 Besonders hervorzuheben ist der CDU-Abgeordnete Hans Dichgans, der sich zu den Vorschlägen der FDP bekannte und ankündigte, diese mit seiner Stimme zu unterstützen. Dies begründete er vor allem damit, dass man nicht von vornherein seine Ziele zurückhaltend formulieren dürfe, nur weil man glaube, sie würden im Bundesrat keine Zustimmung finden. Man müsse seine Position erst einmal
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Wir brauchen einen Staat und wir brauchen ein Bildungswesen, die auf Dynamik eingestellt sind.“ Abg. Genscher (FDP), ebd., S. 11035. Vgl. Abg. Althammer (CDU/CSU); Abg. Kuchtner (CDU/CSU), ebd., S. 11043-11049. Abg. Gerstenmaier (BT-Präsident), ebd., S. 11051. Vgl. BT-PlPr. 5/204 v. 11.12.1968, S. 11075. Vgl. für die Regierungskoalition etwa Abg. Lenz (CDU), ebd., S. 11028f. „(…), daß eine Rahmenkompetenz des Bundes ausreicht, (…) um für die Zukunft die Einheitlichkeit unseres Hochschulwesens insoweit zu gewährleisten, als dies im Interesse der Allgemeinheit erforderlich ist. Wir waren der Meinung, daß es nicht zweckmäßig wäre, eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes einzuführen und damit den Ländern jede Möglichkeit der eigenständigen Regelung auf diesem Gebiet zu nehmen.“ Ebd., S. 11029. Vgl. Abg. Niederalt (CDU/CSU); Abg. Könen (SPD), ebd., S. 11030f.
klar ausdrücken und könne später immer noch sehen, was daraus werde. Es kam ihm darauf an, die Länder durch die Möglichkeit einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes unter Druck zu setzen.406 Zunächst war auch eine Reihe von Abgeordneten der SPD-Fraktion einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen zugeneigt. Jedoch war man aus Gründen der Autonomie der Hochschule, die man weder beschneiden wollte noch glaubte, dass dieses überhaupt möglich sein könnte, von diesem Vorhaben wieder abgerückt.407 Dass die beschlossene Gesetzesvariante im Bundesrat auf erhebliche Probleme stoßen würde, war den Parlamentariern bewusst und wurde durch den anwesenden Vertreter des Bundesrates, Senator Ernst Heinsen aus Hamburg, bekräftigt: „Sie werden aber (…) Verständnis dafür haben, wenn ich Ihnen sage, daß diese Konzeption in dieser Form mit Sicherheit nicht im Bundesgesetzblatt verkündet wird.“408 Als Begründung führte er vor allem aus, der Bundestag409 sei in einer Reihe von entscheidenden Punkten erheblich über die Regierungsvorlage hinausgegangen. Der Bundestag habe extreme Positionen aufgebaut, die dazu führten, dass auch der Bundesrat eine entsprechend extreme Haltung einnehmen werde. Er zeigte sich besorgt, ob eine so breite Kluft durch den Vermittlungsausschuss dann noch überwunden werden könne. Zudem kritisierte er die Zusammenlegung der verschiedenen Gesetzgebungsmaterien zu einem Änderungsgesetz, was er für politisch unpraktisch hielt.410 Er verdeutlichte, „daß im Bundesrat (…) über das Gesetz nur einheitlich abgestimmt wird. Wenn da ein ganz dickes Haar in der Suppe ist, scheitert womöglich das ganze Gesetz, auch das, was wir für richtig halten, an diesem einen Punkt. Das ist die Gefahr.“411 Die im Wissenschaftsausschuss des Bundestages von einigen Abgeordneten geäußerten Befürchtungen schienen sich demnach zu bewahrheiten.
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Vgl. Abg. Dichgans (CDU/CSU), BT-PlPr. 5/204 v. 11.12.1968, S. 11039f. „Ich halte es für notwendig, daß wir die Kompetenzen des Bundes ausweiten. Aber ich bin durchaus nicht dafür, daß wir von diesen Kompetenzen Gebrauch machen; ich glaube auch nicht einmal, daß das notwendig ist. Ich bin fest überzeugt, in dem Augenblick, in dem dieses Hohe Haus ganz klar sagt, daß es notfalls auch von seinen Kompetenzen Gebrauch macht, werden wir im Bereich der Konferenz der Kultusminister sehr bald Lösungen erleben, die nicht einmal eine Ausnutzung der Rahmenkompetenz notwenig machen.“ Ebd, S. 11040. Vgl. Abg. Bühling (SPD), BT-PlPr. 5/204 v. 11.12.1968, S. 11036. Senator Heinsen (Hamburg), ebd, S. 11076. Im Original des Protokolls steht „Bundesrat“ statt „Bundestag“. Aus dem Sachzusammenhang ergibt sich aber, dass es sich um einen Fehler bei der Protokollerstellung handeln muss. Vgl. Senator Heinsen (Hamburg), ebd., S. 11076. Senator Heinsen (Hamburg), ebd., S. 11076.
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3.3.2 Die ablehnende Haltung der Länder im Bundesrat 3.3.2.1 Die Beratungen in den Bundesratsausschüssen Wegen der außerordentlichen Bedeutung der Finanzreform beschlossen die Länder im Dezember 1968 auf Vorschlag der bayerischen Staatsregierung, von der gewohnten Beratung in verschiedenen Ausschüssen Abstand zu nehmen und einen Sonderausschuss zur Vorbereitung der Bundesratsentscheidung einzuberufen.412 Die Wichtigkeit dieser Sache drückten die Bundesratsmitglieder auch dadurch aus, dass dieser Sonderausschuss durch die Ministerpräsidenten persönlich besetzt werden und durch den Bundesratspräsidenten geleitet werden sollte. Der Sonderausschuss beschloss neben weiteren Änderungsvorschlägen zur Finanzreform die Rahmengesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen und die Bildungsplanung aus dem Gesetzentwurf zu streichen.413 Sechs Länder beantragten hierbei die Streichung der Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen und die Bildungsplanung, und zwar unabhängig von der parteipolitischen Prägung der jeweiligen Landesregierungen. Eine Unterscheidung lässt sich aber nach finanzstarken und finanzschwachen Ländern treffen.414 Während die reichen Länder, die im Sonderausschuss die Mehrheit bildeten, vorwiegend gegen die Verlagerung der Kompetenzen im Bildungsbereich votierten, stimmten die ärmeren Länder dafür.415 Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Bildungsplanung wurde durch die Mehrheit der Länder hingegen bejaht. Bemängelt wurden jedoch die Unklarheit und fehlende Abgrenzung des Begriffs „Bildungsplanung“, die in der Auslegung der Länder als Rahmenplanung verstanden wurde, welche dem Bund aufgrund nicht vorhandener Sachkenntnis nicht zugestanden wurde. Zudem wurde gerügt, der Bund habe über die an der Bildungsplanung beteiligten Gremien des Bildungs- und Wissenschaftsrates bereits angemessenen Einfluss auf die Bildungsplanung, so dass es einer weitergehenden Ausdehnung 412
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Vgl. BR-StBer. der 333. Sitzung v. 19.12.1968, S. 319. Vgl. auch das Schreiben des bay. Staatsministers für Bundesangelegenheiten v. 17.12.1968, BR-Drs. 710/68. Es wurde befürchtet, „daß bei einer Zuweisung nach den üblichen Grundsätzen an mindestens sechs Ausschüsse die Gefahr von unkoordinierten und evtl. widersprüchlichen Ausschußempfehlungen“ bestand. Ebd. Vgl. auch BR-Drs. 710/68 (Beschluß). Vgl. Empfehlung des Sonderausschusses v. 30.1.1969, BR-Drs. 14/1/69, S. 3. Vgl. auch Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 140. Antragsteller: BW, Bayern, Bremen, HH, Hessen, NRW. Abstimmung: Dafür: BW, Bayern, Bremen, HH, Hessen, RP; dagegen: Berlin, Niedersachsen, NRW, Saarland, SH. Vgl. hierzu den Vermerk des BMwF über die Sitzung des Sonderausschusses des Bundesrates v. 30.1.1969; in: BArch, B138, 57110.
seines Einflusses nicht bedürfe. Eine rahmenrechtliche Regelung des Hochschulwesens wurde ebenso als nicht notwendig bezeichnet, da insbesondere bei den Hochschulverfassungen ein hinreichender Spielraum für Experimente erhalten bleiben sollte. Die Länder glaubten zu diesem Zeitpunkt noch, eine sachgerechte Koordinierung selbst vornehmen zu können, sofern diese erforderlich sein sollte.416 Sie behaupteten sogar, das wünschenswerte und notwendige Maß an Übereinstimmung sei bereits durch die Tätigkeit der Ministerpräsidentenund Kultusministerkonferenz erreicht worden und gehe über den Inhalt einer Bundesrahmengesetzgebung hinaus. Außerdem warnte der Sonderausschuss vor einer möglichen Konzentration des bis dato auf die elf Länder aufgefächerten und auf das Bildungssystem wirkenden äußeren Drucks auf den Bund.417 3.3.2.2 Die Debatte im Plenum des Bundesrates Der Bundesrat hatte über den Gesetzentwurf insgesamt abzustimmen, lehnte ihn deshalb, wie zuvor im Sonderausschuss beschlossen, ab und verlangte die Einberufung des Vermittlungsausschusses. Eine Debatte im eigentlichen Sinne kam über die Regelungen zum Hochschul- und Bildungswesen nicht zustande, obwohl das Votum des Sonderausschusses in dieser Frage nicht alle Länder einschloss. Vielmehr wurden die Argumente zur Ablehnung der Finanzreform durch den Berichterstatter des Sonderausschusses explizit dargelegt, durch den Vertreter der Bundesregierung, den für die Finanzreform zuständigen Bundesfinanzminister, mit sparsamen Worten kommentiert und nach Stellungnahmen einiger Landesvertreter zur Abstimmung gestellt.418 Die nur zaghaften Versuche der Bundesregierung, die Länder argumentativ von der Richtigkeit der Bundestagsbeschlüsse zu überzeugen, deuten darauf hin, dass die Bundesregierung die Zwangsläufigkeit eines Vermittlungsverfahrens bereits akzeptiert hatte und dieses angesichts der informellen Zusagen der Länder, Kompromissbereitschaft zu zeigen, auch nicht fürchtete. Mental stand die Bundesregierung bereits im Vermittlungsverfahren, wobei die Ablehnung des Gesetzentwurfes durch den Bundesrat lediglich als unausweichlicher formaler Akt begriffen wurde.419
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Vgl. die Empfehlung des Sonderausschusses v. 30.1.1969, BR-Drs. 14/1/69, S. 3f. Vgl. Staatsminister Heubl (Bayern), BR-StBer. der 334. Sitzung v. 7.2.1969, S. 4. Vgl. BR-StBer. der 334. Sitzung v. 7.2.1969. Vgl. die Zusage der Länder an den Bundeskanzler, sich kompromissbereit zu zeigen. Protokoll der Besprechung v. 31.1.1969; in: BArch, B136, 4178.
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Zunächst beschloss der Bundesrat jedoch gemäß einem Antrag aller Landesregierungen420 zu verlangen, „das kompakte Paket an Gesetzesvorschlägen aufzuschnüren, um Brauchbares und Unannehmbares zu sondern“.421 Hierdurch sollten aus der allgemein als notwendig anerkannten Finanzverfassungsreform diejenigen Grundgesetzänderungen herausgelöst werden, die mit der eigentlichen Reform der Finanzverfassung nicht in Verbindung standen. Zu diesen artfremden Inhalten zählten auch die Vorschläge zur Regelung des Hochschulwesens und der Bildungsplanung.422 Kompetenzverlagerungen zu Gunsten des Bundes wurde aber ganz allgemein eine Absage erteilt.423 Einige Länder zeigten eine ablehnende Haltung zu den Vorschlägen des Sonderausschusses. Der Vertreter des finanzschwachen Schleswig-Holsteins sprach sich beispielsweise für die Zustimmung seines Landes zu einer Rahmenkompetenz des Bundes für die Bildungsplanung aus. Diese müsse zwar deutlich präzisiert werden und dürfe keine Generalklausel sein, jedoch verlange die Planung des gesamten Bildungswesens für Deutschland in die Zukunft hinein die Wahrnehmung einer Führungsaufgabe, die nicht im Rahmen der Koordinierung durch die Kultusministerkonferenz erfüllt werden könne. Er forderte, hierüber „im Vermittlungsausschuß noch nachzudenken, um einen Weg zu finden, wie man dem Bund diese Führungsaufgabe ermöglicht (…)“.424 Interessant ist die Befürchtung des Landeschefs, der Bund werde von seiner neuen Kompetenz möglicherweise nicht im erforderlichen Maß Gebrauch machen.425
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Vgl. den Antrag aller Länder v. 30.1.1969, BR-Drs. 14/2/69. Staatsminister Heubl (Bayern), BR-StBer. der 334. Sitzung v. 7.2.1969, S. 2. Für die Abstimmung siehe S. 26f. Staatsminister Heubl (Bayern), ebd., S. 2. „Dabei müssen wir jenseits aller Emotionen erkennen, daß es bei jeder Zuständigkeitsverschiebung drei Probleme gibt: einmal die Notwendigkeit des optimalen Einsatzes der begrenzten Finanzmittel, die unsere Wirtschaft und unsere Bürger aufbringen, zweitens die Kernaufgabe jeder Demokratie, nämlich Koordinierung, team-work und Partnerschaft und drittens das Ziel der weitestmöglichen Angleichung der Lebensverhältnisse. (…) In der Frage der Einheitlichkeit möchte ich (…) feststellen, daß Gleichheit und Bundeskompetenzen zwei verschiedene Dinge sind. Das Ziel einer totalen Gleichschaltung und Einförmigkeit in Lebensstandard, sozialem Status und Bildungsmöglichkeiten ist erstens nicht möglich und würde zweitens entweder zur ständigen Veränderung und damit zusätzlichen inneren Labilität unseres Staates oder zur absoluten Erstarrung führen. (…) Angesichts dieser Lage ist der ständige Ruf nach der starken Hand des Bundes kein Allheilmittel.“ Staatsminister Heubl (Bayern), ebd., S. 2. MP Lemke (SH), ebd., S. 17. Vgl. MP Lemke (SH), ebd., S. 17. Als Begründung führte er die Rahmenkompetenz des Bundes für das Pressewesen an, welche der Bund trotz starken Bittens der Länder nicht in Anspruch genommen hätte. Bedenkt man jedoch, welchen hohen Stellenwert das Bildungswesen in jener Zeit nicht zuletzt durch die proklamierte Bildungskatastrophe innehatte, ist es nur
Bei den Beschlüssen des Bundesrates handelte es sich lediglich um die Auffassung der Ländermehrheit. Die finanzschwachen Länder vertraten eine abweichende Auffassung. Im Ergebnis der Sitzung beschloss der Bundesrat, den Vermittlungsausschuss anzurufen, und beantragte eine Aufschnürung des Gesetzes in mehrere Teilgesetze.426 3.3.3 Die Kompromissbildung im Vermittlungsausschuss Das durch den Bundesrat beantragte Vermittlungsverfahren nach Artikel 77 des Grundgesetzes zur Finanzverfassung begann am 13. Februar 1969. Die elf Vertreter der Bundesländer wurden durch die Ministerpräsidenten selbst oder durch Fachminister gestellt. Von Seiten der Bundesregierung nahmen in beratender Funktion teilweise Staatssekretäre, aber auch Bundesminister der betroffenen Ressorts teil. Obgleich das Begehren zur Aufteilung des Gesetzes die Forderungen des Bundesrates angeführt hatte, wurde die Beratung dieser Frage zunächst zurückgestellt. Es wurde Einigkeit darüber erzielt, die wichtigsten Fragen der Finanzreform427 zuerst zu beraten. Weitere Beratungspunkte wie die Kompetenzverlagerungen zum Bund sollten erst im Anschluss verhandelt werden.428 Bezeichnend für eine unterschiedliche Problemwahrnehmung war, dass durch die Bundestagsvertreter lediglich zwei Tage für das Vermittlungsverfahren angesetzt wurden,429 während von der Bundesratsseite die Einplanung gleich mehrerer Tage für die Verhandlungen vorgeschlagen wurde.430 Die vorgeschlagenen Änderungen des Artikels 75 Absatz 1 Nr. 1a des Grundgesetzes wurden deshalb erst am 24. Februar 1969 besprochen.431 Die Positionen von Bund und Ländern unterschieden sich zunächst nicht von denen in den öffentlichen Debatten. Die Bundestagsvertreter wollten erweiterte Zuständigkeiten für den Bund durchsetzen, während die meisten Länder dies mit dem Hinweis auf eine ausreichende Selbstkoordinierung ablehnten.
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schwer vorstellbar, dass der Bund von dieser Kompetenz keinen oder nur unzureichenden Gebrauch gemacht hätte. Vgl. BR-StBer. der 334. Sitzung v. 7.2.1969, S. 17. Vgl. ebd., S. 26f. Dies waren der große Steuerverbund und der horizontale Finanzausgleich. Vgl. VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 5.3.1969 über die Sitzung v. 13.2.1969, S. 4-6. Vgl. Abg. Schmidt, ebd., S. 5. Vgl. Senator Heinsen, ebd., S. 5. Vgl. ebd., S. 69-72.
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3.3.3.1 Die Verhandlungen über die Bildungsplanung Zunächst wurde die vorgeschlagene Rahmenkompetenz für die Bildungsplanung beraten. Von Seiten der Länder wurde zwar wiederholt gerügt, der Begriff sei zu unklar und eine Rahmenkompetenz des Bundes auf diesem Gebiet sei nicht erforderlich, aber von Anfang an wurde ebenso die Auffassung vertreten, dass hier etwas geschehen müsse.432 Die Vorstellungen der Länder äußerten sich in zwei Varianten: Die eine Möglichkeit ging auf einen im Rechtsausschuss des Bundestages entstandenen Vorschlag des Bundesinnenministeriums zurück, wonach die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Bildungsplanung in Artikel 73 Grundgesetz, also die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes, überführt werden sollte. Ein zweiter Teil dieses Vorschlags, wonach zusätzlich eine Rahmenkompetenz für die Einrichtungen des Schulwesens und den Beginn und die Dauer der Schulausbildung geschaffen werden sollte, wurde durch die Ländervertreter hingegen ignoriert.433 Die von der Bundesratsmehrheit bevorzugte Alternative entstammte einem Vorschlag des hessischen Ministerpräsidenten Zinn, der angeregt hatte, die Bildungsplanung als Gemeinschaftsaufgabe mit in den neuen Artikel 91b des Grundgesetzes aufzunehmen. Hierdurch sollte im Rahmen des kooperativen Föderalismus die verfassungsrechtliche Grundlage für den Wissenschafts- und Bildungsrat geschaffen werden sowie die Möglichkeit, die notwendige Zusammenarbeit und Finanzierung bei der Bildungsplanung zwischen Bund und Ländern zu regeln.434 Die Tatsache, dass sich die Ländervertreter sogar eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Bildungsplanung vorstellen konnten, diese dem Bund aber offensichtlich nicht genehm war, liegt darin begründet, dass der Bund hierdurch lediglich ein Gesetz hätte erlassen dürfen, das die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern geregelt hätte, möglicherweise auch
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Vgl. Senator Heinsen, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 3.6.1969 über die Sitzung v. 24.2.1969, S. 69. Vgl. hierzu das Protokoll der 101. Sitzung des BT-RA v. 28.11.1968, S. 8; in: PA-DBT, V324, A-105. Vgl. auch die Aussage BM Bendas im Vermittlungsausschuss, der darlegt, eine Ergänzung des Art. 73 GG sei nur mit einer entsprechenden Ergänzung des Art. 75 GG sinnvoll. Vgl. VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 7. Vgl. Senator Heinsen, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 3.6.1969 über die Sitzung v. 24.2.1969, S. 69. Eingriffe über die Bildungsplanung und hier insbesondere die Schätzung des Bedarfs und der Kosten hinaus wurden abgelehnt. Vgl. ebd., S. 70.
noch der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte und keinen direkten Zugriff auf den materiellen Gehalt der Bildungsplanung zugelassen hätte.435 Die Interessen der Akteure können bei aller Varianz der Vorschläge auf einige wesentliche Kernelemente zurückgeführt werden. Die Bundesregierung strebte vor allem ein dem Bund irgendwie zufallendes Mitspracherecht an, das sie in die Lage versetzen sollte, sich auch bei Fragen des Bildungswesens zu beteiligen. Auch eine Beschränkung auf eine gesetzlich geregelte Zusammenarbeit hätte dieser Rolle genügt, da ja vor allem die Bundesregierung diese Zusammenarbeit aktiv wahrgenommen hätte. Im Gegensatz zum Bundestag wäre es der Bundesregierung somit möglich gewesen eigene Vorstellungen in das Bildungswesen einzubringen und sich auf diesem Gebiet zu profilieren. Im geplanten Artikel 91b des Grundgesetzes konnte die Bundesregierung zunächst aber keine Kompetenz erkennen, die ihr nach dem aktuellen Stand aufgrund von Verträgen und Vereinbarungen nicht bereits schon zugestanden hätte.436 Erklärtes Ziel war aber eine Ausweitung der Kompetenzen, weswegen sie sich eine konkrete materielle Zuständigkeitserweiterung gemäß des früheren Vorschlags des Bundesinnenministeriums in Artikel 75 Grundgesetz zum Ziel gesetzt hatte.437 Die Vertreter des Bundestages hielten sich aus der Verhandlung im Wesentlichen heraus. Lediglich die einzige Vertreterin der Liberalen beteiligte sich rege an der Diskussion mit dem Ziel, den Vermittlungsausschuss von der Richtigkeit stärkerer erweiterter Bundeskompetenzen zu überzeugen. Den Bundestagsvertretern aller Parteien kam es vordergründig auf eine Stärkung des Parlamentseinflusses in Bildungsfragen an. Eine Lösung, die eine irgendwie geartete Gesetzgebungskompetenz vorsah, kam ihnen statt einer Erweiterung der Gemeinschaftsaufgaben in Artikel 91b des Grundgesetzes also eher entgegen, 435
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Dies wurde auf Nachfrage noch konkretisiert: „Allerdings könne sich diese Mitwirkung [des BT; T.H.] sowohl bei der ausschließlichen als auch bei der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nur darauf beschränken, Kriterien festzulegen, nach denen geplant wird. Die eigentliche Planung werde immer Sache der Exekutive sein müssen.“ Senator Heinsen, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 3.6.1969 über die Sitzung v. 24.2.1969, S. 70. Vgl. auch Strauß, F.J., Finanzverfassung, 1969, S. 107. BM Benda, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 6. Vgl. hierzu BM Stoltenberg , VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 3.6.1969 über die Sitzung v. 24.2.1969, S. 71. Vgl. auch die internen Vermerke im BMwF (v. 6.2.1968; 15.1.1969; 17.1.1969 u. 7.2.1969) bezüglich einer Etablierung der Bildungsplanung beim Bund; in: BArch, B138, 57110. Hierin äußerte BM Stoltenberg, es komme besonders darauf an, Bildungsplanung durch klarere, für die Länder akzeptable Formulierung zu ersetzen. Vgl. ebd. v. 7.2.1969. Vgl. auch BM Benda, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 5-7.
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während letztere die Bildungspolitik dem Einfluss des Parlaments völlig vorenthalten hätte. Bei dieser Haltung spielte die Öffentlichkeitswirksamkeit des Themas Bildungspolitik und die Möglichkeit, sich mit entsprechenden Vorhaben profilieren zu können, eine sicherlich nicht nur untergeordnete Rolle.438 Die Ländervertreter waren über die Bildungsplanung geteilter Auffassung, was vor allem auch mit der Frage der Finanzierung des Bildungswesens zusammenhing. Gerade die finanzschwächeren Länder erhofften sich bei einem stärkeren Mitspracherecht des Bundes auch eine Beteiligung des Bundes bei der Finanzierung, während dies die finanzstärkeren Länder nicht nötig hatten.439 Generell kam es den Ländern aber darauf an, ihren Einfluss auf das Bildungswesen nicht zu weit einzudämmen und dem Bund nur ein minimales Mitspracherecht zu geben, das sich zudem nicht auf inhaltliche Aspekte erstrecken sollte. Für die Länder erschien eine Lösung, die die Bildungsplanung als Gemeinschaftsaufgabe fasste, demzufolge positiver, da dies die Möglichkeit eröffnete, die Koordinierung direkt mit der Bundesregierung vorzunehmen.440 Nachdem die Positionen der Akteure im Vermittlungsausschuss abgesteckt worden waren, setzte der Prozess der Kompromissbildung ein. Die Diskussion hierzu wurde beinahe ausnahmslos zwischen Vertretern der Bundesregierung und des Bundesrates geführt und ergab zunächst das Zugeständnis der Länder, auch der Bund müsse neben der Regelung des Verfahrens der Bildungsplanung in die materiellen Aspekte der Bildungsplanung eingreifen können.441 Wie die materiellen Kompetenzen des Bundes aussehen sollten, blieb offen; gemeint war aber offenkundig die Einflussnahme des Bundes auf die bestehenden Gremien Bildungs- und Wissenschaftsrat.442 Die finanzschwächeren Länder stellten Anträge, die dem Bund vor allem bei den Abschlüssen, Schulzeiten, der äußeren Struktur und den Schulformen mehr Einfluss zuteil werden lassen sollten, was 438
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Vgl. hierzu Abg. Funcke; Abg. Reischl, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 3.6.1969 über die Sitzung v. 24.2.1969, S. 70;71. Vgl. auch das Protokoll der CDU-Bundestagsfraktion über die Sitzung v. 20.3.1969; in: ACDP, VIII-001-1018/1. Fraktionsvorsitzender Barzel: „Bei der Bildungsgeschichte sind wir nicht zufrieden, da wollen wir mehr haben.“ Ebd. Allgemein standen sich bei den Verhandlungen zur Finanzreform im Wesentlichen drei Gruppen gegenüber: Finanzstarke-, finanzschwache Länder und die Bundesregierung. Vgl. das Protokoll der SPD-Bundestagsfraktion über die Sitzung v. 25.2.1969; in: AdsD, 5. WP, Nr. 118 (Bericht des Abg. Möller an die Fraktion). Vgl. die Begründung MP Zinns, der darlegt, die Bildungsplanung sei immer eine Sache der Exekutive, weswegen er den Vorschlag bezüglich Art. 91b GG gemacht habe. VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 3f. Vgl. MP Zinn, ebd., S. 6. BM Benda stellte hierzu fest, dass die „vorgeschlagene Neufassung des Art. 91 b (…) der Sache nach dem Bund keine neuen Möglichkeiten einer Mitwirkung an der Planung bildungspolitischer Maßnahmen einräume.“ Ebd., S. 6.
eine theoretische Mehrheit des Vermittlungsausschusses für die Einbettung der Bildungsplanung in die ausschließliche oder die Rahmengesetzgebungskompetenz bedeutete. Da der Vermittlungsausschuss aber gehalten war, einen Beschluss zu fassen, der auch in den beschlussfassenden Gremien Bundestag und Bundesrat mehrheitsfähig war, die finanzstarken Länder von ihrer Haltung aber nicht abrückten, wurden letztlich alle Anträge, die etwas anderes als eine Erweiterung von Artikel 91b Grundgesetz vorgesehen hatten, mit großer Mehrheit abgelehnt und die genannte Erweiterung mit ebenso deutlicher Mehrheit angenommen.443 Von der jeweiligen Zielsetzung der Akteure ausgehend lässt sich feststellen, dass sich die Vertreter des Bundesrates, und hier vorwiegend die der reichen Länder, gegenüber dem Bund durchgesetzt haben. Zwar haben Bundestag und Bundesregierung die Etablierung eines Mitspracherechts des Bundes bei der Bildungsplanung erreicht, dieses war aber ohne jedes Beteiligungsrecht für den Bundestag ausgestaltet worden und bestätigte für die Bundesregierung lediglich das, was bisher im Rahmen von Verträgen und Absprachen mit den Ministerpräsidenten schon möglich war. Eine wirkliche Minderung ihres Einflusses mussten die Länder in dieser Frage also nicht befürchten. 3.3.3.2 Die Verhandlungen über das Hochschulwesen Beim Hochschulwesen lagen die Interessen der Akteure näher beieinander. Trotz ihrer ablehnenden Haltung im Bundesrat machten die Ländervertreter gleich zu Beginn der Diskussion deutlich, dass auch sie eine Rahmenkompetenz für notwendig hielten. Um einen zu starken Bundeseinfluss zu vermeiden, verlangten sie aber eine Eingrenzung des Begriffs „Hochschulwesen“. Die Kompetenz sollte sich ihrer Meinung nach nur auf die Hochschulverfassung und das Hochschulordnungsrecht erstrecken. Lediglich die Länder Schleswig-Holstein und Bremen sprachen sich für die Beibehaltung des Begriffs Hochschulwesen 443
Die Neufassung des Artikels 91b GG in der Form „Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung der Kosten wird in der Vereinbarung geregelt“ wurde mit 19:3 Stimmen angenommen. Anträge, die darauf abzielten, dem Bund konkrete materielle Befugnisse zu erteilen, wurden mit 6:14 und 3:17 Stimmen bei jeweils einer Enthaltung abgelehnt. Die Einfügung einer neuen Nummer zwölf in Art. 73 GG „die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Bildungsplanung“ verfehlte mit 1:19 Stimmen bei zwei Enthaltungen deutlich die Mehrheit. VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 7f.
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aus, um neben einer einheitlichen Regelung über die Hochschulverfassung auch die Studienreform, also den materiellen Gehalt der Studiengänge, einheitlich regeln zu können.444 Der Bundesregierung und dem Bundestag kam es hingegen auf die unbeschränkte Rahmengesetzgebungskompetenz über das Hochschulwesen an, da sie eine Kompetenz nur über die Hochschulverfassung als ungenügend empfanden. Neben dem Grundaufbau der Studiengänge wollten die Bundesvertreter auch die Abschlüsse bundeseinheitlich regeln können.445 Hatten die Länder noch im Sonderausschuss des Bundesrates Kompetenzverlagerungen abgelehnt, hatten sie nun gewichtige Gründe für ihre Kompromissbereitschaft: Ihre Versuche sich auf gemeinsame Regelungen zu einigen, waren seitdem gescheitert, und sie fühlten sich außerstande, von den Hochschulen und den demonstrierenden Studenten unbeeinflusste Hochschulgesetze zu verabschieden. Deshalb wollten sie mit ihren Gesetzen zum einen die Autonomie der Hochschulen einschränken, da diese „manchmal zu extensiv ausgelegte Autonomie der Universitäten, (…) den Ländern (…) bei der Hochschulreform so viel Schwierigkeiten“446 bereitete. Sie empfanden es deshalb als positiv, wenn diese Autonomie durch ein Bundesrahmengesetz zumindest psychologisch, vielleicht sogar auch rechtlich etwas eingeschränkt würde.447 Zum anderen, und dieser Grund wog wesentlich schwerer, hatten die Länder in den Protesten der Studenten eine Bedrohung der Unabhängigkeit ihrer Landesparlamente erkannt, die sich in ihrer Arbeit behindert sahen. Zudem war es aus demselben Grund schwierig, Ordnungsmaßnahmen an den Universitäten durchzusetzen, weswegen auch diese Aufgabe an den Bund abgegeben werden sollte. Die Länder wollten sich im Wesentlichen also vom äußeren Druck der Studentendemonstrationen befreien und diesen Druck auf den Bund ablenken. Ausdrücklich erklärte Ministerpräsident Zinn, er halte es für wünschenswert, „daß zumindest auf dem Gebiet der Hochschulverfassung durch die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes verhindert werde, daß die Landesgesetzgebung unter dem Druck der Demonstranten bzw. der Straße stehe“.448 Und Bundesminister Stoltenberg stimmte zu, indem er konstatierte, dass die „außer-
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Vgl. MP Zinn; MP Goppel; Senator Heinsen; MP Lemke; MP Filbinger; Bürgermeister Koschnick, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 8-12. Vgl. BM Stoltenberg, ebd., S. 9f. MP Zinn, ebd., S. 8. Vgl. MP Zinn, ebd., S. 8. MP Zinn, ebd., S. 9.
ordentlich große Unruhe an den Universitäten (…) auch die Landtage beeinflusse“.449 Gerade die Frage des Ordnungsrechtes machten die Bundesratsvertreter deshalb zum Schwerpunkt ihrer Argumentation und verlangten zunächst, obschon ein Ordnungsrecht durch die Begriffe Hochschulwesen und Hochschulverfassung mit abgedeckt wurde, es expressis verbis im Grundgesetz aufzuführen.450 Diese Haltung der Länder bestätigt die schon gegenüber Bundeskanzler Kiesinger vertretene Auffassung, bei den Studentendemonstrationen handle es sich um eine große Gefahr. Andererseits waren die Bundesratsmitglieder aber darauf bedacht, dem Bundesgesetzgeber keine zu weitgehenden materiellen Zugeständnisse hinsichtlich des Hochschulrechts zu machen. Bundesminister Stoltenberg versuchte ihnen diese Befürchtung zu nehmen, indem er die dem Bund erwachsende Machtfülle relativierte. „Erst wenn die eingeleiteten Gesetzgebungsverfahren [bezüglich der Hochschulgesetzgebung; T.H.] in den Ländern abgeschlossen seien, ergebe sich, in welchem Umfang eine rahmenrechtliche Regelung des Bundes nach Art. 75 GG getroffen werden müsse, die ja ausdrücklich an die Voraussetzungen von Art. 72 GG gebunden sei. Im Hinblick auf diese Situation sollte man an dem etwas weiteren Begriff `Hochschulwesen´ in Art. 75 Nr. 1a festhalten und ihn später nur in dem Umfang ausfüllen, wie das tatsächlich auf Grund der vorliegenden Landesgesetze erforderlich sei.“451 Wenig später konkretisierte er, „er halte es für sehr unwahrscheinlich, ja, für ausgeschlossen, daß eine Rahmengesetzgebung des Bundes tiefer in die Belange der Universität und ihre Selbstverwaltung eingreife, als dies durch die Gesetzgebung der Länder auf Grund sachlicher Überlegung geschehen müsse“.452 Fraglich ist, inwieweit der Bundesminister seinen Worten selbst Glauben schenkte. Bedenkt man die Vorgeschichte dieser neuen Regelung der Bundeskompetenz und die zahlreichen Begehrlichkeiten gerade auf Seiten des Bundestages, aber auch innerhalb des Bundesforschungsministeriums, mutet seine
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BM Stoltenberg, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 9. Bemerkenswert ist diese Äußerung vor dem Hintergrund der im Sonderausschuss des Bundesrates beschlossenen Absicht, den Bund vor dem konzentrierten Druck der Proteste bewahren zu wollen. Vgl. u.a. die Ausführungen des bay. MP Goppel in: VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 10. BM Stoltenberg, ebd., S. 9. M Stoltenberg, ebd., S. 13. Ähnlich äußerte sich auch die Abg. Funcke, die darauf hinwies, dass der Bund mit der Rahmengesetzgebung erheblich in seinen Möglichkeiten eingeschränkt wäre. Vgl. ebd., S. 12.
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Aussage jedenfalls eher wie eine Beruhigung an, die den Bundesratsvertretern ihre Zustimmung psychologisch erleichtern sollte. Ein Vermittlungsvorschlag des Ministerpräsidenten Zinn ermöglichte schließlich die Einigung. Der Begriff „Hochschulwesen“ sollte zwar beibehalten, jedoch ähnlich der Rahmenkompetenz für das Pressewesen durch die Formulierung „die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ eingeschränkt werden. Nach Zustimmung der Regierungsvertreter wurde dieser Vorschlag zum Antrag erhoben und von den Ländern ausdrücklich mit der Forderung verbunden, dass durch diese Fassung auch das Hochschulordnungsrecht erfasst werde, was von dem Berichterstatter sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat ausdrücklich hervorgehoben werden sollte.453 Der Antrag wurde nebst Zusatzbedingung zur Abstimmung gestellt und mit 19:2 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.454 Zusammenfassend war die Zustimmung zur Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung vor allem in den finanziellen Interessen der Länder begründet und konnte erreicht werden, weil sie den Status quo festschrieb, ohne die armen Länder von den finanziellen Zuwendungen des Bundes abzuschneiden oder die reichen Länder einem noch stärkeren Bundeseinfluss auszusetzen. Beim Hochschulwesen hatten die Länder eine Möglichkeit gesucht, die Autonomie der Hochschulen zu schwächen und ihre eigene Position zu stärken. Außerdem fühlten sie sich von den demonstrierenden Studenten in ihrer Handlungsfreiheit bedroht. Als ihnen auf ihrer Ebene im Vorfeld keine einheitliche Lösung gelungen war, schufen sie die Grundlage für eine Lösung des Bundes, ohne aber inhaltlich festzulegen, wie diese später ausgestaltet werden sollte. Zusätzlich zu den Eigeninteressen der Länder an einer Kompetenzverschiebung ist es auch denkbar, dass diese eine Art Verhandlungsmasse darstellte, die zur Durchsetzung wichtigerer Ziele im Rahmen der Finanzreform eingesetzt wurde. Zwar überwog in den Verhandlungen die sachliche Argumentation, jedoch war die Finanzreform das eigentliche Reformziel der großen Koalition und wurde sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat als Priorität angesehen. So ist es denkbar, dass die Hochschulrahmenkompetenz als weniger wichtig angesehen wurde. Hierfür spricht auch, dass später im Bundesrat geäußert
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Vgl. MP Zinn; BM Stoltenberg; Abg. Schmidt, VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 14. Stillschweigend akzeptierten die Bundesratsmitglieder mit diesem Vorschlag auch die Minimalforderungen der Bundesregierung, dass die Rahmenkompetenz des Bundes auch die Studiengänge und die –abschlüsse mit umfasse. Vgl. hierzu BM Stoltenberg, ebd., S. 13. Vgl. ebd., S. 14.
wurde, Bund und Länder hätten sich im Vermittlungsausschuss in der Frage der Kompetenzverschiebungen zu gleichen Teilen durchgesetzt.455 3.4 Die Rolle von Interessenverbänden im Gesetzgebungsprozess Fraglich ist, ob die Entscheidung der Politiker durch Interessenverbände beeinflusst wurde. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Verbände ihre Forderungen und Interessen durchsetzen können, indem sie der Politik mit dem Entzug von Wählerstimmen drohen.456 Im Regelfall bietet die Ministerialbürokratie den Verbänden dabei ein Forum, auf dem sie bereits in der Entstehungsphase Einfluss auf die Gesetze nehmen können.457 Grundsätzlich versuchen Verbände aber, auf jede Phase des politischen Willensbildungsprozesses Einfluss zu nehmen, und wenden sich hierzu an Organe, Ausschüsse oder einzelne Politiker.458 Die Änderung der Kompetenz für die Hochschulgesetzgebung und die Bildungsplanung stellt hierbei einen Sonderfall dar. Da diese Vorhaben in der Regierungsvorlage noch nicht enthalten waren, sondern erst im parlamentarischen Verfahren der Finanzreformgesetzgebung hinzugefügt wurden, konnten die Interessenverbände im Vorfeld des parlamentarischen Verfahrens keinen Einfluss ausüben. Nächster Adressat für die Verbände wären somit die Bundestagsausschüsse gewesen, in denen letztlich die Beschlüsse des Bundestages vorbereitet wurden. Hierbei ist es nie auszuschließen und letztlich auch nicht nachzuweisen, dass einzelne Ausschussmitglieder unter dem Einfluss von Interessenvertretern standen.459 Offizielle Stellungnahmen an den Ausschuss, ein häufig gewähltes Mittel der Verbände, sind in den stets sehr sorgfältig geführten Akten 455
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„Der Vermittlungsvorschlag liegt nahezu mathematisch genau in der Mitte zwischen den Vorstellungen des Bundestages und denen des Bundesrates.“ Senator Heinsen (Hamburg), BRStBer. der 338. Sitzung v. 9.5.1969, S. 109. Vgl. Heinze, R.G.; Voelzkow, H., Interessengruppen, 2000, S. 242. Vgl. ebd., S. 245. Hiervon profitiert auch die Ministerialbürokratie, die oft auf den Sachverstand der Verbände angewiesen ist und eine Beteiligung der Interessenverbände in der Regel von sich aus anbietet. Vgl. hierzu Varain, H.J., Verbände, 1964, S. 414. Vgl. Massing, P., Interessengruppen, 2002, S. 210. Vgl. Obereuter, H., Bundestag, 2000, S. 97. Vgl. auch Schmölders, G., Verbände, 1965, S. 141, Schüttemeyer, S.S., Gesetzgebung, 2002, S. 164, Breiting, R., Verbände, 1955, S. 89 u. Merkatz, H.-J., Lobby, 1969, S. 198. Vgl. Varain, H.J., Verbände, 1964, S. 416. „Schon durch die gleichzeitige Mitgliedschaft fast aller Parteimitglieder in einem Verband – und oft sogar mehreren – wird eine dichte personelle Verflechtung erreicht. Meist sind es gerade auch die führenden Personen in beiden Gruppen, durch die diese Verbindung besonders eng gestaltet wird.“ Ebd.
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des Bundestages für die Änderung der Hochschulgesetzgebungskompetenz aber nicht verzeichnet.460 Auch bezüglich der gesamten Finanzreform fehlte „unter den mitwirkenden Kräften (…) eine, die im Gesetzgebungsverfahren der Bundesrepublik oft eine entscheidende Rolle spielt: die Lobby der Wirtschaftverbände“.461 Dies ist vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass gerade die Bildungspolitik für die Wirtschaft erklärtermaßen von hohem Interesse war.462 Hinweise über den Einfluss auf Parteien sind der Stellungnahme damaliger Akteure zu entnehmen. Der Verbandseinfluss kam in diesem Fall über den FDPSchatzmeisters zum tragen mit dem Ziel, diesen gegen die eigenen Parteimitglieder im Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Publizistik aufzubringen.463 Nach Beschlussfassung durch den Bundestag wäre eine Einflussnahme der Interessenverbände lediglich noch bei den Angehörigen des Bundesrates vorstellbar und zielführend gewesen. „Dies wird indessen durch das Verfahren, in dem die Entscheidungen des Bundesrates zustande kommen, wesentlich erschwert.“464 Prinzipiell ist auch die Zeit, die den Interessenvertretern bleibt, um Stellungnahmen vorzubereiten und diese an die Mitglieder des Bundesrates zu versenden, viel zu gering, wenn man die kurzen Fristen bedenkt, innerhalb derer der Bundesrat zu einem Gesetzentwurf des Bundestages Stellung nehmen muss. Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass das Interesse der Verbände an diesem Gesetz gering war, dass es möglicherweise in dem großen Reformpaket der Finanzreform weitestgehend untergegangen ist und ein wirklicher Einfluss im Sinne einer Beeinflussung nicht nachweisbar ist.465
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Vgl. PA-DBT, V-324. So der damalige Senator der Freien und Hansestadt Hamburg Ernst Heinsen in seinem Rückblick auf die Finanzreform. Heinsen, E., Finanzreform, 1989, S. 188. Vgl. die Aussage des damaligen Vorsitzenden des Gesprächskreises Wissenschaft – Wirtschaft H. Reusch: „Es ist gelegentlich an mich die Frage gestellt worden, warum wir aus der Wirtschaft uns so intensiv um den Bildungsbereich kümmern. Mir scheint, die Antwort ist ganz einfach zu geben: Ohne eine ihre Aufgabenerfüllung gerecht werdende deutsche Wissenschaft und Bildung keine funktionsfähige deutsche Wirtschaft.“ Zit. nach Heiseler, W.; Nix, D., Zwischenbilanz, 1969, S. 31. Vgl. das Schreiben des FDP-Abg. Moersch an den Verfasser v. 21.6.2007. Hesse, K., Bundesstaat, 1984, S. 142f. „Die Bundesratsvertreter sind nur zu den – nicht zu häufigen – Sitzungen des Bundesrates in Bonn, und dann sind die Entscheidungen durch die Entscheidungen der Ausschüsse, diese wiederum durch informelle Koordination der Landesministerien zumeist soweit präjudiziert, daß an ihnen wenig mehr zu ändern ist.“ Ebd. Lediglich im Nachgang der Gesetzgebung stellten Interessenverbände wie z.B. die GEW Forderungen über den Umgang mit der neu geschaffenen Gesetzeskompetenz auf. Vgl. o.V., GEW, 1969, S. 23.
3.5 Zusammenfassung Das übergeordnete Ziel der Politiker in Bund und Ländern war eine Neuordnung der Finanzverfassung, um eine effektivere Verteilung der Staatsfinanzen zu erreichen. So war die Verabschiedung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Hochschulwesen nur ein kleiner Bereich des Reformvorhabens der großen Koalition und ging auf einen Antrag der in der Opposition stehenden FDP zurück. Diese hatte ursprünglich die konkurrierende Gesetzgebung für das Hochschulwesen und die Rahmengesetzgebung für das Bildungswesen gefordert. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass grundsätzlich bei allen Parteien auf Bundesebene und im zuständigen Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung Zustimmung zu den Vorschlägen der Liberalen herrschte. Zwar waren nicht alle Parlamentarier von der Notwendigkeit einer so weit reichenden Kompetenzverlagerung überzeugt, aber für eine grundsätzlich stärkere Einflussnahme des Bundes auf das Bildungs- und Hochschulwesen gab es in allen Fraktionen des Bundestages Unterstützung. Neben der FDP trat hier insbesondere die CDU hervor, die auf ihrem Bundesparteitag 1968 die Forderung einer Bundesrahmenkompetenz für das gesamte Bildungswesen beschlossen hatte. Das durch die Union geführte Bundeswissenschaftsministerium hielt eine Kompetenz für die Bildungsplanung für wünschenswert und sah auch in einer Bundeskompetenz für das Hochschulwesen Vorteile. Die SPD-Bundestagsfraktion konnte sich nicht mehrheitlich zu einem gemeinsamen Standpunkt für eine Ausweitung der Bundeskompetenzen entschließen und war nach innen in ihrer Haltung äußerst heterogen. Bereits in den 1950er Jahren hatte es zudem Versuche gegeben, den Bund zu einem stärkeren Engagement in Bildungs- und Hochschulfragen zu bewegen, die auch von der SPD unterstützt wurden. Einzig die CSU konnte einer Ausweitung von Bundeskompetenzen nichts positives abgewinnen, was auf den grundsätzlich föderativen Charakter der bayerischen Partei zurückzuführen ist. Die Untersuchungen haben aber auch gezeigt, dass die Parteien der großen Koalition sowohl im Parlament als auch in der Bundesregierung die offene Konfrontation mit den Ländern um eine Ausweitung der Bundeskompetenzen scheuten. Ausschlaggebend hierfür war die Finanzreform, welche auch durch den Bundesrat beschlossen werden musste und nicht gefährdet werden sollte. Obwohl grundsätzlich für eine Stärkung der Bundeskompetenzen eingestellt, erteilte deshalb auch der Bundeswissenschaftsminister solchen Plänen im Plenum des Bundestages zunächst eine Absage, und auch die Abgeordneten in den Ausschüssen hielten sich mit Forderungen insgesamt zurück. Das Thema wurde im 117
Wissenschaftsausschuss des Bundestages zudem erst etwa ein Jahr nach Verweisung an den Ausschuss behandelt. Letztlich obsiegten aber diejenigen Bildungspolitiker in den Fraktionen, die gerade im Bildungs- und Hochschulwesen eine Ausweitung der Bundeskompetenzen für erforderlich und die Gelegenheit, dies in der großen Koalition zu erreichen, für günstig hielten. Man einigte sich deshalb auf eine abgeschwächte Gesetzesformulierung, indem man dem Bund über das Hochschulwesen nicht die konkurrierende, sondern lediglich die Rahmenkompetenz übertragen wollte. Das Verhandlungsklima innerhalb des Bundestages war sehr ruhig und konstruktiv. Es kam kaum zu Streitigkeiten zwischen den Koalitionspartnern, sondern eher zu Auffassungsunterschieden innerhalb der einzelnen Parteien. Die Abgeordneten aller Parteien konzentrierten sich auf die mögliche Haltung der Länder insgesamt und argumentierten nicht nach Parteizugehörigkeit. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Koalitionsparteien keine ausgeprägte Form der Zusammenarbeit betrieben, sondern eher in ihren jeweiligen Parteigremien nach Lösungen suchten, ohne hier in einem hervorstechenden Maße die Koordinierung mit dem Koalitionspartner anzustreben. Das Bundeswissenschaftsministerium begleitete die Beratungen im Bundestag konstruktiv und intensiv, obwohl es rein formal für die Gesetzgebung in diesem Stadium nicht mehr zuständig war. In den föderalen Auseinandersetzungen mit dem Bundesrat übernahm das Ministerium dann aber die Federführung für die Interessenvertretung des Bundes. Es engagierte sich insbesondere im späteren Vermittlungsverfahren, in dem die Vertreter des Bundeswissenschaftsministeriums und sogar der Bundesminister selbst die Wortführung für die Interessen des Bundes übernahmen. Lediglich die in der Opposition stehenden liberalen Abgeordneten artikulierten ihre Interessen eigenständig. Die Bundesländer standen einer Kompetenzverlagerung zunächst ablehnend gegenüber und machten dies auch im Bundestag deutlich. Intern war ihr Lager aber gespalten. Obwohl man vermuten könnte, die Länder hätten die Bundesregierung aufgrund der gleichen parteipolitischen Färbung unterstützt, war das Gegenteil der Fall. Da der Parteienstreit im Bundestag in der großen Koalition ausgeschaltet war, konnte sich dieser auch nicht auf den Bundesrat übertragen. Da es für die Länder aber nicht erforderlich war, in ihr Stimmverhalten parteipolitische Erwägungen mit einfließen zu lassen, konnten sie losgelöst von Parteiinteressen in erster Linie ihre eigenen Landesinteressen vertreten. Es herrschte somit kein Parteien-, sondern ein föderaler Konflikt vor. Bezogen auf die Finanzreform waren die Länderinteressen parteienübergreifend insbesondere auf ihre Finanzkraft fokussiert. Während die finanzstarken Länder stärkere Einflussmöglichkeiten des Bundes ablehnten, wurden diese durch die fi118
nanzschwachen Länder begrüßt, versprach ein Engagement des Bundes doch auch Finanzmittel, auf die sie angewiesen waren; die finanzstarken Länder dagegen glaubten, sich die eigene Unabhängigkeit leisten zu können. Bei der Bildungsplanung und dem Hochschulwesen konnten die Länder demzufolge eher Opposition gegen die Vorstellungen des Bundes betreiben, auch wenn ihre Regierungen von den Parteien der großen Koalition geführt wurden. Konnten zumindest die finanzschwachen Länder den Vorschlägen zur Bildungsplanung noch etwas abgewinnen, da sie hier auf vermehrte Finanzunterstützung des Bundes hofften,466 so wurde eine Hochschulkompetenz des Bundes zunächst als unnötig abgelehnt. Dass die Länder der Hochschulrahmenkompetenz und einer Festschreibung der Bildungsplanung schließlich dennoch zustimmten, hat mehrere Gründe. In der Frage der Bildungsplanung wurde nur die ohnehin schon praktizierte Zusammenarbeit von Bund und Ländern festgeschrieben, wie sie seit den 1960er Jahren in den verschiedenen Koordinierungsgremien, wie dem Bildungsrat betrieben wurde. Dies war vor allem den finanzschwachen Ländern wichtig und hat die finanzstarken nicht grundsätzlich in ihren Möglichkeiten eingeschränkt. Im Hochschulbereich wurde eine Einigung als dringend erforderlich angesehen. Da die Länder sich nicht auf eine einheitliche Hochschulreform verständigen konnten, drohte eine Auseinanderentwicklung des Hochschulsystems in der Bundesrepublik. Die Länder hatten versucht, den Sachverhalt gemeinsam durch einen Staatsvertrag zu regeln, was ihnen aufgrund zu unterschiedlicher Vorstellungen jedoch nicht gelungen war. Dieses Unvermögen, das je eigene Gesetzeshandeln zu koordinieren, öffnete dem Bund so die Tür, diese Kompetenz für sich zu beanspruchen, und zwang die Länder, dem zuzustimmen. Entscheidend für die Zustimmung der Länder waren letztlich aber die gemeinsam als Bedrohung aufgefassten Studentenproteste, durch die sich die Landesregierungen an einer effektiven Durchführung einer Hochschulreform gehindert sahen. Durch diesen „Druck der Straße“ fühlten sich die Länder insbesondere daran gehindert, ordnungsrechtliche Bestimmungen zu erlassen, und sie wollten diesen Sachverhalt deshalb einheitlich durch den Bund regeln lassen. Konsequenterweise forderten sie deshalb zunächst auch nur eine Bundesrahmenkompetenz für das Ordnungsrecht und einige Teile des Hochschulwesens, die insbesondere die von den Ländern als zu weitgehend empfundene Autonomie der Hochschulen einschränken sollte. Allerdings ließ sich der Bund auf diesen Kompromiss nicht ein, so dass letztlich zwar eine erklärtermaßen eingeschränkte, aber auf das gesamte Hochschulwesen bezogene Rahmenkompetenz 466
Vgl. Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 18.
