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German Pages 189 Year 2008
Ariane von Stenglin Commitment in der Dienstleistungsbeziehung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Marketing und Innovationsmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Martin Benkenstein
Die Schriftenreihe „Marketing und Innovationsmanagement“ soll drei für die Betriebswirtschaftslehre richtungsweisende Forschungsfelder integrieren: die marktorientierte Unternehmensführung mit Fragen der Kunden- und der Wettbewerbsorientierung, die marktorientierte Technologiepolitik mit allen Fragen des Innovationsmanagements und schließlich das internationale Marketing mit einer speziellen Fokussierung auf den Ostseeraum und Osteuropa. Die Schriftenreihe will dabei ein Forum für wissenschaftliche Beiträge zu diesen Themenbereichen des Marketing-Managements bieten, aktuelle Forschungsergebnisse präsentieren und zur Diskussion stellen.
Ariane von Stenglin
Commitment in der Dienstleistungsbeziehung Entwicklung eines integrierten Erklärungs- und Wirkungsmodells
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Martin Benkenstein
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Rostock, 2007
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1038-7
Geleitwort
Die Frage, wie auf zunehmend turbulenten Märkten langfristige Kundenbeziehungen aufgebaut und gepflegt werden können, hat die wissenschaftliche Diskussion um das MarketingManagement nicht nur im Dienstleistungssektor nachhaltig geprägt. Dieser wissenschaftliche Diskurs wurde nicht zuletzt dadurch ausgelöst, dass von langfristigen Geschäftsbeziehungen tiefgreifende ökonomische Erfolgswirkungen ausgehen. So konnten verschiedenste Erfolgsfaktorenstudien nachweisen, dass von einer Erhöhung des Stammkundenpotenzials Erlössteigerungen und gleichzeitig – und dies macht die Kundenbindung so attraktiv – Kostensenkungspotenziale ausgehen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass vielfach der Paradigmenwechsel vom Transaktions- zum Beziehungsmarketing postuliert wird. Die ökonomischen Erfolgswirkungen langlebiger Anbieter-Nachfrager-Beziehungen haben letztlich dazu geführt, dass sich auch die Käuferverhaltensforschung mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche verhaltenstheoretischen Konstrukte zur Erklärung der Kundenloyalität herangezogen werden müssen. In diesem Zusammenhang haben ganze Forscherkohorten insbesondere das Zufriedenheitskonstrukt intensiv untersucht. Lange Zeit galt dieses Konstrukt als wesentlicher Treiber der Kundenloyalität. Mittlerweile werden neben dem Zufriedenheitskonstrukt auch das Vertrauen in einen Dienstleister und das Commitment, das der Kunde gegenüber einem Dienstleister entwickelt, als wesentliche Loyalitätstreiber angesehen. Allerdings wird dem Commitment-Konstrukt in der Marketingwissenschaft und vor allem in der Käuferverhaltensforschung bislang relativ geringe Aufmerksamkeit gewidmet. Dieses Forschungsdefizit greift die Verfasserin der vorliegenden Schrift auf. Ariane von Stenglin verfolgt die Zielsetzung, „einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis von Commitment in der Dienstleistungsbeziehung zu leisten, indem ein integriertes Erklärungs- und Wirkungsmodell des Beziehungs-Commitment im Dienstleistungskontext“ erarbeitet wird. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt somit in einer konzeptionelltheoriegeleiteten Diskussion, die zur Herleitung eines Commitment-Modells führen soll. Als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen kennzeichnet von Stenglin zunächst den Stellenwert langfristiger Kundenbeziehungen im Dienstleistungssektor. Sie geht dabei auf die unternehmensbezogenen Kosten- und Ertragswirkungen loyaler Kunden ein und belegt so den Trend vom Transaktions- zum Beziehungsmarketing. Als die Kundenloyalität zentral steuernde Konstrukte werden die Kundenzufriedenheit, das Vertrauen und schließlich das BeziehungsCommitment eingeführt. Zu Letzterem konstatiert die Verfasserin ein nachhaltiges Forschungsdefizit in der Marketingwissenschaft. Diesem Defizit widmet von Stenglin ihre Arbeit, indem sie zunächst sehr kenntnisreich das Commitment abgrenzt und eine affektive, kalkulatorische und normative Dimension des Konstrukts differenziert. Aufbauend auf dieser Konzeptionalisierung erläutert die Verfasserin die Zusammenhänge zwischen Commitment,
Loyalität und Kundenbindung. Darüber hinaus diskutiert von Stenglin die konzeptionellen Grundlagen der Beziehung zwischen einem Dienstleistungsanbieter und dessen Kunden, um den Bezugsrahmen für das zu entwickelnde Commitment-Modell herzustellen. Der wesentliche Erkenntnisfortschritt der vorliegenden Schrift entsteht dann im Rahmen der Entwicklung eines Erklärungs- und Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment. Dazu diskutiert von Stenglin zunächst jene Theorieansätze, die sie für die Herleitung der Determinanten und Konsequenzen des Beziehungs-Commitment heranzuziehen gedenkt. Sie geht dabei auf sozial-, kognitions- und motivationspsychologische Theorien wie auch die Transaktionskostentheorie als ökonomischen Erklärungsansatz ein. Dieses Theoriengerüst bildet die Grundlage für die zu erarbeitenden Commitment-Modelle. Das Erklärungsmodell des Beziehungs-Commitment umfasst neben der Kundenzufriedenheit und der Dienstleistungsqualität, das Vertrauen, die wahrgenommenen Wechselkosten sowie soziale Normen als direkte Determinanten des Konstrukts. „Unterhalb“ dieser Strukturierung erörtert die Verfasserin zusätzlich die indirekt wirkenden Einflussgrößen des BeziehungsCommitment. Die kausalen Zusammenhänge und Wirkungspfade werden dabei nicht allein theoriegeleitet deduziert, vielmehr erweist sich von Stenglin auch als intime Kennerin empirischer Arbeiten zur Erklärung des Commitment-Konstrukts. So gelingt es ihr, ein Erklärungsmodell des Beziehungs-Commitment zu entwerfen, das nicht nur theoriegeleitet erarbeitet ist, sondern auch auf empirischen Grundlagen fußt. Weiterführend entwickelt von Stenglin ein Wirkungsmodell des Beziehungs-Commitment. Als Wirkungsdimensionen werden dabei die Bindungsabsicht des Dienstleistungskunden, das beabsichtigte Verhalten im Rahmen der Integration des externen Faktors sowie das intendierte Customer Citizenship Behavior eingeführt, um dann – auf einer nachgeordneten Ebene – verschiedene Konsequenzen des Commitment zu erörtern. Die Verfasserin diskutiert theoriegeleitet, wie das affektive, das kalkulatorische und das normative Commitment diese Wirkungsdimensionen beeinflusst, und fundiert ihre Ausführungen mit den Ergebnissen empirischer Untersuchungen zu den Konsequenzen des Commitment. Die von der Verfasserin erarbeiteten Wirkungsannahmen werden abschließend in einem Wirkungsmodell zusammengefasst und schließlich mit dem Erklärungsmodell in ein integriertes Commitment-Modell für die Dienstleistungsbeziehung überführt. Insgesamt entwirft die vorliegende Arbeit ein umfassendes Erklärungs- und Wirkungsmodell des Beziehungs-Commitment, das geeignet erscheint, das Konstrukt zu operationalisieren und damit einer Messung zugänglich zu machen. Die Verfasserin liefert einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis von Commitment in der Dienstleistungsbeziehung und damit für die Käuferverhaltensforschung im Dienstleistungssektor. Es ist zu wünschen, dass die vorliegende Schrift in Theorie und Praxis eine weite Verbreitung findet. Prof. Dr. Martin Benkenstein
Vorwort
Die vorliegende Promotionsarbeit entstand während meiner dreijährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Marketing und Dienstleistungsforschung der Universität Rostock. Während dieser Zeit haben mich viele Menschen wohlwollend begleitet, denen ich an dieser Stelle meinen Dank ausspreche. Zuvor möchte ich jedoch meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Schmalen († 2002) gedenken, der mich zur Anfertigung einer Promotionsarbeit am Lehrstuhl für Absatzwirtschaft und Handel der Universität Passau ermunterte. Sein Engagement und das Angebot zur Mitarbeit am Centrum für marktorientierte Tourismusforschung ebneten den Weg für meine wissenschaftliche Arbeit. Mein besonderer Dank ist an meinen Doktorvater Prof. Dr. Martin Benkenstein gerichtet, der mir nach dem plötzlichen Tod von Prof. Dr. Dr. h.c. Schmalen die Möglichkeit gab, am Institut für Marketing und Dienstleistungsforschung der Universität Rostock das Ziel der Promotion weiter zu verfolgen. Nicht zuletzt garantierten der gewährte Freiraum in der Themengestaltung, seine Erfahrenheit und unkomplizierte Betreuungsarbeit einen erfolgreichen Abschluss dieses Promotionsvorhabens. Gleichzeitig gewährte mir Prof. Benkenstein während meiner Lehr- und Projekttätigkeit an der Universität Rostock ein Höchstmaß an Eigenverantwortlichkeit und trug derart zu meiner persönlichen Weiterentwicklung bei. Ebenso gilt mein Dank Prof. Dr. Friedemann Nerdinger für die Zweitbegutachtung der vorliegenden Arbeit. Meinen ehemaligen Kollegen am Institut für Marketing und Dienstleistungsforschung möchte ich für die freundliche Aufnahme, die angenehme Zusammenarbeit und die Entlastung in der Endphase der Promotion danken. Ein herzlicher Dank gebührt Dr. Stephanie Steiner für ihre fachliche Diskussionsbereitschaft und freundschaftliche Unterstützung bis hin zum abschließenden Promotionskolloquium. Meiner Familie und meinen Freunden danke ich für das Verständnis, das sie für das Promotionsvorhaben gezeigt haben. Insbesondere meine Eltern haben meinen Weg bis heute uneingeschränkt unterstützt. Schließlich möchte ich Dipl.-Soz. Nils Fiedler danken, für vielzählige fachübergreifende Diskussionen meines Promotionsthemas und die aufgebrachte Geduld während der gesamten Promotionszeit. Ariane von Stenglin
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................XI Tabellenverzeichnis ............................................................................................... XII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................XIII A
Commitment im Blickpunkt des Beziehungsmarketing für Dienstleistungsunternehmen........................................................................... 1
1
Zur Relevanz langfristiger Kundenbeziehungen im Dienstleistungssektor ............1
2
Commitment als beziehungsorientiertes Konstrukt.................................................8 2.1 2.2
Erklärungsansätze und Konzeptionalisierung von Commitment ........................8 Die Kausalkette von Commitment, Kundenloyalität und Kundenbindung .......16
3
Zielsetzung und Gang der Untersuchung...............................................................18
B
Die Dienstleistungsbeziehung als Bezugsrahmen eines CommitmentModells........................................................................................................... 21
1
Besonderheiten von Dienstleistungen und ihre Konsequenzen für den Dienstleistungskunden.............................................................................................21 1.1 1.2 1.3
2
Definitionsansätze von Dienstleistungen.........................................................21 Immaterialität der Dienstleistung und ihre Folgen für das Kundenverhalten....23 Integration des externen Faktors und ihre Folgen für das Kundenverhalten.....25
Charakterisierung der Dienstleistungsbeziehung ..................................................28 2.1 2.2
Interaktionen als Basis von Dienstleistungsbeziehungen .................................28 Phasenbezogener Entwicklungsprozess von Dienstleistungsbeziehungen........33
C
Genese eines Commitment-Modells für die Dienstleistungsbeziehung....... 36
1
Theoretische Fundierung des Commitment-Modells.............................................37 1.1 1.2 1.3
Sozialpsychologische Theorien als Erklärungsansätze ....................................38 Kognitions- und motivationspsychologische Theorien als Erklärungsansätze..43 Transaktionskostentheorie als Erklärungsansatz..............................................47
2
Erklärungsmodell des Beziehungs-Commitment...................................................49 2.1
Determinanten des Beziehungs-Commitment .................................................50 2.1.1 Kundenzufriedenheit und wahrgenommene Dienstleistungsqualität ....50 2.1.2 Vertrauen............................................................................................64 2.1.3 Wahrgenommene Wechselkosten........................................................77 2.1.4 Soziale Normen ..................................................................................90
2.2 3
Zusammenfassung der Determinanten des Beziehungs-Commitment in einem Erklärungsmodell ...........................................................................................95
Wirkungsmodell des Beziehungs-Commitment .....................................................99 3.1
Konsequenzen des Beziehungs-Commitment................................................ 101 3.1.1 Intendiertes Bindungsverhalten ......................................................... 101 3.1.2 Intendiertes Integrationsverhalten ..................................................... 107 3.1.3 Intendiertes Customer Citizenship Behavior...................................... 113
3.2
Zusammenfassung der Konsequenzen des Beziehungs-Commitment in einem Wirkungsmodell ........................................................................................... 127
4
Integriertes Commitment-Modell für die Dienstleistungsbeziehung................... 131
D
Zusammenfassung und Implikationen....................................................... 135
1
Zusammenfassung zentraler Untersuchungsergebnisse ...................................... 135
2
Implikationen für das Kundenbindungsmanagement in der Marketingpraxis.. 139
3
Implikationen für die weitere Forschung ............................................................. 142
Literaturverzeichnis .............................................................................................. 145
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Kausalkette von Commitment, Kundenloyalität und Kundenbindung..............18
Abb. 2
Intangibilitätsgrad als Kontinuum ...................................................................23
Abb. 3
Dienstleistungstypologie von MILLS/MARGULIES............................................31
Abb. 4
Entwicklungsprozess der Dienstleistungsbeziehung........................................33
Abb. 5
Zufriedenheit, Stabilität und Abhängigkeit in Austauschbeziehungen .............40
Abb. 6
Confirmation/Disconfirmation-Paradigma ......................................................52
Abb. 7
Partialmodell: Kundenzufriedenheit – Beziehungs-Commitment ....................64
Abb. 8
Bedeutung von Vertrauenskomponenten im Zeitablauf ...................................67
Abb. 9
Systematisierung von Vertrauensrelationen ....................................................68
Abb. 10
Partialmodell: Vertrauen – Beziehungs-Commitment .....................................76
Abb. 11
Degenerations- und Akkumulationseffekt bei spezifischen Investitionen ........81
Abb. 12
Partialmodell: wahrgenommene Wechselkosten – Beziehungs-Commitment ..90
Abb. 13
Partialmodell: soziale Normen – Beziehungs-Commitment ............................95
Abb. 14
Direkte Determinanten des affektiven Beziehungs-Commitment ....................96
Abb. 15
Direkte Determinanten des kalkulatorischen Beziehungs-Commitment...........97
Abb. 16
Direkte Determinanten des normativen Beziehungs-Commitment ..................98
Abb. 17
Erklärungsmodell des Commitment in der Dienstleistungsbeziehung..............98
Abb. 18
Wirkungszyklus um das affektive Beziehungs-Commitment...........................99
Abb. 19
Interaktionseffekte der Commitment-Dimensionen ....................................... 105
Abb. 20
Partialmodell: Beziehungs-Commitment – Bindungsabsicht ......................... 107
Abb. 21
Partialmodell: Beziehungs-Commitment – Integrationsabsicht ..................... 113
Abb. 22
Partialmodell: Beziehungs-Commitment – Intendiertes Customer Citizenship Behavior....................................................................................................... 127
Abb. 23
Konsequenzen des affektiven Commitment .................................................. 128
Abb. 24
Konsequenzen des normativen Commitment ................................................ 129
Abb. 25
Konsequenzen des kalkulatorischen Commitment ........................................ 130
Abb. 26
Wirkungsmodell des Commitment in der Dienstleistungsbeziehung ............. 130
Abb. 27
Integriertes Commitment-Modell für die Dienstleistungsbeziehung .............. 132
Tabellenverzeichnis
Tab. 1
Ausgewählte Commitment-Definitionen...........................................................9
Tab. 2
„Alternative Attractiveness“-Skala in der Untersuchung von BANSAL ET AL. ..85
Tab. 3
„Dissemination of Organizational Knowledge“-Skala von GRUEN ET AL.........93
Tab. 4
„Cooperation“-Skala in der Untersuchung von BETTENCOURT ...................... 116
Abkürzungsverzeichnis
a.
am
a.a.O.
am angegebenen Ort
Abb.
Abbildung
ALU
Association of Life Underwriters
AMA
American Marketing Association
ANZMAC
Australia and New Zealand Marketing Academy
Aufl.
Auflage
Bd.
Band
bzw.
beziehungsweise
CCB
Customer Citizenship Behavior
CL
Comparison Level
CLalt
Comparison Level of Alternatives
CRM
Customer Relationship Management
d.h.
das heißt
DBW
Die Betriebswirtschaft
Diss.
Dissertation
Ed., Eds.
Editor, Editors
et al.
et alii, et aliae, et alia
f., ff.
folgende, fortfolgende
Hrsg.
Herausgeber
ISBM
Institute for the Study of Business Markets
Jg.
Jahrgang
Kap.
Kapitel
NALU
National Association of Life Underwriters
No.
Number
Nr.
Nummer
o.Jg.
ohne Jahrgang
o.O.
ohne Ort
o.S.
ohne Seite
OC
Outcome
OCB
Organizational Citizenship Behavior
rev.
revidiert
S.
Seite
Sp.
Spalte
Tab.
Tabelle
TK
Telekommunikation
UPC
Universal Product Code
vgl.
Vergleiche
Vol.
Volume
vs.
versus
z.B.
zum Beispiel
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
Zfbf
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
ZFP
Zeitschrift für Forschung und Praxis
A Commitment im Blickpunkt des Beziehungsmarketing für Dienstleistungsunternehmen 1 Zur Relevanz langfristiger Kundenbeziehungen im Dienstleistungssektor Viele Branchen des Dienstleistungssektors sind gegenwärtig von sich ändernden Rahmenbedingungen betroffen.1 Zu beobachten sind Globalisierungstendenzen und die daraus resultierenden Eintritte internationaler Anbieter in heimische Märkte.2 Gleichzeitig erhöhen Deregulierungs- und Liberalisierungsbestrebungen, wie zum Beispiel in den Bereichen Telekommunikation, Energieversorgung und Transport, den Konkurrenzdruck auf die Dienstleistungsunternehmen.3 Auch die Entwicklung neuer Dienstleistungskonzepte sowie die Verbesserung technischer Möglichkeiten tragen zu einer Intensivierung des Wettbewerbs auf Dienstleistungsmärkten bei. So müssen sich beispielsweise Banken heute mit der zunehmenden Bedeutung von Non- und Nearbanks, Direktbanken sowie ausländischen Konkurrenten auseinandersetzen.4 Unter diesen veränderten Marktbedingungen, die Dienstleistungsanbieter vor neue Herausforderungen stellen, gewinnt der Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen als erfolgswirksame Größe im Wettbewerb an Bedeutung.5 Marktanteilsgewinne lassen sich bei zunehmender Wettbewerbsintensität und gleichzeitig stagnierenden Wachstumsraten nur noch durch das Abwerben der Kunden von der Konkurrenz realisieren. Diesen Bestrebungen treten die Un1
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4
5
Vgl. Bruhn, M., Meffert, H. (2001): Dienstleistungsmanagement als unternehmerische Herausforderung – Eine Einführung in das Handbuch, in: Bruhn, M., Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement: Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 4. Vgl. Gardini, M. A. (2004): Internationalisierung von Dienstleistungen – Reflexionen zur Multikulturalität internationaler Dienstleistungskontexte, in: Gardini, M. A., Dahlhoff, H. D. (Hrsg.): Management internationaler Dienstleistungen: Kontext – Konzepte – Erfahrungen, Wiesbaden, S. 13. Vgl. Güthoff, J. (1995): Qualität komplexer Dienstleistungen: Konzeption und empirische Analyse der Wahrnehmungsdimensionen, Wiesbaden, S. 10; Weiber, R., Späth, M. (1998): Vermarktung von Telekommunikationsdiensten im Geschäftskundenbereich: Herausforderungen an das Investitionsgütermarketing, in: Büschken, J., Meyer, M., Weiber, R. (Hrsg.): Entwicklungen des Investitionsgütermarketing, Wiesbaden, S. 237ff.; Fritz, W., König, S. (2000): Der liberalisierte Strommarkt – Eine Einführung, in: Kahmann, M., König, S. (Hrsg.): Wettbewerb im liberalisierten Strommarkt: Regeln und Techniken, Berlin et al., S. 14ff.; Stauss, B., Bruhn, M. (2004): Dienstleistungsinnovationen – Eine Einführung in den Sammelband, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Forum Dienstleistungsmanagement: Dienstleistungsinnovationen, Wiesbaden, S. 5. Vgl. Epple, M. H. (1991): Die Kundenbindung wird schwächer: Vertrieb von Bankprodukten, in: Die Bank, o.Jg., Heft 10, S. 544; Sobotka-Hirnthaler, G. (1994): Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement im Finanzdienstleistungsbereich, in: Bank-Archiv, 42. Jg., Heft 2, S. 97; Schramm, C. (2002): Kaufverhalten bei Bankdienstleistungen, Wiesbaden, S. 1. Vgl. stellvertretend für viele Beinlich, G. (1995): Geschäftsbeziehungen – Ein integrativer Überblick auf Basis der politischen Ökonomie, Arbeitspapier zur Marketingtheorie, Nr. 5, Trier, S. 3; Hippner, H. (2006): CRM – Grundlagen, Ziele, und Konzepte, in: Hippner, H., Wilde, K. D. (Hrsg.): Grundlagen des CRM: Konzepte und Gestaltung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 22ff.
ternehmen durch den Aufbau enger Bindungen zu ihren Kunden entgegen. Gebundene Kunden erweisen sich dabei als weniger anfällig gegenüber den Akquisitionsmaßnahmen der Wettbewerber und ermöglichen dem Anbieter im Sinne des akquisitorischen Potenzials von GUTENBERG6 eine monopolähnliche Stellung am Markt.7 Für die Entwicklung langfristiger Geschäftsbeziehungen sprechen neben den veränderten Rahmenbedingungen auf den Dienstleistungsmärkten auch die ökonomischen Erfolgswirkungen, die langlebigen Anbieter-Nachfrager-Verhältnissen innewohnen.8 In amerikanischen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass eine Reduktion der Kundenabwanderungsrate um 5% in Abhängigkeit der betrachteten Dienstleistungsbranche zu einer Erhöhung des Unternehmensgewinns von 25 bis zu 85% führen kann.9 Der Gewinnzuwachs resultiert hierbei aus dem Umsatzsteigerungs- und Kostensenkungspotenzial eines gebundenen Kundenstamms.10 Die Erlössteigerungen sind auf einen Zuwachs des Kundenumsatzes im Verlauf der Beziehungsdauer sowie die Nachfrage zusätzlicher Leistungen des Anbieters (Cross-Buying) zurückzuführen.11 Gleichzeitig weisen treue Kunden eine geringere Preissensibilität als Neukunden auf.12 Diese höhere Preisbereitschaft kann sich aus dem für den Nachfrager zusätzlichen Wert langfristiger Beziehungen ergeben, der vor allem in einem vermindert wahrgenommenen Transaktionsrisiko liegt.13 Kostensenkungspotenziale ergeben sich aus der Reduktion von Transaktions- und Marketingkosten. Vielfach erwähnt wird in diesem Zusammenhang, dass die Kosten für die Neukundenakquisition den Aufwand für die Kundenbindung um das Fünffache übersteigen können.14 Darüber hinaus vermögen treue Kunden durch ihr Weiterempfehlungsverhalten zur
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Vgl. Gutenberg, E. (1984): Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2: Der Absatz, 17. Aufl., Berlin et al., S. 243ff. Vgl. Weißenberger, B. E. (1998): Zur Bedeutung von Vertrauensstrategien für den Aufbau und Erhalt von Kundenbindung im Konsumgüterbereich, in: Zfbf, 50. Jg., Heft 7/8, S. 615. Vgl. stellvertretend für viele Bruhn, M. (2001): Relationship Marketing: Das Management von Kundenbeziehungen, München, S. 3. Vgl. Reichheld, F. F., Sasser, W. E. (1990): Zero Defections: Quality Comes to Service, in: Harvard Business Review, Vol. 68, No. 5, S. 105ff. Vgl. Reichheld, F. F., Sasser, W. E. (1990): Zero Defections, a.a.O., S. 105ff.; Zeithaml, V. A., Berry, L. L., Parasuraman, A. (1996): The Behavioral Consequences of Service Quality, in: Journal of Marketing, Vol. 60, April, S. 32ff. Vgl. Eckert, S. (1994): Rentabilitätssteigerung durch Kundenbindung am Beispiel eines Buchclubs, Bamberg, S. 1ff.; Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungs-Marketing, Arbeitspapier des Lehrstuhls für Marketing der Universität Nürnberg-Erlangen, Nr. 40, Nürnberg, S. 39ff. Vgl. Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungs-Marketing, a.a.O., S. 49. Vgl. Beinlich, G. (1995): Geschäftsbeziehungen, a.a.O., S. 5. Vgl. Eckert, S. (1994): Rentabilitätssteigerung durch Kundenbindung am Beispiel eines Buchclubs, a.a.O., S. 45; Müller, W., Riesenbeck, H.-J. (1991): Wie aus zufriedenen auch anhängliche Kunden werden, in: Harvard Manager, 13. Jg., Heft 3, S. 69.
