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German Pages 191 Year 2006
Martin Sonnenschein • Harald Zapp • Axel Freyberg Customer Energy
Martin Sonnenschein Harald Zapp Axel Freyberg Unter Mitarbeit von: Hagen Gotz Hastenteufel Martin Fabel Michael WeiB
Customer Energy Wie Unternehmen lernen, die Macht des Kunden fur sich zu nutzen
GABLER
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
1. Auf lage Mai 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftllcher Verlag Dr. Th. Gabler I G W V Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ulrike M . Vetter Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschliel^lich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung aufterhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt Insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Satz: ITS Text und Satz Anne Fuchs, Pfofeld-Langlau Druck und buchblnderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-409-14264-9 ISBN-13 978-3-409-14264-9
Inhalt
Die Idee
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Einleitung: Kein tiberraschendes Phanomen: Customer Energy
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Telekommunikation: Fest Oder mobil: In jedem Fall entscheidetderKunde
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Beispiel: Skype Internet-Telephonie
(VoIP)
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Medien: Urvertrauen verloren, aber neue Verblindete gewonnen . . . . Printmedien: Auch der energievolle Kunde will Haptik Audio/Video: Noch iiberwiegen die „Couch Potatoes" Musik: „Klingt gut" reicht nicht mehr
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Customer Equipment: Kaum noch Grenzen zwischen Hard-und Software Beispiel: Nokia/Kodak Mobile Service/Yahoo! Beispiel: Microsoft XBOX
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Fazit: Industrieubergreifende Diskussion eines methodischen Ansatzes zum Management der Customer Energy Beispiele: Procter & Gamble, Eon
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Beispiel: Wikipedia Beispiele: CAD.de
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Inhalt
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Die sechs Imperative der Management-Agenda im Endkundenmarkt
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Glossar
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Danksagung
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Die Autoren
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Inhalt
Die Idee
Das Thema „Customer Experience" wird heutzutage in nahezu alien Vorstandsetagen zur Chefsache erklart. Heerscharen von Experten unterschiedlicher Couleur beschaftigen sich damit, wie Vertriebs- und Betreuungsprozesse optimal an Kundenversprechen angepasst werden konnen. Zukiinftige Margen- und Wachstumsziele werden zunehmend daran festgemacht, ob und inwieweit es gelingt, hier einen Durchbruch zu erzielen. Obwohl sich mit der Umsetzung der vielfaltigen MaBnahmenlisten bereits erste Erfolge verzeichnen lassen, wachsen die Zweifel an einem nachhaltig zu sichernden Wettbewerbsvorteil. Die Dringlichkeit der OptimierungsmaBnahmen ist iiber nahezu alle Industrien im Endkundenmarkt offensichtlich, dennoch entpuppen sich diese im Resultat oft nur als Basisdisziplin, mit der nichts Signifikantes erreicht wird. Denn seit kurzem hat auch der Kunde begonnen, sich neu zu positionieren. Ob er als Konsument, Lieferant, Partner oder gar Wettbewerber in der Marktarena auftritt, entscheidet er ebenso flexibel, wie er seinen Warenkorb aus Aldi und Gucci zusammenstellt. Ob er als Einzelkampfer oder im „Schwarm" seine Ziele besser erreichen kann, scheint weitgehend situationsbedingt. Die Forderung nach einer Interaktion, das illegale Einbrechen in die Wertschopfungskette eines Unternehmens und die opportunistische Verwertung von Teilprodukten - all das hat sich zum Volkssport entwickelt. Geschwindigkeit und Auswirkungen der durch den Kunden angestoBenen Veranderungen iiberraschen etablierte Player immer wieder aufs Neue. Weder die Sparwelle noch die langjahrig erprobten Instrumente der Kundensegmentierung und -bewertung scheinen dem tatsachlichen Trend ausreichend Rechung zu tragen. Der Wunsch, dieses Buch zu schreiben, entsprang dem Gedanken, dem Phanomen „Kundenenergie" oder „Customer Energy" auf
Die Idee
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den Grund zu gehen, Treiber und strategische Trends zu verstehen und die Inhalte zuklinftiger CXO-Agenden abzuleiten. Die in diesem Buch gewahlten Industrieschwerpunkte wie Telekommunikation, Medien oder Consumer Equipment tragen der Beobachtung Rechnung, dass Kunden Trends aus diesen Bereichen auf andere Industrien ubertragen und dort begonnen haben, deren Wirksamkeit zu testen. Unternehmerische Erfahrungen lassen sich somit auf die Anwendbarkeit im eigenen Umfeld liberprufen, strategische Werkzeuge friihzeitig anpassen und die Wertschopfungskette adaquat ausrichten. Welche RoUe werden die Unternehmen in Zukunft noch wahrnehmen konnen, wenn diese Tendenz zur Kundenenergie anhalt? Diese Frage wird im vorliegenden Buch aus verschiedenen Perspektiven beantwortet.
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Die Idee
Einleitung: Kein uberraschendes Phanomen; Customer Energy
Marktsattigung und Technologiekonvergenz sind in den vergangenen Jahren die dominierenden Eigensciiaften westliclier /\/larkte. Wahrend in den aufstrebenden Regionen Asiens, Sudamerikas oder Osteuropas die Abdeckung mit Basisgutern noc/i immer als lA/ac/istumsmotor Nummer 1 gilt besteht der „ Warenkorb" inn Westen fast ausscfil/e/3lich a us margenarmen Commodities. Schlagworter wie „Geiz ist geil" emotionalisieren die Diskussion uber den steigenden Kostendruck, und die durcli den wohlliabenden, aber restriktiven Kunden angesto/Sene Produktionsverlagerung in „Billiglohnlander'' tat und tut das ifirige. Vielfaltige Versuctie etablierter Player, organisches Wachstum durch maximale Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen zu erreichen, mussen als gescheitert bewertet werden. Wahrend die Optimierungsversuche der unternehmerischen Seite fortgesetzt werden, lasst sich gleichzeitig auf der Kundenseite eine „Neupositionierung" beobachten. Kunden konnen sich immer weniger mit der Rolle des reinen Konsumenten identifizieren und suchen nach neuen Spielregein im Markt. Ihr Wunsch nach Interaktion ist keineswegs auf Aktivitaten aus dem „Selbstbedienungsumfeld" begrenzt die den anbietenden Unternehmen weitere Kostenentlastungen ermoglichen. Ahnlich wie es fruher als undenkbar gait komplexe Aniagepodukte im „Fondsupermarkt" auszuwahlen Oder vertrauliche Dienstleistungen am Automaton zu beziehen, so mussen sich Unternehmen heute mit dem Gedanken vertraut machen, dass Kunden als Partner oder Konkurrenten eigene Interaktion in alien Bereichen der Wertschop-
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fung fordern. Neu ist auch, dass die Spielregein fur die einzelnen Wertsctiopfungsstufen nicht mehr allein durc/i das Unternelimen definiert werden.
Wertschopfung - ein schwerfalliges Wort, das in den Augen der meisten an wirtschaftlichen Zusammenhangen Interessierten viel mit den alten Industrien der hauptsachlich Metall verarbeitenden Branchen zu tun hat. Diese Industrien sind traditionell in England, Deutschland und dem Osten der USA angesiedelte Pionierunternehmen, die in die Jahre gekommen sind. Sie haben jedoch in ihren jeweiligen Landern durch ihre damals hohe Wertschopfung jahrzehntelang fiir Wohlstand gesorgt. Eine Wertschopfungskette dient der vereinfachten Darstellung dessen, was im Unternehmen geschieht. Sie bringt alle Schritte von der Materialbeschaffung bis zum Marketing in eine sinnvoUe Reihenfolge, sodass das Produkt am Ende den Wert reprasentiert, der ihm vom Kunden durch Zahlung eines akzeptablen Preises zugeschrieben wird. Wer vor seinem inneren Auge immer noch die Schlote rauchen sieht, wenn heute von Wertschopfung die Rede ist, der hat das nach-industrielle Zeitalter noch nicht verstanden, denn selbstverstandhch und zum Nutzen aller wird auch in nicht-industriellen Prozessen, die der Befriedigung eines Kundenwunsches dienen, Wert erwirtschaftet. Die Wertschopfung nimmt im Zeitalter der Informationsgesellschaft nur eine weniger klar definierte Form an, basiert mehr auf Wissen und dessen Verarbeitung. Sie ist deshalb gerade auch fiir den Kunden - schwerer zu durchschauen als dies vor Jahrzehnten angesichts der aufwandigen, aber nachvoUziehbaren Arbeitsprozesse in den Grundlagenindustrien der Fall war.
Die Situation: Teclinologische Konvergenz, neues Kundenseibstbewusstsein und Giobaiisierung wiricen zusammen Auch wenn sich vieles in der Wirtschaft westeuropaischer Lander fundamental geandert hat und tagUch andert - das Wertschopfungsprinzip ist gleich geblieben, nur die Auspragungen weisen in 10
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ganz neue Richtungen. Und das hat immerhin dazu geftihrt, dass wir es heute mit einem voUig neuen Wertschopfungsbegriff zu tun haben, dessen Entwicklung sich schon seit langerer Zeit ankiindigt: >^ Historischer Wertschopfungsbegriff: Die Wertschopfungskette in den traditionellen Industrien beschreibt, wie verschiedene nacheinander geschaltete „wertschopfende Parteien " innerhalb eines Unternehmens oder iiber Unternehmensgrenzen hinweg interagieren, um einem Kunden am Ende ein Produkt zur Verfiigung zu stellen. Die traditionelle RoUe des Kunden ist dabei sehr einfach definiert: Sie liegt lediglich im Erwerb des so entstandenen Produktes. > Moderner Wertschopfungsbegriff: Schon im Verlauf des 20. Jahrhunderts haben sich die Wertschopfung und die Perspektive des Kunden auf die Wertschopfung geandert. Zu den greifbaren Produkten, die in einer aufeinander folgenden Reihe von Wertschopfungsstufen entstehen, sind Dienstleistungen gekommen, die diese Produkte erganzen oder auch volUg selbststandig als Service verkauft werden. Parallel zu dieser Entwicklung verandert sich auch die Rolle des Kunden, denn je mehr Service im Produkt enthalten ist, desto mehr Moglichkeiten bestehen fUr den Kunden, giinstiger an sein Endprodukt zu kommen, z. B. dadurch, dass er den Service oder einen Teil des Service, der das Produkt ausmacht, bewusst oder unbewusst selbst ausftihrt. Begonnen hat diese Entwicklung in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts mit den Selbstbedienungsmarkten (der Kunde kommissioniert und verpackt seine Einkaufe selbst), mit der Doit-yourself-Welle (der Kunde fiihrt Handwerksarbeiten selbst aus), dem Selbsttanken, den Automaten- und Self-Service-Restaurants und vielen ahnhchen Erscheinungen. Mit dem Internet wurde diese Entwicklung beschleunigt und intensiviert, denn nun geht es nicht mehr um Randbereiche, in denen der Kunde aktiv wird. Die „Produktionsmittel", mit denen heute Mehrwert geschaffen wird, sind sehr viel leichter zuganglich als die kapitalintensiven Produktionsmittel der Industriegesellschaft. Und: Jeder Mensch, der lesen und eine Tastatur bedienen kann, ist „per se" gleichzeitig integraler Bestandteil, Beeinflusser und Nutzer
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des Produktes, und die eigentlichen Anbieter sind es gleichzeitig ein Stuck weniger. Der Unterschied zwischen beiden Wertschopfungsbegriffen ist trotz aller Gemeinsamkeiten deutlich: Wertschopfung bleibt Wertschopfung, aber die handelnden Personen und ihre Beitrage andern sich. Diese Veranderung derjenigen, die am Werden des Produktes beteiligt sind, geht einher mit der Tatsache, dass es offensichtlich in vielen Bereichen keine wirklich klaren Produktgrenzen mehr gibt. Und weil das so ist, kann der Kunde allem Anschein nach immer starker an der Wertschopfung teilnehmen; inzwischen bringt er sich weit mehr ein, als nur dem Handel beim Verkaufen zu helfen. Die bloBe Teilnahme am letzten Zipfel der Wertschopfungskette ist heute so selbstverstandUch Kundensache, dass davon hier gar nicht die Rede sein soil. Es geht langst um ganz andere Dimensionen von Kundeninteraktion, Kundeneingreifen und Kundenenergie. Telle der Aktivitat, die bis dahin zur umstrittenen Domane des Herstellerunternehmens gehort haben, sind sang- und klanglos und wahrscheinlich unwiederbringlich zum Kunden abgewandert. Daran sind die Unternehmen naturlich nicht voUkommen unschuldig, denn sie selbst haben dem Kunden mehr und mehr Anteil an ihren ureigensten Tatigkeiten eingeraumt. Zunachst bestand der Anreiz des wichtigsten Wertschopfungsteilnehmers, des Herstellers also, darin, die Kosten des Produktes und der dazu gehorenden Services durch die Einbeziehung des Kunden zu reduzieren. Der Kunde, anders herum betrachtet, wurde fiir seine Leistung durch gtinstigere Preise belohnt, heute ist jedoch ein erheblich groBerer Wertanteil im Spiel. Es begann unmerklich: 1995 gingen die ersten Biicherfreunde auf das Angebot der in Seattle ansassigen Firma amazon ein, und bestellten Biicher iiber das Internet. Bis dahin hatte man das - auch schon sehr fortschrittlich - iiber Bildschirmtext tun konnen. Nun also das Internet. Die Kunden nahmen das neue Angebot in wachsendem MaBe an. Die umfassende Auswahl lockte und ebenso die Bequemlichkeit. Hier und bei anderen Internetangeboten hat der Kunde urspriinglich tatsachlich - insofern ganz auf einer Linie mit
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dem Hersteller - zunachst mit seiner Teilnahme an der Wertschopfung nur die Bequemlichkeit gesucht und dafur auf sein gewohntes Einkaufserlebnis verzichtet. Zugunsten der schnellen Entscheidung im Netz hat er den Kontakt zum Verkaufer oder Mittler und die damit verbundene lieb gewonnene Kommunikation hintangestellt. Inzwischen sind das Verwalten des Bankkontos oder das Buchen und Selbst-Ausdrucken von Flugtickets und Bahnfahrkarten liber den eigenen PC bereits fiir viele Menschen selbstverstandlich. Hier ist in kurzer Zeit eine eindeutige Win-win-Situation entstanden, die zunachst eindimensional und unspektakular erschien: Der Kunde spart Transaktionskosten - und auch Zeit - und auch das Unternehmen spart. Die Steigerung des Wachstums, das fiir Unternehmen grundsatzhch neben der Erwirtschaftung von Profit ein wichtiger Agendapunkt sein muss, war in der Friihzeit der erhohten Kundenselbstandigkeit nicht erkennbar, und wenn die Bedeutung des Wachstums im Unternehmen bekannt war, wurden die vorhandenen Wachstumshebel von den Anbietern in diesem Stadium kaum genutzt. Nur wegen der Bequemlichkeit und des giinstigen Preises heBen sich die Kunden in diesem Stadium nicht unbedingt dazu bewegen, mehr zu kaufen, als sie ohnehin kaufen woUten. So sahen wenige Unternehmen in diesem weiteren „Kanal" mehr als eine durchaus angenehme Begleiterscheinung des Computerzeitalters. Nur einige erkannten, dass es hier um einen fundamentalen Umbruch ging, der in der Tat viele Veranderungen fiir sehr viele Geschaftsmodelle bedeutete. Aber diese Art der angenehm unaufgeregten Win-win-Situation in vielen Branchen ist auf dem besten Wege zu kippen. Wir finden heute einen Kunden vor, der sich selbst mehr als erwartet engagiert und seinen Vorteil zunehmend erfolgreich zu wahren versteht. Der Kunde wird unabhangiger, sptirt seine Macht und ist inzwischen nicht nur bereit, sondern auch interessiert daran, weit mehr einfache operative Tatigkeiten zu iibernehmen. Und er ist aufgrund der Digitalisierung auch in der Lage dazu. Die „Digitale Revolution" ermoglicht es dem Kunden plotzlich, auf wesentlich kurzweiligere Art und Weise entlang der gesamten Wertschopfungskette in den Wertschopfungsprozess einzugreifen, ihn zu unterstiitzen oder gar zu steuern. Das kommt dem Hedonismus des heutigen Kunden entEinleitung
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gegen, er will genieBen ohne zu bereuen, er will erleben und er will Luxuskonsum, wo es eben moglich ist. Die Menge der neuen Moglichkeiten hat die Konsumgewohnheiten vor allem der jungen Kunden rasch geandert. Ein Geschaft war friiher nur moglich, wenn man mit Kosten und zeitlichem Aufwand verbundene Transaktionen vornahm. Noch im 19. Jahrhundert waren fast alle groBeren Kaufe mit Reisen verbunden, weil vor allem die Landbevolkerung Orte mit Markten und Messen besuchen musste, um in den Besitz einer bestimmten Ware zu gelangen. Diese Transaktionen verursachten nicht nur auf Anbieter-, sondern auch auf Kundenseite hohe Kosten, Im 20. Jahrhunderts wurde das Reisen erleichtert und es wurden viele neue Moglichkeiten der Kommunikation geschaffen. Dennoch musste man, selbst wenn man es einfach haben woUte, immer noch einen Katalog durchblattern und eine Bestellkarte zur Post bringen, um Ware zu ordern. Heute fallt der Konsum auch hochwertiger Waren ohne diese Transaktionskosten - von den relativ zum Einkommen gesunkenen Preisen der erworbenen oder genutzten Waren und Werte ganz zu schweigen - leichter. Das Internet schafft Zugang zu Information nen und Waren, die man „aus gesellschaftlichen Uberlegungen", man konnte auch „Gruppendruck" sagen, einfach haben muss. Und: Es findet definitiv mehr individueller Konsum statt, wenn der Kunde nicht auf feste Preise und feste Ladenoffnungszeiten angewiesen ist. Aber das ist nicht alles. Nach der Erfahrung der vergangenen Jahre und aus aktueller Sicht haben zwar die vielen Informationen ftir den Einzelnen individuell keine nennenswerten Veranderungen bewirkt, aber die geballte Masse an zuganglicher Information hat durchaus Veranderungswirkungen gehabt. Nicht nur haben mehr Menschen Zugang zu den Quellen wichtiger und natUrlich auch unwichtiger Informationen, sie wissen auch, wie sie damit umgehen und sie fiir sich nutzen. Dieses „Gewusst wie" fallt nicht vom Himmel, sondern verbreitet sich in den „Communities" sehr rasch und wird dabei immer wieder neu angereichert. Und gemaB der alten Weisheit, dass Wissen Macht ist, gelingt es den „communities" der informierten Verbraucher in der Tat, mehr Macht an sich zu Ziehen: Sie finden fiir ihren durch die „Community" definierten Konsum14
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^ Der Kunde hat zwar tendenziell mehr Geld als friiher, aber seine Konsumanspriiche sind mit zunehmendem Wohlstand tiberproportional gestiegen, der subjektive Eindruck ist damit der von weniger Geld. Gleichzeitig sind Reisen und Gegenstande des gehobenen Bedarfs fiir breite Kreise unerlasslich geworden. Ein Bedarf, der dazu fiihrt, dass man sich mit mehr Interesse den Sparmoglichkeiten auf hohem Niveau widmet und diese Sparmoglichkeiten bietet das Internet vor alien anderen Kanalen. Dieses durch die Digitalisierung moglich gewordene Kundenverhalten ist neu und vollig anders als die oben geschilderten Anfange der Einbindung des Kunden in die Wertschopfung. Die Kundenenergie wachst mit dem Selbstbewusstsein des Kunden. Die daraus entstehende neue RoUe des Verbrauchers hat viele Aspekte. Als Kunde zeigt er zum einen seine „fordernde" und egoistische Seite, z. B. als Music Ripper. Da ist wenig von Gemeinsamkeit zwischen Kunde und Anbieter zu sptiren. Auf der anderen Seite zeigt er sich anstellig, wenn es darum geht, die eigene Customer Care zu iibernehmen und tippt unverdrossen - wahrend die Zeituhr der OlSOerNummer lauft - auf der Tastatur seines Telefons herum, um seinem Kreditkartenanbieter, seinem Mobilfunkprovider oder anderen Unternehmen zu helfen, die hohen Kosten fiir den Kundenservice zu reduzieren. Bei aller Kundenenergie, die den eigenen Interessen des Konsumenten, den alten und den neu erwachten, nutzt, gibt es also auch eine zweite Seite, von der die Unternehmen profitieren konnen und sicherlich woUen. Das eben genannte Beispiel spricht dafiir und auch die begeisterte Nutzung des Internet-Auktionshauses Ebay. Dariiber hinaus geben noch viele andere Moglichkeiten der
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Kundenenergie Raum zur Entfaltung und machen sie fiir Dritte, also auch fiir die Hersteller, tatsachlich kommerziell nutzbar. Auf Seiten der Hersteller miissen Strategien entwickelt werden, die der zunehmenden Kundenenergie Paroli bieten. Die Auswirkungen der Digitalisierung soUen sich auch fiir die Hersteller als Segen erweisen. Die enorme Energie, die der Kunde im Rahmen dieses Wertschopfungsprozesses aufbringt, ist in der Lage, radikale Veranderungen in den Wertschopfungsketten herbeizufiihren. Diese „Customer Energy" nimmt unterschiedliche Formen an, ist aber immer charakterisiert durch eine Reihe von Merkmalen, die ohne die Digitalisierung und damit die Moglichkeiten des Internets nicht denkbar waren und damit die unterschiedlichsten Kundensegmente neu zusammenfiigen. > Der Kunde investiert nicht nur Zeit, sondern bringt selbst physische Kraft/Energie ein, um seinen Teil zu der Wertschopfung beizutragen. Er gestaltet inzwischen viele der Produkte, die er haben will, durch bisher ungewohnte und unmogliche Eingriffe mit. Modernste Technik hilft ihm dabei und hat dafiir gesorgt, dass sich gerade jiingere Verbraucher in einer kaum zu beeinflussenden Machtposition wiedergefunden haben, auf deren Eroberung sie selbst es gar nicht bewusst angelegt haben. Hier hilft die heute in nahezu jedem beUebigen Produkt enthaltene Information dem Kunden weiter, denn sie ist digitalisiert und damit in der Regel zuganglich, wenn nicht sogar veranderbar. >^ Der Kunde eignet sich Wissen an und lasst es in den Prozess einflieBen, indem er Entscheidungen trifft bzw. Entscheidungen, die andere treffen, beeinflusst. Breiten Kreisen steht immer mehr relevantes Wissen zur Verfiigung, sodass akademische Titel und sonstige Bildungsnachweise obsolet und gesellschaftlich irrelevant werden. Entsprechend treten auch an die Stelle der bisher nach Alter, Bildung, Beruf und Einkommen definierten soziologischen Schichtenmodelle so genannte Lifestyle-Milieus, die den Eigenheiten der modernen Lebenswelten besser gerecht werden. Das Marketing „lebt" also den neuen Kunden bereits starker, als dies in anderen Teilen der Unternehmen der Fall ist.
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> Der Kunde sucht und findet gleich gesinnte „Verbundete": Die Peer-to-Peer-Netzwerke oder „Communities", die sich im Internet um mehr oder weniger jedes Interessengebiet herum bilden, sind die ersten und deutlichsten Manifestationen von Customer Energy. Nur in der „community", die weitaus detaillierter und komplexer in ihren Anforderungen an Produkte und Services ist als das eher grob definierte herkommliche Kundensegment, an dem sich die Marketingfachleute bisher ausgerichtet haben, kann der Kunde seine Energie wirklich sinnvoU nutzen und in akzeptable Skalenvorteile flir die „Community" umsetzen. Folgerichtig findet der Wettbewerb um die Gunst des Kunden nicht mehr nur zwischen den Unternehmen statt, sondern auch zwischen den „Communities", um die besten Bedingungen im Wettbewerb gegen die Hersteller zu erzielen. Hier hat sich die SMS als Veranderungs-Agent erwiesen. Wenn zum Beispiel ganze „Szenen" sich tagUch per SMS dariiber abstimmen, welche Clubs und Partys angesagt sind und welche nicht, wird das den Anbietern nicht verborgen bleiben. Sie werden sich etwas einfallen lassen (mtissen), um immer auf dem Laufenden zu sein und immer eine Antwort auf die neuen Stromungen unter den Jugendlichen zu haben. Das heiBt, die Unternehmen kampfen nun an zwei oder noch mehr Fronten, anstatt es nur mit dem Wettbewerb zu tun zu haben. >^ Der Kunde beziehungsweise die „Community" iibernimmt mit zunehmendem Einfluss sogar die Steuerung der Wertschopfung. Das beginnt bei der Auswahl der bevorzugten Produkte, die sich auf die Sortimente auswirkt, und ftihrt im Endeffekt dazu, dass nicht nur der durch die Marke identifizierbare eigentliche Hersteller sich den Kunden-Vorstellungen anpassen muss, sondern samtliche Wertschopfungsteilnehmer. Wenn zum Beispiel eine „Community" einen Computer grundsatzlich mit einem bestimmten Prozessor konfiguriert, wird damit ein Wertschopfungsteilnehmer aufgewertet und erhalt - aufgrund der Interaktion des Kunden - seinerseits mehr Einfluss auf die Wertschopfung und damit auf das Produkt.
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Die Kunden in den westlichen Industrielandern haben also spatestens mit ihrer eigenen Teilnahme an der Wertschopfung erkannt, dass der meiste Wert heute nicht mehr durch die physische Arbeitskraft erzeugt wird, sondern durch intelligent eingesetztes Wissen. Auch wenn die Politiker noch debattieren, weiB inzwischen jedes Kind, dass im Wissensvorsprung der einzige Vorteil gegeniiber den so genannten Billiglohnlandern liegt, den die alten Industrielander eventuell noch haben, wenn es darum geht, eine ausreichende Anzahl von Wertschopfungsstufen vor Ort zu generieren. Aber auch hier ist die Einsicht nicht ausreichend, denn auch das Wissen, um das es hier geht, wird durch „Open Source" und Peer-to-PeerPlattformen sehr schnell AUgemeingut und verliert damit sein Wertpotenzial fiir die Unternehmen. Diese Entwicklung gilt nicht nur fiir die Gesamtwirtschaft, sondern trifft ebenfalls auf jede einzelne Wertschopfungskette zu. Wahrend der Kunde in der Vergangenheit vor allem seine physische Energie und seine Zeit an der Tankstelle und im Supermarkt eingebracht hat, erlaubt ihm das aufgrund der „digitalen Revolution" auch ihm zur Verfiigung stehende Wissen, tatsachlich „wert"-volle Beitrage zur Wertschopfung zu erbringen: > Der Kunde hat unbegrenzten Zugang zu Informationen und Wissen und ist langst nicht in alien Bereichen wirklich iiberfordert, seine Auswahl zu treffen. Im Fall der Beschaffung von Informationen ermoglicht die Digitalisierung eine hundertprozentige Personalisierung der Inhalte, verhindert jeglichen Streuverlust und steigert damit den Nutzen fiir den Einzelnen, aber auch fiir den dahinterstehenden Anbieter erheblich. > Der Kunde kann auf dieses Wissen individuell und zu jeder Zeit zugreifen. Im Gegensatz zum Konsum „fliichtiger" Medien, wie dem Radio oder dem so genannten Bildungsfernsehen, kann jeder Kunde im Internet selbst sein Informations- und Lerntempo bestimmen und entscheiden, was er aufnehmen will oder nicht. > Der Anteil der vom Kunden zu beeinflussenden Wertschopfungsstufen nimmt ebenfalls mit der Digitalisierung der Wertschopfungsprozesse zu, wachst also mit dem digitalen Anteil der Produkte. In Europa und den USA sowie in zahlreichen weite20
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ren Regionen liegt die Internetdurchdringung derzeit bei circa 60 Prozent. Tendenziell nutzen bisher noch mehr Junge als Alte das Netz fiir ihre Freizeitaktivitaten. Gleichzeitig geht der Kunde auch auBerhalb der Internet-Welt den Weg zur Wertschopfungspartnerschaft, so zum Beispiel im Bereich Bekleidung. Hier kann der Kunden z. B. mit Hilfe von Body Scanning seine „Jeans" oder „sein" Jacket erwerben. Ohne Mitarbeit des Kunden ware diese Moglichkeit nicht gegeben. Andere Moglichkeiten, auch ohne Internet seinen Einfluss geltend zu machen, existieren besonders bei der Produktinnovation. Hier hatten Verbraucher schon vor dem Siegeszug des Internets EingriffsmogUchkeiten, von denen sie Gebrauch gemacht haben, zum Beispiel bei Dell, die Computer zunachst telefonisch konfigurierten. Diese Entwicklungen haben geholfen, beim Kunden nie da gewesene „Buying Power" aufzubauen, die weniger in unbegrenzter Liquiditat als in den nicht mehr zu limitierenden MogUchkeiten der Mitwirkung Uegt. Es sind also nicht nur die DigitaUsierung weiter Telle der Wertschopfungsketten und der damit „demokratisierte" Zugriff auf Informationen und Wissen, die dazu fiihren, dass die Customer Energy heute explosionsartig anwachst. Denn natiirlich ist es kein Zufall, dass dies genau zu dem Zeitpunkt geschieht, an dem der Kunde auch das erforderliche, in der modernen Selbstbedienungsgesellschaft erworbene Selbstbewusstsein gewonnen und gefestigt hat. Und ebenso wenig ist es einem Zufall zu verdanken, dass die GlobaHsierung der Geschafte drauBen mit einer (wesenthch einfacher zu bewerkstelligenden) Globalisierung der Inhalte aufgrund des World Wide Web einhergeht. Es ist das Zusammentreffen von technologischer Entwicklung - in diesem Fall noch verstarkt durch die Konvergenz der Medien und Systeme -, sozio-kulturellem Wandel und Globalisierung, das den Quantensprung in der Kundenenergie und damit den Paradigmenwechsel in der RoUenverteilung Hersteller - Kunde so unwiederbringlich hervorruft. Eine A.T. Kearney-Studie kommt zu dem Schluss, dass „die Kunden machtiger geworden sind, fragmentierter, weniger vorhersehbar und noch fordernder". Damit ist die Situation treffend gekennzeichnet. Die Studienergebnisse zusammengefasst ergeben, dass Einleitung
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die Masse der Verbraucher in der westlichen Welt nicht mehr wie in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts damit beschaftigt ist, Grundbediirfnisse zu befriedigen und spater in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts Status-Symbole zu erwerben. Das Gros der Verbraucher in den entwickelten Landern ist heute materiell iibersattigt und deshalb nicht mehr auf der Suche nach traditionellen Werten. Vielmehr sucht der moderne Verbraucher nach neuen „Erfahrungen". Der zeitgenossische Konsument bewegt sich betont lustvoll und ausdauernd in markenspezifischen postmodernen Lebenswelten, die sich Uber Plattformen im Internet erschUeBen, die die „Special Interests" der Kunden besser bedienen, als es noch vor zehn Jahren mit Hilfe anderer Medien moglich war. Das inzwischen allumfassende Internet kam gerade zur rechten Zeit, dem Konsumenten dies alles zu ermoglichen.
Die Folge: Customer Energy gewinnt zunehmenden Stellenvw^ert fur Kunden und Anbieter Um das Phanomen der Kundenenergie von alien Seiten beleuchten zu konnen, ist zunachst eine genauere Definition vonnoten: Customer Energy ist nach den Erfahrungen und Untersuchungen der Autoren diejenige „Energie", die der Kunde in den Wertschopfungsprozess einbringt. Diese Energie (Arbeit mal Zeit) kann gemessen werden. Der Wirkungsgrad dieser Energie ist individuell sehr unterschiedlich. Er hangt ab von der Bereitschaft bzw. der Fahigkeit des Unternehmens oder der gesamten Branche, den Einsatz der Kundenenergie zuzulassen, von der Erfahrung des Kunden mit dem Einsatz seiner eigenen Energie in der betreffenden Wertschopfungsstufe und von der Art des Produktes oder der Dienstleistung bzw. der jeweiligen Wertschopfungsstufe. Multipliziert man den errechneten Energiewert mit dem Wirkungsoder Ergiebigkeitsgrad, resultiert daraus der vom Kunden tatsachlich geschaffene Wert beziehungsweise der Anteil an der Gesamtwertschopfung. „E mal e = V", also „Energie multipliziert mit 22
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Effizienz = vom Kunden geschaffener Wert". Da jede Wertschopfungskette aus mehr als einer Wertschopfungsstufe besteht, sind sowohl Customer Energy als auch der jeweilige Wirkungsgrad der eingesetzten Energie je nach Stufe unterschiedlich hoch. Das klingt weit komplizierter, als es ist. Um mehr iiber die Kundenenergieanteile an einem Produkt zu erfahren, sind lediglich ein paar einfache Fragen zu beantworten: > > >^ >^
Wie viel Wissen oder physische Kraft wendet der Kunde auf? Wo liegen seine Interessen? Wie viel Zeit setzt er ein? Welchen Wirkungsgrad erzielt er?
Die Antworten sind am leichtesten in Beispielen zu geben. Nehmen wir den Interessenbereich Musik und vergleichen die Kundenenergie im Bereich „Music Download" mit der, die der Kunde als Kaufer bei amazon.com fiir den legalen Erwerb von CDs mit Musik Oder Btichern iiber Musik einsetzt. Die Antworten sind unstrittig: Der Kunde - immer eine Ausstattung mit dem geeigneten Equipment vorausgesetzt - wendet nur wenig physische Kraft und auch nur vergleichsweise wenig Zeit auf, um ein seinen Interessen entsprechendes Music Download zu starten, etwa genauso viel wie daftir, ein Buch oder eine CD zu bestellen. Sicher ist, dass seine Energie trotz grundsatzUcher Zielkongruenz unterschiedHche Wirkungsgrade hat: Im Falle der Musik kann der Download legal oder illegal sein. Ist er illegal, ist der Wirkungsgrad negativ, zumindest aus Unternehmenssicht. Ist der Download legal, ist es ein immerhin wenigstens marginales Geschaft, das den Umsatz steigen lasst und dem Anbieter Kundendaten zuspielt, die er zu Angeboten etc. welter nutzen kann. Letzteres macht den Wirkungsgrad auch der Buchbestellung aus, denn hier werden ebenfalls wertvoUe Kundendaten gesammelt, die das Unternehmen nutzt, um weitere Angebote zu unterbreiten. Was dariiber hinaus noch wichtig ist, um Customer Energy zu verstehen, lasst sich mit Hilfe der Einflussfaktoren naher beleuchten, die aufgrund der Kundenenergie auf die Wertschopfung wirken und den Kunden erst in die Lage versetzen, Kraft und Zeit mit dem Wirkungsgrad einzusetzen, der letztendlich erzielt wird.