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beschlossen wurde. Jedoch versprachen die Bundesvertreter, von dieser Kompetenz nur sehr eingeschränkt Gebrauch zu machen. Ein dritter Umstand, der sich begünstigend auf die Kompetenzverlagerung auswirkte, war die Tatsache, dass keine inhaltlichen Vorstellungen über ein späteres Hochschulrahmengesetz entwickelt wurden. Die Folgen der Kompetenzübertragung blieben demzufolge abstrakt. Grundsätzlich konnten sowohl die Vertreter der SPD als auch die der Union davon ausgehen, in der nachfolgenden Legislaturperiode die Bundesregierung zu stellen und ihre hochschulpolitischen Vorstellungen dann verwirklichen zu können.467 Mit einem den je eigenen hochschulpolitischen Interessen entsprechenden Bundesrahmengesetz im Rücken hätte sich eine Hochschulreform auch in den Landtagen wesentlich einfacher umsetzen lassen. Es gibt allerdings keine Belege dafür, dass eine derartige taktische Denkweise für die Zustimmung der einzelnen Länder zu den Kompetenzverlagerungen eine Rolle spielte. Wahrscheinlicher ist, dass das Hochschulwesen auch als Verhandlungsmasse im Rahmen der großen Finanzreform eingesetzt wurde, für die die Länder nachgaben, um in anderen Sachgebieten ihre Interessen deutlicher wahren zu können. Außerdem waren die Kompetenzverlagerungen nur ein kleiner Teil im Rahmen der Finanzreform.468 Dennoch markierten sie die offizielle Abkehr vom Prinzip des reinen Kulturföderalismus.469
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Für die Union war es zu jener Zeit undenkbar, dass jemals ein Zustand hätte eintreten können, in dem sie die Regierung nicht stellen bzw. führen würde. Die SPD wiederum, die noch nie einen Bundeskanzler gestellt hatte, konnte mit guten Gründen davon ausgehen, die Regierung stellen zu können. Die FDP hatte durch ihre Unterstützung bei der Bundespräsidentenwahl zu erkennen gegeben, dass sie nach der nächsten Wahl zu einer Koalition mit der SPD bereit wäre. Vgl. Moersch, K., Abenteuer, 2001, S. 279. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner träumte zudem von einer einmal allein regierenden Sozialdemokratie und betrachtete die große Koalition hierzu nur als Zwischenstation. Vgl. ebd. Zudem waren die Mitglieder der FDP schon 1967 gegenüber einer Koalition mit Union oder SPD gleichermaßen positiv eingestellt. Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Vermerk für den Bundeskanzler über „Das Bild der politischen Meinung in der Bundesrepublik Deutschland“ v. 22.3.1967; in: BArch, B145, 3920. Aus diesem Grund waren an der Kompromissfindung und Kompetenzverschiebung auch keine Kultusminister oder die Kultusministerkonferenz beteiligt. Vgl. Führ, C., Koordination, 1998, S. 74. Vgl. Wiater, W., Geschichte, 1997, S. 696.
4 Das Hochschulrahmengesetz von 1976
4.1 Die gesellschaftspolitischen und verfassungsrechtlichen Konfliktlinien einer Hochschulrahmengesetzgebung Mit dem 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes hatte der Bund die Kompetenz erhalten, Rahmenregeln für das Hochschulwesen aufzustellen und für die Länder verbindlich zu machen. In der sozialliberalen Koalition galt es nun, diesen bislang abstrakt gehaltenen Rahmen konkret auszufüllen. Bestand im Vorfeld nur eine vage Übereinstimmung über die Inhalte eines Rahmengesetzes, die mit den Schlagwörtern Ordnungsrecht, Studienreform und Bildungsexpansion umrissen werden können, so war die materielle Ausgestaltung dieser Themenfelder bislang kaum diskutiert worden. Nicht einmal über den Umfang des Begriffs „Hochschulwesen“ hatte zum Zeitpunkt der Kompetenzübertragung Einigkeit geherrscht. Einmütigkeit hatte nur darüber bestanden, dass es eine Studienreform geben, die Bildungsexpansion durch eine Ausweitung der Quantität der Hochschulen gelöst werden und die Unruhe an den Hochschulen beendet werden müsste. Der Weg dahin war jedoch offen gelassen worden.470 Die noch in der großen Koalition begonnene Umsetzung der Gesetzgebungskompetenz stand zudem bereits im Zeichen des Bundestagswahlkampfs 1969, in dem das Thema Bildung durchaus eine wichtige, wenn auch nicht die tragende Rolle gespielt hatte.471 Die Einigung auf eine einheitliche Vorgehensweise zwischen Union und SPD sowie dem Bund und den Ländern war demzufolge schwierig, wenn nicht gar ausgeschlossen. Hinzu kam noch das Problem der Reichweitenauslegung der neu geschaffenen Bundeskompetenz. Bevor ein ernsthaftes Bemühen um ein Hochschulrahmengesetz begonnen werden konnte, musste zunächst einmal einvernehmlich geklärt werden, wie stark die Befugnis470
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Vgl. die diesbezügliche Diskussion im Vermittlungsausschuss. VA-KPr. Nr. 12 (V/1965) v. 4.7.1969 über die Sitzung v. 26.2.1969, S. 8-14. Ganz vage wurden die Inhalte einer Bundesregelung mit „Prüfungsordnungen, Habilitationsvorschriften und ähnliches“ (MP Zinn, ebd. S. 8) angerissen, ohne diese Themenfelder aber materiell auszufüllen. Das Hauptthema im Wahlkampf war das eher spezielle Problem einer Aufwertung der DMark. Vgl. Thränhardt, D., Bundesrepublik, 2000, S. 73.
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se des Bundes durch die Beschränkung auf die „allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ begrenzt waren. Da diese Arbeit sich nicht primär materiell mit dem Hochschulrahmengesetz beschäftigt, werden nur die wichtigsten inhaltlichen Streitpunkte eingehender behandelt, sofern diese für den Gesamtzusammenhang wichtig sind. 4.1.1 Die formalen Konflikte Wurde die Verschiebung der Gesetzgebungskompetenz noch unter den Vorzeichen gleicher Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat vollzogen, so wurde das Gesetzgebungsverfahren in der sozialliberalen Koalition durch die nunmehr unterschiedlichen Mehrheiten verkompliziert. Bevor es überhaupt zu inhaltlichen Debatten über das angestrebte Hochschulrahmengesetz kommen konnte, wurden Problemkomplexe diskutiert, deren Lösung sich weit in das Gesetzgebungsverfahren hineinziehen sollte. Undurchsichtig waren zunächst die Folgen der neuen Rahmengesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen. Die rechtliche Würdigung der Einschränkung auf „allgemeine Grundsätze“ war Gegenstand vielfacher Diskussionen, und es blieb zunächst fraglich, inwieweit der Bund dadurch am Erlass auch partieller Einzelreglungen gehindert war.472 Die Länder machten geltend, der Bund habe nur eine sehr beschränkte Rahmenkompetenz, die an sich schon Detailregelungen sehr stark begrenze; in diesem speziellen Fall habe er gar keine Möglichkeit, Einzelheiten zu regeln. Vielen inhaltlichen Reformansätzen der Bundesregierung sollte mit dieser Argumentation die verfassungsmäßige Grundlage entzogen werden. Im Bundesrat wurden solche Argumente sowohl in der sechsten als auch in der siebten Legislaturperiode vorgebracht.473 Offensiv verfochten wurden die Thesen über die eingeschränkte Regelungskompetenz des Bundes vor allem von den unionsgeführten Ländern.474 Die sozialdemokratisch geführten Länder stärkten der Bun-
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Vgl. Schmittner, K., Gedanken, 1969, S. 20. Im BMwF stieß die Auslegung des Begriffs „allgemeine Grundsätze“ auf Schwierigkeiten. Vgl. das Schreiben v. 15.10.1969; in: BArch, B138, 4112. Vgl. Staatsminister Maier (Bayern), BR-StBer. der 361. Sitzung v. 29.1.1971, S. 20f. Vgl. Kultusminister Hahn (BW), BR-StBer. der 397. Sitzung v. 19.10.1973, S. 306. Vgl. den Vermerk über die Erörterung des RefE mit den sozialdemokratischen Kultusministern am 17.7.1970; in: BArch, B138, 57117.
desregierung zwar nach außen den Rücken, warnten intern aber ebenfalls vor einer Kompetenzüberschreitung.475 Derartige Erklärungen der Landesvertreter konnten beim Bund nicht unbeachtet bleiben. Zumindest musste sich die Bundesregierung sicher sein können, dass ihr Gesetz einer anschließenden Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten würde, die bei einer Verabschiedung gegen die Interessen der Länder absehbar war.476 Da eine zu strikte Auslegung des Verfassungstextes wesentliche Reformziele der sozialliberalen Koalition unterbunden hätte, war die Frage nach der Reichweite der Gesetzgebungskompetenz für die Bundesregierung von großer Bedeutung.477 Nach Verkündigung der Grundgesetzänderung 1969 und in den Folgejahren wurde diese bedeutsame Frage auch in der Wissenschaft diskutiert.478 Man ging zunächst davon aus, dass abschließende Detailregelungen, auch wenn nach Artikel 75 des Grundgesetzes an sich zulässig, unter diesen Voraussetzungen ausgeschlossen seien.479 „Auf keinem Gebiet dürfen also Einzelheiten normiert werden, (…) denn Einzelheiten können ihrer Natur nach nicht ‚allgemein’ sein.“480 Andere juristische Interpretationen ermunterten den Bund hingegen, von dem Grundsatz auszugehen, „daß auch eine inhaltlich begrenzte Rahmenkompetenz Raum für sachliche Rechtsgestaltung übrig lassen muß“.481 Die CDU im Bundestag legte die Reichweite der Rahmenkompetenz solange großzügig aus, wie sie in der großen Koalition noch an der Bundesregierung beteiligt war.482 Von Seiten der sozialliberalen Bundesregierung wurde die 475
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So hatte das SPD-geführte Innenministerium NRWs ein für die Bundesregierung sehr negatives Gutachten erstellt. NRW-Wissenschaftsminister Schnoor regte an, mit dem Gesetzentwurf zugleich einen Gesetzentwurf zur Schaffung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz beim Bund vorzulegen. Gleichzeitig teilte er dem BMBW vertraulich mit, Bayern und Niedersachsen hätten eine Debatte über den Gesetzentwurf in einem KMK-Gremium blockiert. Vgl. ebd. Für die Opposition stellt die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts eine Möglichkeit dar, politische Streitfragen auch nach einem Bundestagsbeschluss als Verfassungsstreitigkeit weiterzuführen. Vgl. Kranepohl, U., Bundesverfassungsgericht, 2004, S. 39. Kritisch hierzu Mengel, H.-J., Justiz, 2002. Vgl. den Vermerk des BMBW v. 22.9.1970: „Wenn wir uns nicht selbst Fesseln anlegen wollen, müssen wir uns über diese formal juristische Interpretation zumindest in einigen Bereichen hinwegsetzen (…)“; BArch, B138, 57118. Vgl. Lüthje, J., Gesetzgebungskompetenz, 1973. Vgl. auch Rengeling, H.-W., Rahmengesetzgebung, 1990, S. 838. Vgl. Kuhn, G., Rahmenkompetenz, 1969, S. 731. Maunz, T., Abgrenzung, 1970, S. 265. Erhardt, M., Kulturfinanzierung, 1970, S. 137. Vgl. Martin, B., Überlegungen, 1969, S. 1.
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Reichweite der Hochschulrahmenkompetenz stets sehr weit gefasst; eine Beschränkung durch den Wortlaut des Grundgesetzes wurde verneint,483 wohl wissend, dass die Grenze zum Unzulässigen damit eigentlich überschritten war.484 4.1.2 Die materiellen Konflikte 4.1.2.1 Die Demokratisierung des „Elfenbeinturmes“ „Kein anderes Thema der Hochschulpolitik [war; T.H.] annähernd so emotional aufgeladen“485 wie die Mitwirkung der Hochschulmitglieder an den Hochschulgremien. Während Bundeskanzler Brandt in seiner ersten Regierungserklärung angekündigt hatte, seine Regierung wolle „mehr Demokratie wagen“,486 und dies auch auf die Hochschulpolitik bezog, strebten die Unionsparteien eine weitgehende Unterbindung des studentischen Einflusses auf die Entscheidungsprozesse der Universitäten an. Ausgelöst durch die Forderungen der 68er-Studenten nach mehr Mitwirkungsmöglichkeiten an den Universitäten487 als einem Schritt zur Beseitigung des „Muffs aus 1000 Jahren“, der unter den Talaren der Hochschullehrer stecke, wurde die Frage nach einer verstärkten Demokratisierung der Hochschulen schnell hochpolitisch. Die sozialliberale Bundesregierung wollte eine umfassende Reform des Hochschulwesens erreichen und ging dabei auf viele der studentischen Forderungen ein. So wollte sie unter anderem bei Entscheidungen über Fragen der Forschung und Einstellung von Professoren und Assistenzprofessoren sowie bei den Entscheidungen über Prüfungsordnungen allen Mitglieds-
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Vgl. z.B. BM Leussink vor dem BR: „Es hat sich dabei gezeigt – ich glaube, das ist nicht sehr kontrovers –, daß es kein grundsätzliches Problem der Hochschulpolitik gibt, das nicht zu den allgemeinen Grundsätzen gerechnet werden müßte.“ BR-StBer der 361. Sitzung v. 29.1.1971, S. 24. Vgl. den Vermerk des BMBW v. 22.9.1970; in: BArch, B138, 57118. Neuere Publikationen gehen davon aus, dass der Bund seine Rahmenkompetenz mit dem HRG tatsächlich überschritten hat. Vgl. Kempen, B., Grundfragen, 2004, S. 15. Josef Isensee meint, unter den heutigen Kautelen hätte das Hochschulrahmengesetz mit seiner großen Regelungsdichte nicht erlassen werden dürfen. Vgl. ders., Kautelen, 2004, S. 690f. Lachmann, G., Hochschulgesetzgebung, 1970, S. 9. Vgl. BT-PlPr. 6/5 v. 28.10.1969, S. 20-34. Vgl. Oel, H.G., Elfenbein-Turm, 1968, S. 14.
gruppen der Hochschule ein Recht auf Mitbestimmung einräumen.488 Durch dieses Vorgehen sollte den sozialdemokratisch geführten Bundesländern der Rücken gestärkt werden, die mit ihren Landeshochschulgesetzen neue Formen der Mitbestimmung erproben wollten.489 Zudem verband die SPD mit einer Demokratisierung auch die Verwirklichung gleicher Bildungschancen und die Herstellung von Transparenz der Entscheidungsprozesse.490 Die Union erblickte im Aufbegehren der Studenten hingegen weniger den Drang nach Änderungen als mehr eine Rebellion an den Universitäten, die es zu bekämpfen galt. Sie verstand den „entschlossenen Kampf gegen eine Universitäts- und Hochschulpolitik, die sich marxistischen und revolutionären Zielen verbunden fühlt“,491 als ihre Aufgabe und war nicht der Meinung, dass mehr Mitbestimmung von Studenten der „Weg sein kann, der uns bessere Verhältnisse und mehr Demokratie an den Hochschulen beschert“.492 Im Vordergrund stand für die Union die Eindämmung der Macht radikaler und gewaltbereiter Studenten, die den Lehrbetrieb an den Hochschulen störten. Konkret wollte sie mit einem Hochschulrahmengesetz erreichen, dass „die Mitbestimmung radikaler Minderheiten, deren Ziel nicht die Zusammenarbeit, sondern die Behinderung des Partners und letztlich die Funktionsfähigkeit der Hochschule ist, so weit wie möglich auszuschalten“.493 Aus diesem Grund wollte die Union mit dem Hochschulrahmengesetz sicherstellen, dass die Gruppe der Hochschullehrer in allen Gremien die Mehrheit stellt. Zudem forderte sie eine Reduzierung der Sitze einer Gruppe in den Gremien, wenn die Wahlbeteiligung in ihrem Bereich unter 50 Prozent bleiben sollte.494 Derartige Vorschläge zur Eindämmung des Mitspracherechts der Studenten und wissenschaftlichen Assistenten
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Vgl. Lemper, L.T., Endspurt, 1972, S. 462. Einzige Ausnahme sollten die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter der Hochschulen sein. Entsprechende Modellversuche waren z.B. in Niedersachsen und Bremen geplant. Die schnelle Ablösung der Ordinarien- durch die Gruppenuniversität in einigen Ländern wird heute als überhastet kritisiert. Vgl. Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 17. Vgl. Lohmar, U., Demokratisierung, 1971, S. 4. Berthold Martin (Vorsitzender des AK Wissenschaft und Publizistik der CDU/CSUBundestagsfraktion für Wissenschaft und Publizistik) in einem Schreiben v. 21.7.1971; in: ACDP, VIII-007-003/2. Ebd. Martin, B., Kernpunkte, 1971, S. 205. Martin war seinerzeit bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU Fraktion im BT. Vgl. Lenz, C.O., Rechtstaatlichkeit, 1972, S. 58.
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fand vor allem bei den Professoren Anhänger, die die Regierungspläne überwiegend vehement ablehnten.495 Verstärkt wurden die Differenzen zwischen den beiden Lagern durch die Forderung der demonstrierenden Studenten nach der so genannten Drittelparität, die zuerst an der Hamburger Hochschule erhoben wurde.496 Nach diesem Modell sollten in allen Hochschulgremien die Gruppen der Professoren, Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern den gleichen Stimmanteil haben, um so die Gruppenuniversität zu verwirklichen. Diese mitunter wie ein Dogma vorgetragene Form der Mitbestimmung497 hatte Anhänger auf Seiten der sozialliberalen Koalition,498 stieß auf Seiten der Union und konservativer Kreise aber auf entschiedenen Widerstand. Hier wurde der Drang der Studenten nach Demokratisierung als vorgeschobenes Argument für die Beseitigung bestehender gesellschaftlicher und universitärer Strukturen verstanden.499 Der so genannte universitäre Ansatz einer Hochschulreform, der sich insbesondere durch eine umfassende studentische Mitbestimmung auszeichnete, trat somit in direkten Widerspruch zum so genannten technokratischen Ansatz, der eine eher konservative Struktur der Hochschulen vorsah. Letztlich wurde die politische und öffentliche Diskussion von möglichen Mitbestimmungsquoten derart dominiert, dass inhaltliche Themen einer von allen Seiten für notwendig erachteten Reform in den Hintergrund traten.500 4.1.2.2 Die Gesamthochschulen als Fundament einer sozialliberalen Hochschulreform Einen weiteren gravierenden inhaltlichen Streitpunkt zwischen Bundesregierung und Opposition stellte die mit dem Hochschulrahmengesetz zu regelnde Organisationsform der Hochschulen dar. Die Hochschullandschaft war zu jener Zeit stark zerklüftet. Neben den Universitäten und technischen Hochschulen existierte noch eine Vielzahl weiterer Hochschulformen.501 Für die Bundesregierung 495
496 497 498
499 500 501
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Vgl. beispielsweise Löwenthal, R., Hochschulkrise, 1970, S. 177; vgl. Minning, H.G., Hochschulrahmengesetz, 1974, S. 3; Reinhardt, R., Gedanken, 1970, S. 164; Rupp, H.H., Hochschulwirklichkeit, 1976, S. 303. Vgl. Reinhardt, R., Gedanken, 1970, S. 164. Vgl. ebd. So führte die Universität Bremen ein Universitätsexperiment durch, mit dem die Drittelparität verwirklicht wurde. Vgl. Reinhardt, R., Gedanken, 1970, S. 165f. Vgl. Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 40f. Z.B. pädagogische, Sport-, Kunst- und Fachhochschulen.
stellte die integrierte Gesamthochschule das Ziel einer Neuordnung der Hochschullandschaft dar.502 Ihr erster Gesetzentwurf sah dementsprechend eine Zusammenfassung aller bestehenden Hochschularten vor, wodurch eine Bündelung von Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium erreicht werden sollte. Neue Hochschulen sollten als integrierte Gesamthochschulen geplant werden.503 Institutionelle Schranken sollten abgebaut und die Studiengänge in einem horizontal gegliederten Hochschulsystem integriert werden. Den entscheidenden Aspekt für die Schaffung der integrierten Gesamthochschule umriß Bundesminister Leussink folgendermaßen: „die Schaffung eines differenzierten Angebots von abgestuften, aufeinander bezogenen Studiengängen und Studienabschlüssen (…)“.504 Letztlich sollte im Rahmen der Bildungsreform die Schaffung eines demokratischen, leistungs- und wandlungsfähigen Bildungssystems mit einem differenzierten Angebot an abgestuften, aber aufeinander bezogenen Studiengängen ermöglicht werden. Dabei sollten alle Studiengänge wissenschaftsbezogen sein, auch wenn sie auf praktische berufliche Tätigkeiten ausgerichtet waren.505 Die CDU/CSU zielte stattdessen auf ein loses Verbundsystem der unterschiedlichen Hochschultypen ab, die dabei ihre jeweilige organisatorische Selbständigkeit behalten konnten.506 Die Bundestagsfraktion der Union lehnte die Idee einer Zusammenfassung der Hochschulen zu Gesamthochschulen deshalb nicht grundsätzlich ab, wehrte sich aber gegen das festgeschriebene Ziel der integrierten Gesamthochschule. Sie wollte erreichen, dass neben der integrierten auch eine kooperative Form der Gesamthochschule möglich sein sollte, und berief sich hierbei auf Erfahrungen in anderen Staaten sowie auf Beschlüsse der Bund-Länder Kommission für Bildungsplanung.507 Hierbei hätten die unterschiedlichen Hochschulen zwar die Zusammenarbeit und Abstimmung untereinander gesucht, ihre Selbständigkeit aber behalten. Die Länder äußerten überparteilich Bedenken gegen die integrierte Form einer Gesamthochschule wegen vermeintlich unüberbrückbarer Probleme für die Flächenstaaten, ihre Hochschu-
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504 505 506 507
Vgl. BM Leussink, BR-StBer. der 361. Sitzung v. 29.1.1971, S. 24. Vgl. Dohnanyi, K. v., Hochschulrahmengesetz, 1973, S. 166; Schmittner, K., Kampf, 1971, S. 9. BM Leussink, BR-StBer. der 361. Sitzung v. 29.1.1971, S. 24. Vgl. Müller, R., Entstehungsgeschichte, 1982, S. 276. Vgl. ebd., S. 277. Vgl. den schriftlichen Bericht des BT-WA, S. 2, zu BT-Drs. VI/3506.
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len zu Gesamthochschulen zu vereinigen; diese Kritik äußerten insbesondere die B-Länder.508 Insgesamt war der Themenkomplex Gesamthochschule wie auch die Mitbestimmungsfrage ideologisch sehr belastet, zumal weder die Bundesregierung und die ihr nahe stehenden Bundestagsfraktionen auf der einen Seite noch die Union auf der anderen Seite von ihren Forderungen abweichen wollten. Das „Luftschloß am Planungshorizont der deutschen Hochschulpolitik“,509 so der Titel eines zeitgenössischen Aufsatzes über die integrierte Gesamthochschule, avancierte somit schnell zu einem Hauptstreitpunkt bei den Auseinandersetzungen über das Hochschulrahmengesetz. 4.1.2.3 Das Problem von Zulassungsbeschränkungen gegen die Überfüllung der Hochschulen Einer der Hauptgründe für eine umfassende Reform des Hochschulsystems waren die seit den 1960er Jahren zunehmend knapper werdenden Studienplätze an den Universitäten und deren daraus resultierende Überfüllung.510 Mit der stark zunehmenden Anzahl an Schulabgängern mit Hochschulreife, vom Bundeskanzler der großen Koalition einmal als „Springflut der Abiturienten“511 bezeichnet, hielt der Ausbau der Universitäten nicht mehr Schritt. Obwohl das Abitur rein formal zum Besuch einer Hochschule berechtigte, war es nicht mehr jedem Abiturienten möglich, ein Studium aufzunehmen. Notgedrungen wurden die Studienplätze in den besonders stark nachgefragten Studienfächern durch die Universitäten kontingentiert, was Kriterien für die Vergabe der Studienplätze erforderlich machte512. Ein solches Kriterium war der „numerus clausus“, der die Studienplatzvergabe überwiegend von der Abiturnote abhängig machte und für die überfüllten Universitäten eine Art Notbremse darstellte.513
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Vgl. Schmittner, K., Kampf 1971, S. 11. Vgl. auch Vogel, B., Länder, 1970, S. 5. Vgl. das Protokoll der SPD-Landeskonferenz v. 14.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Heckhausen, H., Luftschloß, 1971. Während 1960 noch 291.100 Studenten an den Hochschulen der BRD eingeschrieben waren, stieg die Zahl bis 1965 auf 384.400; bis 1970 auf 510.500 an und verdreifachte sich fast bis 1975 auf insgesamt 840.800 Studenten. Angaben aus Oehler, C.; Bradatsch, C., Hochschulentwicklung, 1998, S. 417. In seiner Rede zum zehnjährigen Bestehen des Wissenschaftsrates am 16.11.1967, Kiesinger, K.G., Bildung, 1979, S. 135. Zur Frage der Zulassungsbeschränkungen vgl. auch Krings, H., Zugang, 1969. Vgl. Diwald, H., Elend, 1973, S. 19, der erhebliche Kritik an diesem Verfahren übt.
Die sozialliberale Bundesregierung wollte die Regelung von Zulassungsbeschränkungen durch die betroffenen Hochschulen in Abstimmung mit den jeweiligen Landesbehörden regeln lassen.514 Fraglich war das geeignete Kriterium für die Auswahl der Bewerber. Der sozialliberalen Koalition kam es vor allem auf eine Relativierung der Abiturnote an. Vielmehr sollten soziale Kriterien wie Härtefälle, besonders aber auch vorangegangene berufliche Tätigkeiten ausschlaggebend sein.515 Außerdem wurde eine Vergabe per Losverfahren diskutiert.516 Die Unionsparteien stellten hingegen den Leistungsgedanken eindeutig in den Vordergrund und erklärten den Durchschnitt der Abiturnote zum ausschlaggebenden Kriterium für eine Studienplatzvergabe, solange kein anderes geeignetes Verfahren zur Leistungsmessung vorhanden sei.517 Der durch die Union dominierte Bundesrat bestritt die Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung generell und machte dem Bund seine Zuständigkeit vor allem mit dem Vorwurf mangelnder Regelungskompetenz streitig.518 Grundsätzlich waren demnach auch in diesem Problemfeld der Hochschulreform die Fronten auf beiden Seiten ideologisch verhärtet: die streng nach Leistungskriterien operierende Union stand gegen die sozialliberale Koalition, die sich dem Problem eher von sozialen Aspekten her annäherte. Dies führte dazu, dass eine Einigung zwischen dem Bund und den unionsgeführten Ländern in diesem Bereich lange Zeit als am schwierigsten schien.519 4.1.2.4 Das Ordnungsrecht zur Eindämmung der studentischen Gewalt Einer der wesentlichen Gründe für die Schaffung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes war 1969 die von den Landesregierungen erbetene Einführung eines durch den Bund initiierten und für das gesamte Bundesgebiet gültigen Ordnungsrechtes. Insofern wäre zu erwarten gewesen, dass sich ein Hochschulrahmengesetzentwurf mit dieser Frage an hervorgehobener Stelle beschäftigt. Der Entwurf der Bundesregierung enthielt jedoch weder konkrete Bestimmungen für 514 515 516 517
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Vgl. Scherer, H., Hochschulrahmengesetz, 1975, S. 18. Vgl. Landfried, C., Bundesverfassungsgericht, 1984, S. 111f. Vgl. Müller, R., Entstehungsgeschichte, 1982, S. 345. Vgl. das Schreiben des AK Bildung, Wissenschaft u. Publizistik der CDU-Bundestagsfraktion v. 15.5.1971; in: ACDP, VIII-007-003/2. Vgl. auch Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 92. Vgl. Landfried, C., Bundesverfassungsgericht, 1984, S. 112. Vgl. Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 91.
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ein Ordnungsrecht noch Rahmenrichtlinien, die den Ländern in dieser Frage Vorgaben machten. Die SPD war über die Notwendigkeit ordnungsrechtlicher Bestimmungen schon seit Beginn der Studentenunruhen geteilter Meinung gewesen.520 Dementsprechend war eine klare Meinungsbildung und Beschlussfassung innerhalb der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion äußerst schwierig, was zu einem intern unentschlossenen und nach außen ablehnenden Verhalten der SPD führte.521 Deutlicher konturiert waren die Auffassungen in den beiden anderen Fraktionen des Bundestages. Die FDP stand ordnungsrechtlichen Bestimmungen zunächst grundsätzlich nicht abgeneigt gegenüber.522 Später votierte sie aber gegen jede Form eines Ordnungsrechts im Hochschulrahmengesetz523 und vertrat diese Haltung auch im Bundestag.524 Gemeinsam mit der SPD werteten die Liberalen die bereits in den Landeshochschulgesetzen verabschiedeten ordnungsrechtlichen Bestimmungen als ausreichend und monierten deren mangelhafte Umsetzung.525 Die Union machte die Aufnahme eines Ordnungsrechts hingegen zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Hochschulrahmengesetz.526 Sie sah ein Ordnungsrecht als Signal für einen deutlichen Widerspruch des Staates gegen die Störungen an den Hochschulen an und setzte seine Verankerung im Hochschulrahmengesetz mit einer Garantie der Rechtstaatlichkeit an den Universitäten 520
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Während Willy Brandt und Helmut Schmidt noch 1967 die Ankündigung von Gewalt an den Hochschulen verurteilt hatten (vgl. das Protokoll der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion v. 28.11.1967; in: AdsD, 5. WP, 77), drängten einzelne Abgeordnete später anstelle eines Ordnungsrechts sogar auf eine Amnestie für die politisch aufwallenden Studenten, was jedoch keine Mehrheit in der Fraktion fand (vgl. das Protokoll der Sitzung der SPDBundestagsfraktion v. 29.4.1968; in: AdsD, 5. WP, 92). Der BT-RA beschloss in der 6. WP unter Mitwirkung von Abg. der SPD, ordnungsrechtliche Bestimmungen in das HRG aufzunehmen (vgl. die Stellungnahme des BT-RA v. 3.12.1971; in: PA-DBT, VI-1081, A2-51); im BT-IA wurde ein Ordnungsrecht lediglich mit Stimmengleichheit abgelehnt (vgl. den Vermerk für Staatsminister Heubl v. 9.3.1972; in: BayHStA, BBB, 423). Im BT-WA lehnten die SPD-Abgeordneten solche Bestimmungen hingegen ab. (Vgl. BT-WA, KPr. der 54. Sitzung am 27.1.1972, S. 27; in: PA-DBT, VI-1081, A6-72). Vgl. auch Boppel, W.; Kollenberg, U., Hochschulgesetze, 1972, S. 664. So äußerte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Mischnick, noch 1971, in der Öffentlichkeit dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die FDP gegen jedes Ordnungsrecht an den Universitäten sei (vgl. das Protokoll der Fraktionssitzung v. 14.12.1971; in: AdL, A41-42). Vgl. das Ergebnisprotokoll der Sitzung des FDP-BFA für Kulturpolitik v. 16./17.6.1973 und den Beschluss v. 31.8.1974; beide in: AdL, A7-52. Vgl. das KPr. der 54. Sitzung des BT-WA v. 27.1.1972, S. 28; in: PA-DBT, VI-1081, A4-72. Vgl. ebd., S. 27f. Vgl. Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 94.
gleich.527 Die Änderung der Verhältnisse an den „aus den Fugen geratenen Hochschulen“528 wurde innerhalb der Union demnach als einer der Hauptzwecke eines Hochschulrahmengesetzes angesehen.529 4.1.2.5 Die Neuordnung des Hochschulwesens durch eine Studienreform Neben den organisatorischen Problemen der Hochschulreform standen auch inhaltliche Positionen auf dem Prüfstand, die unter dem Oberbegriff der Studienreform zusammengefasst wurden und den Kern der Reform bilden sollten.530 Es ging allerdings vor allem um Fragen, die für diese Arbeit nur von untergeordneter Bedeutung sind. Beispielhaft sei das Problem der Regelstudienzeit genannt, die vor allem auf eine Verkürzung der Studienzeit gerichtet war, den so genannten Bummelstudenten Grenzen aufzeigen und somit einen Beitrag zur Lösung des Überfüllungsproblems der Hochschulen leisten sollte. Während die Union die Regelstudienzeit mit der Leistungsfrage verknüpfte, stand diese Maßnahme für die sozialliberale Koalition im Widerspruch zur Freiheit des Studiums. Stattdessen wollte die sozialliberale Bundesregierung erreichen, dass sich Hochschulstudiengänge stärker am Bedarf des Arbeitsmarktes orientierten, um Überkapazitäten bei der Ausbildung von Akademikern zu verhindern. Die Union hingegen wollte eine so restriktive Verschulung der Hochschulausbildung nicht akzeptieren. Grundsätzlich sollte durch das Hochschulrahmengesetz ein Auftrag zur Studienreform an die Universitäten formuliert werden, die Studieninhalte zu definieren und die Ausbildung praxisnäher zu gestalten.531 Die Bundesregierung hatte hierzu an den Universitäten so genannte Studienreformkommissionen vorgesehen. Die Union verwehrte sich einer zu großen Autonomie der Hochschule aber strikt und trat als Befürworterin eines möglichst starken staatlichen Einflusses auf, der vor allem den Landesregierungen mehr Möglichkeiten zur unmittelbaren Regelung universitärer Aufgaben erteilen sollte.532
527 528 529 530 531 532
Vgl. Rieger, W., Vorschläge, 1972, S. 299. Vermerk für Staatsminister Heubl v. 9.3.1972; in: BayHStA, BBB, 423. Vgl. ebd. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 98. Vgl. Bracher, K.D.; Jäger, W.; Link, W., Republik, 1986, S. 135. Vgl. Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 90.
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4.2 Überblick über das Gesetzgebungsverfahren Das Gesetzgebungsverfahren dauerte vom Mai 1969 bis zum Januar 1976 und lässt sich in zwei Phasen unterteilen. Die erste Phase bildeten die Arbeiten während der fünften und der im Herbst 1972 vorzeitig beendeten sechsten Legislaturperiode, in der das Hochschulrahmengesetz nicht mehr verabschiedet werden konnte. In der zweiten Phase – während der siebten Legislaturperiode – wurde das Gesetzgebungsverfahren formal neu initiiert. So konnte das Gesetz im Dezember 1975 schließlich verabschiedet und zu Beginn des folgenden Jahres verkündet werden. 4.2.1 Das Gesetzgebungsverfahren in der fünften und sechsten Wahlperiode Unmittelbar nach der Grundgesetzänderung vom Mai 1969 begann die Bundesregierung mit der Vorbereitung eines Gesetzentwurfes, um die neue Bundeskompetenz auszufüllen. Da mit einer Verabschiedung noch während der großen Koalition aber von vornherein nicht gerechnet wurde, sollten die Arbeiten der nachfolgenden Bundesregierung eher als Vorlage dienen.533 Auch auf Seiten der Länder wurden bereits erste Vorberatungen in einer gemeinsamen Kommission der Kultus- und Finanzminister getroffen. Zudem äußerten die Länder ihre Gesprächsbereitschaft mit dem Bund.534 Die noch in der Opposition befindliche FDP baute erheblichen Druck auf und forderte die schnelle Vorlage eines Gesetzentwurfes, zu der es in der fünften Legislaturperiode aber nicht mehr kommen konnte.535 Die nach der Bundestagswahl 1969 an die Regierung gekommene sozialliberale Koalition schrieb die Verwirklichung und Umsetzung der Bildungs- und Hochschulreformen als einen wesentlichen Eckpunkt ihres Regierungsprogramms fest.536 Der parteilose Minister des neu gegründeten Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft,537 Hans Leussink, begann deshalb zügig mit der Erarbeitung eines Hochschulrahmengesetzentwurfes. Bereits im Januar 1970 legte er dem Bundeskabinett die Eckpunkte für das künftige Rahmengesetz in 533 534
535
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132
Vgl. Stoltenberg, G., Hochschulplanung, 1969, S. 26. Vgl. den Vermerk des BMwF zu gemeinsamen Besprechungen mit den Ländern über Bundeskompetenzen v. 14.8.1969; in: BArch, B138, 57110. Vgl. das interne Schreiben des BMwF an Minister Stoltenberg v. 31.7.1969; in: BArch, B138, 57110. Vgl. BK Brandt, BT-PlPr. 6/5 v. 28.10.1969, S. 26. Im Folgenden auch als Bundesbildungsministerium bezeichnet.
Form von 14 Thesen vor, die später in überarbeiteter Form auch dem Parlament, den Ländern und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.538 Die Thesen wurden auf allen Ebenen ausgiebig diskutiert und fanden schließlich ihren Niederschlag im Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Hochschulrahmengesetz,539 welcher im Dezember 1970 zur formalen Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens an den Bundesrat gesandt wurde.540 Die Länderkammer schlug nach umfangreichen Ausschussberatungen541 zahlreiche Änderungen542 vor, von denen die Bundesregierung einige in ihrer Gegenäußerung anerkannte, den Großteil aber unberücksichtigt ließ.543 Parallel zur Regierungsvorlage brachte die Fraktion der CDU/CSU einen eigenen Gesetzentwurf544 in den Bundestag ein, der gemäß Beschluss des Bundestages mit dem Regierungsentwurf gemeinsam beraten werden sollte. Die auf die erste Lesung im Bundestag545 folgenden Beratungen der Bundestagsausschüsse zogen sich bis zum Juni 1972 hin.546 Zwischenzeitlich trat Bundesbildungsminister Leussink zurück und wurde im März 1972 durch seinen früheren Staatssekretär Klaus von Dohnanyi ersetzt. Der federführende Wissenschaftsausschuss erstellte zwar noch einen abschließenden Bericht zu seinem Beratungsergebnis; zur zweiten und dritten Lesung im Plenum kam es wegen der vorzeitigen Neuwahlen zum Bundestag im November 1972 aber nicht mehr. 4.2.2 Äußere Einflüsse auf das Gesetzgebungsverfahren Die vorzeitige Beendigung der sechsten Legislaturperiode hatte die Einstellung des Gesetzgebungsverfahrens zum Hochschulrahmengesetz zur Folge. Das Gesetz musste deshalb mit Beginn der siebten Legislaturperiode formal neu 538
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Vgl. das Schreiben BM Leussinks an den ChBKA v. 13.1.1970 und diverse Schreiben zur Übersendung der Thesen an die Kultusminister der Länder, die Fraktionen des BT und Interessenverbände v. 4.2., 10.2. und 14.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Vgl. den Entwurf eines HRG, BT-Drs. VI/1873. Vgl. das Schreiben BK Brandts an den Präsidenten des BR v. 18.12.1970, BR-Drs. 689/70. Vgl. Sitzungsprotokolle des BR-Finanz-, Familien-, Innen-, Rechts- und Ausschusses für Kulturfragen; in: PA-DBT, VI-1081, A1-2 bis A1-9. Insbesondere wurde auch die Einfügung eines Ordnungsrechts gefordert. Vgl. BR-StBer. der 361. Sitzung v. 29.1.1971. Vgl. den Entwurf eines HRG mit Begründung, Stellungnahme des BR und Gegenäußerung der BReg v. 25.2.1971; in: PA-DBT, VI-1081, A1-29. Vgl. den Entwurf eines Rahmengesetzes über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Hochschulrahmengesetz), BT-Drs. VI/1784. Vgl. BT-PlPr. 6/106 v. 10.3.1971. Vgl. die Sitzungsprotokolle des BT-IA, -RA, -HA und –WA; in: PA-DBT, VI-1081, A2-A4.
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initiiert werden. Schon während der ersten Phase des Verfahrens hatten sich die Rahmenbedingungen aber in einigen Bereichen derart verändert, dass die Ergebnisse der sechsten Legislaturperiode nicht ohne weiters übernommen und fortgeführt werden konnten.547 Besonders brisant war es, dass zwischenzeitlich fast alle Bundesländer eigene Hochschulgesetze erlassen hatten oder vorbereiteten, da man dort nicht mehr bis zum „Sankt Nimmerleinstag“548 auf ein Rahmengesetz des Bundes warten wollte. Dementsprechend waren sowohl einige Kultusminister der Union als auch Teile der SPD und FDP nicht mehr an einem Bundesrahmengesetz interessiert.549 Notwendige Reformen an den Hochschulen waren in den Ländern derart dringend geworden, dass die eigentlich gewünschte Festlegung allgemein gültiger Rahmenbedingungen für alle Länder dem faktischen Zwang, überhaupt zu reformieren, gewichen war. Während die unionsregierten Länder sehr konservative Gesetze erließen, die nur in geringem Maße auf die studentischen Forderungen eingingen und im Wesentlichen den status quo bewahrten, erließen einige sozialdemokratisch regierte Länder Gesetze oder trafen die Vorbereitungen hierzu, die ein hohes Maß an Mitbestimmung ermöglichten. Ein künftiges Hochschulrahmengesetz war zudem auch dem Einfluss der Verfassungsrechtsprechung ausgesetzt, die den Bundesgesetzgeber mit Grundsatzurteilen band, noch bevor in der siebten Wahlperiode der Anlauf für ein neues Gesetzgebungsverfahren unternommen werden konnte.550 Schließlich stand die Politik auch unter dem Einfluss verschiedenster Verbände, die ihre Interessen nach besten Kräften durchzusetzen versuchten und sich deshalb mit denjenigen politischen Bestrebungen arrangierten, von denen sie glaubten, sie würden ihre Auffassungen am umfangreichsten vertreten. Diese externen Einflüsse auf die Gesetzgebung, das Bundesverfassungsgericht einerseits und die Lobby andererseits, sollen hier dargestellt werden, um das weitere Gesetzgebungsverfahren besser einordnen zu können.
547 548 549
550
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Vgl. Dohnanyi, K., Hochschulrahmengesetz, 1973, S. 165. Vermerk des BMBW v. 26.6.1972; in: BArch, B138, 57122. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Rainer Barzel v. 15.5.1972; in: ACDP, VIII-007003/1. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 95.
4.2.2.1 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum numerus clausus und zur Mitbestimmung Gegen Ende der sechsten Wahlperiode stand das Bundesverfassungsgericht kurz davor, ein wegweisendes Urteil zu den Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen zu sprechen. Im Vorfeld der Entscheidung hatte das Bundesbildungsministerium dem Bundestagsausschuss für Bildung und Wissenschaft trotz des ungewissen Verfahrensausgangs in Karlsruhe die Aufnahme einer Vorschrift über die Vermittlung von Studienplätzen in das Hochschulrahmengesetz empfohlen, woraufhin die Ausschussmehrheit diese Empfehlung umgesetzt hatte.551 Das Bundesverfassungsgericht nutzte nun im Juli 1972 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Zulassungsregelungen des bayerischen und des hamburgischen Hochschulgesetzes für ein Grundsatzurteil, welches als „numerus-clausus-Urteil“ bekannt geworden ist.552 Das Gericht stellte fest, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen und die hierzu anzuwendenden Auswahlkriterien selbst zu treffen habe und die Hochschulen lediglich Einzelheiten regeln dürften.553 Bis dahin hatten viele Hochschulen selbst über den anzuwendenden numerus clausus entschieden und eigene Kriterien für die Hochschulzulassung erlassen.554 Die Verfassungsrichter urteilten, der Gesetzgeber habe alle Kapazitäten auszuschöpfen und erforderlichenfalls zu erweitern, bevor er Zulassungsbeschränkungen erlassen dürfe. Zudem entschied das Bundesverfassungsgericht, „es wäre in erster Linie Sache des Bundes, hier unter Ausnutzung der ihm gegebenen legislativen und verwaltungsmäßigen Möglichkeiten das Notwendige zu tun. Sollte sich trotzdem in angemessener Frist eine befriedigende Regelung nicht erreichen lassen, würde sich die weitere Frage stellen, was die Länder – etwa durch Abschluß von Staatsverträgen – ihrerseits unternehmen können und müssen, um ihrer Mitverantwortung für eine kooperative Verwirklichung des Grundrechtsschutzes gerecht zu werden.“555 Auf jeden Fall bedürfe es aber einer 551 552 553
554 555
Vgl. BT-WA, KPr. der 62. Sitzung v. 8.6.1972, S.33; in: PA-DBT, VI-1081, A4-81. Vgl. BVerfGE 33, S. 303ff. Vgl. die Leitsätze zum BverfGE 33, S. 303ff. „Die sonach grundsätzlich zulässigen Einschränkungen des Zulassungsrechts sind nur durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes verfassungsrechtlich statthaft.“ BVerfGE 33, S. 336f. „Es erscheint auch bedenklich, daß die Regelungen der Einzelheiten (…) in erster Linie der Universität übertragen wird.“ BVerfGE 33, S. 303ff (346). Vgl. Diwald, H., Elend, 1973, S. 19. BVerfGE 33, S. 303ff (357).
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bundeseinheitlichen Regelung, die allen Studienbewerbern die gleichen Chancen auf Zulassung an allen Hochschulen biete.556 Noch bevor der Bund die geforderten Maßnahmen ergreifen konnte, einigten sich die Länder untereinander und schlossen im Oktober 1972 einen Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen ab, in dem sie die Gründung einer Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen beschlossen.557 Als Kriterium für die Zulassung war überwiegend die Abiturnote vorgesehen, womit sich die unionsgeführten gegenüber den sozialdemokratischen Ländern durchgesetzt hatten. Letztere hatten verstärkt soziale Kriterien gefordert. Auch wenn die Länder durch ihre schnelle Einigung Fakten schaffen konnten, hatten sich die politischen Gewichte hier deutlich zu Gunsten des Bundes verschoben, dem höchstrichterlich die Regelungskompetenz für die Zulassungsfrage zugesprochen worden war. Wesentlich folgenreicher für die weiteren Beratungen zum Hochschulrahmengesetz war aber ein zweites Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Im so genannten Hochschulurteil hatte sich das Gericht mit der Paritätenfrage in der Gruppenuniversität befasst.558 Anlass war die Klage von 398 niedersächsischen Hochschullehrern, die sich gegen das Vorschaltgesetz für ein niedersächsisches Gesamthochschulgesetz559 gerichtet hatte. Mit diesem Gesetz sollte in Niedersachsen die Gruppenuniversität eingeführt werden, in der die an der Hochschule beteiligten Gruppen, also Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter, Studenten und sonstige Mitarbeiter, das gleiche Stimmrecht in den Hochschulgremien erhalten sollten.560 Die Hochschullehrer sahen ihr Grundrecht der Forschungsfreiheit verletzt, wenn sie nicht mehr maßgeblich, also mit der Mehrheit ihrer Stimmen, über Fragen der Forschung und Lehre bestimmen könnten. Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen Recht und legte darüber hinaus explizit fest, wie groß der Einfluss der Hochschullehrer auf verschiedene Gremien mindestens sein müsse; wohl wissend, dass es hiermit alle Gesetzgeber in Bund und Ländern an diese Regeln band.561 Gemäß dem Urteil mussten die Hochschullehrer in allen die Forschung und Lehre betreffenden Fragen über 50 Prozent der 556 557
558 559
560 561
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Vgl. die Leitsätze zum BVerfGE 33, S. 303ff. Vgl. den Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen v. 20.10.1972; u.a. in: GVBl. Schleswig-Holstein 1972, Nr. 21, S. 245-250. Vgl. auch Landfried, C., Bundesverfassungsgericht, 1984, S. 110. Vgl. BVerfGE 35, S. 79. Vgl. auch Menger, C.-F., Auswirkungen, 1974, S. 75f. S. das Vorschaltgesetz für ein Niedersächsisches Gesamthochschulgesetz (VorschaltG) v. 26.10.1971, GVBl. Niedersachsen 1971, S. 317. S. VorschaltG, §2 Abs. 5 u. 6. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 100.