Senkung der Akquisitionskosten des Unternehmens beizutragen.15 Ein gezielter Einsatz des Marketinginstrumentariums und somit eine Optimierung des Ressourceneinsatzes ergibt sich zudem aus den Kenntnissen über den Kunden, die der Anbieter im Laufe der Beziehung sammelt.16 Weiterhin mindert der Aufbau gegenseitigen Vertrauens in längeren Geschäftsbeziehungen die wahrgenommene Gefahr durch opportunistisches Verhalten des Partners und dementsprechend die Notwendigkeit, sich gegenüber dieser durch aufwendige Kontrollmechanismen abzusichern.17 Für Dienstleistungsunternehmen bieten stabile Kundenbeziehungen zusätzlich die Möglichkeit, negative Folgen von Qualitätsschwankungen zu mindern. Diese können zwar aufgrund des immateriellen und individuellen Charakters von Dienstleistungen nicht vollständig vermieden werden, es zeigt sich aber, dass treue Kunden eine größere Toleranz gegenüber Fehlern und somit gegenüber Qualitätsschwankungen aufweisen.18 Weiterhin erhöht sich in langfristigen Geschäftsverhältnissen die Planungssicherheit, so dass insbesondere Anbieter personalintensiver Dienstleistungen ihre Prozesse effizienter gestalten und Kapazitätsspielräume besser ausnutzen können.19 Auch für die Kunden von Dienstleistern existieren neben dem Leistungsangebot eine Vielzahl von Gründen, an bestehenden Geschäftsbeziehungen festzuhalten.20 GWINNER ET AL. iden-
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Vgl. Boulding, W. et al. (1993): A Dynamic Process Model of Service Quality: From Expectations to Behavioral Intentions, in: Journal of Marketing Research, Vol. 30, February, S. 24; Peter, S. I. (1999): Kundenbindung als Marketingziel: Identifikation und Analyse zentraler Determinanten, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 47. Vgl. Sheth, J. N., Parvatiyar, A. (1995): Relationship Marketing in Consumer Markets: Antecedents and Consequences, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 23, No. 4, S. 265; Boles, J. S., Barksdale, H. C., Johnson, J. T. (1997): Business Relationships: An Examination of the Effects of BuyerSalesperson Relationships on Customer Retention and Willingness to Refer and Recommend, in: Journal of Business & Industrial Marketing, Vol. 12, No. 3/4, S. 255. Vgl. Ripperger, T. (2003): Ökonomik des Vertrauens: Analyse eines Organisationsprinzips, 2. Aufl., Tübingen, S. 71. Wichtig anzumerken ist allerdings, dass sich das objektive Opportunismusrisiko keineswegs auflöst. Vgl. Ripperger, T. (2003): Ökonomik des Vertrauens, a.a.O., S. 71f. Vgl. Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungs-Marketing, a.a.O., S. 34; HennigThurau, T. (2001): Die Bedeutung von transaktionalen und relationalen Leistungsmerkmalen für den Beziehungserfolg: Theoretische und empirische Analyse für verschiedene Dienstleistungstypen, in: Die Unternehmung, 55. Jg., Heft 2, S. 127. Vgl. Hennig-Thurau, T. (2001): Die Bedeutung von transaktionalen und relationalen Leistungsmerkmalen für den Beziehungserfolg, a.a.O., S. 127. Zur Problematik der Kapazitätsplanung in Dienstleistungsunternehmen vgl. Stuhlmann, S. (2000): Kapazitätsgestaltung in Dienstleistungsunternehmen: Eine Analyse aus Sicht des externen Faktors, Wiesbaden. Vgl. Bendapudi, N., Berry, L. L. (1997): Customers’ Motivations for Maintaining Relationships with Service Providers, in: Journal of Retailing, Vol. 73, No. 1, S. 17ff.; Reynolds, K. E., Beatty, S. E. (1999): Customer Benefits and Company Consequences of Customer-Salesperson Relationships in Retailing, in: Journal of Retailing, Vol. 75, No. 1, S. 11ff.; Sheth, J. N., Parvatiyar, A. (1995): Relationship Marketing in Consumer Markets, a.a.O., S. 256ff.
tifizieren auf Basis einer umfassenden und differenzierten Analyse drei Arten konsumentenseitiger Beziehungsnutzen.21 Der soziale Beziehungsnutzen (social relational benefit) spiegelt den emotionalen Bezug zwischen Kunden und Dienstleistungsmitarbeitern sowie den sozialen Kontakten innewohnenden Mehrwert für den Konsumenten wider. Der Vertrauensnutzen (confidence relational benefit) kennzeichnet die bereits erwähnte Reduktion der wahrgenommenen Unsicherheit in gefestigten Beziehungen. Aus monetären (z.B. Preisnachlässe) und nicht-monetären Vorteilen (z.B. bevorzugte Behandlung), die dem Kunden aus der Treue zum Geschäftsverhältnis erwachsen, resultiert der sogenannte Spezialbehandlungsnutzen (special treatment benefit). Vor dem Hintergrund der strategischen Bedeutung langfristiger Geschäftsverhältnisse bekunden viele Autoren einen Paradigmenwechsel vom Transaktions- zum Beziehungsmarketing.22 Nicht der einzelne, isolierte Verkaufsakt soll im Mittelpunkt der Marketinganstrengungen stehen, sondern die Beziehung zum Kunden. Dementsprechend beschäftigt sich die Marketingforschung im Rahmen des Beziehungs- bzw. synonym Relationship Marketing seit Mitte der 1980er Jahre mit langfristigen Geschäftsbeziehungen und insbesondere mit deren Aufbau, Erhalt und Gestaltung.23 Wesentliche Erkenntnisse zur Entwicklung und Struktur von langfristigen Anbieter-KundeBeziehungen liefert die verhaltenswissenschaftlich orientierte Forschung, die sich mit der Bildung und Operationalisierung theoretischer Konstrukte zur Erklärung stabiler Kunden-
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Vgl. hierzu und im Folgenden Gwinner, K. P., Gremler, D. D., Bitner, M. J. (1998): Relational Benefits in Services Industries: The Customer’s Perspective, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 26, No. 2, S. 104ff.; Hennig-Thurau, T., Gwinner, K. P., Gremler, D. D. (2000): Why Customers Build Relationships with Companies – and Why Not, in: Hennig-Thurau, T., Hansen, U. (Eds.): Relationship Marketing: Gaining Competitive Advantage Through Customer Satisfaction and Customer Retention, Berlin et al., S. 373ff. Vgl. stellvertretend für viele Gummesson, E. (1987): The New Marketing – Developing Long-Term Interactive Relationships, in: Long Range Planning, Vol. 20, No. 4, S. 10ff. Dass es sich bei dem Übergang vom Transaktions- zum Beziehungsmarketing um einen Paradigmenwechsel handelt, stellt BACKHAUS in Frage. Er argumentiert anhand konstitutiver Merkmale eines Paradigmas, wie zum Beispiel der Anwendung eigenständiger Methoden. Vgl. Backhaus, K. (1998): Relationship Marketing – Ein neues Paradigma im Marketing?, in: Bruhn, M., Steffenhagen, H. (Hrsg.): Marktorientierte Unternehmensführung: Reflexionen – Denkanstöße – Perspektiven, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 19ff. Das Relationship Marketing im weiteren Sinne beschäftigt sich mit den Beziehungen des Unternehmens zu allen Anspruchsgruppen. Das Relationship Marketing im engeren Sinne hingegen ist auf die Beziehungen zur wichtigsten Anspruchsgruppe, nämlich den Kunden, ausgerichtet. Vgl. Bruhn, M. (2001): Relationship Marketing, a.a.O., S. 10f. Im Sinne der weiteren Begriffsauffassung definiert GRÖNROOS : "Marketing is to establish, maintain, and enhance […] relationships with customers and other partners, at a profit, so that the objectives of the parties involved are met." Grönroos, C. (1990): Service Management and Marketing: Managing the Moments of Truth in Service Competition, Lexington, S. 138. Der engere Ansatz des Relationship Marketing spiegelt sich hingegen in der Definition von BERRY wider: “Relationship marketing is attracting, maintaining and – in multi-service organizations – enhancing customer relationships.” Berry, L. L. (1983): Relationship Marketing, in: Berry, L. L., Shostack, G. L., Upah, G. D. (Eds.): Emerging Perspectives on Services Marketing, Chicago, S. 25.
beziehungen beschäftigt.24 Besondere Bedeutung erlangte in diesem Kontext das Konstrukt der Kundenzufriedenheit, das lange Zeit die wissenschaftliche Forschung zur Bindung von Kunden dominierte. Vielfach postuliert und überprüft wurde im Rahmen der Kundenzufriedenheitsforschung der positive Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und dem Wiederkauf- bzw. CrossBuying-Verhalten der Konsumenten.25 Empirische Analysen zeigen jedoch wiederholt, dass dieser positive Zusammenhang nicht uneingeschränkt gilt.26 Eine Untersuchung von GIERL ergab zum Beispiel, dass 40 – 62% der befragten Kunden angaben, trotz der Zufriedenheit mit einem Produkt zu einem anderen Anbieter gewechselt zu haben.27 Damit ist der vollständige Erklärungsgehalt von Kundenzufriedenheit für den Aufbau erfolgreicher Kundenbeziehungen in Frage zu stellen.28 Folglich sind weitere Konstrukte zu identifizieren, die zu einem verbesserten Verständnis des Aufbaus langfristiger Kundenbeziehungen beitragen können. Einen wichtigen Stellenwert wird diesbezüglich in theoretischen und empirischen Untersuchungen dem Commitment-Konstrukt zugesprochen.29 „The concept of commitment may very well become a focal point of explanation in marketing, as the discipline moves further away from the transactional view of exchange and embraces the relational view.”30 So kennzeichnen DWYER ET AL. in ihrem richtungsweisenden Geschäftsbeziehungsmodell das Commitment als eine zentrale Erklärungsgröße für die Entwicklung von langfristigen Geschäfts-
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Zur theoretischen Fundierung des Relationship Marketing unterscheiden HENNIG-THURAU/HANSEN im Wesentlichen die verhaltenswissenschaftlich orientierten Ansätze, die Netzwerktheorie sowie die Theorien der Neuen Institutionenökonomie. Vgl. Hennig-Thurau, T., Hansen, U. (2000): Relationship Marketing – Some Reflections on the State-of-the-Art of the Relational Concept, in: Hennig-Thurau, T., Hansen, U. (Eds.): Relationship Marketing: Gaining Competitive Advantage Through Customer Satisfaction and Customer Retention, Berlin et al., S. 4. Eine umfassendere Systematik der Theorieansätze des Relationship Marketing findet sich bei Bruhn, M. (2001): Relationship Marketing, a.a.O., S. 18f. Vgl. den Überblick bei Homburg, C., Giering, A., Hentschel, F. (1999): Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, in: DBW, 59. Jg., Heft 2, S. 181ff. Vgl. LaBarbera, P. A., Mazursky, D. (1983): A Longitudinal Assessment of Consumer Satisfaction/ Dissatisfaction: The Dynamic Aspect of the Cognitive Process, in: Journal of Marketing Research, Vol. 20, November, S. 393ff.; Reichheld, F. F. (1996): Learning from Customer Defections, in: Harvard Business Review, Vol. 74, March/April, S. 59. Vgl. Gierl, H. (1993): Zufriedene Kunden als Markenwechsler, in: Absatzwirtschaft, 37. Jg., Heft 2, S. 92. Vgl. Hadwich, K. (2003): Beziehungsqualität im Relationship Marketing: Konzeption und empirische Analyse eines Wirkungsmodells, Wiesbaden, S. 4. Vgl. Wilson, D. T., Mummalaneni, V. (1986): Bonding and Commitment in Buyer-Seller Relationships: A Preliminary Conceptualisation, in: Industrial Marketing & Purchasing, Vol. 1, No. 3, S. 52; Anderson, E., Weitz, B. (1992): The Use of Pledges to Build and Sustain Commitment in Distribution Channels, in: Journal of Marketing Research, Vol. 29, February, S. 18; Wilson, D. T. (1995): An Integrated Model of Buyer-Seller Relationships, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 23, No. 4, S. 337. Bei WILSON findet sich auch eine Übersicht weiterer Variablen (z.B. Vertrauen, spezifische Investitionen oder die Qualität erreichbarer Alternativen), die im Kontext der Entwicklung langfristiger Geschäftsbeziehungen diskutiert werden. Gundlach, G. T., Achrol, R. S., Mentzer, J. T. (1995): The Structure of Commitment in Exchange, in: Journal of Marketing, Vol. 59, January, S. 78f.
beziehungen.31 In der „Commitment“-Phase ihres idealtypischen Prozessmodells ist die Beziehung zwischen Anbieter und Kunden am weitesten fortgeschritten und die höchste Bindungs- sowie Abhängigkeitsintensität erreicht. Commitment wird dabei als „an implicit or explicit pledge of relational continuity between exchange partners“32 aufgefasst. Ebenso kennzeichnen MORGAN/HUNT das Commitment als Schlüsselkonstrukt für den Aufbau erfolgreicher Anbieter-Kunde-Beziehungen.33 In Wechselwirkung mit Vertrauen bewegt Commitment die Marktpartner dazu, sich in die Austauschbeziehung einzubringen, kurzfristig attraktiveren Alternativen mit Blick auf den langfristigen Nutzen der Beziehung zu widerstehen und opportunistisches Verhalten des Beziehungspartners auszuschließen. Auch SCHMITZ kommt in ihrer synoptischen Darstellung von Geschäftsbeziehungsmodellen zu der Erkenntnis, dass Commitment eine besondere Bedeutung für das Verständnis von Geschäftsbeziehungen beizumessen ist.34 Zusammen mit der Zufriedenheit bilden Vertrauen und Commitment die Trias einer erfolgreichen Dienstleistungsbeziehung.35 Diese drei theoretischen Konstrukte werden häufig zur Konzeptionalisierung von Beziehungsqualität herangezogen.36 Wie gezeigt, ist das Konstrukt der Zufriedenheit bereits lange Zeit Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Ebenso setzt sich die Marketingforschung seit Anfang der 1990er Jahre intensiv mit dem Vertrauen in der Anbieter-Kunde-Beziehung auseinander.37 Im Vergleich zu diesen beiden Konstrukten wird dem Commitment in der Marketingliteratur eher wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Mit Blick auf die dargestellte Relevanz langfristiger Kundenbeziehungen für den Erfolg der Dienstleistungsanbieter und dem zentralen Stellenwert von Commitment für die Entwicklung von Geschäftsbeziehungen erscheint eine intensivere Auseinandersetzung mit diesem beziehungsorientierten Konstrukt geboten.
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Vgl. Dwyer, F. R., Schurr, P. H., Oh, S. (1987): Developing Buyer-Seller Relationships, in: Journal of Marketing, Vol. 51, April, S. 22. Dwyer, F. R., Schurr, P. H., Oh, S. (1987): Developing Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 19. Vgl. hierzu und im Folgenden Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, in: Journal of Marketing, Vol. 58, July, S. 22. Vgl. Schmitz, G. (1997): Marketing für professionelle Dienstleistungen: Bedeutung und Dynamik der Geschäftsbeziehungen, dargestellt am Beispiel Wirtschaftsprüfung, Wiesbaden, S. 67ff. Vgl. Wiswede, G. (2000): Einführung in die Wirtschaftspsychologie, 3. Aufl., München, Basel, S. 278. Vgl. Hadwich, K. (2003): Beziehungsqualität im Relationship Marketing, a.a.O., S. 23ff. sowie die dort angegebene Literatur. Die Beziehungsqualität gibt Auskunft darüber, inwieweit Unternehmen in der Lage sind, die Beziehungen zu ihren Kunden entsprechend den Anforderungen der Nachfrager zu gestalten. Vgl. Hadwich, K. (2003): Beziehungsqualität im Relationship Marketing, a.a.O., S. 22. Aktuell wird das Vertrauen intensiv im Kontext der Bindung von Kunden diskutiert. Vgl. beispielsweise die Monografien Wesemeier, J. (2002): Vertrauen als Strategie der Kundenbindung: Eine Operationalisierung und empirische Überprüfung im Dienstleistungssektor, Hamburg; Lorbeer, A. (2003): Vertrauensbildung in Kundenbeziehungen: Ansatzpunkte zum Kundenbindungsmanagement, Wiesbaden sowie den Sammelband von Bauer, H. H., Neumann, M. M., Schüle, A. (2006a): Konsumentenvertrauen: Konzepte und Anwendungen für ein nachhaltiges Kundenbindungsmanagement, München.
Bislang steht im Mittelpunkt der wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten zum Commitment die Erforschung der Bedingungen für die Entwicklung von Commitment bzw. seiner Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehung. Vernachlässigt werden allerdings eine systematische Erfassung und Analyse der identifizierten Größen in einem integrierten Modell. Vielmehr werden im Sinne von Partialanalysen einzelne Determinanten bzw. Folgen des Commitment überprüft. Hier steht vor allem die empirische Analyse von Wirkungszusammenhängen im Vordergrund, wobei die theoretische Fundierung der postulierten Zusammenhänge oftmals in den Hintergrund tritt.38 Gleichzeitig wurde Commitment lange Zeit als eindimensionales Konstrukt aufgefasst.39 Erst jüngst fließen die Erkenntnisse aus der Organisationspsychologie40 zur Mehrdimensionalität von Commitment in die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion ein.41 Weiterhin zeigt sich, dass das Commitment insbesondere in den Arbeiten zu investiven Dienstleistungen42 bzw. Gütern sowie im Bereich des vertikalen Marketing aufgegriffen wird.43 Die Diskussion des Konstrukts bleibt in diesen Darstellungen jedoch zwangsläufig auf die Perspektive der Beziehungssysteme „Hersteller-Zulieferer“ bzw. „Hersteller-Händler“ beschränkt. Eine differenzierte Analyse des Commitment-Konstrukts unter Berücksichtigung der Perspektive des Dienstleistungsendkunden und den Besonderheiten dieser Dienstleis-
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So fordern auch MATHIEU/ZAJAC im Ergebnis ihrer Metaanalyse zum Commitment im Kontext der Organisationspsychologie die Entwicklung theoriegeleiteter Erklärungsmodelle von Commitment. Vgl. Mathieu, J. E., Zajac, D. M. (1990): A Review and Meta-Analysis of the Antecedents, Correlates, and Consequences of Organizational Commitment, in: Psychological Bulletin, Vol. 108, No. 2, S. 190. Vgl. zum Beispiel Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 20ff.; Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance: Customers as Partners in Service Delivery, in: Journal of Retailing, Vol. 73, No. 3, S. 383ff.; Garbarino, E., Johnson, M. S. (1999): The Different Roles of Satisfaction, Trust, and Commitment in Customer Relationships, in: Journal of Marketing, Vol. 63, April, S. 70ff. Für einen Überblick siehe Moser, K. (1996): Commitment in Organisationen, Bern et al., S. 1ff. Vgl. zum Beispiel Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships: The Role of Commitment, in: Journal of Business & Industrial Marketing, Vol. 13, No. 4/5, S. 406ff.; Gruen, T. W., Summers, J. O., Acito, F. (2000): Relationship Marketing Activities, Commitment, and Membership Behaviors in Professional Associations, in: Journal of Marketing, Vol. 64, July, S. 34ff.; Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 32, No. 3, S. 234ff. Während es sich bei den Abnehmern investiver Dienstleistungen um gewerbliche Unternehmen bzw. staatliche Institutionen handelt, werden konsumtive Dienstleistungen von Endkonsumenten nachgefragt. Vgl. Meffert, H., Bruhn, M. (2006): Dienstleistungsmarketing: Grundlagen – Konzepte – Methoden, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 26f. Vgl. zum Beispiel Anderson, E., Weitz, B. (1992): The Use of Pledges to Build and Sustain Commitment in Distribution Channels, a.a.O., S. 18ff.; Söllner, A. (1993): Commitment in Geschäftsbeziehungen: Das Beispiel Lean Production, Wiesbaden, S. 1ff.; Gundlach, G. T., Achrol, R. S., Mentzer, J. T. (1995): The Structure of Commitment in Exchange, a.a.O., S. 78ff.
tungsbeziehung erfolgt hingegen nur in vereinzelten Forschungsarbeiten.44 Diese auf konsumtive Dienstleistungen ausgerichtete Analyse erweist sich unter Berücksichtigung der zuvor genannten Mängel der Commitmentforschung offenkundig als Forschungsdefizit, an dem die vorliegende Arbeit ansetzt. Zunächst soll jedoch an dieser Stelle ein umfassendes Verständnis für das Wesen und die Konzeptionalisierung von Commitment vermittelt sowie eine begriffliche Abgrenzung gegenüber verwandten beziehungsorientierten Konstrukten vorgenommen werden.
2 Commitment als beziehungsorientiertes Konstrukt 2.1 Erklärungsansätze und Konzeptionalisierung von Commitment Erste Überlegungen zum Commitment-Konstrukt stammen aus der verhaltenswissenschaftlichen Theorie und hier insbesondere aus der Sozial- und Organisationspsychologie. In diesen Forschungsdisziplinen ist das Commitment eine vielbeachtete Variable, wenn es um die Frage geht, warum sich (Ehe-)Partner an ihre Lebensgefährten bzw. Mitarbeiter an ihre Arbeitsorganisationen gebunden fühlen und somit den eingegangenen Beziehungen treu bleiben. Ebenso von Interesse ist, inwieweit Commitment das Verhalten des Individuums in der Beziehung, wie zum Beispiel das Arbeitsverhalten eines Arbeitnehmers, beeinflussen kann. Wie Tab. 1 in einem ersten Überblick zeigt, hat sich bislang weder in der verhaltenswissenschaftlichen noch in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion ein einheitliches Begriffsverständnis und damit eine allgemein akzeptierte Definition für das Commitment-Konstrukt durchgesetzt.45 Konsens besteht allerdings dahingehend, dass Commitment im Kern die psychologische Bindung einer Person an ein Bezugsobjekt kennzeichnet.46 Als Bezugspunkte kommen verschiedene Objekte in Betracht. Das Commitment eines Angestellten kann beispielsweise auf den Vorgesetzten, die Arbeitskollegen und die Organisation als Ganzes (orga44
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Vgl. zum Beispiel Harrison-Walker, L. J. (2001): The Measurement of Word-of-Mouth Communication and an Investigation of Service Quality and Customer Commitment as Potential Antecedents, in: Journal of Service Research, Vol. 4, No. 1, S. 60ff.; Verhoef, P. C., Franses, P. H., Hoekstra, J. C. (2002): The Effect of Relational Constructs on Customer Referrals and Number of Services Purchased From a Multiservice Provider: Does Age of Relationship Matter?, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 30, No. 3, S. 202ff.; Gustafsson, A., Johnson, M. D., Roos, I. (2005): The Effects of Customer Satisfaction, Relationship Commitment Dimensions, and Triggers on Customer Retention, in: Journal of Marketing, Vol. 69, October, S. 210ff. Vgl. Hennig-Thurau, T. (2000): Die Qualität von Geschäftsbeziehungen auf Dienstleistungsmärkten: Konzeptualisierung, empirische Messung, Gestaltungshinweise, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsmanagement Jahrbuch 2000: Kundenbeziehungen im Dienstleistungsbereich, Wiesbaden, S. 143. Vgl. stellvertretend für viele Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace: Toward a General Model, in: Human Resource Management Review, Vol. 11, No. 3, S. 303; Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 236.
nisationales Commitment) ausgerichtet sein.47 Im Kontext der vorliegenden Arbeit wird das Commitment eines Dienstleistungskunden an den Anbieter bzw. an die Beziehung zu diesem Anbieter, im Folgenden auch Beziehungs-Commitment genannt, betrachtet. Becker, H. S. (1960): S. 32.
"Commitments come into being when a person, by making a side bet, links extraneous interests with a consistent line of activity."
O'Reilly, C., Chatman, J. (1986): S. 493.
" … commitment is conceived of as the psychological attachment felt by the person for the organization; it will reflect the degree to which the individual internalizes or adopts characteristics or perspectives of the organization."
Anderson, E., Weitz, B. (1992): S. 19.
"… commitment to a relationship entails a desire to develop a stable relationship, a willingness to make short-term sacrifices to maintain the relationship, and a confidence in the stability of the relationship."
Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): S. 316.
"Commitment to the relationship is defined as an enduring desire to maintain a valued relationship, …"
Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): S. 23.
"… we define relationship commitment as an exchange partner believing that an ongoing relationship with another is so important as to warrant maximum efforts at maintaining it; that is, the committed party believes the relationship is worth working on to ensure that it endures indefinitely."
Hennig-Thurau, T., Klee, A. (1997): S. 752.
"It is defined here as a customer's long-term ongoing orientation toward a relationship grounded on both an emotional bond to the relationship (affective aspect) and on the conviction that remaining in the relationship will yield higher net benefits than terminating it (cognitive aspect).”
Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): S. 301.
"Commitment is a force that binds an individual to a course of action of relevance to one or more targets.“
Tab. 1
Ausgewählte Commitment-Definitionen
Bevor eine endgültige Arbeitsdefinition von Beziehungs-Commitment für die vorliegende Untersuchung abgeleitet werden kann, sollen zunächst die Erklärungsansätze zur Entstehung von Commitment sowie Aspekte zur Dimensionalität des Konstrukts skizziert werden. Kunden mit einem hohen Beziehungs-Commitment streben danach, die Durchführung von Transaktionen mit dem Geschäftspartner zu wiederholen und somit die Geschäftsbeziehung möglichst lange aufrechtzuerhalten.48 Hinsichtlich der Begründung dieser psychologischen Verbundenheit existieren allerdings divergierende Auffassungen. Im Wesentlichen lassen sich
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Vgl. Reichers, A. E. (1985): A Review and Reconceptualization of Organizational Commitment, in: The Academy of Management Review, Vol. 10, No. 3, S. 471f.; Stinglhamber, F., Bentein, K., Vandenberghe, C. (2002): Extension of the Three-Component Model of Commitment to Five Foci, in: European Journal of Psychological Assessment, Vol. 18, No. 2, S. 124. Vgl. stellvertretend für viele Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): Relationships Between Providers and Users of Market Research: The Dynamics of Trust Within and Between Organizations, in: Journal of Marketing Research, Vol. 29, August, S. 316.
zwei theoretische Erklärungsansätze für Commitment unterscheiden: die verhaltensbezogene und die einstellungsbezogene Perspektive.49 Im Vordergrund des verhaltensbezogenen Erklärungsansatzes von Commitment steht, dass sich Personen durch ihr Verhalten in der Vergangenheit an eine Beziehung gebunden fühlen.50 Betrachtet wird folglich die Bindung einer Person an einen eingeschlagenen Handlungspfad. Die Bindung an einen eingeschlagenen Handlungspfad wird wiederholt unter Bezugnahme auf die Arbeit von BECKER51 und das durch ihn aufgegriffene Konzept der Seitenwetten erklärt.52 Als zentrales Merkmal von Seitenwetten gilt, dass in Bezug auf jede Handlung irrelevante Nebeninteressen existieren, die eine rationale Entscheidung über die Fortführung der Handlung beeinträchtigen.53 Konsistentes Verhalten hieße für einen Dienstleistungskunden in diesem Zusammenhang, die Beziehung zu seinem Dienstleistungsanbieter fortzuführen, also nicht von dem Dienstleistungsunternehmen abzuwandern. Die Entscheidung, dem Unternehmen treu zu bleiben, wird dabei auch von dem drohenden Verlust der Seitenwetten beeinflusst. Im Kontext der Dienstleistungsbeziehung kann beispielsweise ein kurzer Anfahrtsweg als Seitenwette interpretiert werden, die durch den Wechsel des angestammten Dienstleistungsanbieters verloren gehen würde. Verhaltensbezogenes Commitment ist insgesamt durch zeitlich andauerndes und zielgerichtetes Verhalten gekennzeichnet, in dem Beziehungsalternativen nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden.54
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Vgl. Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, in: Human Resource Management Review, Vol. 1, No. 1, S. 62; Harrison-Walker, L. J. (2001): The Measurement of Word-of-Mouth Communication and an Investigation of Service Quality and Customer Commitment as Potential Antecedents, a.a.O., S. 65; Weller, I. (2003): Commitment, in: Martin, A. (Hrsg.): Organizational Behaviour – Verhalten in Organisationen, Stuttgart, S. 77. Vgl. hierzu und im Folgenden Moser, K. (1996): Commitment in Organisationen, a.a.O., S. 2; Weller, I. (2003): Commitment, a.a.O., S. 78. Vgl. Becker, H. S. (1960): Notes on the Concept of Commitment, in: American Journal of Sociology, Vol. 66, July, S. 35. Vgl. stellvertretend für viele Mowday, R. T., Porter, L. W., Steers, R. M. (1982): Employee-Organization Linkages: The Psychology of Commitment, Absenteeism, and Turnover, New York et al., S. 25; HarrisonWalker, L. J. (2001): The Measurement of Word-of-Mouth Communication and an Investigation of Service Quality and Customer Commitment as Potential Antecedents, a.a.O., S. 65; Weller, I. (2003): Commitment, a.a.O., S. 80. Es muss an dieser Stelle aber auch darauf verwiesen werden, dass die Einbindung der BECKER’schen Seitenwetten-Theorie in den verhaltensbezogenen Erklärungsansatz von Commitment durchaus auf Kritik gestoßen ist. Als Einwand wird vorgebracht, dass bei BECKER Commitment erst entsteht, wenn die durch das Abweichen vom Handlungspfad entstehenden Kosten auch wahrgenommen werden. Beim verhaltensbezogenen Ansatz hingegen entzieht sich der Entstehungsprozess von Commitment strenggenommen der bewussten Wahrnehmung des Individuums. Vgl. hierzu Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 65. Vgl. Becker, H. S. (1960): Notes on the Concept of Commitment, a.a.O., S. 35f. Vgl. Moser, K. (1996): Commitment in Organisationen, a.a.O., S. 1.