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Einflussfaktoren auf die Wertschopfung durch Kundenenergie Die Einflussfaktoren auf Unternehmen sind vielfaltig. Von ihnen hangt es ab, wie weit die neueste Entwicklung der Customer Energy in die betroffenen - und das sind nahezu alle - Industrien eingreifen wird. Entscheidender Faktor ist der Digitalisierungsgrad des Endprodukts. Beispielsweise ist ein vom Kunden selbst konfigurierter Newsletter fiir das anbietende Unternehmen nur dann ein Erfolgsprodukt, wenn das Urprodukt in unterschiedlichsten Varianten verschickt werden kann, ohne dass weiterer Arbeitsaufwand fiir das Unternehmen entsteht - wenn man einmal von der Erstellung des „Master-Newsletters" absieht. Je hoher der Digitahsierungsgrad des Produktes, also der Anteil an digitalisierter Information, desto einfacher kann der Kunde in die Wertschopfungskette eingreifen. Neben dem genannten Newsletter konnen das vollig unterschiedliche Produkte sein, denen meistens eins gemeinsam ist. Sie stammen in den allermeisten Fallen aus den Medien, der FestnetzTelekommunikation, der Mobilkommunikation, dem Home Entertainment. Aber auch die Reise-, Finanz- und Konsumgiiterbranche ist schon von Customer Energy betroffen. Andere Branchen spiiren die Kundenenergie derzeit noch eher indirekt und sei es nur iiber den Umweg der Ebay-Auktionen. Der Einfluss des Kunden iiber die Customer Energy geht meistens schon iiber die einmalige Gestaltung „seines" Produktes hinaus. Wer einmal ausprobiert hat, „wie es sich anfiihlt", als Kunde iiber das Produkt mit zu entscheiden, versucht es immer wieder, und die Hdufigkeit seines Eingreifens hat ebenfalls Einfluss auf die Gestaltung der Wertschopfung. Das wiederum ist ein weiteres Resultat der Digitalisierung. Jedes Eingreifen eines einzelnen Kunden kann vom Anbieter natiirlich in alien Einzelschritten zuriickverfolgt werden. Da ist ein einzelner Fall schon aufschlussreich, aber erst zahlreiche Aktivitaten vieler einzelner Falle, die man aufgrund ihrer Vorstellungen und Wiinsche sehr schnell „Communities" zuordnen kann, bringen die Informationen, die der Hersteller nutzen kann. So wird das Unternehmen in Entwicklung und Marketing Einleitung
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nicht nur genauestens mit den Anforderungen der „Communities" vertraut gemacht, sondern erhalt vor allem durch wiederkehrende Interaktion mit dem Kunden auch Hinweise zur weiteren Standardisierung, die die Kosten fiir das Masterangebot und damit auch fiir die kundenangepasste Losung nochmals senken. Die Diskussionen um den Microsoft Code, den Quellcode aller Anwendungen, den Microsoft fiir sich behalten mochte, um Customer Energy an den Microsoft-Systemen zu verhindern, spricht Bande: Wenn der Quellcode breiteren Kreisen bekannt wiirde, waren die Produkte von Microsoft in Gefahr, perfekt kopiert oder unkontrollierbar modifiziert zu werden. Bill Gates zeigt sich hier bis heute wenig humorvoU. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor auf die Wertschopfungsleistung des Kunden ist auch die Hdufigkeit seiner Beteiligung an einer bestimmten Wertschopfungsstufe. Je ofter ein Teil der Wertschopfung durch einen Kunden wahrgenommen wird, desto eher wird dieser Kunde ein Interesse daran haben bzw. desto einfacher wird es fiir ihn sein, sich breiteres Wissen als Basis seiner Teilnahme an der Wertschopfung anzueignen. Dabei spielt die Verfiigbarkeit des relevanten Wissen natiirlich eine entscheidende RoUe. Es muss um so umfassender sein, je differenzierter das Produkt oder die Wertschopfungsstufe ist, in der der Kunde aktiv werden will. Wenn es sich um ein Massenprodukt handelt, ist dieses Wissen eher verfiigbar, bzw. es ist wenig Wissen erforderlich, weil in einem Massengut aufgrund der Standardisierung ohnehin nur noch wenig Wertschopfung steckt. Aus demselben Grund konnen bei solchen Produkten nur marginale Wertschopfungsstufen vom Kunden (z. B. Farbauswahl oder Wahl der PackungsgroBe im Zuge einer Bestellung) selbst wahrgenommen werden. Entsprechend gilt: Je hoher der Wert des Produktes, desto hoher ist tendenziell auch der Wert, den der Kunde durch den Einsatz seiner Energie und die Haufigkeit seiner Beteiligung realisieren kann. Ein Punkt, an dem der Kunde zunachst wenig Einfluss hat, der aber auch im Kontext Kundenenergie durchaus stark beeinflussen kann, ist der Regulierungsgrad der Industrie, von der das Produkt angeboten wird. Stark regulierte Industrien ermoglichen es dem Kunden in der Regel nicht, am Produkt mitzuarbeiten. Das beste Beispiel 26
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ist hier die Energieversorgungsbranche: Vor der Deregulierung waren Produktumfang, Preise und Lieferbedingungen in Stein gemeiBelt und die Unternehmen waren alles andere als marktwirtschaftlich orientiert. Nach der Liberalisierung der Strommarkte und mit Hilfe der sich gleichzeitig entwickelnden Moglichkeiten zur Digitalisierung zumindest der Servicebereiche konnten sich die Kunden im entstandenen Wettbewerbsumfeld den billigsten Anbieter aussuchen und die ftir sie gunstigste Tarifkombination wahlen. Auch die Selbstverwaltung des eigenen Kontos mit SelbstAblesen des Stromzahlers gegen Riickerstattung eines geringen Betrages wurde nun moglich. Da elektrischer Strom aber trotz aller Bemiihungen um eine Anreicherung und Individualisierung des Produktes durch Services und eine Commodity geblieben ist, sind die Effekte der Customer Energy weder fur die eine noch ftir die andere Seite wirklich signifikant. Wenn z. B. die Augsburger RWE-Tochter Lechwerke ihren Kunden ftir ihre Energie beim Ablesen des Stromzahlers sechs Euro im Jahr erstattet, so ist diese bescheidene Summe weder fur den Kunden noch ftir den Energieversorger wirkHch wichtig. Konnen groBere Summen eingespart werden, wird das Interesse der Kunden in deregulierten Industrien automatisch groBer werden. Auch das Kunden-Segment oder besser seine digitale Weiterentwicklung, die „Community", um die es geht, iibt Einfluss auf die KundenbeteiHgung an der Wertschopfung aus. Wahrend engagierte und geldknappe Teenager sehr friih beginnen, an den Produkten mitzuwirken, die sie sich zu gerne auf mogUchst gUnstigen Wegen besorgen, wird ein mit dem Internet nicht sehr vertrauter 70-jahriger Rentner weniger Energie aufwenden, um sein Produkt zu gestalten. Es gibt „Communities", die z, B. im Musikbereich mit erhebhcher Aggressivitat zu Werke gehen und ganze Musikkonzerne aus den Angeln heben. Uber illegale Downloads, die die Musikindustrie in den vergangenen Jahren unter erheblichen Druck gesetzt haben, wird in erster Linie im Bereich der Popmusik berichtet von Rap bis Jazz, von R&B bis Country-Rock - weniger in den Musikbereichen, die eher seniore Zuhorer faszinieren. Inzwischen sind aber auch, z. B. iiber Classic Cat, legale Downloads der von alteren Jahrgangen bevorzugten klassische Musik aller erdenkli-
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^ E-Mail ermoglicht es, unkomplizierter zu kommunizieren als per Telefon, weil der Kontakt zeitlich entkoppelt ist. AuBerdem ist gleichzeitig die Kommunikation mit vielen Teilnehmern moglich. E-Mail hat zu Lasten der Postgesellschaften, aber zum gro6en Vorteil von Privat- und Geschaftskunden den Briefverkehr nahezu abgelost. Und manches Telefonat, mit dem der Kunde etwas mitteilen mochte, findet nicht mehr statt, weil er keine Energie fiir ein langeres Gesprach aufwenden mochte und deshalb dem potenziellen Gesprachspartner einfach eine Mail schickt. > Chat - hier wendet der Kunde eine unglaubliche Energie auf, er muss sich mit dem Keyboard beschaftigen, und die Kommunikation ist auch dariiber hinaus sehr aufwendig. Aber viele Kunden nehmen das gerne auf sich, denn auf diese Weise konnen sie sich als Teil einer Community fuhlen, in der sie gefahrlos und anonym neue Leute kennen lernen konnen. Zu diesem Zweck stecken sie als Mittel gegen Vereinsamung eine Menge Energie in diese Art der neuen Kommunikation. >' VoIP kam tiber Jahre nicht zum Zuge, weil die Hiirde fiir die Internet-Telefonie zu hoch war. Die zunachst sehr komplizierte Anwendung blieb so lange ein Thema unter Freaks, bis die weitere Verbreitung von Breitbandanschliissen alles einfacher gemacht hat. Mit Hilfe eines Downloads von Skype und einer kurzen E-Mail konnen Kunden heute weltweit kostenlos miteinander telefonieren. Die aufgewendete Energie ist inzwischen relativ gering, deswegen wurde Skype tiber 218 Millionen Mai herunter geladen. Jetzt muss Skype oder ein adaquater Anbieter nur noch einen brauchbaren Directory-Service ins Leben rufen oder es wird mit der Einftihrung von IPv6 jedem Kunden eine eindeutige IP-Adresse zugeordnet, damit er weniger Zeit damit verbringen muss, die IP-Adresse des potenziellen Telefongesprachspartners herauszufinden. Sobald das moglich ist, konnte Skype oder ein anderer geschickt agierender Anbieter den Durchbruch schaffen und die herkommliche Festnetz-Telefonie deklassieren. Derzeit ist es so, dass die Einsparungen ftir Internationale Anrufe ftir bestimmte energiegeladene
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Kunden alle noch vorhandenen Mankos ausgleichen. Nachdem Siemens und andere Anbieter bereits Festnetztelefone mit Skype Client auf den Markt bringen, sinkt der erforderliche Energieeinsatz der Kunden zunehmend. Mit den ersten Erfolgen steigen viele alternative Spieler in das VoIP-Geschaft ein. Ihr primares Ziel ist es, ihren Breitbandanschluss attraktiver zu machen, nicht notwendigerweise an der Sprachtelefonie zu verdienen. So gibt es bereits heute Angebote einen Breitbandanschluss zu beziehen und ein Jahr kostenlos in Festnetz telefonieren zu konnen. Erforderlich sind nur eine Settop-Box und das Umstecken des Telefons sowie ein Antrag auf Rufnummernportierung. Das ist ein geringer Energieaufwand, der jedoch schnell viel Geld spart. Da die Altanbieter diesen Trend, fiir den ihre Leitungen genutzt werden, nicht verhindern konnen, zieht die Kundenenergie die Margen aus dem Geschaft. Die etablierten Festnetzanbieter konnen nur mitziehen - zum einen fliehen sie in Flatrate-Angebote, zum anderen bieten sie selbst VoIP an. Fiir die etablierten Anbieter heiBt daher die Losung im Festnetz Triple Play, die Kombination von Sprache, Internet und TV Broadcast und on Demand - um den Mehrwert des Anschlusses fiir sich zu sichern. Die Kunden nutzten in ihren Peer-to-Peer-Netzwerken schon lange das breitbandige Internet als EntertainmentPlattform. Sie wenden viel Energie auf, um sich quasi „on-demand" Filme tiber Tauschborsen illegal aus dem Internet zu holen, sich Trailer und Fernsehsendungen tiber Shift-TV-Anbieter im Internet zu besorgen oder sich selbst tiber PVR zu Hause ihr Programm zusammenzuschneiden. Die Anbieter versuchen dieses nun zu biindeln und durch den Convenience-Vorteil (Einsparung von Kundenenergie) und die Legalitat, die Kunden zum Zahlen zu bewegen. Gemeint sind nicht nur die Kunden, die bisher ihre Energie schon einsetzten, sondern auch die, die diese Moglichkeiten noch nicht ausgeschopft haben. Ob dieses gelingt, oder ob die Festnetzanbieter - z. B. Incumbents, alternative Spieler oder CaTV-Anbieter - zu reinen Bitpipe-Utilities werden, die nur die Inhalte anderer Anbieter transportieren anstatt sie zu aggregieren, bleibt abzuwarten. Mit steigender Band-
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breite erwachsen den Kunden jedoch immer mehr Moglichkeiten, ihrer Energie freien Lauf zu lassen. Sie sind deshalb nicht auf einen Aggregator angewiesen. Bei Sprache ist das heute schon fast der Fall, bei TV wird es noch ein wenig dauern, da die Bandbreite noch nicht so umfangreich ist, dass mehrere HDTV-Strome gleichzeitig laufen konnen und der Kunde im Endeffekt ein klares Bild bekommt. Doch der Weg ist nicht mehr weit. Um dem drohenden Bitpipe-Szenario zu entkommen, ist es fiir die heutigen Telekommunikationsanbieter wichtig, im Kundenprozess und in der Dienstebereitstellung gewisse zentrale Funktionen zu besetzen, um die Kundenenergie an sich zu binden und den Kunden nicht an andere Anbieter zu verlieren. Bis jetzt sind die Incumbents noch die Anbieter, die die Kunden am besten kennen - insbesondere dann, wenn sie neben dem Festnetz auch den Mobilfunk im Portfolio haben. Uber die Zeit konnen Dienste als zentrale Funktionen aufgebaut werden, die wichtige Kundeninformationen und Funktionalitaten bundeln: z. B. die Authentifizierung eines Kunden, die Feststellung, auf welchen Medien er derzeit erreichbar ist (Presence), und die Speicherung seiner personlichen Informationen (Kontakte, Kalender,...), die Verwaltung seiner Rechte (Digital Rights Management) etc. Diese Informationen und Funktionalitaten mochte ein Kunde nur einmal speichern oder nutzen, und die Altanbieter sind pradestiniert, hier die entsprechenden zentralen Funktionen aufzubauen. Sie besitzen die Kundenbeziehung, haben bereits viele der notwendigen Informationen und, was am wichtigsten ist, sie haben haufig auch das Vertrauen der Kunden, so dass diese ihnen sensible Informationen auch iiberlassen. Auch branchenfremde Spieler wie Microsoft versuchen, mit dem Passport-Service die zentralen Funktionen zu besetzen. Das gleiche gilt fiir Spieler wie AOL, Google, Yahoo!, die mit E-Mail, IM und VoIP fiir den Kunden wichtige Kommunikationsdienste besetzen und diese im Zweifel noch mit Mobilfunk erweitern. Diese Anbieter haben gute Karten, sich mit dem Kunden im Zentrum zu positionieren. Wer diese zentralen Funktionen fiir die Kunden bedient, der hat zumindest eine gewisse Kontrolle iiber den Kunden, weil er in viele der Transaktionen des Kunden involviert ist. Wenn man diese Position erreicht, diirfte sie sich zumindest zeitweise als Telekommunikation
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sehr komfortabel erweisen. Mehr dariiber wird im Kapitel „Consumer-Equipment" ausgeftihrt.
Mobilfunk Der Mobilfunk ist noch weit weniger von den negativen Auswiichsen der Kundenenergie bedroht als das Festnetz. Das hangt damit zusammen, dass dieser Bereich viel jiinger ist und entsprechend noch weniger reguliert. Deshalb haben die Anbieter nocli mehr KontroUe iiber den Kunden. Auf der anderen Seite setzt die Technologie der Kundenenergie im Mobilfunk immer noch Grenzen. Die Breitbandigkeit, und damit die Moghchkeit, digitaUsierte Inhalte zu iibertragen, ist noch begrenzt. Zunachst einmal zeigt die Kundenenergie bisher im Mobilfunk ihr positives Gesicht und brachte den Anbietern mit hohen Umsatzen nur Freude. Bei Licht betrachtet ist ein Mobilfunkunternehmen bisher ein Zweiproduktunternehmen mit Sprachkommunikation und Messaging. Dabei hat die Industrie zunachst nur mit dem ersten Produktbereich gerechnet, wahrend der zweite erst durch den Einsatz von Kundenenergie entstanden ist. Der SMS-Dienst war zunachst als Abfallprodukt spezifiziert und wurde den Kunden zwar halbherzig angeboten, aber nicht systematisch vermarktet. Trotzdem entdeckten die Kunden bereits Mitte der 90er Jahre dieses Feature, und seine Nutzung kam immer mehr in Mode, insbesondere unter den Jugendlichen. SMS erwies sich als kostengiinstige Art der Kommunikation bei den damals noch sehr hohen Minutenpreisen fiir Sprachkommunikation. Danach war der Siegeszug der SMS nicht aufzuhalten. Heute machen SMS und alle verbundenen Produkte (MMS, Premium SMS, SMS Chat etc.) uber 15 Prozent des Umsatzes der Mobilfunkanbieter aus und tragen ein Vielfaches zur EBITDA-Marge bei. Allein von 12- bis 19-jahrigen Westeuropaern werden tagtaglich vier SMS verschickt, im Durchschnitt der Bevolkerung waren es drei Textmessages. Kein Operator hatte dieses Phanomen der Kundenenergie auch nur entfernt erwartet. Mit dem Thema SMS verbunden ist ein weiterer Produktbereich: Die Klingeltone oder Ringtones, Logos, Wallpapers, Clips etc. wer42
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den angeboten, um das Handy zu individualisieren. Das Mobilfunktelefon hat es auf diese Weise geschafft, die Personlichkeit des Kunden mehr als viele andere Produkte zum Ausdruck zu bringen. In einer Gesellschaft mit zunehmender Uniformitat setzt der Kunde viel Energie ein, um sich und seiner Personlichkeit Geltung zu verleihen. Ringtones, Logos etc. bieten ihm diese MogHchkeit. Daraus ist eine Industrie entstanden, die allein in Deutschland 2004 360 Milhonen Umsatz gemacht hat. Gleichzeitig Uegt hier einer der Rettungsanker fur die angeschlagene Musikindustrie (siehe Kapitel „Medien"). Doch auch die Mobilfunkanbieter und neue Anbieter wie Jamba oder Zed profitieren kraftig von KHngeltonen und Co. Die Kunden gehen sogar mit ihrem Energieeinsatz so weit, dass sie selbst KUngeltone komponieren und anderen gegen Entgelt zur Verftigung stellen. Die Mobilfunkunternehmen sind gut beraten, zu versuchen, die Kundenenergie in diesen Bereichen zu fordern und sich die energiereichen Kunden geneigt zu halten. Derzeit geschieht das insbesondere durch die Subvention von Handsets mit immer neuen Features - bisher jedoch nur mit geringem Erfolg. Ein gutes Beispiel ist die Subvention von Kamera-Handsets mit MMS-Funktionahtat, die 2005 eine Penetration von 41 Prozent in Westeuropa und iiber 85 Prozent in Japan erreicht haben. Die Idee dahinter war, mit MMS an das Erfolgsbeispiel SMS anzukniipfen. Der Erfolg bUeb bisher jedoch aus. Zwar nutzen die Kunden die Kamera haufig, doch der Versand von MMS steckt noch in den Kinderschuhen. Stattdessen iibertragen die Kunden die Fotografien per Infrarot oder Kabel auf ihren Rechner. Warum? Die Kundenenergie zum PC-Transfer der Bilder rechnet sich angesichts der als hoch wahrgenommenen Kosten fiir einen MMS-Versand - und hat der Kunde erst einmal mit hohem Einsatz an Kundenenergie erlernt, wie er die Bilder transferieren kann, lasst er sich trotz der zuletzt massiven Preissenkungen fiir MMS nicht davon abbringen. Hier hat sich die Mobilfunkindustrie mit der Preisabschopfungsstrategie ein klares Eigentor geschossen. Zusatzlich zum als hoch wahrgenommenen Preis haben viele Kunden schlechte Erfahrungen mit der Nutzung von MMS gemacht. Entweder waren die Konfigurationen des Handys nicht in Ordnung, oder die MMS, die geTelekommunikation
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sendet wurden, konnten beim Empfanger nicht auf dem Handy gezeigt werden, sondern waren aufgrund fehlender Kompatibilitat nur im Internet abrufbar. Die Konfiguration der Handys und das Abholen im Internet erfordern vergleichsweise viel zu viel Kundenenergie und auch finanziellen Einsatz. Ahnliches gilt ftir mobile Portale. Auch hier wurden Unmengen in den Aufbau der Portale, in das Design der Kunden-Interfaces und die Werbung gesteckt. Vodafone Live! ist das beste Beispiel. Doch die Nutzung der Portale und der damit verbundene Datenboom im Privatkundensegment blieben weit hinter den Erwartungen zuriick. Warum? Zum einen hatten die Kunden bereits eine negative Erfahrung mit WAP hinter sich und fragten sich, warum sie nochmals Energie einsetzen soUten, sich mit dem Thema zu beschaftigen. Die Versprechungen eines mobilen Internets, die von der Werbung kolportiert wurden, konnten durch WAP mit der meniigefiihrten Oberflache, den beschrankten Inhalten und der langsamen Ubertragungsgeschwindigkeit nicht erfUllt werden. Zum anderen hatten die Kunden, die es doch ausprobierten, das Gefiihl, mit den stark gebrandeten User Interfaces (UI) zu sehr eingeschrankt zu sein. Zwar optimierten die Operatoren die UI, doch stellten sie ihre kostenpflichtigen Dienste in den Vordergrund. Der Kunde versteht dieses als „ Abzocke" und muss seine Kundenenergie einsetzen, um Kosten zu vermeiden und raus ins „wirkliche Internet" zu kommen. Zwei Argumente, die aus Sicht des Kunden gegen mobile Portale sprechen. So fiihrt die Subvention der Handys haufig nicht zu der gewtinschten Penetration mit neuen Diensten. DafUr entsteht aber haufig einer Kundenbindung, ist doch der Wunsch nach einem neuen Endgerat bei vielen der Trigger, sich nach einem neuen Mobilfunkanbieter umzusehen. Auf seinen Vorteil bedacht, setzt der Kunde gerade hier viel Energie ein und nutzt die Subventionspolitik der Mobilfunkunternehmen im Kampf um die nicht vertragsgebundenen Kunden aus. Nicht wenige Kunden schlieBen Vertrage ab, nutzen die Vertrage aber nie, sondern verkaufen die aufwandigen Handsets spater bei Ebay. Bei subventionierten Handsets wie dem Motorola RAZR mit einem Endkundenpreis von einem oder gar null Euro, einem Ladenpreis von mehr als 600 Euro und Grundge44
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biihren von in Summe ab ca. 400 Euro ergibt sich eine Arbitrage von 200 Euro, die negative Kundenenergie junger Kunden massiv anzieht. Nach diesen Fehlschlagen in der Vergangenheit zeigt sich bereits neues Unheil am Horizont, denn auch im Mobilfunk wird es durch die Breitbandigkeit zu Umwalzungen kommen. Mit UMTS und spater mit HSDPA stehen dem Kunden Bandbreiten von mehreren hundert kbit/s bis zu mehreren Mbit/s zur Verfugung. Das eroffnet neue Moglichkeiten fiir die Kundenenergie. Der bisherige Margentrager SMS wird inzwischen signifikant durch E-Mail und Instant Messaging (IM) bedroht. Sowohl E-Mail als auch IM werden nach Datenvolumen abgerechnet, wahrend SMS noch pro Stiick mit 15 bis 20 Cent abgerechnet werden, was ein unglaublich hoher Preis ist und iiber 1000 Euro pro MByte bedeutet. Bisher sind die Versuche, das SMS-Geschaft zu schtitzen, gegltickt, doch bereits beim MMS-Geschaft hat die Kundenenergie zugeschlagen, und die Kunden schicken ihre Bilder - wenn iiberhaupt lieber gleich per E-Mail als per MMS. Das ist billiger. Auch der Margentrager Sprache wird unter Druck geraten. Mit ausreichender Bandbreite ist auch mobile Telefonie mit VoIP moglich. Schon 100 kbit/s reichen aus, und mit UMTS-Flatrate-Angeboten ist auch von der Preisseite jede Moglichkeit zur Substitution durch VoIP gegeben. Technisch scheitern die mobilen VoIP-Angebote derzeit noch an den Verzogerungen der Dateniibertragung im Netz, die die Sprachqualitat stark einschranken. Mit HSDPA (High Speed Downlink Packet Access), das von den Mobilfunkunternehmen ab 2006 im Einsatz ist und weit hohere Bandbreiten und geringere Verzogerungen liefert, soUten diese technischen Probleme behoben sein. Vorsorglich haben schon einmal alle Mobilfunkanbieter einen entsprechenden Passus, der VoIP verbietet, in ihre AUgemeinen Geschaftsbedingungen aufgenommen und entsprechende technische Vorkehrungen getroffen, um gezielt Verzogerung in ihr Netz einzubauen. Sie woUen nicht das Gleiche erleben wie die Festnetzanbieter. Letztlich kommen auch immer mehr alternative Technologien, z. B. WLAN, auf den Markt, die findige Kunden nutzen konnen, um bilTelekommunikation
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liger zu telefonieren. Bereits heute lauft auf PDAs Skype tiber WLAN, doch es erfordert einiges Geschick, diese Funktion zu nutzen. Cisco hat jedoch bereits ein erstes WLAN-VoIP-Telefon fiir den Geschaftskundenbereich herausgebracht, und auch die Festnetzanbieter nutzen WLAN in ihren Dual-Phone-Angeboten, um den Kunden anbieten zu konnen, vom Handy abgehende Mobilfunkanrufe, wenn moglich, auf einen Festnetzanschluss umzuleiten. Sie ermoglichen ihren Kunden Kosteneinsparungen, fiir die diese weniger Energie einsetzen mtissen als vorher, wo sie mit mehreren kompliziert konfigurierten Endgeraten hatten umgehen mtissen, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Derzeit hoffen die Mobilfunkanbieter, dass Mobile TV fiir sie einen neuen Durchbruch bringt. Ahnhch wie im Festnetz soil ein Mobile Triple Play entstehen, das allerdings erst in den ersten positiven Ansatzen in Siidkorea mit iiber 170.000 Nutzern und fast zwei Stunden taglicher Nutzung pro Teilnehmer zu finden ist. In Deutschland wurden 2004 erste erfolgreiche Trials in Berlin durch das BMCo (Broadband Mobile Convergence) zusammen mit Vodafone, T-Systems, Universal, Nokia und Philips auf Basis von DVB-H durchgefiihrt. Durch die Ausschreibung von Lizenzen werden derzeit die Weichen gestellt fiir Mobile TV Broadcast in Deutschland. Nachdem Vodafone bereits erfolgreich erste MobileTV-Angebote iiber UMTS unter Vodafone Live! auf den Markt gebracht hat, ist fraglich, ob nun bei Mobile TV letztlich die Mobilfunker die Oberhand bekommen und eine neue Umsatzquelle erschlieBen oder ob die Programmanbieter iiber Mobile TV Broadcast die Nase vorne haben werden. Trotz einiger positiver Beispiele, in denen die Kundenenergie den Telekommunikationsunternehmen neue Umsatzquellen erschlossen hat, scheint die Kundenenergie in der Dienste-Nutzung eher negativ auf die Telekommunikationsunternehmen zu wirken. Das ist aber nicht Schuld der Kunden, denn die woUen nur die Dienste zu moglichst geringen Kosten nutzen, und sie setzen dafiir die Moglichkeiten der Technologic ein. Vielmehr sind es der technologische Fortschritt, die Regulierung und der Wettbewerb, die immer neue Moglichkeiten fiir den Einsatz von Kundenenergie eroffnen.
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Die Unternehmen mtissen sich diesen Veranderungen in der Technologic- und Wettbewerbslandschaft stellen. Bisherige Strukturen und Denkmuster mussen aufgcbrochen werden, um im Wettbewerb weiter bestehen zu konnen. Die Industrie wird in vielen Aspekten reifer, und somit muss sich der Fokus deudich mehr vom Thema „Wachstum" auf das Thema „Kostenreduktion" konzentrieren. Auch wenn die Kostenreduktion seit Jahren bereits ein Thema ist, wird sic in Zukunft ein Thema bleiben. Im Zuge der konstanten Angriffe auf die Margen werden nur noch die schlanken Unternehmen mit effizienten Strukturen und entsprechenden Skaieneffekten iiberleben. Nicht zuletzt die auch im vierten Jahr rege BeteiHgung von iiber 60 fuhrenden Mobilfunkanbietern am European Cost Benchmarking der Unternehmensberatung A.T. Kearney zeigt, welch hohen Stellenwert die Kostenseite inzwischen bekommen hat. Gerade fiir die etablierten Spieler - egal ob im Festnetz oder im Mobilfunk - ist der Wandel eine groBe Herausforderung, vor allem, weil sie schnell handeln mtissen, denn die Angreifer - unterstiitzt durch die Folgen der Regulierung - sind schlank und schnell.
Kundenenergie entlang der Wertschopfungskette Bei der Neuausrichtung der Telekommunikationsunternehmen ob Festnetz- oder Mobilfunk - wird der Kunde nicht nur schaden, sondern er kann mit seiner Energie durchaus hilfreich sein. Viele Moglichkeiten, den Kunden in die Wertschopfung einzubauen, existieren bereits, und neue werden hinzukommen. Damit konnen nicht nur die Kunden, sondern auch die Unternehmen Kosten sparen, und sie erhalten die Gelegenheit, auch die Wertschopfung starker kundenorientiert aufzubauen. Produktentwicklung In die Produktentwicklung haben die Anbieter von Telekommunikation ihre Kunden bisher nur wenig eingebunden. Stattdessen zerTelekommunikation
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brechen sich groBe Marketingabteilungen den Kopf, wie sie fiir die Kunden die richtige Pakete anbieten konnen. Weil die Marketingabteilung nun aber nie so nah am Kunden sein kann wie die Kunden selbst, enden solche Unterfangen haufig in Losungen, die den Kunden verwirren und die er deshalb schlecht annimmt. Zum Teil werden heute Tarif-Finder eingesetzt, damit der Kunde bei der Vielfalt der Tarife nicht den Uberblick verliert. Das gilt fiir den Mobilfunk, aber auch zunehmend fiir das Thema Triple Play. AUein in Hamburg kampfen vier Anbieter von Triple-PlayLosungen um den Markt. Kein Kunde kann bei der hier entstehenden Komplexitat noch den Uberblick behalten. Doch fragt man den Kunden direkt, was er haben will, so weiB er das selbst nicht so genau. Er kann sich nicht vorstellen, was er gebrauchen konnte und was die Technik hergibt. Wie soUte auch ein Kunde verstehen, was er mit einer 100 Mbit/s-Glasfaser Leitung anfangen kann - auBer schneller zu surfen. Dass sich hier Moglichkeiten ergeben fiir Video-on-Demand (VoD), Videotelefonie, ShiftTV etc., darauf kommt er nicht von alleine. Viele Unternehmen setzen daher Trendscouts, Fokusgruppen und User Labs ein, um den Kunden besser zu verstehen und Produkte zu testen. Sicherlich ein guter Weg, doch es geht auch einfacher: Man muss dem Kunden nur Freiraum geben und ihn bei der Nutzung beobachten, um zu erkennen, wohin er seine Energie richtet. Erkennt man einen neuen Trend, so muss man ihn unterstiitzen und mit dem Kunden gemeinsam erschlieBen. Bei den mobilen Portalen lasst man der Kundenenergie bereits viel mehr freien Lauf. Der Erfolg von i-mode basierte ab dem ersten Tag auf der Kundenenergie der Teilnehmer und hat NTT DoCoMo iiber 45 Millionen i-mode Kunden beschert. Anstelle die RoUe des Portalbetreibers zu iibernehmen, der die Inhalte fiir die Kunden strukturiert und aufbereitet, betreibt NTT DoCoMo eine meniigetriebene Plattform, auf der Nutzer ihre Inhalte anbieten. Die Reihenfolge in den Mentis wird nicht von DoCoMo bestimmt, sondern sie entspricht dem Kundenzuspruch fiir einzelne Dienste. Haufig genutzte Dienste finden sich weiter oben als andere - hier kommt die Kundenenergie ganz subtil zum Tragen. Einige europaische An-
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bieter, wie Vodafone und T-Mobile, haben diesem Modell abgeschworen und mit Vodafone Live! und den T-Zones eigene abgeschlossene mobile Portale geschaffen, die mit groBem Aufwand gepflegt werden. Erst nach drei Jahren hat T-Mobile das Ende dieses Experiments eingeleitet und der Kundenenergie freien Lauf gelassen. Anstatt hohen Aufwand fiir die Pflege des Portals zu treiben und den Kunden die Inhalte mit maBigem Erfolg aufzuzwingen, hat T-Mobile mit Web'n'Walk das Mobile Internet geoffnet. Mit der Suchmaschine Google auf der Startseite hebt T-Mobile die Grenze zwischen Internet und Mobilem Internet auf und lasst dem Kunden freie Bahn zur Entfaltung seiner Energie - mit durchschlagendem Erfolg. Dartiber hinaus wurde der Kunde bisher nicht stark in die Produktentwicklung eingebunden - erste Versuche gab es beim Thema Cell Broadcasting, wo Kunden selbst Broadcast-Kanale fiir Inhalte iiber Mobilfunk aufsetzen konnten. Zwar nutzt seitdem eine kleine, aber feine Gemeinschaft diese Kanale, doch wirklich erfolgreich ist das Modell nicht. Dennoch sollte man den Kunden hier nicht unterschatzen - er selbst kann zum Produktentwickler werden, indem er seine Inhalte bereitstellt - ob selbst komponierte Klingeltone, Logos, Videos etc. bis hin zu eigenen TV-Programmen auf Triple Play. Wie im Kapitel „Medien" dargelegt wird, sind dem Kunden dort keine Grenzen gesetzt. Doch auch in der klassischen Produktentwicklung - der Tarifierung - kann die Kundenenergie besser genutzt werden. Die meisten Kunden steigen heute durch den Tarifdschungel nicht mehr durch. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Erfolg der No-frillsAnbieter auf die Frustration der Kunden iiber die Tarifvielfalt und deren Verlangen nach einfachen, preiswerten Angeboten zuriickzufiihren ist. Es stellt sich die Frage, ob Kunden nicht ihre Tarife nach ihren Bediirfnissen selbst zusammenstellen sollten. Es gabe ein paar Grundkonfigurationen und zu- und wegbuchbare Optionen basierend auf einem einfachen Basis-Tarifsystem. Damit wiirde die Kundenenergie wirklich in die Produktentwicklung einbezogen, weit mehr als es durch User Groups, In-field-Kundenbeobachtungen, Focus Groups und Conjoint-Analysen moglich ware. Telekommunikation
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Doch auch wenn das sehr verntinftig klingt, konnte es ein langer Weg werden, well auch die Marketingexperten dieser Vorgehensweise nicht sehr aufgeschlossen gegentiber stehen diirften. Marketing Im Marketing der groBen Telekommunikationsunternehmen steht zunehmend die Ausrichtung auf spezifische Segmente im Vordergrund, um noch bestehende Nischenmarkte zu erschUeBen. Dabei geht es zum einem um die Ansprache des Individuums und die Maximierung des Share of Wallet pro Individuum, zum anderen bemiihen sich die Anbieter zunehmend um die Communities. Damit wird der Share of Community zum treibenden Faktor. Die Preise fiir On-net-Calls bei Mobilfunk und VoIP-Angeboten liegen wegen der geringen variablen Kosten sehr niedrig und schon bei einigen Angeboten bei null Cent. Hier geht es darum, die Energie der Kunden geschickt zu nutzen, damit sie ihre Community davon tiberzeugen, zum gleichen Provider zu wechseln oder diesen als Community nicht zu verlassen. Mancher No-frills-Anbieter, wie tele.ring, hat dieses verstanden und gleich die Off-net-Tarife in andere Mobilfunknetze auf das Level der On-net-Tarife in den anderen Netzen gesenkt, um die Vorteile der Incumbents auszuhebeln. Damit steht die Branche am Beginn einer Preisspirale. Mit Hilfe der Tarifsysteme nutzen einige Anbieter die Kundenenergie zur Kundenwerbung. Beispielsweise der Family-Tarif von Sunrise in der Schweiz, der die Familienmitglieder in einer Gruppe zusammenfasst, nutzt die Energie des Familienoberhaupts, um die FamiUe unter einem Provider zusammenzufiihren. Die Churn-Raten dieses Tarifs sind entsprechend niedrig. AhnUche MarketingEffekte lassen sich in anderen Communities erzeugen, z. B. auch in ethnischen Gruppen, Vereinen etc. Konzepte des viralen Marketings sind im Telekommunikationsumfeld bisher noch wenig zu finden, doch auch hier gibt es ein paar Ansatzpunkte wie Find-a-friend-Programme oder die die Partner Card, doch hier kann weitaus mehr gemacht werden, wenn man andere Industrien betrachtet. 50
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Produktion
Die eigentliche Produktion in der Telekommunikation ist der Netzbetrieb, wenn man von der Bereitstellung von Inhalten einmal absieht - dieses Thema wird im Kapitel „Medien" besprochen. Der Netzwerkbetrieb per se bietet wenig Ansatzmoglichkeiten fiir Kundenenergie, denn der Kunde ist in der Kegel nicht involviert und wird es auf absehbare Zeit auch nicht sein. Der Kunde kann heute zwischen den Produktionsplattformen entscheiden, wenn mehrere zur Verfiigung stehen. Entweder er nutzt UMTS Oder WLAN, um Daten mobil zu Ubertragen, oder er nutzt sogar VoIP liber WLAN, um GSM zu ersetzen. Letzteres wird durch Dualphone-Angebote von Festnetzanbietern wie BT (BT Fusion) unterstiitzt. Hier kommt Kundenenergie produktionsnah zum Tragen, wenn auch nicht in der eigentUchen Produktion. Es gibt jedoch bereits verschiedene Ansatze, den Kunden auch in die Produktion von Telekommunikation selbst einzubinden. So gibt es in einigen Stadten der Welt (z. B. Sydney) Initiativen, private WLAN-Netze zusammenzuschalten, um daraus ein flachendeckendes WLAN-Netz zu bauen. Die Privatkunden ermoglichen es so anderen Privatkunden, ihren WLAN-Hot-Spot zu nutzen. Entweder sie tun dies wechselseitig oder es gibt sogar einen Abrechnungsmechanismus. Hier beruht die Produktion rein auf den privaten WLAN-Spots, die durch Kundenenergie vereinigt werden. In Deutschland und anderen europaischen Landern will der spanische Start-up FON nach einem Investment durch Google und Ebay/ Skype dieses Konzept kommerzialisieren. Doch auch die Telekommunikationsanbieter haben diese Idee schon aufgegriffen, und es sind bereits Ansatze in der Diskussion, wie private/nicht offentliche Hot-Spots z. B. innerhalb von Unternehmen in offentliche umgewandelt und Dritten angeboten werden konnen Wenn das gelingt, hat private Initiative ein Netz geschaffen. Dieses Vorgehen ahnelt der privaten Stromproduktion von Eigenheimbesitzern, die z. B. iiber Solaranlagen Strom produzieren und den Uberschussstrom in das offentliche Stromnetz einspeisen. Es kommt zu einer Fragmentierung der Produktion, die effizient die vorhandenen Ressourcen ausnutzt, aber in der Netzsteuerung ihre Herausforde-
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rungen findet. Erste Ansatze fiir eine solche private Netzwerkbildung, die kommerziell genutzt wird, sind zu beobachten. So ist zum Beispiel die Bereitstellung von Floating Car Data iiber den Verkehrsfluss durch einzelne Verkehrsteilnehmer, die an eine Zentrale gemeldet werden, eine effiziente Methode, aus einer Vielzahl einzeln produzierter Informationen sehr akkurate Verkehrsberichte zu erstellen. Zuklinftige Generationen von Mobiifunknetzwerken sollen die Kunden noch starker einbinden - das Stichwort heiBt Meshed Networks. Die Idee dabei ist, dass jeder Empfanger auch ein Sender ist und dass sich damit bei entsprechender Nutzerdichte ein sich selbst organisierendes Netzwerk bildet. Wer sich einem solchen Netzwerk hinzuschaltet, bringt seine Kundenenergie ein. Wahrend diese Netzwerke im P2P-Datenaustausch bereits funktionieren - etwa bei den unzahligen Musik-Tauschborsen, z. B. Kazaa -, wird dieses bei der Produktion im Telekommunikationsbereich jedoch noch einige Zeit dauern. Im IT-Bereich hat sich mit Grid-Computing bereits ein solches Meshed Network etabUert. Dort geht es zwar nicht um die Weiterleitung, sondern um die Verarbeitung von Daten, doch das Prinzip ist das gleiche. So stellen Kunden die freien Kapazitaten ihres Heim-Rechners zur VerfUgung, um die Organisation SETI (Search of Extra Terrestrial InteUigence) dabei zu unterstiitzen, eine Unmenge an Daten nach Zeichen von intelligentem Leben zu durchsuchen. Doch auch Unternehmen nutzen zunehmend die nachts brachhegende Kapazitat der Arbeitsrechner in ihren Unternehmen, um groBere Arbeitsauftrage durchzufiihren. In den kommenden Jahren wird jedoch die Produktion noch weitgehend frei von Kundenenergie bleiben, denn die QuaUtat kann meistens nur organisiert bereitgestellt werden - insbesondere in einer Zeit, wo die Nutzung der Telekommunikation noch rapide wachst und standig neue Anwendungen die Kapazitaten der Technologic an ihre Grenzen treiben. Und fiir diesen Grad an Selbstorganisation reicht die ungerichtete Energie der Kunden aus heutiger Sicht nicht aus.