Stimmen verfügen und in manchen Fragen auch einen noch weitergehenden Einfluss erhalten. Zudem hatte das Gericht genau festgelegt, welche Anforderungen an einen Hochschullehrer zu stellen waren.562 In einem Minderheitenvotum563 lehnten zwei der Richter diese Entscheidung ab. Ihr Vorwurf, „mit dieser Entscheidung setzt sich das Bundesverfassungsgericht unter Überschreitung seiner Funktion an die Stelle des Gesetzgebers“,564 änderte aber nichts daran, dass der Bundesgesetzgeber bei seinen weiteren Vorbereitungen für das Hochschulrahmengesetz dieses Urteil zu beachten hatte. Die weitgehenden Reformpläne der sozialliberalen Bundesregierung zur Mitbestimmung an den Hochschulen waren somit nicht mehr umsetzbar.565 Immerhin hatte das Gericht die Gruppenuniversität als solche aber nicht grundsätzlich abgelehnt und damit eine Abkehr von den Strukturen der althergebrachten deutschen Hochschule prinzipiell ermöglicht. Insgesamt wurde dieses Urteil aber als beachtliche Kurskorrektur empfunden.566 Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sollten beide Urteile noch einen wesentlichen Einfluss auf die Verhandlungen haben. 4.2.2.2 Die Rolle von Interessenverbänden Während bei den Beratungen zur Änderung des Grundgesetzes 1969 ein Einfluss der Lobby bezüglich der Hochschulrahmengesetzgebungskompetenz nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, war dieser Einfluss beim Hochschulrahmengesetz außerordentlich groß. Bereits in den Beratungen der sechsten Wahlperiode wurden die betroffenen Verbände durch öffentliche Informationssitzungen des Bundestages aktiv in die Meinungsbildung eingebunden. Zusätz-
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„Dabei ist unter Hochschullehrer (…) der akademische Forscher und Lehrer zu verstehen, der aufgrund der Habilitation oder eines sonstigen Qualifikationsnachweises mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre betraut ist.“ BVerfGE 35, S. 79ff (126f). Vgl. BVerfGE 35, S. 79ff (Minderheitenvotum),(148-170). Ebd., S. 150. Inzwischen ist weitgehend anerkannt, dass das Bundesverfassungsgericht aufgrund seiner bindenden Wirkung auf Verwaltung, Parlament und Bundesrat eine politische Rolle von größter Bedeutung spielt. Vgl. Schmidt, M.G., System, 2007, S. 227 u. 230. Vgl. Lemper, L.T., Endspurt, 1972, S. 462. Vgl. Müller, P., Hochschulgesamtplanung, 1975, S. 123. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 99. Vgl. Landfried, C., Bundesverfassungsgericht, 1984, S. 117. In seinen Folgeentscheidungen verfestigte das BVerfG seine Rechtsprechung entsprechend. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 107. Vgl. Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 20.
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lich übersandten sie Stellungnahmen, die sich auf alle Regelungen und Aspekte des geplanten Gesetzes bezogen. Adressaten dieser Papiere waren alle am Gesetzgebungsgang beteiligten Institutionen und Parteien sowie die Öffentlichkeit.567 Die Verbände wandten sich im Schwerpunkt an das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und den gleichnamigen Bundestagsausschuss. Anstelle des Bundesrats richteten sie ihre Forderungen direkt an die Landesregierungen.568 Inwieweit diese Eingaben berücksichtigt wurden, lässt sich im Detail nicht feststellen, da Reaktionen auf die verschiedenen Stellungnahmen kaum festgehalten sind. Jedoch lassen sich die Interessen vieler Verbände mit den Zielsetzungen der Parteien in Einklang bringen. Neben einer direkten Beeinflussung der Politik im Sinne eines Aufzeigens bestimmter Problemfälle vor allem durch Fachverbände569 kann eine grundsätzliche Bestärkung der den jeweiligen Verbänden ideologisch nahe stehenden Parteien in ihren Zielen unterstellt werden.570 Statt der vielen Fachverbände, denen es insbesondere auf eine inhaltliche Berücksichtigung ihrer spezifischen Interessen ankam, sollen hier zwei sich ideologisch gegenüberstehende Verbände stellvertretend angeführt werden.571 Als Gegenentwicklung zur Studentenbewegung und deren Forderung nach mehr Mitspracherechten, die schließlich in die Forderung der Drittelparität für alle Gremien mündete, hatte eine Gruppe von Professoren 1971 den „Bund Freiheit der Wissenschaft“ gegründet, der sich die Abwehr der studentischen Gefahr zum Ziel gesetzt hatte. Damit stand er der Union nahe, die Ähnliches erreichen wollte.572 Ziel des Bundes Freiheit der Wissenschaft war es, die Reformbewegung aufzuhalten und zurückzudrängen.573 567
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Vgl. z.B. für die FDP die Zusammenstellung in: AdL, 3916 oder die Zuschriften an den Bundestag; in: PA-DBT, VII-366, B2. Vgl. auch die Zusammenstellung einer Vielzahl von Stellungnahmen verschiedener Verbände in o.V., Stellungnahmen, 1974. In den Akten der bay. Staatsregierung sind z.B. eine große Anzahl Stellungnahmen hinterlegt. Vgl. u.a. BayHStA, BBB, 422 u. 423. Diese Einflussnahme hatte durchaus Erfolg. Vgl. etwa für den HLB Minning, H.G., Hochschulrahmengesetz, 1974, S. 6. Ein nicht unerhebliches Druckmittel ist vor allem der Entzug der Wählerstimmen. Vgl. Heinze, R.G.; Voelzkow, H., Interessengruppen, 2000, S. 243. Für weitergehende Angaben zur Einflussnahme von Interessengruppen auf das HRG vgl. Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 43-53. „(…) teile ich Ihnen noch mit, daß wir selbstverständlich mit dem Bund Freiheit der Wissenschaft in Kontakt stehen.“ Schreiben Berthold Martins an Carl O. Lenz v. 5.2.1971; in: ACDP, VIII-007-003/2. Vgl. auch Rieger, W., St. Nimmerleinstag, 1971, S. 738. Vgl. Schenk, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 43. Gegenbewegung war der 1972 in Marburg gegründete „Bund demokratischer Wissenschaftler“, in dem sich vornehmlich die Hochschullehrer zusammenfanden, die an einer Reform der Hochschule interessiert waren und
Auf der anderen Seite solidarisierten sich die wissenschaftlichen Assistenten, die sich durch die Privilegien der Hochschullehrer benachteiligt fühlten, ebenfalls über die Grenzen der Fakultäten und Hochschulen hinweg zur Durchsetzung ihrer Interessen.574 Sie gründeten die Bundesassistentenkonferenz und erhoben in etwa dieselben Forderungen wie die demonstrierenden Studenten. Gemeinsam mit deren Interessenvertretungen standen sie damit eher den Zielen der sozialliberalen Koalition nahe, wenn sie sich auch von bestimmten Forderungen der Studentenbewegung distanzierten.575 Beide Verbände versuchten in Politik und Öffentlichkeit ein positives Bild ihrer Interessen zu erzeugen. Insgesamt betrachtet, konnte die Lobby zum Hochschulrahmengesetz aber nicht besonders erfolgreich auf die Gesetzgebungsorgane einwirken, wenngleich ihre Einflussversuche unverkennbar sind und immens waren. Die Aussage von Beteiligten, nicht von der Lobby beeinflusst worden zu sein, mag hier keine Beweiskraft haben; in der Tat ist nicht erkennbar, dass die Interessenvertreter ein ideologisches Umdenken bei den Parteien bewirkt hätten. Gleichwohl achteten diese aber darauf, die ihnen nahe stehenden Verbände nicht zu enttäuschen oder gegen sich aufzubringen.576 Abseits der ideologisch geprägten Konfliktlinien vermochten die Interessenverbände aber sehr wohl einen Einfluss auszuüben. Immer dann, wenn sie mit ihrem Expertenwissen auf die Folgen einzelner Formulierungen hinweisen konnten oder Erfahrungswerte zur Umsetzung einer Regelung hatten, nahmen die Abgeordneten diese Hinweise auf, ohne aber die grundsätzliche Haltung ihrer Parteien zu verlassen.577 Die Verbände wirkten vor allem gesellschaftspolitisch und bekämpften sich in der Öffentlichkeit argumentativ gegenseitig, was die parteipolitische Kontroverse mit dem Szenario einer gesamtgesellschaftlichen ideologischen Auseinandersetzung unterlegte.
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die studentischen Forderungen unterstützten. Jedoch erfüllte der Bund demokratischer Wissenschaftler seinen Anspruch, den Einfluss des Bundes Freiheit der Wissenschaft zurückzudrängen nicht. Vgl. ebd. S. 45f. Vgl. Oehler, C.; Bradatsch, C., Hochschulentwicklung, 1998, S. 416. Vgl. o.V., Nachsicht, 1970, S. 52. Der ehem. Abg. Anton Pfeifer (CDU) äußerte sich entsprechend in einem Schreiben an den Verfasser v. 7.8.2007. So wiesen die Kirchen beispielsweise auf die zuvor nicht bedachten Folgen für die bestehenden Kirchenkonkordate hin. Vgl. das Schreiben des Kommissariats der deutschen Bischöfe an den BT-IA v. 29.4.1971, Anl. 2. zum BT-IA, KPr. der 48. Sitzung v. 13.5.1971; in: PA-DBT, VI-1081, A2-33.
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4.2.3 Die Gesetzgebung in der siebten Wahlperiode Die aus der Bundestagswahl 1972 gestärkt hervorgegangene sozialliberale Bundesregierung überarbeitete den Entwurf für ein Hochschulrahmengesetz auf der Basis der Ergebnisse aus der sechsten Wahlperiode und der zwischenzeitlich ergangenen Urteile des Bundesverfassungsgerichts und initiierte das Gesetzgebungsverfahren neu, indem sie im September 1973 eine zweite Regierungsvorlage für ein Hochschulrahmengesetz578 an den Bundesrat übersandte.579 Wie in der vorangegangenen Legislaturperiode versah die unionsdominierte Bundesratsmehrheit den Gesetzentwurf mit zahlreichen Änderungsvorschlägen, die insbesondere gegen die Mitbestimmungsregeln und die Vorschriften über die Gesamthochschule des Regierungsentwurfes gerichtet waren und denen wiederum durch die Bundesregierung nur teilweise entsprochen wurde.580 Die in erster Lesung im Bundestag mit der Beratung betrauten Ausschüsse581 legten nach langer Diskussion und Einholung vielfältiger Stellungnahmen aus dem Bereich der Fachverbände schließlich im November 1974 ihr Ausschussergebnis vor und brachten dies in zweiter und dritter Lesung in den Bundestag ein,582 wo es mit der Mehrheit der Regierungsparteien trotz vieler kontrovers gebliebener Inhalte im Dezember desselben Jahres beschlossen wurde.583 Der bereits im Mai 1974 erfolgte Rücktritt Willy Brandts und die Wahl Helmut Schmidts zum Bundeskanzler hatten zuvor eine Neubesetzung im Bildungsressort nach sich gezogen. Neuer Bundesbildungsminister wurde Helmut Rohde. Der unionsdominierte Bundesrat beschloss nach eingehender Ausschussberatung,584 die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen.585 Nach einem ungewöhnlich langen Verfahren wurde der Vermittlungsvorschlag586 schließlich im Dezember 1975 sowohl vom Bundestag587 als auch vom Bundes578 579 580
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Vgl. den Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes, BT-Drs. 7/1328. Vgl. BR-Drs. 553/73. Vgl. den Gesetzentwurf der BReg mit Begründung, Stellungnahme des BR und Gegenäußerung der BReg v. 30.11.1973, BT-Drs. 7/1328. Vgl. die Protokolle der Sitzungen des BT-IA, -RA, -HA und -WA; in: PA-DBT, VII-366, A2A4. Vgl. den Antrag des BT-WA zu dem von der BReg eingebrachten Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes, BT-Drs. 7/2844. Vgl. BT-PlPr. 7/136 v. 12.12.1974. Vgl. die Sitzungsprotokolle des Finanz-, Jugend-, Innen-, Rechts- und des Ausschuss für Kulturfragen des BR, in: PA-DBT, VII-366, A5-90 – A5-97. Vgl. BR-StBer. der 416. Sitzung v. 21.2.1975. Vgl. den Antrag des VA zum HRG v. 11.12.1975, BT-Drs. 7/4462. Vgl. BT-PlPr. 7/210 v. 12.12.1975.
rat588 angenommen, so dass das Gesetz schließlich am 29. Januar 1976 im Bundesgesetzblatt verkündet werden konnte.589 Insgesamt hatten die Verhandlungen um das Hochschulrahmengesetz somit mehr als sechs Jahre in Anspruch genommen. 4.3 Handlungsstrategien und Koordinierungen der beteiligten Akteure Aufbauend auf der Kurzdarstellung des Gesetzgebungsprozesses werden im Folgenden die internen Handlungsstrategien und Koordinierungsbemühungen der jeweiligen politischen Lager eingehender dargestellt. Exemplarisch werden hierzu grundsätzliche Handlungsmuster anhand von Beispielen aus dem Gesetzgebungsverfahren herausgearbeitet. Für das Lager der sozialliberalen Koalition auf Bundesebene wird dies insbesondere mit Blick auf die Bundesregierung geschehen, da diese für den Bund insgesamt Herrin des Verfahrens war. Hier wird der personelle Einfluss im Bundesbildungsministerium auf die Gesetzgebung insbesondere durch den ersten Minister, Hans Leussink, näher betrachtet. Im Anschluss werden einzelne bedeutende Abschnitte und Vorhaben des Gesetzgebungsprozesses ausführlicher beleuchtet: die Entwicklung der 14 Thesen sowie die Entwicklung der daraus entstandenen Regierungsvorlagen in der sechsten und siebten Wahlperiode. Die Darstellung des so genannten „Mob-Plans“ wird schließlich Aufschluss über den Willen der Bundesregierung zur Durchsetzung ihrer Interessen geben. Die Bundestagsopposition koordinierte sich vorwiegend intern mit den durch die Union regierten Bundesländern und der Bundespartei. Beispielhaft wird hierzu das Ringen innerhalb der Union um einen eigenen Gesetzentwurf für ein Hochschulrahmengesetz betrachtet, da hieran die Verknüpfung der Interessen zwischen der Union im Bund und den Ländern deutlich zutage tritt. Als zweites Beispiel werden die Reaktionen der Union auf den und ihr geschlossenes Vorgehen gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der siebten Wahlperiode dargestellt, da diese erheblich zur Verzögerung des Verfahrens beitrugen und Aufschluss über die Fähigkeit der der Union geben können, ihre Interessen durchzusetzen. Schließlich soll eine Darstellung des Umgangs der Akteure mit dem Vermittlungsergebnis und dem letztlich in Kraft getretenen Gesetz Aufschluss über deren Zufriedenheit mit dem Ergebnis der jahrelangen Bemühungen geben. 588 589
Vgl. BR-StBer. der 429. Sitzung v. 18.12.1975. S. BGBl I, 1976, S. 185.
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4.3.1 Die Arbeitsweise und Interessendurchsetzung der Bundesregierung 4.3.1.1 Die strukturelle und personelle Entwicklung des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft Der Regierungswechsel von der großen zur sozialliberalen Koalition auf Bundesebene bedeutete für die beiden Regierungsparteien neben einem erheblichen Erfolg in der vorangegangenen Bundestagswahl in erster Linie die Chance, ihre politischen Vorstellungen erstmals möglichst weitgehend umsetzen zu können.590 Die neue Bundesregierung erklärte die Bildungs- und Hochschulpolitik bereits in der Regierungserklärung Willy Brandts im Oktober 1969 zu einem zentralen Vorhaben der sechsten Legislaturperiode.591 Als Ausruck dieser politischen Schwerpunktsetzung und äußeres Zeichen für eine konsequente Nutzung der aus der Finanzverfassungsreform hervorgegangenen neuen Möglichkeiten des Bundes darf die Erweiterung des bisherigen Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung zum Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft angesehen werden.592 Mit der neuen Bezeichnung signalisierte die Bundesregierung, zukünftig auch Aufgaben aus dem Bereich des Bildungswesens übernehmen zu wollen, obwohl diese tatsächlich nach wie vor den Ländern vorbehalten und dem Bund lediglich Beteiligungsrechte bei der Bildungspla-
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Als Oppositionspartei hatte die SPD bis 1966 kaum einen Gestaltungsspielraum, und die große Koalition, in der sich keine der beiden Regierungsparteien vollkommen durchsetzen konnte, war vor allem durch Kompromisse gekennzeichnet. Der FDP, in ihrer eigenen Wahrnehmung für die Union „von 1961 an nur lästige, unwürdige Beifahrer in einer schwarzen Staatskarosse“ (Moersch, K., Abenteuer, 2001, S.279f), bot sich aufgrund einer Vielzahl von gleichgerichteten politischen Interessen mit der SPD ab 1969 ein wesentlich besserer Einfluss auf die Politik der Bundesregierung. Dem Thema wurde in der Regierungserklärung ein eigener Abschnitt gewidmet. Bereits hier formulierte Brandt das Ziel eines Gesamthochschulsystems. Vgl. BT-PlPr. 6/5 v. 28.10.1969, S. 27. Im neuen BMBW wurde das bisherige BMwF um die kulturpolitischen Abteilungen des BMI erweitert, um die vielfältigen Vorhaben auf dem Gebiet des Bildungs- und Hochschulwesens umsetzen zu können. Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 31.10.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928. Vgl. auch Bartz, O., Wissenschaftsrat, 2006, S. 184 und Teichler, U., Hochschulpolitik, 2006, S. 352. Bezeichnend ist, dass die FDP, die der Bildungspolitik eine große Bedeutung beimaß, die Abgabe der kulturpolitischen Abteilungen aus dem FPD-Innenressort ohne Widersprüche hinnahm. Bundeskanzler Brandt bemerkte dazu: „der Kollege Genscher hat sich noch unbeeinflußt durch die von mir sonst so hoch geschätzte Ministerialbürokratie überhaupt nicht als ein Ressort-Imperialist betätigt.“ O.V., Opposition, 1969, S. 31. Bereits im BMwF gab es eine „Arbeitsgruppe HRG.“ Vgl. das Kurzprotokoll über die Besprechung der Arbeitsgruppe HRG v. 23.09.1969; in: BArch, B138, 57113.
nung zugefallen waren.593 Gleichwohl war die Umbenennung – nomen est omen – ein öffentlichkeitswirksam gelungener Schachzug und eine Demonstration des Willens, die in den Köpfen der Bürger immer noch vorhandene Bildungskatastrophe nun vom Bund aus beenden zu wollen. Die Begriffe „Bundesbildungs-“ oder „Bundeskultusministerium“ bürgerten sich schon bald im allgemeinen Sprachgebrauch ein.594 Dem Ministerium stand mit dem parteilosen Minister Hans Leussink einer der zu dieser Zeit bedeutendsten Bildungs- und Wissenschaftspolitiker vor, der sich den Ruf eines ebenso kompetenten wie energischen Reformers erworben hatte und vor allem idealistische Ziele verfolgte.595 Mit Leussink setzte Brandt ein deutliches, aber zugleich auch gemäßigtes Reformsignal für die künftige Bildungs- und Hochschulpolitik der Bundesregierung.596 Mit seiner Ernennung machte der Kanzler deutlich, dass im Bildungsbereich nicht Parteiinteressen, sondern Fachkompetenzen den Vorrang haben sollten, um die Probleme und anstehenden Aufgaben zu lösen.597 Der vormalige Vorsitzende des Wissenschaftsrates versprach aufgrund seines bisherigen Wirkens ein Minister des Ausgleichs der Interessen zu sein, der weder auf die Forderungen der äußerst linken revoltierenden Studenten, noch auf die der hochschulpolitischen Traditionalisten allzu nachgiebig eingehen würde.598 Mit Absicht behandelte der Bundeskanzler dieses Ministerium damit parteipolitisch anders als die anderen Ministerien.599 Mit dieser Personalentscheidung setzte sich Brandt gegen weite Teile der linken Kräfte in seiner Partei durch. 40 Bundestagsabgeordnete hatten geschrieben, mit Leussink sei keine sozialdemokratische Bildungspolitik möglich. Insbesondere wurde bemängelt, der Minister stehe nicht für die Forderung nach mehr Demokratie auf allen Ebenen und nicht für grundlegende Reformen.600 Die 593 594
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S. Art. 91b GG a.F. Vgl. Führ, C., Koordination, 1998, S. 74; vgl. Maunz, T., Abgrenzung, 1970, S. 272. Später wurde die Namensgebung allerdings zum Bumerang für die Bundesregierung, als die damit geschürten Erwartungen der Öffentlichkeit über die Möglichkeiten des Bundes im Bildungsbereich die Realität um ein vielfaches übertrafen. Vgl. Behrmann, G.C., Dohnanyi, 2001, S. 205. Vgl. Bartz, O., Wissenschaftsrat, 2006, S. 184. Für das ernsthafte persönliche Interesse Leussinks an einer nachhaltigen Reform des Hochschulwesens spricht, dass er für das Amt des Ministers eine fast fünffach höher dotierte leitende Position in der Industrie ausgeschlagen hatte. Vgl. o.V., Rücksicht, 1969, S. 28. Vgl. auch Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 432. Vgl. Bartz, O., Wissenschaftsrat, 2006, S. 184. Vgl. Behrmann, G., Leussink, 2001, S. 432f. Vgl. Bartz, O., Wissenschaftsrat, 2006, S. 184. Vgl. o.V., Opposition, 1969, S. 31. Vgl. auch Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 432f. Vgl. Brandt, W., Demokratie, 2001, S. 573, FN 10.
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Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hatte überdies mit einem vertraulichen Schreiben an die SPD-Führung versucht, das Ministeramt durch einen SPD-Politiker besetzen zu lassen. Durch Leussink sah sie ihre Vorstellungen von einer progressiven Bildungspolitik gefährdet.601 Tatsächlich beurteilte Leussink die Hochschullandschaft vorwiegend nach wissenschaftlichen statt nach politischen Kriterien und entwickelte seine Reformvorstellungen auf der Grundlage dieser Ergebnisse.602 Als Minister hatte Hans Leussink klare Vorstellungen zur Ausgestaltung der künftigen deutschen Bildungslandschaft, die über das Hochschulwesen weit hinausgingen.603 Die allgemeine Ablehnung Leussinks in den Reihen der Regierungsparteien kam deshalb nicht von ungefähr. Während SPD und FDP in ihren Parteiprogrammen vor allem der Demokratisierung der Hochschulen und der Chancengleichheit im Bildungssystem nicht weniger Priorität als der Effizienz des Bildungs- und Hochschulsystems einräumten, beurteilte Leussink die Situation unter dem Gesichtspunkt der Funktions- und Leistungsfähigkeit und somit eher technokratisch. Zudem stand er der Forderung nach einer Demokratisierung hochschulpolitischer Entscheidungen stets distanziert gegenüber und hatte schon zu Beginn der sechziger Jahre die damals noch zurückhaltenden studentischen Mitbestimmungsforderungen als weit über das Ziel hinausschießend charakterisiert.604 Zudem mangelte es ihm an Erfahrung mit parteipolitischen Auseinandersetzungen.605 Die Partei-Interessen wurden im Ministerium durch die beiden Staatssekretäre wahrgenommen, die durch den SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus von Dohnanyi und die FDP-Bildungspolitikerin Hildegard Hamm-Brücher gestellt wurden.606 Diese hatte sich bislang vor allem auf dem Gebiet des Schulwesens einen Namen gemacht und war zuvor als Staatsekretärin im Hessischen Kultus601
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Vgl. das Schreiben des GEW-Vorsitzenden an MdB Gerhard Koch v. 7.10.1969; in: AdsD, 5. WP, 1933 Korrespondenz Herbert Wehner. Die Einwendungen der GEW fanden bei den Adressaten aber keine Unterstützung. Vgl. Schreiben des MdB Koch an MdB Wehner v. 18.10.1969; in: AdsD, 5. WP, 1933. Vgl. Rieger, W., Feiern, 1971, S. 21. „Das gesamte Bildungssystem muß daher umgestaltet werden; es gilt, schichtenspezifische Benachteiligungen aufzuheben. Man muß daher nicht nur ein Modell der Hochschulen, sondern ein Modell des gesamten Bildungssystems der Zukunft entwerfen.“ Leussink, Hans zit. nach o.V., Presse, 1970 S. 2. Leussinks Interessenschwerpunkt lag aber bei Fragen der Forschungsförderung. Vgl. Teichler, U., Hochschulpolitik, 2006, S. 352. Vgl. o.V., Erwartungen, 1969, S. 36. Hieraus resultiert auch die Ablehnung Leussinks durch die so genannten „Reform-Studenten“ und die BAK. Vgl. ebd. Vgl. Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 436. Vgl. Behrmann, G.C., Dohnanyi, 2001 und Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 433.
ministerium tätig gewesen.607 Sie vertrat mit der FDP im Kern die Politik einer stärkeren Zentralisierung bildungspolitischer Gesetzgebungskompetenzen und nahm damit quasi automatisch eine Frontstellung gegenüber den Bundesländern ein.608 Verfolgten Leussink und Hamm-Brücher augenscheinlich dieselben Interessen, so war ihr Verhältnis doch von unterschiedlichen Auffassungen über das Ausmaß und die Reichweite der Reformen geprägt, was mitunter zu Spannungen führte.609 Weder der Minister, noch seine beamtete Staatssekretärin entsprachen dabei einem Politikertypus, der eigene Entscheidungen von Expertenmeinungen abhängig machte und tatenlos auf deren Empfehlungen warte. Vielmehr hatten sie das Image, „Macher“ zu sein. Insgesamt ließ die Bundesregierung keine Zweifel an ihrer Absicht, die im Rahmen der Finanzreform erhaltenen Möglichkeiten in der Bildungs- und Hochschulpolitik intensiv nutzen und Reformen auf diesem Gebiet zügig einleiten und umsetzen zu wollen.610 Die Tatsache, dass aufgrund der nur sehr schmalen Bundeskompetenz letztlich viel weniger möglich war, als man zuvor versprochen und gewollt hatte, und zudem mit der Union der politische Gegner im Bundesrat die Mehrheit innehatte, führte für die Bundesregierung in das Dilemma, entweder die SPD/FDP-Anhänger oder die Union gegen ein Gesetz aufbringen zu müssen. In dieser Lage versuchte Leussink dennoch den Konflikt zu vermeiden und mit seinem Gesetz auf beiden Seiten eine möglichst breite Zustimmung zu finden. Der parteilose Fachpolitiker beging aber Fehler, die einem Parteipolitiker vermutlich kaum passiert wären und die bei der Union zunächst für Unsicherheit und dann für die Ablehnung Leussinks sorgten. Zum einen wählte er schon frühzeitig den Weg der Kooperation, sicherlich vor allem mit den Organen der SPD und FDP und den betroffenen Fachverbänden. Er band aber zielgerichtet auch die unionsgeführten Länder in die Gesetzesvorbereitung mit ein, womit er 607 608
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Vgl. Hamm-Brücher, H., Lebensbilanz, 1996, S. 178f. Vgl. Bracher, K.D.; Jäger, W.; Link, W., Republik, 1986, S. 132. Dabei versuchte sie vor allem eine ganzheitliche Bildungspolitik vom Bund aus zu betreiben. So war es konsequent, dass ihr federführend die Ausarbeitung des Bildungsberichts der Bundesregierung aus dem Jahre 1970 (sog. Bildungsbericht ´70) zufiel. Vgl. Hamm-Brücher, H., Lebensbilanz, 1996, S. 198. Hierfür sprechen vor allem die negativen Attribute, mit denen Hamm-Brücher in ihren Lebenserinnerungen sowohl das Ministerium (Hektik, ständige Machtkämpfe, Anonymität) als auch Minister Leussink selbst (arbeitswütig, polternd, gegen Mitarbeiter gelegentlich rücksichtslos, wenig zugänglich) bedachte. Vgl. Hamm-Brücher, H., Lebensbilanz, 1996, S. 194f. Vgl. Bartz, O., Wissenschaftsrat, 2006, S. 185. Leussink ging dabei von einer schnellen Umsetzung der Reformen sowie einer Verständigung mit der Union und den durch sie regierten Ländern aus. Vgl. Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 434.
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diese in hohem Maße aus ihrem oppositionellen Konzept brachte. Wie sollten die CDU/CSU-Länder im Bundesrat noch Opposition gegen die Regierungsvorlage machen, wenn sie zuvor umfangreich an deren Erstellung mitgewirkt hatten? Und wie sollten sie zeitgleich auch an einem Gegenentwurf der Union mitwirken, ohne zweimal denselben Inhalt zu erzeugen? Das Vorgehen Leussinks wurde innerhalb der Union durchweg als ungewöhnlich bewertet.611 Letztendlich brachte er durch sein kooperatives Verhalten auch die Vertreter der sozialliberalen Koalition gegen sich auf, die ihn schließlich im Stich und somit fallen ließen.612 Zum anderen brachte sein Streben nach Kooperation die Union um eigene politische Erfolge bei den Beratungen im Bundestag und zwang diese damit praktisch zur Ablehnung des Regierungsentwurfs. Das gerade der zweite Referentenentwurf in seiner überarbeiteten Fassung nämlich in einem ziemlich großen Umfang auch die Ziele der Union verkörperte, zeigt die Tatsache, dass man innerhalb der Partei dazu tendierte, Leussinks Entwurf im Bundestag soweit nach links zu verändern, dass man sich als CDU/CSU dann nahezu mit dem sozialliberalen Ursprungsentwurf hätte profilieren können.613 Leussink war zwar erfahren in der Moderation wissenschaftlicher Expertengremien, aber nicht im Parteienstreit. So wurde er mit der ideologischen Polarisierung der Bildungs- und Hochschulpolitik in eine Position hineingezwungen, die er kaum ausfüllen konnte.614 „Er war weder für den bildungsideo611
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Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 12.2.1970; in: BayHStA, BBB, 421. „Daß die Länder hier u.U. sogar unter politischen Druck gesetzt werden könnten, signalisiert eine Anmerkung von Frau Staatssekretär Hamm-Brücher, die in einem Pressegespräch mit bayerischen Journalisten am 12.2.1970 sagte, daß die frühzeitige Einbringung eines Gesetzentwurfs (sprich: und damit eine Besserung der Hochschulsituation) in erster Linie von dem Erfolg der Verhandlungen mit den Ländern abhinge.“ Ebd. Vgl. o.V., Wurstigkeit, 1972, S. 23. Neben Kritik an den Hochschulreformplänen aus den sozialliberalen Bundestagsfraktionen strich Finanzminister Möller schließlich noch eine Planungsreserve von 496 Millionen Deutschen Mark. Vgl. ebd. Vgl. auch o.V., Leussink, 1972, S. 10. „Aus SPD und FDP kamen Vorwürfe, er sei gegenüber den CDU-regierten Ländern zu nachgiebig gewesen.“ Ebd. Vgl. den Vermerk über die Besprechung von Vertretern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Vertretern der CDU/CSU-Landeskultusministerien v. 9.12.1970; in: BayHStA, BBB, 422. Vgl. Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 436. Die Auffassung, es habe Leussink an politischem Fingerspitzengefühl gefehlt und er habe das politische Handwerk während seiner gesamten Amtszeit nicht erlernt (vgl. o.V., Knüllerchen, 1972, S. 21), trifft jedoch nicht zu. So bat er aus taktischen Gründen gleich nach seiner Ernennung zum Minister den SPDBundestagsfraktionsvorsitzenden Herbert Wehner in einem vertraulichen Schreiben, die SPD möge „wegen der Bedeutung, die Bildung und Wissenschaft noch in dieser Legislaturperiode haben werden“, den Vorsitz im BT-WA an sich ziehen. Fiele der Vorsitz an die CDU, so fürchte er, dass ggf. Berthold Martin Vorsitzender werde, was er aus sachlichen Gründen für
logischen Kulturkampf noch für den finanzpolitischen Verteilungskampf hinreichend gerüstet, fehlte ihm doch schon die in solchen Verteilungskämpfen notwendige Hausmacht in einer Partei und ihrer Parlamentsfraktion.“615 Aus dieser Situation, in der Leussink fast alles gegen sich gerichtet sah und Probleme auch in anderen Bereichen der Bildungspolitik vorlagen,616 zog der parteilose Minister die Konsequenzen und begab sich im Dezember 1971 in einen Urlaub, aus dem er dem Bundeskanzler im Januar 1972 seine Rücktrittswünsche mitteilte.617 Konkreter Beweggrund mag die Einsicht gewesen sein, dass seine Reformvorhaben nicht wie geplant verwirklicht werden konnten und die Länder nicht länger gewillt waren, die Verzögerungen beim Hochschulrahmengesetz hinzunehmen.618 Auf Leussinks Vorschlag hin und um die Kontinuität zu sichern, avancierte der bisherige parlamentarische Staatssekretär Klaus von Dohnanyi zum neuen Bundesbildungsminister.619 Die Hoffnung des Bundeskanzlers, dieser werde eng mit dem Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Bildung und Wissenschaft, dem SPD-Abgeordneten Ulrich Lohmar, zusammenarbeiten,620 wurde aber durch Lohmars eigene Ambitionen auf das Ministeramt getrübt. Laut Spiegel hatte Dohnanyis vor allem in der eigenen Fraktion einen noch schwierigeren
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schlecht hielt. Leussinks Empfehlung für den Vorsitz war der SPD-Abgeordnete Ulrich Lohmar. Vgl. das Schreiben v. 5.11.1969; in: AdsD, 6. WP, 295. Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 436. Der Widerspruch zwischen Reformansprüchen und Kompetenzen, kostspieligen Plänen und leeren Kassen machte die angestrebten Ziele fast nicht erreichbar. Vgl. o.V., Knüllerchen, 1972, S. 21. Vgl. auch o.V., Leussink, 1972, S. 10. Leussink war immer wieder zu Kompromissen zwischen seinen eigenen Vorstellungen, den Plänen der Bundesregierung, der Regierungsfraktionen und denen der Ländern gezwungen. Vgl. ebd. Zudem hatten die Haushaltsberatungen ergeben, dass von einer haushaltspolitischen Priorität der Bildungsreformen keine Rede sein konnte. Vgl. Behrmann, G.C., Leussink, 2001, S. 436. BK Brandt gab an, es habe schon seit längerer Zeit einen Gedankenaustausch in der Rücktrittsfrage mit Leussink gegeben. Vgl. das Protokoll der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion v. 27.1.1972; in: AdsD, 6. WP, 84. Vgl. auch oV., Knüllerchen, 1972. Als offiziellen Grund für den Rücktritt nannte der Bundeskanzler „persönliche Erwägungen“ Leussinks. Bildungs- und wissenschaftspolitische Differenzen innerhalb der Bundesregierung habe es hingegen nicht gegeben. Die Union sprach hingegen von einem Offenbarungseid der Bundesregierung, die ihre hochgesteckten Ziele nicht habe verwirklichen können. Vgl. o.V., Leussink, 1972, S. 10. In einem Schreiben an den Vorsitzenden des BT-WA, Abg. Lohmar, zeigte sich Leussink besorgt, da einige Länder wie Bayern, Niedersachsen und NRW im Begriff waren, nicht länger auf das Rahmenrecht zu warten und eigene Wege zu gehen. Im selben Schreiben äußerte Leussink, es zeichne sich ab, dass die BT-Ausschüsse nicht wie geplant mit den Beratungen fertig würden. Vgl. das Schreiben v. 17.11.1971; in: AdsD, 6. WP, 295. Vgl. das Protokoll der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion v. 27.1.1972; in: AdsD, 6. WP, 84. Vgl. die Anlage zum Protokoll der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion v. 27.1.1972; in: AdsD, 6. WP, 84.
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Stand als sein Amtsvorgänger, zumal sich auch die Rahmenbedingungen – leere Kassen und unzureichende Kompetenzen – nicht geändert hatten.621 Hinzugekommen war zudem die Rücktrittsankündigung der Staatssekretärin Hildegard Hamm-Brücher im Dezember 1971, formal, um in Bayern die FDP als Oppositionspartei zu führen, tatsächlich aber wegen erheblicher Differenzen mit Minister Leussink über das Vorgehen in der Bildungs- und Hochschulpolitik.622 Zudem war es die erklärte Absicht der Liberalen, im kommenden Bundestagswahlkampf die Bildungspolitik der SPD als Außenstehende glaubhafter und energischer attackieren zu können.623 Brandt hatte den Freien Demokraten, um eben jenes zu verhindern, erneut den Posten des beamteten Staatssekretärs im Bildungsressort angeboten, den die FDP aus wahltaktischen Gründen aber ablehnte.624 Zu einer offenen Koalitionskrise kam es infolge der Differenzen jedoch nicht; vor allem weil die SPD ihre Kompromissbemühungen in Richtung Union letztlich wieder mit der FDP abstimmte.625 Der nach dem Rücktritt Willy Brandts im Mai 1974 zum Bundeskanzler gewählte vormalige Finanzminister Helmut Schmidt nahm unmittelbar nach der Wahl umfangreiche Kabinettsumbildungen vor, von denen auch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft betroffen war. Bundesminister von Dohnanyi wurde durch den früheren Staatssekretär im Sozialministerium, Helmut Rohde, abgelöst, womit auch nach außen der Fokus des Ministeriums auf die berufliche Bildung gelegt wurde.626 Der sozialdemokratische Abgeordnete Peter Glotz wurde neuer parlamentarischer Staatssekretär. Der Wechsel war vor allem in den nicht mehr durch die Finanzen gedeckten Bildungsreformen von Dohnanyis begründet. Einen wesentlichen Einfluss auf die Beratungen des Hochschulrahmengesetzes hatte die Neubesetzung hingegen nicht. Jedoch war das Interesse des neuen Bundeskanzlers an einer möglichst umfassenden und 621 622
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Vgl. o.V., Knüllerchen, 1972, S. 21. Vgl. Hamm-Brücher, H., Lebensbilanz, 1996, S. 201 u. 209. Ein vertraulicher an die FDPFührung gerichteter Vermerk über ein Gespräch mit Leussink offenbart die Schwere der Differenzen: „Ich sprach von einem klaren Kurswechsel während der Minister einen Knick in der vereinbarten Linie zugestand.“ Zit. nach ebd., S. 213. „Der Bundesfachausschuss ist ferner der Ansicht, dass die F.D.P. ihre bildungspolitischen Vorstellungen unverfälscht und damit auch ohne allzu weitgehende Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner in der Öffentlichkeit vertreten sollte. Dies gilt vor allem für Zielsetzungen, die über die gemeinsamen Ziele der jetzigen sozial-liberalen Koalition hinausgehen.“ Felix v. Cube, Vorsitzender des BFA, in einem Schreiben an den FDP-Bundesvorstand, o.D. (nach dem 27.5.1972); in: AdL, A15-39. Vgl. auch o.V., Wurstigkeit, 1972, S. 23. Vgl. o.V., Rückgriff, 1972, S. 20. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Rainer Barzel v. 15.5.1972; in: ACDP, VIII-007003/1. Vgl. Teichler, U., Hochschulpolitik, 2006, S. 355.
tief greifenden Hochschulreform weitaus geringer als das seines Vorgängers, so dass die Bundesregierung insgesamt eine stärkere Kompromissbereitschaft mit der Union annahm. Während Brandt als eher reformfreudig galt, verkörperte Schmidt innerhalb der SPD einen konservativen Politikertypus. 4.3.1.2 Die 14 Thesen Hans Leussinks Im Lager der Regierungsparteien konzentrierte sich die Arbeit an einem Hochschulrahmengesetz627 schon bald auf das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Bemühungen der sozialdemokratisch regierten Länder, der Bundestagsfraktionen oder der Parteien wurden zugunsten der Arbeit der Bundesregierung eingestellt. Bereits vor Vollendung der Finanzreform und vor allem gleich nach deren Abschluss hatte es auf diesen Ebenen noch Anstrengungen gegeben, eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten. Schon im Februar 1969 wurden durch eine Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion mit der aufschlussreichen Bezeichnung „Bundesrahmenkompetenz für Hochschulen“ konkrete Inhalte eines künftigen Bundesrahmengesetzes erarbeitet, die im Mai 1969 an die SPD-Bundestagsfraktion weitergeleitet wurden.628 Auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hatte sich im Oktober 1969 mit der Ausformulierung eines Gesetzes befasst. Hierbei hatte sie die Zusammenarbeit mit der SPDBundestagsfraktion gesucht, die den fertigen Gesetzentwurf schließlich in den Bundestag einbringen sollte.629 Auch die FDP hatte bereits im November 1968 ein Hochschulgesetz diskutiert, welches das Hochschulwesen umfassend regeln und den Ländern diese Kompetenz weitgehend entziehen sollte. Der Entwurf wurde durch eine Kommission erstellt, die durch die FDP Fraktionsvorsitzendenkonferenz eingesetzt wurde. Ein Sonderausschuss sollte den Entwurf einer Endredaktion unterziehen.630 Wie auch bei der SPD wurden die Gesetzgebungstätigkeiten der Liberalen zugunsten der Arbeit der Bundesregierung nicht fortgeführt.631 627 628
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In der Anfangsphase wurde auch von einem Hochschulgrundsätzegesetz gesprochen. Vgl. das Protokoll der Sitzung der AG „Bundesrahmengesetz für Hochschulen“ v. 25.4.1969; in: AdsD, 5. WP, 452. Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 31.10.1969; in: BayHStA, StKGuV, 13928. Vgl. das Wortprotokoll des Bundeshauptausschusses der FDP v. 30.11.1968; in: AdL, A12-71. Der Entwurf wurde auf Grundlage eines Hochschulgesetzentwurfes des Instituts für politische Planung und Kybernetik erarbeitet. Für den Entwurf vgl. AdL, 1584. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Mischnick, unterrichtete BK Brandt im November 1969 über den Vorschlag seiner Partei, die Hochschulreformgesetzgebung vom
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Im Januar 1970 erstellte das Bundesbildungsministerium unter Beteiligung von Experten der Bundestagsfraktion der SPD632 und vermutlich auch der FDP633 und auf Basis von Arbeitsergebnissen der Vorgängerregierung mit Experten der Kultusministerkonferenz634 einen Katalog von 14 Thesen für ein künftiges Hochschulrahmengesetz.635 Diese Thesen sollten die Grundlage für eine öffentliche Diskussion darstellen und nicht zwingend mit dem späteren Hochschulrahmengesetz identisch sein müssen.636 Als übergeordnetes Ziel der Hochschulrahmengesetzgebung nannte der Minister die „Schaffung eines Gesamthochschulsystems, in dessen Rahmen eine Differenzierung nicht nach Institutionen, sondern nach Funktionen“ ermöglicht werden sollte.637 Zunächst wurden die Thesen innerhalb der Bundesregierung beraten und überarbeitet.638 Divergierende Auffassungen bestanden hier insbesondere in der Frage der Vereinbarkeit der Thesen mit der Reichweite der Bundesrahmenkompetenz. Diese Problematik hatte bereits bei der Vorbereitung der Thesen zu Problemen geführt.639 Die reformerischen Absichten der sozialliberalen Koalition, die durch das „mehr Demokratie“ des Bundeskanzlers in der Regierungserklärung gekennzeichnet waren, ließen sich bei einer nur engen Auslegung der Bundeskompetenz nicht umsetzen. Die Differenzen innerhalb des Ministeriums über das diesbezügliche Vorgehen hatte die Arbeit an den Thesen erheblich
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Bund aus zu regeln. Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung der FDP-Bundestagsfraktion v. 25.11.1969; in: AdL, A40-785. Vgl. das Protokoll der SPD-Landeskonferenz v. 14.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Für eine derartige Verknüpfung spricht bereits die Besetzung der Position des Staatssekretärs mit der FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher. Vgl. den Vermerk des BMwF v. 10.10.1969; in: BArch, B138, 57113. Erste Entwürfe der Thesen wurden Leussink durch sein Ministerium bereits am 6.11.1969 zur Billigung vorgelegt. Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 7.11.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928. Vgl. das Schreiben BM Leussinks an den ChBKA v. 13.1.1970; in: BArch, B138, 57113. Dieses öffentliche Vorgehen zur Erstellung eines Regierungsentwurfes war seinerzeit ein neuartiges Verfahren. Vgl. Lohmar, U., Demokratisierung, 1971, S. 3. Schreiben BM Leussinks an den ChBKA v. 13.1.1970; in: BArch, B138, 57113. Beteiligt waren vor allem das BMF, BMI, BMJ, BMWi und BMVg. Vgl. den Bericht über die Sitzung des Kabinettausschusses v. 20.01.1970; in: BArch, B106, 31694 und den Sprechzettel für das Kabinettsreferat des BMBW v. 6.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Die ehemaligen Angehörigen des BMwF hatten dabei eine strengere Auslegung vertreten als die dem BMBW angegliederten ehem. Beamten des Innenressorts, die die Formulierung der „allgemeinen Grundsätze“ nicht als Einschränkung, sondern als eine Art zusätzlichen Hinweis auf den Rahmencharakter des Gesetzes interpretierten. Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 31.10.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928.
verzögert und zu Schwierigkeiten bei der Formulierung des Umfangs der Rahmenvorschriften geführt.640 Das Bundesinnenministerium kam nun in seiner Bewertung der Thesen zu dem Schluss, diese seien teilweise zu detailliert und nicht durch die Rahmenkompetenz gedeckt. Als Lösung schlug es eine Erweiterung der Bundeskompetenz vor.641 Im Dezember 1969 hatte das Innenressort sogar die Ausdehnung der Rahmenkompetenz auf das gesamte Bildungswesen gefordert, dem sich die anderen beteiligten Ministerien angeschlossen hatten.642 Das Bundesbildungsministerium lehnte dieses Vorgehen aber ab und forderte, zunächst die bestehenden Möglichkeiten aus Artikel 91b des Grundgesetzes auszuschöpfen.643 Es ist aber nicht anzunehmen, dass man im Bundesbildungsministerium eine Erweiterung der Bundeskompetenzen grundsätzlich ablehnte, da die vermeintliche Einengung der Kompetenzen auch dort schon zu Problemen geführt hatte.644 Jedoch hätte die Anstrengung einer erneuten Grundgesetzänderung eine zeitliche Verzögerung des als dringend angesehenen Gesetzes bedeutet, die man sich nicht leisten wollte und in Anbetracht der Bemühungen der Opposition um einen eigenen Gesetzentwurf wohl auch nicht leisten konnte. Stattdessen setzte Leussink auf die Diskussion aller Beteiligten und der Öffentlichkeit und verschickte wenig später seine 14 Thesen an die Kultusminister, die Bundestagsfraktionen sowie den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Bildung und Wissenschaft645 sowie weitere Akteure. Die SPD-Fraktionen in Bund und Ländern und die Regierungen der SPDgeführten Länder waren schon bei der Vorbereitung der Thesen an den Arbeiten beteiligt worden. Nach der Veröffentlichung knüpften die Abstimmungsbemühungen an dieser Zusammenarbeit an. Koordinierungen fanden deshalb zunächst 640
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Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 31.10.1969; in: BayHStA, StKGuV, 13928 und das Schreiben der AG Fachhochschulen des BMBW v. 15.10.1969; in: BArch, B138, 57113. Vgl. den Sprechzettel des BMI v. 16.1.1970 für die Kabinettsausschusssitzung am 20.1.1970; in: BArch, B106, 31694. Vgl. die Schreiben des BMI v. 4.12. und 9.12.1969; in: BArch, B138, 57114. Wie das BMI befürworteten auch das BMWi, BMVg und BMJ eine Erweiterung der Bundeskompetenz. Vgl. den Sprechzettel des BMBW v. 6.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Vgl. den Sprechzettel für das Kabinettsreferat des BMBW v. 6.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Vgl. den Vermerk des BMBW v. 22.9.1970; in: BArch, B138, 57118. Vgl. die Schreiben BM Leussinks an die Kultusminister der Länder, die WRK, den WR, die BT-Fraktionen, den BT-WA, die AG Deutsche Studentenschaften, die BAK und den HV v. 4.2., 10.2. u. 14.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Die Presse wurde durch das BMBW sogar noch vor den Kultusministern über die Thesen in Kenntnis gesetzt. Leussink verfolgte damit das Vorhaben, falsche Diskussionen von vornherein zu verhindern. Vgl. ebd.