Die Vertreter des einstellungsbezogenen Erklärungsansatzes weisen Commitment den Status einer Einstellung bzw. einer Gruppe von Verhaltensintentionen zu, die aktiv auf das Verhalten einwirken und somit konsistentes Verhalten erklären.55 Sie kennzeichnen Commitment durch:56 Identifikation Anstrengungsbereitschaft geringe Fluktuationsneigung Die Identifikation bezieht sich auf einen starken Glauben an die Ziele und Werte der Organisation, die Anstrengungsbereitschaft spezifiziert den Willen, sich für die Organisation einzusetzen,57 und die geringe Fluktuationsneigung drückt aus, dass Commitment mit dem Bedürfnis einhergeht, die Beziehung aufrechterhalten zu wollen.58 Einstellungsbezogenes Commitment impliziert die Überzeugung, dass der Nutzen durch die eingegangene Geschäftsbeziehung langfristig maximiert werden kann und somit selbst kurzfristig attraktiveren Interaktionsverhältnissen vorgezogen wird.59 Damit erweisen sich committete Kunden resistent gegenüber einer ausgeprägten Sonderangebotspolitik, wie sie beispielsweise derzeit durch Mobilfunkanbieter betrieben wird. Obige Ausführungen sollen verdeutlichen, dass einstellungsbezogenes Commitment durch den psychologischen Zustand eines Kunden oder Mitarbeiters erklärt wird, verhaltensbezogenes Commitment sich hingegen durch eingeschlagene Handlungspfade konstituiert.60 Während zunächst die strikte Unterscheidung von verhaltensbezogenem und einstellungsbezogenem Commitment die Forschungsarbeiten zu langfristigen Beziehungen dominierte, setzte sich Anfang der 1990er Jahre die Erkenntnis durch, dass es sich bei Commitment um ein mehrdimensionales Konstrukt handeln müsse. Die Diskussionen über die unterschiedlichen 55
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Vgl. Moser, K. (1996): Commitment in Organisationen, a.a.O., S. 34; Weller, I. (2003): Commitment, a.a.O., S. 80. Vgl. Moser, K. (1996): Commitment in Organisationen, a.a.O., S. 40. „The essence of commitment […] is stability and sacrifice.” Derart verweisen ANDERSON/WEITZ auf die Bereitschaft committeter Kunden, sich in die Beziehung einzubringen. Anderson, E., Weitz, B. (1992): The Use of Pledges to Build and Sustain Commitment in Distribution Channels, a.a.O., S. 19. Vgl. Porter, L. M. et al. (1974): Organizational Commitment, Job Satisfaction, and Turnover among Psychiatric Technicians, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 59, No. 5, S. 604. Vgl. Dwyer, F. R., Schurr, P. H., Oh, S. (1987): Developing Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 19; Anderson, E., Weitz, B. (1992): The Use of Pledges to Build and Sustain Commitment in Distribution Channels, a.a.O., S. 19. Diesen konzeptionellen Unterschied formulieren MOWDAY ET AL. wie folgt: „Attitudinal commitment focuses on the process by which people come to think about their relationship with the organization. In many ways, it can be thought of as a mind set in which individuals consider the extent to which their own values and goals are congruent with those of the organization. Behavioral commitment, on the other hand, relates to the process by which individuals become locked into a certain organization and how they deal with this problem.” Mowday, R. T., Porter, L. W., Steers, R. M. (1982): Employee-Organization Linkages, a.a.O., S. 26.
Motive, eine Beziehung aufrechtzuerhalten, führten zur Identifikation einzelner Dimensionen,61 die den verschiedenen Wesensmerkmalen des Commitment gerechter werden als dessen bis dahin vorherrschende eindimensionale Auffassung.62 Hinsichtlich der Anzahl der Commitment-Dimensionen existiert bis dato keine einheitliche Auffassung in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. In den mehrdimensionalen Modellen zum organisationalen Commitment finden sich vorrangig zwei- und dreidimensionale Darstellungen des Konstrukts.63 Am weitesten verbreitet und wiederholt Gegenstand empirischer Überprüfungen ist das dreidimensionale Commitment-Modell von MEYER/ALLEN.64 In Abhängigkeit des zugrunde gelegten Bindungsmotivs unterscheiden sie zwischen affektivem, fortsetzungsbezogenem und normativem Commitment.65 Das Modell basiert auf der Überlegung, dass die isoliert betrachteten Erklärungsansätze des verhaltensbezogenen und einstellungsbezogenen Commitment in einer komplementären Beziehung zueinander stehen und sich folglich beide Auslegungen in den Commitment-Dimensionen wiederfinden müssen.66 Das affektive Commitment des MEYER/ALLEN-Modells stellt dabei den unmittelbaren Bezug zu der zuvor erörterten einstellungsbezogenen Auffassung von Commitment her. Diese Dimension wird durch die emotionale Bindung an das Bezugsobjekt, die Identifikation mit dessen Werten und Zielen und die Einbindung in die Beziehung gekennzeichnet. Affektives Commitment beschreibt den Wunsch der Bindung auf der Grundlage positiver Gefühle und Befürwortung. Die Person erfreut sich an der gemeinsamen Partnerschaft67 und verspürt Respekt gegenüber dem Beziehungspartner sowie eine Art Loyalitäts- bzw. Zugehörig-
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Vgl. Geyskens, I. et al. (1996): The Effects of Trust and Interdependence on Relationship Commitment: A Trans-Atlantic Study, in: International Journal of Research in Marketing, Vol. 13, No. 4, S. 304. Vgl. Schmitz, G. (2001): Die Dynamik dauerhafter Geschäftsbeziehungen in Dienstleistungsmärkten: Ein prozessorientierter Erklärungs- und Gestaltungsansatz, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsmanagement Jahrbuch 2001: Interaktionen im Dienstleistungsbereich, Wiesbaden, S. 13. Siehe hierzu den Überblick bei Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 304. Vgl. Weller, I. (2003): Commitment, a.a.O., S. 83. Zu dem im Folgenden dargestellten dreidimensionalen Commitment-Ansatz von MEYER/ALLEN vgl. Allen, N. J., Meyer, J. P. (1990): The Measurement and Antecedents of Affective, Continuance and Normative Commitment to the Organization, in: Journal of Occupational Psychology, Vol. 63, S. 3f.; Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 67ff.; Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 305; Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization: A Meta-analysis of Antecedents, Correlates, and Consequences, in: Journal of Vocational Behavior, Vol. 61, No. 1, S. 21f. Vgl. Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 62. Vgl. Buchanan, B. (1974): Building Organizational Commitment: The Socialization of Managers in Work Organizations, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 19, December, S. 538; Allen, N. J., Meyer, J. P. (1990): The Measurement and Antecedents of Affective, Continuance and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 2.
keitsgefühl,68 das sich in der Fortsetzung und Intensivierung der Beziehung äußert. Ein prototypisches Beispiel für affektives Commitment im Bereich der Dienstleistungen stellt die auf Freundschaft und Vertrauen basierende Beziehung zwischen einem Friseur und seinem Kunden dar.69 Fortsetzungsbezogenes Commitment hingegen bezieht sich in Anlehnung an den verhaltensbezogenen Erklärungsansatz auf kognitive Kosten-Nutzen-Abwägungen und damit auf den instrumentellen Wert der Beziehung, aufgrund dessen sich das Individuum gebunden fühlt.70 Genaugenommen empfindet eine Person aufgrund der wahrgenommenen Kosten, die mit der Beendigung bzw. dem Wechsel der Partnerschaft assoziiert werden, die Notwendigkeit, diese fortzuführen.71 Für den Bereich der Dienstleistungen soll hier auf den Aufwand verwiesen werden, der einem Kunden beim Wechsel seiner Hausbank entstünde. Der Aufwand resultiert dabei nicht nur durch die Auswahl eines neuen Anbieters und dem damit verbundenen Entscheidungsprozess, sondern auch durch die Eröffnung des neuen Kontos sowie die Benachrichtigung aller notwendigen Institutionen über die neue Bankverbindung. In die Kosten-Nutzen-Kalkulation des Individuums fließen neben den Seitenwetten bzw. Investitionen in die Beziehung aber auch jene zukünftigen Gewinne ein, die durch ein Auflösen der Beziehung verloren gehen würden.72 Tendenziell wird diese Dimension des Commitment als negative Motivation zur Beziehungsfortführung interpretiert.73 Den kalkulatorischen Charak68
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Vgl. Kanter, R. M. (1968): Commitment and Social Organizations: A Study of Commitment Mechanisms in Utopian Communities, in: American Sociological Review, Vol. 33, No. 4, S. 499 und 507; Porter, L. M. et al. (1974): Organizational Commitment, Job Satisfaction, and Turnover among Psychiatric Technicians, a.a.O., S. 605. Vgl. hierzu Price, L. L., Arnould, E. J. (1999): Commercial Friendships: Service Provider-Client Relationships in Context, in: Journal of Marketing, Vol. 63, October, S. 41ff. Vgl. Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships, a.a.O., S. 409. Alternativ findet sich für den selben Sachverhalt auch die Bezeichnung kalkulatorisches Commitment. Vgl. Meyer, J. P., Allen, N. J. (1997): Commitment in the Workplace: Theory, Research, and Application, London et al., S. 15. Im Gegensatz zum verhaltensbezogenen Ansatz von Commitment entsteht fortsetzungsbezogenes Commitment somit erst, wenn die durch das Abweichen vom Handlungspfad entstehenden Kosten wahrgenommen bzw. antizipiert werden. Vgl. hierzu Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 65. Vgl. Gilliland, D. I., Bello, D. C. (2002): Two Sides to Attitudinal Commitment: The Effect of Calculative and Loyalty Commitment on Enforcement Mechanism in Distribution Channels, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 30, No. 1, S. 28. Vgl. Geyskens, I. et al. (1996): The Effects of Trust and Interdependence on Relationship Commitment, a.a.O., S. 305. Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Konzeptionalisierung von fortsetzungsbezogenem Commitment. Einige Forscher sprechen sich für eine zweidimensionale Auffassung aus. Sie unterscheiden einen Faktor, der die wahrgenommenen Verluste abbildet, die mit dem Abbruch der Beziehung einhergehen, und eine weitere Komponente, die den wahrgenommenen Mangel an Alternativen ausdrückt. Vgl. McGee, G. W., Ford, R. C. (1987): Two (or More?) Dimensions of Organizational Commitment: Reexamination of the Affective and Continuance Commitment Scales, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 72, No. 4, S. 638ff. In Anlehnung an MEYER/HERSCOVITCH wird fortsetzungsbezogenes Commitment hier eindimensional aufgefasst. Die wahrgenommenen Verluste und der Mangel an Alternativen werden vielmehr als Prädiktoren des fortsetzungsbezogenen Commitment diskutiert. Vgl. Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 316 sowie Kap. C 2.1.3.
ter des fortsetzungsbezogenen Commitment in den Vordergrund stellend, soll im Folgenden die Bezeichnung kalkulatorisches Commitment synonym Verwendung finden. Die dritte Komponente, das normative Commitment, reflektiert ein Gefühl der moralischen Verpflichtung gegenüber der Beziehung. Die Bindung an das Unternehmen fußt auf dem Verantwortungsbewusstsein oder allgemeiner gesprochen auf den normativen Wertvorstellungen des Individuums. Nach seiner Überzeugung wäre es grundsätzlich falsch bzw. verwerflich, die eingegangene Verbindung aufzulösen.74 Kurz zusammengefasst, drücken affektives, kalkulatorisches und normatives Commitment aus, dass Personen Beziehungen aufrechterhalten, weil sie wollen, weil sie müssen oder weil sie sich verpflichtet fühlen.75 Die dreidimensionale Commitment-Struktur von MEYER/ALLEN ist in einer Vielzahl von Arbeiten im Bereich der Organisationspsychologie und in sozialpsychologischen Studien zur Bindung von Ehepartnern aufgegriffen und bestätigt worden.76 Wie jedoch angedeutet, ist die Zahl der Untersuchungen im Bereich der konsumtiven Dienstleistungen, die BeziehungsCommitment als mehrdimensionales Konstrukt interpretieren, sehr begrenzt. In dieser überschaubaren Anzahl von Studien werden die dem 3-Komponenten-Modell von MEYER/ALLEN zugrunde liegenden konzeptionellen Überlegungen weitgehend übernommen. Allerdings fließen nicht zwangsläufig alle drei Dimensionen in die Untersuchungen ein. In der Mehrzahl der Arbeiten werden lediglich das affektive und kalkulatorische Commitment berücksichtigt.77 Diese Vorgehensweise mag damit begründet werden, dass in Analysen zum organisationalen Commitment affektives und normatives Commitment hohe Korrelationen aufwiesen und somit die Distinktion zwischen den beiden Dimensionen in Frage gestellt wurde.78 BANSAL ET AL. haben vor diesem Hintergrund in ihrer Untersuchung im Dienstleistungssektor verschiedene Konzeptionalisierungen von Commitment gegeneinander geprüft.79 Die Analyse ergab,
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Vgl. Weller, I. (2003): Commitment, a.a.O., S. 83. Vgl. Allen, N. J., Meyer, J. P. (1990): The Measurement and Antecedents of Affective, Continuance and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 3. Zu einem Überblick siehe jeweils Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 20ff. sowie Adams, J. M., Jones, W. H. (1997): The Conceptualization of Marital Commitment: An Integrative Analysis, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 72, No. 5, S. 1177ff. Vgl. zum Beispiel Harrison-Walker, L. J. (2001): The Measurement of Word-of-Mouth Communication and an Investigation of Service Quality and Customer Commitment as Potential Antecedents, a.a.O., S. 60ff.; Verhoef, P. C., Franses, P. H., Hoekstra, J. C. (2002): The Effect of Relational Constructs on Customer Referrals and Number of Services Purchased From a Multiservice Provider, a.a.O., S. 202ff.; Fullerton, G. (2003): When Does Commitment Lead to Loyalty?, in: Journal of Service Research, Vol. 5, No. 4, S. 333ff. Vgl. Ko, J.-W., Price, J. L., Mueller, C. W. (1997): Assessment of Meyer and Allen's Three-Component Model of Organizational Commitment in South Korea, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 82, No. 6, S. 969. Vgl. hierzu und im Folgenden Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 240.
dass eine dreidimensionale Konzeptionalisierung von Commitment auf Basis einer affektiven, kalkulatorischen und normativen Komponente statistisch eindeutig überlegen war. Mit Hilfe eines ²-Differenztests konnte zudem nachgewiesen werden, dass die drei Faktoren diskriminantvalide sind.80 Diese Erkenntnisse sind Anlass dafür, das Commitment von Dienstleistungskunden gegenüber ihren Geschäftsbeziehungen in der vorliegenden Arbeit als Konstrukt mit einer affektiven, kalkulatorischen und normativen Dimension zu definieren. Die Übertragung des 3-Komponenten Modells von MEYER/ALLEN aus der Organisationspsychologie in den Kontext des Dienstleistungsmarketing erscheint zudem mit Blick auf die Integration des Kunden in den Dienstleistungserstellungsprozess opportun. Diese Kundenintegration zählt zu den konstitutiven Merkmalen einer Dienstleistung81 und führt dazu, dass der Nachfrager mitunter als „partial employee“ bezeichnet wird, der im Verlauf der Leistungserstellung als Teil der Organisation und somit Humanressource zu betrachten ist.82 Sowohl die Integrationsbereitschaft als auch die Integrationsfähigkeit des Kunden beeinflussen die Qualität des Dienstleistungserstellungsprozesses und somit dessen Ergebnis.83 Das Verständnis der Prozesse, die das Verhalten und die Leistungsbereitschaft des Kunden in der Dienstleistungsinteraktion steuern, ist demzufolge relevant für die Sicherung der Qualität im Dienstleistungsunternehmen. Die Übertragung des Commitment-Konstrukts aus dem Zusammenhang der Arbeitsorganisation auf die Dienstleistungsbeziehung und damit auf das Verhältnis zwischen dem Kunden als „unbezahlten Mitarbeiter“84 und der Dienstleistungsunternehmung verspricht diesbezüglich weiterführende Erkenntnisse. In Analogie zur Begriffsauffassung von organisationalem Commitment wird das BeziehungsCommitment im Dienstleistungskontext im Fortgang dieser Arbeit als affektiv, kalkulato-
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Auch gezielte Untersuchungen zur Unterscheidbarkeit von affektivem und normativem Commitment im organisationalen Zusammenhang kommen zwar zu dem Ergebnis, dass die beiden Dimensionen distinkt sind, konstatieren aber gleichzeitig ein Forschungsdefizit bezüglich der theoretischen Fundierung von normativem Commitment. Vgl. Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 41. Vgl. Meyer, A. (1991): Dienstleistungs-Marketing, in: DBW, 51. Jg., Heft 2, S. 199 sowie Kap. B 1.3. Vgl. Bowen, D. E. (1986): Managing Customers as Human Resources in Service Organizations, in: Human Resource Management, Vol. 25, No. 3, S. 371ff.; Mills, P. K., Morris, J. H. (1986): Clients as “Partial” Employees of Service Organizations: Role Development in Client Participation, in: The Academy of Management Review, Vol. 11, No. 4, S. 726; Kelley, S. W., Donnelly, J. H., Skinner, S. J. (1990): Customer Participation in Service Production and Delivery, in: Journal of Retailing, Vol. 66, No. 3, S. 315f. sowie die dort angegebene Literatur. WOHLGEMUTH formuliert sogar, dass “sich im Dienstleistungsbereich entscheidende Wettbewerbsvorteile erringen lassen, indem der Kunde künftig in noch viel stärkerem Maße als “Teil” der Unternehmung betrachtet wird.” Wohlgemuth, A. C. (1989): Führung im Dienstleistungsbereich – Interaktionsintensität und Produktionsstandardisierung als Basis einer neuen Typologie, in: Zeitschrift für Führung und Organisation, 58. Jg., Heft 5, S. 344. Vgl. Corsten, H. (1986): Zur Diskussion der Dienstleistungsbesonderheiten und ihre ökonomischen Auswirkungen, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 32. Jg., Heft 1, S. 25f. Vom Kunden als „unbezahlten Mitarbeiter“ spricht NERDINGER. Vgl. Nerdinger, F. W. (1994): Zur Psychologie der Dienstleistung: Theoretische und empirische Studien zu einem wirtschaftspsychologischen Forschungsgebiet, Stuttgart, S. 243.
risch bzw. normativ fundierter psychologischer Zustand definiert, der einen Kunden an die Beziehung zu einem Dienstleistungsunternehmen bindet. Eine Verhaltenskomponente schließt diese Definition explizit aus, um eine Vermischung von Verhalten und dessen intrapsychischen Voraussetzungen zu vermeiden.85 Vielmehr ist es das Anliegen der vorliegenden Arbeit die potenziellen Verhaltenswirkungen zu identifizieren, die aus der intrapsychischen Bindung des Kunden an die Geschäftsbeziehung resultieren können. Folglich wird eine Verhaltenswirksamkeit von Commitment, wie das anschließende Kapitel zeigt, explizit unterstellt.
2.2 Die Kausalkette von Commitment, Kundenloyalität und Kundenbindung In der Literatur zum Relationship Marketing nehmen die beziehungsorientierten Konstrukte Kundenbindung und Kundenloyalität eine herausragende Rolle ein. An dieser Stelle ist zu untersuchen, inwieweit es sich bei Commitment um ein zur Kundenbindung bzw. Kundenloyalität distinktes Konstrukt handelt und in welchem Verhältnis die drei Konzepttypen zueinander stehen. Der Diskussion von Definitionen bzw. Abgrenzungen der Termini Kundenbindung und Kundenloyalität sowie deren Konzeptionalisierungen sind mit Blick auf die zunehmende Beziehungsorientierung der Unternehmen eine Vielzahl marketingwissenschaftlicher Arbeiten gewidmet. Einen zweckmäßigen Überblick dieser zum Teil widersprüchlich geführten wissenschaftlichen Auseinandersetzung liefert die Arbeit von BRAUNSTEIN.86 An dieser Stelle soll auf das Ergebnis ihrer umfassenden Literaturrecherche Bezug genommen werden. Die Kundenbindung, verstanden als tatsächliches, overtes Verhalten, drückt die konkrete Handlung eines Kunden aus.87 Die Kundenloyalität hingegen wird als Verhaltensintention interpretiert. Hinsichtlich des tatsächlichen Kundenverhaltens im Sinne der Kundenbindung können Wiederkauf, Weiterempfehlung, Cross-Buying und Preiserhöhungsakzeptanz unter-
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Vgl. Hennig-Thurau, T., Klee, A. (1997): The Impact of Customer Satisfaction and Relationship Quality on Customer Retention: A Critical Reassessment and Model Development, in: Psychology & Marketing, Vol. 14, No. 8, S. 752. Andere Auffassungen von Commitment in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur verbinden Verhalten und dessen intrapsychischen Voraussetzungen in einem Konstrukt. Vgl. zum Beispiel Gundlach, G. T., Achrol, R. S., Mentzer, J. T. (1995): The Structure of Commitment in Exchange, a.a.O., S. 78f.; Kim, K., Frazier, G. L. (1997): Measurement of Distributor Commitment in Industrial Channels of Distribution, in: Journal of Business Research, Vol. 40, No. 2, S. 141. Vgl. Braunstein, C. (2001): Einstellungsforschung und Kundenbindung: Zur Erklärung des Treueverhaltens von Konsumenten, Wiesbaden, S. 6ff. sowie S. 27ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Braunstein, C. (2001): Einstellungsforschung und Kundenbindung, a.a.O., S. 17f.; Braunstein, C., Huber, F., Herrmann, A. (2005): Ein Ansatz zur Erklärung der Kundenbindung auf Basis der Theorie des geplanten Verhaltens, in: Zfbf, 57. Jg., Heft 5, S. 189.
schieden werden.88 Analog spiegelt sich die Kundenloyalität in der Wiederkaufs-, Weiterempfehlungs- und Cross-Buying-Absicht sowie der Preiserhöhungstoleranz des Kunden wider. Ausgehend von dieser verhaltensorientierten Konzeptionalisierung der beiden Konstrukte wird Kundenloyalität als intentionale Variable aufgefasst, die das treue Verhalten der Kunden determiniert.89 In diese Konstruktbeziehung lässt sich Beziehungs-Commitment als eine Einflussgröße der Kundenloyalität einfügen. Commitment bildet unter Bezugnahme auf die zuvor abgeleitete Definition die psychografische Fundierung der Kundenloyalität.90 Demzufolge hängt die Absicht, eine Beziehung fortzuführen und Leistungen erneut nachzufragen, neben anderen Größen, wie beispielweise situativen Faktoren, im entscheidenden Maße vom Commitment eines Kunden ab. In diesem Sinne argumentieren auch MORGAN/HUNT. In ihren Ausführungen zur Commitment-Trust Theorie leiten sie ab, dass Commitment die Absicht, eine Geschäftsbeziehung aufzulösen, negativ beeinflusst.91 Dieser kausale Zusammenhang zwischen Commitment und der Intention des Kunden, von einem Anbieter abzuwandern, konnte mittlerweile auch in ersten empirischen Untersuchungen zur Kundenloyalität und ihren Determinanten im Dienstleistungskontext bestätigt werden.92 Die hier formulierte Sichtweise darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass über das Verhältnis der Konstrukte Commitment, Kundenloyalität und Kundenbindung in der Literatur divergierende Auffassungen existieren. Abweichende Darstellungen sind dabei in der Regel auf unterschiedliche Konzeptionalisierungen der Konstrukte zurückzuführen. So vertreten beispielsweise HOMBURG ET AL. die Ansicht, dass die Kundenloyalität eine Dimension des Commitment darstellt. Commitment sei als eine der Kundenloyalität übergeordnete Größe aufzufassen, die sich neben der Absicht des Kunden eine Geschäftsbeziehung fortzusetzen auch dadurch auszeichnete, dass die Austauschpartner bereit seien, spezifische Opfer für den
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Vgl. hierzu und im Folgenden Homburg, C., Bruhn, M. (2005): Kundenbindungsmanagement – Eine Einführung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 9. Vgl. Braunstein, C. (2001): Einstellungsforschung und Kundenbindung, a.a.O., S. 27. Bereits BLIEMEL/EGGERT stellen fest, dass die Verbundenheit eines Kunden dessen Loyalität auf der Ebene der Verhaltensintention begründet, ohne dabei jedoch einen Bezug zum Commitment als Zustand der psychologischen Verbundenheit herzustellen. Vgl. Bliemel, F. W., Eggert, A. (1998): Kundenbindung – die neue Sollstrategie?, in: Marketing ZFP, 20. Jg., Heft 1, S. 41. Vgl. Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 22ff. Siehe hierzu die Arbeiten von Hennig-Thurau, T., Gwinner, K. P., Gremler, D. D. (2002): Understanding Relationship Marketing Outcomes, in: Journal of Service Research, Vol. 4, No. 3, S. 237ff. und Fullerton, G. (2003): When Does Commitment Lead to Loyalty?, a.a.O., S. 335ff. sowie Kap. C 3.1.1.
Erhalt der Beziehung zu erbringen.93 Diese Perspektive steht allerdings im Widerspruch zu der hier vertretenen Interpretation von Commitment, die eine Verhaltenskomponente des Konstrukts explizit ausschließt, sondern dem Beziehungs-Commitment die Funktion eines Prädiktors für das Nachfragerverhalten eines Kunden zuschreibt. Die kausale Beziehung der drei Konstrukte Commitment, Kundenloyalität und Kundenbindung soll Abb. 1 noch einmal zusammenfassend darstellen.