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Distribution/Sales In der Distribution und im Vertrieb verbraucht der Kunde sehr viel seiner Energie, doch nicht unbedingt gewoUt. Der Kunde muss in einen Laden gehen und sich durch die Vielzahl der Produkte und Tarife hindurcharbeiten, bevor er eine Kaufentscheidung fallt. Viel von seiner Energie wird fiir die Conjoint-Analyse aufgewendet, die der Kunde am „Point of Sale" unbewusst durchfuhrt, um zwischen Angeboten zu unterscheiden und zwischen den vielen verschiedenen Produktkomponenten abzuwagen. Der Online-Kanal wird heute noch sehr unterschiedlich genutzt. Wahrend dieser Kanal beim Vertrieb von Mobilfunkleistungen weniger als 10 Prozent der Neukunden auf sich verbuchen kann, wird er von den ISP (Internet Server Provider) - aufgrund des hohen Anteils alternativer Anbieter ohne eigene Vertriebskanale - sehr stark genutzt. Der Online-Kanal kanalisiert die Kundenenergie und fiihrt sie - unterstiitzt durch entsprechende Tools - bis zum Verkauf, und das mit geringeren Kosten als im klassischen Vertriebskanal. Insbesondere dort, wo es keine haptische Erfahrung des Produktes gibt, ist der Online-Kanal ein probates Mittel. Das Internet reduziert den Aufwand an Kundenenergie, die erforderlich ist, um Prepaid-Karten am Kiosk zu kaufen, frei zu rubbeln und die Karte zu aktivieren. Viele No-frills-Anbieter bieten das Aufladen der Karten im Internet an. Fast ebenso bequem ist das Aufladen entweder iiber Sprach- oder SMS-Server, Bankiiberweisung Oder am Geldautomaten. Uberall ist die Customer Energy hoch, und die Anbieter nutzen diese Energie, um die Vertriebskosten des Prepaid-Guthabens zu reduzieren. Mit einem Online-Configurator konnten der Kundenenergie weitere Freiheitsgrade zur Entfaltung gegeben werden. Wahrend sich das Produktmanagement iiber Pakete Gedanken macht, kann der Kunde sich - ahnlich wie beim Automobil - ein eigenes Paket Handy, Tarif, vorinstallierte Klingeltone, ubertragene Informationen (z. B. Kalender, Kontakte) etc. - zusammenstellen. Die Kundenenergie fiihrt hier zur Mass Customization - sofern die Supply Chain den gewiinschten Grad der Individualisierung abbilden kann. Telekommunikation
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Doch diese Ideen gelten bei weitem nicht nur im Mobilfunk - auch bei der Zusammenstellung von Inhalten bzw. Inhalte-Paketen fiir Triple Play oder beim Breitbandzugang konnten solche Ansatze zum Tragen kommen. Wichtig sind dabei ein flexibles, adaptives Preissystem und ein modularer Ansatz. Auch ein RecommenderSystem konnte im Online-Bereich ftir sehr viel starkeren Einsatz von Kundenenergie sorgen - seien es Bewertungen fiir Tarife, Handsets oder Services und deren Einsatzmoglichkeiten. Hier konnen die Telekommunikationsanbieter noch viel von den klassischen Online-Vermarktern, vor allem Amazon, lernen. Amazon hat das Recommender-System perfektioniert. Durch die Speicherung und Analyse personlicher Daten und Zuriickverfolgung der Einkaufshistorie iiber drei Jahre hat Amazon ein sehr gutes Bild jedes Kunden und kann spezielle Angebote machen, personalisierte Seiten aufbauen und dabei die Angebote immer an den Kunden anpassen. Durch Ansatze wie „Amazon Trivia", ein Fragespiel, werden weitere Informationen iiber den Kunden gewonnen, die dann wieder ftir Promotions genutzt werden. Der Kunde wird mit kleinen Betragen und Gutscheinen ftir den Einsatz seiner Kundenenergie belohnt. So weit sind die Mobilfunkanbieter nicht. Sie greifen im OnlineBereich noch viel zu wenig auf die Empfehlungen der Kunden zuriick. Selbst bei den Internet-Service-Providern ist das Thema Recommender viel starker ausgepragt. Klassische ISP wie AOL gewinnen einen groBen Teil Ihrer Kunden iiber Sign-a-friend-Angebote. Unterstiitzt wird dieser Ansatz durch Kommunikationsanwendungen, z. B. Instant Messaging, die hier einen Netzwerkeffekt erzeugen. Nicht zuletzt deswegen hat sich AOL lange gegen die Offnung ihrer Instant Messaging Plattform gewehrt. Sie woUten den Vorteil des Netzwerkeffektes nicht gegen die Wettbewerber verlieren. Aber auch im stationaren Handel kann der Kundenenergie mehr freier Lauf gelassen werden. So werden in vielen Laden nur nicht funktionierende Schaustiicke ausgestellt. Die Kunden woUen jedoch keine Demo, sondern sie woUen die Produkte ausprobieren. Daher gehen die Mobilfunkanbieter zunehmend dazu iiber, trotz der Diebstahlsgefahr statt Dummys funktionierende Handys am
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PoS bereitzustellen. Die Kunden konnen dort das Gerat ausprobieren und setzen ihre Energie dafiir gerne ein. Customer Care Im Kunden-Service-Bereich nimmt auch im Telekommunikationsumfeld die Komplexitat kontinuierlich zu, ebenso wie die Kosten fiir die Operatoren. Deshalb wird genau in diesem Bereich verstarkt auf die positiven Auswirkungen der Kundenenergie gesetzt, mit interessanten Nebeneffekten. Der erste Versuch, die Kundenenergie zu lenken, war die Einfiihrung von Interactive-Voice-Response-SystQmen in Call-Centern. Die Kunden soUten moglichst viele Antworten bereits automatisch bekommen und durch eigene Spezifikation der Frage den teuren Faktor Mensch im Call-Center reduzieren. Ziel war dabei, 20 Prozent der Anfragen per „Interactive-Voice-Response" (IVR) zu beantworten. In anderen Branchen, z. B. bei Banken, sind weit hohere Raten erzielbar: Citybank beantwortet 50 Prozent der Calls per IVR und schaffte es sogar, dass ca. 70 Prozent aller Aktienorders statt iiber einen Call-Center-Mitarbeiter iiber IVR abgewickelt werden. Doch allzu haufig ist der Kunde frustriert, wie bei Einsatz dieser Systeme mit seiner Kundenenergie umgegangen wird, und driickt durchaus anspruchsvoU den Knopf „Verbinden mit einem Mitarbeiter". Hier mtissen neue Wege beschritten werden, wie natiirliche Spracherkennung, um die Kundenenergie wirklich gezielt zu nutzen. Alternativ zu diesen Entwicklungen steht natiirlich das komplette Umlenken der Kundenenergie in den Self-Service-Bereich - also die Vermeidung des Anrufs - an erster Stelle. Hier kann der Kunde von vornherein gelenkt werden und in einer Win-win-Situation seine Energie einsetzen: Zum einen erhalt der Kunde hier Ubersicht, kann selbst Einstellungen vornehmen, ist unabhangig von den Call-Center-Zeiten und kann Fehler vermeiden und damit seine Nerven schonen (wenn alles funktioniert). Zum anderen vermeidet der Operator Kosten. Ob es sich um die Prasentation von Rechnungen handelt, die Verwaltung von Vertragen, die Konfiguration von Services, die Zubuchung neuer Services etc. - der Self-Service Telekommunikation
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bietet dem Kunden viele Freiheiten. Gleichzeitig ist der Self-Service eine ideale Plattform zum Cross- und Upselling, da hier eine personalisierte Ansprache moglich ist. Doch ahnlich wie im Consumer-Equipment-Bereich soUte auch bei den Telekommunikationsanbietern die User-Betreuung nicht zu kurz kommen. Hier kann die Kundenenergie zur Informationen und Unterstiitzung weiterer Kunden gesteuert werden. Die Operatoren konnen die Energie von Kunden, die begeisterte Nutzer sind und sich bestens mit der Technologie und den Tarifen auskennen, nutzen - sei es iiber Online-Foren, Chat-Foren oder sogar User Help Desks (User helps User). Hier wird in der Telekommunikation von den Unternehmen noch viel zu viel selbst gemacht, anstatt den Kunden konstruktiv in die Wertschopfung einzubeziehen.
Fazit Die Kundenenergie im Telekommunikationssektor wirkt sich also zunachst negativ auf die Umsatzstrome der Anbieter aus. Nach ein paar positiven Erfolgsmeldungen beziiglich der tiberraschenden Entwicklung der SMS werden dem Kunden durch den technischen Fortschritt und die Regulierung nun immer neue Wege zur Kommunikation eroffnet. Diese Chancen nimmt der Kunde wahr und erobert Bereiche fiir sich, in denen er die Margen der etablierten Spieler angreift. Dieser Wandel der Telekommunikationswelt ist nicht aufzuhalten man kann versuchen, ihn zu verzogern, doch dabei lauft man Gefahr, den Zug zu verpassen. Nicht umsonst investieren heute auch die etablierten Telekommunikationsanbieter in VoIP, um dabei zu sein, wenn die Welt sich dreht. Was die Anbieter versuchen miissen, ist, den Wandel zu kanaUsieren und die Kundenenergie zum Vorteil nicht nur des Kunden, sondern auch des Unternehmens einzusetzen. Zentrale Funktionen wie Authentifizierung, Presence, Payment etc. enthalten Mechanismen, die Kunden an sich zu binden und Wechselbarrieren in einer immer offeneren Welt zu errichten. Die zentralen Funktionen, die die Kundenenergie in bevor-
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zugte Bahnen lenkt, mtissen dem Kunden aber einen Mehrwert bringen, so dass er am Ausbrechen nicht interessiert ist. Letztlich sollte aber kein Telekommunikationsanbieter gegen den Kunden arbeiten. Man sollte die Kundenenergie fiir das Geschaft nutzen und nicht nur als Gefahr sehen. Es gibt viele Ansatzpunkte, an denen der Kunde auch in eine sehr infrastrukturbetonte Wertschopfungskette wie die der Telekommunikation eingebunden werden kann. Auf Einbindung und Zusammenarbeit sollte das Augenmerk liegen. Denn durch die Einbindung der Kundenenergie schafft man relativ leicht Kundenzufriedenheit und damit eine Bindung des Kunden. Das ist mit Sicherheit erfolgreicher als der muhsame Aufbau von Wechselbarrieren, die sich gegen den Kunden richten.
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Beispiel: Skype Internet-Telephonie (VoIP) Weltweit verbunden vom Computer aus und kostenlos Skype bietet innerhalb eines Peer-to-Peer-Netzes kostenfreies Telefonieren uber das Internet an. Lediglich bei Gesprachen zu normalen Telefonnummern Skype-Out wird eine Gebiihr fallig, die ftir die beliebtesten Zielorte bei 1,7 Eurocent liegt, im weltweiten Angebot oder bei Anrufen auf Mobilfunknummer allerdings auch wesentlich hoher liegen kann. Skype-Hype Der Name ist geschickt gewahlt: Telefonieren liber „Skype" ist voll im „Hype". Das Skype-Netz ist als VoIP-Software seit Juli 2004 verftigbar. Mehr als 50 Millionen Nutzer sind Skype nach nur einem Jahr ins „Telefonnetz" gegangen. Mit diesem enormen Zuwachs an Teilnehmern stellt Skype alle anderen VoIPAnbieter deutlich in den Schatten, und taglich kommen mehrere 10 000 neue Nutzer hinzu. Die Gesprache im Skype-Netz und auch die Skype-Software sind gebiihrenfrei. Skype verdient sein Geld also lediglich mit Zusatzdiensten wie SkypeOut, also bei Skype-Gesprachen zu regularen Telefonanschliissen. Deshalb erscheint die angestrebte Steigerung des Umsatzes von sieben MiUionen US-Dollar 2004 auf 60 Millionen US-Dollar 2005 sehr ehrgeizig. Auch der Coup der InternetAuktionsplattform Ebay, die im September 2005 Skype kaufte, wird von Analysten sehr skeptisch gesehen und der Kaufpreis von vier Milliarden US-Dollar als voUig iiberteuert gewertet. Vielleicht dachte man bei Ebay dabei an die eigene Anfangszeit der Tauschborse zuriick. Auch bei Ebay wurde die Software zunachst kostenlos zur Verfiigung gestellt, und die Gewinne steigerten sich nur sehr schleppend.
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Community eriedigt das Marketing Neben dem tiberzeugenden Angebot der kostenfreien Telefonie liegt einer der Erfolgsfaktoren von Skype darin, dass sich das Netz weitgehend ohne Marketing-Etat nur durch Mundzu-Mund-Propaganda ausgedehnt hat. Die Community der VoIP-Nutzer erkannte ftir sich schnell den Nutzen dieses Angebotes und hat durch gezielte Werbung im eigenen Kollegen-, Freundes- oder Famihenkreis ftir die weltweite Verbreitung gesorgt. Als Nutzer benotigen sie ledigUch einen eigenen PC mit Lautsprecher oder Headset, eine Breitband-Internetverbindung sowie die kostenlose Skype-Software. Allerdings sind nicht alle vom Skype-Modell uberzeugt. Es gibt es auch eine Reihe von Skype-Skeptikern. Ihre Kritik zielt auf die AusschHeBHchkeit des abgeschotteten Netzwerkes in einer Peer-to-Peer-Community, bei der eine Kommunikation mit anderen VoIP-Anbieter ftir beide Seiten nicht moghch ist.
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Medien: Urvertrauen verloren, aber neue Verbundete gewonnen
Customer Energy in der Medienbranche - ist es moglich, dass Kunden und Medien jemals zu einer positiven, fiir beide Seiten erquicklichen Verbindung finden? Die Medienbranche lebt traditionell von kreativen Ideen, die entweder dem schopferischen Geist junger unkonventioneller Mitarbeiter entspringen oder auch nur dem Bauchgefiihl alter Hasen. Beiden kreativen Ursprtingen ist in der Regel gemeinsam, dass weder der eine noch der andere von vornherein auf die Vermarktung des aus diesem kreativen Prozess hervorgehenden Produkts oder die Bediirfnisse moglicher Kunden hinzielt. Nattirlich verfolgen Kreative - beinahe selbstverliebt viele Ideen um der Idee Willen, andererseits besteht a priori oft gar kein klar artikuliertes Bediirfnis nach einem bestimmten Medienprodukt, das spater sein Publikum begeistert. Hatte Beethoven nicht selbstbewusst daran festgehalten, fiir seine Zeit auBerst ungewohnliche Musik zu komponieren, hatte die Entwicklung der gesamten klassischen - und nicht nur der klassischen - Musik einen anderen Verlauf genommen. Hatte man einen reprasentativen Querschnitt der Fernsehzuschauer befragt, ob sie sich fiir eine Sendung begeistern wiirden, bei der prominente Kiinstler zwischen Talk und Playback auf das Ge- oder Misslingen absurder Vorfuhrungen wetten, ware „Wetten, dass ...?" niemals produziert worden. Das Publikum hatte auf einen der StraBenkehrer des deutschen Fernsehens verzichten miissen. Tatsachlich ist es haufig der Zufall, der einen Film, ein Lied, eine Sendung oder ein Magazin zum Hit oder eben zum Flop werden lasst. Selbst bei strenger Orientierung an einem bisher durchaus erfolgreichen Rezept scheitert haufig, was kurz zuvor noch Begeisterungsstiirme ausgelost hat. Ein Vergleich mit dem Automobilbau Medien
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verdeutlicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Motor, Fahrwerk, Ausstattung etc. lassen sich verbessern und noch in der Produktentwicklungsphase durch aktuelle Tests mit den Kundenbediirfnissen abgleichen. Ob aber eine Neuentwicklung zum Flop wird Oder der breiten Kaufermasse gefallt, dartiber entscheidet nicht zuletzt das kreativste Element: das Fahrzeug-Design. Der Vergleich macht deutlich, dass es Unwagbarkeiten gibt, ganz gleich, in welcher Branche man anbietet. Je mehr es um Kreativitat geht, desto unberechenbarer ist der Erfolg. Je mehr Menschen sich an den kreativen Aktionen beteiligen, desto wahrscheinlicher wird allerdings wieder der Erfolg, das haben die ersten Erfahrungen mit Customer Energy mehr als deutlich gemacht. Das bedeutet wohl, dass der Eingriff des Kunden in eine Wertschopfungskette, die bisher produzentenorientiert war, dazu beitragt, das Ergebnis der Wertschopfung, in aller Kegel das Produkt, erfolgreicher zu machen. Bei genauerem Hinsehen kann man bereits erkennen, dass der Kunde - aktiviert durch die neuen Moglichkeiten der digitalen Welt - sich schon langst in die Wertschopfung eingemischt hat und sich sogar bereits einzelner Stufen gerade der Medienbranche bemachtigt hat. „Rip, mix, burn" ist weltweit tagliche Praxis von Schiilern oder Studenten, und die Musikindustrie hat diese Auswirkungen der Kundenenergie schmerzlich erfahren miissen. Allerdings ist noch nicht eindeutig geklart, ob der Kunde nur zerstorerisch - betrachtet aus der Perspektive der traditionellen Unternehmen - oder, im abgewandelten Schumpeter'schen Sinne, wirklich schopferisch agieren kann. Beispielsweise: Durch das - legale oder illegale - Kopieren von Musik, die neue Zusammenstellung und das „Brennen" eigener PlayUsts entstehen zwar neue „Compilations", aber noch lange keine neuen Songs. Mit anderen Worten: Es gibt neue Sortimente, aber kein wirklich neues Produkt. Das folgende Kapitel wird also nicht nur die Frage zu beantworten haben, ob Medienunternehmen die Customer Energy fiir sich positiv nutzen konnen, sondern auch, ob Kunden dazu verleitet werden, selbst an Produktentwicklung und Produktion, also am schopferischen Teil der Wertschopfungskette, mitzuarbeiten. Es wird sich
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zeigen, dass der Kunde hier ein neuer Verbiindeter ist, der zwar mit dem alten Kunden nichts mehr zu tun hat, der aber doch dem Geschaft in letzter Konsequenz mehr nutzt als schadet.
Printmedien: Auch der energievolle Kunde vifill Haptik Wenden wir uns nun einer anderen Mediengattung zu, die im deutUchen Gegensatz zur Musikindustrie zu stehen scheint: die Printmedien. Die Musikindustrie musste infolge der leichten DigitaUsierung von Musik und damit der vereinfachten Herstellung von „Tontragern" zum bislang am starksten getroffenen Opfer der Customer Energy werden, weil Musik nun beUebig kopiert und getauscht werden konnte, also das geistige Eigentum jeglichen Schutz verloren hatte. Dagegen scheint die Presse vor derartigen Entwicklung durch ihr schwer zu ersetzendes Tragermedium, das Papier, geschiitzt. Eine druckfrische Zeitung am Friihsttickstisch lasst sich nicht ohne weiteres durch den wenige Quadratzentimeter groBen Screen eines Mobiltelefons ersetzen. Schwer vorstellbar also, dass sich hier schon bald eine Customer Energy entfalten konnte, die ahnUch umwalzende Entwicklungen auslosen wird, wie sie die Musikindustrie erfahren musste, als aus CD-Silberhngen digitale Soundfiles und aus Fans und Musik-Sammlern Playlist-Mixer und File-Sharer wurden. Bei naherem Blick allerdings wird offenbar, dass auch an der aus einer groBen Tradition hervorgegangenen Verlagsindustrie Customer Energy langst zu „nagen" begonnen hat: Laut AUensbach nutzten 2005 bereits 67 Prozent der 14- bis 17-jahrigen Deutschen also die erhofften „Zeitungsleser von morgen" - das World Wide Web als Hauptinformationsquelle, wahrend Zeitschriften bzw. Zeitungen nur bei 38 Prozent bzw. 35 Prozent als Leitmedium zur Informationsgewinnung dienen, die damit noch hinter dem Fernsehen mit 59 Prozent rangieren. Die Leser der Zukunft woUen lieber
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so lesen, wie sie es wiinschen, und zwar dann, wenn sie es wiinschen. Sie tun es schon heute, indem sie sich News-Websites und Online-Newsletter konfigurieren, personalisieren und abonnieren. Was sie offensichtlich nicht woUen, ist so zu lesen, wie es dem Chefredakteur der Tageszeitung vorschwebt, der wegen des generell friihen Redaktionsschlusses dem Leser zwolf Stunden nach Andruck etwa 15 Stunden alte Geschichten prasentiert, die dieser Leser per se als veraltet ansieht.^ Dass die Werbung den Augen folgt, Anzeigenerlose also zunehmend aus den Printmedien ins Internet abwandern, ist da nur eine logische Konsequenz - fiir die Printindustrie allerdings eine existenzielle. Im Rubrikengeschaft hat die Industrie das bereits am eigenen Leib erfahren mtissen: Weil Online-Portale fiir den Kauf und Verkauf von Autos, die Vermittlung von Jobs, Immobilien, Beziehungs- und Ehepartnern und fiir alle Arten Geschafte der zweiten Hand wesentlich komfortabler und - in aller Kegel - aufgrund der theoretisch unendlichen Reichweite auch wesentlich effektiver sind als Kleinanzeigen in der ortlichen Tageszeitung, ist dieses Geschaft fiir die Printmedien fast unwiederbringlich verloren. Und neuerdings entstehen mit Web Logs (kurz: Blogs) auch Quellen der Amateur-Berichterstattung, die eine Bedrohung fiir die letzte Bastion der Presse gegen die ungeziigelte Customer Energy darstellen: den klassischen Journalismus. Insofern lohnt sich also eine vertiefte Analyse dieser Mediengattung. Die Analyse soil das Bild detaillieren und die Urteilskraft scharfen, wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, ob die Customer Energy in diesem Bereich noch rechtzeitig in produktive Energie fiir die Presseverlage verwandelt werden kann. Werfen wir dazu zunachst einen Blick zuriick auf die Wurzeln und Traditionen der Printindustrie, um besser verstehen zu konnen.
1 Vielleicht liegt pikanterweise gerade darin eine, wenn auch „reduzierte", Zukunft der Zeitung: Wahrend man kunftig die aktuellen News selbstverstandlich nur noch elektronisch empfangt, wird eine Zeitung genutzt, um die Nachrichten und das Geschehen von gestern Revue passieren zu lassen, die dahinter liegenden Zusammenhange in aller Ruhe zu reflektieren und in groBere Kontexte einzuordnen - und all das naturlich auf dem guten alten Papier.
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welchen Herausforderungen sie nun gegeniibersteht. Die ersten Zeitungen wurden um 1600 herum veroffentlicht und noch heute erscheinen Tageszeitungen, die in den Jahren unmittelbar nach 1700 entstanden - also eine Zeit, in der die Bevolkerung zu liber zwei Dritteln aus Analphabeten bestand. Wie wichtig Bildung als Voraussetzung zur Entfaltung von Customer Energy im Mediensektor ist (neben technologischen Schiiben, die zum Beispiel die Digitalisierung ermoglicht haben), haben wir im Einfiihrungskapitel erlautert. Kein Wunder also, dass Jahrhunderte vergingen, bis erste Anzeichen von Customer Energy im Printbereich zu erkennen waren.^
Das Ende der Blattmacher? Getragen wurden Printprodukte schon immer von starken Personlichkeiten, wie sie iiberall in der Medienindustrie zu finden sind. Was bei Musik und Film die „Plattenbosse" bzw. Produzenten waren, sind in der Presse die Verleger, denen es vielfach gelang, ganze „Verlegerdynastien" zu begriinden, und kreative „Blattmacher" legendare Chefredakteure, die immer an die Leser denken und das sichere Gespiir im Bauch besitzen fUr das, was den Leser wirklich interessiert. Weil selbst der groBte Blattmacher aber nur dann ein gutes Blatt zu machen in der Lage ist, wenn er auf eine gute Redaktion zuriickgreifen kann, stand seit jeher der Journalist im Mittelpunkt der verlegerischen Wertschopfungskette. Zeugnis dessen waren und sind namhafte Journalistenschulen, Kaderschmieden, auf denen Qualitatsjournalismus von der Pike auf gelernt wurde. Und wer nach Hoherem strebte, der fiel nicht nur durch eine brillante Schreibe auf, nein, der profilierte sich auch durch so genannten investigativen Journalismus - eine Mischung aus dem Wirken eines Nicht zu verwechseln damit iibrigens der „Intelligenzzwang", womit die Verpflichtung der Staatsangestellten zum Abonnement der so genannten „Intelligenzblatter" (Titel mit amtlichen Bekanntmachungen und einem regionalen Anzeigenmonopol - quasi Vorlaufer heutiger Anzeigenblatter) bezeichnet wurde.
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Privatdetektivs und dem verspiirten Antrieb zu demokratischer Aufklarung: Publisher Energy sozusagen. Der Rest - vom Druck tiber den Anzeigenverkauf bis zum Abo- oder Kiosk-Vertrieb war eher notwendiges Ubel als Kern des Interesses der Verlagshauser. Im Zentrum steht nach wie vor die - oft verklarte - Vorstellung von einer Zeitungsredaktion. Die „Bilder" davon sind weithin gelaufig: Da ist der zynische, kettenrauchende und trinkfeste Reporter, der Tag und Nacht in Sachen Sensation unterwegs ist und dessen Freunde schwerpunktmaBig in der Halbwelt zu finden sind. Auch alle anderen Klischees sind passe. Niemand in einer Redaktion hammert noch auf einer Schreibmaschine herum, nirgends gibt es noch den besserwisserischen Korrektor, der nachweisen kann, dass das Marxzitat auf Seite 3 eigentUch von Marcuse stammt, in keinem Raum stapeln sich noch Haufen von Agenturmaterial, das endlos aus dem Ticker rattert. Und nirgends lehnen mondane Sekretarinnen im Tiirrahmen, deren Job es hauptsachUch ist, Kaffee zu kochen und sich die alkoholschweren Sorgen gescheiterter Redakteursexistenzen anzuhoren. Alles das ist ebenso Vergangenheit wie die Mar vom Journalisten, der von einem Gabelfriihstuck zum nachsten eilt und sich gegen Abend mit einem Kaffee oder einem Glas Wein zurtickzieht, um kraft seiner Kenntnisse und Erfahrungen einen Leitartikel zu schreiben. In Wahrheit haben auch hier bereits seit einigen Jahren in den Redaktionssystemen digitale Work-flows Einzug gehalten, werden Agenturmeldungen ohne groBes journaUstisches Zutun (quasi als „Lohnveredelung") ins Blatt gehoben und miissen viele Redakteure nicht nur an den Leser, sondern immer mehr auch an den Anzeigenkunden denken.
Kundenenergie tut sich schwer Die Digitalisierung hat aber nicht nur die internen Prozesse in der Printindustrie verandert, sie hat auch das Geschaft selbst deutlich umgekrempelt. Kein Printprodukt, das heute noch ohne einen Ableger im Internet ist. Kaum ein Verlag, der nicht auch in der Eu66
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phorie des ausgehenden letzten Jahrtausends ambitionierte Internet-Geschafte aufgebaut und anschlieBend wieder aufgegeben hat. Die VerheiBungen des Internets waren groB. Eine Steigerung der eigenen Reichweite ins theoretisch Unendliche waren Traume, die mit einem Papierprodukt, das gedruckt und ausgeliefert werden muss, nicht getraumt werden konnten. Die Hoffnung bestand darin, die unermessliche im Internet schlummernde Customer Energy auf gewohnte Art und Weise zum eigenen Vorteil nutzen zu konnen: Leser zahlen ftir das Lesen einzelner Artikel oder fiir den Zugang zur Online-Ausgabe des Printprodukts, und - angesichts einer rasant wachsenden Online-Leserschaft - Anzeigenkunden buchen immer teurere Kombinationen aus Print- und Online-Werbung. Die Realitat sieht leider anders aus: Bis heute haben es nur die wenigsten Verlage vermocht, mit ihren Online-Produkten Gewinne zu erwirtschaften. Faktisch sind heute die meisten Websites von Zeitungen und Zeitschriften Kostganger ihrer Printausgabe.
Nicht vollig chancenlos: Den Kunden „einspannen'' Die zweifellos vorhandene Customer Energy haben sich andere zu Nutze gemacht, meist Entrepreneure und Investoren auBerhalb der traditionellen Verlagsbranche. Ein Blick in die einzelnen Wertschopfungsstufen verdeutlicht, welche Optionen die Printindustrie besitzt, um dennoch von der immer starker werdenden Customer Energy zu profitieren. Produktentwicklung ist ein Wort, das in der Verlagsbranche zwar vorkommt, aber nicht in dem bekannten Sinn. Es werden neue Blatter, vor allem Magazine, konzipiert, gemacht und gelauncht, Line oder Brand Extensions entwickelt, neue Layouts entwickelt Oder einem „Face lift" unterzogen und auch schon einmal bekannte Formate „relaunched". Haufig verbirgt sich hinter all dem die Grundannahme, dass man es mit einem kreativen, kulturellen, ja, auch kiinstlerischen Gut (bei einer Zeitschrift oder Zeitung) zu tun hat, nicht aber mit einem „einfachen" Produkt, das man in einem Medien
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klassischen strukturierten Prozess entwickeln konnte. Uber Erfolg und Misserfolg entscheiden vielmehr nach wie vor Kreativitat und Intuition der Blattmacher und Verleger. Dass eine solche Vorgehensweise bald der Vergangenheit angehoren wird, verdeutlicht die Aussage eines Vorstands eines fiihrenden Magazin-Verlags, der sich offentlich dariiber beklagt, dass Printmedien bisher keinen strukturierten Innovationsprozess besaBen, schon gar kein systematisches Innovationsmanagement. Ein Blick auf die Fakten verdeutlicht die Tragweite dieser Aussage: Aktuell gibt es iiber 400 Tages-, Wochen- und Sonntagszeitungen in Deutschland in insgesamt iiber 1 500 Ausgaben. Hinzu kommen laut IVW-Statistik iiber 800 Publikumszeitschriften und iiber 1 000 Fachzeitschriften.^ Wahrend neue Zeitungsprojekte hochst selten gestartet werden, kommen im Magazinbereich beinahe taglich neue Blatter hinzu. Immer differenzierter werden die Angebote fiir immer speziellere Zielgruppen - die Zerfaserung der Gesellschaft in unterschiedUchste Milieus spiegelt sich am Zeitungskiosk in Form von immer mehr Special-Interest-Titeln wider. Im Ergebnis wurden in den letzten fiinf Jahren nach Auskunft des Wissenschaftlichen Instituts fiir Presseforschung, Koln, pro Jahr jeweils iiber 100 neue Titel allein im Markt der Publikumszeitschriften eingefiihrt - wovon die meisten als Flops nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden. Doch auch bei den Zeitungen ist Bewegung ins Spiel gekommen: Seitdem die Verlage erkannt haben, dass Nachrichten im Internet kostenlos konsumiert werden konnen und die Zeitungslektiire am Friihstiickstisch fiir den zunehmend mobiler werdenden Leser keine SelbstverstandUchkeit mehr ist, werden Gratiszeitungen gedruckt. Mit einer aktiven Nutzung von Customer Energy aber hat all dies noch nichts zu tun. Customer Energy kommt erst ins Spiel, wenn man zur Wertschopfungsstufe der Produktentwicklung auch die Produktion hinzufiigt: Unter Produktion sei hier nicht nur der
IVW = Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbetragern. Demgegentiber zahlt der Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) sogar uber 2 300 Publikums- und iiber 3 600 Fachzeitschriften.