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offiziell nicht mit der Union oder den durch sie regierten Ländern, sondern mit der SPD und FDP statt. Leussink teilte den sozialdemokratisch geführten Ländern mit, die Thesen sollten nicht in die laufenden Gesetzgebungsarbeiten der Länder eingreifen und diese sollten ihre Landeshochschulgesetzte auch nicht aufschieben. Gleichwohl sollte der Tenor der Thesen in den Landeshochschulgesetzten aber zum Ausdruck kommen, um spätere Anpassungen an die Bundesrahmenvorgaben zu erleichtern. Insbesondere war dies auf die Etablierung der integrierten Gesamthochschule bezogen.646 Die sozialdemokratisch geführten Länder kritisierten aber verschiedene Regelungen, und vor allem auch die integrierte Gesamthochschule wurde als nicht verwirklichbar dargestellt, wenngleich sie ideologisch bei den A-Ländern nicht umstritten war. Die hessischen Vertreter forderten stattdessen eine bundeseinheitliche Verankerung der kooperativen Gesamthochschule. Nordrhein-Westfalen kündigte hingegen an, ein mit den Thesen übereinstimmendes Hochschulgesetz verabschieden zu wollen. Angesprochen auf das in den Thesen nicht enthaltene Ordnungsrecht, teilte Leussink mit, dieses brauche nicht in das Rahmengesetz integriert zu werden, da die Materie landesrechtlich oder durch Satzung an den Hochschulen geregelt werden könnte.647 Die Union wurde insbesondere im Rahmen von Gesprächen mit den Kultusministern und Vertretern aller Länder gehört, auf deren Beteiligung Minister Leussink großen Wert gelegt hatte.648 Über derartige Zusammenkünfte unter Unionsbeteiligung fertigten die Mitarbeiter des Bundesbildungsministeriums detaillierte Berichte an, in denen sie die Auffassungen der Länder analysierten. So identifizierten sie als Hauptangriffspunkte die zu weitgehende Autonomie, die die Thesen den Hochschulen einräumten, und die geforderte integrierte Gesamthochschule. Die Länder waren der Auffassung, dass der Bund nicht über die Kompetenz verfüge, ihnen Vorschriften über ihr Verhältnis zu den Hochschulen zu machen, und demzufolge seine Rahmenkompetenz überschreite.649
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Vgl. das Protokoll der SPD-Landeskonferenz v. 14.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Vgl. ebd. Derartige Gespräche mit den Ländern fanden z.B. am 4.3.1970 (Beamtenebene) oder am 12.3.1970 (Ebene Kultusminister) statt. Vgl. BArch, B138, 57114. Mit der KMK wurde vereinbart, dass Vertreter des BMBW an fast allen Sitzungen der KMK teilnehmen durften. Vgl. StS Hamm-Brüchers Vermerk über ein Telefongespräch mit dem Präsidenten der KMK (Vogel, CDU) v. 11.2.1970; in: BArch, B138, 57114. Die frühzeitige Koordinierung mit den Landesministerien sollte Konfliktstoffe in einem frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses entschärfen. Vgl. auch Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 96. Vgl. den Vermerk des BMBW über politische Widerstände in den Ländern v. 19.3.1970; in: BArch, B138, 57115.
4.3.1.3 Der Regierungsentwurf der sechsten Wahlperiode Die in der Diskussion um die 14 Thesen gemachten Erfahrungen bildeten die Grundlage für die Vorbereitung des Referentenentwurfes. Bei dessen Erstellung stand das Ministerium erkennbar unter erheblichem Zeitdruck, wollte es die selbst gesetzte Ankündigung, den Regierungsentwurf im September 1970 fertig gestellt zu haben, auch termingerecht umsetzen. Absehbar waren zudem bereits ein Wettlauf und ein Konkurrieren um das bessere Konzept mit der Union, die einen eigenen Gesetzentwurf bereits im Sommer 1969 angekündigt hatte.650 Wollte das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung anfangs noch einer qualitativen Lösung den Vorrang vor einem politischen Schnellschuss geben und sich nicht zu einem unausgereiften Entwurf drängen lassen,651 wirkte sich der politische Druck schon im Oktober 1969 derart stark aus, dass zeitliche Verzögerungen keine Option mehr für die neu ins Amt gekommene Bundesregierung darstellten.652 Deshalb wurde sogar die obligatorische Prüfung des Entwurfs auf seine Verfassungsgemäßheit vorgezogen und überwiegend anhand der Thesen durchgeführt.653 Trotzdem konnte der Zeitplan letztlich nicht eingehalten werden, weil die Frage der Reichweite der Rahmenkompetenz nicht hinlänglich geklärt werden konnte und es innerhalb der Bundesregierung hierzu keine einheitliche Meinung gab. Im Mai 1970, als der Referentenentwurf eigentlich bereits erstellt sein sollte, wurde sogar noch eine externe gutachtliche Prüfung dieser Frage erwogen.654 Auch andere Probleme verzögerten die Fertigstellung des Gesetzentwurfes. So hatte das Bundesinnenministerium hinsichtlich der Besoldung der Hochschullehrer erhebliche Bedenken angemeldet655 und die Federführung für diesen Aspekt der Gesetzgebung gefordert.656 Schließlich wurden die Besoldungsfragen ganz aus dem Gesetzesvorhaben ausgeklammert, da sie nicht mehr rechtzei650 651 652
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Vgl. den Vermerk des BMwF für BM Stoltenberg v. 31.7.1969; in: BArch, B138, 57110. Vgl. ebd. Vgl. die Vermerke des BMBW für BM Leussink v. 22.10. und 24.10.1969; in: BArch, B138, 57113. Vgl. das interne Schreiben des BMBW v. 22.4.1970; in: BArch, B138, 57115. Vgl. den Vermerk des BMBW für BM Leussink v. 11.5.1970; in: BArch, B138, 57115. Vgl. den Entwurf eines Schreibens von BM Genscher an BM Leussink v. 3.3.1970; in: BArch, B106, 31694. Vgl. den Vermerk des BMI v. 3.6.1970; in: BArch, B106, 31694. Der handschriftliche Zusatz verdeutlicht den internen Konkurrenzkampf um die Gesetzgebungsmaterie: „Ich fasse die Unterlage BMBW als Beiträge + Vorschläge auf. Wir werden jetzt die Federführung beanspruchen müssen.“ Ebd.
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tig mit den zuständigen Stellen beraten werden konnten. Stattdessen sollten sie später durch das Bundesinnenministerium in einem separaten Gesetzentwurf geklärt werden.657 Die Kompetenzfrage konnte hingegen nicht ausgeklammert werden, sie weitete sich immer mehr zu einem großen Problem für das Bundesbildungsministerium aus war auch bei Fertigstellung des ersten Referentenentwurfs im Juni 1970 noch noch nicht gelöst.658 Minister Leussink vertrat dabei die Auffassung, der Gesetzgeber sei nicht nur darauf beschränkt, dem Landesgesetzgeber Richtlinien vorzugeben, sondern könne auch unmittelbar geltendes Recht setzen. Im Ministerium selbst war man sich aber des einschränkenden Charakters der Gesetzgebungskompetenz bewusst, dennoch aber entschlossen, den verbliebenen Handlungsspielraum voll auszuschöpfen, um sich nicht dem Vorwurf aussetzen zu müssen, zu wenig konkrete Aussagen im Gesetz gemacht zu haben.659 Die Länder vertraten in der Kompetenzfrage eine gegenteilige Auffassung. Insbesondere im Rahmen der Kultusministerkonferenz hatten sie gegenüber dem Bundesbildungsministerium ihre abweichenden Vorstellungen zum Ausdruck gebracht, weswegen die Erfolgsaussichten von den Ministerialbeamten auch nicht optimistisch beurteilt wurden.660 Das Ministerium befand sich also in einem Dilemma: Entweder entschied man sich dazu, ein Gesetz vorzulegen, das sich innerhalb der beschränkten Rahmenkompetenz bewegte – mit der Folge, damit in der Kompetenzfrage auf keine Gegenwehr der Länder zu stoßen, allerdings auch wesentliche Reformziele nicht umsetzen zu können. Oder man machte ein Gesetz, welches die beabsichtigten Reformen zwar enthielt, hätte dieses aber vermutlich, wenn überhaupt, nicht ohne starke Gegenwehr der uniongeführten Länder durch den Bundesrat bringen können. Beide Lösungsansätze konnten den Pragmatiker Leussink nicht befriedigen. Für ihn, der feste Vorstellungen von einem reformierten und dadurch leistungsfähigeren Hochschul- und Bildungssystem hatte, stellte eine freiwillige Eingrenzung der Reformziele auf weniger bedeutsame Rahmenvorschriften keine Alternative dar. So entschied er sich für den konfliktorientierten Weg der zweiten Variante. „Wenn wir uns nicht selbst Fesseln anlegen wollen, müssen wir uns über diese formal juristische Interpretation zumindest in einigen Bereichen hinwegsetzen und hoffen, dass auch seitens der 657 658
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Vgl. den Vermerk des BMI v. 6.10.1970; in: BArch, B106, 31694. Vgl. den als vertraulich eingestuften HRG-RefE v. 1.6.1970 und das Protokoll über die Ressortbesprechung v. 23.6.1970 zum HRG-RefE; beide in: BArch, B138, 57116. Vgl. das Protokoll über ein Arbeitsessen des Ministers mit den Mitgliedern des BT-WA und Vertretern der KMK v. 16.6.1970; in: BArch, B138, 57116. „Die politischen Aussichten lassen sich nicht abschließend beurteilen.“ Ebd.
Länder ein Interesse daran besteht, wenn der Bund gewisse Sachbereiche regelt, selbst wenn dies hier und da über eine formelle Interpretation des Begriffs „Allgemeine Grundsätze“ hinausgeht“,661 bewertete ein leitender Ministerialbeamter die Lage. In der FDP wurde die Situation ähnlich beurteilt. Nach Gesprächen zwischen dem Wissenschaftsausschuss des Bundestages und den Kultusministern hatte sich gezeigt, dass die Länder ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft zeigen würden. Mit dieser Erkenntnis wurde in der liberalen Partei die Hoffnung verbunden, die Ausschöpfung der Rahmenkompetenz wesentlich großzügiger vornehmen zu können, als dies bei der Verfassungsänderung von den Ländern intendiert war.662 Der auf Grundlage dieser weitgehenden Interpretation der Bundeskompetenz erstellte Referentenentwurf wurde im Juli 1970 an die Bundestagsfraktionen, Landesregierungen und einige Fachverbände verteilt.663 Wenngleich ihm anschließend vielfältige Kritik entgegengebracht wurde,664 zog das Ministerium als Quintessens eine insgesamt positive Bilanz aus dieser Diskussion.665 Hinter den Kulissen wurde der Entwurf jedoch wesentlich kritischer beurteilt. Durch eine vertrauliche Information seines nordrheinwestfälischen Kollegen Schnoor erhielt Minister Leussink Kenntnis davon, dass die Vertreter Bayerns und Niedersachsens im Hochschulausschuss der Kultusministerkonferenz eine Diskussion des Referentenentwurfs „wegen gravierender Überschreitung der Rahmenkompetenz“ 666 abgelehnt hätten.667 Kritik kam aber nicht nur von der Union, sondern auf Länderebene auch von der SPD. Das nordrheinwestfälische Innenministerium hatte ein für die Bundesregierung sehr negatives verfassungsrechtliches Gutachten erstellt, in dem eine Überschreitung der Rahmenkompetenz durch den Gesetzentwurf festgestellt worden war. So wurde durch Nordrhein-Westfalen angeregt, zugleich auch einen Gesetzentwurf zur Ände-
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Vermerk des BMBW für StS Hamm-Brücher v. 22.9.1970; in: BArch, B138, 57118. Die FDP ging deshalb davon aus, bis spätestens zum Frühjahr 1971 ein HRG zu haben. Vgl. das Wortprotokoll des Bundeshauptausschusses der FDP v. 24.1.1970; in: AdL, A12-83. Vgl. das Begleitschreiben zur Begründung des HRG-RefE an Fraktionsvorsitzende und den BT-WA v. 14.7.1970; in: BArch, B138, 57117. Vgl. Janssen, U., CSU-Kritik, 1970. In einem Gespräch zum HRG in der parlamentarischen Gesellschaft am 10.7.1970 etwa hatte der Abg. Wichert (SPD) erklärt: „Das Papier wird immer besser.“. Vgl. den Vermerk des BMBW v. 13.7.1970; in: BArch, B138, 57117. Vermerk über die Erörterung des HRG-RefE mit den sozialdemokratischen Kultusministern am 17.7.1970 v. 18.7.1970; in: BArch, B138, 57117. Vgl. ebd.
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rung des Grundgesetzes vorzulegen, um dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über das Hochschulwesen zu übertragen.668 Nach umfangreichen Diskussionen innerhalb der Bundesregierung und mit Landesvertretern kam man auch im Bundesbildungsministerium zu dem Schluss, die Rahmenkompetenz mit dem Referentenentwurf überschritten zu haben. Der Vorschlag, ein für den Bund günstiges Rechtsgutachten erstellen zu lassen, wurde verworfen; zu leicht hätte die Union dieses mit qualitativ gleichwertigen Gutachten aushebeln können. Man kam letztlich zu der Erkenntnis, sich gegen „restriktive Interpretationen gar nicht recht wappnen“669 zu können.670 Es zeichnete sich somit ab, dass der Referentenentwurf, der den Ländern teilweise detaillierte Vorgaben machen wollte, kaum eine realistische Chance hatte, den Bundesrat zu passieren. Um der Kritik aus der Union und den eigenen Reihen Rechnung zu tragen, wurde der Entwurf deshalb überarbeitet und mit einem etwas länderfreundlicheren Unterton als zweiter Referentenentwurf im Oktober 1970 verteilt.671 Bemerkenswert ist hierbei die einseitige Bevorzugung der Regierungskoalition durch das Bundesbildungsministerium: Sofort nach Fertigstellung wurde die Neufassung des Entwurfs an die Fraktionen der SPD und FDP und deren kulturpolitische Arbeitsgruppen verschickt, während die Unionsfraktion erst fünf Tage später offiziell über den Entwurf informiert wurde.672 Insbesondere der sozialdemokratische Staatssekretär von Dohnanyi informierte verschiedene Organe seiner Partei inoffiziell über den Stand der Gesetzgebung und verschaffte diesen somit einen Vorteil gegenüber der Union, die auf die offiziellen Mitteilungen des Ministeriums angewiesen war.673 668
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Vgl. den Vermerk über die Erörterung des HRG-RefE mit den sozialdemokratischen Kultusministern am 17.7.1970 v. 18.7.1970; in: BArch, B138, 57117. Die Bundesregierung lehnte eine neuerliche Kompetenzausweitung aber ab. Vgl. das Protokoll über ein Arbeitsessen des Ministers mit den Mitgliedern des BT-WA und Vertretern der KMK am 16.6.1970; in: BArch, B138, 57116. Vermerk des BMBW v. 22.9.1970; in: BArch, B138, 57118. Vgl. ebd. Vgl. die Begleitschreiben des BMBW; in: BArch, B138, 57118. Vgl. das Schreiben des BMBW v. 6.10.1970; in: BArch, B138, 57118. „Kann ich mich darauf verlassen, daß sofort nach Fertigstellung des 2. RefE zum HRG der Entwurf versandt wird an [die; T.H.] Mitglieder der Arbeitsgruppe Kulturpolitik der SPD-Fraktion und FDP-Fraktion [, den; T.H.] Bildungspolitischen Ausschuß beim Vorstand der SPD sowie alle Kultusminister zur Vorbereitung des Kultusministergesprächs bei Herrn Minister am 21.10.?“ Ebd. Vgl. auch den Schriftwechsel zur Verschickung des RefE in : BArch, B138, 57118. So informierte StS von Dohnanyi sowohl den BT-WA-Vorsitzenden Ulrich Lohmar als auch das Referat für Hochschulfragen im SPD Parteivorstand bereits am 21. oder 22.06.1970 über den ersten Referentenentwurf zum Hochschulrahmengesetz. Gemäß einem handschriftlichen
Die Änderungen des Referentenentwurfs, die vor allem ein Entgegenkommen an die CDU/CSU-Länder darstellten, lösten nun wiederum eine mehr als scharfe Reaktion bei den Vertretern von Studenten und Assistenten aus, die die Korrekturen als „Kriegserklärung an alle Studenten“ auffassten.674 Nur wenige Wochen später veröffentlichte Bundesminister Leussink deshalb eine nochmals überarbeitete Version des zweiten Referentenentwurfs, mit dem er sich in einigen Aspekten wieder mehr den Forderungen der Studenten und Assistenten annäherte.675 Bei den unionsgeführten Ländern wurde dieses Verhalten als ein Ausweichen vor Konflikten kritisiert. Zudem wurde von der Union bezweifelt, dass Bundesminister Leussink sich damit bei den Fraktionen der SPD und FDP würde durchsetzen können.676 Eine starke Beeinflussung durch einzelne Interessengruppen wurde durch Leussink auch gar nicht bestritten. Ganz im Gegenteil sah er es sogar als Vorteil an, die Öffentlichkeit derart stark am Gesetzgebungsverfahren beteiligt und den gegensätzlichen Gruppen Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren gegeben zu haben. Er betonte, die Entstehung des Gesetzes sei deshalb nicht gradlinig gewesen und man könne aus dem Entwurf ablesen, welche Gruppen daran jeweils besonders mitgewirkt hätten.677 Anfang Dezember 1970 wurde aus dem Referentenentwurf schließlich die Regierungsvorlage zum Hochschulrahmengesetz gebildet und noch im selben
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Vermerk sollte dieser eigentlich erst am 30.06. verschickt werden (was u.a. dazu führte, dass die genannten Stellen eine überholte Fassung erhielten). Vgl. das Schreiben Abg. Lohmars an BM Leussink v. 23.6.1970 u. das Schreiben des SPD-Parteivorstands an StS von Dohnanyi v. 30.6.1970; beide in: BArch, B138, 57117. Am 30.06.1970 wurden dann die Bundestagsfraktionen offiziell informiert. Vgl. das Schreiben des BMBW v. 30.6.1970; in: BArch, B138, 57117. Die Informationspolitik der Bundesregierung wurde durch die Union deutlich kritisiert. Vgl. Laufer, H., Interview, 1970, S. 311. Vgl. den Vermerk des bay. Bundesbevollmächtigten v. 4.11.1970; in: BayHStA, BBB, 422. Vgl. den HRG-RefE v. 30.10.1970; in: BArch, B138, 57118. Z.B. wurde die Öffentlichkeit der Zusammenkünfte der Kollegialorgane, die bereits im 1. HRG-RefE vorgesehen war und im 2. HRG-RefE gestrichen wurde, nun wieder aufgenommen. Die Länder sollten darüber hinaus aufgefordert werden, Studienreformkommissionen einzurichten, und die Frist für die Etablierung integrierter Gesamthochschulen sollte von sechs auf fünf Jahre verkürzt werden. Vgl. den Vermerk des bay. Bundesbevollmächtigten v. 4.11.1970; in: BayHStA, BBB, 422. Dennoch hatte BM Leussink mit seinem Entwurf auch zentrale studentische Forderungen wie z.B. die Drittelparität nicht berücksichtigt. Vgl. Scherer, H., Hochschulrahmengesetz, 1975, S. 19. Vgl. den Vermerk des bay. Bundesbevollmächtigten v. 4.11.1970; in: BayHStA, BBB, 422. Vgl. das Manuskript des BMBW für die Pressekonferenz v. 4.12.1970; in: BArch, B138, 57120. Für die umfangreichen Stellungnahmen von Verbänden, der kath. und ev. Kirche sowie zahlreicher Einzelpersonen, die an das BMBW während der gesamten Zeit der Arbeiten am HRG gerichtet wurden, vgl. BArch, B138, 57149, 77299 sowie 57212-57220.
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Monat dem Bundesrat zugeleitet.678 Schwerpunktmäßig wurde in ihr als Ziel der flächendeckende Aufbau integrierter Gesamthochschulen, eine weitgehende Hochschulautonomie und eine erweiterte Mitbestimmung an den Hochschulen, deren Paritäten aber durch die Länder festgelegt werden sollten, genannt. Ordnungsrechtliche Bestimmungen oder eine von den unionsgeführten Ländern geforderte Konkretisierung der Wissenschaftsfreiheit enthielt der Regierungsentwurf hingegen nicht.679 Schon zuvor hatte sich aber abgezeichnet, dass er der SPD-Bundestagsfraktion nicht weit genug ging und dass die Union einen eigenen Gegenentwurf in den Bundestag einzubringen gedachte, was darauf schließen ließ, dass das Gesetz im parlamentarischen Verfahren auf Hindernisse stoßen würde.680 4.3.1.4 Der Regierungsentwurf der siebten Wahlperiode In der siebten Wahlperiode knüpfte das nunmehr durch den SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi geführte Bundesbildungsministerium bei der Erstellung eines neuen Entwurfes für ein Hochschulrahmengesetz in großen Teilen an den in der sechsten Legislaturperiode nicht mehr verabschiedeten Entwurf an. Neu aufgenommen wurden Bestimmungen über Studienreformkommissionen, über die Folgen der Überschreitung der Regelstudienzeit sowie über die Forschung an den Hochschulen. Zudem berücksichtigte der Entwurf auch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts über das Auswahlverfahren beim numerus clausus und das Stimmrecht der Gruppe der Hochschullehrer. Ein Ordnungsrecht enthielt jedoch auch dieser Entwurf nicht, da sich die entsprechenden Bestimmungen in einzelnen Landesgesetzen nach häufig geäußerter Ansicht nicht bewährt hatten.681 Trotz der äußerst schwierigen Situation auf Grund der nun vollwertigen Veto-Position der Union im Bundesrat wurde die Bundesregierung aus den Reihen der SPD-Fraktion unter erheblichen zeitlichen Druck gesetzt, indem noch vor Erarbeitung eines neues Regierungsentwurfs das Hochschulrahmengesetz als Nahziel bezeichnet und eine Verabschiedung bis Anfang 1974 für erforderlich erklärt wurde. Der Preis für den schnellen Abschluss des Gesetzes sollte 678 679 680
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Vgl. das Begleitschreiben v. 18.12.1970, BR-Drs. 689/70. Vgl. den Gesetzentwurf der BReg – Entwurf eines HRG v. 18.12.1970, BR-Drs. 689/70. Vgl. das Manuskript des BMBW für die Pressekonferenz v. 4.12.1970; in: BArch, B138, 57120. Vgl. das interne Schreiben des BMI v. 28.6.1973; in: BArch, B106, 42862. Vgl. auch den RefE zur Vorbereitung des Regierungsentwurfes v. 29.6.1973; in: BArch, B106, 42862.
ein Minimalkonsens und der Verzicht auf „allzu radikale Forderungen in welcher Richtung auch immer“682 sein.683 Der neue Regierungsentwurf folgte diesen Anregungen aber nur teilweise. Zudem hatten die Länder nach dem Scheitern der Gesetzgebung in der sechsten Wahlperiode begonnen, die für sie wichtigen Aspekte einer Hochschulrahmengesetzgebung selbst durch Staatsverträge zu koordinieren, was die SPD-Bundestagsfraktion deutlich verurteilte.684 Der erste Referentenentwurf von Dohnanyis zum Hochschulrahmengesetz wurde vor diesem Hintergrund im Juni 1973 fertig. Der Bundesbildungsminister und seine Beamten hatten dabei die schwierige Aufgabe zu bewältigen, eine Balance zwischen verschiedenen Realitäten finden zu müssen und ein zwischen den Wunschvorstellungen der Bundesregierung und dem politisch Umsetzbaren dennoch durchsetzbares Gesetz vorzulegen.685 Gegenüber dem Entwurf der vorangegangenen Legislaturperiode kam die Bundesregierung der Opposition deshalb in entscheidenden Fragen entgegen. Zwar blieb die Gesamthochschule als Entwicklungsziel bestehen, den Begriff „integrierte Gesamthochschule“ vermied der Entwurf aber.686 Jedoch hielt die Bundesregierung ausdrücklich an der integrierten Form der Gesamthochschule als langfristigem politischen Ziel fest, wenn auch ebenso ausdrücklich zunächst die Bildung kooperativer Gesamthochschulen möglich sein sollte.687 In der Frage der Mitbestimmung versuchte die Bundesregierung hingegen unter einer für sie günstigen Auslegung des diesbezüglichen Bundesverfassungsgerichtsentscheides ein Einschwenken auf die Unionslinie zu vermeiden. Hier hatte sich besonders die FDP mit ihrer Forderung, die Möglichkeiten des Bundesverfassungsgerichtsurteils vollständig auszunutzen, durchgesetzt.688 Hatte das Bundesverfassungsgericht eine Pflicht des Gesetzgebers gesehen, den Hochschullehrern die Mehrheit bei den wichtigsten Entscheidungen vorzubehalten, so versuchte das Ministerium im Gesetzentwurf einen Kunstgriff vorzunehmen: Sowohl die Professoren als auch die Assistenzprofessoren sollten jeweils eigenständige Gruppen bilden. Da das Gesetz aber beide Gruppen zu den Hochschullehrern zählte, genügte es gemäß Gesetzentwurf, wenn beide Grup682 683
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Schweitzer, C.-C., Nahziel, 1973, S. 5. Vgl. die Forderungen des SPD-Abgeordneten Carl-Cristoph Schweitzer in: Ders., Nahziel, 1973, S. 5. Vgl. Meinecke, R., Einheit, 1973. Vgl. Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 68. Vgl. den HRG-RegE, §§ 4f, BT-Drs. 7/1328. Vgl. die Begründung des HRG-RegE, S. 36, BT-Drs. 7/1328. Vgl. das Ergebnisprotokoll der Sitzung des FDP-Bundesfachausschusses v. 16./17.6.1973, TOP 4; in: AdL, A7-52.
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pen zusammen über die Mehrheit der Stimmen verfügten.689 Im Ergebnis waren die Professoren also in der Minderheit, während die Assistenzprofessoren zusammen mit den Studenten über mehr als die Hälfte der Stimmen verfügen konnten.690 Der Assistenzprofessor, der auch ohne Habilitation sowohl Forschung als auch Lehre sollte betreiben dürfen, war eine Idee sozialliberaler Reformer und wurde als eine Art Gegengewicht zum auf Lebenszeit verbeamteten Professor verstanden.691 Bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte Bundesminister von Dohnanyi angekündigt, lediglich beiden Gruppen zusammen eine Stimmenmehrheit überlassen zu wollen.692 Ein dritter Schwerpunkt des Entwurfs war eine umfassende Regelung der Zulassung zu den Hochschulen, womit der Länderstaatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen abgelöst werden sollte.693 „Auch wenn die Länder sich inzwischen durch den Abschluß des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen bemüht haben, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte rechtliche Voraussetzung für die Regelung des Hochschulzugangs zu schaffen, bleibt der Bund hier in der besonderen Mitverantwortung: formell, weil der Staatsvertrag befristet bzw. kündbar ist, materiell, weil nach Auffassung des Bundes der Staatsvertrag die Zulassungskriterien nicht optimal regelt.“694 Nach einer leichten Revidierung infolge der Kabinettsberatungen im August 1973 übersandte die Bundesregierung den nunmehr zur Regierungsvorlage entwickelten Gesetzentwurf im September 1973 an den Bundesrat, womit das zweite Gesetzgebungsverfahren zum Hochschulrahmengesetz offiziell initiiert wurde.695 Die im Vergleich zur vorangegangenen Wahlperiode geringe Vorbereitungszeit von nur etwa einem halben Jahr resultierte zum einen aus den umfassenden Verhandlungsergebnissen des Bundestages der letzten Legislaturperiode, zum anderen aber auch aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts,
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Vgl. den HRG-RegE, § 41 Abs. 2 u. Abs. 4, BT-Drs. 7/1328. Zur Begründung führte die Bundesregierung die gleiche Interessenlage beider Gruppen in Forschung und Lehre an, wenngleich eine unterschiedliche Interessenlage in einzelnen Bereichen anerkannt wurde, woraus sich auch die Einteilung in verschiedene Gruppen herleitete. Begründung des HRG-RegE, S. 64, BT-Drs. 7/1328. Vgl. Scherer, H., Hochschulrahmengesetz, 1975, S. 18. Ausdrücklich wollte die Bundesregierung eine Vorherrschaft der Professoren in der Gruppe der Hochschullehrer verhindern. Vgl. die Begründung des HRG-RegE, S. 64, BT-Drs. 7/1328. Vgl. Dohnanyi, K., Hochschulrahmengesetz, 1973, S. 170. Vgl. den HRG-RegE, §§ 28 bis 38, BT-Drs. 7/1328. Begründung des HRG-RegE, S. 28, BT-Drs. 7/1328. Vgl. den HRG-RefE zur Vorbereitung des Regierungsentwurfes v. 14.8.1973; in: BArch, B106, 42863 und den HRG-RegE v. 7.9.1973, BR-Drs. 553/73.
die Verhandlungen in Teilen überflüssig machte, da wesentliche Inhalte des Gesetzes bereits höchstrichterlich vorweggenommen worden waren.696 Interessant ist, dass wie zuvor schon Leussink auch von Dohnanyi der Situation divergierender Mehrheiten und unterschiedlicher Interessenlagen bei den Hochschulmitgliedern durch ein Entgegenkommen gegenüber nahezu allen Beteiligten zu begegnen versuchte. Während er die Länder, vor allem auch die unionsgeführten, einerseits zur Mitarbeit und Mitgestaltung einlud,697 brachte sein Ministerium auf der anderen Seite Informationsschriften für Studenten heraus, welche das Hochschulrahmengesetz als Umsetzung vor allem studentischer Interessen darstellten.698 „Offenbar ist der Bundesregierung der große Wurf nicht gelungen, jedes Freundes Freund zu sein“,699 umschrieb von Dohnanyis Parteifreund, der nordrheinwestfälische Kultusminister Johannes Rau, das Ergebnis noch höflich, was dessen rheinlandpfälzischer Amtskollege und politischer Gegner, Bernhard Vogel, als „blasse, orientierungslose Reformwilligkeit“ bezeichnete, „die sich gestern dem Druck des studentischen Protests, heute dem Appell besorgter Professoren und den Einflüsterungen enttäuschter Utopisten, morgen aber schon wieder gewissen Verbandsinteressen beugt“.700 Auch die FDP nahm als Regierungspartei Einfluss auf die Vorbereitungen des Regierungsentwurfs und machte gegenüber der SPD ihre Vorstellungen geltend.701 4.3.1.5 Der „Mob-Plan“ der Bundesregierung zur Umgehung eines Bundesratsvetos Auch bei den Vorbereitungen zu einem Hochschulrahmengesetz in der siebten Wahlperiode war die sozialliberale Bundesregierung nach wie vor an einer umfassenden Hochschulreform interessiert. Vor allem ihre Pläne zur Regelung der Hochschulzulassung und zur umfassenden Demokratisierung durch eine Neuordnung der Mitbestimmungsregeln stießen aber bei der Union und damit der 696
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Vor allem die Frage der Mitbestimmung war trotz Unterschieden in der Auslegung des Urteils quasi präjudiziert. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 100. Vgl. BM von Dohnanyi (BMBW), BR-StBer. der 397. Sitzung v. 19.10.1973, S. 318. Vgl. BMBW, Hochschulrahmengesetz, 1973. Landesminister Rau (NRW), BR-StBer. der 397. Sitzung v. 19.10.1973, S. 313. Landesminister Vogel (RP), ebd., S. 309. „Die liberale Handschrift des Regierungsentwurfs ist in zahlreichen Verhandlungen der F.D.P. mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und Vertretern der SPD-Fraktion in wichtigen Hauptfragen verdeutlicht worden. Die bis kurz vor der Kabinettssitzung geführten Gespräche waren sachlich und vertrauensvoll und haben faire tragfähige Lösungen ergeben.“ Schuchardt, H., Hochschulrahmengesetz, 1973.
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Bundesratsmehrheit auf Ablehnung. Die Planungen mussten sich deshalb an den politischen Gegebenheiten orientieren und diese im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag hatten sich zwar zugunsten der Regierungskoalition verschoben,702 und bezüglich des Politikfelds Bildung und Wissenschaft hatten sich in den Koalitionsverhandlungen von SPD und FDP keine schwerwiegenden Meinungsverschiedenheiten ergeben,703 jedoch ließ die zwischenzeitlich gefestigte Mehrheit der unionsregierten Länder im Bundesrat eine Verwirklichung aller Forderungen der Koalition nicht zu. Auch die Tendenz der sozialdemokratisch geführten Länder, dem Bund einen möglichst großen Anteil der finanziellen und politischen Verantwortung für die Hochschulen zu überlassen, änderte nichts an dieser Realität.704 Die schwierigen und langwierigen Verhandlungen über das Hochschulrahmengesetz in der vorangegangenen Wahlperiode hatten deutlich gezeigt, dass die Wunschvorstellung der Koalition, ein Gesetz mit nur wenigen Änderungen schnell verabschieden und die als so dringend angesehene Reform rasch einleiten zu können, nicht realisierbar war. Gleichzeitig hatte die Opposition ihre Macht ausspielen können, ohne dass der mit Mehrheit durch sie besetzte Bundesrat überhaupt über den Entwurf des Bundestages beraten musste. Die Brisanz der Mehrheitskonstellationen in Bundestag und Bundesrat ließen im Ministerium deshalb alte Überlegungen wieder zum Vorschein kommen, aus dem Zustimmungs- ein Einspruchsgesetz zu machen.705 Auf Grund der Stimmenmehrheit der unionsgeführten Bundesländer im Bundesrat wäre es diesen bei einem Zustimmungsgesetz leicht möglich gewesen, das Gesetz zu verhindern, was ihnen im Falle eines Vermittlungsverfahrens eine wesentlich stärkere Position bei der Durchsetzung ihrer Interessen ermöglicht hätte. Bei
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Während SPD und FDP bei den Bundestagswahlen 1969 51,2 % der Sitze hatten, waren es nach der Wahl 1972 54,7 % der Sitze. Vgl. Schindler, P., Datenhandbuch, 1999, S. 291. Von beiden Koalitionspartnern war unbestritten, dass der Bund eine stärkere Position in der Bildungspolitik einnehmen müsse, unter anderem, um der geforderten Einheitlichkeit des Bildungswesens Rechung zu tragen. Vgl. das Positionspapier für Koalitionsverhandlungen im Bereich Bildung und Wissenschaft v. 6.12.1972; in: AdsD, 7. WP, 526. Vgl. ebd. Zudem wurden Überlegungen angestellt, die für die Bundesregierung wichtigen Inhalte nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens durch ein Änderungsgesetz, welches dann möglicherweise nicht der Zustimmungspflicht unterläge, in Gesetzeskraft zu bringen. Vgl. das BMJRechtsgutachten v. 14.4.1970, in: BArch, B138-57209.
einem Einspruchsgesetz hätten die Forderungen der Union durch die Mehrheit des Bundestages hingegen leicht ignoriert werden können.706 Während in der sechsten Wahlperiode noch Bedenken gegen eine Streichung der zustimmungsbedürftigen Teile aus dem Gesetz bestanden hatten,707 wurden diese vor dem Hintergrund der Gefahr einer totalen Zustimmungsverweigerung der unionsgeführten Länder und damit eines Scheiterns des Gesetzes in den Hintergrund gerückt. Schon frühzeitig entwickelten die Ministerialbeamten im Bundesbildungsministerium deshalb einen vertraulichen „Plan zur Sicherstellung der Verabschiedung bei drohender Verweigerung der Zustimmung durch [die; T.H.] CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat (Mob-Plan)“ und stellten diesen Minister von Dohnanyi im Mai 1973 vor.708 Der „Mob-Plan“ sah abgestufte Reaktionen
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Zustimmungspflichtig sind Gesetze neben einer ausdrücklichen Benennung im Grundgesetz vor allem dann, wenn sie das Verwaltungsverfahren ändern. Vgl. auch die Aufzählung in Stüwe, K., Bilanz, 2004, S. 27f. Der Bundesrat hat sich hierbei mit seiner Auffassung durchgesetzt, dass dort, wo ein Gesetz in Teilen zustimmungsbedürftig ist, es im Ganzen seiner Zustimmung bedarf. Vgl. Hesse, K., Bundesstaat, 1984, S. 136. Vgl. dazu auch die Bestätigung durch das BVerfG, BVerfGE 37, S. 363ff. Vgl. auch Konow, G., Bundesrat, 1989, S. 251. Der Bundesrat darf auch dann seine Zustimmung verweigern, wenn er gegen die eigentlich zustimmungsbedürftigen Teile eines Gesetzes gar nichts einzuwenden hat. Vgl. Lerche, P., Zustimmungsgesetze, 1989, S. 190. Ein gutachtlicher Vorschlag der BAK, die zustimmungsbedürftigen Teile aus dem Gesetz herauszulassen, blieb unbeachtet. Vgl. das Schreiben und Gutachten der BAK an BM Leussink v. 7.2.1972; in: BArch, B138, 57209. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, bis auf die Studienreformkommissionen wären alle zustimmungsbedürftigen Bestimmungen nur unbedeutende Detailvorschriften, die weggelassen werden könnten. Das HRG würde dann zum Einspruchsgesetz. Bezeichnend ist der handschriftliche Vermerk des BMBW: „Die Gesamtbewertung, daß außer §60 nur unbedeutende Detailvorschriften zur Zustimmungsbedürftigkeit führen, ist nicht aufrecht zu halten.“ Ebd. Auch wenn das Ministerium nach außen damit die Auffassung vertrat, aufgrund des Umfangs der zustimmungsbedürftigen Teile sei eine Herausnahme nicht möglich, verfolgte es primär politische Gründe. Es wurde als problematisch angesehen, ein Gesetz nur mit dem Ziel im Bundestag zu ändern, dessen Zustimmungsbedürftigkeit zu vermeiden. Zudem wurde befürchtet, die Länder könnten ihre Loyalität bei der landesgesetzlichen Umsetzung des Gesetzes versagen, wenn ihnen die gleichberechtigte Mitarbeit verweigert würde. Vgl. das Antwortschreiben des ChBKA an die BAK v. 6.3.1972; in: BArch, B138, 57209. Die Gefahr, die Länder könnten die Zustimmungsbedürftigkeit im Wege der Normenkontrolle vor das Bundesverfassungsgericht bringen, wurde zudem als zu groß eingeschätzt, da der Ausgang eines solchen Verfahrens wegen mannigfacher Auslegungsstreitigkeiten als unsicher galt. Um jedes Risiko zu vermeiden, hätte das Gesetz dann bis auf einen „untauglichen Torso“ zusammengestrichen werden müssen. Vermerk des BMBW v. 4.5.1972, in: BArch, B138, 57209. Vgl. den vertraulichen Vermerk des BMBW, o.D., zum „Plan zur Sicherstellung der Verabschiedung bei drohender Verweigerung der Zustimmung durch CDU/CSU-Mehrheit im Bun-
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auf das zu erwartende Verhalten der Union im Bundestag und Bundesrat vor. Er ging von einer geplanten Zuleitung der Regierungsvorlage bis zum September 1973 an den Bundesrat aus und sah wegen der dort zu erwarteten Fülle an Änderungsvorschlägen einen zweiten Initiativentwurf für ein Hochschulrahmengesetz durch die Koalitionsfraktionen im Bundestag vor. Dieser sollte den Regierungsentwurf ohne die zustimmungsbedürftigen Teile übernehmen. Hierdurch wäre es möglich gewesen, mit der Mehrheit der Regierungskoalition ein Hochschulrahmengesetz im Bundestag zu verabschieden, das der Bundesrat lediglich hätte verzögern, aber nicht verhindern können. Wenn man in Kauf nahm, dass dann einige Teile der geplanten Hochschulreform nicht umzusetzen waren, hätte dennoch ein erheblicher Teil dessen verabschiedet werden können, was die Union ablehnte. Diese Maßnahme sollte aber nur für den Fall ergriffen werden, dass die unionsgeführten Länder bereits zu diesem Zeitpunkt die eindeutige Tendenz zeigten, dem Gesetz nicht zustimmen zu wollen. Andernfalls sollte der Regierungsentwurf dem Bundestag zugeleitet werden, um dort aus dem Verhalten der CDU und CSU die endgültige Stellungnahme der Union besser prognostizieren zu können. Die Verabschiedung im Bundestag war noch vor der Sommerpause 1974 vorgesehen. Aus den Stellungnahmen der CDU/CSU in der zweiten Lesung im Bundestag sollte abgelesen werden, ob die Union bereit sein würde, im Bundesrat das Gesetz in seinen wesentlichen Teilen zu akzeptieren. Sollte das nicht der Fall sein, sah der MobPlan zwei Alternativen vor: Entweder sollte der Gesetzentwurf noch vor der dritten Lesung im Bundestag zurückgenommen und als Initiativentwurf der Regierungskoalition ohne die zustimmungsbedürftigen Teile eingebracht werden, was aber den Nachteil zeitlicher Verzögerungen bedeutet hätte. Oder die Koalitionsfraktionen hätten einen Abänderungsantrag, der auf die Streichung der zustimmungsbedürftigen Teile gerichtet sein sollte, gestellt, wodurch dem Bundesrat nur noch ein Einspruchsrecht zugestanden hätte. Bei Aussicht auf grundsätzliche Kooperation des Bundesrates hing nach dem Plan hingegen alles von den Verhandlungen im zu erwartenden Vermittlungsverfahren ab. In letzter Konsequenz sollten SPD und FDP mit ihrer Mehrheit dort als Vermittlungsvorschlag beschließen, die zustimmungsbedürftigen Teile zu streichen, wobei die Unterstützung der sozialdemokratischen Bundesländer aber nicht als sicher galt. Der Zeitplan – eine Verabschiedung bis zur Sommerpause 1974 – hätte somit zwar eingehalten werden können, jedoch urteilten die Autoren des Plans desrat (Mob-Plan)“; in: BArch, B138, 57209 und das Schreiben des BMBW an BM von Dohnanyi v. 3.5.1973; in: BArch, B138, 57209.
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selbst, dass die verschiedenen Alternativen verfassungspolitisch nicht zweifelsfrei waren. Eine Entscheidung über die Herauslösung der zustimmungsbedürftigen Teile bis zur dritten Lesung im Bundestag wurde deshalb ausdrücklich empfohlen.709 Derartige Überlegungen verdeutlichen, wieso sich das Bundesbildungsministerium mit seinem neuen Gesetzentwurf nicht von Anfang an in einem noch stärkeren Maße an den Vorstellungen der Union ausrichtete und von vornherein einen Kompromissentwurf erstellte. Dass von Dohnanyi tatsächlich ein Vorgehen nach diesem Plan in Erwägung zog, zeigt seine Drohung an die Bundestagsopposition, die Regierung werde die zustimmungsbedürftigen Paragraphen des Hochschulrahmengesetzes „eher ändern, als ein Gesetz vorzulegen, das der jetzigen Mehrheit im Bundesrat genehm sei.“710 Zudem gab er ein Rechtsgutachten in Auftrag, dass die Möglichkeit einer Absonderung der zustimmungsbedürftigen Teile aus dem Hochschulrahmengesetz bestätigten sollte.711 Inwieweit das Ministerium dem MobPlan folgte und wie lange dessen Umsetzung ernsthaft in Erwägung gezogen wurde, lässt sich aber nicht eindeutig rekonstruieren, da die beschriebenen Maßnahmen letztlich nicht ergriffen wurden. 4.3.2 Die Abstimmungen der Bundestagsopposition mit den unionsgeführten Bundesländern und deren Interessen 4.3.2.1 Interessenunterschiede zwischen der Union im Bund und in den Ländern Das Hochschulrahmengesetz nahm aus verschiedenen Gründen auch bei der Union eine herausgehobene Stellung ein. Zum einen musste sie der Aktualität und Brisanz Rechnung tragen, die die Hochschulpolitik innehatte. Zum anderen benötigte die Union im Bundestag Themen, mit denen sie sich in ihrer neuen Rolle als Opposition profilieren konnte. Hierfür eignete sich die Hochschulgesetzgebung, die wegen der Studentenproteste ein breites öffentliches Interesse 709
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Vgl. den vertraulichen Vermerk des BMBW, o.D., zum „Plan zur Sicherstellung der Verabschiedung bei drohender Verweigerung der Zustimmung durch CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat (Mob-Plan)“; in: BArch, B138, 57209. o.V., Bundesrat, 1974. Vgl. auch BArch, B138, 57209. Für das Gutachten wurde durch das BMJ ein Experte benannt, der zuvor ein für den Bund sehr günstiges Gutachten zum Rentenanpassungsrecht erstellt hatte. Vgl. den Vermerk des BMBW für BM von Dohnanyi v. 7.2.1974; in: BArch, B138, 57209 und das Gutachten v. 13.5.1974; in: BArch, B138, 57209.
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fand, in vorzüglicher Weise. Insbesondere waren aber die Länder von den Auswirkungen der Bundeshochschulgesetzgebung betroffen weswegen die Union in ihren Ländern die künftige Einengung durch einen sozialliberalen Hoschulrahmen fürchtete. Da sie in einigen zentralen Bereichen der Hochschulpolitik wesentlich andere Ansätze verfolgte als die sozialliberale Koalition im Bund, war ein hohes Engagement auf diesem Gebiet also unerlässlich. Im Gegensatz zu den Regierungsparteien, die die Federführung am Hochschulrahmengesetz ebenenübergreifend recht bald dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft überließen, stand der Union eine derartige, mit Fachkompetenz ausgestatte zentrale Stelle zur Koordinierung der gemeinsamen Interessen nicht zur Verfügung, weswegen von allen Ebenen spürbar mehr Initiative ausging. Wesentliche Akteure auf Seiten der Union waren im Bundestag der Vorsitzende des CDU/CSU-Arbeitskreises für Bildung, Wissenschaft und Publizistik, Berthold Martin, und auf Seiten der Länder der Vorsitzende des Bundeskulturausschusses der Union, der rheinland-pfälzische Kultusminister Bernhard Vogel. Ersterer hatte bereits im Juni 1969, zur Zeit der großen Koalition, versucht, ein Hochschulrahmengesetz in den Bundestag einzubringen und die seinerzeit noch sehr frische Bundeskompetenz auszufüllen. Dabei hatte er die Rahmenkompetenz des Bundes sehr weit gefasst.712 Durch diesen eigenmächtigen Vorstoß hatte der Bundestagsabgeordnete aber vor allem in den eigenen Reihen Missbilligung hervorgerufen. Das zu dieser Zeit noch unionsgeführte Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, welches ursprünglich die Einbeziehung der Landeshochschulgesetze in die Gesetzgebung zugesagt hatte, sah sich durch den Vorstoß Martins erheblich unter Druck gesetzt.713 Die an der Initiative Martins nicht beteiligten unionsgeführten Länder wiederum sahen durch den eigenmächtigen Gesetzentwurf ihre Hochschulgesetze gefährdet. Die bayerische Landesregierung, die über die CSU-Landesgruppe im Bundestag von 712
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Ein Exemplar des Entwurfs vom Juni 1969 ist abgelegt im BayHStA, StK-GuV, 13928. Im Gegensatz zu den unionsregierten Ländern ging Martin zu dieser Zeit davon aus, „daß die dem Wortlaut zu entnehmende weitere Einengung der an sich schon begrenzten Rahmenkompetenz nicht zu einer völligen Inhaltsentleerung“ führen dürfe. Vielmehr glaubte er, „daß der Bund auf jeden Fall die Grundzüge und Leitlinien des Hochschulwesens mit unmittelbarer Wirkung gegenüber den von der Gesetzgebung Betroffenen regeln kann.“ Martin, B., Überlegungen, 1969, S. 1. Vgl. den Vermerk des BMwF für BM Stoltenberg v. 31.7.1969; in: BArch, B138, 57110. Dies vor allem auch deshalb, weil in der Öffentlichkeit eine angebliche Kritik Martins am behutsamen Vorgehen der Bundesregierung bekannt wurde. In einem Schreiben an BM Stoltenberg bestritt Martin aber die Vorwürfe, er habe gesagt, Stoltenberg hätte zu lange für eine HRGVorlage gebraucht. Vgl. das Schreiben v. 31.7.1969; in: BArch, B138, 57110.
der bevorstehenden Gesetzesinitiative Kenntnis erhalten hatte, intervenierte sofort. Ministerpräsident Alfons Goppel persönlich bat darum, die Initiative nicht in den Bundestag einzubringen. Neben den konkreten Einzelbestimmungen des Entwurfs lehnte die bayerische Staatsregierung generell jede Art einer Bundesrahmengesetzgebung auf dem Gebiet des Hochschulrechts ab, da diese die „Diskussion nur noch mehr verwirren würde.“714 Insbesondere ging sie, im Gegensatz zu Martin, von einer deutlichen Überschreitung der Rahmenkompetenz des Bundes aus.715 Dabei lehnte Bayern ein Hochschulrahmengesetz nicht grundsätzlich ab. Man wollte aber erreichen, dass sich eine Bundesrahmengesetzgebung vor allem an den zwischen den Ländern erzielten Übereinstimmungen ausrichtete und die Möglichkeit, in den Ländern zu modernen und sachgerechten Lösungen zu kommen, nicht verhindert würde.716 „Wenn überhaupt an die Schaffung eines Hochschulrahmenrechts gedacht werden soll, so müssten auf jeden Fall die Ergebnisse der gegenwärtig in den Ländern vor sich gehenden legislatorischen Verfahren und deren praktische Bewährung abgewartet werden (…)“,717 kritisierte der bayerische Ministerpräsident die unterlassene Koordinierung mit den Bundesländern. Des Appells Goppels hätte es aber nicht mehr bedurft. Martin hatte bereits zuvor dem Druck der CSU nachgegeben, aufgrund eines Telefonats mit dem bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus seinen Gesetzentwurf zurückgezogen und zugesagt, neuerliche Anläufe zugunsten der nächsten Legislaturperiode zurückstellen zu wollen.718
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Der bay. MP Goppel in einem Schreiben an Staatsminister Heubl v. 27.6.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928. Vgl. das Fernschreiben Staatsminister Heubls an den bay. MP Goppel v. 26.6.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928. Vgl. das Fernschreiben MP Goppels an Staatsminister Heubl v. 27.6.1969; in: BayHStA, StKGuV, 13928. Ebd. Vgl. den Vermerk der bay. Staatskanzlei v. 27.6.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928. Die Vertreter der Bundestagsfraktion der Union konnten ihren Kollegen der SPD deshalb mitteilen, dass die Einbringung eines HRG von der CDU/CSU nicht weiter verfolgt wird. Vgl. die Besprechungsnotiz der Koalitionsbesprechung v. 1.7.1969; in: ACSP, NL Stücklen, 243. Vgl. auch die Vorbemerkung des AK Wissenschaft und Publizistik der CDU/CSUBundestagsfraktion v. 22.10.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928.