Commitment (psychologischer Zustand) affektiv
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Kundenloyalität (Verhaltensintention) WeiterWiederkaufsempfehlungsabsicht absicht
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Kundenbindung (tatsächliches Verhalten) Preiserhöhungstoleranz
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Kausalkette von Commitment, Kundenloyalität und Kundenbindung
3 Zielsetzung und Gang der Untersuchung Angesichts der offenkundigen Bedeutung stabiler Kundenbeziehungen für den langfristigen Erfolg von Dienstleistungsunternehmen und der intensiven Auseinandersetzung mit Aspekten des Relationship Marketing in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion erstaunt es sehr, dass das Commitment von Dienstleistungskunden gegenüber ihren Leistungsanbietern in der Marketingliteratur eine untergeordnete Rolle spielt. Trotz umfassender Erkenntnisse aus der Organisationspsychologie, die dem Konstrukt einen besonderen Stellenwert für den Aufbau und Erhalt langfristiger Beziehungen zusprechen, wird das Konstrukt fast ausschließlich in den Arbeiten zum Industriegüter- und vertikalen Marketing und dabei primär in den englischsprachigen Veröffentlichungen aufgegriffen. In den Publikationen zum Dienstleistungsmarketing wird das Commitment-Konstrukt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, weitgehend vernachlässigt. Unter Berücksichtigung des dargestellten Wesens von Commitment und seiner Funktion als Determinante des intendierten Kundenverhaltens sowie in Anbetracht des vorhandenen, zuvor formulierten Forschungsdefizits erweist sich eine intensive Auseinandersetzung mit dem Commitment-Konstrukt im Kontext der Dienstleistungsbeziehung als sinnvoll. Eine vertiefende Betrachtung des Konzepts verspricht dabei einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn für das Management langfristiger Kundenbeziehungen. Die generelle Zielsetzung der vorliegenden Arbeit soll folglich darin bestehen, einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis von Com93
Vgl. Homburg, C., Giering, A., Menon, A. (2003): Relationship Characteristics as Moderators of the Satisfaction-Loyalty Link: Findings in a Business-to-Business Context, in: Journal of Business-to-Business Marketing, Vol. 10, No. 3, S. 38.
mitment in der Dienstleistungsbeziehung zu leisten, indem ein integriertes Erklärungs- und Wirkungsmodell des Beziehungs-Commitment im Dienstleistungskontext erarbeitet wird. Mit der Formulierung dieser übergreifenden Zielstellung sind folgende Teilziele der Arbeit verbunden: Übertragung ausgewählter Theorien sowie empirischer Erkenntnisse zur Erklärung von Beziehungs-Commitment im Dienstleistungskontext und dementsprechend zur Identifikation seiner Bestimmungsfaktoren Anwendung ausgewählter Theorien sowie empirischer Erkenntnisse zur Analyse der Auswirkungen von Beziehungs-Commitment auf die Verhaltensintentionen des Dienstleistungskunden Ableitung möglicher Ansatzpunkte zur gezielten Beeinflussung und Gestaltung langfristiger Kundenbeziehungen im Dienstleistungsunternehmen auf Basis der integrierten Erkenntnisse zur Entstehung von Commitment und dessen Konsequenzen für das intendierte Kundenverhalten Diese Untergliederung der generellen Zielsetzung der Arbeit in drei Teilziele zeichnet den Gang der Untersuchung weitgehend vor. Bevor ein Ursache- und Wirkungsmodell von Commitment im Dienstleistungskontext entwickelt werden kann, ist es zunächst notwendig, in Kapitel B konzeptionelle Grundlagen der Beziehung zwischen Dienstleistungsanbieter und Dienstleistungskunden darzustellen, um den Bezugsrahmen des zu entwickelnden Commitment-Modells abzugrenzen. Hierzu ist an erster Stelle die Dienstleistung im Allgemeinen zu kennzeichnen. Die Immaterialität und die Integration des externen Faktors werden als konstitutive Merkmale der Dienstleistung diskutiert, die im erheblichen Maße die Beziehung zwischen dem Dienstleistungskunden und dem Anbieter prägen und dementsprechend im Fortgang der Untersuchung Berücksichtigung finden müssen. Weitere Erkenntnisse über das Wesen der Dienstleistungsbeziehung vermittelt die Darstellung der Interaktion zwischen Nachfrager und Anbieter sowie die Spezifizierung verschiedener Arten von Dienstleistungen in Abhängigkeit der Interaktionsintensität. Den Abschluss zur Kennzeichnung der Dienstleistungsbeziehung als Bezugsrahmen des Erklärungsund Wirkungsmodells von Commitment bilden Ausführungen über die Entwicklung von Geschäftsbeziehungen im Zeitablauf. Hier finden sich bereits erste Anhaltspunkte für die anschließende Analyse der Determinanten des Beziehungs-Commitment. In Kapitel C der vorliegenden Arbeit erfolgt die Identifikation relevanter Einflussfaktoren sowie möglicher Auswirkungen des Beziehungs-Commitment auf das intendierte Kundenverhalten. In einem ersten Schritt wird ein grundlegendes Verständnis für die theoretische Fundierung des Erklärungs- und Wirkungsmodells von Commitment aufgebaut. Sozial- und verhaltenspsychologische Theorien sowie der ökonomische Transaktionskostenansatz bilden das theoretische Gerüst der Arbeit.
Unter Bezugnahme auf diese knapp ausgeführten theoretischen Ansätze, aber auch unter Berücksichtigung wesentlicher empirischer Erkenntnisse aus der Marketingforschung und gegebenenfalls aus der Organisationspsychologie werden anschließend mögliche Bestimmungsgrößen von Beziehungs-Commitment im Dienstleistungskontext hergeleitet. Neben den direkten werden zusätzlich auch indirekte Einflussfaktoren des Commitment betrachtet. Bei dieser Ableitung des Erklärungsmodells wird auch der Mehrdimensionalität des Konstrukts Rechnung getragen, so dass die Identifikation der Determinanten differenziert nach affektivem, kalkulatorischem und normativem Commitment vorgenommen wird. Im Ergebnis lassen sich die identifizierten Einflussgrößen in ein umfassendes Erklärungsmodell des BeziehungsCommitment integrieren. Die anschließende Entwicklung eines Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment erfolgt in gleicher Weise. Unter Zuhilfenahme der theoretischen Bezugspunkte der Arbeit und erster empirischer Erkenntnisse werden aus dem Blickwinkel der drei Commitment-Komponenten mögliche Konsequenzen für das intendierte Kundenverhalten diskutiert und in einem Modell zusammengefasst. Im Endergebnis liefert Teil C ein über die vorliegenden Partialanalysen hinausgehendes Commitment-Modell für die Dienstleistungsbeziehung. Kapitel D dient neben der Zusammenfassung der Ergebnisse auch der Ableitung von Implikationen für die Gestaltung langfristiger Kundenbeziehungen. Damit soll die Arbeit nicht nur auf abstrakt-theoretischer Ebene verfasst werden, sondern ebenso entscheidungsorientiert Handlungsempfehlungen für das Kundenbindungsmanagement in Dienstleistungsunternehmen geben. Weiterhin sollen an dieser Stelle erste mögliche Anknüpfungspunkte für die weitere Forschung aufgezeigt werden.
B Die Dienstleistungsbeziehung als Bezugsrahmen eines Commitment-Modells Die Entwicklung eines Commitment-Modells im Dienstleistungskontext setzt die Spezifizierung eines konkreten Bezugsrahmens voraus, der zum Verständnis des zu untersuchenden Gegenstandsbereichs beitragen soll. Dazu muss zunächst die Dienstleistung als Absatzobjekt unter Berücksichtigung ihrer konstitutiven Besonderheiten charakterisiert werden. Weiterhin ist die Dienstleistungsbeziehung als Bezugspunkt der vorliegenden Arbeit zu untersuchen. Es gilt, sowohl die Interaktionen zwischen Nachfrager und Dienstleister zu kennzeichnen als auch die Kundenbeziehung im Zeitablauf zu spezifizieren, woraus sich bereits erste Anhaltspunkte für die Entwicklung von Beziehungs-Commitment im Dienstleistungskontext ergeben.
1 Besonderheiten von Dienstleistungen und ihre Konsequenzen für den Dienstleistungskunden 1.1 Definitionsansätze von Dienstleistungen Versuche seitens der Wissenschaft, den Begriff der Dienstleistung inhaltlich zu klären, haben zu einer Vielzahl sich ergänzender, aber auch teilweise widersprüchlicher Definitionsansätze geführt.94 Für die Marketingforschung erweisen sich Definitionen, die Dienstleistungen durch die Identifikation konstitutiver Merkmale spezifizieren, als besonders aussagekräftig.95 Diese Definitionsansätze können in Anlehnung an die klassischen Leistungsdimensionen in drei Gruppen unterteilt werden:96 Die potenzialorientierten Definitionsansätze charakterisieren Dienstleistungen als immaterielles Leistungspotenzial eines Anbieters zur Erstellung einer spezifischen 94
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Vgl. stellvertretend für viele Kleinaltenkamp, M. (2001): Begriffsabgrenzungen und Erscheinungsformen von Dienstleistungen, in: Bruhn, M., Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement: Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 32. Vgl. Stauss, B. (1996): Dienstleistungen als Faktoren, in: Kern, W., Schröder, H.-H., Weber, J. (Hrsg.): Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, 2. Aufl., Stuttgart, Sp. 319; Meffert, H., Bruhn, M. (2006): Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 29. Neben den Definitionsansätzen auf Basis konstitutiver Merkmale werden Dienstleistungsauffassungen unterschieden, die Dienstleistungen mittels einer Negativdefinition zu Sachleistungen abgrenzen oder durch die Aufzählung von Beispielen spezifizieren. Vgl. Corsten, H. (2001): Dienstleistungsmanagement, 4. Aufl., München, Wien, S. 21; Meyer, A. (1991): Dienstleistungs-Marketing, a.a.O., S. 197. Vgl. stellvertretend für viele Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, in: Hilke, W. (Hrsg.): Dienstleistungs-Marketing: Banken und Versicherungen – Freie Berufe – Handel und Transport – Nicht-erwerbswirtschaftlich orientierte Organisationen, Wiesbaden, S. 10; Corsten, H. (2001): Dienstleistungsmanagement, a.a.O., S. 21ff.; Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte: Ein Ansatz zur Dichotomie von Sachund Dienstleistungen, in: Zfbf, 45. Jg., Heft 5, S. 398.
Dienstleistung.97 Dieses setzt sich aus den Komponenten Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft zusammen.98 Sobald der Kunde das angebotene Leistungspotenzial des Anbieters in Anspruch nimmt, erfolgt der Übergang in die Phase der Dienstleistungserstellung.99 Die prozessorientierten Definitionsansätze kennzeichnen die Dienstleistung als Faktorkombinationsprozess, in den interne Produktionsfaktoren des Leistungsanbieters sowie externe (Produktions-)Faktoren des Nachfragers einfließen.100 Zentraler Aspekt ist hierbei die Simultanität der Leistungserstellung und der ersten Inanspruchnahme durch den Nachfrager.101 Die ergebnisorientierten Definitionsansätze erörtern schließlich die Dienstleistung als immaterielles Resultat des Leistungserstellungsprozesses.102 Eine phasenbezogene Integration dieser drei grundlegenden Auffassungen von Dienstleistungen in eine Dienstleistungsdefinition ermöglicht die gleichzeitige Berücksichtigung der konstitutiven Dienstleistungsmerkmale und wird demnach dem Wesen von Dienstleistungen am ehesten gerecht.103 In diesem Sinne definieren MEFFERT/BRUHN: „Dienstleistungen sind selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung […] und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten […] verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne (z. B. Geschäftsräume, Personal, Ausstattung) und externe Faktoren (also solche, die nicht im Einflussbereich des Dienstleisters liegen) werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen […] und deren Objekten […] nutzenstiftende Wirkungen […] zu erzielen (Ergebnisorientierung).“104 Diese Auffassung von Dienstleistungen soll der vorliegenden Untersuchung als Arbeitsdefinition zugrunde gelegt werden. 97
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Vgl. Corsten, H. (1989): Dienstleistungsmarketing – Elemente und Strategien, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 35. Jg., Heft 1, S. 24; Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, a.a.O., S. 11f. ENGELHARDT ET AL. kritisieren allerdings, dass die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft eines Anbieters eine Grundvoraussetzung zur Erbringung einer jeglichen Art von Leistung und damit auch für die Erstellung von Sachgütern darstellt. Vgl. Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte, a.a.O., S. 399. Vgl. Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, a.a.O., S. 12. Vgl. Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte, a.a.O., S. 398. Vgl. Berekoven, L. (1983): Der Dienstleistungsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland: Theoretische Fundierung und empirische Analyse, Bd. 1, Göttingen, S. 23; Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, a.a.O., S. 13. Vgl. Maleri, R. (1997): Grundlagen der Dienstleistungsproduktion, 4. Aufl., Berlin et al., S. 4; Corsten, H. (2001): Dienstleistungsmanagement, a.a.O., S. 22. Vgl. Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, a.a.O., S. 10f. Meffert, H., Bruhn, M. (2006): Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 30.
Ein Großteil der Diskussionen zu den Besonderheiten von Dienstleistungen ist den Merkmalen der Immaterialität und der Integration des externen Faktors gewidmet. Beiden Charakteristika wird ein besonderer Stellenwert bei der Erklärung des Kaufverhaltens von Dienstleistungskunden zugesprochen.105 Insofern ist eine detaillierte Erläuterung dieser beiden Dienstleistungsmerkmale sowie ihrer Konsequenzen für den Dienstleistungskunden für das Verständnis des zu entwickelnden Commitment-Modells unerlässlich.
1.2 Immaterialität der Dienstleistung und ihre Folgen für das Kundenverhalten Das Merkmal der Immaterialität ist als konstitutives Merkmal einer Dienstleistung nicht unumstritten.106 Es bezieht sich auf die Substanzlosigkeit und folglich mangelnde physische Greifbarkeit der Dienstleistung.107 Eine Dichotomisierung der Dienst- und Sachleistungen auf Grundlage der Immaterialität erweist sich jedoch als problematisch.108 Schließlich enthalten eine Reihe von Dienstleistungen durchaus materielle Ergebnisbestandteile, wie das Beispiel des Zahn-Inlays als Ergebnis einer Dentalbehandlung veranschaulicht. Demzufolge empfiehlt sich eine Anordnung der Leistungen auf einem Kontinuum zwischen hohem und niedrigen Anteil tangibler Elemente der Leistung, wie in Abb. 2 dargestellt.
Die meisten Sachgüter
Die meisten Dienstleistungen
tangible Elemente
intangible Elemente „Intangibilität“ des Produkts
Abb. 2
Intangibilitätsgrad als Kontinuum Quelle: Rushton, A. M., Carson, D. J. (1989): The Marketing of Services: Managing the Intangibles, in: European Journal of Marketing, Vol. 23, No. 8, S. 28.
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Vgl. Stauss, B. (1998): Beschwerdemanagement, in: Meyer, A. (Hrsg.): Handbuch DienstleistungsMarketing, Bd. 2, Stuttgart, S. 1260. Vgl. zu dieser Diskussion beispielsweise Rück, H. R. G. (1995): Dienstleistungen – Ein Definitionsansatz auf Grundlage des „Make or buy“-Prinzips, in: Kleinaltenkamp, M. (Hrsg.): Dienstleistungsmarketing: Konzeptionen und Anwendungen, Wiesbaden, S. 8ff. Vgl. Maleri, R. (1997): Grundlagen der Dienstleistungsproduktion, a.a.O., S. 97f. Vgl. hierzu und im Folgenden Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte, a.a.O., S. 400.
Auch wenn die Immaterialität als konstitutives Merkmal umstritten ist, so stehen deren Konsequenzen für den Dienstleistungskunden109 und für die Dienstleistungsbeziehung außer Frage. Zu ihnen zählt, dass die Qualität von Dienstleistungen im Vergleich zu Sachgütern nur schwer durch den Kunden beurteilt werden kann.110 Mit der Immaterialität der Dienstleistung geht ein Mangel an den in der Informationsökonomik diskutierten Sucheigenschaften (search qualities) einher,111 die eine Prüfung der Leistung vor der Inanspruchnahme zulassen würden.112 Vielmehr sind es Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften, durch die sich Dienstleistungen auszeichnen.113 Dabei lassen sich Erfahrungseigenschaften (experience qualities) erst nach dem Kauf durch Ge- bzw. Verbrauch beurteilen.114 Vertrauenseigenschaften (credence qualities) hingegen können weder vor noch nach der Inanspruchnahme einer Leistung bewertet werden.115 Der Dienstleistungskunde muss auf die Erfüllung des immateriellen Leistungsversprechens des Anbieters und auf dessen Leistungspotenzial vertrauen,116 da sich eine Überprüfung der substanzlosen Leistungselemente als gänzlich unmöglich erweist oder mit einem prohibitiv hohen Kostenaufwand verbunden ist. Gleichsam wird der Vergleich verschiedener am Markt befindlicher Dienstleistungsangebote durch die Dominanz der Erfah-
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Auch für den Dienstleistungsanbieter ergeben sich aus der Immaterialität eine Reihe von Konsequenzen. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht allerdings die Kundenperspektive, so dass an dieser Stelle eine Vertiefung der Anbietersicht nicht erfolgen soll. Verwiesen sei auf die Ausführungen bei Berekoven, L. (1986): Der Dienstleistungsmarkt – Sachliche Besonderheiten und empirische Befunde, in: Pestel, E. (Hrsg.): Perspektiven der Dienstleistungsgesellschaft, Göttingen, S. 29; Corsten, H. (1986): Zur Diskussion der Dienstleistungsbesonderheiten und ihre ökonomischen Auswirkungen, a.a.O., S. 19ff.; Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, a.a.O., S. 16ff.; Rushton, A., Carson, D. J. (1989): The Marketing of Services, a.a.O., S. 34ff. Vgl. stellvertretend für viele Parasuraman, A., Zeithaml, V. A., Berry, L. L. (1985): A Conceptual Model of Service Quality and Its Implications for Future Research, in: Journal of Marketing, Vol. 49, Fall, S. 42; McDougall, G. H. G., Snetsinger, D. W. (1990): The Intangibility of Services: Measurement and Competitive Perspectives, in: The Journal of Services Marketing, Vol. 4, No. 4, S. 28. Vgl. Zeithaml, V. A. (1981): How Consumer Evaluation Processes Differ between Goods and Services, in: Donnelly, J. H., George, W. R. (Eds.): Marketing of Services, AMA Proceedings, Chicago, S. 186f. Vgl. Nelson, P. (1970): Information and Consumer Behavior, in: The Journal of Political Economy, Vol. 78, No. 2, S. 312f. Vgl. Zeithaml, V. A. (1981): How Consumer Evaluation Processes Differ between Goods and Services, a.a.O., S. 186. Vgl. Nelson, P. (1970): Information and Consumer Behavior, a.a.O., S. 312f. Vgl. Darby, M. R., Karni, E. (1973): Free Competition and the Optimal Amount of Fraud, in: The Journal of Law and Economics, Vol. 16, No. 1, S. 68ff. Vgl. Bieberstein, I. (2006): Dienstleistungs-Marketing, 4. Aufl., Ludwigshafen, S. 53.
rungs- und Vertrauenseigenschaften erschwert.117 Für den Kunden resultiert hieraus eine höhere Beschaffungsunsicherheit, als sie bei Sachgütern gegeben ist.118 Insgesamt ist festzuhalten, dass mit einem zunehmenden Anteil intangibler Elemente der Dienstleistung die Unsicherheit und damit das wahrgenommene Kaufrisiko eines Kunden steigt.119 In Situationen eines erhöht wahrgenommenen Kaufrisikos greifen Nachfrager vermehrt auf externe Informationsquellen zurück, um ihre Unsicherheit zu reduzieren.120 Persönliche Empfehlungen von Freunden und Bekannten im Sinne von Weiterempfehlungen gewinnen ebenso an Bedeutung wie die sogenannten Informationssubstitute.121 Als solche kommen die tangiblen Elemente des Leistungspotenzials eines Anbieters in Betracht, wie zum Beispiel die Ausstattung der Geschäftsräume oder das Erscheinungsbild und Auftreten der Kundenkontaktmitarbeiter.122
1.3 Integration des externen Faktors und ihre Folgen für das Kundenverhalten Die Integration des externen Faktors als zweites zentrales Merkmal von Dienstleistungen bezieht sich auf den Dienstleistungserstellungsprozess, in den sowohl interne als auch externe Produktionsfaktoren einfließen, wobei letztere außerhalb des Dispositionsbereichs des Dienst117
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Vgl. Burton, S. (1990): The Framing of Purchase for Services, in: The Journal of Services Marketing, Vol. 4, No. 4, S. 58. Vgl. Engelhardt, W. H., Schwab, W. (1982): Die Beschaffung von investiven Dienstleistungen, in: DBW, 42. Jg., Heft 4, S. 510f.; McDougall, G. H. G., Snetsinger, D. W. (1990): The Intangibility of Services, a.a.O., S. 28. Auch die begrenzte Reversibilität von Dienstleistungen erhöht das Kaufrisiko für den Nachfrager. Fehlerhafte oder unbefriedigende Leistungsergebnisse können – wenn überhaupt – nur schwer rückgängig gemacht werden. Vgl. Kaas, K. P. (2001): Zur „Theorie des Dienstleistungsmanagements“, in: Bruhn, M., Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement: Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 113. Vgl. Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte, a.a.O., S. 418. Zum Zusammenhang von Unsicherheit und wahrgenommenen Kaufrisiko siehe die Ausführungen in Kap. C 1.2. Vgl. Staffelbach, B. (1988): Strategisches Marketing von Dienstleistungen, in: Marketing ZFP, 10. Jg., Heft 4, S. 279; Zeithaml, V. A. (1981): How Consumer Evaluation Processes Differ between Goods and Services, a.a.O., S. 187. Vgl. hierzu und im Folgenden Crane, F. G., Clarke, T. K. (1988): The Identification of Evaluative Criteria and Cues Used in Selecting Services, in: The Journal of Services Marketing, Vol. 2, No. 2, S. 56ff.; Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte, a.a.O., S. 419. Bei Informationssubstituten handelt es sich um die aus der Informationsökonomie bekannten Signale. Vgl. Weiber, R., Adler, J. (1995): Der Einsatz von Unsicherheitsreduktionsstrategien im Kaufprozeß: Eine informationsökonomische Analyse, in: Kaas, K. P. (Hrsg.): Kontrakte, Geschäftsbeziehungen, Netzwerke: Marketing und neue Institutionenökonomik, Düsseldorf, Frankfurt, S. 67; Adler, J. (1996): Informationsökonomische Fundierung von Austauschprozessen: Eine nachfragerorientierte Analyse, Wiesbaden, S. 105. Auch Preise, Garantien oder das Image eines Unternehmens dienen dem Dienstleistungskunden als Qualitätsindikatoren. Vgl. Weiber, R., Adler, J. (1995): Der Einsatz von Unsicherheitsreduktionsstrategien im Kaufprozeß, a.a.O., S. 67; Adler, J. (1996): Informationsökonomische Fundierung von Austauschprozessen, a.a.O., S. 110ff.
leistungsanbieters liegen.123 Externe Faktoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch den Nachfrager zeitlich begrenzt, für die Dauer des Leistungserstellungsprozesses zur Verfügung gestellt werden müssen124 und an ihnen bzw. mit ihnen die Leistung erbracht wird.125 Die Reparatur eines Autos kann nur erfolgen, wenn der Kunde das defekte Fahrzeug der Werkstatt bereitstellt. Eine physiotherapeutische Behandlung ist ohne die Anwesenheit des Patienten gänzlich unmöglich. Diese Beispiele verdeutlichen bereits, dass es sich bei dem externen Faktor um Personen, also die Dienstleistungskunden selbst, oder um deren Verfügungsobjekte handeln kann.126 In Anlehnung an die Unterteilung der zu integrierenden externen Faktoren in Personen und Objekte werden personenbezogene und sachbezogene Dienstleistungen unterschieden.127 Besondere Aufmerksamkeit wird dabei in der wissenschaftlichen Diskussion dem externen Faktor „Mensch“ gewidmet.128 Denn von seinem Verhalten geht im Vergleich zu anderen externen Faktoren der größte Einfluss auf die Leistungserstellungsprozesse des Dienstleistungsunternehmens aus. Aus diesem Grund sollen die Integration des Kunden und somit die personenbezogenen Dienstleistungen im Vordergrund der weiteren Ausführungen stehen. Auch aus der Integration des externen Faktors ergeben sich wesentliche Konsequenzen für den Dienstleistungskunden.129 Ebenso wie die Immaterialität der Leistung erhöht die Integrativität die Qualitätsunsicherheit bzw. das wahrgenommene Kaufrisiko des Kunden.130 Aus der Integration des Kunden bzw. eines seiner Verfügungsobjekte in den Leistungserstellungs-
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Vgl. Maleri, R. (1997): Grundlagen der Dienstleistungsproduktion, a.a.O., S. 147; Kleinaltenkamp, M., Haase, M. (1999): Externe Faktoren in der Theorie der Unternehmung, in: Albach, H. et al. (Hrsg.): Die Theorie der Unternehmung in Forschung und Praxis, Berlin et al., S. 168. Vgl. Rosada, M. (1990): Kundendienststrategien im Automobilsektor: Theoretische Fundierung und Umsetzung eines Konzeptes zur differenzierten Vermarktung von Sekundärdienstleistungen, Berlin, S. 15; Corsten, H. (1997): Integratives Dienstleistungsmanagement – Idee und Elemente, Schriften zum Produktionsmanagement, Nr. 12, Kaiserslautern, S. 9; Kleinaltenkamp, M., Haase, M. (1999): Externe Faktoren in der Theorie der Unternehmung, a.a.O., S. 168. Vgl. Kleinaltenkamp, M. (1997): Integrativität als Kern einer umfassenden Leistungslehre, in: Backhaus, K. et al. (Hrsg.): Marktleistung und Wettbewerb: Strategische und operative Perspektiven der marktorientierten Leistungsgestaltung, Wiesbaden, S. 89. Neben den Menschen als externen Faktoren lassen sich die Verfügungsobjekte weiter in Tiere, materielle Objekte (Kleidungsstücke, Fahrzeuge) sowie immaterielle Objekte (Informationen, Nominalgüter, Rechte) unterscheiden. Vgl. Rosada, M. (1990): Kundendienststrategien im Automobilsektor, a.a.O., S. 15; Maleri, R. (1997): Grundlagen der Dienstleistungsproduktion, a.a.O., S. 97f. Vgl. Scheuch, F. (2002): Dienstleistungsmarketing, 2. Aufl., München, S. 18. Vgl. hierzu und im Folgenden Corsten, H. (1997): Integratives Dienstleistungsmanagement, a.a.O., S. 9. Ein Überblick über die Konsequenzen der Integrativität für den Dienstleistungsanbieter, die an dieser Stelle nicht vertieft werden sollen, findet sich beispielsweise bei Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, a.a.O., S. 26ff.; Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte, a.a.O., S. 421f. Vgl. Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte, a.a.O., S. 421.
prozess resultiert ein erhöhter Individualisierungsgrad der Dienstleistungen,131 womit das Ergebnis der Dienstleistungserstellung für den Nachfrager ex-ante nur begrenzt abschätzbar ist. Mit der Integration des Dienstleistungsnachfragers in den Leistungserstellungsprozess wird die Auffassung vom Kunden als „partial employee“ respektive als Mitglied der Dienstleistungsorganisation begründet. Die Effizienz und Effektivität des Dienstleistungsanbieters und hiernach auch das konkrete Leistungsergebnis hängen demnach nicht nur von dem Integrationsvermögen des Dienstleisters ab, sondern sie werden darüber hinaus in erheblichem Maße vom Integrationsverhalten des Kunden beeinflusst.132 Dabei muss der Kunde sowohl Willensals auch Fähigkeitsbarrieren überwinden.133 Willensbarrieren betreffen das Interesse und die Akzeptanz des Kunden, sich in die Dienstleistungsproduktion einzubringen.134 Sie werden durch die psychischen Widerstände des Nicht-Wollens bzw. Nicht-Wagens aufgebaut. Fähigkeitsbarrieren beruhen hingegen auf kognitiven Widerständen des Nicht-Könnens bzw. Nicht-Wissens. Selbst bei evidentem Willen des Kunden, sich in die Prozesse einzubringen, können mangelnde Erfahrung und fehlende Fertigkeiten die effiziente Integration des Nachfragers verhindern. Im Hauptteil der Untersuchung wird in diesem Zusammenhang zu klären sein, inwieweit das Beziehungs-Commitment eines Dienstleistungskunden dessen Integrationsverhalten beeinflussen kann. Eine weitere für die Dienstleistungsbeziehung und somit für das Dienstleistungsmarketing zentrale Folge der Integration des Kunden stellt die Interaktivität zwischen Anbieter und Nachfrager dar.135 Diese aus der Integrativität resultierenden Dienstleistungsinteraktionen sollen im Blickpunkt des sich anschließenden Kapitels zur Charakterisierung der Beziehung zwischen Dienstleistungsanbieter und Dienstleistungskunde stehen.