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Druckprozess verstanden, sondern auch die Erstellung des eigentlichen Produkts - des redaktionellen Inhalts - und das Layouten der Zeitschrift oder Zeitung. Hier spatestens zeigt sich, wie findige Online-Unternehmen - aber zunehmend auch traditionelle Verlage - die Customer Energy mit den Moglichkeiten des Internet zu ihrem Vorteil zu kombinieren verstehen. >- Der erste Schritt lag in der Anerkennung der Tatsache, dass Informationshungrige sich diejenigen Nachrichten, die sie interessieren, in den Weiten des World Wide Web selbst zusammenstellen, das heiBt von beliebigen Nachrichten-Websites verschiedenster Verlage. Die Alternative ware, taglich mehrere Zeitungen zu kaufen, obschon man nur an ausgewahlten Inhalten interessiert ist - ein Bild, das man allenfalls von Politikern und der Medienszene zugehorigen Personen selbst kennt, die versuchen, sich auf diese Weise ein Bild der veroffentlichten Meinung bzw. der anderen Veroffentlicher zu verschaffen. Voraussetzung des neuen „Online-Nachrichten-Eklektizismus" ist die kostenlose Verbreitung iiber die Online-Ableger der Print-Ausgaben, ausgehend von der Erkenntnis, dass es nur in Ausnahmefallen gelungen ist, redaktionelle Inhalte iiber Bezahlmodelle zu monetarisieren. Die meisten Versuche sind daran gescheitert, dass die Konsumenten lediglich die Energie eines oder zweier Mausklicks aufbringen mussten, um eine Nachrichten-Website weiter zu Ziehen, auf der es die gleichen News - groteskerweise haufig auch noch ursprtinglich aus der Feder derselben Presse-Agentur - wieder kostenlos zu lesen gab. >" Der zweite Schritt lag nun darin, dass sich vor allem die groBen Portale wie etwa Yahoo!, die sich zunachst eigene groBe Online-Redaktionen aufgebaut haben und diese teilweise noch immer vorhalten, das Click-Verhalten ihrer Nutzer zu eigen gemacht und es in Form so genannter News Crawler automatisiert haben. Google-News entstehen allein durch Algorithmen, die das Web durchforsten und dabei die meist gelesenen News auswerten, um schlieBlich die Nachrichten durch entsprechende Deep-Links von der eigenen Website den Websites der NewsPortale zur Verfiigung zu stellen. Aktueller und naher am Leser kann man nicht sein! Yahoo! erreicht mit dieser Technik mehr Median
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Besucher als jede Online-Newsseite. Die Verlage reagieren, indem sie versuchen, ihrerseits am Wachstum der Enabler wenigstens zu partizipieren: So haben die US-Verlage Gannet, Knight Ridder und Tribune beispielsweise gemeinsam die Mehrheit am Start-up-Unternehmen Topix.net fiir 64 Millionen US-Dollar erworben, das auf so genannte RSS-News Feeds (Really Simple Syndication- „Nachriclitenticker") spezialisiert ist. Zugrunde liegt eine Software, mit der sich ein User Artikeliiberschriften und die dazugehorigen Links zuganglich machen kann, ohne dabei liber die Online-Portale der die Nachrichten veroffentlichenden Verlage gehen zu miissen. >' Der entscheidende dritte Schritt kommt nun dadurch zustande, dass im Internet zunehmend die Grenzen zwischen professionellem und Amateur-Journalismus zu verwischen drohen. Blogs sind das jiingste Phanomen der globalen Online-Community, das Ztige eines Massenphanomens annimmt. Immer mehr Menschen entfalten ihre Customer Energy dadurch, dass sie ihrem Mitteilungsbediirfnis freien Lauf lassen und mit Hilfe des World Wide Web anderen ermoglichen, daran Teil zu haben. Die Spannbreite reicht dabei von ganz personlichen Tagebiichern im Web bis hin zu pseudo-professionellen Kommentierungen des Zeitgeschehens, die fiir den Laien nicht von klassischer journalistischer Arbeit zu unterscheiden sind. Ihre medientechnische Relevanz haben Blogs in aller Deutlichkeit bei Naturkatastrophen wie dem Tsunami in Siidostasien oder dem Hurricane iiber New Orleans bewiesen: Wahrend die traditionellen Nachrichtenmedien noch meist vergeblich versucht haben, sich den Krisenherden zu nahern, fand sich bereits in zahlreichen Blogs eine Berichterstattung durch Betroffene vor Ort, die an Aktualitat und Authentizitat nicht zu iiberbieten war - und deshalb sogar als Quelle fiir die Berichterstattung in den traditionellen Medien diente. Welche Bedeutung Blogs mittlerweile fiir die Internet-Wirtschaft haben, wird zum Beispiel erkennbar, wenn AOL fiir kolportierte 25 MiUionen US-Dollar den Blog-Betreiber Weblogs, Inc. erwirbt, der auf 85 Websites Blogs fiir verschiedenste Themen unterhalt (u. a. den bekannten auf Consumer Electronics spezialisierten Blog www, engadget.com), die durch
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uberwiegend freiberufliche Blogger mit iiber 1 000 Blog-Eintragen pro Woche befiillt werden."* Nach Expertenschatzungen existierten Mitte 2005 30 Millionen unabhangige Blogs im weltweiten Internet. Da gilt Deutschland mit aktuell ca. 40 000 Blogs und vermuteten ca. 14 000 aktiven Bloggern noch eher als Entwicklungsland. >^ Zu beinahe grotesken Ziigen fuhrt die Customer Energy nun im vierten Schritt bei der Kombination von Web Crawlern und News Blogs in Form so genannter Blog Crawler: Wahrend die Zeitungen und Zeitschriften sich „zahneknirschend" damit abgefunden haben, dass die aktuelle Berichterstattung auf ihren Websites kostenlos angeboten werden muss, um wenigstens die Leser bzw. User als „Eyeballs" flir die Anzeigenkunden auf der Website zu binden, so sind die News-Archive in der Kegel nur als Pay-per-use zuganglich. Wenn hingegen Blogger zuvor auf die frei zuganglichen Websites zugegriffen und entsprechende Nachrichten in ihren Blogs verarbeitet haben, so finden spater Blog Crawler diese Nachrichten auch noch, nachdem sie auf den Websites der Printmedien nicht mehr oder nur noch gegen Bezahlung zugangUch sind. Mithin findet heute redaktionelle Arbeit eine Reichweite wie zu keiner anderen Zeit zuvor - allerdings ohne Vergiitung der konzeptionellen und kreativen Leistung im traditionellen Sinne und obendrein bei gleichzeitig tendenziell sinkenden Auflagen der Printausgabe. Wie nun aus der Not eine Tugend gemacht werden und durch aktive Nutzung der Customer Energy ein Einfluss auf die Produktentwicklung erfolgen kann, zeigt das Beispiel des Bakersfield Californian, eine der Lokalzeitungen der Kleinstadt Bakersfield nordostlich von Los Angeles. Bereits 2004 richtete das Blatt neben der typischen Website zur Printausgabe auch eine Website ein, auf der Leser eigene Texte und Fotos, Geschichten und Meinungen veroffentlichen konnen. Die Redaktion wertet seither jede Woche die besten Eintrage aus und druckt auf dieser Basis eine GratisAusgabe - im Ergebnis konnte dadurch die Auflage des traditioDie Transaktion war bei Redaktionsschluss dieses Buches noch nicht bestatigt bzw. veroffentUcht.
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nellen Californian gesteigert werden. Ahnliches versuchen immer mehr regionale Zeitungsverlage in den USA, die eigene Blogs einrichten, um wenigstens ihre (Online-)Leser an die Marke zu binden, haufig sogar semi-professionelle Blogger engagieren, weil die Blogs zu einem eigenen journalistischen Format geworden sind. Die Ubertragung dieses Prinzips auf den deutschen Markt wird zur Zeit von der Rheinischen Post mit „Opinio" versucht, einem Web Log, dessen beste Artikel alle zwei Wochen der Zeitung als gedrucktes Supplement beigelegt werden. Von hier scheint es nur ein kleiner Schritt zu sein hin zu einer Flexibilisierung der Printausgabe durch Nutzung der Customer Energy. Denkbar sind etwa der Einfluss der User auf die Ausrichtung der Meinungsseite durch Voting auf der Zeitungs-Website am Tag zuvor Oder gar durch die Aufwertung der traditionellen Leserbriefe mittels statistischer Auswertungen von kleineren Online-Fragebogen Oder des tatsachUchen Qick-Verhaltens der User in Richtung aktueller (meist teuer bezahlter) Meinungsforschung, die wiederum exklusiv ins Blatt gehoben werden kann. Wesentlicher Engpass bei derartigen Uberlegungen ist die sonst als Starke empfundene Haptik von Zeitungen und Zeitschriften. Um das Kostenniveau in der Herstellung niedrig zu halten, sind hohe Auflagen und eine effiziente Logistik erforderlich. Auf den einzelnen Leser und dessen Praferenzen zugeschnittene Printausgaben aber fiihren im Extremfall zur LosgroBe 1 bei Produktion und Distribution, was die Kosten ins UnendUche treiben wiirde. Alle Versuche in dieser Richtung, sei es die Konfigurierung der Zeitung durch den Leser zum Empfang auf Handys und anderen mobilen Ausgabegeraten oder in Form eines so genannten e-Papers zum Ausdruck auf dem heimischen Drucker, waren bisher von wenig Erfolg gekront. Die Screens sind zu klein und das Interesse, vor dem Friihstuck „noch mal eben schnell" PC und Drucker zu starten, um die Morgenzeitung auf DIN A4 auszudrucken, dann doch eher verhalten. Um die Customer Energy auch in dieser Wertschopfungsstufe wecken und nutzen zu konnen, wird es also erheblicher technologischer Verbesserungen bediirfen.
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Als Menetekel fiir die Verlagsbranche mag allerdings das koreanische Unternehmen Ohmynews.com dienen. Dieses Online-Nachrichten-Portal mobilisiert nicht nur regelmaBig 38 000 „Citizen Reporters", die iiber alle koreanischen und zunehmend auch iiber alle globalen Neuigkeiten berichten. Taglich besuchen weit iiber eine Million Leser die Site, die dadurch so viel Werbung anzieht, dass sie mittlerweile profitabel arbeitet. Der Blick auf die nachsten Wertschopfungsstufen, Marketing und Vertrieb, verdeutlicht hingegen, wie schnell und mit welcher Tragweite die Customer Energy iiber ein Printprodukt hinwegfegen kann, sobald das Tragermedium Papier durch ein effizienteres Medium, in diesem Fall das Internet, ersetzt wird. Was die Musikindustrie durch CD-Brenner, digitale Audio-Files und Internet-Tauschborsen erfahren hat, mussten die Zeitungsverlage in ahnlicher Form, wenn auch in deutlich geringerer Dimension, durch Internet-Portale erfahren. Das bis dahin fiir die Verleger lukrative Rubrikenanzeigengeschaft fiir Immobilien, Gebrauchtwagen, Arbeitsstellen, Partnervermittlung und allerlei Sonstiges zogen die Internet-Portale sehr schnell weitgehend an sich. Im Zentrum stand zunachst ein einfacher Vorteil fiir den Leser: Komfort und Effizienz in der Handhabung. Anstatt Samstag fiir Samstag groBe Papierberge zu Hause auftiirmen und mit Textmarker und Telefon bewaffnet die entsprechenden Rubrikenanzeigen durchforsten zu miissen, geniigen nun wenige Clicks, um sein eigenes Suchprofil zu hinterlegen und sich regelmaBig (in selbst zu bestimmenden Intervallen) iiber in Frage kommende Angebote treffgenau unterrichten zu lassen. Weitere Vorteile: Aufgrund visueller Zusatzinformationen und haufig integrierter Preisvergleichsmechanismen^ lassen sich die Online-Angebote besser bewerten, und es besteht die Moglichkeit, iiber die Website oder per E-Mail direkt Kontakt zum Inserenten aufzunehmen. Die Portale, die schnell marktfiihrend wurden, bieten nicht nur eine groBere Reichweite als die lokalen Tageszeitungen und Anzei5 Man denke nur an den „DAT-" oder „Schwacke-Wert" als zertifizierte Gebrauchtwagenpreise, die seit der Verbreitung von Portalen wie Autoscout24.de oder Mobile.de plotzlich in aller Munde sind.
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genblatter, sie sind in der Regel fiir den Suchenden auch kostenlos, well entweder alle oder sogar nur bestimmte Inserenten fiir die Einstellung ihres Angebots zahlen. Aktuell bekanntestes Beispiel ist Craigslist.org - auf den ersten Blick ein weiteres Kleinanzeigen-Portal, das uberdies Diskussionsforen fiir seine Nutzer anbietet. AUerdings vertraut Craigslist noch starker als vergleichbare Portale auf die Customer Energy seiner „Community": Fast alle Anzeigen konnen kostenlos geschaltet werden, Craigslist wird sonst werbefrei gehalten und schaltet auch selbst keine Werbung die einzige Einnahmequelle sind bestimmte Stellenanzeigen. Im Ergebnis ist die bereits vor zehn Jahren gegriindete Website mittlerweile in 34 Landern vertreten, verzeichnet etwa zehn Millionen Nutzer pro Monat und konnte jiingst die Schaltung der 100-millionsten Anzeige feiern.^ Auch in diesem Marktsegment tummeln sich bereits erst deutsche Nachahmer, die unter phantasievoUen Namen wie „hood.de" oder „markt.de" ihre weitgehend kostenlosen Dienste anbieten und zumindest zum Teil Anhangsel der Verlagsbranche sind. Andere Rubriken-Portale hingegen beziehen ihre Erlose gerade aus der Customer Energy, die einer subtileren Form der Werbung zuganglich gemacht wird: den in der Nahe der Kleinanzeigen platzierten so genannten „Sponsored Links", die, auf den AnzeigenInhalt abgestimmt, dynamisch auf der Website des Portals eingeblendet werden. Diese Form der Werbung gilt derzeit als mit Abstand am starksten wachsender Zweig im gesamten Media-Mix und begriindet den okonomischen Erfolg von Google und Yahoo!, die ihre „Sponsored Links" abgestimmt auf die Suchworter des Nutzers neben den Suchergebnissen einblenden. Welche Relevanz diese Entwicklung hat, zeigt ein Blick auf die Umsatzstrukturen der Verlage: Wahrend in Deutschland bis zur Jahrtausendwende die Faustformel gait, dass etwa zwei Drittel der Erlose aus dem Anzeigengeschaft resultieren soUten, neigt sich das Verhaltnis zwischen Anzeigen- und Vertriebserlosen allmahlich einer Gleichverteilung zu und liegt aktuell bei rund 55 zu 45.
6 Nebenbei bemerkt: Craigslist beschaftigt weniger als 20 (!) Mitarbeiter.
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Hintergrund ist neben dem allgemeinen Riickgang der Werbeerlose - quer iiber alle Medien mit Ausnahme des Internets - das zuvor beschriebene Abwandern der Rubrikenanzeigen in die entsprechenden Online-Portale. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Anstrengungen zur Gewinnung und Pflege von Abonnenten und Kaufern eine wesentlich wichtigere RoUe eingenommen haben - und mithin der direkte Umgang mit der Customer Energy der Leser. Ein anderes Bild liefert hingegen die Situation in den USA, wo die Preise der Zeitungen in den vergangenen Jahren so drastisch gesunken sind, dass das Verhaltnis von Anzeigen- zu Vertriebserlosen etwa 80 zu 20 betragt. Dies erklart auch zum Teil, warum die „Kostenloskultur" der Zeitung im Internet bereits wesentlich friiher als strukturelles Phanomen akzeptiert wurde und sich nunmehr viele Anstrengungen darauf konzentrieren, das ins World Wide Web abwandernde Anzeigengeschaft wenn nicht aufzuhalten, so doch dort wieder „besitzen" zu konnen, relevante Online-Rubriken-Websites und andere verwandte Portale zu erwerben, um so auf beiden Seiten an dem Anzeigengeschaft zu partizipieren. Nichts anderes ist auch in Deutschland zu beobachten, wenn sich Axel Springer am Deutschland-Ableger der Online-Job-Borse Stepstone beteiligt. Die Zeit eine immerhin enge Kooperation mit dem Dating-Portal Parship eingeht, das Handelsblatt mit der Business Community OpenBC kooperiert oder einige Verlage gemeinsam mit dem Ring Deutscher Makler das Immobilien-Portal Immonet griinden. Mit Abstand betrachtet sehen wir doch eine ahnliche Situation wie in der Musikindustrie: Die traditionellen Zeitungsverlage, MonopoUsten im Kleinanzeigengeschaft, beaugten die ersten Rubriken-Portale kritisch und argwohnisch, versuchten es dann mit dem Rubrikengeschaft in den eigenen Websites und dem Launch neuer eigener Marken flir entsprechende Portale, bis sie akzeptieren mussten, dass einige wenige Startups es vermocht hatten, den First-Mover-Vorteil zu einem Marktanteil von kritischer GroBe auszubauen, um schlieBUch in ihrer Strategic auf kooperative Ansatze umzuschwenken. Wie aber erfolgt nun die Hinwendung zum Kunden bei dem Versuch, von dessen Customer Energy zu profitieren? Auch hier hilft zunachst ein Blick zuriick in die „traditionelle" Welt des PresseverMedien
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triebs. „Leser werben Leser", bekannt seit vielen Jahren und ausgereizt insbesondere in Markten mit vielen Wettbewerbern, kann getrost als eine der ersten Peer-to-Peer-Anwendungen bezeichnet werden. Die Customer Energy wurde im besten Sinne des Community-Managements dafUr genutzt, dass ein Kunde in seinem Bekanntenkreis den nachsten Abonnenten einer Zeitschrift oder Zeitung warb. AUerdings wurde dabei weniger an die schopferische Energie des Kunden appelliert als an das simple Verlangen nach einem „kostenlosen" Akku-Schrauber, einer Espresso-Maschine Oder neuerdings einem Apple iPod „mit Zuzahlung". Immerhin iibernahm der Kunde auf diese Weise einen Teil der Wertschopfungskette, wenngleich ohne wirklich nennenswerten Vorteil fiir den Verlag, weil die Pramienkosten einen immer groBeren Anteil an den gesamten Kundengewinnungskosten eingenommen habenJ Eine dariiber hinausgehende Aktivierung der Kunden wird nur dann gelingen, wenn der Kunde nicht nur am Abschluss eines neuen Abonnements oder dem Verkauf einer einzelnen Ausgabe partizipiert, sondern auch in die inhaltliche Erstellung der Zeitschrift Oder der Zeitung einbezogen wird. Er muss daran interessiert sein, andere auf seine Aktivitaten aufmerksam zu machen, um so dem Ausfluss seiner eigenen Customer Energy zu weiterer Geltung zu verhelfen. Das Lesen von Blogs wird nirgendwo beworben, und selbst die Zugehorigkeit zu kostenpflichtigen „Communities" wird mehr durch Mund-zu-Mund-Propaganda denn durch OnlineBanner schmackhaft gemacht. Ein weiterer Aspekt der verstarkten Hinwendung zum Kunden sind die Aktivitaten im Bereich Customer Care und After Sales Service in Form der zunehmend zu beobachtenden redaktionellen
Ein interessantes Phanomen ist dabei ubrigens, dass die meisten Verlage den Aufwand zur Gewinnung neuer Kunden in keinerlei verniinftiges Verhaltnis zu dem Erhalt bestehender Kunden bringen. Jeder, der schon einmal ein Abonnement nach Ablauf der Abonnementfrist storniert hat, wird bestatigen konnen, wie weitgehend unbehelHgt er geblieben ist, wenn man dies mit der intensiven „Betreuung" vergieicht, die einem zuteii wird, wenn man ein neues Abonnement abschUeBt. Die alte betriebswirtschaftliche Weisheit, dass es gewohnUch viel einfacher ist, einen bestehenden Kunden zu halten als einen neuen zu gewinnen, scheint noch nicht tiberall in der Verlagswelt angekommen zu sein.
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„Services" und Nebengeschafte. Immer weitere Formen von Ratgebern sind in den Blattern zu finden, die Kultur-Tipps geben, Einkaufs- und Aniageempfehlungen aussprechen und sonstige Arten der Orientierung fiir den geneigten Leser anbieten - mal strikt getrennt von und mal auffallig in der Nahe einer kommerziellen Anzeige. Die am weitesten reichende Auspragung ist derzeit mit dem neuerlichen Boom des Verlags-Merchandising zu beobachten: Biicher-, CD- und DVD-Editionen des Sliddeutschen Verlags und von Gruner & Jahr, die Comic-Sammlung der FAZ (!), das Lexikon der Zeit oder Volks-PCs, -Handys und anderes Gerat der BildZeitung sind Beispiele fiir die jungste Welle von Zusatzgeschaften der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Dem Leser und Kunden kommt dabei die RoUe des Orientierung suchenden Konsumenten zu, die Zeitung hingegen gibt eben diese Orientierung in Geschmacks- und Preisfragen.
Es geht auch ganz anders Die nachste Evolutionsstufe kann dann erreicht werden, wenn die Verlage die RoUe des Qualitatsgutachters und Ratgebers, basierend auf ihrem iiber Jahrzehnte aufgebauten Image der Glaubwtirdigkeit in alien Lebenslagen (zumindest fiir ihre Leserschaft), auch auf Aktivitaten ausdehnen, die aus der schopferischen Customer Energy heraus geboren sind. Eine Rezension der besten Blogs oder die Beurteilung der attraktivsten Kleinanzeige im Online-Portal durch die Zeitungsredaktion waren da sicher nahe liegende erste Schritte. Es wird deutlich, dass die unendliche Vielfalt im World Wide Web mit jeder hinzukommenden Information einen Mehrbedarf an Orientierung gebenden starken Marken und verlasslichen Ratgebern mit sich bringt. Und hier konnten die etablierten Printmarken, gerade weil sie eine Chance haben, in ein Dilemma geraten. Auf der einen Seite miissen sie versuchen, den Werbekunden die Stange zu halten, sei es in der Printausgabe oder online, da von ihnen noch immer der groBte Teil ihrer Erlose stammt. Obwohl die Werbung den Augen der Leser folgt, lost sie nicht ahnlich plotzlich auftauchende und dramatische Verwerfungen aus, wie dies die massenhaft in „Communities" und Peer-to-Peer-NetzwerMedien
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ken gebiindelte Customer Energy vermag. Auf der anderen Seite fiihrt allzu viel sichtbare Nahe zu den Anzeigenkunden in der Regel zu starken Absetzbewegungen der Leser, so dass sich die Customer Energy schnell gegen die Verlage richten konnte. Schon kiinden zahlreiche Stimmen davon, dass wahre Unabhangigkeit und Glaubwiirdigkeit eher in den Blogs von Privatpersonen zu finden seien als in der traditionellen Presse. In jedem Fall aber werden sich die Verlage darauf einstellen miissen, auch fur ihr Geschaft mit Einzelabrufen redaktioneller Arbeit, kostenpflichtigen Zugriffen auf ihre Archive oder dem Erwerb von MerchandisingArtikeln die bestehende Kund- bzw. Leserschaft deutlich starker einzubinden. Die heutigen Moglichkeiten, auf den Websites der Verlage die Niitzlichkeit bestimmter Links oder die Qualitat konkreter Artikel zu bewerten und zu rezensieren, sind noch immer unterentwickelt. Die stark Customer Energy getriebenen Empfehlungssysteme bei Online-Handlern wie Amazon oder Suchmaschinen-Betreibern wie Google sind dagegen langst eine Selbstverstandlichkeit. Die meisten der Verlage haben mittlerweile anerkannt, dass der vor allem durch die Digitahsierung und das Internet ermoglichte Siegeszug der Customer Energy nicht ignoriert oder aufgehalten werden kann, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, diese Entwicklung fiir sich zu nutzen, so gut es angesichts der groBen Unwagbarkeiten eben geht. Dies zeigt auch die Tatsache, dass sich der M&A-Markt im Verlagsbereich bereits wieder aufzuheizen beginnt. AUein in der ersten Jahreshalfte 2005 wurden von Zeitungsund Zeitschriftenverlagen im angloamerikanischen Sprachraum Transaktionen in einem Wert von insgesamt mehr als zwei Milliarden US-Dollar getatigt, bei denen Online-Firmen Ziel der Ubernahme oder einer Beteiligung waren. Neben dem bereits genannten Beispiel der Mehrheitsiibernahme an Topix.net durch US-Gro6verlage ist sicher der Erwerb von About.com - eine im amerikanischen Internet populare Ratgeber-Website - durch die New-York-Times-Gruppe fiir 410 Millionen US-Dollar die bekannteste Einzeltransaktion, die bereits wieder an die verschobenen WertmaBstabe aus der Zeit der New Economy erinnert, denn gezahlt wurde hier ein mehr als zehnfaches Umsatz-Multiple.
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Eine der Hauptfragen wird in der naheren Zukunft sein, ob den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen auf professionelle Art das gelingt, was ihnen ihre (ehemaligen) Leser heute bereits im World Wide Web vorexerzieren: den tJbergang von reinem Text und stehendem Bild zu Audio- und Video-Formaten. Die sich rasant entwickelnden Bandbreiten, mit denen auf das Internet zugegriffen wird, ermoglichen immer selbstverstandlicher auch den Umgang mit weiteren Bereichen der Multimedia-Anwendung. Was fiir die Musiktauschborsen die beginnende Verbreitung von DSL-Anschliissen war, die das File-Sharing immer umfangreicherer Datensatze ermoglichte, kann fiir Blogs und andere vom Nutzer betriebene redaktionelle Formate der Ausbau der DSL-Leitungen auf ADS 2+ Oder VDSL sein, mit denen Bandbreiten ermoglicht werden, die den schnellen Zugriff auf Files selbst im HDTV-Format zulassen. Die Print- und TV-Redaktionen sind darauf bisher nicht eingestellt, auch aufgrund der Medienrezeption, wie sie derzeit noch zu beobachten ist. Im klassischen redaktionellen Prozess werden ein Text- und ein Foto-Reporter/Kameramann an den „Tatort" geschickt - an multimediale Berichterstattung wird derzeit selten gedacht. Vorreiter sind wahrscheinlich wieder einmal Akteure, die auBerhalb der betroffenen Industrie stehen. Ein wegweisendes Beispiel gibt Yahoo! mit „Hotzone", dem „Kriegstagebuch" des in den USA weit bekannten Front-Journalisten Kevin Sites, der in seinem Blog auf Yahoo! taglich mittels Texten, kurzen Video-Filmen, vertonten Kommentaren etc. unmittelbar von den militarischen Brennpunkten der Erde berichten wird. Doch einige Verlage haben bereits die Zeichen der Zeit erkannt; so wurden beispielsweise die Reportagen, Analysen und Kommentare des New York TimesKolumnisten Nicholas Kristof auf nytimes.com zu wahren Multimedia-Events mit Audio- und Video-Files ausgebaut. Ob die Web Community infolge ihrer sich rasant verbessernden Produktionsmoglichkeiten in Kiirze ein qualitatives Niveau erreicht haben wird, das man allenfalls von Fernsehsendern kennt, muss gegenwartig unbeantwortet bleiben. Ob sich die Formate selbst dahingehend verandern, dass sie sich der - eher amateurhaften - Anmutung heutiger Blogs annahern, deren Rezeption dafiir Medien
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aber mit einer hoheren gefiihlten Authentizitat einhergeht, die wiederum fiir jeden Verleger ein hohes Gut darstellt, bleibt ebenso dahingestellt. Neben dem sich verandernden „Layout" der Berichterstattung ist dariiber hinaus noch unklar, wie so genannter Qualitatsjournalismus im digitalen Zeitalter noch finanziert werden kann, wenn vergleichbar den Entwicklungen in der Musikindustrie - nur wenige fiir die Nutzung der schopferischen Leistung bezahlen, viele aber das geistige Eigentum des Verlages in den Weiten des World Wide Web kostenlos nutzen. Hier wird ganz sicher ein Schlussel darin liegen, die bisher ungenutzte Customer Energy der Leser zu aktivieren und in den redaktionellen Prozess einzubinden. Vorstellbar ware eine Veranderung der Wertschopfungskette in ferner Zukunft dergestalt, dass die (immer kleinere) fest angestellte Redaktion nur noch korrigierend und anreichernd in die Such- und Filterfunktionen von Crawlern und anderen Systemen eingreift, die auf Basis von Blogs und anderen Ausfliissen der Customer Energy die mit der Marke verbundene Zeitung bzw. den zugehorigen OnUne-Ableger erstellen lasst. Selbst der investigative JournaUsmus konnte eine andere Facette bekommen, wenn er nicht langer nur allein auf einsamen Koryphaen des JournaUsmus fuBen miisste, sondern auf eine „Community" gleich gesinnter Leser zuriickgreifen konnte, deren Customer Energy zur Unterstiitzung der Recherche und Verbreitung der Ergebnisse nutzbar ware. Entscheidend allerdings wird sicherlich die Frage sein, iiber welches Tragermedium Zeitungen und Zeitschriften kiinftig konsumiert werden. Das so genannte „stationare" Internet ist per se immobil, der entsprechende Konsum der Online-Ableger der Printausgaben also an den Zugang zum PC oder zu anderen Ausgabegeraten gekoppelt. Fiir den mobilen Konsum hat sich bisher noch kein anderes Tragermedium durchsetzen konnen, das ahnlich komfortabel ist wie die Papierversion. AUe diesbeziiglichen Entwicklungen - von dem in seiner ersten Generation als gescheitert anzusehenden Pocket-Reader im Buchgeschaft bis zu angekiindigten Innovationen wie dem „Liquid Paper", das, obgleich elektronisch, dennoch an die Haptik von Papier heranreichen soil, oder virtuellen Displays, die Informationen sozusagen „in die Luft" pro80
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jizieren - haben sich bisher nicht derart manifestiert, dass von einer baldigen Massentauglichkeit ausgegangen werden konnte. Dabei soUten die Verlage hier ein hohes Interesse haben, die Entwicklung selbst voranzutreiben, damit sie nicht das gleiche Schicksal erleiden wie die Musikindustrie, deren groBter Hoffnungsschimmer ausgerechnet von einem der Industrie bis dato fremden Consumer Electronics-Hersteller ausgehen musste. Wie also, so lautet die Kernfrage, sieht das Modell der Printindustrie fiir ihre digitale Zukunft aus? Gehngt, wie von Apple demonstriert (iTunes und iPod), eine Kombination, die auf ideale Weise den Zugang zu und Konsum von Printmedien liber ein integriertes Endgerat offeriert - bei groBtmoglicher Content-Vielfalt? Vorstellbar ist eine Zukunft, bei der die Leser ihre Customer Energy entfalten, um selbst redaktionelle Leistungen zu produzieren und sich vor dem Konsum ebensolcher Leistungen so profiheren, dass das Angebot ihren Interessen entsprechend auf einem komfortablen Endgerat oder einem anderen digitalen Tragermedium konfiguriert wird. So konnten eines Tages die groBen Druckereien der Verlage als Industrie-Ruinen aus einem vor-digitalen Zeitalter ahnlich in der Landschaft stehen, wie es heute die Bergwerke, Kokereien und Stahlhiitten im Ruhrgebiet tun. Auch Werke und Logistikzentren der Musikindustrie waren dann in nicht allzu ferner Zukunft Geschichte.