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4.3.2.2 Das Ringen der Union um einen eigenen Entwurf der CDU/CSUBundestagsopposition Die verlorene Regierungsbeteiligung im Bund trieb die Union dann aber im Oktober 1969 zur Eile. Man erkannte „daß die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages in ihrer neuen Oppositionsrolle ein Gesetz über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens möglichst schnell (November) einbringen muß, wenn sie sich nicht von vornherein in die Defensive drängen lassen will“.719 Als Resultat des übereilten Vorgehens im Juni desselben Jahres setzte die Bundestagsfraktion nunmehr auf eine umfassende Koordinierung mit den unionsgeführten Ländern, auch wenn ihre zeitlichen Vorstellungen so nicht einhaltbar waren. Der Arbeitskreis für Wissenschaft und Publizistik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erarbeitete eine neue Fassung für einen Gesetzentwurf und übersandte diesen den unionsgeführten Landesregierungen. Auf dieser Grundlage war ein gemeinsamer Entwurf mit den CDU/CSUKultuspolitikern vorgesehen, der als Initiativantrag spätestens Anfang 1970 in den Bundestag eingebracht werden sollte.720 Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU hatte also erkannt, dass sie ein Hochschulrahmengesetz des Bundes im Alleingang nicht auf den Weg bringen konnte. Zudem hatte die Union als Opposition im Bundestag ohne einen starken Fürsprecher im Bundesrat kaum Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer politischen Vorstellungen. Wie wenig begeistert die unionsgeführten Länder vom Gesetzgebungselan ihrer Bundestagsfraktion waren, zeigt ihre Ablehnung auch des neuerlichen Gesetzentwurfs.721 Dabei stellten sich die Länder einem Hochschulrahmengesetz nicht grundsätzlich entgegen und erkannten dessen Notwendigkeit durchaus an. Der Bundestagsfraktion der Union kam es aber vielmehr auf den mit dem eigenen Einfluss auf das Gesetz verbundenen politischen Er719
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Vorbemerkung des AK Wissenschaft und Publizistik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 22.10.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928. Vgl. das Schreiben des bay. Bundesbevollmächtigten an die bay. Staatskanzlei v. 29.10.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928. Die Bundestagsfraktion der Union sollte hierbei durch den ehem. BM Stoltenberg vertreten werden. Vgl. ebd. An der Entwicklung des Entwurfes waren auch Professoren beteiligt. Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 31.10.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928. Der Schleswig-Holsteinische MP Helmut Lemke stellte fest, dass der Entwurf an den Interessen der Länder vorbei gehe, und Bayern lehnte den Vorentwurf als zu schlecht redigiert ab. Vgl. das Schreiben MP Lemkes an MP Goppel v. 3.2.1970 und die Vormerkung bezüglich des Gesprächs des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten am 12.2.1970 v. 11.2.1970; beide in: BayHStA, StK-GuV, 13928.
folg an. Sie wollte der Bundesregierung den Erfolg eines Hochschulrahmengesetzes nicht allein überlassen und sah eine „Notwendigkeit der CDU/CSUFraktion, sich auf diesem Gebiet zu profilieren“.722 Die Unionspolitiker in Bund und Ländern wurden also durch den gemeinsamen Willen, zu einem Hochschulrahmengesetz kommen zu wollen, geeint, unterschieden sich aber in der Zielsetzung des Gesetzes grundlegend. Gerade weil eine stärkere Vereinheitlichung des Hochschulwesens durch die Länder als erforderlich angesehen wurde und diese es im März 1969 nicht geschafft hatten, sich in einem Staatsvertrag zu einigen, waren die Länder an einem Rahmengesetz interessiert. Dieses sollte aber lediglich die wesentlichsten Belange regeln.723 Die Bundestagsfraktion der Union strebte wie die Bundesregierung hingegen eine umfassende Regelung des Hochschulwesens an, wenn auch mit anderen thematischen Schwerpunkten. Den Oppositionspolitikern offenbarten sich hier schon bald dieselben Probleme, wie sie sich auch der Bundesregierung stellten. Die vorhandene Hochschulrahmengesetzgebungskompetenz wurde für die geplanten Reformen als nicht ausreichend erachtet, weswegen in der CDU/CSU-Fraktion sogar eine Ausweitung der Bundeskompetenzen ins Auge gefasst wurde, womit man sich ausdrücklich gegen die unionsgeführten Länder gestellt hätte.724 Zuvor war erfolglos versucht worden, auch diese für eine Ausweitung der Bundeskompetenzen zu gewinnen.725 Bereits 1968 hatte der Berliner CDU-Bundesparteitag den Wunsch einer Rahmenkompetenz für das Bildungswesen und der Schaffung eines Bundesbildungsministeriums ausgesprochen.726 Auf dem Mainzer Parteitag im November 1969 wurde dieser Beschluss dann erneuert und verstärkt. Der Parteitag forderte die Bundestagsfraktion auf, bis April 1970 einen Initiativantrag in den Bundes722 723
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Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten 15.9.1970; in: BayHStA, BBB, 421. Der „Staatsvertrag über die Grundsätze der Reform der wissenschaftlichen Hochschulen und über die Vereinheitlichung des Ordnungsrechts an den Hochschulen“ war im März 1969 gescheitert. Vgl. das Schreiben des Schleswig-Holsteinischen Bundesbevollmächtigten an die Vertretungen der Länder v. 24.6.1969; in: BayHStA, BBB, 419. MP Lemke schlug deshalb die zügige Verabschiedung eines HRG vor. Vgl. die Aufzeichnung des BKA über die Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder v. 29.5.1969, S. 3; in: BArch, B136, 4179, Nr. 275ff. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Rainer Barzel v. 17.4.1970; in: ACDP, VIII-007003/1. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an den RP-KM Bernhard Vogel v. 1.4.1970; in: ACDP, VIII-007-003/2. Vgl. CDU, Beschluss, 1968, Nr. 26, S. 79. Der Vorschlag geht auf den ehem. NRWKultusminister Paul Mikat zurück.
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tag einzubringen, der auf umfassende Bundeszuständigkeiten auf dem Gebiet des Bildungswesens zielen sollte.727 Bezeichnend war, dass diejenigen Landesverbände, in denen die Union in Regierungsverantwortung stand, den Vorschlag abgelehnt hatten. Sie fürchteten einen Stillstand der Reformbemühungen in den Ländern,728 während die Angehörigen der in Opposition stehenden CDULandesverbände und vor allem der Bundestagsfraktion den Vorschlag befürworteten.729 Diesem Antrag folgend, hatte der zuständige Arbeitskreis der CDU/CSUFraktion im Frühjahr 1970 eine Initiative zur Schaffung einer Bundeskompetenz für das Bildungswesen vorbreitet, die darauf hinwirken sollte, vordringliche Reformen des Bildungswesens von der Vorschule bis zum Hochschulwesen umgehend einzuleiten und zu verwirklichen.730 Letztlich verzichtete die Union im Bundestag aber auf die Einbringung dieser Initiative.731 Grundsätzlich waren die Bemühungen, zu einem Hochschulrahmengesetz zu kommen, mit einem Konflikt zwischen der CDU in der Opposition und der in Regierungsverantwortung hinterlegt, was auch zu unterschiedlichen Auffassungen über den Umfang einer zukünftigen Hochschulrahmengesetzgebung führte. Während die einen in dem Thema eine erfolgversprechende Gelegenheit zur Profilierung als Opposition sahen, verfolgten die anderen eher Landesinteressen und widersprachen daher einer Einschränkung ihrer Möglichkeiten. Neben diesem allgemeinen Interessenkonflikt wurden die internen Koordinierungungsbemühungen der Union durch die Veröffentlichung der 14 Thesen durch die Bundesregierung empfindlich gestört. Die Pläne für eine eigene Gesetzesinitiative im Bundestag wurden nach dem Bekanntwerden der The727 728 729
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Vgl. CDU, Niederschrift, 1969, S. 161-172. Vgl. ebd., S. 163f u. 170. Vgl. Rainer Barzel auf dem CDU-Bundesparteitag in Mainz; ebd., S. 125. Die Vorschläge waren nicht mit den Landesverbänden der Union abgestimmt worden. Vgl. ebd., S. 163. Vgl. die Schreiben Berthold Martins an Rainer Barzel, v. 24.4.1970 und 28.4.1970; beide in: ACDP, VIII-007-003/1. Die unionsgeführten Länder widersprachen diesem Ansinnen umgehend und wiesen darauf hin, dass sie die Leidtragenden eines solchen Vorgehens gewesen wären. „Die Bundesregierung könnte die geforderten Maßnahmen leicht an die Länder abschieben, die dies nicht so schnell umsetzen könnten. Da in 6 von 8 Flächenstaaten die Union das Sagen hat, würde der Ball leicht an die Union zurückgespielt.“ Fernschreiben des RP-KM Bernhard Vogels an Berthold Martin v. 24.4.1970; in: ACDP, VIII-007-003/2. Das Ziel eines bundeseinheitlichen Bildungssystems blieb aber erhalten und wurde, wenn auch in weniger deutlicher Form, noch in der überarbeiteten Fassung des Berliner CDUParteiprogramms von 1973 festgeschrieben. Der Wunsch nach einem bundeseinheitlichen Bildungssystem wurde zwar weiterhin formuliert, jedoch wurde keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Erreichung dieses Zieles mehr gefordert. Vgl. CDU, Programm, 1971, Nr 29, S. 54.
sen mehrfach verschoben und teilweise sogar schon ganz aufgegeben. Vor allem aber die in den Hearings mit Fachverbänden des Bundestagsausschusses für Bildung und Wissenschaft deutlich gewordene Kritik an den Thesen der Bundesregierung ließ die CDU/CSU-Bundestagsfraktion daran zweifeln, ob ein eigener Entwurf eingebracht werden sollte, da man fürchtete, die Kritik damit auf sich zu ziehen.732 Schließlich verfolgte die Union im Bundestag wie auch die Bundesregierung das grundsätzliche Ziel einer Einschränkung des Hochschuleinflusses und bindender Vorgaben für die Landesgesetzgeber. Die Hearings des Bundestages hatten indes gezeigt, dass es an den Hochschulen kaum Koalitionsmöglichkeiten mit der Union gab.733 In den unionsgeführten Ländern, die ein gewisses Maß an Rahmenregeln als notwendig erachteten, wurden die 14 Thesen des Bundesbildungsministeriums hingegen als konstruktiver Beitrag zur Diskussion um das künftige Hochschulsystem betrachtet. Da die Thesen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ideologisch noch unbelastet waren, wurden sie als wesentlich besser für die anstehende Diskussion angesehen als der Entwurf der CDU/CSUBundestagsfraktion.734 Die Absicht Bundesminister Leussinks, die Thesen auch mit Sachverständigen aus den CDU/CSU-regierten Ländern zu erörtern, stellte die Kultusminister der Union allerdings vor das Problem, sowohl die Regierungsthesen als auch einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mitgestalten zu sollen. Da öffentlichen Verlautbarungen aus dem Bundesbildungsministerium zufolge ein Erfolg der Gesetzgebung in erster Linie von einem Erfolg der Verhandlungen mit den Ländern abhing, konnten sich die unionsdominierten Länder einer
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Während die Union zunächst ihren Gesetzentwurf unbedingt vor der Bundesregierung einbringen wollte (vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 7.11.1969; in: BayHStA, StK-GuV, 13928) und Fraktionsvorsitzender Barzel noch im März 1970 gefordert hatte, sich durch Verzögerungen der Regierungsvorlage nicht aus dem Konzept bringen zu lassen und einen eigenen Entwurf spätestens über Ostern 1970 zu erarbeiten (vgl. Protokoll der CDU/CSU-Bundestagsfraktionssitzung v. 10.3.1970; in: ACDP, VIII-001-1021/1), sorgte der starke Protest, der den 14 Thesen aus den Reihen der Fachverbände entgegengeschlagen war, für ein Umdenken. „Wenn wir jetzt die Vorlage machen, dann laufen wir in die Messer hinein, die bereits in der Brust von Herrn Leussink stecken. Also, das hätte gar keinen Sinn. (…) Wir würden das Messer aus seiner Brust rausziehen und in unsere reinjagen.“ (Berthold Martin auf der CDU/CSU-Bundestagsfraktionssitzung v. 14.4.1970. Protokoll; in: ACDP, VIII-0011021/1). Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Bernhard Vogel v. 1.4.1970; in: ACDP, VIII-007003/2. Vgl. die Vormerkung der bay. Staatskanzlei bezüglich des Gesprächs des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten am 12.2.1970 v. 11.2.1970; in: BayHStA, StK-GuV, 13928.
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Zusammenarbeit mit der Bundesregierung faktisch nicht entziehen.735 Über Verhandlungen mit dem Bundesbildungsministerium versuchten sie Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen.736 4.3.2.3 Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundesstagsopposition Ein koordiniertes Vorgehen der durch die Union regierten Länder mit ihrer Bundestagsfraktion kam erst im Juli 1970 wieder zustande.737 Bis dahin war der Informationsaustausch zwischen den Ebenen eher dürftig gewesen. So kannte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion weder das Ergebnis der Gespräche zwischen Bundesminister Leussink und den CDU/CSU-Kultusministern noch war deren Haltung zu einem eigenen Entwurf bekannt. Erneut erkannte man deshalb auf Seiten der Fraktion, ein eigener Gesetzentwurf mache nur Sinn, wenn dieser auch von den unionsgeführten Ländern mitgetragen würde, was deren weitestgehende Beteiligung erforderlich machte. In der Folge wurde ein gemeinsamer Entwurf unter Federführung der unionsgeführten Länder bei Mitarbeit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erarbeitet. Die Länder wiederum traten gegenüber der Bundestagsfraktion geschlossen über den rheinland-pfälzischen Kultusminister Vogel auf.738 Die politische Zielrichtung des Entwurfs sollte von einem Gremium aus allen CDU/CSU-Kultusministern, dem Arbeitskreis Bildung und Wissenschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der Abteilung Bildung der Bundesgeschäftstelle festgesetzt werden, die Formulierung des Gesetzentwurfes selbst wollte man indes einer Kommission aus Juristen und Hochschulfachleuten der CDU/CSU-Kultusministerien übertragen.739 Uneinigkeit herrschte aber nach wie vor über den Zeitpunkt, zu dem der Entwurf eingebracht werden sollte. Die Bundesregierung hatte mit ihrer Hochschulpolitik in der Bewertung der Union gewaltig an Boden gewonnen, und es war für die Opposition immer schwerer geworden, Gegenvorstellungen zu ent735 736
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Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 17.2.1970; in: BayHStA, BBB, 421. Vgl. den Auszug aus einem Vermerk des BMBW zu politischen Widerständen in den Ländern v. 19.3.1970; in: BArch, B138, 57115. Auf einer Besprechung zwischen den Kultusministern der Union und den bildungspolitischen Vertretern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 14.7.1970 wurde vereinbart, einen gemeinsamen Entwurf für ein Hochschulrahmengesetz auszuarbeiten. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Bernhard Vogel v. 20.8.1970; in: ACDP, VIII-007-003/2. Vgl. ebd. Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 15.9.1970; in: BayHStA, BBB, 421.
wickeln.740 Während der Arbeitskreis Bildung auf eine Einbringung drängte, gab es durchaus auch Argumente, die dagegen sprachen. So nutzte der ÄltestenAusschuss der CDU/CSU-Fraktion741 die Abwesenheit des Vorsitzenden des Arbeitskreises für Bildung und Wissenschaft und beschloss im November 1970, die Arbeiten an dem Gesetzentwurf zwar fortzusetzen, diesen aber keinesfalls mit dem Regierungsentwurf einzubringen.742 Man war „in diesem Kreis der Ansicht, daß es besser sei, zunächst die Regierung in die offenen Messer der linken Gegner des Leussink-Entwurfs rennen zu lassen und abzuwarten, inwieweit die Regierungsvorlage Chancen hat, im Bundestag durchzukommen“.743 Im Dezember 1970 wurde der Gesetzentwurf schließlich fertiggestellt und auf einer gemeinsamen Sitzung der CDU-Kultusminister, der Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und einem Mitarbeiter der CDUBundesgeschäftsstelle abschließend beraten. Nach wie vor ungeklärt war der geeignete Termin für die Einbringung in den Bundestag. Während die Bundestagsabgeordneten den Entwurf zu Beginn des Jahres 1971 der Öffentlichkeit vorstellen und damit ihre Profilierung als Opposition betreiben wollten, waren die unionsregierten Länder geteilter Meinung. So war Bayern mit dem durch die Bundesregierung vorgelegten Entwurf in weiten Teilen zufrieden. Um dennoch Profilierungschancen gegenüber dem Regierungsentwurf zu haben, schlug der bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus vor, diesen im Bundestag stark nach links zu verändern und erst dann als Fraktion einen Gesetzentwurf einzubringen, der dem Regierungsentwurf in etwa gleichen sollte.744 Andere CDU-Länder befürworteten hingegen eine schnelle Einbringung in den Bundestag, schlugen aber aus taktischen Erwägungen vor, dies erst nach dem Düsseldorfer Bundesparteitag im Januar 1971 zu tun, um in dieser kontroversen Frage parteiinterne Auseinandersetzungen zu vermeiden.745 Die Fraktion 740 741
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Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 15.9.1970; in: BayHStA, BBB, 421. Der Ältesten-Ausschuss bestand aus den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und den Vorsitzenden der Arbeitskreise. Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 5.11.1970; in: BayHStA, BBB, 421. Ebd. Vgl. den Vermerk des bay. Bundesbevollmächtigten v. 9.12.1970; in: BayHStA, BBB, 422. In den Gesetzentwurf der Union wurden mit Absicht ganze Paragraphen wörtlich aus dem Entwurf der Bundesregierung übernommen. Vgl. ebd. Die Ähnlichkeit der inhaltlichen Zielsetzungen führte dazu, dass der Unionsentwurf von Seiten der Regierungskoalition als konzeptlos und im Gegensatz zu den großen verbalen Ankündigungen durch Unionsvertreter als Enttäuschung bezeichnet wurde. Vgl. o.V., Entwurf, 1971, S. 5. Vgl. das Schreiben des Baden-Württembergischen KM Wilhelm Hahn an Rainer Barzel v. 16.1.1971; in: ACDP, VIII-007-003/1. Der Termin für die Einbringung in den Bundestag war mit dem rheinland-pfälzischen KM abgestimmt worden. Vgl. ebd. Zu den befürchteten Kontroversen auf dem Parteitag kam es indes nicht, denn die inhaltlichen Differenzen in Fragen der
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der Union leitete ihren Gesetzentwurf demgemäß am 29. Januar 1971 dem Bundestag zu. Dort wurde er gemeinsam mit der Regierungsvorlage in erster Lesung beraten.746 4.3.2.4 Das koordinierte Vorgehen der Union in der siebten Wahlperiode Die Union, die gegen Ende der sechsten Legislaturperiode die Notwendigkeit eines Hochschulrahmengesetzes nicht mehr vollständig gesehen und vertreten hatte, erblickte im Instrument des Rahmengesetzes nun die Möglichkeit, trotz ihrer Oppositionsrolle im Bundestag auch die Hochschulpolitik der sozialdemokratischen Länder wesentlich mitbestimmen zu können. Während aufgrund der eigenen Übermacht im Bundesrat die Gefahr einer zu großen Beeinträchtigung der Hochschulpolitik in den unionsgeführten Ländern nicht gegeben war, strebte die Union nach einem Gesetz, welches „die sehr weitgehenden Hochschulgesetze in Berlin, Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Bremen zur Revision zwingt“.747 Ebenso wie die sozialliberale Koalition hatte also auch die Union ein Interesse an einem Rahmengesetz, um sich politisch profilieren zu können und ihre Vorstellungen einer Hochschulreform verbindlich zu machen. Bestärkt wurde sie hierbei durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Mitbestimmung an den Hochschulen, welches die beiden konservativen Parteien als Bestätigung ihrer Auffassung ansahen.748 Entsprechend negativ fiel deshalb die Bewertung der neuen Regierungsvorlage des Hochschulrahmengesetzes durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus. Der neu ins Amt gekommene Fraktionsvorsitzende Karl Carstens erklärte, er habe den Eindruck, dass das „Karlsruher Urteil unterlaufen werden soll, welches ja bekanntlich die bis dahin in Hannover und einigen Ländern praktizierte Parität als verfassungswidrig bezeichnet hatte. Jetzt soll dieses Urteil dadurch unterlaufen werden, daß die ordentlichen Professoren und die Assistenzprofessoren in eine Gruppe zusammengefasst werden und dann soll dieser Gruppe die Parität mit den anderen Gruppen zugewiesen
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Hochschulpolitik waren nicht von grundsätzlicher Natur. Vgl. CDU, Niederschrift, 1971, S. 127ff. Vgl. den Gesetzentwurf der CDU/CSU – Entwurf eines Rahmengesetzes über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Hochschulrahmengesetz) v. 29.1.1971, BT-Drs. VI/1784. Berthold Martin in einem Schreiben an Rainer Barzel v. 15.5.1972; in: ACDP, VIII-007003/1. Vgl. o.V., Bestätigung, 1973, S. 32.
werden. Das kann und ist mit Sicherheit nicht im Sinn dieses Urteils. (…) Bremen scheint das Urteil überhaupt ignorieren zu wollen.“749 Das Vorgehen der Bundestagsfraktion wurde wie in der vorangegangenen auch in der siebten Wahlperiode umfassend mit den Regierungen der unionsgeführten Bundesländer koordiniert. Ziel war es, „eine nahtlose Übereinstimmung (…) für die Beratungen im Bundesrat und für die dann folgenden Beratungen im Bundestag zustande zu bringen“.750 Die Problempunkte wurden zusammen mit den Kultusministern der CDU und CSU erarbeitet. Zudem wurden Gespräche mit den Präsidien der Westdeutschen Rektorenkonferenz und des Hochschulverbandes geführt, aufgrund derer sich die Union der Unterstützung wesentlicher Teile der Hochschullehrer sicher war.751 Gerade letzteres war insofern von großer Bedeutung, als sie mit ihren Vorstellungen zur Hochschulreform zuvor noch auf derart viele Widerstände an den Hochschulen gestoßen war, dass sich ihr kaum Koalitionsmöglichkeiten mit den Hochschulvertretern geboten hatten.752 Ein Erfolg war für die Union nur durch ein geschlossenes Vorgehen zu erzielen, weshalb die Bundestagsfraktion gegenüber den unionsdominierten Ländern ausdrücklich erklärte, die Wünsche des Bundesrates und die Einwände gegen das Hochschulrahmengesetz bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen.753 Es kam der Union im Bundestag somit weniger auf eine eigene Profilierung als Bundestagsfraktion als vielmehr auf ein geschlossenes Auftreten als Partei an. Sie profitierte dabei von der Möglichkeit, auf verschiedenen Ebenen agieren zu können. Demgemäß band die Fraktion mitunter unionsgeführte Kultusministerien gezielt in ihre Arbeit mit ein. So äußerte der rheinland-pfälzische Kultusminister beispielsweise in einem Schreiben an den Bundesbildungsminister seine Sorge über finanzielle Mehrbelastungen der Länder, nachdem die Unionsfrakti-
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Karl Carstens (Fraktionsvorsitzender), auf der CDU/CSU-Bundestagsfraktionssitzung v. 12.9.1973, Protokoll; in: ACDP, Fraktionsprotokolle, VIII-001-1033/2. Anton Pfeifer, auf der CDU/CSU-Bundestagsfraktionssitzung v. 2.10.1973, Protokoll; in: ACDP, VII-001-1033/2. Vgl. ebd. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Bernhard Vogel v. 1.4.1970; in: ACDP, VIII-007003/2. Gespräche zwischen Union und WRK hatten deshalb seit 1969 nicht mehr stattgefunden. Vgl. das Protokoll der CDU/CSU-Bundestagfraktionssitzung v. 2.10.1973; in: ACDP, VIII-001-1033/2. Vgl. das Schreiben des bay. Staatsministers für Unterricht und Kultus, Hans Maier, an den Vorsitzenden der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Karl Carstens, v. 6.12.1973 und das Antwortschreiben v. 20.12.1973; beide in: ACDP, Bildungs- und Hochschulwesen 1970-1973, VIII-007-008/2.
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on im Bundestag eine für sie nur unbefriedigende Antwort auf eine entsprechende Anfrage erhalten hatte.754 Insgesamt ist für die siebte Wahlperiode ein wesentlich geschlosseneres Vorgehen der Union zu konstatieren, als dies noch in der sechsten Wahlperiode der Fall war. Sowohl die Bundestagsfraktion als auch die Länder hatten erkannt, dass sie zur Durchsetzung ihrer Interessen nur gemeinsam erfolgreich sein konnten. 4.4 Die Überlagerung des föderativen durch das parteienstaatliche Element am Beispiel der Verhandlungen in den Politikarenen Neben den internen Koordinierungen und Handlungsstrategien der jeweiligen politischen Lager sind vor allem die Verhandlungen, Auseinandersetzungen, Durchsetzungs- und Kompromissbildungsprozesse zwischen den politischen Gegnern von Interesse. Diese Aushandlungsprozesse fanden insbesondere in den dafür vorgesehenen politischen Gremien, d.h. im Bundestag und Bundesrat sowie im Vermittlungsausschuss als zwischengelagerter Instanz statt. Anhand der Beratungen innerhalb dieser Gremien sollen die Aushandlungsprozesse bewertet werden. Hierzu werden die Verhandlungen allgemein betrachtet, wobei Sachverhalte von größerer Bedeutung detaillierter ins Auge gefasst werden sollen. Die Bewertung der Aushandlungsprozesse erfolgt insbesondere im Hinblick auf die Zielsetzungen der einzelnen Akteure sowie die Mittel zur und den Erfolgsgrund bei der Durchsetzung dieser Ziele. Für die beiden Legislaturperioden werden dabei die Beratungen im Bundesrat und Bundestag jeweils getrennt betrachtet, um bessere Abgrenzungen zwischen Verhandlungen auf der Bundesund Landesebene zu ermöglichen sowie deren Durchmischung aufzuzeigen. Besonders die Kompromissbildung im Vermittlungsausschuss lässt Rückschlüsse über die politischen Ziele der Akteure zu, da hier neben fachlichen auch politische Interessen offen angesprochen wurden.
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Vgl. das Schreiben Bernhard Vogels an Anton Pfeifer v. 31.10.1974; in: ACDP, VIII-007013/1. „Ich wäre dankbar, wenn Du beim BM bereits jetzt (…) vorstellig würdest. Ich würde es insbesondere sehr begrüßen, wenn die Kritik an der Antwort auf unsere Anfrage auch dem Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft zur Kenntnis gegeben würde. Dies wäre für uns bei der Gesetzesberatung eine große Hilfe.“ Anton Pfeifer in einem Schreiben an Bernhard Vogel v. 27.9.1974; in: ACDP, VIII-007-013/1.
4.4.1 Die Verhandlungen in der sechsten Wahlperiode 4.4.1.1 Die erste Lesung zweier konkurrierender Gesetzentwürfe im Bundestag Der Bundestag beschäftigte sich in der sechsten Wahlperiode nur einmal mit dem Hochschulrahmengesetz, wobei sich die an die Plenardebatte anschließenden Ausschussberatungen über viele Monate hinzogen. Zu einer zweiten und dritten Lesung im Plenum kam es infolge der vorzeitigen Auflösung des Bundestages 1972 nicht mehr. Die Regierungsvorlage des Hochschulrahmengesetzes755 wurde im März 1971 in erster Lesung gemeinsam mit dem Gegenentwurf der CDU/CSUFraktion756 beraten.757 Der Bundestag beschloss nach ausführlicher und kontroverser, aber insgesamt ruhiger Debatte, beide Gesetzentwürfe federführend an den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft sowie mitberatend an den Innen-, Rechts- und Haushaltsausschuss zu überweisen. Inhaltlich standen vor allem die Demokratisierung der Hochschulen, die integrierte Gesamthochschule und die Konkretisierung der Wissenschaftsfreiheit im Vordergrund. Sowohl Regierungskoalition als auch Opposition proklamierten für sich dieselben Ziele, wohingegen der jeweils eigene Weg dahin als die einzig gangbare Möglichkeit dargestellt wurde. So wollten beide Seiten die absolute Vorherrschaft der Professoren in den Beschlussorganen der Hochschulen beenden. Während der Regierungsentwurf in der Frage der Mitbestimmung aber keine Vorgaben machte und somit viele Varianten von Paritäten an den Hochschulen ermöglichen wollte, sah der Entwurf der Union eine feste Quote vor, nach der die Hochschullehrer in den wichtigen Gremien 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen sollten, um so ein „funktional sinnvolles Übergewicht“758 zu schaffen. Ebenso verfolgten Union und Bundesregierung zur Schaffung einer stärkeren Durchlässigkeit für Studenten und Lehrpersonal beide das Ziel einer Gesamthochschule. Während die Bundesregierung hier die integrierte Gesamthochschule ausnahmslos festschreiben wollte, forderte die Union, auch die kooperative Form einer Gesamthochschule zuzulassen. Die Wissenschaftsfreiheit ergab sich für die Bundesregierung erschöpfend aus dem Grundgesetz. Im Gesetzentwurf der Union wurde sie hin755 756
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BT-Drs. VI/1873. Vgl. die Gesetzvorlage der CDU/CSU – Entwurf eines Rahmengesetzes über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Hochschulrahmengesetz) v. 29.1.1971, BT-Drs. VI/1784. Vgl. BT-PlPr. 6/106 v. 10.3.1971, S. 6236-6270. Abg. Martin (CDU/CSU), ebd., S. 6246. Außerdem sah die Union größere Hürden bei der Zulassung zu den Gremien vor, die vor allem die Studenten benachteiligt hätten.
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gegen nicht nur zitiert, sondern auch konkretisiert, um den einzelnen Wissenschaftler gegen Beeinträchtigungen seiner Forschung und Lehre, also in erster Linie vor den protestierenden Studenten zu schützen.759 Zudem verfolgte die Union das Ziel einer stärkeren staatlichen Rechtsaufsicht über die Hochschulen, als dies die Regierungsvorlage vorsah, und widersprach damit einer zu weitgehenden Autonomie der Hochschulen.760 Für die sozialliberale Koalition entstand bei den Forderungen der Union das Problem, dass zum Beispiel eine freie Wahlmöglichkeit zwischen den Gesamthochschulformen die integrierte Form in den unionsgeführten und einigen SPD-geführten Ländern verhindert hätte.761 Dementsprechend stärkten die Regierungsfraktionen ihrer Bundesregierung den Rücken: „Eine Umwandlung der Bestimmungen über die Einrichtung von Gesamthochschulen in die von der CDU und von verschiedenen Ländern geforderte Soll-Vorschrift, würde für unsere Fraktion nicht akzeptabel sein“, führte etwa ein Abgeordneter der FDP aus; „denn wir befürchten, daß eine Sollvorschrift zu einer Zementierung des Status quo in dem einen oder anderen Land führen würde“.762 Zur Frage der Mitbestimmung warf ein sozialdemokratischer Abgeordneter dem CDU/CSUGesetzentwurf grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Demokratisierung der Hochschulen vor und beklagte eine Interessenpolitik nicht für die Belange der Hochschulen, sondern der Industrie.763 Das Ziel, welches die CDU/CSU-Fraktion mit dem Gesetz verband, war, „daß die Verhältnisse an den aus den Fugen geratenen Hochschulen (v.a. in Berlin) geändert werden. Andernfalls“764 – so ein Abgeordneter im Bundestag – hätte „das Gesetz seinen wirklichen Zweck verfehlt“.765 Letztlich deutete die erste Lesung im Bundestag bereits einige ideologisch geprägte Hürden auf beiden Seiten des Verhandlungstisches an, die nur schwerlich in den Ausschüssen zu überwinden waren.766 Beide Kontrahenten wollten ihre politischen Vorstellungen mit Hilfe des Hochschulrahmengesetzes für alle 759 760
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Vgl. den Abg. Martin (CDU/CSU), BT-PlPr. 6/106 v. 10.3.1971, S. 6244. „Bisher war die Hochschule (…) nicht in der Lage, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.“ Abg. Martin (CDU/CSU), ebd., S. 6245. Eine Reform des Hochschulwesens wäre somit ebenso wenig erreicht worden wie die Verhinderung einer Auseinanderentwicklung der Hochschulsysteme in den Bundesländern. Aus diesem Grund konnte die Bundesregierung an dieser Stelle keine allzu großen Kompromisse eingehen. Abg. Grüner (FDP), ebd., S. 6248. Vgl. den Abg. Wichert (SPD), ebd., S. 6256f. Vermerk des bay. Bundesbevollmächtigten v. 9.3.1972; in: BayHStA, BBB, 423. Ebd. Im Original mit Unterstreichungen. Vgl. Picker, D., Bundestag, 1971, S. 184.
Bundesländer verbindlich machen. Trotz der großen Differenzen drängte Bundesminister Leussink aber auf einen eng gefassten Zeitplan und setzte die Vertreter der Bundestagsfraktionen von SPD und FDP im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft unter Zeitdruck, indem er die Verabschiedung im Plenum noch vor der Sommerpause 1971 forderte.767 4.4.1.2 Die Verzögerung der Ausschussberatungen in der sechsten Wahlperiode Um seinen Zeitplan einhalten zu können, hatte Bundesminister Leussink persönlich dafür gesorgt, dass der Vorsitz des Bundestagsausschusses für Bildung und Wissenschaft nicht einem CDU-, sondern dem SPD-Abgeordneten Ulrich Lohmar übertragen wurde.768 Lohmar fungierte für das Ministerium als Schnittstelle zum Wissenschaftsausschuss des Bundestages. Das Bildungsministerium unterstütze und versorgte ihn mitunter schon vorab inoffiziell mit Informationen, bevor diese den Fraktionen offiziell bekannt gegeben wurden.769 Schon vor Beteiligung des Bundestages am Gesetzgebungsverfahren hatte die Opposition die Arena des Wissenschaftsausschuss genutzt, um ihren Positionen Beachtung zu verschaffen. Auf Wunsch der CDU/CSU-Fraktion war Bundesminister Leussink im Februar 1970 vor den Ausschuss getreten, um dessen Mitgliedern die Gelegenheit zu einer Aussprache über seine 14 Thesen zu geben.770 Um dem durch das Ministerium festgesetzten Zeitplan gerecht werden zu können, begnügte sich der Wissenschaftsausschuss jedoch nicht damit, die Entstehung des Gesetzes zu verfolgen und bis zur ersten Lesung im Plenum zu warten, sondern griff aktiv in das Verfahren ein. In mehreren öffentlichen Hearings mit Vertretern der einschlägigen Fachverbände zu den 14 Thesen des Bundesbildungsministers arbeitete der Ausschuss vor und verschaffte sich einen Überblick über die unterschiedlichen Auffassungen der jeweiligen Interessen-
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Vgl. das Schreiben des BMBW v. 20.1.1971; in: PA-DBT, VI-1081, B1-8. Vgl. das vertrauliche Schreiben BM Leussinks an Herbert Wehner v. 5.11.1969; in: AdsD, 6. WP, 295. Vgl. das Schreiben des BMBW an Abg. Lohmar v. 27.1.1970; in: BArch, B138, 57114. Vgl. das KPr. der 7. Sitzung des BT-WA v. 26.2.1970, S. 4 u. S. 10; in PA-DBT, VI-1081, A3-55. Die Union hatte moniert, bislang keine Gelegenheit zu einer solchen Diskussion erhalten zu haben, weswegen sie um die Sondersitzung gebeten hatte. Man beachte, dass die Union als Opposition im Bundestag in diesem Stadium der Gesetzesvorbereitung offiziell noch gar kein Mitspracherecht hatte, dennoch aber mangelnde Mitsprache anprangerte, was auf das große politische Interesse an diesem Gesetzgebungsverfahren hindeutet.
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gruppen zu den einzelnen Thesen.771 Ziel dieser frühen Befassung mit dem Thema war es, „die Verabschiedung des Gesetzes in enger Zusammenarbeit mit der Bundesregierung noch in diesem Jahr [1970; T.H.] zu ermöglichen“.772 Vorgesehen war ferner eine Diskussion mit den Landeskultusministern, um unnötige zeitliche und sachliche Verzögerungen im Bundesrat zu vermeiden.773 Die eigentlichen Beratungen zum Gesetzentwurf zogen sich dann aber trotz aller Vorarbeiten sowohl im federführenden als auch in den mitberatenden Ausschüssen hin. Der Innenausschuss wollte zunächst die Ergebnisse des federführenden Ausschusses abwarten, begann mit seinen Beratungen deshalb erst im Dezember 1971, als immer neue Verzögerungen im federführenden Ausschuss offenkundig wurden, und führte diese bis zum März des folgenden Jahres fort.774 Der Rechtsausschuss setzte seine erste Sitzung für Juni 1971 an und schloss im Dezember desselben Jahres die Beratungen ab.775 Im Haushaltsausschuss schließlich wurde der endgültige Beschluss des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft erst nach dessen Vorlage im Juni 1972 beraten und mit der sozialliberalen Mehrheit für haushaltskonform erklärt.776 Vor allem die hochpolitischen Problemkomplexe wie die Fragen der Mitbestimmung und der integrierten Gesamthochschule hatten im Wissenschaftsausschuss zu heftigen Kontroversen zwischen Regierungskoalition und Opposition geführt.777 Schließlich war der Zeitplan soweit in Verzug geraten, dass die zweite Lesung des Gesetzentwurfs im Ausschuss selbst vor der Sommerpause 1971 nicht mehr möglich war und zunächst auf September 1971 verschoben 771
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Vgl. die stenographischen Protokolle über die öffentlichen Informationssitzungen des BT-WA v. 12.3., 16.3., 19.3., 16.4. u. 20.4.1970; in: PA-DBT, VI-1081, A3-56, 57, 59, 61 u. 62. Neben allgemein reger Teilnahme der Verbände verweigerte die WRK aus formellen Gründen die Zustimmung. Der VDS beschränkte sich auf das Verlesen seines Standpunktes in der ersten Sitzung und nahm an den Folgesitzungen nicht mehr teil. Vgl. ebd. A3-62, S. 81. Stenographisches Protokoll über die öffentliche Informationssitzung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft v. 20.4.1970, S. 81; in: PA-DBT, VI-1081, A3-62. Vgl. ebd. Im BMBW nahm man die Ergebnisse der Hearings interessiert zur Kenntnis und verwertete sie für die eigenen Arbeiten an einem Referentenentwurf. Vgl. das Schreiben des BMBW an die Bundesminister, ChBKA u. den Chef des Bundespräsidialamtes v. 11.5.1970; in: BArch, B138, 57115. Die Protokolle der Hearings finden sich auch in den Akten des BMBW. Vgl. BArch, B138, 57115. Vgl. BT-IA, KPr. der Sitzungen v. 13.5.191 bis 2.3.1972; in: PA-DBT, VI-1081, A2-33 bis A2-42. Vgl. BT-RA, KPr. der Sitzungen v. 14.6.1971 bis 3.12.1971; in: PA-DBT, VI-1081, A2-43 bis A2-51. Vgl. BT-HA, KPr. der Sitzung v. 15.6.1972; in: PA-DBT, VI-1081, A2-53. Vgl. vor allem die Protokolle der Sitzungen des BT-WA v. 1.4.1971 (36. Sitzung) und 6.5.1971 (39. Sitzung); beide in: PA-DBT, VI-1081, A3-66 u. A3-68.
wurde.778 Weitere Verschiebungen ließen die Verabschiedung eines endgültigen Entwurfs im federführenden Ausschuss erst im Juni 1972 zu, also über zwei Jahre nach dem ursprünglich vorgesehenen Termin.779 Die Gründe für die Verzögerungen bei den Beratungen waren vielfältig, wobei das nicht zeitgerecht eingegangene Votum des Innenausschusses eine lediglich untergeordnete Rolle spielte.780 Verzögernd wirkte sich aber vor allem eine zunehmende Uneinigkeit innerhalb der Regierungskoalition selbst über die Inhalte des Hochschulrahmengesetzes und das Festhalten an der Linie des Regierungsentwurfes aus. So war im Rechtsausschuss zwar – auch mit Unterstützung einiger sozialdemokratischer Abgeordneter – die Aufnahme ordnungsrechtlicher Bestimmungen in das Hochschulrahmengesetz beschlossen worden, große Teile der Fraktionen von SPD und FDP lehnten diese aber ab.781 Generell nahm der Rechtsausschuss eine sehr konservative Haltung gegenüber den Reformvorstellungen der Bundesregierung ein. „Die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit zur Erhaltung von arbeitsfähigen Universitäten war das Hauptanliegen des Rechtsausschusses bei der Abfassung der Stellungnahme zum Hochschulrahmengesetz“, bemerkte hierzu der dem Ausschuss vorsitzende CDU-Abgeordnete Carl Otto Lenz.782 Neben dem Ordnungsrecht empfahl der Rechtsausschuss deshalb, eine Reihe weiterer restriktiver Vorschriften in das Hochschulrahmengesetz mit aufzunehmen, um die Störungen des Lehrbetriebs an den Hochschulen durch radikale Studenten sowie deren Einflussnahme auf die Beschlussorgane einzugrenzen.783 778 779 780
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Vgl. BT-WA, KPr. der 40. Sitzung v. 13.5.1971, S. 26.; in: PA-DBT, VI-1081, A3-69. Vgl. BT-WA, KPr. der 62. Sitzung v. 8.6.1972; in PA-DBT, VI-1081, A4-81. Der Innenausschuss beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit dem Besoldungsrecht und der Personalstruktur, die mit dem Hochschulrahmengesetz geschaffen werden sollte, und legte dabei Wert auf die Anwesenheit eines StS aus dem BMI, der sich aber zur Zeit der geplanten Sitzungen im Urlaub befand. Vgl. BT-WA. KPr. der 56. Sitzung v. 3.2.1972; in: PA-DBT, VI1081, A4-74. Vgl. BT-RA, KPr. der 52. Sitzung v. 18.6.1971; in: PA-DBT, VI-1081, A2-45. Vgl. Lenz, C.O., Rechtstaatlichkeit, 1972, S. 58. „Nach Vorstellungen des Rechtsausschusses dürfen weder das Land noch die Universität rechtswidrige Zustände an ihren Hochschulen dulden. (…) Für die Wahl zu den Kollegialorganen ist auschließlich Briefwahl vorzusehen. (..,) daß sich die Zahl der einer Mitgliedergruppe an der Universität zustehenden Sitze verringert, wenn an einer Wahl zu einem Kollegialorgan weniger als 50% der wahlberechtigten Angehörigen dieser Mitgliedergruppe teilgenommen haben. (..,) in das Gesetz eine Bestimmung des Inhalts aufzunehmen, daß in dem Beschlußorgan die Gesamtzahl der Vertreter der Gruppen, deren Mitglieder nicht Hochschullehrer sind, die Gesamtzahl der Vertreter der Hochschullehrer nicht überschreiten darf .“ Lenz, C.O., Rechtstaatlichkeit, 1972, S. 58. Zuvor hatte sich der Rechtsausschuss in einer Informationssitzung mit dem Juristen Roman Herzog über die rechtliche Möglichkeit derartiger Maß-
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Die einstige Ablehnung eines Ordnungsrechts durch die Sozialdemokraten wich somit zunehmend einer teilweisen Zustimmung innerhalb ihrer Bundestagsfraktion, was dazu führte, dass die Regierungskoalition nach außen nicht mehr einheitlich agieren und argumentieren konnte und der Opposition eine politische Angriffsfläche bot.784 „Die SPD-Fraktion sei nicht in der Lage zu einer einmütigen Aussage zu kommen, nur weil ihre Mitglieder im Innen-, Rechts- und Wissenschaftsausschuß durch völlig divergierende Ansichten sich gegenseitig blockieren“,785 spottete etwa der rheinland-pfälzische Kultusminister Vogel und fragte weiter: „Wozu eigentlich hat die große Koalition unter Kiesinger dem Bund eine Rahmenkompetenz im Hochschulbereich geschaffen, wenn dieser nun seit Monaten ein erschreckendes Bild der Hilflosigkeit bietet?“786 4.4.1.3 Die alternativlose Annäherung der Koalition an die Opposition Die Lage der SPD war ausweglos. Während ihr liberaler Koalitionspartner ein Abrücken von seinen wesentlichen Grundsätzen787 nicht ohne weiteres akzeptieren wollte, war sie auf einen Kompromiss mit der Opposition im Bundestag angewiesen, da hinter der CDU/CSU-Fraktion spätestens seit 1972 die ungetrübte Stimmmehrheit des Bundesrates stand. Zudem war sich die Union ihrer günstigen Lage durchaus bewusst, weswegen sie, statt Kompromisse mit der SPD einzugehen, zunächst auf der vollständigen Umsetzung ihrer Vorstellungen bestand.788 Die SPD hätte im Ausschuss zwar jederzeit die Möglichkeit gehabt,
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nahmen ausgetauscht. Vgl. BT-RA, KPr. der 51. Sitzung v. 14.6.1971; in: PA-DBT, VI-1081, A2-43. Im BT-IA wurde ein Ordnungsrecht nur mit Stimmengleichheit abgelehnt. Vgl. den Vermerk des bay. Bundesbevollmächtigten v. 9.3.1972; in: BayHStA, BBB, 423. „Der Grund für die mehrmals erfolgte Vertagung der Beratungen im Wissenschaftsausschuß ist darin zu sehen, daß die Regierungsfraktionen sich intern nicht einigen konnten. Kontrovers in der SPD scheint insbesondere die Frage zu sein, ob ein Ordnungsrecht in das Gesetz aufgenommen werden soll.“ Ebd. Im Original mit Unterstreichungen. o.V., Punkte, 1972, S. 305. Bernhard Vogel, zit. nach o.V., Punkte, 1972, S. 305. Dies waren vor allem die Festschreibung der integrierten Gesamthochschule und die Frage der Mitbestimmung. Die Union war der Ansicht, „wenn die aufgezeigten Rechtsprobleme nicht im Sinne der CDU/CSU Vorstellungen gelöst werden, kann sie dem Gesetz nicht zustimmen. (…) Die CDU/CSU-regierten Länder werden versuchen, auch über den Bundesrat ihre Vorstellungen in das Gesetz einfließen zu lassen.“ Vermerk des bay. Bundesbevollmächtigten v. 9.3.1972; in: BayHStA, BBB, 423. Vgl. auch Lemper, L.T., Endspurt, 1972, S. 462.
ihre Reformvorstellungen mit der Mehrheit der sozialliberalen Koalition zu beschließen und im Bundestag zu verabschieden; dies hätte aber eine Ablehnung des Gesetzes im Bundesrat und eine mögliche Einigung erst im Vermittlungsausschuss bedeutet, was den Sozialdemokraten nicht klug erschien.789 Der Erhalt eigener Reformanteile wäre dort für die SPD wohl deutlich schwieriger gewesen, zumal der Vermittlungsausschuss nicht aus Fachleuten zusammengesetzt war und dort eher politische Lösungen gesucht und meist auch gefunden wurden.790 Diese Rahmenbedingungen führten zu einer grundsätzlichen Kompromissbereitschaft der SPD.791 So pflegte die CDU-Fraktion bereits im Mai 1971 informelle Kontakte zum parlamentarischen Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Klaus von Dohnanyi, der das Interesse der Bundesregierung an einem Ausgleich trotz erheblicher sachlicher Unterschiede angedeutet hatte.792 Das Bemühen um eine tragfähige Einigung zeigt sich aber auch in der Arbeitsweise des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft. Zusätzlich zu seinen Beratungen wurde ein Sonderausschuss eingesetzt, der aus den Berichterstattern der drei Fraktionen und Vertretern des Bundesbildungsministeriums bestand.793 Er hatte die Aufgabe, zu den einzelnen Paragraphen des Gesetzes die politischen Zielangaben zu fixieren und kontroverse Punkte und eventuelle Annäherungsmöglichkeiten festzustellen.794 Die im kleinen Kreis getroffenen Übereinkünfte wurden dann als Vorergebnis dem Wissenschaftsausschuss vorgestellt und dort beraten. Die Berichterstatter der Union bemühten sich im Sonderausschuss dadurch, dass sie Formulierungsvorschläge aus dem Bundesbildungsministerium erbaten, „in einem sehr mühsamen Kampf (…) Positionen zu gewinnen und Erfolge zu erzielen“795 und rechneten es sich aufgrund dieser Taktik zu, dass „die SPD mittlerweile eine Reihe anderer Positionen einnimmt“.796 789
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Vgl. o.V., Punkte, 1972, S. 305. Lohmar hielt es für besser, eine Einigung bereits im Bundestag zu erzielen als erst im Vermittlungsausschuss. Vgl. Plöhn, J., Vermittlungsausschuss, 2000, S. 624. Vgl. auch das KPr. der 57. Sitzung des BT-WA v. 16.3.1972, S. 8; in: PA-DBT, VI-1081, A4-75. Vgl. Leunig, S., Verhandlungen, 2003, S. 27f. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Rainer Barzel v. 6.5.1971 betreffend die Situation in der Bildungspolitik; in: ACDP, VIII-007-003/1. Vgl. BT-WA, KPr. der 36. Sitzung v. 1.4.1971, S. 19; in: PA-DBT, VI-1081, A3-66. Vgl. BT-WA, KPr. der 45. Sitzung v. 30.9.1971, S. 13; in: PA-DBT, VI-1081, A4-70. Abg. Gölter auf der Sondersitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 25.1.1972; in: ACDP, Fraktionsprotokolle, VIII-001-1028/1. Ebd. Vgl. auch die Protokollnotizen über die Besprechung der Berichterstatter des BT-WA; in: PA-DBT, VI-1081, A5-1 bis A5-8.