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Vgl. Parasuraman, A., Zeithaml, V. A., Berry, L. L. (1985): A Conceptual Model of Service Quality and Its Implications for Future Research, a.a.O., S. 42; Meffert, H., Bruhn, M. (2006): Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 66. Vgl. stellvertretend für viele Bowen, D. E. (1986): Managing Customers as Human Resources in Service Organizations, a.a.O., S. 375; Bowers, M. R., Martin, C. L., Luker, A. (1990): Trading Places: Employees as Customers, Customers as Employees, in: The Journal of Services Marketing, Vol. 4, No. 2, S. 55; Corsten, H. (1997): Integratives Dienstleistungsmanagement, a.a.O., S. 11f.; Stauss, B. (1998): Beschwerdemanagement, a.a.O., S. 1261. Vgl. Fließ, S. (1996): Prozeßevidenz als Erfolgsfaktor der Kundenintegration, in: Kleinaltenkamp, M., Fließ, S., Jacob, F. (Hrsg.): Customer-Integration: Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration, Wiesbaden, S. 93f. Auch an dieser Stelle ist die Analogie zwischen Kundenverhalten und Mitarbeiterverhalten unverkennbar. So wird auch die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters von dessen Fähigkeiten und Einsatzbereitschaft beeinflusst. Vgl. Schanz, G. (2000): Personalwirtschaftslehre: Lebendige Arbeit in verhaltenswissenschaftlicher Perspektive, 3. Aufl., München, S. 9. Vgl. hierzu und im Folgenden im Kontext der Kundenintegration Fließ, S. (1996): Prozeßevidenz als Erfolgsfaktor der Kundenintegration, a.a.O., S. 93. Allgemeiner und im Kontext der Innovationsforschung führt WITTE die Unterscheidung von Willens- und Fähigkeitsbarrieren ein. Vgl. Witte, E. (1973): Organisation für Innovationsentscheidungen: Das Promotoren-Modell, Göttingen, S. 6ff. Vgl. Corsten, H. (1997): Integratives Dienstleistungsmanagement, a.a.O., S. 12.
2 Charakterisierung der Dienstleistungsbeziehung Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht das Beziehungs-Commitment und damit der psychologische Bindungszustand eines Kunden an die Beziehung zu seinem Dienstleistungsanbieter. Diese Beziehung ist durch die Dispositionen und Handlungen dreier Akteure gekennzeichnet. Die sogenannte Dienstleistungstriade bilden:136 der Kunde, als Nachfrager der Leistung und externer Faktor, das Dienstleistungsunternehmen, als Anbieter der Leistung und rechtlicher Vertragspartner, sowie der Dienstleistungsmitarbeiter, als Erbringer der Leistung und direkter Interaktionspartner des Kunden. Dabei ist der Stellenwert einzelner Dienstleistungsmitarbeiter für die Beziehung des Kunden zum Dienstleistungsanbieter unumstritten.137 Die Mitarbeiter stellen für den Nachfrager die Verbindung zum Dienstleistungsanbieter dar. Häufig sind sie der erste und oftmals auch einzige Kontakt des Kunden zur Dienstleistungsorganisation.138 Folglich konkretisiert sich die Beziehung des Kunden zu seinem Dienstleistungsanbieter vor allem in den Interaktionen zu den einzelnen Kontaktmitarbeitern. Infolge des Mangels an Such- und Erfahrungseigenschaften sowie aufgrund der Komplexität vieler Dienstleistungen sehen Kunden die Interaktion mit dem Mitarbeiter als Informationssurrogat für die Beziehung zum Dienstleistungsunternehmen.139 Die Entwicklung eines Erklärungs- und Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment darf insofern nicht isoliert die Beziehung des Kunden zum Dienstleistungsunternehmen betrachten, sonder muss immer auch die konkreten Interaktionsprozesse mit den ausführenden Dienstleistungsmitarbeitern berücksichtigen.
2.1 Interaktionen als Basis von Dienstleistungsbeziehungen PIONTKOWSKI spricht von einer Interaktion, „wenn zwei Personen in der Gegenwart des jeweils anderen auf der Grundlage von Verhaltensplänen Verhaltensweisen aussenden und 136
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Die Dienstleistungstriade als Strukturmodell von Dienstleistungen betrachtet und erörtert Nerdinger, F. W. (1994): Zur Psychologie der Dienstleistung, a.a.O., S. 71ff. Vgl. stellvertretend für viele Weitz, B. A., Bradford, K. D. (1999): Personal Selling and Sales Management: A Relationship Marketing Perspective, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 27, No. 2, S. 241; Stock, R. (2005): Kundenorientierte Personalführung als Schlüssel zur Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 623. Vgl. Crosby, L. A., Evans, K. R., Cowles, D. (1990): Relationship Quality in Services Selling: An Interpersonal Influence Perspective, in: Journal of Marketing, Vol. 54, July, S. 68. Vgl. Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing: Zusammenhänge zwischen Zufriedenheit und Bindung von Kunden und Mitarbeitern, Wiesbaden, S. 142.
wenn dabei die grundsätzliche Möglichkeit besteht, daß die Aktionen der einen Person auf die der anderen Person einwirken und umgekehrt.“140 Insbesondere der Aspekt der gegenseitigen Verhaltensbeeinflussung nimmt, wie diese Definition zeigt, einen konstituierenden Stellenwert für Interaktionen ein. KERN fasst drei Merkmale einer Interaktion zusammen.141 Demnach müssen bei einer sozialen Interaktion: mindestens zwei Individuen in Kontakt treten, eine zeitliche Abfolge von Aktionen und Reaktionen vorliegen und die Handlungen der Partner interdependent, d.h. aneinander ausgerichtet sein. Zur Spezifizierung der Dienstleistungsinteraktion ist diesbezüglich lediglich zu ergänzen, dass es sich bei den zum Zweck der Dienstleistungserstellung in Kontakt tretenden Individuen um mindestens einen Dienstleistungskunden und einen Dienstleister handeln muss. Die Dienstleistungsinteraktion als das Zusammentreffen von Nachfrager und Anbieter wird in der Literatur zur Dienstleistungsqualität häufig auch als Service Encounter bezeichnet.142 Das Verhalten der Beziehungspartner in der Dienstleistungsinteraktion lässt sich weiterführend hinsichtlich ihres instrumentellen und sozialen Charakters unterscheiden. Die instrumentellen Handlungen sind auf die Erbringung der Dienstleistung ausgerichtet.143 Im Vordergrund steht die praktische Lösung des vorliegenden Problems. Soziale Handlungen sind hingegen direkt auf den Interaktionspartner ausgerichtet. Sie zeichnen sich durch kommunikative Abstimmungsprozesse, Höflichkeits- und Respektbezeugungen aus. Es ist einsichtig, dass bei der Vielzahl in der Praxis beobachtbarer, heterogener Dienstleistungen auch die Art der zugrunde liegenden Interaktionsprozesse variiert. Diesem Um-
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Piontkowski, U. (1982): Psychologie der Interaktion, 2. Aufl., München, S. 10. Vgl. hierzu und im Folgenden Kern, E. (1990): Der Interaktionsansatz im Investitionsgütermarketing: Eine konfirmatorische Analyse, Berlin, S. 9. Vgl. Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 26. So definieren SURPRENANT und SOLOMON den Service Encounter als „ … the dyadic interaction between a customer and a service provider.“ Surprenant, C. F., Solomon, M. R. (1987): Predictability and Personalization in the Service Encounter, in: Journal of Marketing, Vol. 51, April, S. 87. Ein weitergefasstes Begriffsverständnis vermittelt SHOSTACK. Sie charakterisiert den Service Encounter als „a period of time during which a consumer directly interacts with a service.“ Shostack, G. L. (1985): Planning the Service Encounter, in: Czepiel, J. A., Solomon, M. R., Surprenant, C. F. (Eds.): The Service Encounter: Managing Employee/Customer Interaction in Service Businesses, Lexington et al., S. 243. Vgl. hierzu und im Folgenden Nerdinger, F. W. (1994): Zur Psychologie der Dienstleistung, a.a.O., S. 64f. sowie allgemein zu den Ebenen der Handlungsorientierung Geulen, D. (1982): Soziales Handeln und Perspektivenübernahme, in: Geulen, D. (Hrsg.): Perspektivenübernahme und soziales Handeln: Texte zur sozial-kognitiven Entwicklung, Frankfurt, S. 46ff.
stand Rechnung tragend, werden in der Literatur Dienstleistungen unter anderem anhand des Kriteriums der Dienstleistungsinteraktion typologisiert.144 Ganz grundsätzlich schlägt KLAUS vor, Dienstleistungen in Abhängigkeit von der Zentralität der Dienstleistungsinteraktion entlang eines Spektrums von quasi-industriellen und interaktionsorientierten Dienstleistungen anzuordnen.145 Quasi-industrielle Dienstleistungen zeichnen sich durch ein minimales Ausmaß an Interaktionen zwischen Dienstleistungskunden und Anbieter aus. Der Faktor „Mensch“ spielt eine untergeordnete Rolle bei der Leistungserstellung. Zu dieser Gruppe von Dienstleistungen zählt die Reparatur eines Autos oder die Übermittlung von Briefen. Im letztgenannten Fall sind soziale Interaktionen beispielsweise gänzlich nicht erforderlich, wenn der Kunde einen zu transportierenden Brief in einen Postkasten einwirft. Bei interaktionsorientierten Dienstleistungen dominieren im Gegensatz dazu die Interaktionen zwischen Kunden und Anbietern. Der Nachfrager übernimmt verschiedene, zum Teil komplexe Aufgaben im Leistungserstellungsprozess und trägt derart unmittelbar zum Leistungsergebnis bei. Aus diesem Grund dient diese Gruppe von Dienstleistungen als Bezugsrahmen des zu entwickelnden Commitment-Modells für Dienstleistungskunden. Mit Hilfe der konzeptionellen Dienstleistungstypologie von MILLS/MARGULIES lassen sich die interaktionsorientierten Dienstleistungen weitergehend differenzieren.146 Drei Arten von Dienstleistungen grenzen die Autoren in Abhängigkeit der Interaktionsintensität147 gegeneinander ab (vgl. Abb. 3).148
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Die Typologisierung von Dienstleistungen hat in der Forschung zum Dienstleistungsmarketing bereits eine lange Tradition. Eine komprimierte Darstellung der ein- und mehrdimensionalen Systematisierungsansätze von Dienstleistungen findet sich bei Benkenstein, M., Güthoff, J. (1996): Typologisierung von Dienstleistungen: Ein Ansatz auf der Grundlage system- und käuferverhaltenstheoretischer Überlegungen, in: ZfB, 66. Jg., Heft 12, S. 1495ff. sowie bei Meffert, H., Bruhn, M. (2006): Dienstleistungsmarketing: Grundlagen – Konzepte – Methoden, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 41ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Klaus, P. G. (1984): Auf dem Weg zu einer Betriebswirtschaftslehre der Dienstleistungen: Der Interaktionsansatz, in: DBW, 44. Jg., Heft 3, S. 470f. Vgl. Klaus, P. G. (1984): Auf dem Weg zu einer Betriebswirtschaftslehre der Dienstleistungen, a.a.O., S. 471. Die Interaktionsintensität grenzen MILLS/MARGULIES anhand der folgenden Kriterien ab: Informationsaustausch, Entscheidungssituation, Zeitdauer, Problembewusstsein, Substituierbarkeit der Dienstleistungsmitarbeiter, Macht und Mitarbeiterbindung. Vgl. Mills, P. K., Margulies, N. (1980): Toward a Core Typology of Service Organizations, in: The Academy of Management Review, Vol. 5, No. 2, S. 261f. sowie die Ausführungen bei Möller, S. (2004): Interaktionen bei der Erstellung von Dienstleistungen: Die Koordination der Aktivitäten von Anbieter und Nachfrager, Wiesbaden, S. 94. Vgl. Mills, P. K., Margulies, N. (1980): Toward a Core Typology of Service Organizations, a.a.O., S. 261f.
Interaktionsintensität
hoch
niedrig unterstützend interaktive Dienstleistungen
Abb. 3
problemorientiert interaktive Dienstleistungen
persönlich interaktive Dienstleistungen
Dienstleistungstypologie von MILLS/MARGULIES Quelle: in Anlehnung an Mills, P. K., Margulies, N. (1980): Toward a Core Typology of Service Organizations, a.a.O., S. 262ff.
Unterstützend interaktive Dienstleistungen (maintenance-interactive) werden durch einen niedrigen Komplexitätsgrad und einen geringen Informationsaustausch charakterisiert.149 Sie zeichnen sich demzufolge durch kurze Interaktionen aus. Der Kunde verfügt bezüglich dieser Leistungen über adäquates Wissen. Ferner wird angenommen, dass die Mitarbeiter auf Seiten des Dienstleisters austauschbar sind und die Identifikation der Mitarbeiter mit ihren Kunden gering ist. Als Beispiele für unterstützend interaktive Dienstleistungen führen die Autoren Bank- oder Versicherungsleistungen an. Problemorientiert interaktive Dienstleistungen (task-interactive) lassen sich durch zunehmende Komplexität und einen hohen Informationsfluss beschreiben, woraus auch eine erhöhte Interaktionsdauer resultiert. Der Kunde besitzt zwar ein grundlegendes Problembewusstsein, weist allerdings geringe Kenntnisse hinsichtlich der konkreten Problemlösung auf, was zum Beispiel in der Regel für technische Dienstleistungen, wie den Bau einer Heizungsanlage, zutrifft. Hier verfügen die Dienstleister über das Expertenwissen, womit MILLS/MARGULIES
auch die Abhängigkeitsposition des Kunden begründen.
Bei persönlich interaktiven Dienstleistungen (personal-interactive) nimmt die Dauer der sozialen Interaktion nochmals zu. Derartige Leistungen zeichnen sich dadurch aus, dass Kunden in der Regel weder über ein Problembewusstsein noch über adäquate Problemlösungskenntnisse verfügen. In diesen komplexen Entscheidungssituationen wandeln die Dienstleister die vom Kunden zur Verfügung gestellten Informationen in für die Problemlösung relevantes Wissen um, wie dies beispielsweise Ärzte oder Psychotherapeuten im Rahmen ihrer Behand149
Vgl. zu den im Folgenden dargestellten Dienstleistungstypen Mills, P. K., Margulies, N. (1980): Toward a Core Typology of Service Organizations, a.a.O., S. 262ff.
lungen tun. Die Dienstleister sind in diesen Situationen nicht ohne weiteres austauschbar. Sie bauen im Vergleich zu den Mitarbeitern in unterstützend interaktiven und den problemorientiert interaktiven Dienstleistungen zudem eine höhere Bindung zu den einzelnen Kunden auf. Mit Blick auf die Bedeutung der Interaktion für diese drei Dienstleistungsarten lässt sich zusammenfassen, „dass bei persönlich interaktiven Dienstleistungen die Interaktion einen maßgeblichen Bestandteil ausmacht, hingegen bei den problemorientierten Dienstleistungen die Interaktion Mittel zum Zweck der Problembeseitigung darstellt, während bei unterstützend interaktiven Dienstleistungen […] diese nur als Mittel zur Erledigung von Formalitäten dient.“150 Damit wird deutlich, dass es sich bei den unterstützend interaktiven Dienstleistungen im Kern um die zuvor beschriebenen quasi-industriellen Dienstleistungen im Sinne von KLAUS handelt.151 Die soeben dargestellte Dienstleistungstypologie von MILLS/MARGULIES ist in der dienstleistungsbezogenen Literatur wiederholt aufgegriffen worden,152 dennoch sind die von dem Autorenpaar genannten Beispiele hinsichtlich ihrer Pauschalität zu hinterfragen.153 Gerade die Finanzdienstleistungen erweisen sich heute als derart heterogen, so dass einer Zuordnung zu den unterstützend interaktiven Dienstleistungen nicht zwangsläufig zugestimmt werden kann. Zudem basiert die Typologie lediglich auf Plausibilitätsüberlegungen.154 Hier ist insbesondere die fehlende Unabhängigkeit der dem Ansatz zugrunde gelegten Interaktionsdeterminanten zu bemängeln. Dem Anliegen, die unterschiedliche Intensität bzw. Relevanz der sozialen Interaktionen für die im Blickpunkt dieser Arbeit stehenden interaktionsorientierten Dienstleistungsbeziehungen zu veranschaulichen, wird der Ansatz jedoch vollkommen gerecht.155 Dabei soll die Entwicklung des Commitment-Modells für die Dienstleistungsbeziehung, wie bereits angeklungen, in erster Linie unter Berücksichtigung der im stärkeren Ausmaß interaktiven Dienstleistungen, wie den persönlich interaktiven Dienstleistungen, erfolgen.
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Möller, S. (2004): Interaktionen bei der Erstellung von Dienstleistungen, a.a.O., S. 95. Vgl. Klaus, P. G. (1984): Auf dem Weg zu einer Betriebswirtschaftslehre der Dienstleistungen, a.a.O., S. 471; Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 64. Vgl. zusätzlich zu denen in diesem Kontext zitierten Quellen auch Mills, P. K., Morris, J. H. (1986): Clients as “Partial” Employees of Service Organizations, a.a.O., S. 727f.; O’Farrell, P. N., Moffat, L. A. R. (1991): An Interaction Model of Business Service Production and Consumption, in: British Journal of Management, Vol. 2, No. 4, S. 207; Westerbarkey, P. (1996): Methoden zur Messung und Beeinflussung der Dienstleistungsqualität: Feedback- und Anreizsysteme in Beherbergungsunternehmen, Wiesbaden, S. 45f.; Stuhlmann, S. (2000): Kapazitätsgestaltung in Dienstleistungsunternehmen, a.a.O., S. 96. Siehe hierzu auch die Kritik bei Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 63f. Vgl. Möller, S. (2004): Interaktionen bei der Erstellung von Dienstleistungen, a.a.O., S. 94. Interaktionen lassen sich nicht nur hinsichtlich ihrer Intensität systematisieren. Einen Überblick verschiedener Interaktionsansätze gibt Kern, E. (1990): Der Interaktionsansatz im Investitionsgütermarketing, a.a.O., S. 16ff. Eine umfassende Darstellung dienstleistungsbezogener Interaktionsansätze findet sich bei Möller, S. (2004): Interaktionen bei der Erstellung von Dienstleistungen, a.a.O., S. 88ff.
2.2 Phasenbezogener Entwicklungsprozess von Dienstleistungsbeziehungen Geschäfts- bzw. Kundenbeziehungen durchlaufen in Übereinstimmung zu den Überlegungen der Lebenszyklus-Theorie verschiedene Entwicklungsphasen.156 Die Marketingforschung hat eine Vielzahl phasenbezogener Geschäftsbeziehungs- bzw. Kundenlebenszyklusmodelle hervorgebracht, die den Prozessgedanken von Kundenbeziehungen aufgreifen.157 Vielbeachtet ist in diesem Zusammenhang das sektorenübergreifend formulierte Beziehungsentwicklungsmodell von DWYER ET AL.158 Diesem Modell folgend lässt sich der Entwicklungsprozess von Dienstleistungsbeziehungen in fünf idealtypischen Phasen abbilden (vgl. Abb. 4), in denen sich das Verhältnis der Beziehungspartner zueinander, bedingt durch zunehmende Erfahrungen, abnehmende Unsicherheit sowie eine erhöhte Interaktions- und Bindungsintensität, wandelt. Das Modell soll im Folgenden aus der Perspektive eines Dienstleistungskunden erörtert werden.
Zufriedenheit Vertrauen Investitionen
Kenntnisnahme
Abb. 4
Erkundung
Ausweitung
Commitment
Auflösung
Entwicklungsprozess der Dienstleistungsbeziehung Quelle: in Anlehnung an Dwyer, F. R., Schurr, P. H., Oh, S. (1987): Developing Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 15ff.
Die erste Phase des Modells (Awareness bzw. Kenntnisnahme) legt durch die Wahrnehmung und Identifikation des Dienstleistungsanbieters als potenziellen Geschäftspartner den Grund-
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Vgl. stellvertretend für viele Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungs-Marketing, a.a.O., S. 57ff.; Hennig-Thurau, T., Hansen, U. (2000): Relationship Marketing, a.a.O., S. 11. Für einen Überblick vgl. Schmitz, G. (1997): Marketing für professionelle Dienstleistungen, a.a.O., S. 67; Lorbeer, A. (2003): Vertrauensbildung in Kundenbeziehungen, a.a.O., S. 59. Vgl. hierzu und im Folgenden Dwyer, F. R., Schurr, P. H., Oh, S. (1987): Developing Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 15ff.
stein für die Beziehung.159 Anschließende erste Interaktionen zwischen dem Kunden und dem Anbieter stellen bereits den Eintritt in die Exploration-Phase (Erkundung) dar. Hier werden Vor- und Nachteile der möglichen Austauschbeziehung gegeneinander abgewogen. Erste Testkäufe dienen der Evaluation der Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsanbieters. Eine Auflösung der noch im Aufbau befindlichen Geschäftsbeziehung ist zu diesem Zeitpunkt ohne größere Folgen und schon bei kleineren Unstimmigkeiten möglich, da das Ausmaß ökonomischer sowie sozialer Investitionen in die Beziehung noch sehr gering ist. In Anlehnung an SCANZONI160 unterteilen DWYER ET AL. diese zweite Phase ihres Beziehungsmodells in fünf weitere Subprozesse, die es ermöglichen, die Zielkompatibilität, die Integrität und die Leistung des Dienstleistungspartners zu beurteilen: (1)
Attraction – Beurteilung der Attraktivität des Dienstleistungsanbieters auf Basis von Kosten-Nutzen-Überlegungen im Vergleich zu einem minimalen Vergleichsstandard
(2)
Communication & Bargaining – Verhandlung über gegenseitige Leistungen und Pflichten
(3)
Power & Justice – Überprüfung, ob der Dienstleister eine beispielsweise aus Mangel an alternativen Anbietern resultierende Machtposition gegenüber dem Kunden ausnutzt
(4)
Norm Development – Entwicklung von gegenseitigen Verhaltensnormen für die gemeinsamen Interaktionen
(5)
Expectations Development – Entwicklung von Erwartungen über den Umgang mit Interessenkonflikten
Die dritte Phase, namentlich Expansion (Ausweitung), ist gekennzeichnet durch die Durchführung weiterer Transaktionen und einem kontinuierlichen Anstieg des beiderseitigen Beziehungsnutzens. Zunehmendes Vertrauen und Zufriedenheit mit den Leistungen des Anbieters reduzieren die Unsicherheit des Kunden und führen zu einer Intensivierung der Geschäftsbeziehung durch zusätzliche Investitionen. Die Zahl und Attraktivität der als Alternativen wahrgenommenen Dienstleistungsanbieter sinkt, womit gleichzeitig die Abhängigkeit des Dienstleistungskunden steigt. Die von dem Dienstleistungskunden empfundene Zielkompatibilität und Bereitschaft zur Zusammenarbeit münden in einem über das Notwendigste hinausgehenden Interaktionsverhalten.
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Vgl. hierzu und den folgenden Erörterungen der einzelnen Beziehungsphasen Dwyer, F. R., Schurr, P. H., Oh, S. (1987): Developing Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 15ff. Vgl. Scanzoni, J. (1979): Social Exchange and Behavioral Interdependence, in: Burgess, R. L., Huston, T. L. (Eds.): Social Exchange in Developing Relationships, New York et al., S. 65ff.
In der anschließenden Commitment-Phase ist die Beziehung des Dienstleistungskunden zu seinem Anbieter am weitesten fortgeschritten und die höchste Bindungs- sowie Abhängigkeitsintensität erreicht. In diesem Stadium des Entwicklungszyklus investieren sowohl Kunden als auch Anbieter in die gemeinsame Beziehung und signalisieren derart ihr Interesse an der Fortsetzung und Stabilität des Geschäftsverhältnisses. Diese ökonomischen aber auch sozialen Investitionen sowie das hohe Maß an Zufriedenheit fördern das Commitment des Dienstleistungskunden. In der Folge kennzeichnet loyales Verhalten diese Phase der Kundenbeziehung. Alternative Anbieter für die Geschäftsabwicklung werden von dem Dienstleistungskunden nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Im Prozessmodell weist die fünfte Phase Dissolution (Auflösung) auf die Möglichkeit der Auflösung der Geschäftsbeziehung hin. Wobei anzumerken ist, dass ein Beziehungsabbruch auch jederzeit während der anderen Phasen des Modells vollzogen werden kann. Eine Aufkündigung der Dienstleistungsbeziehung wird beispielsweise dann in Erwägung gezogen, wenn Leistungen oder Verhalten des Dienstleisters nicht mehr den Ansprüchen des Kunden genügen, Bedürfnisänderungen auftreten oder es alternativen Anbietern gelingt, die Aufmerksamkeit des Kunden zu gewinnen und mit Aussicht auf ein besseres Kosten-NutzenVerhältnis eine neue Geschäftsbeziehung zu initiieren. Zusammenfassend zeigt das Beziehungsentwicklungsmodell von DWYER ET AL., dass Kundenbeziehungen im Zeitverlauf durch unterschiedliche Bindungsintensitäten gekennzeichnet sind.161 Es wurde nochmals deutlich, dass Commitment ein für den Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen erfolgsrelevantes Konstrukt darstellt. Gleichzeitig liefern obige Ausführungen bereits erste Anhaltspunkte für die Entstehung von Commitment. Sowohl die Zufriedenheit und das Vertrauen eines Kunden, aber auch spezifische Investitionen in die Geschäftsbeziehung sowie die wahrgenommene Attraktivität alternativer Anbieter scheinen die Verbundenheit zu einem Anbieter und dementsprechend das Commitment eines Dienstleistungskunden zu beeinflussen. Diese und weitere Faktoren sollen im Folgenden Teil hinsichtlich ihrer Relevanz für die Entwicklung von Commitment eines Dienstleistungskunden gegenüber seinem Anbieter untersucht und in ein Modell zur Erklärung von Commitment gegenüber der Dienstleistungsbeziehung integriert werden.
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Kritische Anmerkungen zu dem vorgestellten Beziehungsmodell nehmen die Autoren selbst vor. Sie weisen darauf hin, dass ihr Modell lediglich auf konzeptionellen Überlegungen basiert und dem Leser eine konkrete Operationalisierung der wesentlichen Schlüsselkonstrukte (z.B. Commitment, Vertrauen) sowie möglicher kausaler Beziehungen vorenthalten wird. Vgl. Dwyer, F. R., Schurr, P. H., Oh, S. (1987): Developing Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 20; Schmitz, G. (1997): Marketing für professionelle Dienstleistungen, a.a.O., S. 102f. Darüber hinaus lassen sich aufgrund der konzeptionellen Nähe einschränkende Aussagen zur allgemeinen Lebenszyklus-Theorie auf das Modell übertragen. Diese finden sich beispielsweise bei Meffert, H. (2000): Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung: Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele, 9. Aufl., Wiesbaden, S. 343.