AudioA^ideo: Noch iiberwiegen die „Couch Potatoes' Der Bereich der audio-visuellen Medien, also Film und Fernsehen, weist sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Wirkung von Customer Energy in der Musikindustrie und in den Printmedien auf. > Analog zur Situation in der Musikindustrie konnen viele Bedrohungen fiir die Film- und Fernsehindustrie ausgemacht werden. Insbesondere gibt es aufgrund der totalen Digitalisierung keine
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Beschrankung mehr in der Distribution. Bei weiter steigender Bandbreite der hausinternen Telekommunikationsanschlusse besteht aus Sicht der Filmindustrie eine ebenso groBe Gefahr des „rip, mix and burn" wie in der Musikindustrie. Sobald das Downloaden und Tauschen zwei- bis dreistiindiger Hollj^woodfilme schnell und einfach moglich wird, diirfte es den Blockbuster herkommlicher Art von heute auf morgen so nicht mehr geben. >^ Aufgrund des unangefochtenen Platzes des TV-Gerates im Wohnzimmer und der damit einhergehenden zentralen RoUe des Fernsehens im unterhaltenden Medienkonsum scheint die Fernsehindustrie gefeit vor den Bedrohungen durch Customer Energy. Da Kundenenergie dem Bediirfnis nach interaktiver Unterhaltung entspricht, vermutet man im „Couch Potato"-Dasein der TV-Zuschauer den „Kundenenergieschutzwall", den auch die Printindustrie in der bisher nicht zu ersetzenden Haptik des Tragermediums Papier und der uneingeschrankt mobilen NutzungsmogUchkeit von Zeitungen und Zeitschriften sieht. Gleichzeitig miissen auch die TV-Macher konstatieren, dass das Internet zunehmend multimedia! aufriistet. Deshalb kann auch der Werbung treibenden Industrie nicht entgangen sein, dass man im World Wide Web mittlerweile seiner Zielgruppe sehr direkt mit unterhaltsamer audio-visueller Werbung ohne groBe Streuverluste begegnen kann, wie sie bislang das Fernsehen monopolistisch fiir sich beanspruchte (trotz erheblicher Streuverluste). Im Ergebnis findet bereits eine kontinuierliche - wenn auch vom gesamten AusmaB her noch sehr iiberschaubare Wanderungsbewegung der Werbeinvestitionen von Print und TV in Richtung Internet statt. Ob diese Effekte ftir die Film- und Fernsehindustrie nun potenziell starker oder schwacher ausfallen als in der Musik- bzw. Printindustrie, soil im Verlauf der Wertschopfungskette erlautert werden. Customer Energy im Free TV manifestiert sich traditionell maximal im „Zappen" mit der Fernbedienung. Hier kann der Zuschauer Macht ausiiben, denn was ihm nicht gefallt, wird bekanntlich weggedriickt. Kein Wunder, dass die Werbeblocke konkurrierender Sender wie von Geisterhand gesteuert zu beinahe identischen Zei82
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ten ausgestrahlt werden. Versucht der Zuschauer, dem ersten Werbeblock zu entfliehen, landet er nur bei einem anderen Werbespot und lernt auf diese Art, dass er doch gleich „seinem" Sender treu bleiben sollte. Andererseits haben Free-TV-Sender in der analogen Welt auch das Problem, dass sie Uber keinen direkten Kontakt zum Konsumenten verfiigen und ihr Wissen iiber den Kunden nur aus aufwandiger Markt- und Zuschauerforschung beziehen konnen. Deshalb gibt es in Deutschland nur eine wirklich konkrete Form der Einbeziehung des Kunden in die Produktentwicklung bzw. die Programmplanung: so genannte Fernsehlabore und Testhaushalte. Zufallig ausgewahlte Durchschnittszuschauer bekommen in Fernsehlabors neu erdachte Formate vorgefuhrt, iiber deren Programmplatz noch entschieden werden muss. Oder sie kommen zum Einsatz, wenn es darum geht, einem Dauerlaufer, wie einer Daily Soap Oder einem moderierten Journal, durch frische Schauspieler, andere Moderatoren, neue Stories oder nur aufgefrischte Screen Designs neues Leben einzuhauchen. Diese Form der Programmforschung ist als zweite Evolutionsstufe anzusehen, die iiber die reine Messung der Zuschauerquote hinausgeht. Die Quotenermittlung, die bis vor kurzem den modernsten Stand der Fernsehforschung reprasentierte, liefert wie bisher rein vergangenheitsorientierte Statistik, ist damit aber nicht mehr auf dem neuesten Stand. Die rund 13 000 Menschen in iiber 5 000 deutschen TV-Testhaushalten, reprasentativ ausgewahlt, die mit ihren Fernbedienungen an einen Zentralrechner der GfK-Fernsehforschung angeschlossen sind, haben in jiingster Vergangenheit noch dariiber entschieden, ob Anke Engelkes „Late Night Talk" eine zweite Chance bekommt oder ob die „Hitparade der Volksmusik" zur Disposition steht. Jetzt gehen die Fernsehlabors noch ein Stiick weiter, weil hier Kundenenergie aktiv gefordert ist: Die Probanden beeinflussen direkt die Programmplanung, wenn sie an Messfiihler angeschlossen iiber korperliche Reaktionen wie Erregung, Abscheu oder nervliche Anspannung klare Signale versenden. Vergleichbares unternimmt auch die Filmindustrie, wenn neue Filme mehreren Previews vor einem Test-Publikum unterzogen werden. AnschlieBend werden unter Umstanden bestimmte Szenen geschnitten, moglicherweise
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ganz weggelassen oder gar eine der alternativ vorgestellten EndVersionen ausgewahlt. Trotz dieser Ansatze hat Customer Energy im traditionellen Prozess der Film-Produktion und der TV-Programmentwicklung in Deutschland prinzipiell keinen Platz. Vielmehr entdecken immer wieder erfolgreiche Produzenten mit dem „Riecher" fur den nachsten Kassenschlager groBe Stoffe, fiir die sie groBe Regisseure und Schauspieler begeistern. Die so entstehenden groBen Filme bzw. von den Studios gebtindelten Fiimpakete werden anschlieBend von nicht minder genialen Programmmachern in sagenumwobenen Zirkeln in Hollywood oder gar am Rande rauschender Partys der groBen Filmfestivals und Fernsehmessen eingekauft. Auch die Einkaufer wissen vermeintlich genau, was der Zuschauer will. Und der wird in Zuschauer-Clubs an den Sender, der seinen Geschmack so genau kennt, gebunden, damit er nicht allzu freiziigig von der Fernbedienung Gebrauch macht. Dariiber hinaus manifestiert sich die Customer Energy in der Selbstmontage einer SateUitenschtissel auf dem Dach, um die teuren Kabelgeblihren zu umgehen. Oder der Kunde vernichtet regelmaBig die briefliche Aufforderung der GEZ, doch die Fernsehgebtihren zu bezahlen. Im Extremfall betatigt sich der energiereiche Fernsehkunde als „Hacker" der Premiere-Verschliisselung. Von Seiten der Fernsehsender, sowohl der offentlich-rechtUchen als auch der privaten, werden Customer-Energy-trachtige Angebote in Deutschland noch gar nicht gemacht. Was die BBC bereits 2001 sehr offentlichkeitswirksam erprobt hat, konnte auch hier bereits Wirklichkeit sein und die Teilnehmer erfreuen, soweit sie das digitale Equipment schon besitzen. Die BBC hatte 2001 die Tennismatches von Wimbledon erstmals so tibertragen, dass die Zuschauer mit Hilfe eines auf dem Bildschirm anzuklickenden Auswahlmentis ftinf Moglichkeiten hatten, verschiedene Matches und Kameraeinstellungen alternativ zu beobachten und immer wieder neu auszuwahlen. Eine andere MogUchkeit, die die BBC in diesem Zusammenhang bereits ausprobiert hat, sind zusatzliche Informationen, Kommentare, Erklarungen zum Hintergrund, die zur Vertiefung, z. B. von 84
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Dokumentarfilmen, parallel zum eigentlichen Film abrufbar sind. Die BBC arbeitet kontinuierlich daran, diese Art von Programm ofter und immer besser anzubieten. Gelegenheiten gibt es genug: 2002 waren es die Olympischen Spiele, die FuBballweltmeisterschaft, die Commonwealth Games und andere GroBereignisse, die mit Moglichkeiten zur Zuschauerinteraktion prasentiert wurden. Permanent wird bei der BBC bereits zu alien Sendungen umfangreicher digitaler Text zuganglich gemacht, der, anders als der gewohnte Videotext, schnell zur Verftigung steht und leicht abzurufen ist. Man mag es bedauern oder auch erfreut sein, der totalen Medienumarmung zunachst entgangen zu sein, aber Fakt ist: Deutschland hinkt um Jahre hinterher. So wie bei der guten alten BBC im Fernsehen der Kunde mit seinen Bediirfnissen in die Programmgestaltung eingebunden ist, so durchsichtig wird er auch fur diese Anstalt, dank der digitalen Technik und des Riickkanals. Jeder Klick wird „aktenkundig", jede geschmackliche Vorliebe, jede Laune, jeder „Special Interest". Es wird zwar schwerer fiir die Anstalten bzw. die Werber, den Zuschauer wirklich zur Werbung zu lenken und ihn nicht zu verlieren, aber selbst wenn das passiert, kann das digitale Fernsehen ihn nun aufgrund der wesentlich intimeren Kundenkenntnis auch besser wieder „einfangen". Der kundenenergiefreie Zustand scheint sich nun flachendeckend zu andern, je mehr das Internet mit dem Fernsehen verschmilzt. Ausgerechnet Al Gore, Ex-Vizeprasident der USA und vermeintlich selbst ernannter Erfinder des Internet („... when I founded the Internet ...")^^ neuerdings Sender-Chef von current.tv, klingt wie ein Verkiinder der Customer Energy, wenn er davon schwarmt, dass das demokratische Element der Interaktivitat auf den Fernseher tibertragen werden konne, indem der Zuschauer selbst zum Mitgestalter des Programms werde und Richtung und Qualitat des Informationsflusses durch aktive Nachfrage mitbestimme. Dazu bietet current.tv eine Newsshow, deren Themenplanung an das 8 Tatsachlich handelt es sich dabei um einen reinen Versprecher, denn gemeint war „... when I found the Internet..." als Ausdruck von Al Gores erster Beruhrung mit dem zwar noch neuen, aber bereits existierenden World Wide Web.
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Verhalten Nachrichten suchender Google-Nutzer gebunden ist. Andere Sendungen werden tatsachlich direkt vom Zuschauer gestaltet: Der Zuschauer kann sich im „Studio"-Bereich der Website von current.tv mit eigenen Beitragen als Mitarbeiter „bewerben" und hat gleichzeitig per Voting Button die MogUchkeit, die dort zugangUchen Videos - eigene und fremde - fiir das Programm auszuwahlen.
Der Kunde - noch ein Versuchskaninchen Damit ist die RoUe des Kunden in der Produktentwicklung auch der fortgeschrittensten TV-Sender in erster Linie die eines Versuchskaninchens. In der Produktion kommt der Kunde liberhaupt nicht vor, sieht man einmal vom auf Kommando klatschenden und jubelnden Saalpubhkum oder den per Telefon mitspielenden Teilnehmern einer Quiz-Sendung ab. Diese Situation kann sich dramatisch andern, wenn sich die Transportinfrastruktur so schnell wandeln soUte, wie dies gegenwartig den Ankiindigungen der Kabelnetzbetreiber und kiinftig insbesondere auch der Festnetzbetreiber aus der Telekommunikationsindustrie zu entnehmen ist. Ein schneller und signifikanter Ausbau des Breitbandkabelnetzes kann vergleichbare Entwicklungen nach sich ziehen, wie sie in der Musikindustrie zu beobachten waren, als die Wertschopfungsstufe der Distribution erstens digitahsiert und zweitens mit so viel Bandbreite ausgestattet wurde, dass nicht nur ein aktiver Austausch der Konsumenten untereinander mogUch wurde, sondern eine Verschmelzung von Produktion und Distribution infolge sich rasant ausbreitender Peer-to-Peer-Aktivitaten eintrat. Fiinf Entwicklungsstufen sind hier auszumachen: > Erstens ist allerorten ein Wettbewerb der Infrastrukturen zu beobachten, bei dem sich infolge der Digitalisierung - hier: der hoheren Komprimierung des zu sendenden Signals und mithin der Fahigkeit zur Ausstrahlung mehrerer Kanale bei gleicher Kapazitat - und dem anschUeBenden schrittweisen Ausbau der verfugbaren Bandbreiten die Moglichkeiten zur Verbreitung von mehr und zudem qualitativ hoherwertigen sowie zunehmend interaktiven Inhalten nachhaltig verbessern werden. Per Satellit 86
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konnen digitale Programme schon lange ausgestrahlt werden, und die theoretisch unendliche Reichweite ist praktisch allein abhangig von dem Durchdringungsgrad der Haushalte mit digitalen Empfangsgeraten und Decodern (Settop-Boxen). Die terrestrische Ausstrahlung wurde gerade in den meisten deutschen GroBstadten von analoger auf digitale Signalverbreitung (DVBT) umgestellt, so dass nunmehr auch da deutlich mehr als 20 Programme empfangen werden konnen, wo bisher nur ARD, ZDF und das jeweilige dritte offentlich-rechtliche Programm konsumiert werden konnten. Die Kabelnetzbetreiber sind ebenfalls dabei, ihre Netze um- und aufzuriisten, so dass die angeschlossenen Kabelhaushalte statt bisher knapp 30 kiinftig iiber 100 Programme empfangen und zugleich den Zugang ins High Speed Internet finden konnen. Da iiber dieses Breitbandkabel schheBlich auch (Internet-)Telefonie mogUch wird, sehen sich die Festnetzbetreiber gezwungen, ihre DSL-Netze ihrerseits so stark auszubauen, dass auch Entertainment-Formate transportiert werden konnen. TVoDSL oder IP-TV sind derzeit in aller Munde, und jtingst hat z. B. die Deutsche Telekom angekiindigt, iiber die nachsten Jahre drei Milliarden Euro in den Ausbau ihres Netzes zu investieren, um Haushalte mit Kapazitaten von bis zu 50 MBit/s zu versorgen. Dies entspricht etwa der acht- bis neunfachen Datenrate dessen, was zur Ubertragung eines heute iiblichen TV-Signals in guter Qualitat erforderlich ist. >^ Zweitens darf davon ausgegangen werden, dass der Kunde auf Grundlage dieser Moglichkeiten seine Customer Energy in einer ahnlichen Weise entfalten wird, wie dies die Musikindustrie auch erleben musste. Bereits heute sind die Mehrheit der iiber Internet-Borsen getauschten Dateien in den Peer-to-Peer-Netzwerken Video-Dateien, auch wenn diese Video-Dateien von der Anzahl noch hinter den deutlich weniger Speicherplatz beanspruchenden Soundfiles liegen. Noch immer haben die Hollywood-Studios keine wirklich mit einem umfangreichen, attraktiven Katalog ausgestattete und in ihrer Benutzung komfortable Download-Plattform im Internet gelauncht, von Insellosungen einzelner Betreiber mit meist eher unattraktivem Content einmal abgesehen. Bereits kursieren die Geriichte, dass erneut
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Steve Jobs als weiBer Ritter in Erscheinung treten muss, um nach den Plattenfirmen nun auch die Filmindustrie mit einem auf Video-Konsum ausgelegten iPod und zugehoriger Plattform („iViews"?) zu retten. Vielmehr beschreiten die HollywoodStudios vor allem den Weg, den auch die Musikindustrie allzu lange gegangen ist: Sie verklagen Tauschborsen und File-Sharer, ohne parallel ein komfortables legales Angebot zur Verfiigung zu stellen. Nicht unerwahnt soil dabei bleiben, dass viele Hollywood-Blockbuster bereits zu einem sehr friihen Zeitpunkt in der Verwertungskette ihren Weg in die illegalen Tauschborsen finden. Entweder durch Leeks in ihren eigenen Reihen (z. B. durch „abhanden" gekommene Master-Tapes im Rahmen der PrePromotion) oder durch Energie geladene Raubkopierer, die mit einer digitalen Video-Kamera ausgestattet nicht mehr als den Preis einer Kinoeintrittskarte investieren sowie die strafrechtliche Verfolgung riskieren miissen, um an eine qualitativ minderwertige Kopie zu gelangen. In der Folge wurden die Verwertungsketten drastisch verkiirzt, um nach der Kino-Premiere moglichst schnell ins DVD-Kaufgeschaft (mittlerweile Hauptumsatztrager HoUywoods) eintreten zu konnen und dort keine Umsatzverluste durch Raubkopien zu erleiden. >^ Die groBten Bestrebungen, auf Grundlage der breitbandigen Kapazitaten neue Geschaftsmodelle aufzusetzen, werden von den Infrastrukturbetreibern ausgehen. Diese miissen einerseits versuchen, ihre Infrastrukturinvestitionen zuriickzuverdienen, andererseits - im Falle der neuen Marktteilnehmer - wegbrechende Erlose infolge des zunehmenden Wettbewerbs in der Sprachtelefonie bis hin zur voUigen Entwertung der Festnetztelefonie durch Internettelefonie (Voice over IP) zu kompensieren. Erste mit einem extrem schmalen Katalog ausgestatteten und aufgrund langer Downloadzeiten eher unattraktiven VODAngebote existieren bereits seit langerem, und weiteres Geld wandert nach Hollywood, zur FIFA oder in die nationalen Sportligen, um diese Angebote iiber hochwertigeren Content aufzuwerten. Andererseits miissen die Telekommunikationskonzerne als „alternative" Broadcast-Dienstleister neue interaktive Formate suchen, da in den meisten Landern eine hinrei-
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^ Massiv drangen schlieBlich auch die groBen Internet-Portale in multimediale Angebote iiber das Internet. Ganz selbstverstandlich bieten AOL und Yahoo! ihren Usern heute Musik, Videos, Nachrichten-Videoclips oder exklusive Streamings von Konzerten. Dazu kommen bei AOL exklusiv fiir den Zugriff im Internet produzierte News-, Reality- und Gossipshows. Ganz neues Terrain schlieBlich betritt gerade Yahoo! mit dem derzeit viel besprochenen Kriegstagebuch des Front-Journalisten Kevin Sites, das Yahoo! vor kurzem als Beginn einer redaktionellen Qualitatsinitiative aus der Taufe hob. Seit September 2005 ist Kevin Sites, aus dem US-amerikanischen Fernsehen bekannter Kameramann und Frontberichterstatter bei einer ganzen Reihe von Kriegen, mit seiner „Hotzone" auf Sendung. Schreibend (ein Artikel taglich sowie regelmaBige Eintrage in sein Tagebuch), filmend (exklusive Filme direkt von der Front), podcastend (in Form von Audio-Blogs) und fotografierend (eine Diashow mit fiinf bis zehn exklusiven Bildern) berichtet Sites in seinem „Multimedia-Blog" von alien Kriegsschauplatzen der Welt. Abgerundet wird das in der Medienlandschaft einzigartige Format durch einen redaktionell bearbeiteten Feature-Beitrag in Filmform einmal pro Woche sowie gelegentliche Beitrage im Forum der Webseite sowie Chats mit den Usern. Auch wenn die Customer Energy sich hier weiterhin primar in der Rezeption des Formats abspielt, wird doch bereits deutlich, wie viel interaktiver der Me-
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dienkonsum der Zukunft sein kann und fiir viele Nutzer sicherlich auch sein wird. >^ Entsprechend darf der fiinfte Entwicklungsschritt darin vermutet werden, dass die Konsumenten zunehmend auch in die RoUe des Produzenten wechseln werden, da in der digitalen Welt die Kosten fiir Produktion und Distribution dramatisch gefallen sind und weiter fallen werden. Schon heute ist in der westlichen Welt eine Durchdringung von „Heimproduktionsstudios" und „Home Entertainment-Anlagen" - digitale Foto- und VideoKamera, PC mit Bild- und zunehmend auch FilmbearbeitungsSoftware, DVD-Brenner, hochauflosender Flatscreen, Dolby Surround-Sound-Anlage etc. - vorhanden, die es jedem, der geniigend Customer Energy verspiirt, erlauben, sein eigener Regisseur zu werden. Langst sind Diashow-Abende nach einer Urlaubsreise wieder modern, jedoch gleichen sie heute eher professionellen Beamer-Vortragen oder Kino-Previews denn GroBvaters Pantoffelkino. Katalysiert durch den rasanten Ausbau der Bandbreite im Internet ist es von hier nur ein kleiner Schritt fiir den Hobby-Regisseur, die eigenen Produktionen in Form von Video-Blogs oder anderen Anwendungen auch einer breiteren OffentUchkeit vorzufiihren. Da nicht jeder musizieren und singen, aber fast jeder fotografieren oder gar filmen kann (bzw. dies zu konnen glaubt), steht zu vermuten, dass die Bewegung der Customer Energy von der (illegalen) Teilhabe an der Distribution vorgefertigter Medien hin zur Produktion eigenen Contents bei audiovisuellen Formaten schneller verlaufen wird, als dies bei der Musik der Fall ist. Die sich abzeichnenden Umwalzungen auf der Infrastrukturebene Ziehen auch absehbar Veranderungen auf den Wertschopfungsstufen Marketing und Vertrieb nach sich. Um diese genauer analysieren zu konnen, ist zunachst ein Blick auf die traditionellen Erlosmodelle erforderlich. Das in Deutschland - wie in kaum einem anderen Land - vorherrschende Free TV finanziert sich primar iiber Werbeeinnahmen. Genauer gesagt: mit durchschnittlich 289 Werbespots pro Woche, was laut der Agentur Initiative Futures Worldwide noch unter dem globalen Durchschnitt von 561 Werbespots und deutUch unter den 817 Spots pro Woche in den USA hegt. Als Medien
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klassisches Point-to-Multipoint-Medium verfiigt das Fernsehen iiber keine direkten Kundenkontakte, sondern bezieht sein Wissen (siehe oben) allein aus der Zuschauerforschung. Dies wiederum ist die zentrale Grundlage, mit der auf Basis des eigenen Programmschemas iiber die sendereigenen Vermarkter Reichweiten an Werbekunden bzw. die sie vertretenden Agenturen verkauft werden. Der Zuschauer mit seiner Customer Energy kommt also in diesem Prozess nicht als Subjekt, sondern nur als Objekt der Marktforschung vor. So kann es denn auch geschehen, dass die Programmmacher glauben, zu senden, was der Kunde will, namlich immer mehr so genannte Doku-Soaps, „Real Life"-Formate und Talkshows mit Gasten, die auch unsere ungeUebten Nachbarn sein konnten. Die Quoten stimmen, aber plotzUch auBert sich der GroBinquisitor der deutschen Fernsehkritik, Harald Schmidt, und bezeichnet derartige Programmfarben als „Unterschichtenfernsehen". Daraufhin beginnen die Media-Agenturen, die gestern noch munter Werbeplatze in diesen Programmfenstern gebucht haben, einen deutHchen Reichweitenverfall festzustellen, und erste Marketing-Manager behaupten, in solchen Umfeldern Uberhaupt nicht mehr werben zu woUen. Kurz: Sie alle verlangen nach mehr QuaHtat. Wie aber Qualitat und Reichweite wirklich zusammenhangen, dariiber lasst sich trefflich - und vermutlich ausschlieBlich - streiten. An dieser Stelle greift nun seit einiger Zeit die Customer Energy ins Geschehen ein: Immer mehr Zuschauer (und damit Reichweite) wandern vom Fernsehen ins Internet ab, und die Werbung folgt ihnen konsequent. So miissen Programmplaner und Vermarkter feststellen, dass die Kernzielgruppe, also die Zuschauer zwischen 14 und 49, nicht wie gewohnt mit zunehmendem Alter mehr Fernsehen konsumieren, sondern ab 14 sehr schnell das Internet zu ihrem Leitmedium machen. Das Fernsehgerat bleibt wichtig, aber nicht das Free TV, sondern es wird verstarkt als Screen fUr Spielekonsolen wie XBOX, Play-Station oder Game Cube genutzt. Dazu kommt, dass die Digitalisierung die zunehmende Verbreitung von PVRs (Personal Video Recorder), die - in Verbindung mit entsprechender Software (z. B. beim bekanntesten Gerat dieser Gattung mit rund drei MiUionen Kunden, dem US-amerikanischen TiVo) -
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in der Lage sind, durch das so genannnte Time-Shifting Werbeblocke ganz auszublenden. Beide Effekte laufen darauf hinaus, dass das traditionelle Free TV die Customer Energy in Form sinkender Werbeeinnahmen zu spiiren beginnt und daher versucht, andere Erlosquellen zu erschlieBen. Diese Quellen bietet - paradoxer- oder iogischerweise - der abtriinnige Kunde. Neben dem bekannten Merchandising in Form von CD- und DVD-Auskopplungen aus bestehenden TV-Formaten sind dies insbesondere der Aufbau von Call-in-Sendungen oder ganzen Sendern nach Call-in-Prinzip, die gerne als „Mitmachfernsehen" bezeichnet werden. Hier darf am Fernseher gespieit, gewettet oder einfach nur abgestimmt werden. So neu sind diese Formate nicht, denn man befindet sich in bester Tradition: Schon die ersten „interaktiven" Formate der friihen 60er Jahre, als die Zuschauer dazu aufgefordert wurden, durch Benutzung der Klospiilung oder des Lichtschalters aktiv mitzumachen. Die Wasser- bzw. Elektrizitatswerke nahmen dann mit der „Auswertung" das vor, was einige Jahre spater durch die „TED"-Umfragen geleistet wurde. Der nicht unerhebHche Unterschied Hegt nur darin, dass heute die HothneAnrufe oder SMS-Votings den Zuschauer erhebUche Gebtihren kosten und zu einer wichtigen Einnahmequelle ftir die Sender geworden sind. Pay TV schheBHch bietet dem Zuschauer die direkteste Form der ZuschauerbeteiUgung durch das Abonnement von Programmpaketen Oder die Bezahlung einzelner Sendungen als Pay-per-View. So kommt nun selbst in der Free-TV-Hochburg Deutschland durch Customer Energy das TV-Geschehen in Bewegung, denn die groBeren Kapazitaten bei der digitalen Programmdistribution fiihren gleichzeitig zu geringeren Kosten beim Betrieb eines Senders. Der zunehmenden „Verspartung" der TV-Landschaft in immer weitere Special-Interest-Kanale sind bei einem voll aufgeriisteten Kabel bzw. einem Hochgeschwindigkeits-DSL-Netzwerk zumindest keine kapazitativen Grenzen mehr gesetzt. Schon zitiert der „Spiegel" den Yahoo!-CEO Terry Semel mit den Worten: „Man wird dann keine 1 000 Fernsehsender haben, sondern eine unbegrenzte Anzahl von Kanalen." Je kleiner aber die Reichweite eines
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auf eine enge Zielgruppe ausgerichteten Senders, desto weniger funktioniert eine Senderfinanzierung ausschlieBlich iiber Werbeeinnahmen^ bzw. desto notwendiger wird die Positionierung als Pay-TV-Kanal. In umgekehrter Richtung konnen die drohenden Rlickgange der Werbeeinnahmen im digitalen TV-Umfeld aber auch als Chance fiir die Sender gesehen werden, sich Moglichkeiten zur Nutzung der Customer Energy zu erschlieBen. Wesentliches Merkmal der digitalen Programmverbreitung per Kabel - sei es im traditionellen Kabelfernsehen aus Glasfaser oder bei DSL-AnschlUssen aus Kupfer - ist die Ruckkanalfahigkeit. Damit eroffnet sich den Fernsehsendern die Moglichkeit, erstmals ohne Medienbrtiche in unmittelbare Interaktion mit ihren Zuschauern zu treten und hinsichtlich der Programmgestaltung nicht auf die anonyme Zuschauerforschung vertrauen zu miissen. Wenn der Kunde in Zukunft bestimmte Tasten auf der Fernbedienung betatigt, wird es fiir die Sender moglich, unmittelbar nachzuvollziehen, was den Zuschauer interessiert und was ihn langweilt, welches beworbene Produkt er naher kennen lernen mochte und welche Werbung eher als storend empfunden wird. Erstmals wird damit eine Form von Customer Service oder After Sales Service moglich.
Der Zuschauer gewinnt, aber w o bleibt die Energie? Der Zuschauer kann vom Wohnzimmersessel aus in interaktive Programmformate eingreifen, ohne dass er dazu parallel eine SMS per Handy versenden oder einen Anruf von seinem Festnetztelefon tatigen muss. Selbst die Pay-TV-Betreiber, die bisher immerhin Aufschluss dariiber hatten, welcher Zuschauer welches Programmpaket abonniert hat, konnen kiinftig detaillierte Informationen dariiber erhalten, welche Sendungen innerhalb der Pakete tatsachlich bevorzugt werden. Ein derart exploriertes Umfeld wird auch die 9 So kostet ein 30-Sekunden-Spot in der Prime Time auf dem digitalen Spartensender TV.Gusto 356 Euro und verursacht damit nur einen Bruchteil der Kosten fiir eine vergleichbare Platzierung in einem analogen VoUprogramm.
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Werbung treibende Industrie wieder mehr zu schatzen wissen, denn sie kann nun die potenziellen Empfanger ihrer Werbebotschaften wesentlich zielgenauer ansteuern und mithin teure Streuverluste minimieren, ja sie kann sogar Abrechnungsmodelle einftihren, bei denen die Vergiitung der Sendeplatze direkt an der Anzahl resultierender Transaktionen bemessen wird. Das mag dem Leser alles bekannt vorkommen. Natiirlich, denn das alies gibt es schon, namlich im Internet, wo die Portale gegenwartig massive Bestrebungen unternehmen, mindestens so multimedia! zu werden, wie das Fernsehen es heute ist, damit das Fernsehen nicht allzu schnell so interaktiv wird wie das Internet es bereits ist. In beiden Fallen profitiert der Konsument, der in diesem Umfeld seine Customer Energy wesentlich freier entfalten kann als in der alten analogen und unidirektionalen TV-Welt. Deshalb ist derzeit erst der Anfang einer groBen Customer-Energy-Welle bei Film und Fernsehen zu beobachten. Diese Energie wird ihre Kraft umso starker entwickeln, desto weiter verbreitet entsprechende Endgerate sind, die als Enabler fiir diese Kundenenergie fungieren konnen. Dies ist ein ahnliches Problem, das auch die Printmedien noch zu losen haben, womit der Kreis geschlossen ware.
Musik: „Klingt gut'' reicht nicht mehr Schuld sind wieder mal die Deutschen, die ansonsten in den 90er Jahren nicht durch besondere Innovationen hervorgetreten sind. Wenn am 14. Juli 1995 die Wissenschaftler am Erlangener Fraunhofer-Institut fiir Integrierte Schaltungen nicht nach strategischem Nachdenken und geduldigem Ausprobieren das „MP3"-Format erfunden hatten, ware die weltweite Musikindustrie heute noch genauso, wie sie jahrzehntelang war: hoch profitabel, ohne Kostenprobleme, mit Riesenetats fiir Promotion und dicken Gehaltern fiir die Plattenbosse und andere Mitarbeiter - von den Einkiinften der Kiinstler ganz zu schweigen. Durch die Erlanger Erfindung wurde alles anders. Medien
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Danach hatte es zunachst nicht ausgesehen, denn die Erfindung von MPS wurde nicht als bahnbrechend erkannt und kam deshalb erst mit erheblicher Zeitverzogerung zum Tragen. Das lag unter anderem daran, dass sich die Musikindustrie nach einigen fetten Jahren noch viel zu sehr auf ihren neuesten Coup, die damals zehn Jahre alte Compact Disc, fixiert war und alles daftir tat, diese Quelle unermesslichen Reichtums zu schiitzen. Dass sich etwas andern wUrde, lag in der Luft, aber die einen nahmen es nicht wahr, und die anderen konzentrierten sich darauf, das Neue zu bekampfen, well es das bisherige Geschaftsmodell bedrohte. Heute aber lasst sich sagen, dass die Customer Energy wie ein Tsunami Uber die Musikindustrie hinwegfegte. Starker als in jedem anderen Industriezweig, der mit der Digitalisierung in Beriihrung kam, veranderten sich die Strukturen in der Musikindustrie. Aber es traten neue Player in Erscheinung, die es besser verstanden, von der Customer Energy Gebrauch zu machen, auch die Wertschopfungskette der traditionellen Musikindustrie war plotzlich nicht mehr die alte, konnte es nicht mehr sein. Urspriinglich hatte die Wertschopfung in der Musik damit begonnen, dass ein mehr oder weniger genialer Kiinstler ein Unternehmen fand, das bereit war, ihm unter Einsatz hoher Investitionen zu Erfolg zu verhelfen und diesem Unternehmen damit Geld in die Kasse brachte. SchheBlich hatte kein junger Kiinstler, so genannte New Talents, das Geld, um 100 000 Euro und mehr fUr einen erfolgreichen Produzenten, bis zu 300 000 Euro fiir eine aufwandige Studio-Produktion und noch mehr Geld fiir Marketing zu investieren, geschweige denn einen Partner fiir die Produktion und Distribution seiner CDs zu finden. Umgekehrt schaukelte sich die Musikindustrie im Werben um erfolgreiche Kiinstler gegenseitig hoch, indem immer hohere „Advances" gezahlt wurden. Den Gipfel markierte hier EMI, die sich die Verpflichtung von Robbie Williams zur Einspielung von vier CDs 125 Millionen Euro kosten UeB - bevor der Kiinstler iiberhaupt ein Studio betrat. Und dies, obwohl spater auch noch zwischen zehn und 15 Prozent des Einzelhandelspreises einer CD an den Kiinstler flossen. Die Plattenfirmen bezogen also ihre Daseinsberechtigung im Wesentlichen daraus, dass sie einen kostenintensiven Apparat aus finanziellen, produktions- und 96
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marketingtechnischen sowie logistischen Mitteln vorhielten, der erforderlich war, um einen Kiinstler zu „breaken". Schon auf den ersten Blick lasst sich konstatieren, dass diese simple traditionelle Wertschopfung durch die Kundenenergie in alien Bereichen stark verandert wurde. Friiher wurden Hits einfach „gemacht". Ein Sanger musste einigermaBen singen konnen, musste gut aussehen und musste bei den Jugendlichen eine Saite zum Klingen bringen, je nach „Fach" eine unterschiedliche. Die A&R-Manager (Artist & Repertoire - vergleichbar einem Produktmanager in der KonsumgUterindustrie) waren damit jahrzehntelang die wichtigsten Leute in den Plattenfirmen. Ihr Job bestand darin, genau zu wissen, welche Saiten es waren, die zum Klingen gebracht werden mussten und welche Kiinstler es schaffen konnten und welche nicht. Damit basierte das Musikgeschaft weniger auf betriebswirtschaftlichen Regeln bzw. auf Logik und noch weniger auf Marketing-Aspekten. Marktforschung, Marketingstrategien, Customer Intimacy? Viel zu sachlich und exakt, denn es ging weit mehr um Einschatzungen und Emotionen. Solange die alten Regeln galten, blieben die Intuition und die Einschatzung der alten Hasen die entscheidenden Kriterien. Lag ein A&R-Manager mit seinen Annahmen und Schatzungen meistens richtig, gait sein Wort bald als strategisch entscheidend. Es ging dann nur noch darum, den „todsicheren Tipp" so umzusetzen, dass sowohl am Primarprodukt, also der Uber den Handel vertriebenen CD, als auch an den Rechten der im Radio und im Music-TV gespielten Titel ordentlich verdient wurde. Marketing war kein ernsthaftes Problem: Die Radiosender wurden regelmaBig groBziigigst bemustert und von Kiinstlern und ihren Betreuern besucht. Hier gait die schone Regel: Je ofter ein Song gespielt wird, desto ofter wird er gekauft - was sich von Fall zu Fall wieder bewahrheitete. Mit Fernsehproduzenten war es etwas aufwendiger, aber auch hier spielten gut gepflegte Beziehungen eine Riesenrolle. Das musste nicht MTV sein. In den besten Zeiten geniigte es schon, ein mittelprachtiges Musikstuck in einer Tatortfolge als Hintergrundmusik zu spielen, um die Verkaufe in die Hohe schnellen zu lassen. Ein Auftritt bei „Wetten das" - und schon war der Hit gemacht. Wenn das nicht ausreichte, waren da auch noch Medien
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die Konzertveranstalter, die aus Eigeninteresse am immer groBer werdenden Konzertgeschaft wesentliche Teile des Marketing ftir die Musikfirmen mit ubernahmen, indem sie dafiir sorgten, dass die Tour zur aktuellen CD moglichst bis in den letzten Winkel des Landes reichte. Bei naherer Betrachtung musste schnell klar werden, an welchem seidenen Faden dieses so wenig iiberschaubare Geschaftsmodell hing: Der geschaftliche Erfolg hing letztlich davon ab, wie genau die Plattenfirmen in der Lage waren, die zu erzielenden Plattenverkaufe eines Kiinstlers abzuschatzen, denn dies bestimmte zum einen die Hohe der an den Klinstler maximal zahlbaren Royalties, zum anderen die eigene Planung von Produktion und Distribution. SchlieBlich hing der Umsatz an einem physischen Tontrager, der im ungiinstigen Falle entweder als totales Kapital im Lager „verwelkte" Oder fUr entgangenen Umsatz sorgte, wenn er nicht in der erforderlichen Menge am Point-of-Sale vorhanden war. Entsprechend war die Logistik-Kette (vom Release-Date bis zum InStore-Date) im Kern Uber den Geschaftserfolg entscheidend, weil eine nach 14 Tagen noch nicht abverkaufte CD bereits wie Blei im Regal lag. Auch der so genannte Back Catalog war prinzipiell totes Kapital, da geringe Stiickzahlen von inaktuellen Songs nicht profitabel verkauft werden konnten. Aus diesen Griinden war die Prognosequalitat der Plattenfirmen so zentral ftir ihr Geschaft - und die wiederum hing letztlich ab vom Bauchgefiihl des A&R-Managers. Wie aber kalkulierten die Verantwortlichen dieser Industrie, wenn das subjektive Empfinden Einzelner eine solch fundamental Bedeutung hatte? Erzielt wurde im Durchschnitt eine Hitquote von gerade einmal einem (bis in besten Jahren maximal zehn) Prozent der produzierten Titel, die aufgrund einer extremen Form der Mischkalkulation die gesamte Industrie, die vornehmlich fiir die 99 Prozent Nicht-Hits verantwortlich zeichnete, am Leben hielt. Damit war klar, dass das Geschaft nur solange funktionieren wiirde, wie die aus Endkundenperspektive iiberteuerten Tontrager, in erster Linie die CDs, mit Top-Hits zu verkaufen waren. Wenn aber ein Hit gelandet werden konnte, dann war dieser Umstand eine „self-fulfilling prophecy". Der Titel stand in der Regel von Anfang an unter einem guten Stern, wurde sehr schnell Lieb98
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ling der DJs im Radio und den Diskotheken und deshalb viel gespielt. Je mehr er sich deshalb verkaufte, desto mehr wurde er auch wieder gespielt bis zur Goldenen oder gar Platin-Schallplatte. Solange es nur schwarz oder weifi gab, also einen Titel, der in nennenswerter Anzahl gekauft wurde und 99, die so gut wie gar nicht gekauft wurden, war es verstandlich, dass man nicht die Nahe des als unberechenbar geltenden Kunden suchen musste, denn die meisten waren ohnehin uninteressant. Deshalb bheb der Kunde der Musikindustrie nebulos, gar kein Vergleich mit den Marktforschungsaktivitaten, Kundenbefragungen etc. der Konsumgiiterunternehmen, die sich letzendlich auch nicht besser am Markt behaupten konnten als ein Musikkkonzern mit wenigen erfolgreichen Stammkiinstlern und einigen One-Hit-Wonders. Im Ergebnis zahlte die Musikindustrie traditionell nicht zu den groBten Kunden der Marktforschungsinstitute - ganz anders als Medienunternehmen wie TV-Sender oder Zeitschriftenverlage, die sich primar tiber Werbung finanzieren und daher ihren Werbekunden bestmogUchen Aufschluss tiber die eigenen Medienkonsumenten geben miissen. Und auch die eigenen Bemiihungen, mit den Kunden in Kontakt zu treten, waren eher als „ruhrend" zu bezeichnen, etwa wenn die CD-Booklets mit Response-Elementen versehen wurden, anhand derer die Kaufer Kontakt zu der Plattenfirma aufnehmen und sich fiir eine weitere Ansprache profiheren konnten. So entstanden immerhin direkte Beziehungen zu Fan- und Musik-Clubs, die allerdings gemessen am Gesamtabsatz einen nur verschwindenden Anteil ausmachten. Das Gros des Geschafts lief tiber die Theken des Einzelhandels - und dessen Kunden und deren Praferenzen waren nicht einmal den Retail-Ketten personlich bekannt (und mithin direkt adressierbar), allenfalls den immer weiter aussterbenden Record Stores, den Xante Emma-Laden der Musikindustrie. Diese paradiesische Situation wurde abrupt und dauerhaft unterbrochen als die Digitalisierung die Branche buchstablich voUig umkrempelte. Der Kunde zog sich Kopien seiner CDs als MP3-Files auf den Personal Computer (rip). Er entwickelte neue Produkte, indem er seinen eigenen Mix zusammenstellte (mix) und groBziigig tiber Peer-to-Peer-Tauschborsen an Gleichgesinnte distribuierte. Gleichzeitig wurden die Dateien auch auf CD gebrannt (burn) und
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ebenso wirksam an die verteilt, die noch Wert auf die silbernen Scheiben legten. Von diesem Rip-Mix-Burn zum „Eigengebrauch" und zur (kostenlosen) Verteilung an Freunde (derselben Musik), musste man die professionellen Raubkopierer trennen. Diese wurden dank giinstiger gewordener Technologie besonders im „burn"-Bereich tatig und schadigten die Musikindustrie zusatzlich massenhaft, indem sie eine eigene „Kundenenergie" entwickelten, die Industrie dann aber auf dem Schwarzmarkt mit den eigenen Waffen, also kleinen silbernen Scheiben, schlugen. Aus diesem Grund haben sich auch viele Majors aus Markten wie China, Russland, Lateinamerika und Siidwest-Europa, wo eine hohere Preissensibilitat und geringere Zahlungsbereitschaft fiir teure Album-CDs herrschen, auch zuriickgezogen oder halten ihre Marktprasenz auf kleiner Flamme. So oder so geht die alte Mischkalkulation nicht mehr auf, denn die hohe Flop-Rate bleibt. Sie wird aber nicht mehr durch unermessliche Einnahmen fiir einige wenige Top-Hits kompensiert, weil die Produktions-, Marketing-, Distributions- und indirekten Stiickkosten zu hoch sind gemessen an den immer kleineren Verkaufsauflagen der auf der Mischkalkulation basierenden, den GroBteil der Erlose tragenden Album-CD. Und gerade die Top-Tunes sind es, die illegal die Runde machen. Nicht mehr die immer kleiner werdenden CD-Verkaufszahlen bestatigen die Popularitat eines Stiickes, sondern die Radio-Airtime und die Daten zum illegalen Download. Auch legale Downloads losen das Problem (noch) nicht, denn hier werden grundsatzlich nur einzelne Titel gekauft, die massenweise produzierten B-Titel, die auf CDs zusammen mit dem Top-Hit automatisch verkauft wurden, werden nun keines Blickes mehr gewtirdigt und bringen auch legal keinen Erlos. In Ermangelung einer genaueren Kundenkenntnis wird es auch schwierig, fiir die weniger interessanten Titel gezielt noch Kaufer in Nischen zu finden. So wird es noch eine Weile dauern, bis das legale digitale Musikgeschaft mit Downloads von Songs und Klingeltonen eine Dimension erreicht hat, mit der die Umsatzriickgange aus dem CD-Geschaft mehr als kompensiert werden konnen. Dann aber besteht auch eine Chance zur Erreichnung neuer Profitabilitatsniveaus, denn digitale Musik geht auch mit deutlich geringeren
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Produktions-, Distributions- und Vertriebskosten einher. Und wo nicht mehr gepresst und physisch transportiert werden muss, konnen auch einzelne Songs fur 99 Cent profitabel verkauft werden. Dass dies aber schwierig ist, zeigen die aktuellen Ermittlungen eines US-Staatsanwalts, der tiberpriift, ob die Major-Plattenfirmen unerlaubte Absprachen getroffen haben, um den in Online-Musik-Shops handelstiblichen Download-Preis von 99 Cent gemeinsam anzuheben, von dem sie derzeit immerhin zwischen rund zwei Dritteln und 80 Prozent selbst erhalten.