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Die FDP war zunächst in diese Art der Kompromissfindung und die Verhandlungen zwischen Opposition und SPD einbezogen worden.797 Es war ihr durchaus bewusst, dass sich ihre Positionen aufgrund der CDU/CSUBundesratmehrheit nicht vollkommen würden durchsetzen lassen,798 weswegen sie auch die Notwendigkeit von Kompromissen mit der Union anerkannte und in einigen Bereichen auch einging, wie der Konkretisierung der Wissenschaftsfreiheit und der Einführung von Briefwahlen zu den Beschlussorganen der Hochschulen, Dennoch tat sie sich mit Zugeständnissen an die Union deutlich schwerer als ihr großer Koalitionspartner. Ein Hochschulrahmengesetz um jeden Preis lehnte die FDP ab. Problematisch wurden die Beziehungen zwischen SPD und FDP, als die Union im Bildungsausschuss offiziell die Hereinnahme eines Ordnungsrechts beantragte und die SPD, da sie sich eine Meinung zu diesem Sachverhalt noch nicht gebildet hatte, die abschließende Beratung des Hochschulrahmengesetzes im Ausschuss deswegen weiter hinauszögerte.799 Da Bundesminister Leussinks bei weiteren Verzögerungen des Gesetzes die Gefahr heraufziehen sah, dass einzelne Bundesländer mit eigenen Hochschulgesetzen das Rahmengesetz überflüssig machen könnten,800 entschieden sich unter seinem Druck Teile der Fraktion und das Ministerium zu Zugeständnissen an die Union, die zum Beispiel in der Frage der Mitbestimmung mit Rücksicht auf die FDP zwar wieder revidiert wurden,801 grundsätzlich aber dennoch zu Missstimmung bei den Liberalen führten. Diese beobachteten die Annäherung zwischen SPD und CDU/CSU „mit Sorge“ und beauftragten ihre in die Gesetzesvorbereitungen involvierten Abgeordneten, „die Reformabsichten dieses Gesetzes soweit wie noch irgend möglich zu bewahren“.802 Die Union wiederum versuchte, sich sowohl den Zeitdruck, unter dem die Koalition stand, wie die Uneinigkeit innerhalb der SPD zu Nutze zu machen, und drängte ab Februar 1972 im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft wie-
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Vgl. die Protokolle der Vorstandssitzungen der SPD-Bundestagsfraktion v. 6.12.1971 und 13.12.1971; in: AdsD, 6. WP, 176 u. 177. Bei der Beratung der FDP-Leitlinien bemerkte Hildegard Hamm-Brücher, wenn die CDUMehrheit im BR bliebe, würde sich das HRG noch ganz entscheidend verändern. Vgl. das Wortprotokoll der Sitzung des Bundeshauptausschusses v. 18.3.1972; in: AdL, A12-105, Bundeshauptausschuss. Vgl. BT-WA, KPr. der 54. Sitzung v. 27.1.1972; in: PA-DBT, VI-1081, A4-72. Vgl. das Schreiben BM Leussinks an Abg. Lohmar v. 17.11.1971; in: AdsD, 6. WP, 295. Vgl. das Protokoll der SPD-Bundestagsfraktionssitzung v. 14.3.1972; in: AdsD, 6. WP, 90. Felix v. Cube, Vorsitzender des BFA der FDP an den Bundesvorstand der FDP, o.D. (nach dem 27.5.1972); in: AdL, A15-39.
derholt auf eine baldige Schlussabstimmung, wohl in der Hoffnung, weitergehende Zugeständnisse erwirken zu können.803 Eine weitergehende Kompromissbereitschaft zeigte die SPD aber erst ab Mai 1972, nachdem die Union die ungetrübte Stimmenmehrheit im Bundesrat erhalten und damit eine absolute Vetoposition innehatte. Gleichzeitig zog die Union wegen der aus ihrer Sicht verbesserten Lage ihre bereits eingegangenen Kompromisszusagen wieder zurück und kam zu ihren Ausgangsforderungen zurück.804 Ein Kompromissvorschlag der SPD-Arbeitsgruppe Kulturpolitik vom Mai 1972 war sowohl mit der SPD-Fraktion als auch mit der FDP abgesprochen. Die SPD kam der Union darin in einzelnen Punkten weit entgegen und stellte vertraulich weitere Zugeständnisse für die Beratungen im Bundesrat und Vermittlungsausschuss in Aussicht. Sie zeigte ein nachhaltiges Interesse daran, trotz der für sie sehr ungünstigen Rahmenbedingungen kurzfristig ein Hochschulrahmengesetz möglichst einstimmig zu verabschieden.805 Die Zugeständnisse waren tatsächlich ein großer Schritt in die Richtung der Union. Die integrierte Gesamthochschule als alleinige Hochschulform wurde fallengelassen und eine von der Union geforderte Bestimmung über die Sicherung der Freiheit von Forschung, Lehre und Lernen in das Gesetz aufgenommen.806 Die Zugeständnisse reichten der Union schließlich aber nicht aus. Zum einen waren viele ihrer Forderungen nach wie vor unberücksichtigt geblieben, zum anderen war sie sich aufgrund ihrer politischen Stärke der Chancen bewusst, noch weitergehende Forderungen durchsetzen zu können. Bis unmittelbar vor der Abstimmung im Ausschuss hatte sich der neue Bundesbildungsminister von Dohnanyi für eine einvernehmliche Lösung eingesetzt, indem er noch weiter reichende Zugeständnisse an die Union gemacht hatte.807 Er hatte die Aufnahme eines Schlichtungsrechts in das Gesetz angeboten, die Einschränkung der Autonomie der Hochschulen zugunsten einer stärkeren Staatsaufsicht und in der Mitbestimmungsfrage die Festschreibung einer absoluten Mehrheit der Professoren in den Gremien. Am Tag der Abstimmung
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Vgl. BT-WA, KPr. der Sitzungen v. 3.2.1972 (56. Sitzung) und 16.3.1972 (57. Sitzung); in: PA-DBT, VI-1081, A4-74 und A4-75. Vgl. Meinecke, R., Obstruktionspolitik, 1972, S. 3. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Rainer Barzel v. 15.5.1972; in: ACDP, VIII-007003/1. Vgl. den Bericht der Abg. Gölter, Grüner, Meinecke, Pfeifer und Wichert, zu BT-Drs. VI/3560. Vgl. Behrmann, G.C., Dohnanyi, 2001, S. 206.
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fand sich von Dohnanyi sogar noch bereit, auf den Begriff „Gesamthochschule“ zu verzichten.808 „Diese Kompromißformel hätte das konservative CSU-Hochschulgesetz in Bayern legalisiert und fortschrittliche SPD-Modelle wie das in Bremen kaputtgemacht“,809 urteilte die SPD-Fraktion und lehnte die Kompromissangebote ihres Ministers ab. „Wir müssen ein Gesetz beschließen, mit dem sich die Sozialdemokraten draußen sehen lassen können“,810 forderte etwa der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herbert Wehner, und der SPD-Abgeordnete Günter Wichert fasste zusammen: „Dohnanyis Preis war uns zu hoch.“811 Die nun durch die Fraktion wieder von den Kompromissen von Dohnanyis bereinigte Fassung des Gesetzentwurfs wurde schließlich im federführenden Ausschuss abschließend beraten und mit den Stimmen der Regierungskoalition und gegen die Union im Juni 1972 angenommen.812 Aus Sicht der Union war zu diesem Zeitpunkt kaum noch Einigungsbereitschaft erforderlich, da aufgrund der Hochschulgesetze in den unionsregierten Ländern keine Notwendigkeit zu einschränkenden Kompromissen mehr gesehen wurde. Zugleich bestand aufgrund der CDU/CSU-Bundesratsmehrheit keine Gefahr eines gegen die Interessen der Union gerichteten Gesetzes. Sie sah den wesentlichen Zweck eines Hochschulrahmengesetzes zu diesem Zeitpunkt vielmehr in der Möglichkeit, die sozialdemokratisch regierten Bundesländer zur Revision ihrer stark reformgeprägten Gesetze zu zwingen.813 Der Wissenschaftsausschuss verfasste noch einen schriftlichen Bericht und leitete diesen dem Bundestag zu.814 Aufgrund der vorzeitigen Auflösung des Bundestages und der sich daran anschließenden Neuwahlen kam es jedoch nicht mehr zur zweiten und dritten Lesung im Bundestag, so dass das Gesetzgebungsvorhaben zunächst als gescheitert galt. Überlegungen der SPD, „zum Ausbau unserer Wahlplattform“815 Teile des Hochschulrahmengesetzes noch bis zur Bundestagswahl verabschiedungsreif zu ma-
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Vgl. o.V., Haltung, 1972, S. 34. Abg. Wichert (SPD), zit. nach: o.V., Haltung, 1972, S. 34. Abg. Wehner (SPD), zit. nach: o.V., Haltung, 1972, S. 34. Ebd. Vgl. BT-WA, KPr. der 61. Sitzung v. 5.6.1972 und 62. Sitzung v. 8.6.1972; in: PA-DBT, VI1081, A4-79 u. A4-81. Die Ablehnung durch die Union wurde von der SPD als „klassisches Beispiel für Obstruktionspolitik“ verurteilt. Meinecke, R., Obstruktionspolitik, 1972. Vgl. das Schreiben Berthold Martins an Rainer Barzel v. 15.5.1972; in: ACDP, VIII-007003/1. Vgl. den schriftlichen Bericht des BT-WA zum Entwurf eines HRG, BT-Drs. VI/3506. Vermerk des BMBW v. 26.6.1972; in: BArch, B138, 57122.
chen, wurden vom Bundesbildungsministerium im Juli 1972 als „zeitlich aussichtslos“ und „politisch nicht ratsam“ verworfen.816 4.4.1.4 Die Bundesratsverhandlungen in der sechsten Wahlperiode Das Gesetzgebungsverfahren zum Hochschulrahmengesetz wurde im Dezember 1970 mit der Übersendung des Regierungsentwurfes an den Bundesrat offiziell eingeleitet.817 Gemäß dem zu diesem Zeitpunkt in der Länderkammer bestehenden Kräfteverhältnis hatten die CDU/CSU-regierten Länder zwar eine theoretische Mehrheit von 21:20 Stimmen, konnten aufgrund von Koalitionen davon aber nicht in vollem Umfang Gebrauch machen. Von den 21 Stimmen galten im Zweifel nur acht als gesichert. In den Ausschüssen des Bundesrates hatten zudem die sozialdemokratisch und sozialliberal regierten Länder die Stimmmehrheit, da hier jedes Land nur über eine Stimme verfügte und außerdem auch das sozialdemokratisch geführte Berlin stimmberechtigt war.818 Diese Mehrheit war zwar nicht ausschlaggebend, da es jedem Land freistand, entgegen den Ausschussbeschlüssen eigene Anträge an den Bundesrat zu richten. Sie führte jedoch dazu, dass die Ausschüsse nicht im Sinne der unionsgeführten Länder votieren konnten. Insgesamt ist aber ein sehr durchmischtes Abstimmungsverhalten zu konstatieren, in dem sich teilweise A- und B-Länder gemeinsam gegen andere Länder derselben Couleur zusammenschlossen. Insbesondere Bayern lehnte in nahezu allen Ausschüssen unmittelbar geltende Regelungen ab und fand dabei nicht immer die Unterstützung der CDU-regierten Länder.819 Insgesamt war das Abstimmungsverhalten in den Bundesratsausschüssen somit eher an den unterschiedlichen Landesinteressen ausgerichtet. Bereits vor der offiziellen Übersendung des Gesetzentwurfes durch die Bundesregierung waren in einigen Bundesratsausschüssen Unterausschüsse zum Hochschulrahmengesetz eingesetzt worden.820 Von den Ergebnissen der Bera816 817 818 819
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Vermerk des BMBW v. 3.7.1972; in: BArch, B138, 57122. Vgl. BR-Drs. 689/70. Vgl. Lehmbruch, G., Pateienwettbewerb, 2000, S. 94. Vgl. die Protokolle der BR-Ausschüsse für Jugend, Familie und Gesundheit, für Innere Angelegenheiten, des Rechtsausschusses, des Finanzausschusses sowie des Ausschusses für Kulturfragen; in: PA-DBT, VI-1081, A1-2 bis A1-9. So z.B. der BR-RA in seiner Sitzung v. 9.12.1970. Der UA des Ausschusses für Kulturfragen tagte bereits am 15.12.1970. Vgl. PA-DBT, VI-1081, A1-5 u. A1-8. Dabei erhielten die Länder den Entwurf der Regierungsvorlage erst am 16.12.1970 über den BR. Vgl. BR-Drs. 689/70.
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tungen ist vor allem die mehrheitlich beschlossene Änderung der Gesetzesüberschrift von „Hochschulrahmengesetz“ in „Gesetz über allgemeine Vorschriften des Hochschulwesens“ erwähnenswert, mit der die Länder ihre Absicht deutlich machten, den Bund nicht allzu weit in den eigenen Kompetenzbereich eingreifen zu lassen.821 Dennoch vertraten die Beamten der Landesministerien im Unterausschuss des Rechtsausschusses die Auffassung, der Gesetzentwurf sei im Ganzen durch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gedeckt. Einig waren sich die Landesvertreter in der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes, die allgemein als gegeben angesehen wurde.822 Das sozialdemokratische Hamburg brachte schließlich die Einführung eines Ordnungsrechts in die Diskussion der Ausschüsse ein, fand dabei aber nicht die Unterstützung aller sozialdemokratisch oder sozialliberal geführten, wohl aber die der Mehrheit der unionsgeführten Bundesländer.823 Die in den Ausschüssen überstimmten Bundesländer brachten ihre als wichtig erachteten Anträge direkt in den Bundesrat ein.824 In der anschließenden Debatte825 im Plenum artikulierten vor allem die CDU/CSU-Länder ihre Ablehnung wesentlicher Bestimmungen des Entwurfes, wobei Bayern sich besonders abweisend zeigte und damit auch im unionsdominierten Bundesrat nicht immer die Mehrheit fand. Die wesentliche Kritik der unionsgeführten Länder richtete sich gegen eine zu weitgehende Mitsprache der Studenten in den Beschlussorganen der Hochschulen, einen zu geringen staatlichen Einfluss auf die Studienreformkommissionen, die Forderung nach flächendeckender Einführung der integrierten Gesamthochschule und eine wenig konkrete Definition der Freiheit von Forschung und Lehre. Zudem wurde gefordert, die Auswahlkriterien für den im Gesetz vorgesehenen numerus clausus zu modifizieren.826 Bayern wies zudem auf die erheblichen Schranken hin, denen der Bundesgesetzgeber unterworfen war, und 821
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Vgl. die Niederschrift des BR-UA zum HRG des Ausschusses für Kulturfragen über die Sitzung v. 15.12.1970; Vgl. PA-DBT, VI-1081, A1-8. Mit dem HRG sollten mit Zustimmung des BR ergangene Gesetze, wie das Beamtenrechtsrahmengesetz förmlich geändert werden. Zudem enthielt der Entwurf eine Vorschrift über das Verwaltungsverfahren. Vgl. die Niederschrift des BR-UA des RA über die Sitzung v. 7./8.1.1971; in: PA-DBT, VI-1081, A1-6. Vgl. die Niederschrift des BR-UA zum HRG des Ausschusses für Kulturfragen über die Sitzung v. 15.12.1970; in: PA-DBT, VI-1081, A1-8 und die Niederschrift des BR-Ausschuss für Kulturfragen über die 101. Sitzung v. 11.1.1971; in: PA-DBT, VI-1081, A1-9. Insbesondere Hessen und NRW lehnten ein Ordnungsrecht ab. Vgl. ebd. Vgl. die Anträge der Bundesländer; in: PA-DBT, VI-1081, A1-11 bis A1-25. Vgl. BR-StBer. der 361. Sitzung v. 29.1.1971, S. 20-28. Vgl. KM Vogel (RP), ebd., S. 22f.
erinnerte daran, dass ein wesentlicher Anstoß für die Schaffung der Gesetzgebungskompetenz seinerzeit die Auseinandersetzungen um das Ordnungsrecht gewesen waren, worüber der Gesetzentwurf der Bundesregierung aber gerade keine Bestimmungen enthielt.827 Bundesminister Leussink nannte hingegen in seiner Gesetzesbegründung die Unzufriedenheit mit der bislang ungeplanten Vermehrung der Kapazitäten an den Hochschulen, ohne eine Veränderung der Ausbildungsqualitäten zu erreichen, sowie die Fortschreibung bisheriger Trends anstelle von Reformen als ausschlaggebende Gründe für die Schaffung der Bundeshochschulrahmenkompetenz.828 Im einzigen Redebeitrag eines sozialdemokratisch geführten Landes forderte der Vertreter Hamburgs Bestimmungen, die hochschulpolitische Experimente zulassen sollten.829 Während die Länder das Hochschulrahmengesetz vorwiegend zur Vereinheitlichung bestimmter für alle geltenden Grundsätze verstanden, anhand derer sie die Reform des Hochschulwesens in ihren Ländern ausrichten konnten, strebte der Bund nach einer umfassenden Reform des Hochschulwesens und einem möglichst einheitlichem Hochschulsystem im Detail. Demgemäß verwies Leussink in seiner Rede vor dem Bundesrat auch weniger auf das Problem eines auseinanderstrebenden Hochschulsystems, sondern äußerte generelle Kritik am nicht mehr zeitgemäßen Bildungssystem der Republik. Deshalb habe, so erläuterte er, die Bundesregierung die ihr zur Verfügung stehende Kompetenz voll ausgeschöpft. „Diese Bundesregierung versteht sich nicht als kompetenzverschlingender zentralistischer Moloch“,830 versuchte er die Länder aber zu beruhigen. Als ein Erfolg der Bundesregierung war anzusehen, dass kein Land sich grundsätzlich gegen ein Hochschulrahmengesetz ausgesprochen hatte und dass ein solches Gesetz allgemein als notwendig bezeichnet worden war. Die Länder stimmten im Bundesrat den meisten Anträgen der Ausschüsse zu, lehnten einige darüber hinausgehende Anträge der sozialdemokratisch geführten Länder ab und nahmen die der unionsgeführten Länder mit wenigen Ausnahmen an.831 In den Ausschussberatungen und der Plenardebatte war somit zwar ein parteipolitisches Stimmverhalten erkennbar, als eine „feste Front“ der jeweiligen 827 828 829 830 831
Vgl. KM Maier (Bayern), ebd., S. 20f. Vgl. BM Leussink (BMBW), BR-StBer. der 361. Sitzung v. 29.1.1971, S. 23. Vgl. Bürgermeister Weichmann (Hamburg), ebd., S. 23. BM Leussink (BMBW), ebd., S. 26. BR-StBer. der 361. Sitzung v. 29.1.1971, S. 26-28. Die Stellungnahme des Bundesrates wurde am selben Tag der Bundesregierung zugesandt. Vgl. das Begleitschreiben v. 29.1.1971, BRDrs. 689/70 (Beschluß).
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Parteien im Bundesrat kann das Abstimmverhalten aber nicht bezeichnet werden. Vielmehr artikulierten die Länder ihre jeweiligen Interessen und stimmten auch dementsprechend ab.832 Allerdings lagen die Vorstellungen der parteipolitisch gleichgerichteten Länder sehr nah beieinander. Das Presseecho auf die Bundesratssitzung war überwiegend negativ, die Kommentatoren sahen Leussinks Reformkonzept als weitgehend gescheitert an; sogar von „Leussinks Stalingrad“ war die Rede. Die Schuld für diese Niederlage aber schrieben sie dem Bundesrat und insbesondere den CDU/CSU-regierten Ländern zu, welche die Berichterstattung deshalb als für sich äußerst negativ reflektierten.833 Zu einer erneuten Beschäftigung des Bundesrates mit dem Hochschulrahmengesetz kam es wegen des vorzeitigen Endes der sechsten Wahlperiode nicht mehr. 4.4.2 Die Verhandlungen in der siebten Wahlperiode Im Gegensatz zur vorangegangenen Legislaturperiode war das Plenum des Bundestages in der siebten Wahlperiode auch in der zweiten und dritten Lesung mit dem Hochschulrahmengesetz befasst. Der neue Gesetzentwurf der Bundesregierung kam der Union insoweit entgegen, als die integrierte Form der Gesamthochschule nicht mehr explizit erwähnt wurde und auch die kooperative Form möglich sein sollte. In der Mitbestimmungsfrage hatte die Regierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aber „sachkundig interpretiert“,834 die Assistenzprofessoren mit den Professoren zur Gruppe der Hochschullehrer zusammengefasst und so im Ergebnis eine absolute Professorenmehrheit in den Gremien unterbunden. Die Union verzichtete auf einen eigenen Gesetzentwurf und konzentrierte sich darauf, den Entwurf der Bundesregierung in ihrem Sinne zu verändern.
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Insbesondere der integrierten Gesamthochschule stimmte nur NRW zu, während sich die anderen Länder in dieser Frage enthielten oder dagegen votierten. Vgl. Abg. Martin (CDU/CSU), BT-PlPr. 6/106 v. 10.3.1971, S. 6243. Vgl. die Vormerkung des bay. Bundesbevollmächtigten v. 18.12.1971; in: BayHStA, BBB, 422. BM von Dohnanyi (BMBW), BT-PlPr. 7/71 v. 13.12.1973, S. 4475.
4.4.2.1 Die offene Konfrontation in der ersten Lesung im Plenum des Bundestags Bereits die erste Lesung im Bundestag im Dezember 1973 verlief äußerst hitzig und ließ erhebliche Differenzen zwischen den Positionen von Regierungsmehrheit und Opposition erkennen.835 Die schwierigen Verhandlungen der sechsten Wahlperiode und die angespannte Debatte im Bundesrat in Erinnerung, setzten alle Beteiligten von Beginn an auf Konfrontation, anstatt Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Zwar ging Bundesbildungsminister von Dohnanyi davon aus, dass nach wie vor ein allseitiges Interesse an einer Hochschulrahmengesetzgebung bestand, drohte den Ländern aber unmittelbar damit, die zustimmungsbedürftigen Teile aus dem Gesetz herauszulösen, sollten sie die erforderliche Mitarbeit verweigern. Einem Ordnungsrecht erteilte der Minister eine Absage und glaubte den Bedarf dafür auch bei den Ländern nicht zu erkennen.836 Im Gegenzug warf die Opposition der SPD vor, aufgrund ihrer Uneinigkeit über die Notwendigkeit eines Hochschulrahmengesetzes das Scheitern des Gesetzes herbeizuführen.837 Mit Verweis auf das Mitbestimmungsurteil des Bundesverfassungsgerichts beschuldigte die Union die sozialliberale Koalition zudem, lieber ihre politischen Ziele verwirklichen zu wollen, als verfassungswidrige Gesetze zu verhindern.838 Mit der kategorischen Zusammenfassung ihrer Minimalforderungen legte die Union schließlich den Grundstein für eine eher ideologisch als sachlich geführte Debatte: „Wir werden nur einem Hochschulrechtsrahmengesetz zustimmen können, das in Berlin, Bremen, Hessen und Niedersachsen zur Umkehr in den schwerwiegendsten Fehlentwicklungen führt. Wir werden keinem Hochschulrechtsrahmengesetz zustimmen, das uns die Verhältnisse von Berlin, Bremen, Niedersachsen und Hessen auch noch in Mainz, Freiburg, München, Kiel oder Saarbrücken beschert.“839 Konsequenterweise beschäftigten sich fünf von sieben Hauptzielen, die die Union für das Hochschulrahmengesetz formulierte, mit der Wiederherstellung 835
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Vgl. BT-PlPr. 7/71 v. 13.12.1973. Seit etwa 1971 hatten die hochschulpolitischen Kontroversen zwischen Union und SPD/FDP zugenommen. Vgl. Teichler, U., Hochschulpolitik, 2006, S. 353. Vgl. BM von Dohnanyi (BMBW), BT-PlPr. 7/71 v. 13.12.1973, S. 4432-4438. Auch das Scheitern des Gesetzes in der 6. WP erklärte die Opposition mit dieser Uneinigkeit der SPD, die zu erheblichen Verzögerungen geführt habe. Vgl. Abg. Pfeifer (CDU/CSU), ebd., S. 4439. Vgl. Abg. Pfeifer (CDU/CSU), ebd., S. 4439f. Abg. Pfeifer (CDU/CSU), ebd., S. 4441.
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der Ordnung an den Hochschulen. Inhaltliche Ziele wurden lediglich vage formuliert, etwa zur Stützung der Forderung nach der Erarbeitung einer neuen Studienordnung als Voraussetzung für Regelstudienzeiten, zur Hervorhebung der berufsausbildenden Funktion der Hochschule oder beim Wunsch nach Erhalt des wissenschaftlichen Niveaus der Hochschulen. Das strategische Ziel war deutlich die Mitbestimmungsfrage, die für die Union nach „Funktion und Qualifikation und nicht nach einem leistungsnivellierenden und sachfremden Demokratisierungsprinzip“840 geregelt werden sollte. Die Forderung der Union, das Mitbestimmungsurteil zu beachten, wurde durch die Regierungskoalition gekontert, indem diese ihrerseits auf der Einhaltung des Urteils zum numerus clausus bestand, welches in erster Linie dem Bund das Recht zuerkannte, in dieser Frage für eine Regelung zu sorgen. Wie eng der Spielraum für Kompromisse war, wurde an der Haltung der Bundesregierung deutlich, die wie die Union eine extreme Position in der Frage der Mitbestimmung einnahm und erklärte, die Möglichkeiten des Bundesverfassungsgerichtsentscheids voll ausschöpfen zu wollen.841 Während sich alle Vertreter der Union geschlossen gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung aussprachen, zeigte die Bundestagsdebatte innerhalb der Fraktionen der sozialliberalen Koalition Abweichungen von der Regierungslinie. Vor allem die FDP stellte sich inhaltlich gegen im Gesetz vorgesehene Regelstudienzeiten und forderte mit Vehemenz, die integrierte Gesamthochschule als Pflichtelement der Hochschulreform in den Gesetzestext aufzunehmen. Zusätzlich drohte sie mit der Verweigerung ihrer Zustimmung, wenn das Gesetz inhaltlich den Vorstellungen der Liberalen nicht entsprechen sollte.842 Aus den Reihen der SPD wurden zudem Stimmen laut, die sich gegen eine zu weitgehende Demokratisierung an den Hochschulen aussprachen.843 Zusammenfassend machte die Debatte als Ausgangslage eine Situation offenkundig, in der beide politischen Lager in weiten Teilen auf ihren Maximalforderungen bestanden, die nicht nur sachlich, sondern sehr stark auch ideologisch geprägt waren. Innerhalb der Regierungskoalition wurden zudem Meinungsverschiedenheiten über das Gesetz deutlich, das Vertretern der SPD teilweise zu weitgehend und den Abgeordneten der FDP insgesamt nicht weitgehend genug war. Die Bundesregierung forderte Verhandlungen mit dem Ziel 840 841
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Abg. Probst (CDU/CSU), BT-PlPr. 7/71 v. 13.12.1973, S. 4465. Vgl. Abg. Schuchardt (FDP), ebd., S. 4466. Der Union wurde hingegen durch die FDP vorgeworfen, diese wolle nur die Privilegien der Hochschullehrer verteidigen. Vgl. ebd. Vgl. Abg. Möllemann (FDP), ebd., S. 4448 u. vgl. Abg. Schuchardt (FDP), ebd., S. 4466 u. 4468. Vgl. Abg. Schweitzer (SPD), ebd., S. 4471.
eines Kompromisses. Mit ihrer an die Länder gerichteten Drohung, das Hochschulrahmengesetz zu einem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz zu machen, signalisierte sie aber lediglich eingeschränkte Kompromissbereitschaft. Zu Beginn der Ausschussberatungen waren die Positionen somit verhärtet. Das Hochschulrahmengesetz wurde in der ersten Lesung federführend an den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft und mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen.844 4.4.2.2 Die Verzögerung der Beratungen in den Bundestagsausschüssen Der Wissenschaftsausschuss, dessen Vorsitz in der siebten Wahlperiode durch den CSU-Abgeordneten Albert Probst wahrgenommen wurde, befasste sich erstmals im Februar 1974 mit dem neuen Entwurf für ein Hochschulrahmengesetz. Infolge der aufgeheizten Stimmung zwischen den politischen Lagern kam es bereits in der ersten Sitzung des Ausschusses zu einem Eklat, der einen Vorgeschmack auf die Heftigkeit der anstehenden Beratungen gab. Vorbereitend für spätere Hearings mit Fachverbänden845 hatte die SPD die Anhörung auch der als radikal bekannten Studentenverbände846 beantragt, was der Ausschussvorsitzende mit Verweis auf die vorgebliche Verfassungsfeindlichkeit dieser Verbände aber abgelehnt hatte. Nachdem dennoch mit der Mehrheit der sozialliberalen Abgeordneten im Sinne des SPD-Vorschlags entschieden worden war, weigerte sich der Vorsitzende, den Beschluss auszuführen und die Studentenverbände einzuladen, bis eine Klärung beim Präsidenten des Bundestages oder dem Ältestenrat herbeigeführt worden sei.847 Letztlich erzielte die Opposition insofern einen Erfolg, als mit dem Verband Deutscher Studentenschaften lediglich die studentische Dachorganisation eingeladen wurde.848 844 845 846
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Vgl. BT-PlPr. 7/71 v. 13.12.1973, S. 4475. Vgl. zu den Hearings Krahe, F.W., Hearing, 1974. Es handelte sich um den Verband Deutscher Studentenschaften, den Sozialistischen Hochschulbund und den Marxistischen Studentenbund Spartakus. Vgl. das KPr. der 16. Sitzung des BT-WA v. 5.12.1973, S. 18-22.; in: PA-DBT, VII-366, A352. Die Differenzen hierüber zogen sich bis in den Januar 1974 hin. Der Ältestenrat schlug schließlich vor, der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses solle den Beschluss Ausführen und die fraglichen Verbände einladen, was auch geschah. Vgl. das Schreiben der Präsidentin des BT an den Vorsitzenden des BT-WA v. 24.1.1974 und das Einladungsschreiben an den VDS v. 24.1.1974. Beide in: PA-DBT, VII-366, A7-11/1 und A7-11/2. Vgl. BT-WA, KPr. der 20. Sitzung v. 23.1.1974; in: PA-DBT, VII-366, A3-55. Verärgert reagierte die Präsidentin des Bundestages im Übrigen auf die Veröffentlichung ihrer Korrespondenz mit dem Vorsitzenden des BT-WA in Pressemitteilungen der CDU/CSU, was wohl
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Obwohl nach eigenem Bekunden „nicht mehr Träger des Verfahrens“,849 beteiligte sich die Bundesregierung insbesondere durch Beamte aus dem Bundesbildungsministerium, gelegentlich auch durch den Minister selbst oder seine Staatssekretäre, intensiv an den Beratungen in den Ausschüssen. Im Gegensatz zur Mehrzahl der Abgeordneten der Koalition verfolgte die Bundesregierung das Ziel, Maximalforderungen durchzusetzen, nicht konsequent, sondern war eher auf eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes bedacht. Ihre Absicht war es, einen Abschluss vor der Sommerpause 1974 zu ermöglichen.850 Die Einhaltung dieses selbst gesetzten Beratungszeitplans machte aber die Aufgabe von Teilen der ursprünglichen politischen Zielsetzungen der Bundesregierung erforderlich. So erarbeitete das Bundesbildungsministerium beispielsweise von der Union angefragte Formulierungsvorschläge für ein Ordnungsrecht, während die Abgeordneten der FDP dieses grundsätzlich und die der SPD es in weiten Teilen ablehnten.851 Da viele Kontroversen im Ausschuss unüberbrückbar schienen, bildete der Ausschuss wie schon in der sechsten Wahlperiode eine Art Unterausschuss, der aus den Berichterstattern der jeweiligen Fraktionen, Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats bestand. Dieser trat in unregelmäßigen Abständen zusammen und versuchte in den schwierigsten Fragen Kompromisse auszuhandeln. Ebenso wurde im Unterausschuss festgestellt, dass in bestimmten Bereichen eine Einigung nicht möglich war.852 Die Beratungen im Ausschuss wurden für die Regierungskoalition immer mehr zu einem Wettlauf gegen die Zeit, hatte die Bundesregierung doch angekündigt, das Gesetz werde noch vor der Sommerpause 1974 im Bundestag beraten werden. Die Union dagegen verspürte keinen Zeitdruck und verbuchte jede Verzögerung der Beratungen als politischen Erfolg. Bereits im März 1974 beantragten die führenden Abgeordneten der FDP und SPD im Wissenschaftsausschuss, im Interesse einer zügigen Weiterberatung des Gesetzentwurfs auf eine Fortsetzung der zwischenzeitlich begonnenen Hearings mit Fachverbänden zu
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der Profilierung der Union als rechtstaatliche Partei und Diffamierung der SPD als eben nicht zweifelsfrei verfassungstreu dienen sollte. Vgl. das Schreiben v. 31.1.1974; in: PA-DBT, VII366, A7-11/4. Vgl. BT-WA, KPr. der 22. Sitzung v. 21.2.1974, S. 4; in: PA-DBT, VII-366, A3-56a. Vgl. BT-WA, KPr. der 18. Sitzung v. 16.1.1974, S. 15; in: PA-DBT, VII-366, A3-54. Vgl. BT-WA, KPr. der 22. Sitzung v. 21.2.1974, S4f; in: PA-DBT, VII-366, A3-56a. Vgl. etwa die Protokolle der Berichterstatterbesprechungen des BT-WA in: PA-DBT, VII-366, A4-63 und A4-64.
verzichten. Die Union beantragte im Hinblick auf die noch offenen Fragen aber deren Fortsetzung und konnte sich damit durchsetzen.853 Als im Sommer 1974 die verbleibende Zeit immer knapper wurde, versuchte das Bundesbildungsministerium deshalb die Beratungen unter allen Umständen zu beschleunigen.854 Im Gegenzug nutzte die Union jede sich bietende Gelegenheit, die Beratungen soweit zu verzögern, dass deren Abschluss vor der Sommerpause nicht mehr möglich war. Dabei war das „platzten lassen“ einer Sitzung des Wissenschaftsausschusses im Juni 1974 durch die Abwesenheit eines Berichterstatters der CDU/CSU-Fraktion, der glaubte „an einem Weltmeisterschaftsspiel repräsentativ als Zuschauer teilnehmen“855 zu müssen, noch ein harmloses Beispiel für weitere Verzögerungstaktiken. Erheblicher Streit entbrannte im Juni 1974 im federführenden Ausschuss über den Zeitplan bis zur Beratung im Plenum. Als das Gesetz aus Sicht der Koalition schon kurz vor der Schlussberatung stand, beantragte die Fraktion der CDU/CSU weiterer öffentlicher Anhörungen.856 Als der Wortführer der SPD im Ausschuss daraufhin den Antrag stellte, die verabschiedungsreifen Teile des Entwurfs abschließend zu beraten, entbrannten Diskussionen über die Zulässigkeit dieses Vorgehens. Während die SPD die Auffassung vertrat, dieser Antrag sei zulässig, beantragte die Union, über die Zulässigkeit erst den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung entscheiden zu lassen, was eine erneute Zeitverzögerung bedeutet hätte. Da die Mitglieder der Uniosfraktionen schließlich erklärten, an der Sitzung nicht weiter teilnehmen zu wollen, verzichtete die SPD auf eine Fortführung der Beratungen, da sie hierin keinen Sinn mehr erblickte.857 Zusätzlich bestand die Union in der darauf folgenden Sitzung auf der Anfertigung eines schriftlichen Ausschussberichts, während die SPD glaubte, diesen aus Zeitgründen – was rechtlich zulässig gewesen wäre – entfallen lassen zu 853 854
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Vgl. das KPr. der 25. Sitzung des BT-WA v. 13.3.1974, S. 5; in: PA-DBT, VII-366, A3-59. Vgl. BT-WA, KPr. der 31. Sitzung v. 18.6.1974, S. 4; in: PA-DBT, VII-366, A4-66. So verteilte das BMBW aus Zeitgründen etwa eine Synopse des Gesetzes direkt an den BT-IA, ohne dass dem Wissenschaftsausschuss der Inhalt vorher bekannt gegeben worden war, was von den Abgeordneten der Union heftig verurteilt wurde. Vgl. ebd. Meldung vom 18.6.1974; in: PA-DBT, VII-366, A6-6/1. Vgl. das Schreiben eines CDU-Abg. an den Vorsitzenden des BT-WA v. 20.6.1974; in: PADBT, VII-366, A4-67 (Anlage). „Unsere Fraktion kann sich nicht damit einverstanden erklären, daß das Hochschulrahmengesetz, dessen abschließende Behandlung die Regierungskoalition mehrere Jahre verzögert hat, jetzt in den wenigen verbleibenden Tagen vor der Sommerpause im Bundestag durchgepeitscht werden soll.“ Ebd. Vgl. BT-WA, KPr. der 32. Sitzung v. 25.6.1974; in: PA-DBT, VII-366, A4-67. Den Vorwurf, Obstruktion betreiben zu wollen, wies die Union jedoch von sich. Vgl. ebd.
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können. Nach den Gründen für die „derart unangemessene Eile“858 der Verabschiedung des Gesetzes gefragt, teilte der inzwischen ins Amt gekommene neue Bundesbildungsminister Rohde mit, eine baldige Regelung werde erwartet, damit man zu inhaltlichen Problemen vordringen könne. Die Union wollte hingegen keinen einsehbaren Grund für eine Verabschiedung des Entwurfs im Bundestag noch vor der Sommerpause erkennen. Stattdessen bestand sie auf einem korrekten Beratungsablauf, was letztlich nichts anderes hieß, als keine Möglichkeit nutzen zu wollen, das Verfahren zu beschleunigen.859 In der Folge versuchten die Abgeordneten der Regierungskoalition durch Sondersitzungen ihren Zeitplan doch noch einzuhalten. Diese Sitzungen wurden von der Union aus Zeitgründen aber abgelehnt.860 Unmöglich wurde eine Verabschiedung vor der Sommerpause, als schließlich der christlich-demokratische Vorsitzende des Haushaltsausschusses den Präsidenten des Bundestages darauf hinwies, dass das Gesetz aufgrund finanzieller Auswirkungen auch seinem Ausschuss überwiesen werden müsse. „Da dieser nur über fertige Vorlagen entscheidet“, so berichtete der CDU-Abgeordnete seiner Fraktion, „wird dies die Verabschiedung verzögern, so daß eine Verabschiedung in der nächsten Woche unwahrscheinlich ist“.861 Da die Union im Wissenschaftsausschuss zudem die Beratungszeit weiterhin zu beschränken versuchte, entschieden SPD und FDP, dass ohne die Union Beratungen wenig sinnvoll seien, und gaben den Plan einer Verabschiedung vor der Sommerpause auf.862 Als Grund für die Verschleppungstaktik der Union glaubte Staatssekretär Glotz ausgemacht zu haben, dass deren Abgeordnete nicht wussten, wie ihre politische Führung zum Hochschulrahmengesetz eingestellt sei und wie sie sich bei einer Abstimmung hätten verhalten sollen.863 Wahrscheinlicher ist aber eher, dass die Union hoffte, der Regierungskoalition bereits im Bundestag weitere Zugeständnisse abringen zu können. Da ein Zeitdruck für sie nicht bestand, gab es auch keinen Grund, schnell zu einer Einigung kommen zu müssen.864
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KPr. der 35. Sitzung des BT-WA v. 1.7.1974; in: PA-DBT, VII-366, A4-69a. Vgl. BT-WA, KPr. der 35. Sitzung v. 1.7.1974; in: PA-DBT, VII-366, A4-69a. Vgl. BT-WA, KPr. der 36. Sitzung v. 3.7.1974; in: PA-DBT, VII-366, A4-70. Abg. Leicht auf der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 2.7.1974; in: ACDP, Fraktionsprotokolle, VIII-001-1037/1. Vgl. BT-WA, KPr. der 36. Sitzung v. 3.7.1974; in: PA-DBT, VII-366, A4-70. Vgl. das Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 10.7.1974; in: AdsD, 7. WP, 73. So bezeichnete die Union das Gesetz auch intern als nicht verabschiedungsreif, was für diese Annahme spricht. Vgl. das Sitzungsprotokoll der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 2.7.1974; in: ACDP, VIII-001-1037/1.
4.4.2.3 Die Verzögerung der Ausschussberatungen durch interne Streitigkeiten der Regierungskoalition Die Gründe der Koalition für das unbedingte Festhalten an dem Termin vor der Sommerpause lagen aber nicht in einem schnelleren Vordringen zu inhaltlichen Problemen, wie Bundesminister Rohde gesagt hatte, und auch nicht vordergründig darin, einen angekündigten Terminplan einhalten zu wollen. Für die SPD stand vielmehr nach einer Beurteilung der Lage fest, dass es nach der Sommerpause vermutlich kein Gesetz mehr geben werde, unter anderem auch wegen erheblicher Meinungsverschiedenheiten mit der FDP in Fragen der Hochschulpolitik. Während die Sozialdemokraten in der Tendenz eher kompromissbereit erschienen, um die Verabschiedung des Gesetzes überhaupt zu ermöglichen, und sich um eine gewisse Zusammenarbeit mit der Union im Wissenschaftsausschuss bemühten,865 beäugten die Freien Demokraten dieses Verhalten mit Argwohn. Die Union glaubte sogar schon einen Bruch zwischen der FDP und der SPD ausgemacht zu haben, da die Liberalen die integrierte Gesamthochschule als verbindliche Priorität festlegen wollten, während die SPD auch die kooperative Gesamthochschule zulassen wollte.866 Die FDP blieb in weiten Teilen bei ihren Maximalforderungen und wollte Kompromisse, die auch sie realistischerweise für erforderlich hielt, erst im Vermittlungsausschuss eingehen. Zum einen sollte so mehr Verhandlungsmasse erhalten bleiben, zum anderen sollte aber auch liberale Identität mit dem Gesetz verbunden sein.867 Bezeichnend für die Zustände innerhalb der Koalition war die Tatsache, dass man offensichtlich nicht mehr miteinander über die wesentlichen Reformziele sprach, sondern verstärkt innerhalb der Koalitionsfraktionen Erkenntnisse über die vermutete Absicht des Partners diskutierte, gerade so, als spräche man über das Verhalten des politischen Gegners. Die Frage der Hochschulpolitik spaltete demnach die Koalition in gefährlicher Weise. Entgegen der Vermutung der SPD, die glaubte, die FDP sei an einem Hochschulrahmengesetz nicht mehr interessiert, hielten die Liberalen aber an der Verabschiedung fest, vor allem weil hierdurch der Staatsvertrag der Länder über die Vergabe der Studienplätze abgelöst werden sollte.868 Zunächst sprach sich die SPD dafür aus, notfalls auch ohne die CDU im Wissenschaftsausschuss weiter zu tagen und die eigenen Vorstellungen mit der 865 866
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Vgl. das Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 1.7.1974; in: AdsD, 7. WP, 70. Vgl. das Sitzungsprotokoll der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 2.7.1974; in: ACDP, VIII001-1037/1. Vgl. das Sitzungsprotokoll des FDP-Bundesfachausschuss v. 19.5.1974; in: AdL, A7-52. Vgl. ebd.
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Mehrheit der Koalition im Bundestag zu verabschieden. Es sei „nicht realistisch sich mit der CDU im Ausschuß/ Bundestag zu einigen und darauf zu hoffen, daß diese im Bundesrat dann keine weiteren Änderungen verlangen würden“.869 Man könne auch den Bericht besser vorzeigen, als wenn bereits Kompromisse in der Hoffnung auf ein späteres Nachgeben des Bundesrates geschlossen würden.870 Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Peter Glotz, verteidigte hingegen die erzwungene Vertagung bis nach der Sommerpause: „Es wäre nicht sinnvoll gewesen das Hochschulrahmengesetz ohne die CDU zu beschließen, denn dann wäre das Gesetz gescheitert, wegen der Bundesratsmehrheit der CDU/CSU, die das Hochschulrahmengesetz blockieren könnten, wenn man sie nicht mit einbezieht. Deswegen war es richtig auf die CDU einzugehen (…).“871 Die FDP war indessen über die Verzögerung enttäuscht. Hildegard HammBrücher hatte in einer Presseerklärung mitgeteilt, man brauche gar kein Hochschulrahmengesetz mehr, da dieses zu sehr durch die Union verändert worden sei. Stattdessen schlug sie ein Hochschulzulassungsgesetz vor.872 Dieses Vorgehen war zwar nicht mit der FDP-Führung abgesprochen, die hierdurch die Glaubwürdigkeit der Partei gefährdet sah und deswegen Kritik an HammBrücher übte.873 Es zeigt aber, wie sehr sich die Liberalen um die durch ihre Regierungsbeteiligung erhofften politischen Möglichkeiten betrogen sahen. Deswegen beschlossen sie nur wenig später, mit Nachdruck an den ihnen wichtigen politischen Zielen eines Hochschulrahmengesetzes festzuhalten, und forderten ihre Bundestagsfraktion auf, einem Hochschulrahmengesetz nur dann zuzustimmen, wenn die zentralen Forderungen der FDP im Wesentlichen berücksichtigt seien.874 4.4.2.4 Die konfliktreiche zweite und dritte Lesung im Bundestag Nach der Sommerpause 1974 kamen die Verhandlungen im Wissenschaftsausschuss zügig und in „einer fairen und konstruktiven Atmosphäre“875 voran. In 869 870 871
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Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 2.7.1974; in: AdsD, 7. WP, 72. Vgl. ebd. StS Glotz (BMBW), Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 10.7.1974; in: AdsD, 7. WP, 73. Vgl. auch Glotz, P., Offensive, 1974. Vgl. das Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 10.7.1974; in: AdsD, 7. WP, 73. Vgl. das Sitzungsprotokoll der FDP-Bundestagsfraktion v. 10.7.1974; in: AdL, A41-47. Vgl. den Beschluss des FDP-Bundesfachausschuss v. 31.8.1974; in: AdL, A7-52. Abg. Wernitz (SPD), BT-PlPr. 7/136 v. 12.12.1974, S. 9292.
den abschließenden Ausschussberatungen wurden die Vorschläge der Abgeordneten der sozialliberalen Koalition stets gegen die Stimmen der Union angenommen, wobei die Vielzahl der trotz der langwierigen Verhandlungen strittig gebliebenen Punkte bereits eine Vorahnung auf die nachfolgenden Streitigkeiten zuließ.876 In der Schlussabstimmung wurde der Rechtsausschuss gebeten, die Einführung eines Gewaltschutzparagraphen oder eines Ordnungsrechts auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfen.877 Die SPD war zu dem Entschluss gekommen, in dieser Frage auf die Union zuzugehen, um ihr in den zu erwartenden Auseinandersetzungen Argumente gegen das Hochschulrahmengesetz nehmen zu können.878 Ein letzter Eklat vor der zweiten und dritten Lesung im Parlament ereignete sich im Haushaltsausschuss, als dieser durch eine Zufallsmehrheit mit den Stimmen der Opposition das Hochschulrahmengesetz als nicht mit der Haushaltslage vereinbar erklärte.879 Der auf die Rechtmäßigkeit eines einmal gefassten Beschlusses pochenden Union880 musste schließlich durch eine Abstimmung des Parlaments die Auffassung der Mehrheit des Bundestages verdeutlicht werden,881 so dass das Gesetz schließlich im Dezember 1974, fast auf den Tag genau ein Jahr nach der ersten Lesung im Bundestag, in zweiter und dritter Lesung beraten werden konnte.882 Im Verlaufe dieser Debatte stellten die Vertreter der Koalition und der Union die nach wie vor strittigen Punkte heraus. Obwohl die SPD in einigen Punkten auf die Forderungen der Union zumindest teilweise einging, war auch diese Debatte eher konfliktorientiert angelegt. Streitpunkte lagen wie in der ersten Lesung in der Frage der Gesamthochschule – die Union sah hier eine unzulässige Bevorzugung der integrierten gegenüber der kooperativen Form, 876 877
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882
Vgl. BT-WA, KPr. der 38.-43. Sitzung; in: PA-DBT, VII-366, A4-71 bis A4-76. Vgl. BT-WA, KPr. der 41. Sitzung v. 6.11.1974; in: PA-DBT, VII-366, A4-76. Der BT-RA war zu der Ansicht gelangt, dass sowohl die Vorschläge der Union als auch die der SPD verfassungskonform seien. Ein SPD-Abgeordneter stimmte hierbei sogar für den CDUVorschlag, da dieser den Ländern mehr Spielraum überlasse. Vgl. BT-RA, KPr. der 45. Sitzung v. 13.11.1974; in: PA-DBT, VII-366, A2-43. Vgl. das Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 1.7.1974; in: AdsD, 7. WP, 70. Vgl. BT-HA, KPr. der 76. Sitzung v. 4.12.1974; in: PA-DBT, VII-366, A2-47. Einige der Abg. der SPD waren abwesend, und man glaubte, die Union würde in der Abstimmung die grundsätzliche Mehrheit der sozialliberalen Koalition berücksichtigen. Vgl. BT-HA, KPr. der 77. Sitzung v. 5.12.1974; in: PA-DBT, VII-366, A2-48. Vgl. BT-PlPr. 7/135 v. 11.12.1974, S. 9285-9288. Der Haushaltsausschuss wiederholte die Abstimmung noch am selben Tag und erklärte mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit, der Entwurf des HRG sei mit der Haushaltslage vereinbar. Vgl. BT-HA, KPr. der 78. Sitzung v. 11.12.1974, S. 32; in: PA-DBT, VII-366, A2-49. Vgl. BT-PlPr. 7/136 v. 12.12.1974, S. 9291-9365.