C Genese eines Commitment-Modells für die Dienstleistungsbeziehung Gegenstand des folgenden Kapitels ist die theoriegeleitete Entwicklung eines umfassenden Erklärungs- und Wirkungsmodells für das Commitment eines Kunden in der Dienstleistungsbeziehung. Hier sind die Fragen zu beantworten, welche Faktoren den affektiv, kalkulatorisch bzw. normativ fundierten psychologischen Zustand beeinflussen, der einen Dienstleistungskunden an die Beziehung zu seinem Anbieter bindet, und welche Konsequenzen diese verschiedenartigen psychologischen Bindungszustände für das Nachfragerverhalten haben. Den Ausgangspunkt der Entwicklung des Erklärungsmodells bildet das im Anschluss dargestellte theoretische Grundgerüst der vorliegenden Arbeit. Auf Basis der nachfolgend überblicksartig skizzierten theoretischen Bezugspunkte werden relevante Einflussfaktoren abgeleitet, die das Commitment eines Dienstleistungskunden erklären können. Diese identifizierten Erklärungsgrößen sollen hinsichtlich ihres Wesens spezifiziert und darauf aufbauend bezüglich ihrer Wirkung auf das Commitment-Konstrukt bzw. seine Komponenten analysiert werden. Dabei dienen auch die Ergebnisse empirischer Arbeiten zum Commitment-Konstrukt als Referenzrahmen zur Untermauerung der theoretisch abgeleiteten Wirkungspfade. Infolge der geringen Anzahl empirischer Untersuchungen zum dreidimensionalen Commitment-Konstrukt im Kontext konsumtiver Dienstleistungen wird auch auf Forschungsergebnisse zu industriellen Geschäftsbeziehungen sowie auf Studien aus dem Forschungsfeld der Organisationspsychologie, in dem das Commitment-Konstrukt bereits fest verankert ist, zurückgegriffen. Innerhalb dieser nach den einzelnen Determinanten gegliederten Analysen erfolgt eine explizite Herausstellung der wichtigsten Annahmen über direkte und indirekte Wirkungspfade von den identifizierten Erklärungsgrößen zu den interessierenden Commitment-Komponenten. Diese Propositionen werden später zu einem Erklärungs-Modell von Commitment in der Dienstleistungsbeziehung zusammengeführt. In gleicher Weise bilden konzeptionelle Überlegungen auf Basis der theoretischen Bezugspunkte dieser Arbeit und empirische Erkenntnisse den Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment. Untersucht wird, inwieweit affektives, kalkulatorisches und normatives Commitment das Verhalten eines Kunden in der Dienstleistungsbeziehung beeinflussen können. Dabei stehen für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens relevante Verhaltensweisen des Dienstleistungskunden im Mittelpunkt der Betrachtung. Erneut werden hypothesenartig die Folgen der Commitment-Komponenten für die einzelnen Verhaltensweisen des Dienstleistungskunden herausgearbeitet und weiterführend in einem Wirkungsmodell des Commitment in der Dienstleistungsbeziehung zusammengefasst. Abschließend werden die identifizierten Zusammenhänge zur Entwicklung von Commitment in der Dienstleistungsbeziehung und zu seinen Konsequenzen in ein Erklärungs-WirkungsModell integriert.
1 Theoretische Fundierung des Commitment-Modells Hinsichtlich der theoretischen Fundierung des zu entwickelnden Modells stellt sich die Frage nach der Auswahl konkreter theoretischer Bezugspunkte. In Ermangelung einer eigenständigen Commitment-Theorie im Sinne eines theoretischen Monismus wird in der vorliegenden Arbeit der Direktive des theoretischen Pluralismus gefolgt.162 Es sollen aus den unterschiedlichen Perspektiven verschiedener Theorien Determinanten und Auswirkungen des Commitment abgeleitet und begründet werden. Dabei wird die Auffassung einer konkurrenzfreien, komplementären Beziehung der jeweiligen berücksichtigten theoretischen Konzepte und ihrer Erkenntnisse vertreten. Wenngleich der Theorienpluralismus als Richtlinie zur theoretischen Fundierung eines Modells zwangsläufig den Vorwürfen des Eklektizismus163 und der Inkommensurabilität164 ausgesetzt ist, liegen dennoch Gründe vor, die eine derartige Vorgehensweise legitimieren. So sprechen die Komplexität und die Mehrdimensionalität des Commitment-Konstrukts für eine Berücksichtigung verschiedener Theorien im Rahmen der Modell-Konstruktion. Die simultane Verwertung ausgewählter theoretischer Ansätze lässt diesbezüglich eine Erhöhung der Erklärungskraft für den interessierenden Sachverhalt erwarten.165 Darüber hinaus rechtfertigt nicht nur der Charakter des Commitment als psychosoziales Konstrukt, sondern auch das Wesen der Marketingforschung als interdisziplinäre Wissenschaft den Rückgriff auf die theoretischen Erkenntnisse angrenzender Forschungsdisziplinen.166 Da Commitment in der vorliegenden Arbeit aus dem Blickwinkel des Beziehungsmarketing betrachtet wird, sollen weitgehend theoretische Konzeptionen Beachtung finden, die auch zur Fundierung des Relationship Marketing herangezogen werden167 und darüber hinaus Anhalts162
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Zum theoretischen Pluralismus siehe die Darstellungen bei Gioia, D. A., Pitre, E. (1990): Multiparadigm Perspective on Theory Building, in: The Academy of Management Review, Vol. 15, No. 4, S. 584ff.; Schanz, G. (2004): Wissenschaftsprogramme der Betriebswirtschaftslehre, in: Bea, F. X., Friedl, B., Schweitzer, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Grundfragen, 9. Aufl., Stuttgart, S. 93ff. Vgl. Staehle, W. H. (1999): Management: Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 8. Aufl., München, S. 66. Inkommensurabilität kennzeichnet die radikale Verschiedenheit von Orientierungssystemen zwischen denen ein Konkurrenzverhältnis derart besteht, dass eine Entscheidung zwischen den Systemen zwingend erforderlich ist, die aber infolge mangelnder objektiver Vergleichsmaßstäbe nicht rational begründbar ist. Vgl. Scherer, A. G. (2006): Kritik der Organisation oder Organisation der Kritik? – Wissenschaftstheoretische Bemerkungen zum kritischen Umgang mit Organisationstheorien, in: Kieser, A., Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien, 6. Aufl., Stuttgart, S. 40ff. sowie grundsätzlich die Arbeit von Lueken, G.-L. (1992): Inkommensurabilität als Problem rationalen Argumentierens, Stuttgart, S. 9ff. Vgl. Fritz, W. (1995): Marketing-Management und Unternehmenserfolg: Grundlagen und Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, 2. Aufl., Stuttgart, S. 27. Vgl. Kirsch, W. (1979): Die verhaltenswissenschaftliche Fundierung der Betriebswirtschaftslehre, in: Raffeé, H., Abel, B. (Hrsg.): Wissenschaftstheoretische Grundfragen der Wirtschaftswissenschaften, München, S. 108f.; Homburg, C., Bruhn, M. (2005): Kundenbindungsmanagement, a.a.O., S. 12. Ein erster Überblick findet sich bei Bruhn, M. (2001): Relationship Marketing, a.a.O., S. 18f. sowie Homburg, C., Bruhn, M. (2005): Kundenbindungsmanagement, a.a.O., S. 12ff.
punkte für die Entwicklung und die Konsequenzen des Commitment in der Dienstleistungsbeziehung liefern. Berücksichtigung finden sowohl sozial-, kognitions- und motivationspsychologische Erklärungsansätze als auch der Transaktionskostenansatz als ökonomische Theorie. Eine ausführliche Erläuterung der zugrunde gelegten theoretischen Konzeptionen erscheint an dieser Stelle weder notwendig noch zweckmäßig, da die Ansätze bereits vielfach in der Marketingforschung und ihren angrenzenden Disziplinen aufgegriffen und erörtert worden sind. Insofern sollen die ausgewählten theoretischen Bezugspunkte anschließend lediglich knapp skizziert werden.
1.1 Sozialpsychologische Theorien als Erklärungsansätze Bei der Austauschbeziehung zwischen Dienstleistungsanbieter und Dienstleistungskunde handelt es sich keineswegs um einen rein ökonomischen Sachverhalt. Vielmehr kann die Dienstleistungsbeziehung auch durch eine menschlich-emotionale Interaktionsebene gekennzeichnet werden.168 Demzufolge sollten sozialpsychologische Theorien, die Aspekte des interpersonellen Verhaltens analysieren, in die Entwicklung des Commitment-Modells für die Dienstleistungsbeziehung einbezogen werden. Einen erheblichen Erkenntnisbeitrag versprechen in diesem Kontext die sogenannten Austauschtheorien (Exchange-Theorien), die ergründen, unter welchen Bedingungen soziale Beziehungen eingegangen und aufrechterhalten werden169 und somit direkte Berührungspunkte zum interessierenden Commitment-Konstrukt aufweisen. Im Folgenden sollen die Kernaussagen der Austauschtheorie von THIBAUT und KELLEY expliziert werden.170 Hiernach basiert die Erklärung für die Fortsetzung einer Beziehung auf dem Ergebnis individueller Vergleichsprozesse. Der Nettonutzen (Outcome, OC) der aktuellen Beziehung eines Individuums, als Differenz der in der Beziehung wahrgenommenen Nutzen und Kosten, wird in Relation zu zwei Bewertungsmaßstäben gesetzt. Der Comparison Level (CL) als allgemeines Vergleichsniveau entspricht den generellen Erwartungen des Individuums an die Beziehung. Dieser Vergleichsmaßstab basiert auf bereits in der aktuellen Bezie168
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Siehe auch Diller, H., Kusterer, M. (1988): Beziehungsmanagement: Theoretische Grundlagen und explorative Befunde, in: Marketing ZFP, 10. Jg., Heft 3, S. 214ff. Vgl. hierzu die klassischen Vertreter der Austauschtheorien Thibaut, J. W., Kelley, H. H. (1959): The Social Psychology of Groups, New York et al., S. 9ff.; Blau, P. M. (1964): Exchange and Power in Social Life, New York et al., S. 12ff.; Homans, G. C. (1972): Elementarformen sozialen Verhaltens – Social Behavior: Its Elementary Forms, 2. Aufl., Opladen, S. 26ff. Die Austauschtheorien stellen kein in sich geschlossenes Theoriesystem, sondern eine Ansammlung isolierter, zum Teil heterogener Erklärungsansätze dar, die auf wenige grundsätzliche Annahmen zum Verlauf sozialer Interaktionen begründet sind. Vgl. Chadwick-Jones, J. K. (1976): Social Exchange Theory: Its Structure and Influence in Social Psychology, London et al., S. 1; Müller, G. F. (1983): Anbieter-Nachfrager-Interaktionen, in: Irle, M. (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie 3, Bd. 4: Marktpsychologie als Sozialwissenschaft, Göttingen et al., S. 664ff. Zu den folgenden Ausführungen vgl. Thibaut, J. W., Kelley, H. H. (1959): The Social Psychology of Groups, a.a.O., S. 21ff.
hung bzw. in ähnlichen Beziehungen gesammelten Erfahrungen.171 Der zweite Bewertungsmaßstab Comparison Level of Alternatives (CLalt) kennzeichnet als alternativenbezogenes Vergleichsniveau den potenziellen Wert der besten, erreichbaren Beziehungsalternative. Das Ergebnis des Vergleichs des Nettonutzen (OC) der aktuellen Beziehung mit dem Comparison Level (CL) bestimmt die Attraktivität der aktuellen Beziehung. Übersteigt der Nettonutzen (OC) in der bestehenden Beziehung das allgemeine Vergleichsniveau (CL), liegt eine zufriedenstellende Austauschsituation vor. Der in der gegenwärtigen Beziehung erzielte Nettonutzen (OC) in Relation zum Comparison Level of Alternatives (CLalt) gibt Aufschluss darüber, ob eine Person das Austauschverhältnis fortsetzen wird. Je höher der aktuelle Nettonutzen (OC) im Vergleich zur besten verfügbaren Alternative ist, desto eher ist ein Individuum an der Fortführung und der Stabilität der bestehenden Austauschbeziehung interessiert. Gleichzeitig können mit Hilfe des CLalt Aussagen über die Abhängigkeit gegenüber dem aktuellen Beziehungspartner getroffen werden. So befindet sich beispielsweise ein Kunde in einer Abhängigkeitsposition, wenn neben der aktuellen Geschäftsbeziehung kein alternativer Anbieter existiert, der seinen allgemeinen Erwartungen entspricht (OC > CL > CLalt). Drei ausgewählte Szenarien172 (vgl. Abb. 5) sollen zur Veranschaulichung der Konsequenzen der Vergleichsprozesse für die Wahrnehmung der aktuellen Austauschbeziehung dargestellt werden. Szenario A: Der Nettonutzen (OC) der aktuellen Beziehung liegt über den erwarteten Ergebnissen alternativer Beziehungen (CLalt) und diese übertreffen das allgemeine Erwartungsniveau (CL). Damit ist die aktuelle Beziehung für das Individuum zufriedenstellend (OC > CL). Gleichzeitig besteht Unabhängigkeit, da alternative Beziehungspartner existieren, mit denen ebenfalls zufriedenstellende Verhältnisse aufgebaut werden könnten (CLalt > CL). Je weiter jedoch der Wert (OC) der aktuellen Beziehung den CLalt übersteigt, desto höher sind die wahrgenommenen Wechselkosten für den Interaktionspartner, da er beim Verlassen der gegenwärtigen Beziehung Nutzeneinbußen hinnehmen müsste. Die aktuelle Beziehung ist somit als weitgehend stabil einzuschätzen. Szenario B: Die aktuelle Beziehung ist zufriedenstellend (OC > CL). Gleichzeitig befindet sich der Akteur jedoch in einer Abhängigkeitsposition, da keine attraktive Be-
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Auch Informationen anderer Personen oder externe Einflüsse (z.B. technologische Veränderungen) können die Erwartungshaltung eines Beziehungspartners beeinflussen. Vgl. Plinke, W. (1989): Die Geschäftsbeziehung als Investition, in: Specht, G., Silberer, G., Engelhardt, W. H. (Hrsg.): Marketing-Schnittstellen: Herausforderungen für das Management, Stuttgart, S. 314f.; Schütze, R. (1992): Kundenzufriedenheit: AfterSales-Marketing auf industriellen Märkten, Wiesbaden, S. 85. Insgesamt existieren natürlich sechs verschiedene Konstellationen der drei Variablen Nettonutzen der gegenwärtigen Beziehung, Comparison Level und Comparison Level of Alternatives. Eine Darstellung aller sechs Szenarien findet sich bei Irle, M. (1975): Lehrbuch der Sozialpsychologie, Göttingen et al., S. 404f.
ziehungsalternative existiert, die seinen allgemeinen Erwartungen entspricht (CLalt < CL). Die gegenwärtige Beziehung ist stabil. Szenario C: Hier liegt der Anspruch des Individuums an die Beziehung (CL) über dem Nettonutzen der betrachteten Beziehung (OC) und dieser übersteigt wiederum den CLalt. Folglich befindet sich der Akteur in einer unattraktiven Beziehung, hat aber gleichzeitig nicht die Möglichkeit, ein Verhältnis zu einem alternativen Beziehungspartner aufzubauen, ohne weitere Nutzeneinbußen hinzunehmen. Unter Berücksichtigung dieser antizipierten Wechselkosten wird die gegenwärtige Beziehung aufrechterhalten. CL
Szenario A: -
Szenario B: -
Szenario C: -
CLalt
CLalt OC
CL
CLalt
+
OC > CL Zufriedenheit OC > CLalt Stabilität CLalt > CL Unabhängigkeit
+
OC > CL Zufriedenheit OC > CLalt Stabilität CLalt < CL Abhängigkeit
+
OC < CL Unzufriedenheit OC > CLalt Stabilität CLalt < CL Abhängigkeit
OC
OC
CL
OC Wert der gegenwärtigen Beziehung (Nettonutzen) CL Comparison Level CLalt Comparison Level of Alternatives
Abb. 5
Zufriedenheit, Stabilität und Abhängigkeit in Austauschbeziehungen Quelle: in Anlehnung an Irle, M. (1975): Lehrbuch der Sozialpsychologie, a.a.O., S. 404; Herkner, W. (1991): Lehrbuch Sozialpsychologie, 5. Aufl., Bern, S. 398.
Die Erkenntnisse der Austauschtheorie von THIBAUT und KELLEY greift das Investitionsmodell von RUSBULT auf.173 In diesem Modell werden die Zufriedenheit und die Qualität der besten verfügbaren Alternative zusätzlich um das Ausmaß investierter Ressourcen als Prädiktoren für die Beziehungsstabilität ergänzt. Je höher die Investitionen eines Individuums in eine Beziehung sind, desto stärker ist dessen Commitment ausgeprägt.174 Zunächst im Kon-
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Vgl. hierzu und im Folgenden Rusbult, C. E. (1980a): Commitment and Satisfaction in Romantic Associations: A Test of the Investment Model, in: Journal of Experimental Social Psychology, Vol. 16, No. 2, S. 172ff.; Rusbult, C. E. (1980b): Satisfaction and Commitment in Friendship, in: Representative Research in Social Psychology, Vol. 11, No. 2, S. 96ff. Wobei Commitment im Investitionsmodell definiert wird als „the tendency to maintain a relationship and to feel psychologically „attached“ to it.” Rusbult, C. E. (1983): A Longitudinal Test of the Investment Model: The Development (and Deterioration) of Satisfaction and Commitment in Heterosexual Involvements, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 45, No. 1, S. 102.
text romantischer Beziehungen erörtert, wurde das Modell mittlerweile auch im Bereich der Organisationspsychologie bestätigt175 und in der Dienstleistungsforschung aufgegriffen.176 Obige Ausführungen zu den Austauschtheorien geben bereits erste Anhaltspunkte für die Entwicklung von Beziehungs-Commitment. Sowohl die Zufriedenheit des Beziehungspartners, die Attraktivität alternativer Anbieter sowie Investitionen in die Beziehung bzw. die daraus resultierenden wahrgenommenen Wechselkosten lassen sich bereits als zentrale Konstrukte für das zu entwickelnde Commitment-Modell identifizieren. Innerhalb der sozialpsychologischen Interaktionstheorien spielt auch das Konzept der distributiven Gerechtigkeit eine besondere Rolle. Person A empfindet in einer Austauschbeziehung distributive Gerechtigkeit, wenn das Verhältnis zwischen ihren Ergebnissen und Investitionen der Relation von Ergebnissen und Investitionen des Austauschpartners B entspricht.177 WALSTER ET AL. formulieren im Rahmen ihrer Gerechtigkeitstheorie (Equity-Theory) zentrale Annahmen zur wahrgenommenen Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit.178 Demnach verursacht Ungerechtigkeit einen unangenehmen Spannungszustand,179 in dessen Folge Individuen bestrebt sind, das aufgetretene Ungleichgewicht zu reduzieren und in der Austauschbeziehung wieder eine Situation distributiver Gerechtigkeit herzustellen. Ist beispielsweise das Verhältnis von Output zu Input der Austauschpartner zugunsten von Person A ausgeprägt, kann diese Schuldgefühle gegenüber Person B entwickeln.180 Zur Herstellung distributiver Gerechtigkeit wird Person A sodann – psychologisch oder real – die eigene ErgebnisInvestitions-Relation oder die des Austauschpartners verändern.
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Siehe Rusbult, C. E., Farrell, D. (1983): A Longitudinal Test of the Investment Model: The Impact on Job Satisfaction, Job Commitment, and Turnover of Variations in Rewards, Costs, Alternatives, and Investments, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 68, No. 3, S. 429ff. Siehe Kirchler, E., Sobotka, R., Rodler, C. (2002): Zufriedenheit und Commitment von Bankkunden: Eine Anwendung des Investmentmodells, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 48. Jg., Heft 4, S. 366ff. sowie Kirchler, E. et al. (2002): Zum Commitment von Bankkunden, in: Der Markt, 41. Jg., Heft 4, S. 138ff. KIRCHLER ET AL. messen allerdings die Kundenloyalität an Stelle des interessierenden CommitmentKonstrukts, so dass im Weiteren nicht auf die Ergebnisse dieser beiden Untersuchungen zurückgegriffen werden kann. Auch BIERHOFF ET AL. überprüfen und bestätigen das Investitionsmodell im Dienstleistungskontext. Vgl. Bierhoff, H.-W. et al. (2004): Kundenzufriedenheit und Commitment im Servicebereich als Funktion von Interdependenz- und Investitionsmerkmalen, in: Wirtschaftspsychologie, 6. Jg., Heft 2, S. 37ff. Das eindimensionale Commitment-Konstrukt in ihrer Untersuchung erfasst allerdings gleichzeitig affektive, kognitive und verhaltensbezogene Aspekte, so dass die Studienergebnisse für die vorliegende differenzierte Analyse des Commitment-Konstrukts keine zusätzlichen Erkenntnisse liefern. Vgl. Homans, G. C. (1972): Elementarformen sozialen Verhaltens, a.a.O., S. 195ff. sowie darauf aufbauend Walster, E., Berscheid, E., Walster, G. W. (1973): New Directions in Equity Research, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 25, No. 2, S. 152. BAGOZZI nimmt an, dass Nachfrager ihre Gerechtigkeitsvergleiche auf den direkten Austauschpartner oder beispielsweise auf andere Kunden des Transaktionspartners beziehen. Vgl. Bagozzi, R. P. (1991): Principles of Marketing Management, New York, S. 86. Vgl. hierzu und im Folgenden Walster, E., Berscheid, E., Walster, G. W. (1973): New Directions in Equity Research, a.a.O., S. 153f. Verwiesen sei an dieser Stelle auf den Zustand kognitiver Dissonanz, der in Kap. C 1.2 erläutert wird. Vgl. hierzu und im Folgenden Herkner, W. (1991): Lehrbuch Sozialpsychologie, a.a.O., S. 436.
In diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte Reziprozitätsnorm zu erörtern, wonach in sozialen Austauschbeziehungen jede Leistung zu einer Gegenleistung führt.181 Menschen empfinden entsprechend dieser Norm die moralische Verpflichtung, eine erhaltene Leistung direkt oder in der Zukunft durch eine adäquate Gegenleistung zu erwidern. Unter Einhaltung dieser Norm entsteht ein Gleichgewicht von Geben und Nehmen in sozialen Beziehungen und damit langfristig ein Zustand distributiver Gerechtigkeit. Ganz allgemein gelten soziale Normen als mehr oder weniger verbindliche Verhaltensvorschriften für das menschliche Handeln in sozialen Situationen.182 Sie leiten sich aus den allgemeinen Wertvorstellungen des sozialen Umfelds eines Individuums ab. Als spezifizierte Erwartungen an das Verhalten von Personen dienen sie der Orientierung des persönlichen Handelns und reduzieren derart dessen Komplexität.183 Indem durch soziale Normen festgelegt ist, welches Verhalten in spezifischen Situationen geboten und verboten ist, schränken sie die Zahl möglicher Handlungsoptionen ein. Die Verhaltensvorschriften werden im Rahmen von Sozialisationsprozessen im sozialen Umfeld erlernt und ihre Beachtung wird durch Sanktionsmechanismen gesichert.184 Wobei Sanktionen sowohl Bestrafungen abweichendes als auch Belohnungen konformen Verhaltens umfassen.185 Belegt eine Person ihr Verhalten selbst mit Sanktionen, so wird von internalisierten Normen gesprochen.186 Die Übernahme und Beachtung sozialer Normen und Werte durch ein Individuum ist Gegenstand der Konformitätsforschung.187 Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person den normativen Erwartungen des sozialen Umfelds entspricht, richtet sich im Wesentlichen danach, ob:188 ähnliche Normen bereits internalisiert wurden, soziale Motive (z.B. das Anschlussmotiv) stark ausgeprägt sind, die Einhaltung der Norm dem Erreichen gesetzter Ziele dient und/oder soziale Sanktionen befürchtet werden. 181
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Vgl. hierzu und im Folgenden Gouldner, A. W. (1960): The Norm of Reciprocity: A Preliminary Statement, in: American Sociological Review, Vol. 25, No. 2, S. 161ff. Vgl. hierzu und im Folgenden grundlegend Peuckert, R. (2003): Normen, soziale, in: Schäfers, B. (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie, 8. Aufl., Opladen, S. 255ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Griese, M., Nikles, B. W., Rülcker, C. (1977): Soziale Rolle: Zur Vermittlung von Individuum und Gesellschaft, Opladen, S. 18f. Vgl. Peuckert, R. (2003): Normen, soziale, a.a.O., S. 255. Vgl. Peuckert, R. (2003): Sanktion, in: Schäfers, B. (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie, 8. Aufl., Opladen, S. 293. Vgl. Coleman, J. S. (1995): Grundlagen der Sozialtheorie, Bd. 1: Handlungen und Handlungssysteme, München, S. 314. Die Konformitätsforschung greift auf eine Vielzahl sich teilweise ergänzender Theorien zurück. Für einen Überblick siehe Peuckert, R. (1975): Konformität: Erscheinungsformen – Ursachen – Wirkungen, Stuttgart, S. 114ff. Vgl. Wiswede, G. (2000): Einführung in die Wirtschaftspsychologie, a.a.O., S. 103 sowie umfassend Wiswede, G. (1979): Soziologie des abweichenden Verhaltens, 2. Aufl., Stuttgart et al., S. 85ff.
Für den interessierenden Sachverhalt des Commitment eines Kunden ist zu prüfen, welche sozialen Normen den psychologischen Bindungszustand beeinflussen. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass Kunden nach gerechten Kosten-Nutzen-Verhältnissen streben und positive wie negative Erfahrungen durch reziprokes Verhalten in der Austauschbeziehung erwidern werden.