Erste Schritte in die ungewisse Welt der Customer Energy Inzwischen hat die Musikindustrie angesichts der Tatsache, dass das digitale Zeitalter kein Zuruck kennt, erste vorsichtige Schritte unternommen, die einmal entfesselte Customer Energy zunachst einmal kennen zu lernen und sich ihrer auch bereits vorsichtig zu bedienen. >" Im Bereich der Produktentwicklung wird im File-Sharing-Verfahren Spyware unter die Leute gebracht, die ermittelt, welche Songs wie haufig von Peer-to-Peer-Servern heruntergeladen und getauscht werden. Nicht allerdings, wie man meinen konnte, um die Urheberrechtsverletzer dingfest zu machen und zu verfolgen. Vielmehr Uefern BigChampagne und andere lupenreine Marktforschungsinformationen an die Musikindustrie, die diese Informationen nutzt, um SortimentspoUtik- und PromotionEntscheidungen zu optimieren: Was getauscht wird, wird auch nachgefragt ... In eine ahnUche Richtung gehen Forschungen und Tests mit ErfolgswahrscheinUchkeitsalgorithmen, die anhand bestimmter Muster in den Kompositionen erkennen soUen, welcher Song das groBte Hit-Potenzial besitzt. AhnUch gelagert war auch bereits der auf der Popkomm 2004 in BerUn ausgelobte RECO.ENGINE.04-Wettbewerb, bei dem sich eine HandvoU Musik-Empfehlungssysteme darum bewarben, die Musiksuche anhand personHcher Geschmackspraferenzen zu unterstutzen. Die FunktionaUtat solcher Systeme basiert meist auf der Kate-
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gorisierung hunderttausender Songs nach verschiedenen Eigenschaften (z. B. Genre, Emotionalitat, Anlass) und der sukzessiven Anpassung der Titelausgabe an das Profil des Nutzers. Neben einer solchen inhaltlichen Beurteilung kommen in den Download-Shops auBerdem die von Amazon und anderen Online-Shops bekannten Item-to-item-Recommender-Systeme zum Einsatz. Diese automatisieren auf der Basis von Empfehlungen wie „Wer diesen Song gekauft hat, hat sich auch fiir folgende andere Songs interessiert ..." letztUch das, was gestern noch Kernkompetenz eines Musik-Managers in den „Special Marketing"-Abteilungen der Majors war: das Zusammenstellen von erfolgstrachtigen CD-Samplern. > Im Marketing versuchen die Labels verstarkt, den Kunden dort abzuholen bzw. dort zu bekampfen, wo er seine Energie entfaltet: im Internet. Zunachst einmal geht es gegen den Kunden: Defekte Files werden in die Tauschborsen eingeschleust, um die Kunden abzuschrecken. Anstelle den erhofften Song zu horen, erfahrt der User dann, dass File-Sharing illegal ist, well es Urheberrechte verletze. Entsprechend animiert soil dem Nutzer ein Schreck in die Glieder fahren, well er sich gliicklicherweise keinen bosartigen Virus eingefangen hat. Gleichzeitig nahert sich die Plattenindustrie dem energiegeladenen Kunden auch schon wieder an, denn der legale Musik-Download wird durch Kooperationen mit Komplementarprodukten, die fiir die Zielgruppe so interessant sind, dass sie dort ihre Energie entfalten, noch erstrebenswerter gemacht. Apples iPod animiert dazu, den iTunes Music-Store zu nutzen; bei mycokemusic.com, ebenfalls ein Online-Musikshop, konnen durch den Kauf von Cola-Flaschen erworbene Gutscheine eingelost werden. Ahnliches unternehmen MacDonald's und zahlreiche andere Markenartikler, die sich erhoffen, energievoUe Kunden iiber deren Musikinteresse zu aktivieren. > Bei Vertrieb und Distribution springt nach langerem Zogern auch die Musikwirtschaft auf den Zug der Entstehung legaler Peer-to-Peer-Angebote auf. AUerdings domomieren wohl bisher noch die sich im Endeffekt als ganzlich ungeeignet erweisenden immer wiederkehrenden Versuche, die Customer Energy voU102
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standig kontrollieren und gar beherrschen zu wollen, anstatt sie lediglich zu ermoglichen, zu befordern und bestenfalls zu kanalisieren. So musste sich SonyBMG jiingst als Entwickler und Verbreiter von Computerviren anprangern lassen, als weltweit User registrierten, wie sich ein Kopierschutzprogramm in schiimmster Manier eines Trojaners beim Replizieren von CD-Songs nicht nur selbst auf dem PC installierte, sondern dabei auch neue Sicherheitslucken fiir wirkliche Virenangriffe auf dem PC der User hinteriieB. Letztlich musste SonyBMG nicht nur den vergebHchen Ansatz zur Durchsetzung ihres Koperschutzes einstellen, sondern auch einen teuren Vergleich mit all denjenigen Kunden schlieBen, die zuvor CDs mit dem betreffenden Kopierschutz erworben hatten. In Zukunft allerdings kann sich moghcherweise der groBte Paradigmenwechsel im Musikgeschaft seit Einkehr der Customer Energie voUziehen, wenn denn der Kunde mitspielt. Nachdem bereits massenhaft Songs fiir Internet- und Mobilfunk-Portale lizenziert wurden, was angesichts der Umsatzriickgange im CDGeschaft bisher der einzige Silberstreifen am Horizont war, nehmen nun die Versuche, auch Filesharing-Netzwerk kommerziell zu nutzen, konkrete Gestalt an. Anbieter wie iMesh und Mashboxx erhalten zunehmend Lizenzen von den groBen Majors, um Songs, die als Files in den Filesharing-Netzwerken FastTrack, Gnutella oder eDonkey etc. massenhaft vorhanden sind, zumindest in die Nahe der Legalitat zu fuhren und einer kommerziellen Verbreitung zu offnen. Grundprinzip dabei ist, in einem so genannten digitalen Fingerabdruck DRM-Informationen (Digital Rights Management) zu hinterlegen, die beinhalten, aus welcher Quelle ein File stammt, wie haufig und zu welchen Konditionen er kopiert werden darf und wer in welchem Umfang an der Weiterverbreitung partizipiert. Die vom ehemaligen Napster-Griinder betriebene Firma Snocap fungiert dabei als „Clearing House" zwischen den Majors und den Netzwerken. Im Ergebnis kann dabei ein Song-Verkauf von einem User an einen anderen stattfinden, und per Micro-Payment flieBt dabei letztlich doch ein Erlos an die Plattenfirma und mithin den Kiinstler. Im Ergebnis werden die Filesharing-
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Netzwerke damit zu Wettbewerbern der legalen DownloadShops wie iTunes von Apple, erhalten aber zusatzlich neben dem lizenzierten Angebot der Majors auch diejenigen (illegal zur Verbreitung eingestellten) Songs, die bisher nicht durch einen Rechteinhaber lizenziert wurden. Bei beiden Vertriebswegen - B2C und C2C - bleibt ftir die Musikindustrie allerdings ein zentrales strategisches Problem bestehen: Die Endkundenbeziehungen - bisher aufgrund des dominierenden physischen Vertriebs schlicht kaum existent - werden kiinftig den ShopBetreibern iiberlassen - seien es Soft- und Hardware-Hersteller wie Apple und Sony, ISPs wie AOL und T-Online, MobilfunkOperatoren wie Vodafone und 0 2 oder sonstige Betreiber von Plattformen und Netzwerken, wie z. B. iMesh. Grund ist, dass die Labels bisher iiber noch keine koharente Strategie zum integrierten digitalen Vertrieb verfiigen, sondern vielmehr im Rausch der rasant wachsenden Lizenz- und Vertriebserlose aus dem digitalen Musikgeschaft mit Songs und Klingeltonen voU und ganz damit beschaftigt sind, die aufwandigen und in jedem Land aufs Neue anstehenden Rechtklarungen mit Kiinstlern und Verwertungsgesellschaften (in Deutschland: GEMA) vorzunehmen. Leider versaumen sie es dabei, eine Briicke zu schlagen vom Download-Verhalten der Endkunden zur Entwicklung neuer Kiinstler. Wahrend die Portale einseitig profitieren von den digitalen Moglichkeiten durch verbesserten Service (User-Profile auf Basis von Musikinteressen, Watch Lists fiir neue dem Profil entsprechende Kiinstler, Auswertung der Kaufhistorie zum Aussprechen neuer Empfehlungen etc.) und darauf aufbauenden zusatzlichen Geschaften (Abonnements, Add-ons, Cross- und Up-Selling) verpasst die Industrie die historische Moglichkeit, iiber die Online-Musik-Shops und -Netzwerke durch SelbstprofiUerung der User beim Download von Songs an dem damit entstehenden Kundenwissen zu partizipieren und mithin erstmals dauerhafte individuelle Kundenbeziehungen aufzubauen. >" Im schlimmsten Fall verlieren die Labels somit ihre letzte ureigene Domane: die Entwicklung neuer Kiinstler und die Vermarktung etablierter Kiinstler. Die Betreiber der Online-Shops
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und Filesharing-Netzwerke kennen nun namlich die Kundenpraferenzen und konnen die Kunden direkt ansprechen. Damit ist es nur ein kleiner Schritt dahin, dass sich die Kiinstler auch zunehmend an eben diese Betreiber wenden, um in der Nahe der User-generierten Online-Charts als aktueller Tipp der Woche platziert zu werden. So wie heute schon bei Google die „Sponsored Links" in der rechten Bildschirmleiste ein attraktives und nicht selten auch verlassUches (kommerzielles) Zusatzangebot zu den auf dem Kundenverhalten basierenden Suchergebnissen im Bildschirmmittelpunkt darstellen. Durch geschickte Kombination der zuvor beschriebenen, die Customer Energy in Form von personhchem Musikinteresse nutzenden Technologien - Musikerkennungs- und -interpretationsalgorithmen, Empfehlungssysteme, User-Profilierung und - Relationship-Management - besteht zunehmend die Moglichkeit, dass die Betreiber selbst eine A&R-Funktion iibernehmen, indem sie neue Musikstiicke mit den Profilen ihrer User vergleichen und die Stiicke fiir die Kunden entsprechend selektieren bzw. das Sortiment sowohl durch die Vielzahl der User bewerten und promoten als auch durch den einzelnen Kunden auswahlen lassen. Programm-, Produktions- und Marketing-Entscheidungen werden mithin weit weniger auf der Geniahtat einzelner A&RManager und folglich dem reinen Zufallsprinzip als vielmehr auf Wahrscheinlichkeiten und Customer Energy basieren. Musikunternehmen, die diese ersten Ansatze ernst nehmen und unter Nutzung der Chancen der Digitalisierung ausbauen, konnen schon bald in der Lage sein, sehr stark von der Customer Energy zu profitieren, wenn sie die Moglichkeiten fiir sich nutzen, anstatt sie den neuen Playern in der Musikindustrie - Betreibern von Download-Portalen wie iTunes oder Jamba - allein zu iiberlassen.
Friedliche Koexistenz bringt die Wende Digitalisierung und Kunst miissen keine Widerspriiche sein, sondern konnen sich wunderbar erganzen, wenn der Kiinstler es schafft, die Digitalisierung fiir sich zu nutzen und wenn die Musikindustrie sich nicht weiter streubt, auf den fahrenden Zug aufzuMedien
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springen. Sind beide Voraussetzungen erftillt, kann es zu einer gedeihlichen Symbiose kommen: >- Die Kiinstler- und Produktentwicklung erfolgt in Zukunft durch die „Communities" und nicht mehr nur durch einzelne A&RManager. Die Aufgabe der Labels muss darin liegen, solche „Communities" zu entdecken und aufzubauen, am Leben zu erhalten und stets zu erneuern. Die Erstellung von Alben, Compilations und Samplern wird ganz der Kundenenergie folgen und eines Tages ganz wesentlich auf Recommender-Systemen, also auf der massenhaften, systematisch ausgewerteten Interessenbekundung, beruhen. Das Managen von „Communities" und die Anwendung von Methoden der Ktinstlichen Intelligenz^^ auf das Musikgeschehen werden zu Kernkompetenzen der Industrie werden und die Treffsicherheit respektive die Reduktion der Kiinstlerentwicklungskosten vorantreiben. Hier ist schnelles Handeln angezeigt, denn bereits heute scheinen wieder andere Player, diesmal ebenfalls kommerzielle Unternehmen, schneller als die Musikindustrie zu agieren: Im Juli 2005 erwarb News Corp. fiir 580 Millionen US-Dollar MySpace, einem als Betreiber einer Plattform fiir soziale Beziehungen aller Art (Kontaktanzeigen, Zweite Hand-Anzeigen, Blogs) angetretenen Unternehmen, das sich zum „MTV der Internet-Musikfans" entwickelt hat. 35 Millionen Mitglieder zwischen 14 und 34 begutachten dort das Musikangebot in Form von Songs, Konzertterminen, Fotos und Blogs von iiber einer halben Million Bands. Mittlerweile wird MySpace nicht nur von etabUerten Acts, wie z. B. den Black Eyed Peas, zur Promotion ihrer neuesten Veroffentlichungen genutzt, sondern immer haufiger auch von den A&R-Managern der Majors als Quelle fiir das Talent Scouting herangezogen. Moglicherweise zu spat, denn inspiriert durch den Erfolg der Heavy Metal-Band Hollywood Undead, deren Songs in weniger als einem halben Jahr mehr als zwei Millionen 10 Der in den 80er Jahren gepragte Begriff Kunstliche Intelligenz ist stark aus der Mode gekommen, u. a. weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass im Kern zwar Algorithmen und andere Regeln eine zentrale Rolle spielen, die wahre IntelUgenz aber in der systematischen Auswertung massenhaften menschUchen Verhaltens Uegt.
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mal auf MySpace abgerufen wurden, hat MySpace das Label MySpace Records gegriindet, um selbst von seiner CommunityStarke zu profitieren. Dem Teilhaber Universal Music kommt dabei lediglich die undankbare RoUe des Dienstleisters zu, der fiir die CD-Produktion und -Distribution eine Gebiihr erheben darf. >" Marketing wird sich zweiteilen: „Communities" werden zum einen gezielter angesprochen werden, und ihre Kundenenergie wird genutzt, um tiefe Profile der Musikinteressen und -interessenten zu erstellen, so dass sowohl die Gruppe als auch der Einzelkunde vom Unternehmen so gut wie eben moglich „bedient" werden kann. Besser: sich die Musikindustrie so aufstellen kann, dass jeder Musikliebhaber seine eigene Energie entfalten kann, um ausschlieBlich nur noch (durch Anregungen aus der Community sich stetig weiter entwickelnde) Lieblingsmusik zu horen. Zum anderen werden die breiten Kreise derjenigen, die keine auffallige Kundenenergie zeigen und dennoch ein zumindest latentes Musikinteresse besitzen, liber groBe Reichweiten angesprochen, wie sie AOL, MSN, Google oder Yahoo! etc. global zu bieten haben. Hier sorgt schierer Traffic fiir giinstige Kundengewinnungskosten. > Produktion und Distribution werden eines Tages - dazu braucht man kein Prophet zu sein - vollig digital erfolgen, ohne dass ein physischer Prozess erforderlich sein wird. Der Kunde erbringt gerade auf diesen Wertschopfungsstufen viele Leistungen selbst, so dass physische Tontrager durch schiere Kostennachteile zu Rariaten und Sammlerobjekten werden. Wer heute den Umgang mit Musik und Games auf den Schulhofen beobachtet, kann sich ein ungefahres Bild davon machen, wie selbstverstandlich anders die digital aufwachsenden Generationen mit „virtuellen" Medien umgehen als noch ihre Erzeuger. Mit der zunehmenden Gewohnung an digitale Endgerate mit ausreichend Speicherplatz bzw. universellem (drahtlosem) Zugriff auf zentrale Speicherplatze werden physische Medientrager eben zunehmend iiberfliissig.
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>^ Customer Care und After-Sales-Service wird der Kunde nicht als aktive Betreuung durch die Musikfirmen wahrnehmen, sondern als angenehmen, selbst geregelten Prozess. Je aktiver ein Kunde in den Online-Shops und -Netzwerken ist, desto zielgenauer werden die (automatisch generierten) Empfehlungen, die er bekommt. Und dies verbunden mit einem ftir den Kunden unmerklichen Lifecycle-Management, das z. B. Heranfiihren an „nachste" Kiinstler umfasst, die mit hoherem Alter oder wechselnden Lebenswelten zunehmend interessant werden. Wenn die Musikindustrie „Uberleben" als Alternative verfolgen will, muss sie also alle krampfhaften Bemiihungen um den nahezu verlorenen Markt aufgeben und soweit loslassen, dass die Kunden die Unternehmen nicht mehr als Gegner wahrnehmen. Vielmehr verlangen digitale Musikwelten radikal andere Strategien, um von der Customer Energy profitieren zu konnen - der Aufbau personUcher Beziehungen zu den Kunden ist dabei nur der erste Schritt.
Was zu tun bleibt Um bestimmte KontroUpunkte zum Management der Customer Energy bei sich zu behalten, miissen die Unternehmen die Verbreitung mobiler und stationarer digitaler Endgerate eher fordern als unterbinden. Mit voU kompatiblen und interoperabilen Geraten sind die grundsatzlichen Voraussetzungen fiir eine radikale und dauerhafte Anderung des Geschaftsmodells der Musikindustrie geschaffen. Proprietaren Strategien der Hardware-Hersteller wie sie bei Apple oder Sony zu beobachten sind, muss die Musikindustrie in reinem Eigeninteresse radikal entgegenwirken. Da aber auch hier immer wieder verschiedene Losungen um die Gunst der Kunden streiten werden, wird es darauf ankommen, die eigenen Digital-Strategien so flexibel und Hardware-iibergreifend zu gestalten, dass man selbst von alien erdenklichen Kundenkontakten profitiert. Da die „Communities" den Musikunternehmen zwar die meisten Probleme bereiten, allerdings in ihrer Gesamtheit auch die kreativsten Marktteilnehmer sind, miissen die Musikunternehmen die 108
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Fahgkeit entwickeln, „Communities" zu entdecken bzw. aufzubauen und zu managen. Wegen der Spontaneitat, im Zusammengehen und Auseinanderfallen, die „Communities" nach bisherigen Beobachtungen auszeichnet, wird das keine einfache Aufgabe, zumal sich eine immer weitere Parzellierung abzeichnet, die sich eins zu eins in stark parzellierte Kundencluster umsetzt. Wesentliche Erfolgsvoraussetzung ist daher, Plattformen zu unterstuzen, auf denen sich immer neue Communities entwickeln konnen. Zum Management der „Communities" zahlt auBerdem auch die geschickte Handhabung der Uberkreuzbeziehung Kiinstler-Kunde, die sich zum Beispiel in neuen Honorar- und Tantiemestrukturen ausdriicken konnte, wie die Filesharing-Netzwerke es mit ihren Legalisierungsbestrebungen beabsichtigen. Wenn sich wirtschaftHcher Erfolg daran bemisst, wie haufig Empfehlungen fiir einen Kunstler ausgesprochen bzw. dessen Song-Files „getauscht" werden, so ist auch dessen VergUtung entsprechend umzustellen: weg von astronomischen Advances, hin zu rein prozentualer Beteihgung an der manifest gewordenen Energie der Kunden. Das allerdings steht in Gegensatz zur heutigen Praxis der Majors, einander im Signing etabherter Acts mit immer hoheren Garantietantiemen zu iibertreffen, wie z. B. EMI/Virgin, die im April 2001 zunachst ftir 120 Millionen Dollar mit Mariah Carey einen Plattenvertrag tiber ftinf Album-Produktionen abschlossen, um sich nur neun Monate spater ftir 28 Millionen Dollar wieder daraus freizukaufen. Von der weiteren Einschatzung zur Entwicklung der Kundenenergie hangt es ab, ob die Unternehmen einen fiir sich erfolgreichen Weg finden. Wenn sie weiter angstgetrieben - und moglicherweise gerade deshalb weitgehend erfolglos - mit Digital Rights Management und Pirateriebekampfung hantieren, anstatt an das zu denken, was auch ihnen selbst legale Internetaktivitaten an Kundenenergie bieten. Die Win-win-Situation ware: mehr Convenience und Service fiir den Kunden, die er durchaus bereit ist, selbst zu leisten oder doch zu unterstiitzen und deutliche Vorteile des bezahlten Downloads bzw. Tausches gegeniiber dem herkommlichen Kauf einer CD.
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Customer Equipment: Kaum noch Grenzen zwischen Hard- und Software
Kommunikation und Unterhaltung waren in historischen Zeiten nahezu komplett auf die menschliche Interaktion angewiesen. Die Veranderung in der Wahrnehmung dessen, was man heute unter Kommunikation versteht, ist mit den elektronischen Geraten verbunden. Elektonische Gerate, so genanntes Customer Equipment, unterstiitzt den Endkunden im Bereich Kommunikation, Unterhaltung und Bildung so, dass vollig neue Moglichkeiten der Aktion und Interaktion entstanden sind und immer wieder neu entstehen. Mobilfunkgerate unterstiitzen heute das Horen, Sprechen und Sehen zu jeder Zeit und an jedem Ort liber groBte Distanzen. Die Entwicklung vom Grammophon (zunachst zum Selbstaufziehen) und kurz darauf dem Rohrenradio zu Hightech-Kommunikationswundern war langwierig. Dann allerdings hat die Industrie dafiir gesorgt, dass sehr schnell eine schwer Uberschaubare Landschaft der Kommunikations- und Unterhaltungselektronik entstanden ist. Immer mehr Funktionen werden in einem Gerat kombiniert und integriert, fiir immer mehr Tatigkeiten hat man eine Riesenauswahl an Endgeraten. Das geht von tragbaren Geraten, z. B. Mobilfunkgeraten, PDAs und transportablen Musikabspielgeraten (MP3-Player, iPod), bis zu Geraten fiir den „Hausgebrauch", wie PCs, Settop-Boxen, Fernsehgerate oder Spielkonsolen - kaum ein Haushalt, der nicht iiber diese Gerate verfiigt. Zunehmend macht es fiir den Kunden keinen Unterschied mehr, ob er das Fernsehprogramm iiber den PC oder das traditionelle „braune" Gerat im Wohnzimmer sieht, ob er die Musik iiber den iPod, den Computer oder die HiFi-Anlage abspielt, ob er mit dem Mobihelefon oder mit dem PC ins Internet geht oder iiber Videotext im Fernseher die neuesten FuBballergebnisse abfragt. Ohne Customer Equipment
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Customer Equipment ist das Leben heute fiir viele in der westlichen Welt kaum noch vorstellbar. Wenn die Kinder spielen, ist ihr Spielzeug haufig die Spielkonsole, wenn die Eltern Videos schauen, sehen sie sich zunehmend MPEG-Dateien iiber ihren Festplattenrekorder oder die Settop-Box des Video-on-Demand-Anbieters an. Die Kommunikation mit Freunden und Bekannten geschieht haufig iiber den PC per E-Mail oder Chat. Mit dem Blackberry konnen selbst nach langen Arbeitstagen die E-Mails noch abgerufen und auch beantwortet werden. Zwar verlieren die stationaren Telefongerate an Bedeutung fiir die Kommunikation, ihre Rolle nehmen jedoch die mobilen Gerate ein. Diese Ausstattung mit Endgeraten ist nicht schichtenspezifisch und schHeBt die weniger gut gestellten sozialen Schichten oder Einkommensgruppen nicht aus. Haufig sind es sogar die sozial Schwacheren, die eine ganze Palette an Unterhaltungselektronik im Haushalt haben. Der massive Preisverfall wie auch die Funktion der Endgerate als Statussymbol, insbesondere bei Mobilfunkgeraten, machen es moglich. Betrachtet man die Gerate, so wird niemand auf den Gedanken kommen, hier von etwas anderem als „Hardware" zu sprechen. Eine genauere Betrachtung eroffnet allerdings Gegenteiliges. Die Software bestimmt heute zunehmend die Funktionalitat eines Cerates, wahrend die Hardware aus Kostengrlinden und in Folge immer hoherer Leistungsfahigkeit und Miniaturisierung aus Standard-Prozessoren und Speicherchips besteht. Der Wandel voUzieht sich von einer spezialisierten, haufig anbieterspezifischen Architektur der Endgerate hin zu einer klassischen PC-Architektur. Kleine Standard-Computer, geschickt verpackt in verschiedene Formfaktoren, mit unterschiedlichen Ein- und Ausgabeschnittstellen und ausgekliigelter Software - unter Umstanden angereichert durch ein paar Spezialchips, z. B. die Graphikprozessoren in Spielkonsolen. Aufgrund dieser flexiblen PC-Architektur sind die Moglichkeiten eines Endgerats meist nur durch auBere Faktoren (z. B. Ein- und Ausgabeschnittstelle) begrenzt. Sind die Schnittstellen flexibel und offen, ist der Kundenenergie Tiir und Tor geoffnet - doch nicht nur fiir die Kunden ist es interessant, es entstehen auch interessante
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Moglichkeiten fiir die Unternehmen, diese Kundenenergie fiir ihre Zwecke entlang der Wertschopfungskette zu nutzen. Die Kundenenergie - das hat sich in alien Industrien gezeigt - ist immer dann besonders stark und wirkungsvoU, wenn sie durch die Digitalisierung beste Bedingungen vorfindet. Deshalb muss die Aussage, dass der PC sicherlich der groBte Enabler fiir Kundenenergie ist und weiterhin sein wird, aus heutiger Sicht unwidersprochen bleiben. Der Rechner auf dem Schreibtisch zu Hause oder im Euro, der grundsatzlich nicht automatisch mit Unterhaltung und (privater) Kommunikation in Verbindung gebracht wird, treibt mit zunehmender Kapazitat die Digitalisierung von Inhalten. Gleichzeitig hat das Internet die Voraussetzungen geschaffen, diese Inhalte schnell zu transportieren und zu streuen. Damit ist die Verbreitung des PCs, der in durchaus leistungsfahigen Versionen heute bereits fiir wenige hundert Euro anzuschaffen ist, Grundvoraussetzung fiir Verbreitung und Wirkung der Kundenenergie. Nun ist der klassische PC aus Herstellerperspektive mit Sicherheit nicht konzipiert worden, um letzten Endes als Entertainment-Center im Kinderzimmer zu enden. Zunachst haben eher die steigenden Anforderungen der Computerspiele die Nachfrage nach leistungsfahigen PCs nach oben geschraubt. Nachdem die leistungsfahigen PCs einmal im Haus waren und das Internet die Biihne betrat, war die Offnung zur Entertainment-Welt nur eine Frage der Zeit. Hersteller wie Dell, die ihren Kunden seit Jahren die Moglichkeit einraumen, ihre Computer selbst zu konfigurieren, unterstiitzen diesen Trend zu immer leistungsfahigeren PC weiter. Erst einmal nutzt Dell schon beim Konfigurieren und Bestellen Kundenenergie, ein Umstand, den der Kunde eher als angenehmen Service, denn als Ausbeutung seiner Energie zu Kostenreduzierungszwecken beim Hersteller versteht. Dariiber hinaus stellen die Kunden mit ihren durchaus kreativen Ideen zur Konfiguration ihres Wunsch-PCs selbst die Bedingungen her, die es noch leichter machen, mit dem PC die eigene Energie voU einzusetzen. Dell war wahrscheinlich eines der ersten Unternehmen, das die Chancen der Kundenenergie, die in Digitalisierung und Internetnutzung stecken, entdeckt hat, aber diese Energie von vornherein
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fiir die eigenen Zwecke genutzt hat. Der Erfolg von Dell, der die gesamte Supply Chain bereits auf die Kundenenergie ausgerichtet hat, gibt dem Unternehmen recht.
Industriesituation: Die Zeiten waren schon mal besser Trotz vieler positiver Entwicklungen, neuer Produkte und interessanter Features geht die Customer-Equipment-Industrie in Europa durch turbulente Zeiten. Billiganbieter aus Fernost, die schon langst nicht mehr in erster Linie Ramsch herstellen und auf den Markt werfen, machen europaischen Herstellern das Leben schwer. Einer der interessantesten und entscheidenden Faktoren fiir die weitere Entwicklung der Industrie ist die schon erwahnte Konvergenz. Wurden friiher die Gerate jeweils fiir eine Funktion entwickelt - also zum Telefonieren, zum Fotografieren, zum Video abspielen usw. -, so verschmelzen alle diese Gerate zunehmend miteinander. Ein besonders einleuchtendes Beispiel: Noch vor fiinf Jahren war eine Digitalkamera mit zwei Megapixel Auflosung ein anspruchsvoUes, ja luxurioses Gerat, das man nicht unter 300 Euro erwerben konnte. Seit zwei Jahren wird eine in etwa gleichwertige digitale Kamera zunehmend in Mobilfunkgerate integriert, dabei werden die zwei Megapixel bei vielen subventionierten MobilfunkHandsets bereits iiberboten, ohne dass das Gerat deswegen besonders viel kosten wiirde. Kamera-Handys sind ein Riesenerfolg, so dass der Absatz von Telefonen mit Kameras bereits hoher Hegt als der der reinen Digitalkameras. Dass die Mobilfunkanbieter mit den Kameras die Kunden urspriinglich dazu bewegen woUten, mehr MMS zu verschicken, kann kein Beobachter wirklich nachvoUziehen, denn noch wartet die Branche auf den Siegeszug der MMS. Vielmehr nutzen die Kunden die Mobilfunkgerate zwar zum Fotografieren, laden sich aber spater die Bilder per Kabel oder Infrarot auf ihren PC herunter und verschicken sie per Internet - wieder ein sehr einpragsames Beispiel von Kundenenergie.