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obwohl dem Wortlaut des Gesetzentwurfs keine besondere Rangfolge zu entnehmen war. Bezüglich der Notwendigkeit eines Ordnungsrechts gab es keine Auffassungsunterschiede zwischen Koalition und Opposition mehr. In der konkreten Ausgestaltung sah die Koalition aber lediglich den Widerruf der Einschreibung als Sanktionsmöglichkeit vor, insbesondere für die Ausübung körperlicher Gewalt, während die Union für ein abgestuftes Ordnungsrecht votierte, also verschiedene Sanktionsmechanismen auch für geringere Verstöße forderte. Für das Hochschulzulassungsverfahren war Übereinstimmung darüber erzielt worden, dieses im Hochschulrahmengesetz zu regeln. Die Union sprach sich hierbei aber gegen eine Verordnungsermächtigung des Bundes zur Konkretisierung der Normen im Hochschulrahmengesetz aus, wohingegen die Koalition ohne eine konkrete Ausgestaltung auf Bundesebene einen neuen Länderstaatsvertrag befürchtete. In der besonders heftig umstrittenen Frage der Mitbestimmung war in den Ausschussberatungen bereits Einigkeit erzielt worden: die Assistenzprofessoren sollten nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, gemeinsam mit den Professoren die Gruppe der Hochschullehrer bilden. Stattdessen hatte die Koalition nun eine Regelung beschlossen, die den Professoren in den Gremien genau die beschlussfähige Mehrheit der Stimmen zusprach, einen größeren Einfluss aber nicht zuließ. Die Union forderte allerdings, den Landesgesetzgebern die Möglichkeit zur Ausweitung des Einflusses der Professoren zu verschaffen.883 Nach wie vor bestanden also Differenzen von so grundsätzlicher Art, dass sie den Beteiligten unüberbrückbar erschienen. Einzig der von allen Seiten bekundete Wille, ein Hochschulrahmengesetz verabschieden zu wollen,884 vermied das frühzeitige Scheitern des Gesetzgebungsvorhabens, wobei auf Seiten der unionsgeführten Länder ein Gesetz nicht um jeden Preis gewollt war. „Wir werden zu einem solchen Gesetz sofort ja sagen, wenn wir zur Überzeugung kommen, daß es den deutschen Hochschulen hilft. (…) Wir wollen keine Einheitlichkeit der deutschen Hochschulen nach dem Modell von Bremen, Berlin oder Frankfurt. Dann lieber Uneinheitlichkeit!“885 Schon bei der Beschlussfassung im Wissenschaftsausschuss war der SPD bewusst, dass das Gesetzgebungsverfahren auf ein Vermittlungsverfahren hinauslaufen würde.886 In der Plenardebatte wurde aus dieser Vermutung Gewissheit. Die FDP, die mit einigen der im Gesetzentwurf getroffenen Kompromisse 883 884 885 886
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Abg. Wernitz (SPD), BT-PlPr. 7/136 v. 12.12.1974, S. 9292-9295. Vgl. etwa den Abg. Wernitz (SPD) und KM Vogel (CDU), ebd., S. 9291 u. 9327. KM Vogel (RP), ebd., S. 9327. Vgl. Glotz, P., Etappe, 1974, S. 3.
nur bedingt einverstanden war, stellte bereits hier Bedingungen auf, ohne deren Erfüllung die Liberalen ihre Zustimmung im Vermittlungsverfahren zu verweigern drohten.887 Der Gesetzentwurf wurde gegen die Stimmen der CDU/CSUAbgeordneten im Bundestag angenommen und dem Bundesrat vorgelegt.888 4.4.2.5 Die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung In der siebten Wahlperiode befasste sich der Bundesrat erstmals im September 1973 mit dem neuen Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes, nachdem ihm dieser durch die Bundesregierung zugesandt worden war.889 Gegenüber der Situation 1971 beim ersten Gesetzgebungsverfahren hatte sich die politische Lage allerdings zu ungunsten von SPD und FDP verändert. Die CDU/CSULänder verfügten mit 21 Stimmen über die Mehrheit, ohne dabei an Koalitionen gebunden zu sein. Die übrigen 20 Stimmen entfielen auf Länder, in denen die SPD die Regierung führte, z.T allerdings in Koalition mit der FDP. Die Union konnte den Bundesrat somit beherrschen, sofern alle durch sie regierten Länder dieselben Interessen verfolgten. Dass die A-Länder nach wie vor in der Überzahl waren, verbesserte die Situation für die Sozialdemokraten hingegen nicht. Bereits in den Ausschussberatungen zeigte sich eine Kluft zwischen den Interessen der A- und B-Länder. Auffallend oft stimmten die durch die Union regierten Länder geschlossen gegen Anträge der sozialdemokratisch geführten, und umgekehrt taten es ihnen diese gleich. Da die Vertreter der einzelnen Länder in den Ausschüssen lediglich über eine Stimme verfügten und im Gegensatz zum Plenum hier auch die Berliner Stimmen mitgezählt wurden,890 konnten sich die A-Länder mit ihren Vorschlägen meist durchsetzen.891 Den überwiegend durch Fachbeamte der Länder besetzten Ausschüssen muss dabei eine sachlich 887 888 889 890 891
Vgl. MdB Möllemann (FDP), BT-PlPr. 7/136 v. 12.12.1974, S. 9365. Vgl. BR-Drs. 40/75 v. 31.01.1975. Vgl. den HRG-RegE v. 7.9.1973, BR-Drs. 553/73. Vgl. Lehmbruch, G., Parteienwettbewerb, 2000, S. 94. Insbesondere der BR-RA verabschiedete eine Stellungnahme, die die grundsätzliche Vereinbarkeit des Regierungsentwurfes mit der Verfassung bestätigte und dem Bund auch die Möglichkeit zubilligte, Einzelregelungen mit dem Hochschulrahmengesetz zu treffen. Vgl. die Niederschrift der Sitzung des UA des BR-RA v. 26.9.1973; in: PA-DBT, VII-366, A1-7. Auch im BR-Kulturausschuss wurden die Anträge der B-Länder oft mit den Stimmen der A-Länder geschlossen abgelehnt. Vgl. die Niederschriften der Sitzungen des UA des BR-Ausschuss für Kulturfragen v. 19.9.1973 und des BR-Ausschuss für Kulturfragen (125. Sitzung) v. 4.10.1973; beide in: PA-DBT, VII-366, A1-9 u. A1-10.
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kontroverse Diskussion konstatiert werden, in der abseits von ideologischen Frontenstellungen die divergierenden Ansichten argumentativ debattiert wurden. Die im Hochschulwesen versierten Landesbeamten behandelten die Thematik vor allem aus der fachlichen Perspektive und schlugen eine Vielzahl von Änderungen vor, die zwar nicht gegen die Reformziele der Bundesregierung gerichtet waren, aber aus ihrer Verwaltungserfahrung heraus für eine praktikable Durchführung dieser Reformelemente notwendig erschienen. Mitunter kam es aber auch zu einem völlig durchmischten Abstimmungsverhalten der Ländervertreter.892 Insbesondere der in mehreren Ausschüssen vorgebrachte Antrag Bremens, eine Experimentierklausel in das Hochschulrahmengesetz aufzunehmen, die den Fortbestand der Mitbestimmungsregelungen an der Bremer Universität legitimiert hätte, wurde allgemein abgelehnt.893 Echte Länderinteressen wurden darüber hinaus vor allem im Hinblick auf die Folgekosten des Gesetzes vertreten. So forderte das sozialliberal regierte Hamburg beispielsweise, dem Bund einen Nachweis über die den Ländern durch das Hochschulrahmengesetz entstehenden Kosten abzuverlangen.894 Die letztlich verabschiedete Stellungnahme des federführenden Kulturausschusses wurde keiner der beiden Seiten vollends gerecht, gab aber insgesamt eher die Auffassung der sozialdemokratisch geführten Bundesländer wieder.895 Diese Auffassung wich durchaus von derjenigen der Bundesregierung ab. Bei den 183 Ausschussempfehlungen handelte es sich aber überwiegend um redaktionelle oder auf Erfahrungswerten basierende Änderungsvorschläge. Während aus den Rei892
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Insbesondere die Vorschläge NRWs fanden nicht immer die Zustimmung der übrigen ALänder. Vgl. die Niederschrift des BR-Ausschuss für innere Angelegenheiten der Sitzung v. 3.10.1973; in: PA-DBT, VII-366, A1-6. Vgl. die Niederschrift des UA des BR-RA der Sitzung v. 26.9.1973, S. 54; in: PA-DBT, VII366, A1-7. An der Bremer Universität waren die Gremien drittelparitätisch besetzt, was durch den Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen Vorschaltgesetz aber für unzulässig erklärt worden war. Aus diesem Grund verweigerten auch die übrigen ALänder ihre Zustimmung, und es wurde auf die Einführung einer Experimentierklausel im Regierungsentwurf verzichtet. Interessant ist, dass die FDP trotz BVerfGE an der Forderung zur Einführung einer solchen Bestimmung festhielt. Vgl. das Ergebnisprotokoll der Sitzung des FDP-Bundesfachausschuss v. 16./17.6.1973; in: AdL, A7-52. Vgl. den Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg zum Entwurf eines HRG v. 17.10.1973, BR-Drs. 553/2/73. Die Bundesregierung hatte in ihrer Gesetzesbegründung lediglich behauptet, die den Ländern entstehenden Kosten „können aber durch die Rationalisierungseffekte der Gesamthochschule, durch bessere Kapazitätsnutzung, durch die Studienreform und eine effektivere Hochschulplanung auch in den Länderhaushalten mehr als aufgewogen werden.“ BTDrs. 7/1328 v. 30.11.1973, S. 2. Vgl. die Empfehlung der BR-Ausschüsse zum Entwurf eines HRG v. 8.10.1973, BR-Drs. 553/1/73.
hen der SPD-regierten Länder deshalb auch nur wenige Änderungsanträge an das Plenum gestellt wurden, erstellten die durch die Union geführten Länder einen gemeinsamen Änderungsantrag mit umfassenden und wesentlichen Änderungswünschen.896 Dieses Vorgehen der Union unterstreicht die einheitliche Vorgehensweise in dieser Sache. Zu Beginn der Plenardebatte zeigte sich die Union kooperativ und stellte fest, dass es trotz der großen Zahl von Ausschussempfehlungen und Länderanträgen lediglich eine überschaubare Anzahl an wirklichen Dissenspunkten gab.897 Diese betrafen aber genau die Reformschwerpunkte der sozialliberalen Bundesregierung, womit sich schwere Auseinandersetzungen abzeichneten. Geschickt vermied es der bayrische Kultusminister in seiner Funktion als Berichterstatter der Ausschüsse, dessen Aufgabe eigentlich die Begründung der Ausschussempfehlung hätte sein sollen, die Standpunkte der A-Länder argumentativ untermauern zu müssen.898 Als besonders schwerwiegende Problembereiche wurden unter anderem die Grenzen der Rahmenkompetenz, die Regelung des Hochschulzugangs trotz Vorliegen eines diesbezüglichen Staatsvertrags der Länder, die Frage der Mitbestimmung sowie die Bestimmungen zur Gesamthochschule herausgestellt.899 Insgesamt argumentierten die Landesvertreter der Union in der Debatte überwiegend nach Partei- und weniger nach Länderinteressen und stellten auch die Geschlossenheit mit der Bundestagsfraktion heraus. „Die CDU/CSU hat im Deutschen Bundestag (…) die Bundesregierung vor einer sicheren Niederlage vor dem Karlsruher Verfassungsgericht bewahrt.“900 Bundesbildungsminister von Dohnanyi, dem die mit den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat einhergehenden Probleme für die Gesetzgebung bewusst waren, warb eindringlich um die Zustimmung der Ländervertreter, indem er die 896
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Vgl. den Antrag der Länder Bayern, BW, RP, Saarland und SH zum Entwurf eines HRG v. 18.10.1973; BR-Drs. 553/7/73. Vgl. KM Hahn (BW), BR-StBer. der 397. Sitzung v. 19.10.1973, S. 306. So gab er hauptsächlich die Auffassung der Union wieder und erwähnte lediglich in Nebensätzen, dass die Ausschussmehrheit dem nicht zugestimmt hatte. Vgl. KM Hahn (BW), ebd., S. 306f. Vgl. KM Hahn (RP), ebd., S. 306-308. Der NRW-Mitberichterstatter relativierte die Bedeutung der Frage nach der Wertigkeit des Assistenzprofessors, indem er auf die Notwendigkeit einer zukünftigen Klärung durch das Bundesverfassungsgericht verwies. „Ob nun Assistenzprofessoren Hochschullehrer im hier in Rede stehenden Sinne sind oder nicht, dürfte so oder so Gegenstand eines weiteren Verfassungsstreits werden. Entweder werden Professoren klagen oder Assistenzprofessoren. Dieser Streit ist angelegt; er ist unvermeidbar.“ Finanzminister Wertz (NRW), ebd., S. 308. KM Vogel (RP), ebd., S. 309f.
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große Bedeutung ihres Sachverstands und ihrer Mitwirkung herausstellte. Die Mitteilung des Ministers, die Bundesregierung sei für Vorschläge und Verbesserungen nicht nur offen, sondern auch dankbar, war Ausdruck dieses Realismus und der Gewissheit, im weiteren Verfahren deutliche Zugeständnisse an die Union machen zu müssen.901 Die zuvor öffentlich geäußerte Überzeugung von Dohnanyis, am Bundesrat werde das Gesetz nicht scheitern, spiegelt sich hier zumindest nicht wider.902 Die Abstimmung fiel schließlich vernichtend für den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus. Kein Antrag der sozialdemokratisch regierten Länder, der sich gegen die Auffassung der durch die Union geführten Länder richtete, wurde angenommen. Aus den Ausschussempfehlungen fanden lediglich die Teile die Zustimmung des Bundesrates, die zwischen den Ländern nicht kontrovers waren. Im Ergebnis lehnte der Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung in seinen wesentlichen Reformzielen mit der Stimmmehrheit der Union ab.903 Die Bundesregierung ihrerseits stimmte den allermeisten Änderungs- und Streichungsvorschlägen des Bundesrates in ihrer Gegenäußerung im November 1973 nicht zu und blieb annähernd bei ihrem Entwurf des Hochschulrahmengesetzes.904 4.4.2.6 Die Verhandlung des Bundesrates über den Entwurf des Bundestages Nachdem der Bundestag im Dezember 1974 in zweiter und dritter Lesung über den Gesetzentwurf beraten hatte, schlossen sich sowohl die unionsgeführten als auch die sozialdemokratisch regierten Länder jeweils zu Abstimmungsgesprächen zusammen und berieten gemeinsame Änderungswünsche. An der Beratung der A-Länder nahmen auch Vertreter des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft teil, die nicht mit allen Änderungswünschen der sozialdemokratischen Landesvertreter einverstanden waren.905 Die Entscheidung des Bundesrates wurde wie üblich auf Ausschussebene vorbereitet und vorentschieden. Da die Sozialdemokraten immer noch in der Mehrzahl der Länder den Ministerpräsidenten stellten und deshalb in den Aus901 902 903
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Vgl. BM von Dohnanyi (BMBW), BR-StBer. der 397. Sitzung v. 19.10.1973, S. 316-318. Vgl. BMBW, Hochschulrahmengesetz, 1973, S. 3. Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines HRG v. 19.10.1973, BR-Drs. 553/73. Vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 7/1328 v. 30.11.1973 (Anlage 3). Vgl. den Vermerk des BMBW über das Ergebnis der Abstimmung unter den „A-Ländern“ v. 21.1.1975; in: BArch, B138, 57122.
schüssen die Mehrheit hatten, wurden die Änderungsanträge der unionsgeführten Länder, mit denen die Union ihre Vorstellungen eines Hochschulrahmengesetzes umzusetzen versuchte, zumeist abgelehnt.906 Bremen, welches nach wie vor eine Experimentierklausel für seine mit Drittelparitäten arbeitende Universität forderte, fand hingegen weder die Zustimmung der Union noch die der eigenen Parteifreunde.907 Die B-Länder reichten einen gemeinsamen Antrag im Bundesrat ein, mit dem sie alle durch die A-Länder verworfenen Anträge erneut zur Diskussion stellten, in der Sicherheit, im Plenum die Stimmmehrheit zu haben.908 Dass das Gremium dem Gesetz nicht zustimmen würde, war bereits im Bundestag deutlich geworden, wo nach hitziger Debatte die CDU/CSU-Kultusminister eine Annahme des Gesetzentwurfes in der Länderkammer klar abgelehnt hatten.909 Insofern brachte die Debatte im Bundesrat inhaltlich auch keine Überraschungen, sondern stellte im Wesentlichen eine Wiederholung der bereits im Bundestag vorgetragenen Argumente dar.910 Ausdruck dieser klareren Verhältnisse ist nicht zuletzt, dass der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Helmut Rohde, zwar die Vorzüge der Bundestagsversion hervorhob, aber gar nicht erst den Versuch unternahm, die Länder um ihre Zustimmung zu bitten.911 Alle Zeichen deuteten auf ein Verfahren im Vermittlungsausschuss, und so beschloss der Bundesrat schließlich auch, dessen Einberufung zu verlangen.912 4.4.3 Die Koordinierung und Kompromissbildung im Vermittlungsausschuss Das Vermittlungsverfahren zog sich mit einer Gesamtdauer von neun Monaten ungewöhnlich lange hin und war somit Ausdruck der schwierigen Problemkons906
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Vgl. die Sitzungsprotokolle des BR-FA v. 6.2.1975, des BR-Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit v. 30.1.1975, des BR-Ausschuss für Innere Angelegenheiten v. 5.2.1975, des BR-RA v. 5.2.1975 und des BR-Ausschuss für Kulturfragen v. 3.2.1975; in: PA-DBT, VII366, A5-90 bis A5-92, A5-94 u. A5-96. Vgl. etwa die Niederschriften des BR-Ausschuss für innere Angelegenheiten v. 5.2.1975, S. 18f.; in PA-DBT, VII-366, A5-92. Vgl. den Antrag der Länder BW, Bayern, RP, Saarland u. SH zum HRG v. 19.2.1975, BR-Drs. 40/2/75. Ebenso wurden einige Einzelanträge sowohl von A- als auch B-Ländern gestellt. Vgl. BR-Drs. 40/3/75 bis 40/12/75. Vgl. KM Vogel (RP), BT-PlPr. 7/136 v. 12.12.1974, S. 9328. Vgl. BR-StBer. der 416. Sitzung v. 21.2.1975. Vgl. BM Rohde (BMBW), ebd., S. 4-7. Vgl. BR-StBer. der 416. Sitzung v. 21.2.1975, S. 22.
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tellationen, die bereits die Beratungen in den Bundestagsausschüssen ungewöhnlich in die Länge gezogen hatten. Der Vermittlungsausschuss befasste sich erstmals im März 1975 mit dem Hochschulrahmengesetz. Im Hinblick auf das sehr umfangreiche und schwierige Fragen aufwerfende Gesetz griff der Vermittlungsausschuss zu einem seinerzeit nur selten angewandten Verfahren. Er setzte einen Unterausschuss ein, dem insgesamt acht der 22 ordentlichen Ausschussmitglieder angehörten.913 Die eigentliche Vermittlungstätigkeit konzentrierte sich fast vollkommen auf diesen Unterausschuss, in dem auf ein ausgewogenes Kräfteverhältnis geachtet worden war, um eine möglichst große Akzeptanz seiner Ergebnisse zu ermöglichen. Für die Union waren in ihm zwei Abgeordnete und zwei Landesminister vertreten. Die SPD und FDP stellten jeweils einen Abgeordneten und einen Landesminister.914 Die Beratungen im Unterausschuss verliefen weitgehend konstruktiv und sachbezogen. Ein Abgeordneter der CDU schrieb, Ideologie oder von vordergründiger Parteistrategie geprägte Argumente seien verpönt gewesen.915 Die liberalen Vertreter empfanden die Beratungen hingegen als politische Tauschgeschäfte, die aus den Zwängen, sich einigen zu müssen, entstanden.916 Als Besonderheit des nicht durchgängig mit Fachpolitikern besetzten Unterausschusses gegenüber den Fachausschüssen im Bundestag zählten für die Kompromissbildung vor allem die eigenen Einsichten und Wertungen der Ausschussmitglieder.917 Für eine Einigung in den entscheidenden Fragen war aber auch der Unterausschuss noch zu groß. Bedeutende Kompromisse wurden deshalb in Hintergrundgesprächen zwischen SPD und CDU erreicht, welche dann im Unterausschuss vorgestellt und beschlossen wurden. Wesentliches Element dieser Gespräche war das Vertrauen in die Diskretion der Beteiligten. Da beide Seiten 913
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Vgl. das VA-KPr. Nr. 19 (7/1972) v. 12.3.1975, S. 4f. Die Einsetzung eines UA stellte seinerzeit ein ganz seltenes Verfahren dar. Vgl. das Schreiben Anton Pfeifers an den Verfasser v. 7.8.2007. Angehörige des UA waren für den BT: Abg. Jahn (Marburg, SPD); Abg. Kleinert (FDP); Abg. Höcherl (CSU); Abg. Pfeifer (CDU); für den BR: Senator Biallas (Hamburg); Minister Gaddum (RP); Minister Halstenberg (NRW); Minister Hillermeier (Bayern). Vgl. VA-KPr. Nr. 19 (7/1972) v. 12.3.1975, S. 4f. Vgl. das Schreiben Anton Pfeifers an den Verfasser v. 7.8.2007. Vgl. das Interview des Verfassers mit Dieter Biallas v. 14.12.2007. Zu diesen Zwängen bemerkte etwa der SPD-Abgeordnete Jahn (Marburg) im VA: „(…), daß natürlich immer der, der ein Gesetz vorlegt, ein noch größeres Interesse daran hat, daß dieses Gesetz realisiert wird.“ Ders., VA-KPr. Nr. 26 (7/1972) v. 11.12.1975, S. 37. Vgl. das Interview des Verfassers mit Dieter Biallas v. 14.12.2007.
letztlich an einem erfolgreichen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens interessiert waren, wurden die Gesprächsinhalte deshalb auch nicht zum Gegenstand öffentlicher politischer Auseinandersetzungen gemacht. Als hinderlich stellte sich in der Erinnerung eines Unionsangehörigen Uneinigkeit innerhalb der SPD, aber auch zwischen SPD und FDP dar. Diese führte demnach dazu, dass bereits getroffene Kompromisszusagen der SPD mehrfach wieder revidiert wurden und mit der CDU nach neuen, für beide Seiten annehmbaren Formulierungen gesucht werden musste.918 Primäres Ziel der ausschlaggebenden Kräfte in der SPD, und hier sind insbesondere die Bundesregierung und die Parteiführung gemeint, war es, überhaupt ein Hochschulrahmengesetz zu verabschieden, wohingegen die eigentlichen Inhalte, um die jahrelang mit der Union gestritten worden war, immer mehr in den Hintergrund rückten.919 Die Vermutung, die SPD habe sich der Union angebiedert und zu schnell zu viele Zugeständnisse gemacht, ist aber nicht zutreffend. Die Sitzungen waren nach den Erinnerungen eines Beteiligten oft endlos lang.920 Insgesamt dauerten die Beratungen des Vermittlungsausschusses neun Monate.921 Dies spricht eher für äußerst zähe Verhandlungen, in denen die Kompromissfindung nur sehr schleppend vonstatten ging. Um überhaupt zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen, legte der Unterausschuss seine Befugnisse sehr großzügig aus. Dies betraf auch einen der Teilnehmer, der bei anderer Gelegenheit gesagt hatte, man könne nicht dauernd mit dem Grundgesetz unter dem Arm herum laufen.922 Für die FDP, die mit Ausnahme von Hamburg keine Verantwortung für ein Bildungsressort zu tragen hatte, stellten sich die Verhandlungen hingegen als unbefriedigend dar. Die Liberalen klagten darüber, in den Besprechungen nicht genügend Gehör zu finden und an den wichtigen Absprachen mit der Union nicht beteiligt worden zu sein. Zu oft überschritt die SPD mit ihren Zugeständnissen an die Union die von den Liberalen kategorisch gezogenen Grenzen und zog sich somit den Unmut ihres Koalitionspartners zu.923 Hinzu kamen für die FDP Abstimmungsschwierigkeiten zwischen dem zuständigen Arbeitskreis der
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Vgl. das Schreiben Anton Pfeifers an den Verfasser v. 7.8.2007. Vgl. auch Fromme, F.K., Gesetzgebung, 1980, S. 41. Vgl. das Sitzungsprotokoll der SPD-Bundestagsfraktion v. 12.12.1975; in: AdsD, 7. WP, 119. Vgl. das Schreiben Anton Pfeifers an den Verfasser v. 7.8.2007. Allein der UA tagte insgesamt in zehn, meist ganztägigen, Sitzungen. Vgl. VA-KPr. Nr. 25 (7/1972) v. 3.12.1975. Vgl. das Interview des Verfassers mit Dieter Biallas v. 14.12.2007. Vgl. o.V., weggerutscht, 1975, S. 27.
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Fraktion und den Beteiligten der FDP im Vermittlungsausschuss, wodurch Probleme nicht rechtzeitig genug angesprochen werden konnten.924 In der Frage der Zulassungsregeln kam es während der Beratungen im Vermittlungsausschuss zu einem Einlenken aller CDU-regierten Länder. Hatte der Bundesrat noch gefordert, den Hochschulzugang nicht im Hochschulrahmengesetz zu regeln und stattdessen den Länderstaatsvertrag zu reformieren, die Materie also in Zuständigkeit der Länder zu belassen, so schwenkten die Länder um, als der bayerische Verfassungsgerichtshof eine wesentliche Bestimmung des Staatsvertrags für mit bayerischem Recht nicht vereinbar erklärte.925 De facto hätte dies den Ausstieg Bayerns aus dem Staatsvertrag bedeutet. Da die bayerische Landesregierung, die im Staatsvertrag eine Benachteiligung ihrer „Landeskinder“ sah, nicht zu einem Einlenken in dieser Sache zu bewegen war und somit ein Chaos bei der Verteilung der Studienplätze drohte, unterstützten auch die CDU-geführten Länder in der Folge die Bundesregierung grundsätzlich bei der Regelung der Zulassungsmaterie im Hochschulrahmengesetz.926 Inhaltlich bestanden hier weiterhin Differenzen, wobei aber tatsächliche Landesinteressen im Vordergrund standen und insbesondere die Stadtstaaten gegen einige Flächenstaaten argumentierten.927 Die Ergebnisse des Unterausschusses wurden im Vermittlungsausschuss in zwei Sitzungen beraten, wobei jedoch nur noch die Problemfälle eingehender betrachtet wurden. Hierbei schloss sich die SPD in mancher Hinsicht der Ansicht der Union an. Bedenken der FDP, vor allem bezüglich des im Hochschulrahmengesetz verbindlich vorgeschriebenen Ordnungsrechts, blieben unbeachtet. „Es war deprimierend mitanzusehen, wie die SPD der CDU zuliebe Punkt für Punkt preisgegeben hat“, resümierte der FDP-Abgeordnete Jürgen Möllemann über das Ende des Vermittlungsprozesses.928 Im Ergebnis konnte somit ein Kompromiss erzielt werden, von dem der bayerische Staatsminister Franz Heubl später sagte, die CDU/CSU habe sich in den meisten Punkten mit ihren hochschulpolitischen Vorstellungen durchsetzen können.929 Wirklich zufrieden mit diesem Kompromiss war allerdings keine der 924
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Vgl. das Sitzungsprotokoll der FDP-Bundestagsfraktion v. 12.12.1975; in: AdL, A41-53. Vgl. auch das Schreiben Jürgen Möllemanns an Wolfgang Mischnick v. 11.12.1975; in: AdL, A4052. „Ich bedauere es, daß das mangelnde Zusammenwirken zwischen dem Arbeitskreis V und den Vertretern der F.D.P. im VA unsere taktische Situation nicht eben verbessert hat.“ Ebd. BayVerfGH, Entscheidung v. 1.8.1975. Vgl. Schenck, G., Hochschulrahmengesetz, 1976, S. 87f. Vgl. hierzu VA-KPr. Nr. 22 (7/1972) v. 25.9.1975, S. 4-6. Vgl. auch VA-KPr. Nr. 22 (7/1972) v. 11.12.1975, S. 35-48. Abg. Jürgen Möllemann; zit. nach: o.V., weggerutscht, 1975, S. 26-27, S. 27. Vgl. BR-StBer. der 429. Sitzung v. 18.12.1975, S. 452 (Anlage 3).
beiden Seiten, und so galt eine Annahme des Vermittlungsvorschlags in Bundestag und Bundesrat keineswegs als sicher. Innerhalb der SPD überzeugte deshalb Staatssekretär Glotz die Parlamentarier, dem Vermittlungsvorschlag zuzustimmen, was ihm bis auf wenige Ausnahmen auch gelang. Für die Union drängte der Vermittlungsausschussvorsitzende Helmut Kohl seine Parteifreunde, dem Gesetz die Zustimmung zu erteilen, so dass der ungeliebte Kompromiss schließlich in Kraft treten konnte.930 4.5 Das Kompromissergebnis eines Hochschulrahmengesetzes in der Bewertung durch die Akteure Das sich an den Vermittlungsausschuss anschließende weitere parlamentarische Beschlussverfahren war, im Gegensatz zur gesamten Entwicklungsgeschichte des Hochschulrahmengesetzes, sehr kurz. Im Bundestag wurde der Vermittlungsvorschlag ohne jede Wortmeldung akzeptiert, wenngleich die CSULandesgruppe geschlossen gegen das Gesetz votierte und auch während des Vortrags des Berichterstatters durch Zwischenrufe ihre ablehnende Haltung deutlich zum Ausdruck brachte.931 Die CSU kritisierte vor allem eine Schlechterstellung Bayerns durch die vorgesehenen Zulassungsregelungen des Hochschulrahmengesetzes im Gegensatz zu den bisherigen Bestimmungen im Staatsvertrag der Länder. Interessanter ist aber die Ablehnung des Gesetzes auch durch eine Reihe Abgeordneter der SPD und FDP, denen der Kompromiss zu weitgehend war und für die er keine Reform in ihrem Sinne mehr darstellte. Bereits im Vorfeld hatte es innerhalb der FDP Auseinandersetzungen über das geplante Abstimmungsverhalten gegeben. Die Mehrheit der FDP-Fraktion wollte dem Gesetz zustimmen, da sie den Kompromiss als gerade noch tragbar empfand und glaubte, eine Ablehnung der Öffentlichkeit nicht vermitteln zu können. Insgesamt beklagt wurden aber Nebenabsprachen zwischen SPD und CDU, die ohne Beteiligung der FDP getroffen worden waren.932 Als besonders frappierend wurde außerdem der lediglich geringe Widerstand der SPD gegen die Forderungen der Union registriert, was bei einigen FDP-Abgeordneten zur Ablehnung des Gesetzes führte.933 930 931 932 933
Vgl. das Interview des Verfassers mit Dieter Biallas v. 14.12.2007. Vgl. BT-PlPr. 7/210 v. 12.12.1975. Vgl. das Protokoll der FDP-Bundestagsfraktionssitzung v. 12.12.1975; in: AdL, A41-53. Vgl. das Schreiben Jürgen Möllemanns an Wolfgang Mischnick v. 11.12.1975; in: AdL, A4052.
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Auf Seiten der SPD fiel die Bewertung des Gesetzes deutlich positiver aus, da erstmals einheitliche Rahmenbedingungen auf dem Hochschulsektor für alle Länder geschaffen wurden. Zudem sei ein Scheitern lassen wegen der nicht vollen Realisierung einiger sozialdemokratischer Vorstellungen keine Alternative gewesen. Bundeskanzler Schmidt bezeichnete das Hochschulrahmengesetz darüber hinaus als bedeutsamen Erfolg beharrlicher SPD-Politik.934 Im Bundesrat wurde der Vermittlungsvorschlag kontroverser diskutiert.935 Da sowohl SPD als auch Union grundsätzlich Zustimmung zum Kompromissvorschlag signalisiert hatten, war die Frage einer Ablehnung durch einzelne Bundesländer vor allem eine Frage der tatsächlichen Auswirkungen des Gesetzes in den eigenen Ländern. Das CSU regierte Bayern stimmte deshalb ebenso gegen das Gesetz wie das sozialdemokratische Hessen, da sich beide als Flächenstaaten durch die Zugangsregelungen zu den Hochschulen benachteiligt sahen. Hamburg lehnte darüber hinaus das Gesetz ab, weil die für das Bildungsressort zuständige FDP das Hochschulrahmengesetz gegenüber den einstigen Reformvorstellungen als zu verwässert empfand.936 Schließlich wurde der Vermittlungsvorschlag auch im Bundesrat mit der Mehrheit der Stimmen angenommen und konnte somit nach mehr als fünfjähriger Beratungszeit im Januar 1976 in Kraft treten.937 In der Bewertung des verabschiedeten Gesetzes profilierte sich vor allem die Union damit, als Opposition den ursprünglichen Regierungsentwurf wesentlich verändert und in den entscheidenden Bestimmungen geprägt zu haben. Sie rühmte sich damit, die sozialdemokratisch regierten Länder zur fundamentalen Änderung ihrer Hochschulgesetze gezwungen und den „noch intakten Hochschulen“ dieser Länder geholfen zu haben.938 Auch die SPD bewertete den Kompromiss als positiv und notwendig, um die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu sichern.939 Zur Rechtfertigung für die eingegangenen Kompromisse führte die SPD die ungünstigen Vorgaben durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Mitbestimmung und die unterschiedlichen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat an. Zudem 934 935 936
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Vgl. das Protokoll der SPD-Bundestagsfraktionssitzung v. 12.12.1975; in: AdsD, 7. WP, 119. Vgl. BR-St-Ber. der 429. Sitzung v. 18.12.1975. So äußerte sich der ehem. Hamburger Senator für Wissenschaft und Kunst, Dieter Biallas, im Interview mit dem Verfasser am 14.12.2007. S. BGBl. I, 1976, S. 185. Vgl. die Dokumentation des AK für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Hochschulrahmengesetz – Ein tragfähiger Kompromiss v. 18.12.1975; in: BArch, B138, 57125. Vgl. das Schreiben BM Rohdes an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion v. 18.12.1975; in: BArch, B138, 57125.
sei ein Scheiternlassen des Gesetzes keine politische Alternative gewesen, da es sonst kein Rahmengesetz mehr gegeben hätte. Ob dann noch ein dritter Anlauf in der folgenden Legislaturperiode hätte unternommen werden können, wurde zudem als zweifelhaft angesehen.940 Gleichzeitig verwies die SPD darauf, dass es dem Bund nach Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes künftig möglich sei, Korrekturen am Gesetz vorzunehmen, die bis auf wenige Ausnahmen nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürften.941 Grundsätzlich musste aber auch die SPD selbstkritisch eingestehen, dass ihr die umfassende Reform des Hochschulwesens nicht gelungen war. Bedenkt man, dass das Thema in der ersten Regierungserklärung Bundeskanzler Brandts an prominenter Stelle stand und hohe Erwartungen an die Koalition gerichtet waren, ist die selbstkritische Äußerung des niedersächsischen Staatssekretärs Wichert, der SPD sei das einst hoch bewertete Thema Bildungsreform „einfach weggerutscht“, ein Eingeständnis, lediglich minimale Erfolge erreicht zu haben.942 Bei der FDP trat schon kurz nach der entscheidenden Beratung im Bundesrat die Enttäuschung einiger ihrer Mitglieder offen zu Tage. Hochrangige Vertreter riefen sogar die Landtage dazu, auf gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde einzureichen, und verfassten auf einem bildungspolitischen Symposium eine gegen einzelne Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes gerichtete Erklärung, womit sie sich allerdings dem Unmut der FDP-Führung aussetzten.943 Insgesamt war die FDP mit dem Ziel einer sehr weit reichenden Hochschulreform angetreten, vor allem sollte der Einfluss der Länder in der Hochschul- und Bildungspolitik zurückgedrängt und die Demokratisierung der Hochschulen verwirklicht werden. Da genau diese Ziele nicht erreicht oder zumindest stark abgeschwächt worden waren, sahen sich die Liberalen um den Erfolg ihrer Arbeit und den Einfluss ihrer Regierungsbeteiligung betrogen. Zu groß war zuvor der Glaube gewesen, als Regierungspartei gegen die Union Politik ma940
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Während es noch 1970 eine umfassende Übereinstimmung gegeben hatte, dass es eines HRG bedürfe, bestand diese 1975 bereits nicht mehr. Vgl. das in dieser Form nicht veröffentlichte Manuskript für Anweiler, Bildungspolitik, 2006b, S. 57, das dem Verfasser zur Verfügung gestellt wurde. Vgl. die Stichworte des BMBW für einen Artikel zur Verabschiedung des HRG v. 19.12.1975; in: BArch, B138, 57125. Bereits im April 1970 hatte das BMJ ein diesbezügliches Rechtsgutachten erstellt. Vgl. Rechtsgutachten BMJ v. 14.4.1970; in: BArch, B138, 57209. Vgl. o.V., weggerutscht, 1975, S. 27. Vgl. das Schreiben v. 18.12.1975; in: AdL, A40-52. Vgl. auch o.V., FDP-Kritik, 1975. Vgl. auch die sog. Stuttgarter Erklärung zum Hochschulrahmengesetz; in: Friedrich-NaumannStiftung (Hrsg.), Symposium, 1975. Zu den bedeutendsten der 170 Unterzeichner zählen die stv. FDP-Vorsitzende Hildegard Hamm-Brücher und die Bundestagsabgeordnete Helga Schuchardt.
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chen zu können. Aus diesem Grund wertete die FDP die Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes auch anders als Union und SPD nicht als gelungenen und an den Hochschulen dringend benötigten Kompromiss, sondern nutzte die Gelegenheit, um die Einläutung einer „Renaissance der liberalen Bildungspolitik“944 zu erklären. 4.6 Zusammenfassung Die Arbeiten am Hochschulrahmengesetz zogen sich über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren hin. Die mit dem Gesetz beschäftigten Protagonisten wechselten dabei häufig. Alleine zwei Bundeskanzler und drei Bundesminister für Bildung und Wissenschaft wirkten an den Verhandlungen mit. 1969 erwartete die neu ins Amt gekommene sozialliberale Bundesregierung noch einen zügigen Gesetzgebungsprozess. Lediglich etwa ein Jahr war bis zur Verkündung des Gesetzes veranschlagt worden. Die Regierung hatte die Brisanz der neuen politischen Konstellation, in der die Union im Bundesrat die Mehrheit stellte, jedoch unterschätzt. Die sich in ihrer neuen Oppositionsrolle noch unsicher fühlende Union suchte nach Themen, mit denen sie sich gegenüber der Bundesregierung profilieren konnte, versäumte es dabei allerdings zunächst, sich inhaltlich mit den unionsgeführten Ländern abzustimmen. Deren warnende Stimmen, man solle die notwendige Hochschulreform nicht zum Spielball der Bundespolitik machen, wichen jedoch nach einigen Zerwürfnissen der Länderunion mit der Bundestagsopposition der gemeinsamen Absicht, der Bundesregierung mit diesem Gesetz eine Niederlage beizubringen. Hierzu eignete sich das Hochschulrahmengesetz nicht ohne Grund in herausragendem Maße. Die Probleme an den Hochschulen waren durch die protestierenden Studenten und die überfüllten Hochschulen in der Öffentlichkeit bekannt. Die sozialliberale Koalition versuchte deshalb gerade hier ihre Politik der Demokratisierung zur Geltung zu bringen und wollte sich einigen der studentischen Forderungen anschließen. Damit vertrat sie eine Ideologie, die zu der der Union in weiten Teilen diametral entgegengesetzt war. Selbst wenn diese also einige der sozialliberalen Reformansätze für richtig hielt und die Notwendigkeit einer Reform anerkannte, bot sich dieses Themenfeld für eine öffentlichkeitswirksame Opposition an.
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Jürgen Möllemann, zit. nach: o.V., weggerutscht, 1975, S. 27.
Im Ziel, die Studentenunruhen zu beenden, waren sich alle Parteien einig. Während die sozialliberale Koalition hierzu jedoch die studentischen Forderungen umsetzen und so die angeprangerten Missstände an den Hochschulen beseitigen wollte, sah die Union die Lösung zur Beendigung der Unruheneher in einem restriktiveren Vorgehen gegen die Studenten und der Schafung zusätzlicher gesetzlicher Repressalien. Der erste Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Hans Leussink, verfasste einen Gesetzentwurf, der den unionsgeführten Ländern sogar weitaus besser gefiel als der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsopposition. Allerdings wurde der ministerielle Entwurf durch die Hochschulangehörigen, also vor allem die Studenten, in weiten Teilen abgelehnt, so dass Leussink reagieren musste. In der Folge wurde die ursprüngliche Vorlage mehrfach revidiert und mit Kompromissen versehen, so dass er schließlich mehr Gegner als Befürworter auf allen Seiten hatte. Außergewöhnlich war allerdings Leussinks Ansatz, seine Vorstellungen in einem transparenten Verfahren weitgehend öffentlich zu diskutieren. Schnell hatten sich damit zwei ideologisch entgegengesetzte politische Lager gebildet. Die reformorientierte sozialliberale Bundesregierung, die zum Sprecher auch der SPD- und FDP-Bundestagsfraktionen sowie der SPDregierten Ländern wurde, organisierte federführend die Arbeiten an einer Hochschulreform. Die SPD-geführten Länder versuchten die auf Bundesebene formulierten Ziele schon früh in ihre Landeshochschulgesetze aufzunehmen. Auf der anderen Seite formierte sich das konservative Lager, welchem die Union in den Ländern und im Bundestag angehörte. Da die Bundestagsopposition nicht über ausreichende fachliche Kompetenz verfügte, um mit dem Verwaltungsapparat des Bundesbildungsministeriums konkurrieren zu können, wurde die Oppositionsarbeit weitgehend in den Kultusministerien der unionsregierten Länder koordiniert. In der sechsten Wahlperiode kam eine Zusammenarbeit zwischen der Union im Bund und der den Ländern aber nur zögerlich zustande. Die Beratungen im Bundestag verliefen zunächst konstruktiv. Die sozialliberale Koalition vermied es dabei, von ihrer Stimmenmehrheit Gebrauch zu machen, und versuchte bereits in den Ausschüssen einen Kompromiss mit der Union zu erreichen, da sie um die spätestens seit Mai 1972 vorhandene Vetoposition der Union im Bundesrat wusste. Die Union nutzte diese Kompromissbereitschaft weidlich aus und vermochte es immer mehr, ihrer Ziele durchzusetzen. Als die grundlegenden ideologischen Streitfragen letztlich aber nicht gelöst werden konnten, wurde im Wissenschaftsausschuss des Bundestages ein Schlussbericht mit der Mehrheit der Koalitionsstimmen verfasst, der aufgrund der vorzeitigen Beendigung der Legislaturperiode nicht mehr zur Abstimmung 213
kam. Zuvor war es zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen gekommen, weil die Abgeordneten innerhalb der SPD-Fraktion über bestimmte Sachverhalte divergierende Auffassungen vertraten. Vorwürfe, die Union habe das Gesetz verzögert, waren in dieser Phase unbegründet. Jederzeit hätte die Koalition den Entwurf mit ihrer Stimmenmehrheit beschließen können. Sie tat dies nur deshalb nicht, weil sie bereits im Bundestag einen Kompromiss mit der CDU/CSUOpposition erreichen wollte, welche seit dem Mai 1972 an weitgehenden Zugeständnissen aber kaum noch Interesse zeigte. In der nachfolgenden Legislaturperiode wurde das Gesetzgebungsverfahren neu initiiert. Die Bundesregierung konnte dabei aber nicht an die Ergebnisse der Vorperiode anschließen, da Urteile des Bundesverfassungsgerichts beachtet werden mussten, die teilweise die Auffassung der Union höchstrichterlich bestätigten und große Teile der Reformvorstellungen von SPD und FDP unausführbar machten. Die Verhandlungen waren aus diesem Grund äußerst emotional und sehr konfliktreich. Die Beratungen in den Bundestagsausschüssen zogen sich wiederum erheblich in die Länge, wobei jetzt die Union für die Verzögerungen verantwortlich zeichnete. Mit allen Mitteln sorgte sie dafür, dass das Gesetz erst deutlich später als von der Bundesregierung vorgesehen verabschiedet werden konnte. Zuletzt sah sich die SPD derart unter Erfolgsdruck gesetzt, dass sie der Union weit in ihren Forderungen entgegenkam. Diese Nachgiebigkeit führte beinahe zu einer Koalitionskrise mit der FDP, die eine sehr reformorientierte Politik vertrat und an fast allen Maximalforderungen festhalten wollte. Nachdem das Gesetz im Bundesrat trotz der erheblichen Zugeständnisse der SPD abgelehnt worden war, konnte im Vermittlungsausschuss schließlich eine Lösung gefunden werden. Dabei wurde ein Unterausschuss eingesetzt, in dem in einem kleinen Kreis von Bundes- und Landespolitikern nach Kompromissen gesucht wurde. Den Durchbruch brachten schließlich vertrauliche Einzelabsprachen zwischen den Wortführern der Union und der SPD. Die einstmaligen inhaltlichen Zielsetzungen der Parteien spielten dabei nur noch eine untergeordnete Rolle. Für den Fall einer totalen Verweigerung der Zustimmung hatte das Bundsbildungsministerium bereits zu Beginn der siebten Legislaturperiode einen Plan ausgearbeitet, mit dem das Hochschulrahmengesetz zustimmungsfrei hätte erlassen werden können. Da die Änderung eines Gesetzes allein zum Zweck der Vermeidung von dessen Zustimmungsbedürftigkeit aber als verfassungsrechtlich umstritten galt, die Bundesregierung letztlich primär das Ziel verfolgte, überhaupt ein Gesetz zu verabschieden und das mittlerweile ungeliebte Thema Hochschulrahmengesetz endlich abzuschließen, kam es zu diesem 214
Schritt nicht. Zu erwähnen bleibt die einseitige Bevorzugung der Bundestagsfraktionen und der Parteiführungen von SPD und FDP in der Versorgung mit Informationen durch das Bundesbildungsministerium. Insgesamt zeigen die Beratungen zum Hochschulrahmengesetz ein erhebliches Konfliktpotential, welches primär durch grundlegende ideologische Unterschiede hervorgerufen wurde und außerdem für die Union ein wichtiges Instrument der Profilierung als Opposition darstellte. Je mehr die unionsgeführten Länder im Laufe der Zeit eigene Landeshochschulgesetzte beschlossen hatten und damit die dringendsten Probleme in ihren Ländern gelöst waren, desto weniger wichtig war ihnen eine Rahmenvorgabe des Bundes. Da es ihnen darauf ankam, mit einem Hochschulrahmengesetz ihre eigenen Landesgesetze nicht grundlegend ändern zu müssen, stieg zudem die Bereitschaft, das Gesetz gänzlich zu blockieren oder mit ihm die reformorientierten Landesgesetze der SPDregierten Länder zur Revision zu zwingen. Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts leisteten dazu eine nicht zu unterschätzende Hilfestellung. Für die Bundesregierung stellte sich die Situation genau umgekehrt da. Sie hatte das Gesetz als ein wichtiges Reformgesetz angekündigt und deshalb ein hohes Interesse daran, es erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Die Bereitschaft der unter Zeitdruck stehenden SPD und eingeschränkt auch der FDP, Zugeständnisse an die Union zu machen, war unter der Bedingung der Veto-Position der Union im Bundesrat deshalb hoch. Schließlich kam es der SPD auch gar nicht mehr darauf an, alle ihre Reformvorstellungen für alle Bundesländer verbindlich zu machen, sondern eher darauf, ihre reformorientierten Landesgesetze nicht verändern zu müssen. Unter dem Druck der Union wurde dieses Ziel letztlich nicht ganz erreicht.
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5 Folgen der Hochschulrahmengesetzgebung
5.1 Die Auswirkungen eines verspäteten Gesetzes Das Hochschulrahmengesetz war in seiner Entstehungsphase äußerst umstritten, und auch nach seiner Verkündigung flaute die Welle der Kritik nicht ab.945 Immerhin hatten drei Bundesländer dem Gesetz nicht zugestimmt, und die Parteien im Bundestag waren mit dem Kompromiss zumindest intern in hohem Maße unzufrieden.946 Bereits kurze Zeit nach Verkündung des Gesetzes wurden einzelne Bestimmungen deshalb – teilweise erfolgreich – vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen.947 Großen Einfluss hatte das Hochschulrahmengesetz als Allparteienkompromiss hingegen nicht mehr. Es hat zwar zunächst für eine gewisse Vereinheitlichung des Hochschulwesens gesorgt, die von vielen Seiten als wichtig eingestuft wurde.948 Der vielfältige Einfluss der verschiedenen politischen Lager auf das Gesetz hatte die Rahmenbestimmungen aber so großzügig gefasst, dass kaum Änderungen an den schon bestehenden Hochschulgesetzen der Länder erforderlich waren949 – mit Ausnahme der Mitbestimmungsregelungen der sozialdemokratischen Länder, die ihre weitgehenden Ansätze korrigieren mussten. Da dies aufgrund des Karlsruher Urteils zur Mitbestimmung aber ohnehin erforderlich gewesen wäre, setzte das Rahmengesetz auch hier keine neuen Akzen945
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Wie 1969 von den Ländern erhofft, richteten sich die Proteste der Öffentlichkeit nun verstärkt gegen das HRG; dieses musste angegangen werden, um die dem HRG nachrangigen Ländergesetze selbst angreifen zu können. Vgl. Michael, G., Protestwelle, 1977, S. 16. Kritisch auch Mußgnug, R., Bescherung, 1976, S. 293f., Rupp, H., Hochschulwirklichkeit, 1976, S. 306 und Pawlowski, H.-M., Bemerkungen, 1976, S. 369. Vgl. Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 91. Vgl. Mußgnug, R., Bescherung, 1976, S. 293. Das Urteil richtete sich in erster Linie gegen die Vorschriften zur Verteilung der Plätze für Studienbewerber. Vgl. BVerfGE 43, S. 291ff. Vgl. Schimank, U.; Lange, S., Hochschulpolitik, 2006, S. 323. Auch die nachfolgenden Landeshochschulgesetze setzten die Bundesvorgabe nicht im Sinne des Bundesgesetzgebers um. Vgl. Schimank, U.; Lange, S., Hochschulpolitik, 2006, S. 323. Die Länder waren verpflichtet, ihre Landesgesetze innerhalb von drei Jahren an das Hochschulrahmengesetz anzupassen. Vgl. Rengeling, H.-W., Rahmengesetzgebung, 1990, S. 834.