1.2 Kognitions- und motivationspsychologische Theorien als Erklärungsansätze Der auf FESTINGER zurückgehenden Theorie kognitiver Dissonanz189 liegt die Annahme zugrunde, dass Individuen nach einem inneren Gleichgewicht ihres Systems kognitiver Elemente streben.190 Dabei entsprechen Kognitionen dem, was ein Individuum über sich, sein Verhalten und die Umwelt weiß und darin inbegriffen dessen Meinungen, Einstellungen und Kenntnisse.191 Stehen einzelne Kognitionen im Widerspruch zueinander, lösen sie beim Individuum einen Zustand unangenehmer psychischer Spannung aus.192 Überschreitet dieser Zustand kognitiver Dissonanz einen Schwellenwert, werden Prozesse zur Reduktion oder Beseitigung der inkonsistenten Kognitionen eingeleitet. Zu diesen zählen beispielsweise die Aufnahme neuer kognitiver Elemente (Informationssuche), die sich im Einklang mit bestehenden Kognitionen befinden, aber auch die Änderung von Verhaltensweisen oder die Umdeutung von Kognitionen. Mit Hilfe der Theorie kognitiver Dissonanz lassen sich somit Hypothesen über die Beziehung zwischen Einstellungen und Verhalten ableiten.193 Beispielsweise wird geschlussfolgert, dass einstellungsdiskrepantes Verhalten zu einer Veränderung der Einstellung führt, um die resultierende kognitive Dissonanz zu reduzieren oder zu beseitigen. BREHM/COHEN ergänzen die Bedingungen, unter denen kognitive Dissonanz entsteht.194 Zusätzlich zur Inkonsistenz muss die zur Dissonanz führende Handlung als selbst verursacht erlebt werden, für die sich das Individuum verantwortlich fühlt und öffentlich engagiert.195 Die Öffentlichkeit, also von vielen beobachtbares Verhalten bzw. dessen Häufigkeit, beein189
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Vgl. Festinger, L. (1957): A Theory of Cognitive Dissonance, Stanford bzw. die deutsche Ausgabe Festinger, L. (1978): Theorie der kognitiven Dissonanz, in: Irle, M., Möntmann, V. (Hrsg.): Theorie der kognitiven Dissonanz, Bern et al., S. 15ff. Vgl. Eagly, A. H., Chaiken, S. (1993): The Psychology of Attitudes, Forth Worth et al., S. 469. Vgl. Dickenberger, D., Gniech, G. (1983): Probleme der Motivations- und Emotionsforschung, in: Irle, M. (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie 3, Bd. 4: Marktpsychologie als Sozialwissenschaft, Göttingen et al., S. 485. Vgl. hierzu und im Folgenden Festinger, L. (1978): Theorie der kognitiven Dissonanz, a.a.O., S. 18ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Herkner, W. (1991): Lehrbuch Sozialpsychologie, a.a.O., S. 265. Vgl. Brehm, J. W., Cohen, A. R. (1962): Explorations in Cognitive Dissonance, New York et al., S. 8ff. Siehe auch Irle, M., Möntmann, V. (1978): Die Theorie der kognitiven Dissonanz: Ein Resümee ihrer theoretischen Entwicklung und empirischen Ergebnisse 1957-1976, in: Irle, M., Möntmann, V. (Hrsg.): Theorie der kognitiven Dissonanz, Bern et al., S. 285ff.; Heckhausen, H. (1989): Motivation und Handeln, 2. Aufl., Berlin et al., S. 123.
flusst auch, welches kognitive Element geändert wird, um Konsonanz herzustellen.196 Es zeigt sich, dass öffentliche Kognitionen schwerer zu ändern sind als Kognitionen, die selten gezeigt oder geäußert wurden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Menschen dazu neigen, die Inkonsistenz von Einstellungen und Verhaltensabsichten oder Verhalten und somit den Zustand kognitiver Dissonanz zu vermeiden.197 Der Theorie kognitiver Dissonanz folgend ist damit anzunehmen, dass auch Commitment und die daraus resultierenden Verhaltensintentionen eines Dienstleistungskunden in einem konsonanten, widerspruchsfreien Verhältnis zueinander stehen werden. Im Mittelpunkt der Risikotheorie steht das mit einer Kaufentscheidung wahrgenommene Risiko eines Konsumenten. Es ist darauf zurückzuführen, „dass der Konsument aufgrund der situativ verfügbaren Informationen Abweichungen zwischen seinen Standards (Erfolgserwartungen) und den voraussehbaren Folgen seines Kaufs wahrnimmt.“198 Damit erfasst das Konzept die vom Kunden erwartete Wahrscheinlichkeit, dass aus einer Kaufentscheidung ein unbefriedigendes Ergebnis resultiert, wobei sowohl der Grad der Unsicherheit als auch die Schwere der antizipierten Folgen der Fehlentscheidung das wahrgenommene Risiko determinieren.199 Unter Bezugnahme auf die Konsequenzen der Kaufentscheidung werden in der Literatur funktionale, finanzielle, psychologische, physische und soziale Risiken unterschieden.200 Grundsätzlich sind Individuen bemüht, das wahrgenommene Risiko in einer Entscheidungssituation möglichst gering zu halten. Überschreitet das Kaufrisiko die individuelle Toleranzschwelle des Kunden, wird er Maßnahmen der Risikoreduktion bzw. -begrenzung ergreifen.201 Zu diesen Risikoreduktionsstrategien zählt beispielsweise die Suche nach kaufrelevan-
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Vgl. hierzu und im Folgenden Herkner, W. (1991): Lehrbuch Sozialpsychologie, a.a.O., S. 35. Grundsätzlich variiert die Toleranz gegenüber inneren Spannungszuständen bzw. die Höhe der Toleranzschwelle, die zur Auslösung der Dissonanzreduktion führt, zwischen einzelnen Individuen. Vgl. Miller, G. R., Rokeach, M. (1968): Individual Differences and Tolerance for Inconsistency, in: Abelson, R. P. et al. (Eds.): Theories of Cognitive Consistency: A Sourcebook, Chicago, S. 624ff. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003): Konsumentenverhalten, 8. Aufl., München, S. 251. Vgl. Bauer, R. A. (1976): Konsumentscheidungen als Risikoverhalten, in: Wiswede, G., Specht, G. (Hrsg.): Marketing-Soziologie: Soziale Interaktionen als Determinanten des Marktverhaltens, Berlin, S. 209f. als deutsche Übersetzung des Aufsatzes von Bauer, R. A. (1960): Consumer Behavior and Risk Taking, in: Hancock, R. S. (Ed.): Dynamic Marketing for a Changing World, Proceedings of the 43rd Conference of the AMA, Chicago, S. 389ff.; Cox, D. F. (1967): Risk Handling in Consumer Behavior – An Intense Study of Two Cases, in: Cox, D. F. (Ed.): Risk Taking and Information Handling in Consumer Behavior, Boston, S. 37. Das Konstrukt der Unsicherheit in der Käuferverhaltensforschung bildet wiederum die durch den Kunden subjektiv wahrgenommene Wahrscheinlichkeit der Fehlentscheidung ab. Vgl. Kerby, J. K. (1975): Consumer Behavior: Conceptual Foundations, New York, S. 130ff. Vgl. beispielsweise Stone, R. N., Mason, J. B. (1995): Attitude and Risk: Exploring the Relationship, in: Psychology & Marketing, Vol. 12, No. 2, S. 144f. Die Autoren betrachten darüber hinaus zwei weitere Risikoarten (time risk und performance risk). Vgl. Cox, D. F. (1967): Risk Handling in Consumer Behavior, a.a.O., S. 80.
ten Informationen oder die Beibehaltung einer getroffenen Anbieterauswahl.202 Insofern stellt bereits das Commitment selbst als Prädiktor der Kundenloyalität eine Möglichkeit zur Risikoreduktion dar. Ebenso verringert Vertrauen die Risikowahrnehmung eines Kunden203 und trägt demnach zur psychologischen Bindung eines Kunden an die bestehende Geschäftsbeziehung bei. Hinsichtlich der möglichen Folgen des Beziehungs-Commitment soll insbesondere auf die motivationstheoretischen Überlegungen der Selbstbestimmungstheorie zurückgegriffen werden, in der das Streben nach Selbstbestimmung als eines der zentralen psychologischen Bedürfnisse des Menschen im Mittelpunkt steht.204 Ganz generell lassen sich Handlungen eines Individuums danach unterscheiden, ob sie als selbstbestimmt und somit frei gewählt (interne Lokation der Ursachenfaktoren) oder als fremdbestimmt bzw. aufgezwungen (externe Lokation der Ursachenfaktoren) erlebt werden.205 In Abhängigkeit des Ausmaßes der Selbstbestimmung unterscheiden DECI/RYAN verschiedene Arten der Handlungsmotivation.206 Die intrinsische Motivation ist ihrem Wesen nach selbstbestimmt. Es bedarf keiner externen Anreize, um das spezifische Verhalten zu zeigen. Vielmehr ist der Tätigkeitsvollzug selbst Anreiz genug, eine Handlung vorzunehmen. Extrinsisch motiviert sind Aktivitäten, die in instrumenteller Absicht und somit in Erwartung der Tätigkeitskonsequenzen durchgeführt werden. Die Autoren grenzen vier Formen extrinsischer Motivation gegeneinander ab, die hinsichtlich der ihnen zugrunde liegenden Verhaltensregulation variieren: Bei der externalen Regulation, dem Prototypen extrinsischer Motivation, werden Handlungen ausgeführt, um externen Ansprüchen nachzukommen. Das Verhalten ist von äußeren Steuerungsfaktoren abhängig und wird vom Individuum als kontrolliert und unfreiwillig wahrgenommen. Verhalten, das aufgrund introjizierter Regulation gezeigt wird, folgt zwar einem inneren Druck, ist aber nach wie vor von dem eigenen Selbstkonzept losgelöst. „It is a
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Siehe stellvertretend für viele Roselius, T. (1971): Consumer Rankings of Risk Reduction Methods, in: Journal of Marketing, Vol. 35, January, S. 56ff. Vgl. Plötner, O. (1995): Das Vertrauen des Kunden: Relevanz, Aufbau und Steuerung auf industriellen Märkten, Wiesbaden, S. 35ff. Vgl. Deci, E. L., Ryan, R. M. (1985): Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behavior, New York, London, S. 29ff. Vgl. Charms, R. de (1968): Personal Causation: The Internal Affective Determinants of Behavior, New York, London, S. 12ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Ryan, R. M., Deci, E. L. (2000): Self-Determination Theory and the Facilitation of Intrinsic Motivation, Social Development, and Well-Being, in: American Psychologist, Vol. 55, No. 1, S. 70ff.
relatively controlled form of regulation in which behaviors are performed to avoid guilt or anxiety or to attain ego enhancements such as pride.“207 Einen höheren Grad der Selbstbestimmung weist die identifizierte Regulation auf. Diese Handlungen werden ausgeführt, weil sie als wichtig und wertvoll erachtet werden. Das Individuum identifiziert sich mit den Verhaltenszielen, die demnach Relevanz für das persönliche Selbstkonzept besitzen. Die integrierte Regulation mit dem höchsten Grad der Selbstbestimmung extrinsischer Motivation ist erreicht, wenn sich das Individuum mit den Handlungen und Zielen vollständig identifiziert und diese in Kongruenz zu anderen Werten in das eigene Selbstkonzept integriert. Das Verhalten wird in dieser Regulationsform als freiwillig und völlig autonom wahrgenommen. Folglich kann auch die extrinsische Motivation durch Prozesse der Internalisierung von Werten und Zielen sowie der Integration in das persönliche Selbstkonzept die Grundlage selbstbestimmten Handelns bilden. Wie zu zeigen sein wird, weisen die Motivationsarten der Selbstbestimmungstheorie und die Commitment-Komponenten erhebliche Parallelen auf,208 so dass Erkenntnisse zu den Folgen der wahrgenommenen Selbstbestimmung für das Verhalten von Individuen auf die Auswirkungen des Beziehungs-Commitment für die Verhaltensintentionen eines Dienstleistungskunden übertragen werden sollen. Vereinzelt soll auch die Reaktanztheorie zur theoretischen Erklärung der Verhaltenskonsequenzen des Beziehungs-Commitment herangezogen werden. Demnach verursacht die wahrgenommene Einschränkung der Handlungs- und Wahlfreiheit eines Individuums Reaktanz, die als innerer Erregungs- und Motivationszustand zu verstehen und auf die Wiederherstellung der ursprünglich wahrgenommenen Freiheit ausgerichtet ist.209 Als mögliche Formen zur Wiederherstellung der Freiheit können verschiedene Reaktanz-Reaktionsmuster unterschieden werden, darunter die innere Wiederherstellung der Freiheit durch ablehnendes Verhalten gegenüber der freiheitseinengenden Institution.210 Mit Blick auf die Entwicklung eines Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment liefert die Reaktanztheorie Anhaltspunkte für mögliche Verhaltenskonsequenzen des kalkulatorischen Commitment, das vom Kunden als Einschränkung seiner persönlichen Handlungsfreiheit wahrgenommen werden kann.
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Ryan, R. M., Deci, E. L. (2000): Self-Determination Theory and the Facilitation of Intrinsic Motivation, Social Development, and Well-Being, a.a.O., S. 72. Vgl. Meyer, J. P., Becker, T. E., Vandenberghe, C. (2004): Employee Commitment and Motivation: A Conceptual Analysis and Integrative Model, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 89, No. 6, S. 995f. Vgl. Brehm, J. W. (1966): A Theory of Psychological Reactance, New York et al., S. 9; Brehm, S. S., Brehm, J. W. (1981): Psychological Reactance: A Theory of Freedom and Control, New York et al., S. 4. Vgl. Dickenberger, D., Gniech, G., Grabitz, H.-J. (1993): Die Theorie der psychologischen Reaktanz, in: Frey, D., Irle, M. (Hrsg.): Theorien der Sozialpsychologie, Bd. 1: Kognitive Theorien, 2. Aufl., Bern et al., S. 248f.
1.3 Transaktionskostentheorie als Erklärungsansatz Auch die Überlegungen zur Transaktionskostentheorie tragen zur theoretischen Fundierung eines Commitment-Modells bei. Die Transaktionskostenanalyse untersucht die Effizienz einer Vielzahl heterogener Koordinationsformen wirtschaftlicher Austauschbeziehungen auf Basis der Transaktionskosten.211 Bei diesen handelt es sich um die mit der Vereinbarung und Abwicklung des Leistungsbezugs in Verbindung gebrachten Informations- bzw. Kommunikationskosten212 und damit allgemein um Koordinationskosten. Es gilt, die Transaktionskosten in einer Austauschbeziehung möglichst zu minimieren, wobei sich deren Quantifizierung generell als schwierig erweist.213 In der Literatur werden zumeist vier Arten von Transaktionskosten abgegrenzt:214 Anbahnungskosten: Kosten für die Marktexploration und Informationsermittlung über mögliche Transaktionspartner Vereinbarungskosten: Kosten für die Vertragsverhandlung und -formulierung Kontrollkosten: Kosten für die Sicherung der Einhaltung von Vereinbarungen Anpassungskosten: Kosten für die Durchsetzung von Anpassungen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen WILLIAMSON unterscheidet mit der Faktorspezifität, der Unsicherheit und der Transaktionshäufigkeit drei Dimensionen, von denen die Höhe der Transaktionskosten beeinflusst wird.215 Die Faktorspezifität bezieht sich auf das Ausmaß der transaktionsspezifischen Investitionen durch einen Transaktionspartner. Dabei ist die Spezifität umso höher, je größer der Wert der investierten Ressourcen in der aktuellen im Vergleich zur nächstbesten alternativen Verwen-
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Der gedankliche Ursprung der Transaktionskostentheorie liegt in dem von COASE 1937 publizierten Aufsatz „Nature of the Firm“, in dem er den Preis und folglich den Markt als alleinigen Koordinationsmechanismus für den Austausch von Leistungen in Frage stellt und damit die Existenz von Unternehmen ökonomisch begründet. Vgl. Coase, R. H. (1937): The Nature of the Firm, in: Economica, Vol. 4, November, S. 386ff. Von diesem Standpunkt ausgehend, wurde in der Transaktionskostentheorie zunächst untersucht, wann Transaktionen über den Markt und wann innerhalb einer Hierarchie als unternehmensinterne Organisation abgewickelt werden. Später fand die Transaktionskostenanalyse auch für die Auswahl zwischen einer Vielzahl heterogener Koordinationsformen wirtschaftlicher Austauschbeziehungen – darunter auch den langfristigen Geschäftsbeziehungen – Verwendung. Vgl. stellvertretend für viele Picot, A. (1982): Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie: Stand der Diskussion und Aussagewert, in: DBW, 42. Jg., Heft 2, S. 273ff.; Williamson, O. E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus: Unternehmen, Märkte, Kooperationen, Tübingen, S. 18. Vgl. Picot, A. (1982): Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie, a.a.O., S. 270. Vgl. Williamson, O. E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, a.a.O., S. 24f. Vgl. Picot, A. (1982): Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie, a.a.O., S. 270. Vgl. hierzu und im Folgenden Williamson, O. E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, a.a.O., S. 59ff.
dung ist.216 Zu unterscheiden sind ex-ante und ex-post Faktorspezifität.217 Die ex-ante Spezifität kennzeichnet jene Investitionen, durch die eine Transaktion überhaupt erst möglich wird. Derartige Vorleistungen können keiner anderweitigen Verwendung zugeführt werden, ohne Verluste hinzunehmen,218 wodurch sich der Beziehungspartner in eine Abhängigkeitsposition begibt, die von der anderen Partei opportunistisch219 ausgenutzt werden könnte.220 Um sich vor der Ausbeutung durch den Beziehungspartner zu schützen, werden umfangreiche Verträge verhandelt, was zu einem Anstieg der Vereinbarungskosten führt. Darüber hinaus verursachen Maßnahmen zur Überprüfung der Leistungen Kontrollkosten. Die ex-post Spezifität bezieht sich hingegen auf transaktionsspezifische Fähigkeiten, die ein Beziehungspartner während der Geschäftstransaktionen aufbaut und die zum Beispiel zu effizienteren Abwicklungsprozessen führen und demzufolge die Transaktionskosten reduzieren.221 Auch der Aufbau von Vertrauen führt auf diese Weise zu einer Verminderung der Transaktionskosten, da von einer reduzierten Gefahr durch opportunistisches Verhalten des anderen Beziehungspartners ausgegangen wird und demnach Kontrollkosten eingespart werden können.222 Als weiterer Treiber für die Transaktionskosten gilt die Unsicherheit, unter der Transaktionen abgewickelt werden. Unsicherheit bildet in der Transaktionskostentheorie die Kom216
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Die Wertdifferenz zwischen der Investition in der aktuellen Verwendung und der nächstbesten Alternative wird auch als Quasi-Rente bezeichnet. „The quasi-rent value of the asset is the excess of its value over its salvage value, that is, its value in its next best use to another renter”. Klein, B., Crawford, R. G., Alchian, A. A. (1978): Vertical Integration, Appropriable Rents, and the Competitive Contracting Process, in: Journal of Law and Economics, Vol. 21, No. 2, S. 298. Generell lassen sich Investitionen auf einem Kontinuum von völlig unspezifisch bis völlig spezifisch anordnen. Vgl. Söllner, A. (1993): Commitment in Geschäftsbeziehungen, a.a.O., S. 117. Vgl. hierzu und im Folgenden Picot, A. (1991): Ökonomische Theorien der Organisation – Ein Überblick über neuere Ansätze und deren betriebswirtschaftliches Anwendungspotential, in: Ordelheide, D., Rudolph, B., Büsselmann, E. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Ökonomische Theorie, Stuttgart, S. 148f. WILLIAMSON unterscheidet grundlegend vier Arten von Faktorspezifität: Standort-, Sachkapital- und Humanskapitalspezifität sowie zweckgebundene Sachwerte. Vgl. Williamson, O. E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, a.a.O., S. 108f. Mit der Irreversibilität spezifischer Investitionen lässt sich der unmittelbare Zusammenhang von Faktorspezifität und versunkenen Kosten (sunk costs) begründen. „By sunk costs we mean costs that cannot be reversed or for which the investment associated with paying them cannot be converted to other causes, or resold in order to recapture part of the investment cost.” Shy, O. (2001): Industrial Organizations: Theory and Applications, Cambridge et al., S. 183f. Die Aussagen der Transaktionskostentheorie basieren auf den zentralen Verhaltensannahmen begrenzter Rationalität, Risikoneutralität und Opportunismus. Insbesondere letztgenannte Annahme des opportunistischen Handelns der Akteure wird in der Literatur kritisch hinterfragt. Vgl. zu diesem und weiteren Kritikpunkten an der Transaktionskostentheorie Ebers, M., Gotsch, W. (2006): Institutionenökonomische Theorien der Organisation, in: Kieser, A., Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien, 6. Aufl., Stuttgart, S. 298ff.; Döring, H. (1999): Kritische Analyse der Leistungsfähigkeit des Transaktionskostenansatzes, Diss., Göttingen, S. 45ff. Vgl. Ebers, M., Gotsch, W. (2006): Institutionenökonomische Theorien der Organisation, a.a.O., S. 281ff. Vgl. Picot, A. (1991): Ökonomische Theorien der Organisation, a.a.O., S. 149. Vgl. Ouchi, W. G. (1980): Markets, Bureaucracies and Clans, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 25, March, S. 130f. sowie Kap. C 2.1.2.
plexität der Umwelt und die Möglichkeit des opportunistischen Verhaltens durch den Transaktionspartner ab.223 Wobei mit steigender Unsicherheit beispielsweise die Anbahnungs- und Vereinbarungskosten vor der eigentlichen Transaktion, aber auch die Kontrollkosten während des Beziehungsverlaufs zunehmen können.224 Die transaktionskostensenkende Wirkung von Vertrauen ist auch in diesem Zusammenhang offenkundig. Die Wiederholung identischer Transaktionen führt zu einer Senkung der durchschnittlichen Transaktionskosten, da insbesondere Anbahnungskosten, die für die Information über potenzielle Vertragspartner anfallen, eingespart werden können. Gleichzeitig wird angenommen, dass auch Transaktionskosten der Wirkung von Skalen- und Verbundeffekten unterliegen.225 Gleichzeitig verstärkt die Häufigkeit der Transaktionen die kostenbezogenen Effekte, die von den zuvor beschriebenen Transaktionsdimensionen Spezifität und Unsicherheit ausgehen.226 Ersichtlich ist, dass aus den Einsparungen von Transaktionskosten durch die Aneignung spezifischer Fähigkeiten oder den Aufbau von Vertrauen gleichzeitig potenzielle Wechselkosten für den Transaktionspartner resultieren, die ihn zur Fortführung der eingegangenen Geschäftsbeziehung bewegen können. Damit vermag die Transaktionskostentheorie aus der Perspektive der ökonomischen Effizienz zur Erklärung des Beziehungs-Commitment beitragen.
2 Erklärungsmodell des Beziehungs-Commitment Nachfolgend soll aufbauend auf die im vorangegangenen Kapitel skizzierten theoretischen Bezugspunkte das Erklärungsmodell für das Commitment eines Dienstleistungskunden entwickelt werden. Hierzu sind mit Hilfe der dargestellten theoretischen Ansätze sowie unter Berücksichtigung der Ergebnisse empirischer Arbeiten zum Commitment-Konstrukt die wichtigsten Bestimmungsfaktoren des affektiven, kalkulatorischen und normativen Commitment abzuleiten. Dabei werden neben den direkt auch indirekt wirkende Einflussfaktoren in das Erklärungsmodell integriert.
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Vgl. Williamson, O. E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, a.a.O., S. 64ff. Vgl. Ebers, M., Gotsch, W. (2006): Institutionenökonomische Theorien der Organisation, a.a.O., S. 283f. Der Bezug zu den Verhaltenswissenschaften ist an dieser Stelle ganz offensichtlich. So wurde bereits zur Risikotheorie angemerkt, dass Individuen bemüht sind, das wahrgenommene Kaufrisiko durch die Sammlung von Informationen zu reduzieren. Siehe hierzu auch Kap. C 1.2. Vgl. Williamson, O. E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, a.a.O., S. 69. Vgl. Picot, A. (1982): Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie, a.a.O., S. 277.
Das Commitment wird im Weiteren aus der Perspektive des Dienstleistungskunden erörtert. Folgende generellen Annahmen werden dem Erklärungsmodell als Ausgangspunkt zugrunde gelegt:227 Begrenzte Rationalität und Opportunismus prägen das Verhalten in der Austauschbeziehung. Die Komplexität des Transaktionsumfelds sowie die Erwartung opportunistischen Verhaltens bei gleichzeitig beschränkter Informationsverarbeitung führen zu Unsicherheit in der Austauschbeziehung. Im Consideration Set228 des Nachfragers befindet sich neben dem aktuellen Anbieter zumindest eine Alternative. Der Kunde hat die Leistungen des Anbieters bereits in Anspruch genommen.
2.1 Determinanten des Beziehungs-Commitment 2.1.1 Kundenzufriedenheit und wahrgenommene Dienstleistungsqualität Das Konstrukt der Kundenzufriedenheit nimmt in der verhaltenswissenschaftlich geprägten Marketingforschung einen herausragenden Stellenwert ein. Seine Bedeutung als Determinante des Käuferverhaltens und daraus folgend als Zielgröße zur Sicherung des unternehmerischen Erfolges ist unumstritten.229 Die Zahl der Veröffentlichungen zur Erforschung der Kundenzufriedenheit galt bereits Anfang der 1990er Jahre als unüberschaubar.230 Erwartungsgemäß existieren somit eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Konzeptionalisierung des Konstrukts.231
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Siehe hierzu auch das Annahmensystem für das Erklärungsmodell des Anbieter- und Vertragstypenwechsels von ADLER. Vgl. Adler, J. (2003): Anbieter- und Vertragstypenwechsel: Eine nachfragerorientierte Analyse auf der Basis der Neuen Institutionenökonomik, Wiesbaden, S. 84. Im Consideration Set sind all jene Alternativen enthalten, die mit Blick auf eine konkrete Problemlösung als relevant und verfügbar eingeschätzt werden. Hierzu und zur weiteren Diskussion der Alternativenberücksichtigung im Kaufentscheidungsprozess siehe Shocker, A. D. et al. (1991): Consideration Set Influences on Consumer Decision-Making and Choice: Issues, Models, and Suggestions, in: Marketing Letters, Vol. 2, No. 3, S. 181ff. Vgl. Stauss, B. (1999): Kundenzufriedenheit, in: Marketing ZFP, 19. Jg., Heft 1, S. 5. Vgl. Schütze, R. (1992): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 121. PETERSON/WILSON gehen bereits im Jahr 1992 von 15.000 anglo-amerikanischen Beiträgen zum Themengebiet der Kundenzufriedenheit aus. Vgl. Peterson, R. A., Wilson, W. R. (1992): Measuring Customer Satisfaction: Fact and Artifact, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 20, No. 1, S. 61. Vgl. Stauss, B. (1999): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 5.
Nach dem derzeitigen Stand der Forschung dominiert das Confirmation/DisconfirmationParadigma als Erklärungsansatz für das Zustandekommen der Kundenzufriedenheit.232 Danach basiert das Zufriedenheitsurteil eines Kunden auf dem wahrgenommenen Ergebnis eines Soll-Ist-Vergleichs der Leistung (vgl. Abb. 6).233 Kunden messen folglich die aktuell erlebte Leistung eines Anbieters (Ist-Leistung) an einem inneren Vergleichsniveau (Soll-Leistung). Übertrifft die wahrgenommene Leistung den inneren Vergleichsstandard (positive Diskonfirmation) ist der Kunde zufrieden, wohingegen Unzufriedenheit aus einer negativen Diskonfirmation, also einer der Soll-Leistung unterlegenen Ist-Leistung, resultiert. Dieser pauschale Zusammenhang zwischen dem Ergebnis des Soll-Ist-Vergleichs und dem Zufriedenheitsurteil des Kunden muss allerdings um weitere Einflussfaktoren wie situative Merkmale (z.B. Involvement) oder auch Kausalattributionen234 erweitert werden.235 Dass es sich bei der Ist-Leistung um das vom Nachfrager subjektiv wahrgenommene Leistungsergebnis handelt, ist unumstritten.236 Objektiv gleichwertige Leistungen bilden folglich interindividuell unterschiedliche Ist-Standards.237 Umfangreicher ist demgegenüber die wissenschaftliche Auseinandersetzung bezüglich der Soll-Leistung. Kontrovers diskutiert wird unter anderem die Art der dem Vergleichsprozess zugrunde gelegten Vergleichsstandards.238 Als solche können beispielsweise das Erwartete als Ausdruckswert für in der Vergangenheit gesammelte Erfahrungen sowie die vom Anbieter kommunizierte Leistungsfähigkeit oder das minimal Tolerierbare als Ausdruckswert für einen den Ansprüchen des Kunden gerade noch
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Vgl. Stauss, B. (1999): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 6. Alternativ wird das Zustandekommen von Kundenzufriedenheit auch unter Rückgriff auf die Equity-Theorie oder die Attributionstheorien erklärt. Vgl. für einen Überblick dieser und weiterer Erklärungsansätze Matzler, K. (1997): Kundenzufriedenheit und Involvement, Wiesbaden, S. 33ff. Vgl. stellvertretend für viele Oliver, R. L. (1980): A Cognitive Model of the Antecedents and Consequences of Satisfaction Decisions, in: Journal of Marketing Research, Vol. 17, November, S. 460ff.; Churchill, G. A., Surprenant, C. (1982): An Investigation Into the Determinants of Customer Satisfaction, in: Journal of Marketing Research, Vol. 19, November, S. 491ff. Bei Attributionen handelt es sich um Interpretations- bzw. Ursachenzuweisungsprozesse, durch die sozialen Ereignissen sowie den eigenen Handlungen und denen fremder Personen Gründe zugeschrieben werden. Vgl. Six, B. (1997): Attribution, in: Frey, D., Greif, S. (Hrsg.): Sozialpsychologie: Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen, 4. Aufl., Weinheim, S. 122. So kann sich in Abhängigkeit davon, wen oder was Kunden für ein Ereignis verantwortlich machen, die Höhe der Zufriedenheit ändern. In einem Experiment zeigte sich beispielsweise, dass Investoren, die ein erfolgreiches Geschäftsergebnis auf eigene Verhaltensweisen und Entscheidungen zurückführten, zufriedener waren als jene, die in den Entscheidungen eines Brokers die Ursache für das Ergebnis sahen. Vgl. Oliver, R. L., DeSarbo, W. S. (1988): Response Determinants in Satisfaction Judgments, in: Journal of Consumer Research, Vol. 14, March, S. 504. Vgl. Matzler, K. (1997): Kundenzufriedenheit und Involvement, a.a.O., S. 155f. und 219ff. Vgl. hierzu und im Folgenden u. a. Churchill, G. A., Surprenant, C. (1982): An Investigation Into the Determinants of Customer Satisfaction, a.a.O., S. 492; Kaas, K. P., Runow, H. (1984): Wie befriedigend sind die Ergebnisse der Forschung zur Verbraucherzufriedenheit?, in: DBW, 44. Jg., Heft 3, S. 452. Hieraus erwachsen eine Vielzahl weiterführender Fragestellungen zur Leistungswahrnehmung durch den Konsumenten und möglicher Wahrnehmungsverzerrungen, Ausstrahlungs-, Schwellen- oder AssimilationsKontrast-Effekte. Vgl. Schütze, R. (1992): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 130. Vgl. Stauss, B. (1999): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 6.
genügenden Leistungsumfang dienen.239 Offensichtlich sind auch der Comparison Level (CL) und der Comparison Level of Alternatives (CLalt) der sozialen Austauschtheorie von THI240 als Vergleichsgrößen für die erlebte Leistung und somit als SollBAUT/KELLEY Komponente zu interpretieren.241
Soll-Leistung (Vergleichsstandard)
Soll-Ist-Vergleich
Ist-Leistung (wahrgenommene Leistung)
positive Diskonfirmation (Ist > Soll)
Konfirmation (Ist = Soll)
negative Diskonfirmation (Ist < Soll)
Zufriedenheit
Abb. 6
Unzufriedenheit
Confirmation/Disconfirmation-Paradigma Quelle: in Anlehnung an Homburg, C., Stock-Homburg, R. (2006): Theoretische Perspektiven zur Kundenzufriedenheit, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte – Methoden – Erfahrungen, 6. Aufl., Wiesbaden, S. 21.