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Ahnliches gilt auch im Home-Entertainment-Bereich, wo die neuesten Produkte weitaus vielseitiger sind als herkommliche Spielkonsolen aus friihen Tagen. Die Spielkonsolen der nachsten Generation wie die Xbox 360 oder die Playstation 3 sind multifunktionale Terminals, die Spielkonsole, DVD-Abspielgerate, Personal Video Recorder, Musik- und Fotostation, Internet-Terminal und vielleicht sogar bald Internet-Telefonie integrieren. Aufgrund der zunehmenden Integration kommt es zur Vermischung der bisher voneinander abgegrenzten Segmente und zur Proliferation und damit zu hoher Komplexitat der Produkte. Denkbar ist heute jede Art von Kombination auf einem Gerat, viele dieser Kombinationen sind bereits Realitat. Die Entscheidung, was zuktinftig als welches Gerat fur welchen Haupt- und welchen Nebenzweck gekauft und genutzt wird, liegt beim Kunden. Es bleibt abzuwarten, wie seine Entscheidungen ausfallen - eine Entwicklung, die die Hersteller mit groBer Spannung beobachten, denn noch ist nicht erkennbar, welche Industrie und welche Unternehmen hier „Sieger" sein werden. Neben der Konvergenz mehrerer Funktionen in einem Gerat werden verschiedene Endgerate immer starker miteinander verbunden. Damit sind sie inter-operabel. Jeder heute ausgelieferte PDA ist entweder selbst mit Mobilfunkfunktionalitat ausgeriistet oder zumindest per Bluetooth mit einem Handy zu verbinden. Vergleichbare Kombinationen sind Spielkonsolen mit Breitbandanschluss, die nicht nur zum Downloaden von Spielen geeignet sind. Auch intelligente Fernseher, die mehr konnen als nur das Programm verschiedener Stationen wiedergeben, sind schon auf dem Markt. Wahrend das Customer Equipment also zunehmend integriert wird, lehnen die Designer die Architektur zunehmend an den PC und das Internetmodell an. Offene Schnittstellen, standardisierte Inhalte und Formate sowie vergleichbare Betriebssysteme (zum Beispiel Windows CE) gehen damit einher. Der Kunde wird dadurch in die Lage versetzt, seine Inhalte, seien es Spiele, Musikdateien oder Filme, zwischen den Geraten zunehmend hin und her zu schieben. Je selbststandiger der Kunde hier agieren kann und auch
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agiert, desto hoher sind die Fehlerraten und die Anfalligkeit der Systeme gegen Viren - so wie es vom Umgang mit dem PC bekannt ist. Weil die Hersteller von Customer Equipment unter starkem Margendruck und einem entsprechend verscharften Wettbewerb leiden, versuchen sie wie viele andere Hersteller auch, neben ihren angestammten Produkten auch kundenbindende Services anzubieten. Dies bereitet den Unternehmen immer weniger Probleme, weil die Gerate es ihnen leicht machen. Man versucht, die PC-Fahigkeit der Endgerate, deren zunehmende Konnektivitat und die eigene KontroUe iiber die Einstellung der Gerate zu nutzen, um mit dem Kunden iiber den Kauf hinaus eine laufende Kundenbeziehung aufzubauen. So schloss Nokia ktirzlich ein Agreement mit Yahoo! und platziert nun Links zu Yahoo! prominent auf dem HandyDisplay. Damit sind auf Seiten des Mobilfunkanbieters keine Vorteile verbunden, aber Nokia wird den Kunden durch den YahooLink nachhaltig ins Gedachtnis gebracht. Vergleichbare Bindungsaktivitaten versucht Nokia schon seit Jahren mit den Nokia-Club ins Leben zu rufen, der die Kunden an Nokia als Lieferanten der Handsets binden soil, und steht hier im Wettbewerb mit den Operatoren, die Ahnhches versuchen. Perfektioniert wird das Thema Kundenbindung derzeit von Microsoft mit XBox und XBox Live, dem Online-Portal zur XBox, die jtingst mehr als eine Million registrierte Nutzer melden konnte. Wahrend bei der Playstation von Sony das dazu gehorige OnlineSpieleportal eines unter mehreren ist, das jeder Kunde ansteuern kann, ist die XBox fest mit XBox Live „verdrahtet", so dass der XBox-Nutzer automatisch iiber das XBox-Live-Portal bei Microsoft landet. Diesen Schachzug sehen viele Beobachter der Industrie als integralen Bestandteil der Eroberung auch des Wohnzimmers durch Microsoft, die sich mit der Eroberung der Biiros offensichtlich nicht zufrieden geben woUen. Microsoft ist erfolgreich mit der Strategic und verbucht aufgrund der eingeschlagenen Richtung die oben genannte Million Online-Gaming-Kunden.
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Die Plattform von XBox Live kombiniert mit den gesteigerten Fahigkeiten der neuen XBox 360 bietet noch mehr Potenzial - von der Spiele-Plattform liber die Video-on-Demand-Plattform bis hin zur VoIP-Telefonzentrale. Der Erfolg kam nicht iiberraschend, denn Microsoft ist bekanntlich geschickt im Verkniipfen von Anwendungen: Ahnliche Verknupfungsstrategien wurden zwischen Windows/Internet Explorer und Internet Explorer/MSN bereits erfolgreich etabliert. Das heiBt, Microsoft bestimmt oder versucht zu bestimmen, iiber welchen Browser der Besitzer des Windows-Betriebssystems ins Internet geht und damit auch, welche Webseiten dem Nutzer optimal angezeigt werden - natiirlich die auf dem Windows Servern - und auf welches Portal verwiesen wird, wenn mal eine Suche fehlschlagt - namlich auf MSN. Die Expansion in den Servicebereich ermoglicht es den Herstellern von Customer Equipment seit einigen Jahren, wichtige KontroUpunkte in der Kundenbeziehung zu besetzen und den Kunden von dieser Basis aus zu beeinflussen. Diese wichtigen Kontrollpunkte in den Endgeraten sind im Zusammenspiel mit netzbasierten Diensten wichtige Hebel, die fiir die Generierung bzw. Lenkung der Kundenumsatze eingesetzt werden konnen. Mit der Expansion in den Servicebereich ftihren die Hersteller von Customer Equipment seit einigen Jahren zunehmend verschiedene Funktionalitaten in die Endgerate ein, die es erlauben, den Kunden in seiner Dienstenutzung zu beeinflussen und im Einsatz seiner Kundenenergie zu steuern. Im Zusammenspiel mit netzbasierten Diensten - insbesondere mit den im Telekommuikationskapitel erwahnten zentralen Funktionen - sind diese beeinflussenden Funktionalitaten in den Endgeraten wichtige Hebel fiir die Generierung bzw. Lenkung der Kundenumsatze. So bestimmt die Benutzerschnittstelle eines Endgerats in starkem MaBe, welche Dienste haufig und weniger haufig genutzt werden. Die Hersteller erforschen die Vorlieben der Nutzer, lernen zwischen den Dingen zu unterscheiden, die fiir den Nutzer wichtig und weniger wichtig sind, und prasentieren die Services entsprechend. Hier ist eine einfache Benutzerftihrung ein schlagendes Verkaufsargument - Nokia war jahrelang bekannt fiir seine einfache, intuiti-
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ve Menufuhrung. Mit Hilfe einer leicht beherrschbaren Benutzerschnittstelle versuchen in den letzten Jahren auch die Operatoren, z. B. Vodafone, die Nutzer so zu beeinflussen, dass sie sich den aus Sicht des Mobilfunkunternehmens wertvollsten Services zuwenden. Bisher jedoch ist der Erfolg gering, da viele Kunden die Anpassung der Menufuhrung nicht als Mehrwert, sondern als „Abzocke" verstehen. Als Teil der Benutzerschnittstelie unterstiitzen Endgerate auch zunehmend die FunktionaUtat der Autorisierung. Die Bestatigung der Identitat des Nutzers ist wichtig fiir viele Transaktionen, weil sie Vertrauen zwischen dem Dienstanbieter und dem Kunden aufbaut. Wahrend Telekommunikationsanbieter entsprechende Authentifizierungsdienste bis hin zum Single-sign-on fiir alle Dienste eines Anbieters aufbauen, kommt dem Endgerat eine wichtige RoUe zu. Jegliche Authentifizierung iiber einen Password-Schutz hinaus, z. B. iiber Smartcards oder biometrische Verfahren (Fingerabdruck), erfordert die Zusammenarbeit mit dem Endgerat. Erst diese Mechanismen erlauben es, bestimmte Dienste trotz der hohen Sicherheitsauflagen liberhaupt anzuwenden. Nach der Autorisierung kann ein Endgeratehersteller/Service Provider den Kunden durch die Vorkonfiguration von Services auf dem Endgerat (z. B. Speicherung oder fester Verankerung von Links und Konfigurationsparametern) direkt an die Nutzung seiner netzzentrierten Services heranfiihren. Neben den oben genannten Beispielen von Nokia, Microsoft und Vodafone ist eine Serviceintegration auch im Bereich Settop-Boxen stark verbreitet, wo direkt auf den Elektronic Programming Guide des Hardwareherstellers verwiesen wird. Die Moglichkeit, iiber das Netz diese Konfiguration und die Software des Endgerats zu verandern, eroffnet Endgerateherstellern und Service Providern zusatzliche Vorteile. Das Wirken der Kundenenergie kann an dieser Stelle ermoglicht, aber auch verhindert werden. Bereits in Anwendung befindliche Software auf dem Endgerat kann iiber Softwaredistribution immer wieder neu ausgerichtet, verbessert und erweitert werden, um die Services zu optimieren. Die Virenschutz-Programme von McAffee oder Network
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Associates sind gute Beispiel dafiir, dass so etwas funktioniert, denn sie erhalten nahezu taglich Updates aus dem Internet. Auf der anderen Seite konnen Anbieter, insbesondere die von Betriebssystemen, jedoch bis zu einem gewissen Grad verhindern, dass auf ein Gerat fremde Software aufgespielt wird. Dies gilt insbesondere bei geschlossenen Systemen, z. B. Mobilfunktelefonen. Doch auch Windows warnt schon heute bei jeder Installation von nicht durch Microsoft zertifizierter Software. Geschickte Kunden setzen an diesem Punkt ihre Kundenenergie ein, einige dieser Systeme, die sie einschranken, bewusst zu „knacken". Die Integration der Services im Endgerat ist haufig von den Dienstanbietern (die die Endgerate subventionieren) gewoUt, gerat jedoch mit dem Wandel zu IPV6 in Gefahr. Wahrend bisher IPAdressen in aller Regel dynamisch verteilt wurden, ermoglicht der Wandel zu IPV6 einen signifikant groBeren Adressraum, so dass von jetzt an jedem Endgerat eine feste IP-Adresse zugeordnet werden kann. Mit einer festen IP-Adresse sind Peer-to-peer-Dienste weitaus einfacher zu realisieren. Wahrend Endgerateanbieter wie Nokia dieses Thema vorantreiben, versuchen Telekommunikationsanbieter die KontroUe iiber die IP-Adressvergabe zu bekommen, um die Serviceumsatze, z. B. fiir Sprachanrufe oder Messaging, nicht vollstandig zu verlieren. Auch den Inhalten, die auf den Endgeraten konsumiert werden, sollte neben den Services das Augenmerk gelten. Das Management der Rechte an den digitalisierten Inhalten schiitzt hochwertige Inhalte davor, illegal verbreitet zu werden. Um einen voUstandigen Schutz zu gewahrleisten, muss ein digitales Rechtemanagement (DRM) durchgehend „end-to-end" etabliert sein und durch das Endgerat vollstandig unterstiitzt werden. Das DRM auf dem Endgerat kontrolliert die Inhalte. Prioritare DRM und damit zusammenhangende Verschliisselungssysteme fiihren derzeit immer wieder zu Streit zwischen Pay-TV-Anbietern. Auch Sony BMG kam Ende 2005 in arge Bedrangnis, da sich sein Kopierschutz XCP wie ein Virus automatisch auf dem PC des Kunden installierte, nachdem der Kunde eine Musik-CD des Unternehmens in seinen Computer eingelegt hatte. Damit wurde also weniger der Sicherheit gedient als neue Sicherheitsliicken fiir Angriffe von Hackern erzeugt. Customer Equipment
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Neben der Funktionalitat und dem Dienste-Angebot sind Branding und Design weitere wichtige Differenzierungsfaktoren fiir Endgeratehersteller - insbesondere bei tragbaren Geraten. Eine gute Marke und ein gutes Design erweisen sich zunehmend als kaufentscheidende Faktoren, dafiir sprechen die Erfahrungen mit Mobiltelefonen von Nokia, SonyEricsson und insbesondere die Erfolgsgeschichte des Apple iPod. Der iPod iiberzeugt mit seiner edlen Schlichtheit und seinem gut beherrschbaren User Interface und lasst trotz teilweise geringerer Funktionalitat und hoherer Preisstellung alle anderen MP3-Player hinter sich. Das Thema Design ist ein altes Thema - schon in den fiinfziger Jahren versuchte das Unternehmen Braun, sich mit gut gestalteten Musikabspielgeraten einen Namen zu machen und hohe Umsatze zu generieren. Der Erfolg der hervorragend gestalteten Gerate von Bang & Olufsen, die Funktionalitat, technische Leistungsfahigkeit und gutes Design vereinen, macht die auch heute noch bestehende Wichtigkeit des Designs deuthch. Die Marke dient dagegen dem Nutzer, besonders bei tragbarem Customer Equipment, die Gerate zur Definition bzw. zum Ausdruck seiner eigenen Personlichkeit oder als Fashion Statement zu nutzen. Es geht also darum, die eigene Person zu stilisieren durch das neueste Handy, den MP3-Player oder einen tollen Sidekick. Friiher war die Uhr ein Statussymbol: Wer wenig Geld hatte, schaffte sich mit verschiedenen „coolen" Swatch-Uhren ein Image. Wer mehr Geld anlegen konnte, zehrte von der Anerkennung, die dem Trager einer Rolex-, Blancpain- oder Breitling-Uhr gezoUt wird. Das Element der Kundenenergie ist uniibersehbar. Der Kunde bestimmt, was popular ist, und macht das Gerat aus eigenem Antrieb noch popularer. Wer jemals gesehen hat, mit welchem Entziicken sich Gruppen sehr junger Frauen iiber ein mit Swarowski-Steinen verziertes rosa Handy oder um ein ebensolches Gerat, das mit knallrotem Pliisch bezogen ist, beugen, der kann die Wichtigkeit von Design und Eigenart solcher Gerate nicht hoch genug bewerten. Aufgrund der hohen Innovationsrate und den schnellen Produktzyklen baut sich inzwischen ein erfolgreicher Secondhand-Markt
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fiir Endgerate auf. Dieser Markt entzieht sich dem Einfluss des ursprlinglichen Herstellers. Am liebsten nutzen die Kunden das Internet-Auktionshaus Ebay, das diesen Zweitmarkt entscheidend mitbestimmt. Die Sicherheit, ein gebrauchtes Gerat noch zu einigermaBen guten Preisen wieder loswerden zu konnen, macht es leicht, immer das neueste Gerat zu haben, ganz gleich, worum es geht. Die schnellere Adaption von neuen Technoiogien und Geraten wird durch die Moglichkeiten von Ebay signifikant unterstiitzt, da Kaufer - und nicht nur die typischen „Early Adopters", die Mehrkosten des friiheren Kaufs leicht verdrangen - und gerne in neue Gerate investieren, weil sie einen Absatzkanai fiir ihre alten Gerate haben. Es gibt also durch die Moglichkeiten von Ebay eine Verschiebung hin zu neuen Geraten und eine schnelle Abkehr von alteren. Das bedeutet eine Stauchung der Absatzkurve, d. h. die Gruppe der „Early Adopters" ist auf Kundenseite industrieweit groBer geworden. Am besten ist das an der Akzeptanz neuer teurer Mobilfunkgerate ablesbar.
Kundenenergie von zwei Seiten Beim Customer Equipment kann die Kundenenergie unter zwei ganz unterschiedlichen Aspekten identifiziert werden. Der erste Aspekt sind die Funktionen eines Gerates, die es ermoglichen, dass sich Customer Energy frei entfalten kann, der andere betrifft die Hersteller, die die Energie der Kunden nutzen, um ihr Produkt zu verbessern und den Kunden an der Wertschopfung teilhaben zu lassen. Auch wenn der Einsatz von Kundenenergie bei physischen und auf Skaleneffekte ausgelegten Produkten schwieriger ist als bei rein digitalisierten Produkten, kommen bei naherer Betrachtung doch einige Ansatzpunkte zum Tragen.
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Kundenenergie 1 : Customer Equipment als Katalysator fiir Kundenenergie
Zunachst gilt, dass Customer Equipment der Schltissei ist, mit dessen Hilfe der Kunde die digitale Welt betritt und der die Entfaltung von Kundenenergie quasi als Katalysator fordert. Sowohl PC, Laptop Oder Connected PDA eroffnen dem Kunden die Welt des Internets und gewahren Zugang zu den Sites der vielen Anbieter, die auf Kundenenergie setzen: z. B. zu Musicload, Amazon, Ebay und unzahligen P2P-Netzwerken, die Filesharing ermoglichen. Auch in den mobilen Bereich ist diese Freiheit vorgedrungen und eroffnet neue Moglichkeiten- mit dem Sidekick und dem Angebot Web'n'Walk ermoglicht T-Mobile der breiten Masse, ihre Kundenenergie jederzeit und an jedem Ort in die digitale Welt einzubringen. Insbesondere fiir die Beobachtung von Ebay-Auktionen wurden hier neue Freiheitsgrade geschaffen, da man nicht mehr vor dem heimischen PC sitzen muss, um an den Auktionen teilzunehmen. Die Business-Nutzer des Blackberrys haben hier die ersten Schritte getan und dem Internet das „Laufen" beigebracht, nachdem viele Versuche bei den Privatkunden - wie es z. B. das WAPDesaster vorgefiihrt hat - fehlgeschlagen sind. Durch den Sidekick wurde jedoch auch der Eintritt in das Privatkundensegment wieder aufgenommen. Auch das Thema Blogging erfahrt durch erhohte Mobilitat und neue Funktionalitaten der mobilen Endgerate einen Schub. Was gibt es Besseres als ein Endgerat, mit dem der Kunde schreiben und fotografieren kann, um einen aktuellen Blog zu verfassen und dem eigenen Geltungsdrang zum Durchbruch zu verhelfen? Mit den neuen Geraten, die einen mobilen Internetzugang zur VerfUgung stellen, ist das ganz unabhangig vom stationaren PC oder Laptop moglich. Auch wenn der mobile Zugang und die Eingabe aufgrund der Formfaktoren der Mobilfunktelefone fiir viele heute noch etwas umstandlich sind, liegt hier doch die Zukunft. Nokia hat dieses erkannt und mit dem Mobile Lifeblog (http://nokia-asia. com/nokia/0„78414,00.html) einen entsprechenden Dienst fiir die eigenen Kunden geschaffen. Das Lifeblog erlaubt es Nutzern, ihr Leben mit dem mobilen Endgerat per SMS (inklusive der gesam122
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ten Korrespondenz mit anderen) und durch die Ablage von Fotos festzuhalten. Alternative Anbieter wie Buzznet (fiir Photo-Blogs), Audioblog.com (fur Voice Blogs), Phlogger fiir Updates mit SMS Oder MMS bieten ebenfalls bereits Moglichkeiten fiir mobile Blogs an. Doch auch die Anbieter von Standard-Blogs konnen angebunden v^erden oder denken iiber Mobile Blogs nach. AudioBlogs konnten dann direkt in iTunes als PodCasts eingestellt werden und stiinden auf diese Weise sogar wieder mobil zur Verfiigung. Auch andere erwahnte Bereiche zur Entfaltung von Kundenenergie, z. B. Private Video Recording (PVR), erfahren durch die neue Mobilitat voUig veranderte Anwendungen - so kann man mit einem OnUne-PVR (z. B. www.onlinetvrecorder.de) jederzeit und an jedem Ort bequem Sendungen aufzeichnen. Das Einstellen der Aufzeichnungen erfolgt iiber das Internet und ist auch mobil moglich. Mit Endgeraten wie der XBox, der Playstation oder neuen Settop-Boxen, die kombiniert mit hochauflosenden Flachbildschirmen das Internet vom privaten PC ins Wohnzimmer bringen, wird es gleichzeitig zunehmend einfacher, auch im heimischen Bereich seine Kundenenergie sozusagen „von der Couch aus" zu entfalten. Mittelfristig ist interaktives Fernsehen nur eine Vision, wie auch im Wohnzimmer Kundenenergie genutzt werden konnte. Aufgrund ihrer zunehmenden Konnektivitat unterstiitzen Endgerate die Entfaltung der Kundenenergie auch ohne eigentliche Verbindung zum Internet. Die Digitalisierung der Inhalte, deren Speicherung und Verarbeitung ermoghchen von Anfang an neue Ansatze fiir den Kunden, die weit von dem entfernt sind, was der Kunde vorangehender Generationen gewagt und gewollt hatte. Der iPod und auch vergleichbare digitale Musikspeicher fiir die Heimanlage ermoghchen dem Nutzer, sich seine Musik ganz unabhangig von den Kompilationen der Musikkonzerne zusammenzustellen - in einer bisher nicht erreichten Qualitat. Ahnliches gilt natiirlich fiir die PVRs, die dem Kunden die Freiheit geben, sein Fernsehprogramm endlich selbst zu gestalten, die Werbung herauszuhalten etc.
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Durch die Angleichung der Content-Formate und der Konnektivitat (Bluetooth, Infrarot, etc.) wird der Kunde auch in die Lage versetzt, Inhalte zwischen Geraten auszutauschen. Dabei hat er die MogUchkeit, selbst zu wahlen, auf welchem Gerat er seine Inhalte prasentiert haben mochte. Nur die Kopierschutzmechanismen bilden hier Barrieren, die der Kundenenergie nachdriicklich im Wege stehen, solange die alten Regeln noch gelten. Erste Ansatze, diese Barrieren abzubrechen und gleichzeitig den Kopierschutz aufrechtzuerhalten, verfolgt z. B. Bertelsmann mit dem GNAP-Service, der auch bei einem reinen Peer-to-Peer-Austausch die Einhaltung der Rechte und die Bezahlung sicherstellt. Beim Thema Kopierschutz sind die Customer-Equipment-Gerate die Wachter dieses Schutzes - haufig im Zusammenspiel mit einem im Netz liegenden Digital-Rights-Management-System. Hier unterbindet das Customer Equipment ganz eindeutig die Entfaltung der Kundenenergie an einer Stelle, wo diese Gefahr lauft, sich zerstorerisch auf bestehende Geschaftsmodelle auszuwirken. So sind sicherlich die Erfolge des iPod nur moglich, weil Apple mit iTunes und dem iPod ein entsprechendes Rechtesystem aufgebaut hat, dass das unlimitierte Kopieren auch fiir den Apple-Nutzer verhindert. AhnUch wirken die Settop-Boxen der Pay-TV-Anbieter oder die SIM-Karten in Mobilfunktelefonen. Das Zusammenspiel zwischen Online-Anwendung und Customer Equipment macht diese Geschaftsmodelle erst moglich. Besonders wichtig ist das Customer Equipment im Medienumfeld, da es hier automatisch zum Wachter der Inhalte wird, sobald sie die Hoheit des Medienunternehmens verlassen haben und digitahsiert zuganglich sind. Kundenenergie 2: Customer Equipment unter Einfiuss von Kundenenergie Die Hersteller von Customer Equipment nutzen die Kundenenergie zunehmend fiir ihre eigene Wertschopfung. Produkt-Proliferation und schnelle Innovationszyklen zwingen sie dazu. Aufgrund der Massenproduktion konnen zur Erhaltung der Skaleneffekte die Kunden zwar bisher erst selten wirklich individuell eingebunden 124
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werden, dennoch gibt es erste Ansatzpunkte, die einen Eindruck von der zukiinftigen Entwicklung entlang der Wertschopfungskette vermitteln. •
Entwicklung
Die Beobachtungen des Kunden hinsichtlich der Nutzung seines Equipments, z. B. auf Basis von Feedback aus Use Cases und Fokusgruppen, und kleiner Online-Programme (wie Google Desktop Search), liefern Informationen an die Hersteller und helfen diesen, ihre Produkte laufend zu verbessern. Mit zunehmender Konnektivitat der Gerate kann die Art und Weise der Nutzung durch den Kunden noch haufiger zur Verbesserung des Produktes eingesetzt werden. Auch dann, wenn die Kundenenergie nicht direkt eingesetzt wird, nutzt das Tun und Lassen des Kunden der Industrie in ihrem Streben, immer wieder erfolgreiche Produkte auf den Markt zu bringen. Ein wichtiger Bestandteil der Produktentwicklung, bei dem Kundenenergie zum Einsatz kommt, ist heute die Personalisierung. Zunehmend werden Optionen zur Personalisierung durch modulares Design der Produkte oder sogar durch bestimmte Softwarekonfigurationen angeboten. Die Personalisierung nimmt verschiedene Wege: "> Physical Layout: Der Hersteller Loewe mochte sich zum Beispiel im Hochpreissegment ftir Fernseher starker positionieren und bietet nun personaUsierbare Fernseher mit Verblendungen in verschiedenen Materialien und Farben an. Diese „Individual Line"-LCD Fernseher mit 66 bis 80 cm Bilddiagonale, die mit mehr als 400 verschiedenen Kombinationsmoglichkeiten ftir das Gehause aufwarten, ermoglichen dem Kunden Personalisierung. Auch Verblendungen und andere modische Accessoires ftir Handys oder im groBen MaB fiir iPods sind Beispiele, die zeigen, wie der Kunde seine Produkte personalisieren kann und teilweise sogar selbst zusammenbaut. > Software-Personalisierung: Wenn auch die Software-Personalisierung erste Formen annimmt, steht hier der Kundenenergie im Customer Equipment
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Vergleich zum physischen Bereich ein weites Feld offen. Heute sind Klingeltone (inklusive Video-Klingeltone), Logos, BegriiBungen/Abspanne usw. die Mittel, mit denen Mobilfunktelefone und zunehmend auch im Festnetz eingesetzte Schnurlostelefone personalisiert werden. Die Kunden nutzen ihre Moglichkeiten und setzen viel Energie ein, um sich iiber die Personalisierung zu differenzieren, sich ihren Peers gegeniiber auszudriicken und zu positionieren bzw. sich einfach als Individuum zu verwirkUchen. Das geht soweit, dass Software gekauft wird, um eigene Logos und Klingeltone zu schaffen. Wahrend man bei den Logos heute schon eigene Bilder einstellen kann, ist der Tonbereich noch durch Formate geschiitzt, solange Handys noch keine normalen MP3-Dateien als „Ringtones" abspielen. Sobald es soweit ist, sind der Kundenenergie in diesem Bereich keine Grenzen mehr gesetzt. > Personalisierung von Menus: Diese Variante hat sich auf den Kunden-Endgeraten noch nicht durchgesetzt. Eine Ausnahme bildet der PC, wo Microsoft in Windows und MS Office schon seit geraumer Zeit adaptive Menus anbietet, die man selbst einstellt Oder die sich im Zuge der Nutzung intelligent anpassen. Bei anderen Anbietern konnte die Kundenenergie noch nicht nachweislich in Innovationen umgewandelt werden. Je mehr Gerate mit PC-ahnlichen Mentis ausgertistet werden, die die traditionellen Schalter-basierten Eingabe-Schnittstellen (wie bei der Stereoanlage) verdrangen, umso mehr wird auch dieser Trend ReaUtat werden. •
Produktion
Dell ist sicherlich eines der am haufigsten genannten Beispiele ftir Kundenenergie im Bereich Produktion von Customer Equipment. Kundenenergie wird ftir die vom Kunden und vom Hersteller gewtinschte PersonaUsierung genutzt. Auf die Zusammenstellung eines festen Produktportfolios wird verzichtet; vielmehr werden nur Konfigurationspakete angeboten, um dem Kunden, wenn er es wtinscht, vor der Komplexitat und Vielfalt der einstellbaren Optionen zu schtitzen. Ahnliches ist aus der Automobilindustie bei den 126
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Sonderausstattungen von Fahrzeugen zu beobachten. Dell hat seine Supply Chain darauf ausgerichtet, die aus der Kundenenergie entstehenden zahllosen Konfigurationsideen abzubilden. Aufgrund der Standardisierung und der Formfaktoren des PC ist dieses fiir Dell mogUch. Hersteller anderer Geratetypen haben dagegen groBere Probleme. In Bereichen wie den Mobilfunkgeraten ist die Abbildung der Konfigurationsideen in der Supply Chain aufgrund der Formfaktoren und der hohen technischen Integration weniger leicht moglich. Wenn auch die Personalisierung im Hardwarebereich limitiert ist, so bietet der Softwarebereich bei Handsets doch einige Moglichkeiten, z. B. bei den Voreinstellungen der Konfiguration. Hier kann der Kunde vielleicht schon bald bei der Bestellung Konfiguration, Menu, Einstellung, Mehrwertdienste, usw. im Vorfeld auswahlen. Auch PIM-Informationen (z. B. Kontaktdaten) konnten bereits im Vorfeld aufgespielt werden, wenn Mobilfunkgerate zunehmend Uber das Internet und im Einzelversand verkauft werden. Ganz so weit sind die Hersteller von Mobilfunkgeraten jedoch noch nicht. Wahrend die asiatischen Hersteller sicherlich flexibler sind, hat Nokia sich gerade erst der kundenspezifischen Anpassung der Handsets an die individuellen Wiinsche der Mobilfunkanbieter geoffnet. Mit ihrem „Industrial-Design-Customization"-Konzept erlauben sie den Anbietern, voUstandig iiber User Interface, Ringtones/Wallpaper/Screensaver und Meniifiihrung wie auch Intros/ Anspanne zu verfiigen. Erste Ansatze von exklusivem Design der Formfaktoren wurden mit China Mobile auch schon realisiert. Bis zur individuellen Konfiguration ist es daher in diesem Massengeschaft sicherlich noch ein langer Weg. •
Marketing
Customer Equipment wird im mobilen Bereich zunehmend als modisches Accessoire betrachtet. Durch die Ausstattung offentlicher Personlichkeiten, so genannten „Celebrities", mit entsprechenden Produkten ergibt sich das erfolgreiche Konzept des „ Celebrity Marketing". Dieses Vermarktungskonzept nutzt die Kundenenergie so weit, dass der Drang zur Imitation der eigenen Idole ausgenutzt Customer Equipment
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wird, um den Absatz damit zu fordern. Die Vermarktung des iPod und dessen Aufstieg zum Kultprodukt ist nicht zuletzt darauf zuriickzufuhren, dass „coole" Zeitgenossen mit den weiBen iPodKopfhorern im Ohr fotografiert wurden. Ahnlich wie mit „Celebrities" kann man die Kunden mit der Werbung anhand von Use Cases an die Nutzung des Customer Equipments heranfuhren. Vodafone nutzt z. B. die Fernsehwerbung, um seine Vodafone-Live-Handsets und die entsprechenden Services herauszustellen. Entsprechende Kampagnen gab es beim Launch des Sharp GXIO mit Photo und MMS (z. B. kennt jeder den Werbespot, in dem ein Madchen ihren Abendbegleiter nach Verabschiedung per MMS doch noch zum Kaffee herauf bittet). Fiir alle Zielgruppen werden Use Cases gezeigt. Auch beim Launch von UMTS mit Video-Call-FunktionaUtat wurde dieser Ansatz wieder aufgegriffen (z. B. eine Mutter, die abends mit ihrem Kind Fratzen am Videotelefon macht). Durch offene Schnittstelien und inhaltUche Standards konnten die Hersteller von Customer Equipment die Energie der Kunden auch zur Verkntipfung der einzelnen Gerate im Haushalt nutzen. Offene Schnittstelien werden die Vernetzung des Haushalts signifikant fordern. Das vernetzte Haus, dessen Deutsche-Teiekom-Version in BerUn zu bestaunen und auch zu bewohnen ist, wiirde sich in seiner Endform schnell herauskristalUsieren. Dennoch beschranken die Hersteller, insbesondere die Anbieter von Unterhaltungselektronik, haufig diese Freiheit. Man einigt sich zwar auf einzelne Standards wie DVI Oder HDMI, doch haufig erweisen sich die eigenen Welten als starker. So geschehen bei Sony, wo einzelne Geratelinien so gepusht werden, dass ein Lock-in der Kunden erfolgt. Die zunehmende Integration des iPods mit vielen anderen Endgeraten - von der HiFi-Anlage bis zur Kamera und dem Auto - ist hier ein sehr positives Beispiel, wie Industriefremde solche Blockaden fUr die Kundenenergie auflosen. Nicht zuletzt kann die Vernetzung innerhalb von Communities auch Peer-Pressure zur Anschaffung ahnlicher Endgerate erzeugen. So erlaubt z. B. die neue PlayStation Portable (PSP) von Sony eine Vernetzung der portablen Gerate Uber Funk und unterstutzt
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damit vernetztes Spielen. Der Drang, mit den Freunden und Mitschulern mitspielen und nicht auf dem Schulhof daneben stehen zu wollen, wird einen Community-Effekt auslosen und zur Absatzsteigerung von PSPs ftihren.
• Customer Service Nutzergruppen sind haufig die wichtigsten Heifer der EquipmentHersteller auf Kundenseite. Von Microsoft Windows und Office speisen sich zahlreiche Online-Foren und Computer-Zeitschriften. Insbesondere in den Online-Foren helfen Nutzer anderen Nutzern - ein Faktum, auf das Microsoft baut. Aus gutem Grund: Sehr haufig war Microsoft erst durch Benutzer nach dem Launch einer neuen Version von Windows auf Fehler hingewiesen worden und konnte daraufhin schnell „Patches" hinterherschieben, um die Probleme zu beheben. Dariiber hinaus sind viele Handbuch-Seiten mit Tipps und Tricks fiir den Umgang mit Windows bedruckt. Kritiker sagen: „Microsoft verfolgt das Bananenprinzip - das Produkt reift beim Kunden". Ob geplant oder ungeplant, Mircosoft verlagert einen groBen Teil des Customer Service in die Foren der „Communities" unter konsequenter Nutzung der Customer Energy. Die Freaks helfen den anderen Freaks und auch normalen Usern. Diese Hilfsbereitschaft spart Microsoft und anderen groBe Summen fiir aufwendigen technischen Support. Deshalb diirfte Microsoft die Untersttitzung dieser Foren jede Miihe wert sein. Viele dieser Punkte gelten primar fiir PCs, die bereits eine hohe Flexibilitat, Standardisierung der Hardware und breite Softwarevielfalt aufweisen. Doch im Bereich der Mobilfunktelefone kommen viele dieser Punkte zunehmend zum Tragen.