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te.950 Auf der anderen Seite hat das Hochschulrahmengesetz aber für eine Erstarrung der festgeschriebenen Strukturen gesorgt, die sich als Reformblockade bemerkbar gemacht hat und durch die Zielsetzung, eine möglichst umfassende, bundeseinheitliche Gleichheit der Hochschulausbildung zu erreichen, dazu beitrug, die deutschen Hochschulen im internationalen Vergleich in die Mittelmäßigkeit zu führen.951 Fast zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten wurde das Hochschulrahmengesetz durch die neue unionsgeführte Bundesregierung umfassend novelliert, um aus Unionssicht offenkundig gewordene Fehlentwicklungen zu korrigieren. Die Position des Professors wurde in bestimmten Gremien gestärkt, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses betont und mehr Freiraum für die Gestaltung der Studienordnungen eingeräumt.952 Das Planungsziel, alle Hochschulen zu Gesamthochschulen umzugliedern, war bereits 1977 von fast allen wichtigen Institutionen verworfen und praktisch nicht weiterverfolgt worden. 1985 wurde es offiziell gestrichen.953 Auf der anderen Seite bot das Gesetz in den Folgejahren aber den jeweiligen Bundesregierungen eine Möglichkeit, den Bundeseinfluss auf das Hochschulwesen auszubauen. In teils gravierenden parteipolitischen und föderalen Auseinandersetzungen,954 die dazu führten, dass Änderungsgesetze mitunter zum zustimmungsfreien Gesetz erklärt wurden, setzte der Bund manche seiner Reformvorstellungen durch.955 Das Verbot von Studiengebühren und die Einführung der Juniorprofessur sind hierfür prägnante Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, die aber beide durch das Bundesverfassungsgericht als zu weitgehende Einmischung des Bundes in den Kompetenzbereich der Länder wieder aufgehoben wurden.956
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Vgl. Bracher, K.D.; Jäger, W.; Link, W., Republik, 1986; S. 135. Vgl. auch Biehler, G., Bundesverfassungsgericht, 1990, S. 191. Vgl. Schimank, U.; Lange, S., Hochschulpolitik, 2006, S. 323. Vgl. Spiewak, M., Wettbewerb, 2004, S. 3. Von Seiten der Hochschulrektoren wurde der Bundeseinfluss als Garant einer gleichmäßigen finanziellen Ausstattung der Hochschulen hingegen begrüßt. Vgl. Boeker, A.; Schultz, T., Einschnitte, 2006, S. 16. Vgl. Wiater, W., Geschichte, 1997, S. 697 und Schimank, U.; Lange, S., Hochschulpolitik, 2006, S. 324. Vgl. Teichler, U., Hochschulpolitik, 2006, S. 358. Vgl. Münch, U., Bildungspolitik, 2005, S. 152f. Vgl. Schimank, U., Lange, S., Hochschulpolitik, 2006, S. 334. Vgl. Rubner, J., Junior, 2004. Vgl. o.V., Gesamtschule, 2004. Generell legte das Bundesverfassungsgericht die Bundeskompetenzen zum Hochschulrahmenrecht in der jüngeren Vergangenheit sehr eng aus. Vgl. Weingart, P.; Taubert, N.C., Bildung 2006, S. 16. Für eine ausführliche Darstellung vgl. Schimank, U.; Lange, S., Hochschulpolitik, 2006, S. 334-336.
5.2 Föderalismusdiskussionen 5.2.1 Die Verfassungsreform 1994 Die sich in Folge der deutschen Wiedervereinigung bietende Gelegenheit einer umfassenden Verfassungsreform wurde 1994 von den Verantwortlichen in Bund und Ländern genutzt, um erkannte Schwierigkeiten in der föderalen Ordnung zu korrigieren. Den Ländern kam es hierbei auf eine umfassende Ausweitung ihrer föderalen Zuständigkeiten an, während der Bund eben dieses fürchtete und zu verhindern suchte. Das Vorhaben der Länder, im Rahmen der Verfassungsreform die Rahmenkompetenz des Bundes für das Hochschulwesen wieder aufzuheben, scheiterte deshalb am Widerstand des Bundes.957 Im Zuge der Verfassungsreform 1994 wurde zudem die Bedürfnisklausel des Artikels 72 Absatz 2 des Grundgesetzes durch eine als wirkungsvoller angesehene Erforderlichkeitsklausel ersetzt, ohne dass es hierbei aber zu einer wirklichen Eindämmung der Möglichkeiten des Bundes oder gar einer Rückführung von Gesetzgebungskompetenzen auf die Länder kam.958 Dem Bund wurde lediglich die Begründungslast auferlegt, und er wurde zur Einhaltung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs verpflichtet. Dabei meint Erforderlichkeit eigentlich, dass der Bund immer die die Länder am wenigsten belastende Alternative wählen muss.959 Bezüglich der Rahmengesetzgebungskompetenz wurde im Rahmen der Verfassungsreform aber konkretisiert, dass Rahmenregelungen nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten dürfen.960 Hätte diese Einschränkung bereits 1976 bestanden, hätte das Hochschulrahmengesetz nicht mit einer derart großen Detailfülle erlassen werden dürfen.961 Das bestehende Hochschulrahmengesetz wurde durch die Verfassungsänderung aber nicht berührt.
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Vgl. Laufer, H., Münch, U., System, 1997, S. 100. Vgl. ebd., S. 99. Die Formel von der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse eröffnete dem Bund die nahezu flächendeckende Übernahme der Gesetzgebungstätigkeit. Vgl. Schüttemeyer, S.S., Gesetzgebung, 2002, S. 165. Vgl. Kaltenborn, M., Rahmengesetzgebung, 2003, S. 424f. S. Art. 75 Abs. 2 a.F. GG. Vgl. Laufer, H., Münch, U., System, 1997, S. 100. Vgl. Iseensee, J., Kautelen, 2004.
219
5.2.2 Die Bundesstaatskommission 2003 Aufgrund von Fehlern und Schwächen, die die verantwortlichen Politiker auf Bundes- und Landesebene am Föderalismus deutscher Ausprägung zu erkennen glaubten, setzten Bundestag und Bundesrat im Oktober 2003 eine gemeinsame Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ein.962 Die Vertreter beider Bundesorgane waren sich einig, dass Gesetzgebungsprozesse zu lange dauerten und zu stark verzögert wurden. Seit 1949 sei durch Reformen und die Verfassungswirklichkeit „ein hoch komplexes System entstanden, an dessen Leistungsfähigkeit immer weniger Menschen glauben und das immer weniger Bürger verstehen“.963 Der Föderalismus sei „aus der Symmetrie“964 und in eine gefährliche Schieflage geraten,965 stellten die Präsidenten beider Organe fest. Trotz gleichen Problembewusstseins bestanden über die Ursache der Schwierigkeiten differenziertere Auffassungen. So betonte Bundestagspräsident Thierse vor allem den viel zu großen Einfluss der Länder auf die Bundesgesetzgebung, da über 60 Prozent aller Gesetze zustimmungspflichtig waren.966 Außerdem rügte er, dass der Vermittlungsausschusses zu häufig angerufen wurde.967 Die Länder bemängelten hingegen die Zentralisierung zahlreicher Gesetzgebungszuständigkeiten beim Bund, wodurch sie seit Bestehen des Grundgesetzes an eigenen Gesetzgebungskompetenzen erheblich verloren hätten.968 Den Ländern kam es somit in erster Linie auf eine Stärkung ihrer eigenen realen Machtbefugnisse an, um ihre politische Bedeutung und ihr politisches Profil zu stärken. Allgemein strebten sie die Abschaffung der Rahmengesetzgebung an, insbesondere das Kompetenzfeld Hochschulgesetzgebung sollte 962
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Vgl. Beschlüsse des BT und BR v. 16. u. 17.10.2003, BT-Drs. 15/1685 u. BR-Drs. 750/03. Die Idee geht auf Hans Eichel zurück, der noch als Bundesratspräsident die Bildung einer Bund/Länder-Kommission zur Reform des Föderalismus vorgeschlagen hatte. Vgl. Luthardt, W., Konsensmodell, 1999, S. 15. MP Böhmer (Sachsen-Anhalt), BR-StBer. der 792. Sitzung v. 17.10.2003, S. 356. Vgl. auch die Einschätzung von BT-Präsident Thierse (SPD), über Länder und Parteigrenzen hinweg habe sich die Einsicht durchgesetzt, das föderale Gleichgewicht müsse neu justiert werden. Vgl. ders., ebd., S. 357. MP Althaus (Thüringen) in der 1. Sitzung der KOMBO v. 7.11.2003, StBer., S. 1. Vgl. BT-Präsident Thierse (SPD), ebd. 1970 lag der Anteil noch bei 30 Prozent. (Vgl. BR-StBer. der 792. Sitzung v. 17.10.2003, S. 357. Ursprünglich ging der Parlamentarische Rat 1949 von lediglich zehn Prozent zustimmungspflichtigen Gesetzen aus. Vgl. MP Stoiber (Bayern) in der 1. Sitzung der KOMBO v. 7.11.2003, StBer., S. 4f. Vgl. BT-Präsident Thierse (SPD) in der 1. Sitzung der KOMBO v. 7.11.2003, StBer., S. 2. Vgl. u.a. MP Stoiber (Bayern) und MP Teufel (BW), ebd., S. 4f u. 8.
dabei in ihren Zuständigkeitsbereich zurück überführt werden. Bedenken der Bundesseite, dass gerade in einem für die Zukunft Deutschlands derart wichtigen Politikfeld eine einheitliche Regelung für ganz Deutschland gelten müsse, wurden schon recht bald mit dem Zugeständnis der Länder zerstreut, der Bund könne eine Regelungskompetenz für die Zugänge und Abschlüsse behalten, die dann gesamtstaatlich geregelt würden. Alle betrieblichen Regelungen sollten aber dem Wettbewerbsföderalismus ausgesetzt werden, um so insgesamt bessere Ergebnisse zu erzielen.969 Schon zu einem frühen Zeitpunkt kennzeichnete der damalige Oppositionsführer im nordrheinwestfälischen Landtag, der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers, das Hochschulrahmengesetz als einen wesentlichen Punkt dessen, was auf die Länder übertragen werden sollte. Darüber hinaus hielt er sogar eine zentrale Zugangsregelung für überflüssig, da seiner Ansicht nach die Hochschulen über diese Frage selbst sollten entscheiden können. Stattdessen billigte er dem Bund aber das Recht zur Evaluation zu, da dieser als Geldgeber erheblich in die Hochschulen investiere. Diese sollte aber durch externe Organisationen wie dem Wissenschaftsrat durchgeführt werden.970 Auf eine finanzielle Förderung durch den Bund waren die Länder nach wie vor angewiesen.971 Im Ergebnis versagte die Kommission aber bei Ihren Bemühungen um eine tiefgreifende Veränderung des Föderalismus. Maßgeblich Schuld hatten hieran Uneinigkeiten über die Hochschulrahmengesetzgebung und die Bildungsplanung. Weder Bund noch Länder waren bereit, in diesem wichtigen Politikfeld Zuständigkeiten abzutreten oder Forderungen zu reduzieren. Die Kommissionsarbeit wurde somit im Dezember 2003 ergebnislos eingestellt.972 5.2.3 Die Grundgesetzänderungen der zweiten großen Koalition 2006 Die Ergebnisse der Föderalismuskommission machten unüberwindbare Hindernisse für eine Einigung von Bund und Ländern deutlich. Möglichkeiten einer 969
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Vgl. MdL Rüttgers (NRW) in der 2. Sitzung der KOMBO v. 28.11.2003, StBer., S. 32. Einige externe Experten rieten hingegen, neben der Hochschulgesetzgebungskompetenz dem Bund auch die Zuständigkeit für den Bereich der allgemeinen Bildung zu übertragen, die schon seit jeher fest als Länderkompetenz verankert war. Da diese Forderungen gegen die Länder nicht durchzusetzen gewesen wären, waren sie jedoch nie Gegenstand ernsthafter Debatten in der Kommission. Vgl. MdL Rüttgers (NRW) in der 8. Sitzung der KOMBO v. 8.7.2004, StBer., S. 191. Vgl. MP Beck (RP), ebd., S. 194. Vgl. die Vorsitzenden der Kommission Müntefering und Stoiber in der 11. Sitzung der KOMBO v. 17.12.2004, StBer., S. 279-282.
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Annäherung ergaben sich erst wieder nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005, aus deren Ergebnis die Union und die SPD die für sie politisch einzig vertretbare Konsequenz einer zweiten großen Koalition zogen. Nach langwierigen Koalitionsverhandlungen, die sich allerdings primär auf die Frage der Kanzlerschaft konzentrierten, wurde ein Koalitionsvertrag verabschiedet, der die Ergebnisse der Föderalismuskommission von 2003 einbezog.973 Die strittigen Punkte wurden zugunsten der Länder neu geregelt, so dass die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes entfallen und das Hochschulrecht wieder in die Zuständigkeit der Länder überführt werden sollte. Allerdings sollte der Bund, nunmehr über die konkurrierende Gesetzgebung, das Recht der Gesetzgebung über die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse behalten, da hier eine länderübergreifende Regelung zur Sicherung des Grundrechts der Freizügigkeit allgemein für erforderlich gehalten wurde. Zudem sollte die Gemeinschaftaufgabe Bildungsplanung entfallen und in das Recht des Bundes auf Evaluation zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich umgewandelt werden. Diese Vorhaben wurden im Gesetzgebungsverfahren erstaunlich schnell umgesetzt, bedenkt man die harten Verhandlungen und Widerstände, die in der Bundesstaatskommission noch vorhanden waren. Mit Inkrafttreten der Grundgesetzänderung im August 2006 wurde das Ende einer Ära eingeläutet, in der der Bund über 35 Jahre massiv in Hochschulfragen und im Bereich der Bildungsplanung mitreden konnte. Doch auch die Außerkraftsetzung des Hochschulrahmengesetzes verlief nicht ohne Spannungen und Verzögerungen. War im Referentenentwurf des „Gesetzes zur Außerkraftsetzung des Hochschulrahmengesetzes“ noch der 1. Juni 2008 als Termin für die Abschaffung vorgesehen, sollte es nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung noch bis zum 1. Oktober 2008 bestand haben.974 Als auch dieser Termin verstrichen war, ohne dass es im Bundestag zu einem Beschluss über den Gesetzentwurf gekommen wäre, wurde mit dem 1. April 2009 ein neuer Termin gesetzt. Mit einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung versuchte im Dezember 2008 zuletzt die in der Opposition stehende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu erfahren, wie es um das weitere Vorgehen zur Abschaffung des
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Vgl. CDU; CSU; SPD, Koalitionsvertrag, 2005, Anl. 2. Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes, BT-Drs. 16/6122 v. 23.07.2007.
Hochschulrahmengesetzes stehe, so dass das letzte Kapitel in der Geschichte des Hochschulrahmengesetzes noch nicht geschlossen ist.975 5.3 Zusammenfassung Das Hochschulrahmengesetz war ein Meilenstein in der Geschichte der deutschen Hochschulpolitik, hat sich aber nicht bewährt. Es kam zu spät, um entscheidende Impulse setzen zu können, da der Gesetzgebungsprozess für die Landeshochschulgesetze 1976 bereits weitgehend abgeschlossen war. Auch die im Hochschulrahmengesetz vorgesehenen Studienreformkommissionen, die eine stetige Weiterentwicklung des Hochschulsystems ermöglichen sollten, brachten nicht den gewünschten Erfolg.976 Auf der anderen Seite war das Rahmengesetz aber ein bei der Landesgesetzgebung zu beachtendes Faktum, welches den Landesgesetzgebern bei der Weiterentwicklung ihrer Hochschulsysteme nicht die Freiheiten ließ, die sie für sachgerechte Reformen benötigt hätten. Es verwundert daher kaum, dass die Forderung, die Hochschulrahmengesetzgebungskompetenz zu streichen, im Rahmen der Föderalismusreform ganz oben auf dem Wunschzettel der Landesvertreter stand, ebenso wenig, dass der Bund zunächst an diesem Stück hart errungenen Einflusses auf die Länder festhalten wollte. Das Hochschulrahmengesetz selbst war ein Kompromiss. Seine Abschaffung war ein ebensolcher, um die Durchführung der Föderalismusreform zu ermöglichen. Dadurch, dass die Hochschulrahmengesetzgebungskompetenz ebenfalls Ausfluss einer Föderalismusreform war, schließt sich der Kreis.
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Vgl. die kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Grüne zum Stand im Aufhebungsverfahren des Hochschulrahmengesetzes, BT-Drs. 16/11355 v. 11.12.2008 (elektronische Vorab-Fassung). Vgl. Bracher, K.D.; Jäger, W.; Link, W., Republik, 1986, S. 135.
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6 Schluss
Ziel dieser Arbeit war es, die Umstände aufzuzeigen, die einerseits zur Schaffung der Bundesrahmenkompetenz für das Hochschulwesen und andererseits zum Hochschulrahmengesetz führten. Beides ist aus föderalen Gesichtspunkten interessant, denn zum einen verzichteten die Länder auf eine Zuständigkeit, die seit Beginn der Bundesrepublik zu ihrer Hausmacht zählte, und eröffneten dem Bund damit den Zugang zu einem der letzten Einflussbereiche, die ihm bis dato verschlossen waren. Zum anderen entstand das Hochschulrahmengesetz in einer politisch und gesellschaftlich bewegenden Zeit. Erstmals führte die SPD eine Bundesregierung und befand sich die Union auf Bundesebene in der Opposition. Hinzu kam die zuvor kaum für möglich gehaltene Situation, dass die Bundestagsopposition die Mehrheit im Bundesrat stellte. An den Hochschulen versuchte zudem eine von der Politik als bedrohlich wahrgenommene studentische Protestbewegung teilweise gewalttätig gesellschaftliche und hochschulpolitische Reformen herbeizuführen. Die Parteien nahmen die Anliegen der Studenten unterschiedlich wahr, was in der Folge auch in der Politik zu ideologischen Auseinandersetzungen führte. Unter Anwendung des Vetospieler-Ansatzes zeigt sich, dass die Bundestagsmehrheit nur dann eine Chance auf Umsetzung ihrer Interessen hatte, wenn sie zumindest in Teilen mit den Vorstellungen des Bundesrates ein gemeinsames winset bildete. In der großen Koalition war dieses winset nicht durch parteipolitische, sondern durch föderale Interessen definiert. Da im Bundestag ein parteipolitischer Konflikt zwischen den größten Parteien zumindest nicht offen ausgetragen wurde und die Gesetzentwürfe sich in der Regel sowohl auf die Union als auch auf die SPD stützten, konnten auch die Länder im Bundesrat frei von parteipolitischen Interessen agieren und ihre jeweiligen Landesinteressen vertreten, ohne allzu große Rücksicht auf die Bundesebene nehmen zu müssen. Wollte der Bundestag also eine Änderung des status quo erreichen, musste diese Änderung auch den Ländern einen irgendwie gearteten Vorteil bringen. Die Gründe für die Schaffung der Rahmenkompetenz für das Hochschulwesen lagen deshalb auch nicht in der parteipolitischen Gleichausrichtung von Bundes- und Landesregierungen in der großen Koalition. Die Bereitschaft der
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Länder, ihre Zuständigkeiten abzugeben, hatte vielmehr andere Gründe. Ausschlaggebend war, dass auch sie an einer Vereinheitlichung des Hochschulwesens in bestimmten Bereichen interessiert waren, um einer Auseinanderentwicklung entgegenzuwirken. Kompromissbereitschaft gegenüber dem Bund entstand aber erst, als ihre eigenen Koordinierungsbemühungen mit einem Staatsvertrag endgültig gescheitert waren und der Bund als einzige Instanz blieb, welche die angestrebte Einheitlichkeit herstellen konnte. Jeder Versuch eines Landes, sein Hochschulrecht im Alleingang zu reformieren, verstärkte somit den Ruf nach einer Bundeslösung. Als Agenda-Setzer hatte der Bundestag die Belange des Bundesrates bereits insofern berücksichtigt, als er sein ursprüngliches Ziel einer konkurrierenden Gesetzgebung auf die Rahmengesetzgebung reduzierte. Dies, so glaubte man im Bundestag, hätte auch für den Bundesrat annehmbar sein können. Aus Ländersicht sollte eine Bundeskompetenz möglichst eng gefasst werden und sich auch nur auf das Nötigste konzentrieren. Dies wäre zum einen die Hochschulverfassung gewesen, zum anderen aber ein bundesweit einheitliches Ordnungsrecht für die Hochschulen. Ersteres, um die als zu weitgehend empfundene Autonomie der Hochschulen zu begrenzen, letzteres als Maßnahme gegen die demonstrierenden Studenten. Der Bund wollte die Kompetenz hingegen auf das gesamte Hochschulwesen ausdehnen und versprach dafür, in deren Ausnutzung maßvoll vorzugehen. Die Zustimmung der Länder zu der umfassenden Lösung, die der Bund forderte, lag letztlich in den studentischen Protesten an den Hochschulen begründet. Sie fühlten sich durch die Proteste, die sie ja unmittelbar berührten, und den daraus resultierenden „Druck der Straße“ derart in ihrer Gesetzgebung behindert, dass sie sich vom Bundesgesetzgeber Ordnungsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Ruhe an den Hochschulen wünschten. Im Vermittlungsausschuss stellte dieses Begehren schließlich den entscheidenden Grund für die Länder dar, dem Bund die Rahmenkompetenz für das gesamte Hochschulwesen zu übertragen, nachdem dieser hatte erkennen lassen, dass er mit einer Übertragung nur weniger Befugnisse nicht einverstanden sei.977 Die von den Ländern zusätzlich durchgesetzte Einschränkung auf nur allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens akzeptierte der Bund ebenso bereitwillig, wie er die Intention dieser Formulierung später ignorierte. 977
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Hierfür spricht insbesondere, dass die Länder durchsetzten, dass in der Berichterstattung über das Vermittlungsergebnis sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat die Schaffung ordnungsrechtlicher Bestimmungen als wesentliches Ziel der Kompetenzübertragung genannt werden sollte, was dann aber nicht geschah.
Zudem stellte die Kompetenzverlagerung auch nur einen ganz geringen Teil innerhalb der Finanzreform der großen Koalition dar. Für ihre Zustimmung haben die Länder an anderer Stelle der Reform vermutlich wiederum einige ihrer Interessen durchsetzen können. Die Formulierung des bayerischen Staatsministers Franz Heubl im Bundesrat, das Vermittlungsergebnis liege nahezu mathematisch genau zwischen den Vorstellungen von Bundestag und Bundesrat, spricht für diese Annahme. Begünstigend wirkte sich außerdem aus, dass über die inhaltliche Ausrichtung eines späteren Rahmengesetzes nicht diskutiert wurde, ja selbst der Begriff „Hochschulwesen“ im Vermittlungsausschuss nicht klar abgegrenzt werden konnte. In dieser weitgehend unreflektierten und vorwiegend in der Bekämpfung der studentischen Proteste statt inhaltlich begründeten Kompetenzverlagerung lag bereits ein Grund für die späteren Probleme der Hochschulrahmengesetzgebung. In der sozialliberalen Koalition stellte sich 1969 die Ausgangslage für die Gesetzgebung anders dar. Zwar musste der Bundestag immer noch bei Zustimmungsgesetzen wie dem Hochschulrahmengesetz darauf achten, seine Entwürfe so zu gestalten, dass diese in einem gemeinsamen winset mit dem Bundesrat lagen. Jedoch wurde hier der föderale Konflikt durch den parteipolitischen Konflikt zwischen Union und der sozialliberalen Koalition überlagert. Der Bundestagsmehrheit stand mit der CDU/CSU-Opposition ein machtvoller Vetospieler im eigenen Haus gegenüber, der zwar Gesetze nicht aus eigener Kraft verhindern konnte, dem aber spätestens seit dem Mai 1972 die Mehrheit des Bundesrates den Rücken stärkte. Aus Sicht der Bundestagsmehrheit gab es in dieser für die damalige Zeit vollkommen ungewöhnlichen Situation nur zwei Möglichkeiten, zustimmungspflichtigen Gesetzen zu Gesetzeskraft zu verhelfen. Entweder der Gesetzentwurf wurde bereits im Bundestag so formuliert, dass er auch den Interessen der Opposition entsprach, oder die Bundesratsmehrheit musste sich soweit an Landesinteressen orientieren, dass die Länder bereit waren, unabhängig von ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit abzustimmen. Das winset definierte sich also danach, ob und inwieweit die Bundesratsmehrheit ein Interesse an einem Gesetz hatte. Letztlich hatte der Bundesrat immer die Möglichkeit, Gesetze auch völlig zu blockieren und so seine Macht als Vetospieler einzusetzen. Die Länder hatten ein Interesse an einem Hochschulrahmengesetz und auch die CDU/CSU-Opposition verfolgte das Ziel eines derartigen Gesetzes. Im Gegensatz zur Kompetenzverlagerung in der großen Koalition stellt sich beim Hochschulrahmengesetz also nicht die Frage, warum es verabschiedet wurde, sondern vielmehr, wieso es bei einer allseitig anerkannten Notwendigkeit über sechs Jahre bis zu seiner Verabschiedung dauerte. Die These, hierfür sei eine 227
Blockade der Union im Bundesrat verantwortlich gewesen, ist nur bedingt richtig. Damit es zu einer solchen Blockade hätte kommen können, hätte sich der Bundesrat erst einmal mit dem Gesetz beschäftigen müssen. Dies war, abgesehen von seinen Stellungnahmen zu den Entwürfen der Bundesregierung, aber erst 1974 der Fall. Ausschlaggebend für die Verzögerungen waren in erster Linie zwei vollkommen entgegengesetzte Ideologien der Union auf der einen und der SPD/FDP auf der anderen Seite. Bundeskanzler Brandts „mehr Demokratie wagen“ stand der eher konservativen Haltung der Union gerade in Hochschulfragen entgegen. Während die Union die studentischen Proteste als Ergebnis von vermehrter Demokratie und Mitbestimmung an den Hochschulen betrachtete und die Auswüchse der teilweise gewalttätigen Demonstrationen auf keinen Fall akzeptieren wollte, versuchten SPD und FDP mit einem Mehr an Mitbestimmung eben diese Unruhen zu beenden. Bei grundlegenden Inhalten des Hochschulrahmenrechts hatten die Bundestagsparteien deshalb derart entgegengesetzte Vorstellungen, dass eine Einigung nur bei Verzicht einer der beiden Seiten möglich sein konnte. Neben einer wirkungsvolleren Mitbestimmung an den Universitäten war dies vor allem die Forderung der SPD, alle Universitäten zu integrierten Gesamthochschulen umzugliedern. Außer diesen ideologischen Unterschieden, die die Verhandlungen in den Bundestagsausschüssen äußerst schwierig gestalteten, wirkte sich insbesondere in der sechsten Wahlperiode die interne Uneinigkeit der SPD deutlich verzögernd auf die Fertigstellung des Gesetzes aus. Zum Zeitpunkt, als die Union zur Verabschiedung im Bundestag bereit gewesen wäre, konnte sich die SPD in der Frage ordnungsrechtlicher Bestimmungen nicht einigen und lehnte die Abschlussabstimmung im Wissenschaftsausschuss bis zur Klärung dieser Frage ab. Nachdem das vorzeitige Ende der Legislaturperiode eine Fortführung der Gesetzgebungsarbeit schließlich verhindert hatte, sorgten Urteile des Bundesverfassungsgerichts in der siebten Wahlperiode für erneute Verzögerungen, da die Parteien die Urteile unterschiedlich auslegten. In dieser Phase war es die Union, die mit allen Mitteln versuchte, einer Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes entgegenzuwirken, und das Verfahren damit in die Länge zog. Seit dem Ende der sechsten Wahlperiode hatte die Union über die ungeteilte Stimmenmehrheit im Bundesrat verfügt und damit die Gewissheit erlangt, dass ein Gesetz nicht gegen ihren Willen würde verabschiedet werden können. Zudem verspürte sie kaum einen zeitlichen Druck, schnell zu einem Hochschulrahmengesetz zu kommen, da die durch sie regierten Länder ohnehin schon eigene Landeshochschulgesetze nach eigenen Vorstellungen verkündet oder in Vorbereitung hatten. Durch die Verzögerungen im Bundestag brachte sie somit 228
die Regierungskoalition, die sich einen zügigen Gesetzgebungsprozess zum Ziel gesetzt hatte, unter erheblichen Zeitdruck, um sie zu weitergehenden Zugeständnissen zu bewegen. Im Bundesrat setzte sich der ideologische Parteienstreit schließlich fort. Eine absolute Blockade fand dort zwar nicht statt, da das Gesetz letztlich nicht verhindert wurde. Aus Sicht der SPD und FDP stellte sich das Vorgehen der Union in den Ländern aber wie eine Blockade dar, da die CDU/CSU-geführten Länder ihre Machtstellung konsequent nutzten, um ihre Interessen durchzusetzen und das Gesetz in einem politischen Ausdifferenzierungsprozess entsprechend ihren Wünschen zu verändern. Da die sozialliberale Koalition zu derart weitgehenden Zugeständnissen, wie sie die Union im Bundesrat gefordert hatte, nicht bereit gewesen war, verschleppte sich der Vorgang in den Vermittlungsausschuss, dessen Verfahren aufgrund derselben ideologischen Frontstellung wie zuvor in Bundestag und Bundesrat mit neun Monaten ebenfalls äußerst langwierig war. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Ausmaß der Verzögerungen des Hochschulrahmengesetzes sich insbesondere durch die Kompromissbereitschaft der sozialliberalen Koalition bestimmte, da ein winset auf Basis der Regierungsinteressen mit der Union als Vetospieler in Bundestag und Bundesrat von vornherein kaum vorhanden war. Alternativ hätte die Bundesregierung signalisieren können, das Gesetz nicht mehr weiter verfolgen zu wollen. Da auch die Länder anfangs noch durchweg ein Interesse an einem Rahmengesetz hatten, hätte dies möglicherweise die Union zu einem Einlenken bewegen können. Da die Regierungskoalition die Hochschulgesetzgebung aber mit an „die Spitze der Reformen“ gestellt hatte, war ihr dieser Schritt aus politischen Gründen nicht möglich. Während die Länder sich bei der Kompetenzverlagerung also nicht parteipolitisch verhielten, sondern ihre Haltung von föderalen Gesichtspunkten abhängig gemacht hatten, war beim Hochschulrahmengesetz eine deutliche parteipolitische Ausrichtung zu konstatieren. Neben den von der Union regierten Ländern, die sich eng mit ihrer Fraktion im Bundestag koordinierten und überwiegend mit dieser einheitlich agierten, fand auch die Regierungskoalition Rückhalt bei den SPD-geführten Ländern. Diese Unterstützungen können aber nur teilweise als parteipolitisches Verhalten gewertet werden. Da die jeweiligen Parteien gerade für ihre jeweiligen ideologisch begründeten Interessen die Zustimmung der Wähler in den Ländern erhalten hatten, kann man die Parteiinteressen ebenso auch als Landesinteresse werten. Schließlich erwartet der Wähler von seiner Regierung, dass sie die durch die Regierungsparteien verkörperten Ziele in der Landespolitik umsetzt. Die Länder unterstützten somit zwar ihre 229
Partei auf Bundesebene, verfolgten aber ebenso Landesinteressen. Aus diesem Grund verweigerten Bayern und Hessen dem Gesetz schließlich auch ihre Zustimmung, weil der Kompromiss ihren Ländern Nachteile bereitete. Bezüglich der Bewertung der Aushandlungsprozesse ist zunächst festzustellen, dass es während der großen Koalition im Bundestag faktisch zu keinen parteipolitisch motivierten Verhandlungen über die Kompetenz im Hochschulund Bildungswesen kam. Die FDP als einzige Oppositionspartei war zu schwach, um als ernsthafter politischer Gegner zu gelten, mit dem die Regierungsparteien in Verhandlungen hätten treten müssen. Vielmehr herrschte in den Sitzungen der Bundestagsausschüsse und des Plenums die Atmosphäre eines gesitteten Meinungsaustausches vor, der allenfalls durch störende Kommentare der Opposition unterbrochen wurde. Zwar unterstützten auch in den Regierungsparteien einige Abgeordnete die Liberalen, was auch zur Kenntnis genommen wurde, aber kaum Auswirkungen hatte. Vielmehr verfolgten die Parlamentarier die Absicht, die Verhandlungen zur Finanzreform möglichst nicht zu stören, und reduzierten die weitgehenden Forderungen der FDP deshalb auf die Rahmengesetzgebung für die Bildungsplanung und das Hochschulwesen. Verhandlungen zur Durchsetzung von Interessen wurden stellvertretend durch die Bundesregierung geführt, die sich mit den Ländern auseinandersetzte. Die Ministerpräsidenten trafen wichtige Absprachen unmittelbar mit dem Bundeskanzler. Auch im Vermittlungsausschuss als einzigem offiziellen Gremium, in dem es zu direkten Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gekommen war, fungierte das Bundesforschungsministerium als Sprachrohr für die Abgeordneten des Bundestages. Auf Seiten der Länder konzentrierten sich die Verhandlungen auf die Gremien des Bundesrates, in denen insbesondere die finanzstarken gegen die finanzschwachen Länder argumentierten. Die Ausdifferenzierung der Interessen wurde hier vorab in den Ausschüssen des Bundesrates vorgenommen. Im Gegensatz dazu kam es während der sozialliberalen Koalition auf allen Ebenen zu intensiven Verhandlungen, die zudem sehr stark konfliktorientiert geprägt waren. Die unterschiedlichen Ideologien und Vorstellungen der Parteien hinsichtlich der Hochschulgesetzgebung führten sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat in der sechsten, insbesondere aber auch in der siebten Wahlperiode zu heftigen Auseinandersetzungen. Zu Beginn der sechsten Wahlperiode war das Verhandlungsklima zwar noch moderat, dennoch zeichneten sich die schwierigen Verhandlungen bereits ab. Bundesbildungsminister Leussink versuchte deshalb einen Regierungsentwurf zu erstellen, der bereits im Vorfeld ausführlich diskutiert werden konnte. Mit seinen 14 Thesen versuchte er einen Großteil der zu erwartenden Kritik 230
bereits im Vorfeld aufzufangen. Dies gelang ihm so gut, dass die Union sich zwischenzeitlich ihrer Möglichkeiten zur Opposition beraubt sah, da auch die CDU/CSU-Länder an der Erstellung der Entwürfe beteiligt worden waren. Die Verhandlungen wurden in dieser Phase auf der Ebene des Bundes- und der Landesbildungsministerien geführt. Beeinflusst von den Hochschulangehörigen und Anhängern der sozialliberalen Koalition musste Leussink seine Entwürfe mehrfach verändern, so dass sie später mehr Gegner als Befürworter hatten. Auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren behielt das Bundesministerium die Federführung für die sozialliberale Koalition, koordinierte das Vorgehen von SPD und FDP in Bund und Ländern und unterstütze vor allem die Arbeit der Bundestagsausschüsse durch sein Expertenwissen. Die Regierungskoalition versuchte bereits im Bundestag mit der Opposition einen Kompromiss zu finden, um eine spätere Zustimmung des Bundesrates zu ermöglichen. In den entscheidenden Aspekten wollte gegen Ende der Bundestagsberatungen der siebten Wahlperiode insbesondere die FDP aber nicht nachgeben, weswegen es später auch zu internen Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition kam. Die SPD hatte hingegen bereits früher erkannt, dass ein Kompromiss nur mit weit reichenden Zugeständnissen möglich sein würde, und führte mit der Union vertrauliche Absprachen, in denen sie Zugeständnisse für Kompromisse machte. Die Union agierte zum Ende der fünften und zum Beginn der sechsten Wahlperiode noch nicht einheitlich. Während es der Bundestagsfraktion zunächst auf eine schnelle Verwirklichung der Rahmenkompetenz angekommen war, intervenierte die bayerische Staatskanzlei frühzeitig in diese Pläne mit dem Argument, vor einem Bundesgesetz die Hochschulgesetze der einzelnen Länder abwarten zu wollen. In der Folge koordinierte sich die Union in Bund und Ländern und ging gemeinsam gegen den Gesetzentwurf der Regierungskoalition vor. Während die CDU/CSU-geführten Länder anfangs noch von der Notwendigkeit eines Hochschulrahmengesetzes überzeugt waren, änderte sich diese Haltung, je mehr sie ihre eigenen Hochschulgesetze verabschiedet hatten. Je unwichtiger der Union aber das Hochschulrahmengesetz wurde, desto stärker konnte sie auf der Umsetzung ihrer Forderungen beharren, da ein Scheitern des Gesetzes für sie akzeptabel wurde. Schließlich kam es der Union nicht mehr nur darauf an, ihre eigenen Hochschulgesetze nicht verändern zu müssen, sondern auch die sozialdemokratisch geführten Länder zur Revision ihrer teilweise sehr reformorientierten Hochschulgesetze zwingen zu können. Die Verzögerungstaktik der Union im Bundestag während der siebten Wahlperiode zielte deshalb insbesondere darauf ab, die Bundesregierung in Zeitnot zu bringen und ihr so noch mehr Zugeständnisse abringen zu können. Im Gegensatz zur Union stand 231
die Regierungskoalition unter dem Druck, das als große Reform angekündigte Gesetz verabschieden zu müssen. Das Bundesbildungsministerium hatte für den Fall einer Zustimmungsverweigerung der Union im Bundesrat mit dem so genannten „Mob-Plan“ eine Möglichkeit entwickelt, die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes zu unterlaufen, was letztlich angesichts der verfassungsrechtlichen Fragwürdigkeit eines solchen Unterfangens nicht durchgeführt wurde. Ein Kompromiss konnte schließlich im Vermittlungsausschuss nur dadurch erzielt werden, dass abseits der offiziellen Verhandlungen Vertreter von SPD und Union Einzelabsprachen trafen, die dann dem Ausschuss zur Abstimmung vorgelegt wurden. Die FDP war kaum zu Zugeständnissen bereit gewesen, weswegen sie an den inoffiziellen Absprachen auch nicht beteiligt wurde. Insgesamt waren die Verhandlungen zum Hochschulrahmengesetz sehr emotional und konfliktreich, wenngleich dennoch Lösungen gefunden werden konnten. Die politischen Ideologien wurden nicht nur auf der Ebene der Parteien ausgefochten, sondern nicht zuletzt durch die Studentenproteste auch gesamtgesellschaftlich diskutiert, so dass abseits der konkreten Hochschulrahmengesetzgebung die Konfrontation gesamtgesellschaftlicher Veränderung deutlich im Vordergrund stand und das konkrete Gesetz lediglich Ausdruck dieser Konfrontation war. Gerade im Bereich des Hochschulwesens waren die Bedingungen für eine derart heftige Auseinandersetzung besonders günstig. Bedeutete doch eine Reform des Hochschulwesens eine Richtungweisung, entweder in die moderne und reformorientierte Richtung des universitären Ansatzes einer Hochschulreform oder in die eher konservativ geprägte Richtung eines technokratischen Ansatzes. Über diese Grundsatzfragen wurden im Hochschulwesen stellvertretend die gesamtgesellschaftlichen Konfliktlinien der Politik ausgetragen.978 Maßgeblichen Einfluss hatten hier auch die verschiedenen Interessenverbände, die zwar nicht die Meinungen der Politiker insgesamt zu ihren Gunsten verändern konnten, die sich aber den jeweils ihnen ideologisch nahestehenden Parteien anschlossen und diese unterstützten. Insgesamt waren die Aushandlungsprozesse in der großen Koalition durchweg föderal geprägt, und Ergebnisse hingen stets von der Bereitschaft der Länder ab, Zugeständnisse an den Bund zu machen. Diese Bereitschaft wiederum war von den Vorteilen bestimmt, die ihnen eine Bundeslösung bringen sollte. Die Not, gegen die studentischen Proteste alleine nicht bestehen zu können, einte die Länder und führte hinter den verschlossenen Türen des Vermittlungsausschusses zu entsprechenden Zugeständnissen an den Bund. Während der sozialliberalen Koalition waren die Verhandlungen ganz überwiegend par978
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Vgl. auch Führ, C., Bildungsgeschichte, 1998, S. 18.
teipolitisch geprägt und wurden insbesondere durch die Stärke der Union im Bundesrat bestimmt. Mit zunehmenden Bundesratsstimmen sank die Bereitschaft der Union zu Zugeständnissen und stieg die Bereitschaft der SPD zu ebensolchen. Je weniger die Bundesregierung ihre Ziele verwirklichen konnte, desto deutlicher wurde die ideologische Kluft spürbar und desto aufgeheizter wurden die Verhandlungen. Fraglich bleibt, inwiefern der Bund als Schrittmacher einer Zentralisierung im Bereich des Hochschulwesens angesehen werden kann. Ohne Zweifel hatte er ein erhebliches Interesse an der Ausweitung seiner Kompetenzen, gerade auch in dem ihm weitestgehend verschlossenen Regelungsbereich des Hochschulwesens. Dieses Interesse spiegelt sich in allen Fraktionen des Bundestages sowie auch innerhalb der Bundesregierung nachweisbar wieder. Der Anstoß zu einer Verlagerung der Kompetenzen erfolgte ebenfalls durch den Bund mit dem Antrag zur Änderung des Grundgesetzes, eingebracht von der FDP-Fraktion. Später, unter den Vorzeichen der sozialliberalen Koalition, hat der Bund von seinen Rechten sehr umfangreich Gebrauch gemacht, sich nicht auf wenige Regelungsbereiche beschränkt und offen eine weitreichende Hochschulreform angestrebt. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass der Bund die Zentralisierung zwar angestoßen hat, ohne die Zustimmung der Länder aber keine Kompetenzen hätten übertragen werden können. Beim Hochschulrahmengesetz ging es dann nicht um einen Machtkampf zwischen Bund und Ländern um die Zentralisierung oder Dezentralisierung von Hochschulkompetenzen, vielmehr um einen ideologisch geprägten Parteienstreit, der die föderalen Differenzen weit überlagerte. Das in dieser Arbeit behandelte Themenfeld gibt nur einen kleinen und sehr speziellen Einblick in die Materie der Hochschulreformen und der Gesetzgebung der großen oder sozialliberalen Koalition. In einer Untersuchung auch sachfremder Gesetze in jener Zeit, die völlig anderen Politikfeldern zuzuordnen sind, läge eine Möglichkeit, über das Thema dieser Arbeit hinaus zu forschen und Vergleiche anzustellen. So ließe sich gegebenenfalls ein Muster in den Verhandlungsprozessen, gerade unter unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Kammern, finden. Auch eine weiterführende Betrachtung der anderen Hochschulgesetze des Bundes und der Weiterentwicklung des Hochschulrahmengesetzes wäre möglich und könnte Erkenntnisse über den Einsatz des Gesetzes zur Einflussnahme des Bundes im Hochschulbereich liefern. Die Prozesse zur Verlagerung der Hochschulrahmengesetzgebungskompetenz auf den Bund und deren Umsetzung mit dem Hochschulrahmengesetz prägten beinahe ein Jahrzehnt deutscher Hochschulpolitik. Die Studentenbewegung als einer der Auslöser für die Reformanstrengungen verebbte schließlich. Was 233
blieb, war ein ungeliebter Kompromiss, dessen Abschaffung erst drei Jahrzehnte später eingeleitet werden konnte. Dem Bund bleiben künftig lediglich Regelungskompetenzen auf dem Gebiet der Zulassung zu den Hochschulen und der Abschlüsse.979 Das auf den Bund bezogene Eingangszitat Kiesingers, die Geschichte nehme niemandem die Entschuldigung ab, ihm habe die Kompetenz gefehlt, galt für die Länder in den letzten Dekaden gleichermaßen und wird auch zukünftig aufgrund der Herausforderungen eines europäischen Hochschulraumes nur wenig von seiner Brisanz verlieren. Nun sind die Länder am Zug und müssen beweisen, dass sie ohne den Bund besser dazu in der Lage sind, das Hochschulwesen weiterzuentwickeln und im europäischen Rahmen zu gestalten. Die Kompetenz dazu haben sie.
979
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Konkurrierende Gesetzgebung gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG.
Quellenverzeichnis
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(CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag) (CDU/CSU-Fraktion AK VI)
Archiv für Christlich-Soziale Politik (ACSP), München NL Stücklen
(Nachlass Richard Stücklen)
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA), München BBB StK-GuV
(Bevollmächtigter Bayerns beim Bund) (Staatskanzlei – Gesetze und Verordnungen)
Bundesarchiv (BArch), Koblenz B106 B136 B138 B145
(Bundesministerium des Innern) (Bundeskanzleramt) (Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft samt Vorgängern) (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)
Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages (PA-DBT), Berlin V-324 VI-1081 VII-366
(Gesetzesdokumentation (4000) zum 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes) (Gesetzesdokumentation (4000) zum Hochschulrahmengesetz in der 6. WP) (Gesetzesdokumentation (4000) zum Hochschulrahmengesetz in der 7. WP)
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Literaturverzeichnis
Im Literaturverzeichnis wird – entsprechend dem Vorgehen in den Fußnoten – das KurzbelegVerfahren verwendet: Die vollständigen Angaben zu Aufsätzen in Sammelwerken sind über den Verweis auf die Autoren beziehungsweise Herausgeber dieser Sammelwerke und deren Kurztitel nachzuvollziehen. Die Buchstaben ä, ö und ü sind wie a, o und u in das Alphabet eingeordnet. Abromeit, Heidrun; Stoiber, Michael [Demokratien, 2006]: Demokratien im Vergleich: Einführung in die vergleichende Analyse politischer Systeme, Wiesbaden 2006 Andersen, Uwe [Bundesstaat, 2000]: Bundesstaat/Föderalismus, in: ders.; Woyke, W. (Hrsg.), Handwörterbuch, 2000, S. 79-87 Andersen, Uwe; Woyke, Wichard (Hrsg.) [Handwörterbuch, 2000]: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 4. völlig überarb. u. akt. Aufl, Opladen 2000 Anweiler, Oskar [Bildungspolitik, 2006a]: Bildungspolitik, in: Hockerts, H.-G., Bundesrepublik, 2006, S. 711-753 Anweiler, Oskar [Bildungspolitik, 2006b]: Bildungspolitik, in: Geyer, M.H. (Hrsg.), Bundesrepublik, 2006, S. 694-731 Barrios, Harald; Krennerich, Michael [Bundesländer, 2002]: Bundesländer, in: Nohlen, D. (Hrsg.), Politik, 2002, S. 35-39 Bartz, Olaf [Wissenschaftsrat, 2006]: Wissenschaftsrat und Hochschulplanung: Leitbildwandel und Planungsprozesse in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1957 und 1975, Köln 2006, http://d-nb.info/981776116/34 (03.01.2009), (zgl. Diss. Univ. Köln 2005) Barzel, Rainer [Demokratie, 1999]: „Mehr Demokratie“?, in: Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung (Hrsg.), Gedanken, 1999, S. 27-29 Behrmann, Günter C. [Dohnanyi, 2001]: Dohnanyi, Klaus von: Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (SPD), in: Kempf, U.; Metz, H.-G. (Hrsg.), Lexikon, 2001, S. 203-206 Behrmann, Günter C. [Leussink, 2001]: Leussink, Hans: Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (parteilos), in: Kempf, U.; Metz, H.-G. (Hrsg.), Lexikon, 2001, S. 432-437 Benz, Arthur [Dezentralisierung, 1998]: Dezentralisierung und Demokratie - Anmerkungen zur Aufgabenverteilung im Bundesstaat, in: Männle, U. (Hrsg.), Föderalismus, 1998, S. 21-29 Benz, Arthur [Reformblockierer, 2003]: Reformpromotoren oder Reformblockierer?: Die Rolle der Parteien im Bundesstaat, in: APuZ (2003), Heft 29-30 v. 14.07.2003, S. 32-38 Berg, Wilfried [Ausschüsse, 1970]: Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, in: Der Staat 9 (1970), Heft 1, S. 21-42 Berggreen, Ingeborg [Bildungswesen, 1992]: Das Bildungswesen in Europa nach Maastricht: Auswirkungen der Beschlüsse von Maastricht auf den deutschen Bildungsföderalismus, in: RdJB 40 (1992), S. 436-450 Biehler, Gerhard [Bundesverfassungsgericht, 1990]: Sozialliberale Reformgesetzgebung und Bundesverfassungsgericht: Der Einfluß des Bundesverfassungsgerichts auf die Reformpolitik – zugleich eine reformgesetzliche und programmatische Bestandsaufnahme, Baden-Baden 1990 (Nomos Universitätsschriften, Bd. 6; zugl. Diss. Freie Univ. Berlin 1989)
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