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Hindernisse bei der Nutzung von Customer Energy Die Nutzung der Kundenenergie ist in einem stark Hardware-, Produktions- und Supply-Chain getriebenen Business wie dem Customer-Equipment-Geschaft eine Herausforderung. Verschiedene Schwierigkeiten gilt es zu iiberwinden: ) • Ein adaquates Innovationsmanagement muss Kundentrends und -bedtirfnisse friih erkennen und in Produktinnovationen umsetzen. Wichtig sind das Zuhoren beim Kunden und die wirkliche Nutzung von Kundeninformationen und -feedback aus alien erdenklichen Quellen. >' Bei aller Offenheit gegeniiber dem Einsatz von Kundenenergie (z. B. durch eigene Gestaltung des Mentis) muss der Handler aufpassen, dass er nicht wichtige Differenzierungspunkte verliert, denn die Bereitschaft der Kunden, ihre Energie einzusetzen, ist unterschiedlich hoch. Nicht jeder will viele Einstellungen selbst vornehmen, sondern mancher sucht eher die Einfachheit. Die richtige Balance und Vorausschau sind hier vonnoten, damit es gelingt, es alien Kundentypen recht zu machen. > Veranderungswlinsche beziiglich Hardware-Features von Customer Equipment Ziehen aufwendige Prozeduren nach sich und fiihren zu hoher Variantenvielfalt: Wahrend Loewe „nur" 400 Kombinationsmoglichkeiten hat, hat z. B. ein Automobilhersteller Varianten in der GroBenordnung zweistelliger Zehnerpotenzen. Bei zunehmender Individualisierung kommt es so schnell zu hohen Kosten in der Produktion und der Supply Chain, wo immer mehr Flexibilitat gefragt ist. Produkte miissen deshalb modularisiert werden, anders kann die Kombinationsvielfalt nicht ermoglicht werden. Die Produkte miissen also so gestaltet werden, dass die Variantenbildung moglichst spat in der Supply Chain erfolgt, denn durch die Erhohung der Varianten erhohen sich auch der Lagerbestand und damit die Kosten der Supply Chain (inkl. des Lagerbestandsrisikos). Geht der Trend zur Individualisierung, muss vielleicht wie in der Automobilindustrie zukiinftig kundenbezogen produziert werden. SoUte diese Ent-
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wicklung eintreten, ist damit natiirlich der schnelle Einkauf eines Standardgerates nicht mehr moglich, und man muss wie beim Auto einige Zeit auf sein Produkt warten. Ob der Kunde das in Kauf nimmt, ist fraglich. > Idealerweise kommt die Kundenenergie bei der Produktgestaltung nur durch Software zum Zuge, weil hier Anderungen jederzeit moglich sind und in gewissen Grenzen durchaus vom Kunden vorgenommen werden konnen. Ringtones, Logos etc. sind nur einige Moglichkeiten. Durch Nutzung der Softwareveranderung „over the air" aufgrund der Vernetzung des Customer Equipments sind den EntfaltungsmogUchkeiten der Kundenenergie nur durch die Beschrankungen der Hersteller und der Moglichkeiten ihrer Hardware Grenzen gesetzt. Bei aller Offenheit gegeniiber der Kundenenergie kommen natiirlich alle Probleme der PC-Welt, wie mangelnde Verlasslichkeit und nicht ausreichende Ausfallsicherheit etc., auch in diesem Bereich zum Tragen. Hier muss eine Balance zwischen Offenheit und Entfaltungsfreiheit auf der einen und Verlasslichkeit/Sicherheit auf der anderen Seite gefunden werden.
Was bleibt zu tun? Fiir Service-Anbieter aus dem Medien- und Telekommunikationsumfeld ist das Customer Equipment ein wichtiger Bereich, der konsequent besetzt werden muss, um die Kundenenergie zu nutzen und in die gewiinschten Bahnen zu lenken. Nur durch die Einftihrung, Beeinflussung und KontroUe der erwahnten Funktionalitaten in den Endgeraten (z. B. Benutzerschnittstelle oder Serviceintegration) konnen Spieler aus anderen Bereichen die Servicenutzung steuern. Nicht umsonst ist Microsoft in den Spielkonsolen-Markt eingedrungen, steuert jetzt mit der XBox den Online-Bereich an und diirfte zu einem der groBten Online-Spieleportalanbieter aufsteigen. Ahnliches gilt fiir Apple iPod und iTunes - nur durch die Fahigkeiten des iPods zum Rechtemanagement konnte der iTunes-Service zum Erfolg werden. Wenn das durchgehend gelingt, hat die Online-Musikindustrie eine Chance. Angebote wie das eiCustomer Equipment
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nes Festnetztelefons mit Skype-Funktionalitat von Siemens Cordless Phones, dem Marktflihrer im Festnetztelefonmarkt, zeigen jedoch, dass nicht alle Marktteilnehmer die gleichen Interessen haben. Die etablierten Festnetzanbieter wurden solche Endgerate sicherlich gerne unterbinden. Am Ende lasst sich die Kundenenergie nicht unterbinden, und der heutige Kunde findet immer ein Ventil zur Entfaltung seiner Kraft. Dennoch kann iiber die Auspragung der erwahnten FunktionaHtaten des Endgerats subtil nachgesteuert werden. Die richtige Balance zwischen Steuerung und Freiheit fiir die Kundenenergie miissen alle Beteiligten fiir sich noch finden.
Fazit Alle, die die Energie des Kunden nutzen wollen, sollten das Customer Equipment im Auge behalten, denn dieser Bereich produziert in besonderen MaBe die Ansatzpunkte, an denen die Kundenenergie aktiv werden kann. Wahrend die Customer Energy in der reinen Internet-Welt iiber den PC schon zur freien Entfaltung kommt, kann im Home Entertainment und im Mobilbereich noch viel Neues gedacht und umgesetzt werden. Gerade die Hersteller von Customer Equipment sollten also die Kreativitat und die Energie des Kunden einsetzen, um sich noch weiter zu profilieren. Aufgrund der „Economies" der Massenproduktion ist die Entwicklung sicherlich nicht so einfach wie in anderen Branchen, aber es gibt eine ganze Reihe von Ansatzpunkten.
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Beispiel: Nokia/Kodak Mobile Service/Yahoo! Willkommen im Club: Netzwerk fiir Handy-Kunden Fiir die stark umworbenen Handy-Kunden hat Nokia ein weites Netz gesponnen, mit dem die Kunden naher an den Hersteller gebunden werden. Dazu gehort nicht nur der Club Nokia, sondern auch die Kooperation mit weiteren Service-Anbietern, wie Kodak oder Yahoo!. So entstehen fiir jeden Kunden attraktive Angebote aus alien Bereichen, mit denen sie ihre Kundenenergie individuell einsetzen konnen, ohne die lange Leine von Nokia zu verlassen. Club Nokia „Connecting People" ist Nokias Claim, und entsprechend hat der Telefonanbieter fiir seine Mitglieder ein ganzes Biindel von Services geschniirt, die die Kunden zusammenfiihren. Mitglied im Club Nokia zu sein, verschafft den Kunden und dem Unternehmen neben dem reinen Telefonvertrag mit Nokia eine gauze Reihe von Vorteilen. Hilfe suchende Clubmitglieder werden iiber die Nokia CareUne unterstiitzt und mit Tipps und Tricks zur optimalen Nutzung ihres Mobiltelefons samt Software versorgt. Im monatHchen Newsletter wird der Kunde iiber Neuigkeiten aus der Nokia-Community informiert, und mit Gewinnspielen wird die Kundenbindung gefordert. Dazu ermoglichen diverse Kooperationspartner den Telefonkunden attraktive Rabatte, ob sie Kosmetik (Douglas), Mietwagen (Europcar) oder Kinokarten (UCI Kinowelt) brauchen, in einem exklusiven Golfclub spielen woUen. Uberall werden den Mitgliedern des Club Nokia Prozente gewahrt. Weitere Gemeinsamkeiten der Community werden bei groBen Nokia-Events geschaffen, wie Nokia Customer Equipment
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Trends, wo Ende September 2005 im Berliner Velodrom die jugendlichen Clubmitglieder ausgelassen zur Musik der Chemical Brothers feierten. Kodak Mobile Service Durch die Zusammenarbeit mit Kodak nutzt Nokia ein weiteres Segment des Cross-/Up-Sellings, auch hier wird Kundenenergie genutzt und gleichzeitig die Kundenbindung gestarkt, und die Services werden enger mit den mobilen Endgeraten verkniipft. Der Service von Kodak Mobile ermoglicht das Laden und Speichern der Handy-Kamera-Fotos und bietet kostenfreien Speicherplatz bis zu MB an. Die digitalen Bilder konnen auf dem Handy betrachtet, als MMS an ein anderes Handy verschickt, aber auch als herkommliche Papierabziige bestellt werden. Kooperation mit Yaiioo! Die mit dem Betriebssystem Symbian ausgestatteten, datenfahigen Mobiltelefone konnen durch die Kooperation fiir die Such- und E-Mail-Dienste von Yahoo! genutzt werden. Fiir die jugendlichen Kunden ist auch der Bezug von Spielen, Klingeltonen oder Hintergrundbildern ein wesentHcher Anreiz und Mehrwert gegeniiber dem Nokia-Portfolio. Das Angebot der Symbian-Smartphones, die mit Yahoo !-Diensten ausgestattet sind, umfasst aktuell die Modelle Nokia 6680,6681 und 6630, es soil demnachst erweitert werden.
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Beispiel: Microsoft XBOX Kunden als Tester und Kritiker Microsoft lieB seine Online-Spielkonsole XBOX vor der Markteinfuhrung durch eine Anzahl von Testspielern priifen. Dieser Schritt vor der Produktfreigabe ist durchaus iibliche Praxis und erftillt neben der Eliminierung von Produktfehlern noch andere Zwecke: Die Spieler erhalten exklusive Informationen iiber Spiele und Gerate, werden in Umfragen einbezogen und sind damit am Entstehungsprozess beteiligt. AUes das fuhrt dazu, dass diese „Community" schon im Entwicklungsprozess stark an das Produkt gebunden wird und im nachsten Schritt die Markteinfuhrung des Produktes mit besonderem Interesse verfolgt. Diese Marketingstrategie nutzt Microsoft und den Kunden gleichermaBen. Sie werden in die Entwicklung einbezogen und zeigen aufgrund der hoheren Nutzerfreundlichkeit groBere Zufriedenheit, hohere Akzeptanz des Produktes. Dariiber hinaus ergibt sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda ein starker Marketingeffekt. Produkteinfiihrung XBOX Die erste XBOX kam im November 2001 auf den Markt. Ein Jahr spater wurde fiir die Besitzer von Breitband-Internetanschlussen die XBOX Live als OnUne-Game-Service veroffentUcht, allerdings zunachst in der Beta-Testversion. Nach der dreimonatigen Testphase startete der offizielle Verkauf im Marz 2003. XBOX Live ermogUchen, dass mehrere Spieler online gegeneinander antreten oder neue Inhalte herunterladen konnen. Die Zahl der XBOX-Live-Online-Nutzer verdoppelte sich vom Juli 2004 auf zwei Millionen im Juli 2005. In der Zwischenzeit haben sich die technischen Voraussetzungen erheblich verbessert, die weitere Spieler fiir neue Versionen anlocken werden. Erleichtert wird der Umgang mit den Spielkonsolen durch die weitere Verbreitung von Breitbandan135
schlussen. Um Kundenkontakte zu etablieren und zu halten, werden die Kunden mit Hilfe eines „Product Feedback Center" im Microsoft Developer Network immer wieder zu Feedback aufgefordert, wahrend Microsoft engere Zusammenarbeit mit Entwicklern ebenso anbietet wie Informationen iiber tatsachlich ausgefiihrte Veranderungen. AuBerdem wird die XBOX-Community auch durch ein Netz von User Groups, Diskussionsforen, Web-Magazinen etc. miteinander verbunden und mit fundierten Informationen iiber Microsoft-Technologien, -Produkte und -Services versorgt.
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Fazit: Industrieiibergreifende Diskussion eines methodischen Ansatzes zum Management der Customer Energy
Einordnung des Customer-Energy-Phanomens in die Welt etabiierter Theorieansatze Die Idee, den Endkunden in die Marktbearbeitung nicht nur als Konsumenten einzubeziehen, hat aus theoretischer wie aus empirischer Perspektive Tradition. Spatestens mit zunehmenden Sattigungstendenzen in verschiedenen Markten werden alternative Ansatze getestet, die zusatzliches Wachstum erschlieBen und heutige Margen nachhaltig absichern soUen. Doch weder umfangreiche Marketingbudgets noch der Austausch ganzer Systemlandschaften wie in der Hoch-Zeit des CRM konnten die Liicke zwischen theoretischer Vision und realisiertem Managementerfolg wirklich schUeBen. Jiingere Ansatze wie Benklers „Pinguin" oder Hippels „Lead-User-Konzept" werden in der Managementdiskussion als zwar interessant, aber exotisch angesehen - weil sie jeweils nur auf wenige Industrien anwendbar sind. Die erfolgreiche konzeptionelle Diskussion eines industrieiibergreifenden Ansatzes zum Management der Customer Energy macht zunachst die Einordnung in die etablierten theoretischen Rahmenwerke erforderlich, gleichzeitig aber auch die kontinuierliche empirische Erprobung der Anwendbarkeit auf aktuelle und zukiinftige Fragestellungen in den Endkundensegmenten verschiedener Industrien. Dreh- und Angelpunkt des hier diskutierten Ansatzes zum Management der Customer Energy von Anbieterseite ist die Abbildung des Kunden als vollwertiger Marktpartner, der das Marktangebot nach unterschiedlichen Kriterien situativ bewertet, es so gut wie Fazit
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5 O V.
•§ c
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3 138
Fazit
moglich mit seinem aktuellen Nutzenprofil abgleicht und daraufhin monetare und nicht-monetare Variable fur Erwerb, Nutzung und eigene Weiterentwicklung von Giitern und Dienstleistung ausniitzt. An diesem Punkt wird sichtbar, wie sehr sich die aktuell immer haufiger zu beobachtende RoUe des Kunden von bisher etablierten theoretischen Ansatzen unterscheidet. Entgegen den schon lange als AUgemeingut betrachteten vier „P" von Kotler (siehe Abbildung 5) ist der Kunde, der seine Customer Energy ausspielt, nicht langer der Empfanger eines fertig gestellten Produkts, sondern er ist in vielen Fallen bereits aktiver Wertschopfungspartner, der in viele einzelne Stufen der Wertschopfungskette eingreifen kann. Damit verftigt er in vielen Fallen auch iiber die Kompetenz, etablierte Wertschopfungsketten zu verlangern oder durch die Entnahme von „Zwischenprodukten" zu verkiirzen. Zusatzlich fiihrt das Eingreifen des Kunden regelmaBig zu Diskontinuitaten des urspriinglich vorgesehenen Entwicklungspfads eines Produktes oder einer Dienstleistung: Der Kunde initiiert, beschleunigt, stoppt oder forciert Alternativen. Die daraus resultierenden neuen Marktmechanismen sind insbesondere fiir Bereiche der Consumer Electronics, der Tontragerindustrie etc., die iiber Jahrzehnte ihre Wachstumsschiibe iiber Ersatzinvestitionen im Endkundenbereich ableiteten, eine beachtliche Herausforderung. Umfangreiche empirische Beobachtungen deuten darauf hin, dass sich Kunden langst nicht mehr zwingend mit einer RoUe zufrieden geben, die sie zwar eingreifen lasst, aber nur in begrenztem Umfang. Losungen, z. B. mittels eines Konfigurators - wie im Ansatz der Mass Customization -, top-down die Spielregeln vorgeben, werden den oft noch unbewussten Kundenanforderungen nicht unbedingt gerecht. Denn: Auch bei Einsatz seiner Customer Energy kann der Kunde nur dann seine vielfaltigen Ziele erreichen, wenn er situativ unterschiedliche RoUen wahrnehmen kann. Im Vergleich zu den neuen Moglichkeiten bleibt der Individualisierungsansatz der Mass Customization in den Augen des Massenkunden hochst inflexibel. Gleichzeitig erhoht sich die Komplexitat der Supply Chain durch eine scheinbar unbegrenzte Modularisierung von Commodities.
Fazit
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Beispiele: Procter Ct Gamble, Eon Mass Customization: Foigen eines missverstandenen Kundenansatzes Die Kombination von hohen verfiigbaren Konsumbudgets, beschrankten Innovationssprungen sowie steigender Marktsattigung fiihrte in der westlichen Konsumwelt - lange vor dem Schlagwort „Geiz ist geil" - zu fiir viele Produkte kaum akzeptablen Margeneinbrtichen. Es begann mit dem plotzlichen Auftritt von Discountmodellen in nahezu alien Industrien mit Massenmarktzugang. Hier ubernahm der Handel die RoUe des Katalysators fiir einen Strukturwandel, der von den etablierten Marktteilnehmern als substanzielle Bedrohung wahrgenommen wurde. Die gleichzeitig steigende Nachfrage nach Serviceleistungen und ein gesellschaftlicher Wandel bin zur individualisierten Konsumpflege versprachen zusatzliches Potenzial - erforderten jedoch eine neue Form der Kundeninteraktion, auf die keiner der Marktteilnehmer bislang vorbereitet war. Da sich die Kunden in ihrer Bewertung noch weitgehend am Massenmarkt orientieren, waren und sind sie nur sehr begrenzt bereit, wesentliche Preiserhohungen hin zu nehmen. Das strategische Dilemma der betroffenen Anbieter bestand darin, ein individualisiertes Kauferlebnis zu generieren, ohne gleichzeitig die Vorteile nur einer Supply Chain im Massenmarkt aufgeben zu miissen. Die Losung schien durch den strategischen Ansatz der Mass Customizsation gefunden zu sein. Die Grundidee klang plausibel: Wenn Kunden fiir die Individualisierung ihres Produktes bezahlen, muss lediglich die Supply Chain sich dieser Variantenvielfalt entsprechend anpassen. Um dies zu ermoglichen, erfolgte eine weitgehende Modularisierung von Produkten, die nach dem spezifischen Nutzenanspruch des Kunden zusammengesetzt wurden. War die individuelle Anpassung an den Kundenwunsch in Produktionen mit Einzelanfertigung ein wesentlicher Kostentreiber, ermoglichte der bereits in der Investitionsguterindustrie erprobte An140
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satz der Internetkonfiguratoren einen erheblichen Zugewinn an Flexibilitat. Getrieben durch die Vision einer Verkniipfung zwischen der traditionellen Industrie und den neuen Internetmodellen entstand spatestens ab 2000 in Deutschiand ein MassCustomization-Hype. Eon investierte damals 22 Millionen Euro und bot seinen Kunden iiber das Internet die Moglichkeit, ihr individuelles Stromportfolio zusammenzustellen und je nach Praferenz die Anteile fiir Atomstrom und regenerative Energie zu gewichten. Der im Rahmen der Globalisierung gefahrdeten europaischen Schuhindustrie kam Unterstiitzung der Europaischen Union zugute, die diesen Ansatz auf die Herstellung von Schuhen iibertragen woUte. Lloyd, Nike und Adidas sind nur einige der bekannten Beispiele aus dieser Industrie. Als wohl bekanntestes Beispiel („the most promising venture in the mass customisation world") startete „Reflect.com" von Procter & Gamble im September 1999 mit einem Investitionsvolumen von mehr als 80 Millionen Dollar. Die Idee von Dennis Maloney, einem der damaligen Griinder, fuBte auf der Beobachtung, dass in einer zunehmend individualisierten Konsumgesellschaft das in der Kosmetikindustrie stark ausgepragte Push-Marketing nur beschrankt zu nachhaltiger Loyalitat und damit verbunden zu Margen-Attraktivitat fiihrt. Typische Probleme ergeben sich in der weibUchen Kauferschicht insbesondere wegen der nur teilweisen Zufriedenheit mit angebotenen Farbabstimmungen oder besonderen Duft- und Inhaltsstoffen und den individuellen Erwartungen. Ohne jegliche Anlehnung an die etabUerte P&G-Marketingmethodik ermoglichte Reflect seinen Kunden, im Do-it-yourself-Verfahren onUne oder in einem der 33 Shops den Zugang zu Kosmetikartikeln. Anstatt sich traditionell aus den Regalen der Kosmetikretailer mit fertigen Produkten zu bedienen, ermoglichte ein Konfigurator, Hauttyp, Hautfarbe, Gesichtsform, Haarfarbe, Augenfarbe etc. zu erfassen und in das modular aufgebaute Produktangebot iibertragen zu lassen. ZusatzUche interaktiv eingespielte Fragebogen dienten der Erweiterung der Datenbank und der moglichst zuverlassigen Zuordnung des Kunden in bestehende Cluster. Die Bogen soUten schheBlich auch die Treffsicherheit
Fazit
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des Angebots entsprechend der Nachfrage verbessern. Die Personalisierung der Interaktion zwischen Reflect.com und seinen Kunden erforderte eine anspruchsvoUe Systeminfrastruktur. Es mussten Daten aus dem Kundendialog, der Produktion und den Servicesystemen in einem „data mart" gemanagt werden. Nur damit konnten im Cross-Selling Kundenanforderungen auf Basis friiherer Personalisierungen effektiv beriicksichtigt werden. Damit wird der fur dieses Produktsegment urspriinglich sehr kurze Verkaufsmoment durch einen Beratungsprozess verlangert. Das modulare Angebot von Teilprodukten bis hin zur Bestimmung der Menge verwandelte die wahrgenommene Position des Kunden in die eines Nutzers, der seinen Kosmetikcocktail selbst mixt. Die Personalisierung des Endprodukts durch den Namen des Kunden soUte schlieBlich den finalen Baustein fiir eine Kaufbeziehung bilden, die auf Nutzung integrierter Kundenenergie fu6t. Dabei ist klar zu erkennen, dass der Kunde einerseits eine Wahlmoglichkeiten erhalt - andererseits durch die Bedienung des Konfigurators kontinuierlich durch das Unternehmen gesteuert wird. Branding-sensible Bereiche, die in der Kosmetikindustrie eindeutig die Positionierung im Premiumsegment bestimmen wtirden (z. B. Auswahl der Kosmetikverpackung), wurden dabei von Reflect wesentlich starker durch Vorgabe und Beschrankung der Auswahlmoglichkeiten gesteuert. Das Ausbleiben des Booms fiir personalisierte Massengiiter gehorte im Internetbusiness zu den groBten Enttauschungen sowohl auf Seiten der Forschung wie auch der Wirtschaft. Als der erwartete Erfolg ausblieb, stellte Eon schon bald seine teuren MarketingmaBnahmen inklusive Internetkonfigurator ein und musste sich zynische Kommentare zum Thema Kundenbindung gefallen lassen. Der traditionsreiche Kamerahersteller Leica konnte seine Innovationsliicke in der Digitaltechnik ebenfalls nicht durch das Angebot personalisierter Qualitatsprodukte wettmachen. Und auch wenn Reflect.com es unter die Top Ten der meist besuchten Kosmetik- & Beauty-Seiten im US-Internetmarkt geschafft hat, beschloss Procter & Gamble im Mai 142
Fazit
2005, diesen Geschaftszweig zu schlieBen. Der offizielle Kommentar der Firmenleitung, man hatte jetzt so viel vom Markt gelernt, dass Reflect nun geschlossen werden konne und die Erkenntnisse in bestehende Produktlinien (Olay und Cover Girl Cosmetics) integriert wiirden, klingt in einem so dynamischen Markt wenig plausibel. Ob in diesem Massenmarktsegment die verbesserte Segmentierung durch die Verfiigbarkeit der Einzelkundendaten - inklusive Wiedererkennungseffekt Oder das modulare Produktsortiment, letztlich die relevante kaufentscheidende Wirkung haben, bleibt umstritten. Fiir ersteres spricht die Beobachtung, dass auch Reflect.com erst nach circa drei Jahren Anlaufzeit wesentliche Steigerungen im Loyalitatsverhalten der Kunden realisieren konnte. Die Diskussion tiber geschaffene/vernichtete Werte bleibt offen. Keines der hoffnungsvoll gestarteten Geschaftsmodelle hat, unabhangig von der Industrie, das Ziel der erfolgreichen Positionierung im Massenmarkt erreicht. Selbst Nike, die erst kiirzlich mit einem Relaunch einen Zweitversuch unternommen hatten, haben sich vom Ziel der Premium-Marge im Massenmarkt mit diesem Geschaftsmodell verabschiedet. Mit einem durchsetzbaren Aufpreis von 10 bis 15 Dollar im Vergleich zur standardisierten Massenware ware diese auch bei Nutzung neuester Produktionstechnologie kaum moglich. Damit ist zwar die technologische Ubertragung des Kernelements „Konfigurator" aus der Investitionsgiiterindustrie dank zunehmender Digitalisierung der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden gegliickt, die Kundenakzeptanz und Durchdringung im Massenmarkt sind jedoch gescheitert. Das Potenzial der verfiigbaren Kundenenergie konnte nicht ausreichend genutzt werden, um Marktanteile auszubauen und Margen abzusichern. Erfolgreiche Geschaftsmodelle im Textil- und Bekleidungsmarkt verfolgten eine voUstandig andere StoBrichtung: Statt Personalisierung eines hochqualitativen Produkts wurde bei Mango, H+M und Massimo Dutti der Lebenszyklus zu Gunsten kurzer Trends, die top-down definiert wurden, wesentUch verkiirzt. Der kontinuieriich konsumierende Kunde wurde als Zielsegment definiert - ein Margenspielraum fiir personaHsierte Produkte wurde dabei nicht eingeplant. Fazit
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Auch das zweite Kotlersche „P" (= Placement) erfordert unter Customer-Energy-Perspektive eine differenzierte Betrachtung. Heutige Endkundenmarkte bilden sich nicht mehr durch eine alleinige Top-down-Entscheidung des Unternehmens iiber Zeitpunkt und Teilmarkte aus, in denen das Produkt platziert wird. Vielmehr stellt die Schlagkraft heutiger Peer-to-Peer-Plattformen diese Entscheidungen substanztiell in Frage: Neue Markplatze entstehen damit nicht zwingend wie in der Mass-Customization-Diskussion liber das personalisierte Placement, sondern durch das bewusste Umgehen etabHerter Markte. Damit ist auch verstandHch, dass die Preisfindung (das dritte Kotlersche „P") nicht mehr ausschlieBhch als das monetare Ergebnis eines wettbewerbUchen Abgleichs zwischen Angebot und Nachfrage betrachtet werden kann. Im Modell der Customer Energy gilt die Kernfrage des Kunden nicht mehr dem Marktzugang per se, sondern es geht um die Frage, wie er sich diesen Zugang „erarbeiten" kann. Dem schon im Einleitungskapitel zitierten Ansatz von Funke folgend sieht der Kunde in den heutigen „Einkaufswelten" den Erwerb von Produkten und Dienstleistungen nicht mehr als iiberlebensnotwendig an - sondern als Teil seiner personlichen Unterhaltung, seiner individuellen Freizeitbeschaftigung und oft auch als Ausgleich seiner sozialen Positionierung in der „realen Welt". Damit werden monetare Variable der Preisfindung in groBem Umfang durch nicht-monetare Variable erganzt, nicht selten sogar verdrangt. FUr den Kunden steht gegebenenfalls nicht die Preisminimierung - wie oft in der „Geiz-istgeil"-Diskussion behauptet -, sondern vielmehr der „Fun- oder Wohlfiihlfaktor" im Vordergrund. Dabei zeigt die empirische Beobachtung, dass sich die Customer Energy vorzugsweise auf die Segmente konzentrieren, die sich auf die oberen Bediirfnissegmente der Maslowpyramide konzentriert, und damit die fiir eine Wohlstandgesellschaft typischen Konsumsegmente adressiert. Dazu gehort in jedem Fall auch das Verfiigen liber Wissen, das zum Beispiel liber die Plattform Wikipedia ins Netz gestellt wird:
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Fazit
Beispiel: Wikipedia Im Wikiversum geht die Sonne niemals unter - aber w o Licht ist, ist auch Schatten Im Januar 2006 feierte Wikipedia seinen fiinften Geburtstag, und Jimmy Wales, der Erfinder von Wikipedia, konnte zufrieden auf gelungene Jahre und auf ein mehr als erfolgreich angelaufenes Projekt zuriickblicken. Seine Vision war ein Universallexikon, in dem Wissen jederzeit ftir alle Menschen iiberall kostenlos zuganglich ist. Daraus hat sich inzwischen viel mehr entwickelt, denn Wikipedia ist zugleicli ein Projekt, in dem sich Zehntausende zu einem gruppendynamischen Prozess zusammengefunden haben. Ihr gemeinsames Ziel: alles Wissen der Welt zu sammeln und zu verbreiten. In Frankfurt am Main versammelte sich im Sommer 2005 erstmals diese Gemeinschaft der „Wikis" zur Wikimania und tauschte ihre Erfahrungen in mehrtagigen Workshops aus. „Schnell" bedeutet in der Sprache Hawaiis „wikiwiki" - darin Uegt auch das Prinzip dieses Lexikons: Neue Informationen sollen in ktirzester Zeit online verfiigbar gemacht werden. Dieses Wissen wird in mehr als hundert Sprachen angeboten. Dabei engagiert sich der Wikipedia-Griinder besonders ftir Ubersetzungen in Sprachen der Entwicklungslander. Wikipedia hat inzwischen Auszeichnungen wie den „Grimme Online Award", der vom unabhangigen Grimme-Institut ftir publizistische Qualitat im Netz vergeben wird, bekommen. Aber keine Erfolgsgeschichte ohne Schattenseiten. Die Probleme der Wissensplattform Wikipedia, die von jedem Nutzer per Klick bearbeitet werden kann, ohne dass man sich identifizieren miisste, sind Jimmy Wales durchaus bewusst: „Meinungsfreiheit ist gefahrlich, aber auch unglaublich machtig und niitzlich." Bislang betrachten traditionelle Verlage wie Brockhaus Oder Encyclopedia Britannica die Online-Konkurrenten noch Fazit
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ziemlich gelassen. Denn durch die Tausende von Autoren, die an den Beitragen arbeiten, gibt es keine Konsistenz und keine wirkliche Systematik, wie sie Standardlexika zugrunde liegen. Es fehlt die methodische Kontrolle. AUerdings schnitt Wikipedia in einem Test der Quote der Ungenauigkeiten nicht wesentlich schlechter ab als die Encyclopedia Britannica. Aber neben Ungenauigkeiten oder Fehlern geriet die Wissensplattform mehrfach in die Schlagzeilen, weil auf den Seiten vorsatzlicher Missbrauch betrieben wurde. Aus diesem Grund verfiigte beispielsweise das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Mitte Januar 2006, die Homepage www.wikipedia.de abzuschalten, wahrend die deutschsprachige Seite www.wikipedia.org weiter zuganglich blieb. Der Hintergrund war die erfolgreiche Klage von Angehorigen gegen die vollstandige Namensnennung ihres Sohnes, der zur „Hacker"-Szene gehort hatte und unter ungeklarten Umstanden gestorben war. Der Gedanke von Wikipedia wird sich voraussichtlich in den nachsten Jahren weiter durchsetzen. Ein Indiz daftir ist die unter dem Dach des Handelsblatt-Verlags angelegte Plattform „Wirtschaftswiki". Inwieweit die freie Mitarbeit und Redaktion fur jedermann erhalten bleiben, muss abgewartet werden. Diese Diskussion kam nach den Missbrauchsfallen auf, besonders fiir den weiteren Zugang zu den englischsprachigen Seiten. Uberzeugte Wikipedianer wehren sich allerdings derzeit noch gegen solche Restriktionen.
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Fazit
Erfolgreiche Preisstrategien im Endkundenmarkt vollziehen einen Fokuswechsel vom Geldwert zum Unterhaltungswert, der dem Kunden ein „Abtauchen" in eine individuelle „Scheinwelt" ermoglicht. Dabei definiert der Kunde seine Spielregeln selbst und ist auch zur Aufgabe bzw. Veranderung traditioneller ethischer Werte bereit: Der geahndete Ladendiebstahl einer CD wird als illegaler Download gesellschaftlich salonfahig. Selbst beim vierten Kotlerschen „P", der Promotion, wird Anderungsbedarf deutlich. In gesattigten Endkundenmarkten sind in der Kegel bereits alle Vertriebskanale besetzt und konnen nur noch durch ressourcenintensiven Verdrangungswettbewerb zu weiteren Marktanteilen fiihren. Aus Sicht der Customer Energy werden die traditionellen Vertriebsagenten durch Communities erganzt. Nicht mehr der wissende „Dr. Oetker, Dr. Best oder Herr Dittmeyer etc. empfehlen", sondern die Erfahrungen anderer Kunden mit dem spezifischen Produkt- und Serviceangebot gelten dem Kunden als wesentlich verlasslichere GroBen. Was mit dem Portal von Ciao! seinen Anfang nahm, hat sich bereits in zahlreichen Recommender-Systemen (z. B. Amazon) fortgesetzt. Die bekannte Aktion von Lego, bei der fiir eine neue Lokomotive ausschlieBlich via „Mundpropaganda", welche voUstandig die unternehmerischen Marketingaktivitaten ersetzte, geworben wurde, zeigt, dass dieser Ansatz den Exotenstatus langst hinter sich gelassen hat. Das Rahmenmodell der drei Cs: Treiber und Hindernisse der Customer Energy
Betrachtet man Customer Energy als die Summe aller nicht-monetaren Beitrage, die der Massenkunde an der Schnittstelle zu seinen Produkt- und Servicelieferanten anbietet, um seinen personlichen Nutzen zu optimieren, stellt sich zunachst die Frage, wer und was diese Energie treibt oder hindert. Wenn sich Customer Energy als Phanomen schon nicht voUstandig aus der Marktarena ausschlieBen lasst, so konnte das Verstandnis der spezifischen Treiber und Barrier en erste Hinweise fiir die Einbindung dieser Energie in das strategische Management geben.
Fazit
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Die im Rahmen dieses Buchprojekts angestellten umfangreichen Analysen unterstutzen die Erklarungskraft eines Rahmenmodells, das durch drei Cs (Cost Advantage, Choice und Convenience) beschrieben ist. Diese drei Cs dienen als Klammer ftir die Vielzahl der Einzelziele, die von Kunden verfolgt werden. Kunden aktivieren ihre Energiereserven dann, wenn sie eine Abweichung ihrer realen Beobachtung von ihren personlichen Zielvorstellungen ausmachen konnen. Sind Kunden der Ansicht, sie konnen das erstrebte Gut gunstiger, vielfaltiger oder passender zu ihren Konsumgewohnheiten erwerben, beginnt nicht nur ein Suchprozess, wie wir ihn aus der theoretischen Diskussion von WiUiamson kennen, sondern es erfolgt eine gezielte Interaktion, die sich sowohl in der „Schopfung" neuer Produkte und Dienstleistungen wie auch in der „Zerst6rung" bestimmter Leistungen entfaltet. Dabei bewegt sich der Kunde nicht voUstandig autark. Die Auswirkung seiner Aktivitaten und damit die Effizienz des verfiigbaren Energiepotenziais wird wesentUch durch die in dieser Situation anzutreffende Konstellation von Treibern und Barrieren bestimmt. Dieser Beobachtung Uegt die Annahme zugrunde, dass das Potenzial der Customer Energy bereits in jedem Kunden verfiigbar ist und durch exogene Faktoren aktiviert oder stimuUert wird und mit unterschiedUcher Effizienz die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden beeinflusst. Die Tatsache, dass Ikea seinen Kunden die Option zur Verfiigung stellt, gegen einen Kostenvorteil einen Teil der Wertschopfungskette aktiv zu iibernehmen, fiihrte nicht automatisch zu neuen Marktanteilen. Vielmehr konnten erst durch die gezielte Kommunikation eines Partnerschaftsgefiihls zwischen Unternehmen und Kunden, durch Klarstellung des vergleichbaren Wertvorteils und durch Vermittlung der „Beherrschbarkeit" traditionelle Barrieren abgebaut werden. Eine ahnUche Diskussion zeigt sich auch beim Stichwort Choice in dem bereits diskutierten Ansatz der Mass Customization. Empirische Untersuchungen haben langst belegt, dass verfUgbare Wahlrechte langst nicht von alien Kundengruppen im Such- und Auswahlprozess positiv bewertet werden. So betrachtet der „energieintensive Kunde" bei Sony oder Lindenlabs es vielmehr als essenzielles Kriterium, dass er die Spielfiguren selbst gestalten und 148
Fazit
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