Während die bisherigen Ausführungen die Kundenzufriedenheit als das Ergebnis eines rein kognitiven Vergleichsprozesses darstellen, wurde in einer Vielzahl empirischer Untersuchungen der Einfluss von Emotionen auf die Kundenzufriedenheit nachgewiesen.242 Diese Er-
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Vgl. Schütze, R. (1992): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 157ff. Mit der Vielzahl unterschiedlicher Konzeptionalisierungen der Soll-Komponente ist auch das gravierende Problem der mangelnden Vergleichbarkeit von Kundenzufriedenheitsstudien verbunden. Vgl. Kaas, K. P., Runow, H. (1984): Wie befriedigend sind die Ergebnisse der Forschung zur Verbraucherzufriedenheit?, a.a.O., S. 452. Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. C 1.1. Vgl. Schütze, R. (1992): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 158f. Vgl. stellvertretend für viele Oliver, R. L. (1993): Cognitive, Affective, and Attribute Bases of the Satisfaction Response, in: Journal of Consumer Research, Vol. 20, December, S. 418ff.; Alford, B. L., Sherrel, D. L. (1996): The Role of Affect in Consumer Satisfaction: Judgments of Credence-Based Services, in: Journal of Business Research, Vol. 37, No. 1, S. 71ff.; Liljander, V., Strandvik, T. (1997): Emotions in Service Satisfaction, in: International Journal of Service Industry Management, Vol. 8, No. 2, S. 148ff.; Forberger, D. (2000): Emotionale Determinanten der Dienstleistungsqualität: Entwicklung und Überprüfung eines Messkonzepts, Wiesbaden, S. 50ff.
kenntnis berücksichtigend wird mittlerweile angenommen, dass die Kundenzufriedenheit sowohl kognitiv als auch affektiv determiniert wird.243 Mit dem Ziel, das zeitliche Bezugsobjekt der Kundenzufriedenheit zu spezifizieren, lassen sich die Überlegungen zur Strukturierung von Kundenprozessen244 heranziehen. Demnach können beispielsweise die Beziehungs- und die Transaktionszufriedenheit unterschieden werden.245 Während sich die Transaktionszufriedenheit auf eine einzelne, abgeschlossene Leistungsinanspruchnahme bezieht, erweist sich die globale, transaktionsübergreifende Beziehungszufriedenheit als stabiles, tendenziell situationsunabhängiges Leistungsurteil, das ähnlich dem Einstellungskonstrukt einzelne negative Konsumerlebnisse überdauern kann. Hierbei ist allerdings zu beachten, „dass die Zufriedenheit mit einer spezifischen Transaktion sowohl Ausstrahlungseffekte auf den Prozess der Zufriedenheitsbildung bei nachgelagerten Transaktionen hat als auch den jeweiligen Stand der Beziehungszufriedenheit beeinflusst.“246 In diesem Zusammenhang wird auch von beziehungsspezifischer Zufriedenheitsdynamik gesprochen.247 Mit Blick auf das zu entwickelnde Commitment-Modell ist die Beziehungszufriedenheit von besonderer Bedeutung, da sie als kumulatives Konstrukt konzipiert ist und somit sämtliche Erfahrungen des Kunden mit dem Leistungsanbieter bzw. den Mitarbeitern im Beziehungsablauf berücksichtigt. Es wird also angenommen, dass ein auf wiederholten Erfahrungen basierendes, stabiles Zufriedenheitsurteil das beziehungsorientierte Commitment als psychologischen Zustand, der einen Kunden an seine Dienstleistungsbeziehung bindet, besser erklären
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Vgl. Mano, H., Oliver, R. L. (1993): Assessing the Dimensionality and Structure of the Consumption Experience: Evaluation, Feeling, and Satisfaction, in: Journal of Consumer Research, Vol. 20, No. 3, S. 451ff. Siehe auch die Untersuchung zur Bedeutung kognitiver und affektiver Elemente für das Zufriedenheitsurteil im Zeitablauf von Homburg, C., Koschate, N., Hoyer, W. D. (2006): The Role of Cognition and Affect in the Formation of Customer Satisfaction: A Dynamic Perspective, in: Journal of Marketing, Vol. 70, July, S. 21ff. Eine Strukturierung der interaktionsbasierten Kundenprozesse nehmen STAUSS/SEIDEL vor. Sie unterscheiden Dienstleistungskontaktpunkte, Dienstleistungsepisoden, Dienstleistungstransaktionen und Dienstleistungsbeziehungen. Eine Dienstleistungstransaktion kennzeichnen die Autoren als eine aus Kundensicht vollständige Dienstleistungsinanspruchnahme mit einem fixen Anfangs- und Endpunkt (z.B. Hotelaufenthalt). Sie ist als Prozess zu verstehen, der sich in sequenzielle Teilprozesse bzw. Dienstleistungsepisoden untergliedern lässt (z.B. Hotel-Check-In). Eine Dienstleistungsepisode besteht wiederum aus einer Vielzahl einzelner Interaktionen bzw. Dienstleistungskontaktpunkte (z.B. Begrüßung). Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht allerdings die Dienstleistungsbeziehung insgesamt, zu verstehen als eine vom Kunden erlebte Abfolge von Dienstleistungstransaktionen. Vgl. Stauss, B., Seidel, W. (2006): Prozessuale Zufriedenheitsermittlung und Zufriedenheitsdynamik bei Dienstleistungen, in: Homburg, C. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit: Konzepte – Methoden – Erfahrungen, 6. Aufl., Wiesbaden, S. 178. Vgl. hierzu und im Folgenden Stauss, B., Seidel, W. (2006): Prozessuale Zufriedenheitsermittlung und Zufriedenheitsdynamik bei Dienstleistungen, a.a.O., S. 182. Stauss, B., Seidel, W. (2006): Prozessuale Zufriedenheitsermittlung und Zufriedenheitsdynamik bei Dienstleistungen, a.a.O., S. 182f. Vgl. hierzu auch Doorn, J. van (2003): Zufriedenheitsdynamik: Eine Panelanalyse bei industriellen Dienstleistungen, Wiesbaden, S. 55f.
kann als eine singuläre Konsumerfahrung.248 Demzufolge liegt dieser Arbeit nachstehende Auffassung von Zufriedenheit zugrunde. Bei Zufriedenheit handelt es sich um „das Ergebnis eines kognitiven und affektiven Evaluierungsprozesses, in dessen Rahmen eine geforderte oder gewünschte Soll-Leistung mit der tatsächlich wahrgenommenen Ist-Leistung verglichen wird. Das Zufriedenheitsurteil bezieht sich hierbei auf die Gesamtheit der Erfahrungen mit einem bestimmten Anbieter und dessen Produkten“249 respektive dessen Leistungen. Bevor jedoch der Zusammenhang zwischen der beziehungsbezogenen Zufriedenheit und dem Beziehungs-Commitment im Mittelpunkt stehen soll, wird zunächst das Verhältnis des Zufriedenheitskonstrukts und der wahrgenommenen Dienstleistungsqualität als zentrale Größe der Dienstleistungsforschung erörtert, die – wie später zu zeigen sein wird – ebenfalls einen Beitrag zur Erklärung des Commitment-Konstrukts leisten kann. Ganz grundsätzlich wird die wahrgenommene Dienstleistungsqualität als ein einstellungsähnliches Konstrukt definiert, das aus der Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Kunden an die Dienstleistung und der tatsächlich erhaltenen Leistung resultiert.250 Demnach liegt auch dem Qualitätsurteil des Dienstleistungskunden ein Soll-Ist-Vergleich zugrunde, womit die konzeptionelle Ähnlichkeit zum Konstrukt der Kundenzufriedenheit deutlich wird.251 Ein Konsens bezüglich des Verhältnisses der beiden Konstrukte konnte in der wissenschaftlichen Diskussion bislang nicht erzielt werden. Unterschiedliche Auffassungen existieren nicht nur bezüglich der Differenzierbarkeit der beiden Konstrukte, sondern auch hinsichtlich ihrer sequenziellen Reihenfolge.252 Mehrheitlich wird allerdings die Ansicht vertreten, dass es sich
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Auf die Bedeutung einer transaktionsübergreifenden Sichtweise der Zufriedenheit für stabile Kundenbeziehungen wird in der Literatur wiederholt hingewiesen. Vgl. Wilton, P. C., Nicosia, F. M. (1986): Emerging Paradigms for the Study of Consumer Satisfaction, in: European Research, Vol. 14, No. 1, S. 9f.; Anderson, E. W., Fornell, C., Rust, R. T. (1997): Customer Satisfaction, Productivity, and Profitability: Differences between Goods and Services, in: Marketing Science, Vol. 16, No. 2, S. 130. Giering, A. (2000): Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität: Eine Untersuchung moderierender Effekte, Wiesbaden, S. 14. Vgl. Parasuraman, A., Zeithaml, V. A., Berry, L. L. (1985): A Conceptual Model of Service Quality and Its Implications for Future Research, a.a.O., S. 42ff.; Liljander, V., Strandvik, T. (1993): Estimating Zones of Tolerance in Perceived Service Quality and Perceived Service Value, in: International Journal of Service Industry Management, Vol. 4, No. 2, S. 6. Vgl. Stauss, B. (1999): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 11f. In die wissenschaftliche Diskussion wird diese Operationalisierung der Dienstleistungsqualität auch als zufriedenheitsorientiertes Qualitätskonstrukt eingeführt. Vgl. Benkenstein, M. (1993): Dienstleistungsqualität: Ansätze zur Messung und Implikationen für die Steuerung, in: ZfB, 63. Jg., Heft 11, S. 1101. Vgl. Hennig-Thurau, T., Klee, A. (1997): The Impact of Customer Satisfaction and Relationship Quality on Customer Retention, a.a.O., S. 743f. Eine ausführliche Diskussion zum Verhältnis von Kundenzufriedenheit und dem Qualitätskonstrukt findet sich bei Matzler, K. (1997): Kundenzufriedenheit und Involvement, a.a.O., S. 112ff.
bei den Konstrukten um ähnliche, aber dennoch distinkte Phänomene handelt,253 wobei das Qualitätsurteil des Kunden der Zufriedenheit vorgelagert ist.254 „Diese Sicht ist im Rahmen des Diskonfirmation-Paradigmas gut vereinbar mit der gedanklichen Trennung von Soll-IstVergleich und Zufriedenheit. Denn die Qualitätsbeurteilung kann mit dem kognitiven Soll-IstKalkül in Verbindung gebracht werden, während die Zufriedenheit als komplexeres Konstrukt eine Kombination von kognitiven und affektiven Komponenten darstellt.“255 In der Literatur werden unterschiedliche Dimensionen der wahrgenommenen Dienstleistungsqualität als Einflussfaktoren der Kundenzufriedenheit diskutiert. Überwiegend handelt es sich hierbei um die Produkt- bzw. Leistungsqualität, die Prozessqualität sowie die Interaktionsqualität.256 Die Leistungsqualität kennzeichnet, inwieweit die Dienstleistung als solche den Erwartungen des Kunden und folglich seinen leistungsbezogenen Bedürfnissen entspricht. Dieses Qualitätsurteil betrifft in erster Linie die technischen bzw. instrumentellen Handlungen eines Dienstleisters. Im Allgemeinen wird die Leistungsqualität als mehrdimensionales Konstrukt modelliert, das sich in Anlehnung an die klassischen Leistungsdimensionen aus einer Potenzial-, Prozess- und Ergebnisdimension zusammensetzt.257 Demnach erübrigt sich auch im Weiteren eine isolierte Berücksichtigung der oben aufgeführten Prozessqualität. Die Abgrenzung der Interaktionsqualität von der Leistungsqualität ergibt sich aus der Interdependenz zwischen Kunden und Dienstleistungsmitarbeitern in der Dienstleistungsinteraktion.258 Im Mittelpunkt der Interaktionsqualität stehen die sozialen Handlungen zwischen Nachfrager und Anbieter, die zwangsläufig mit der Einbindung des Kunden in den Dienstleistungserstellungsprozess einhergehen259 und besondere Relevanz für die emotionale Ebene der Dienstleistungsinteraktion besitzen. Die Interaktionsqualität wird durch die Interaktionskompetenz eines Dienstleistungsmitarbeiters als intrapersonelles Merkmal einerseits und den interpersonellen Interaktionsprozessen zwischen Nachfrager und Mitarbeiter andererseits determiniert.260 So tragen zum Beispiel die Fähigkeit des Dienstleistungsmitarbeiters zur Per253
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Es wird beispielsweise argumentiert, dass Kunden ein Urteil über die Qualität eines Produktes bzw. einer Leistung im Gegensatz zur Zufriedenheit auch ohne konkrete Produkterfahrungen bilden. Weiterhin wird angenommen, dass die den Vergleichsprozessen zugrunde gelegten Vergleichsstandards voneinander abweichen und zudem die Kundenzufriedenheit stärker affektiv geprägt ist. Vgl. Oliver, R. L. (1996): Satisfaction: A Behavioral Perspective on the Consumer, New York et al., S. 177; Hennig-Thurau, T., Klee, A. (1997): The Impact of Customer Satisfaction and Relationship Quality on Customer Retention, a.a.O., S. 743f. Vgl. Stauss, B. (1999): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 12. Stauss, B. (1999): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 12. Vgl. Stock, R. (2001): Der Zusammenhang zwischen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit: Direkte, indirekte und moderierende Effekte, Wiesbaden, S. 2f. und 26ff. sowie die dort aufgeführte Literatur. Vgl. Donabedian, A. (1980): Explorations in Quality Assessment and Monitoring, Vol. 1: The Definition of Quality and Approaches to its Assessment, Ann Arbor, S. 79ff. Vgl. Hadwich, K. (2003): Beziehungsqualität im Relationship Marketing, a.a.O., S. 63. Vgl. hierzu nochmals Nerdinger, F. W. (1994): Zur Psychologie der Dienstleistung, a.a.O., S. 64f. sowie die Ausführungen in Kap. B 2.1. Vgl. Hadwich, K. (2003): Beziehungsqualität im Relationship Marketing, a.a.O., S. 66.
spektivenübernahme und zur Gefühlsarbeit,261 aber auch eingespielte Kommunikations- und Verhaltensmuster sowie gemeinsam gewachsene Werte zur Interaktionsqualität bei. Ersichtlich ist, dass die Differenzierung der Leistungs- und Interaktionsqualität inhaltlich in weiten Teilen der von GRÖNROOS eingeführten Unterscheidung zwischen technischer und funktionaler Dienstleistungsqualität entspricht.262 Die technische Qualität ist dabei auf den Umfang des Leistungsprogramms ausgerichtet. Im Einklang mit der Leistungsqualität wird hier also bewertet, „was“ der Kunde erhält. Die funktionale Qualität beschreibt hingegen, „wie“ eine Leistung angeboten wird und ähnelt damit der Interaktionsqualität. Nachdem nun die Kundenzufriedenheit und die Dienstleistungsqualität als ein ihr vorgelagertes Konstrukt erörtert wurden, gilt es, direkte und indirekte Wirkungspfade der beiden Konstrukte zu dem hier interessierenden Beziehungs-Commitment aufzuzeigen. Die Funktion der Kundenzufriedenheit als direkte Determinante des Beziehungs-Commitment lässt sich aus der sozialen Austauschtheorie ableiten. Demnach stellt die Attraktivität einer Beziehung eine wesentliche Größe zur Bestimmung ihrer Stabilität dar. Die Attraktivität ergibt sich aus der Relation des wahrgenommenen Wertes der Beziehung und den Erwartungen des Kunden an diese Verbindung. Die konzeptionelle Nähe zum Zufriedenheitskonstrukt, das ebenfalls als Ergebnis eines Vergleichsprozesses definiert wurde, ist offensichtlich. Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Commitment ist in der Literatur allgemein anerkannt.263 Für das hier zu entwickelnde Commitment-Modell stellt sich allerdings die Frage, welche der drei Commitment-Komponenten durch die Zufriedenheit eines Dienstleistungskunden determiniert wird. Wenngleich die große Mehrheit der Arbeiten zum Commitment in der Dienstleistungsbeziehung das Konstrukt eindimensional auffasst und folglich nicht zwischen affektivem, kalkulatorischem bzw. normativem Commitment differenziert, zeigen diese Arbeiten dennoch erste Anhaltspunkte für die Beziehung zwischen Kundenzufriedenheit und einzelnen Commitment-Komponenten auf. HENNIG-THURAU ET AL. bestätigen in ihrer empirischen Untersuchung zur Kundenloyalität in verschiedenen Dienstleistungsbranchen die Bedeutung der Kundenzufriedenheit als Prädiktor
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Die Fähigkeiten zur Gefühlsarbeit und Perspektivenübernahme diskutiert HORSMANN im Kontext der Kundenorientierung als Fähigkeitsbündel eines Kundenkontaktmitarbeiters. Vgl. Horsmann, C. (2005): Bedingungen und Folgen der Kundenorientierung im persönlichen Verkauf, München et al., S. 22f. Zusätzlich zur Empathiefähigkeit führen BIENZEISLER/LÖFFLER Professionalität, Spontaneität und Authentizität als Interaktionskompetenzen von Dienstleistungsmitarbeitern mit Kundenkontakt an. Vgl. ausführlicher Bienzeisler, B., Löffler, T. (2006): Jenseits von Kennzahlen: Interaktionskompetenzen zur Steigerung der Dienstleistungsproduktivität, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Forum Dienstleistungsmanagement: Dienstleistungscontrolling, Wiesbaden, S. 224f. Vgl. hierzu und im Folgenden Grönroos, C. (1984): A Service Quality Model and its Marketing Implications, in: European Journal of Marketing, Vol. 18, No. 4, S. 38f. Vgl. Gruen, T. W. (1995): The Outcome Set of Relationship Marketing in Consumer Markets, in: International Business Review, Vol. 4, No. 4, S. 457.
des Beziehungs-Commitment.264 Sie argumentieren, dass ein hoher Grad an Zufriedenheit den Kunden in seiner Entscheidung für den Dienstleistungsanbieter bestärkt und diese wiederholt positive Bestärkung beim Kunden ein emotional geprägtes Bindungsgefühl verursacht.265 Wenngleich die Autoren Commitment in dieser Studie als globales, eindimensionales Konstrukt definieren, so ist unter Berücksichtigung ihrer Argumentation in dieser und in früheren Arbeiten266 sowie bei einer Betrachtung des verwendeten Messinstrumentariums267 ersichtlich, dass ihre Auffassung von Commitment dem Wesen der affektiven CommitmentKomponente entspricht.268 Analog untersuchen BETTENCOURT269, BROWN ET AL.270 und BAKAY271 den kausalen Zusammenhang zwischen der Kundenzufriedenheit und dem Beziehungs-Commitment. Die Funktion der Kundenzufriedenheit als Prädiktor für Commitment konnte in allen drei Arbeiten empirisch bestätigt werden, wobei auch in diesen Studien die verwendeten Messinstrumentarien den affektiven Kern des Konstrukts widerspiegeln. Aufschlussreich ist weiterhin die Untersuchung von KELLEY/DAVIS zu den Erwartungen von Dienstleistungskunden bei der Beschwerdebearbeitung.272 Die Autoren modellieren in ihrer Studie zusätzlich zur Kundenzufriedenheit auch die wahrgenommene Dienstleistungsqualität als direkten Bestimmungsfaktor des Beziehungs-Commitment. Den Einfluss der Dienstleistungsqualität auf das Commitment leitet das Autorenpaar mit Hilfe der Equity-Theorie ab, gemäß derer Kunden nach einem Zustand distributiver Gerechtigkeit und somit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen der eigenen Kosten-Nutzen-Relation und der des Dienstleisters
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Vgl. Hennig-Thurau, T., Gwinner, K. P., Gremler, D. D. (2002): Understanding Relationship Marketing Outcomes, a.a.O., S. 230ff. Siehe für eine identische Argumentationskette zum Zusammenhang von Qualitätswahrnehmung und Commitment die konzeptionellen Arbeiten von Hennig-Thurau, T., Klee, A. (1997): The Impact of Customer Satisfaction and Relationship Quality on Customer Retention, a.a.O., S. 753 sowie Klee, A. (2000): Strategisches Beziehungsmanagement: Ein integrativer Ansatz zur strategischen Planung und Implementierung des Beziehungsmanagement, Aachen, S. 118. Vgl. Hennig-Thurau, T., Klee, A. (1997): The Impact of Customer Satisfaction and Relationship Quality on Customer Retention, a.a.O., S. 753; Klee, A. (2000): Strategisches Beziehungsmanagement, a.a.O., S. 118. Verwendet werden ausgewählte Items aus der Commitment-Skala von MORGAN/HUNT (z.B. „My relationship to xxx is something I really care about“ oder „My relationship to xxx deserves my maximum effort to maintain“). Siehe auch Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 35. Siehe auch Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 238. Vgl. Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 383ff. Vgl. Brown, T. J. et al. (2005): Spreading the Word: Investigating Antecedents of Consumers’ Positive Word-of-Mouth Intentions and Behaviors in a Retailing Context, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 33, No. 2, S. 123ff. Vgl. Bakay, Z. (2003): Kundenbindung von Haushaltsstromkunden: Ermittlung zentraler Determinanten, Wiesbaden, S. 87ff. Vgl. Kelley, S. W., Davis, M. A. (1994): Antecedents to Customer Expectations for Service Recovery, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 22, No. 1, S. 52f.
streben. Erhält der Kunde eine Leistung hoher Qualität, wird er bemüht sein, im Gegenzug zum Wohlergehen und somit zum Nutzen des Dienstleistungsanbieters beizutragen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass das Interesse am Wohlergehen des Dienstleistungsunternehmens und das Gefühl der Hingabe (dedication) integrale Bestandteile des affektiven Commitment darstellen. Des Weiteren entlehnen die Autoren die Konzeptionalisierung ihres globalen Commitment-Konstrukts der Arbeit von PORTER ET AL.273 und somit der Schule des einstellungsbezogenen Erklärungsansatzes von Commitment, die in Ansätzen dem Verständnis des affektiven Commitment zugrunde liegt. Neben dem direkten Einfluss der wahrgenommenen Dienstleistungsqualität vermuten KELLEY/DAVIS zudem einen indirekten Wirkungspfad zum Commitment, indem sie die Dienstleistungsqualität als direkten Prädiktor der Kundenzufriedenheit in ihr Modell einbinden.274 Insgesamt können die Autoren die postulierten kausalen Zusammenhänge empirisch bestätigen. Obige Ausführungen weisen bereits auf den Einfluss der Kundenzufriedenheit auf das affektive Commitment hin. Dieses basiert als emotionale Bindung des Kunden an den Dienstleistungsanbieter auf positiven Erfahrungen und Gefühlen,275 wie sie aus einer Bestätigung von erlebter und erwarteter Leistung resultieren. Die Dienstleistung dient der Bedürfnisbefriedigung des Kunden, wobei dieser durch die wiederholte, zufriedenstellende Befriedigung seiner Bedürfnisse emotional an das Unternehmen gebunden wird. Wie bereits angedeutet, ist die Zahl der empirischen Untersuchungen, die Commitment als dreidimensionales Konstrukt modellieren, in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung gering und mit Blick auf den kausalen Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und affektivem Commitment insgesamt wenig erhellend. Die Arbeit von BANSAL ET AL.276 ist – soweit bekannt – die einzige Studie im Bereich konsumtiver Dienstleistungen, die explizit die Beziehung zwischen Kundenzufriedenheit und affektivem Commitment adressiert. Der Einfluss der Zufriedenheit auf das affektive Commitment erweist sich jedoch in dieser empirischen Analyse als nicht signifikant. Eine erste Erklärung für dieses Ergebnis liefern die Autoren selbst, indem sie auf eine hohe Korrelation zwischen den unabhängigen Variablen Kundenzufriedenheit und Vertrauen hinweisen, die sich als erstes Anzeichen für das Vorliegen von Multikollinearität erweist.277
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Siehe Mowday, R. T., Steers, R. M., Porter, L. W. (1979): The Measurement of Organizational Commitment, in: Journal of Vocational Behavior, Vol. 14, No. 2, S. 224ff. Vgl. Kelley, S. W., Davis, M. A. (1994): Antecedents to Customer Expectations for Service Recovery, a.a.O., S. 52f. Vgl. Verhoef, P. C., Franses, P. H., Hoekstra, J. C. (2002): The Effect of Relational Constructs on Customer Referrals and Number of Services Purchased From a Multiservice Provider, a.a.O., S. 204. Vgl. Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 234ff. Vgl. Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 245.
FULLERTON untersucht in seiner Arbeit zum Commitment ebenfalls den Einfluss von Kundenzufriedenheit278 auf die affektive Bindung an Handelsunternehmen und kann diesen Wirkungspfad empirisch belegen.279 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Zufriedenheit eines Dienstleistungskunden dessen affektives Beziehungs-Commitment determiniert. Ein direkter Einfluss der Kundenzufriedenheit auf das kognitiv geprägte kalkulatorische Commitment wird an dieser Stelle nicht unterstellt. Zwar identifizieren WETZEL ET AL. in ihrer empirischen Untersuchung die Zufriedenheit als Determinante des kalkulatorischen Commitment,280 aus theoretischer Sicht lässt sich dieser direkte Wirkungspfad allerdings nicht rechtfertigen. Auch die Forscher selbst versäumen es, den unmittelbaren kausalen Zusammenhang zwischen der Kundenzufriedenheit und dem kalkulatorischen Commitment konzeptionell zu begründen. Vielmehr zeigen die Erkenntnisse zu den wahrgenommenen Wechselkosten als Prädiktor des BeziehungsCommitment, dass von der Kundenzufriedenheit ein indirekter Einfluss auf das kalkulatorische Commitment ausgeht.281 Bezüglich des Einflusses der Kundenzufriedenheit auf das normative Commitment eines Dienstleistungskunden sollen nochmals die Austauschtheorien und der Grundgedanke des Strebens nach distributiver Gerechtigkeit zur Erklärung eines kausalen Zusammenhangs herangezogen werden. Wie bereits ausgeführt, fußt normatives Commitment auf einem Gefühl moralischer Verpflichtung (obligation based).282 Damit befindet sich der Reziprozitätsgedanke im Einklang mit dieser Commitment-Komponente. Ein Kunde, dem durch wiederholt zufriedenstellende Leistungen ein zusätzlicher Nutzen erwächst, fühlt sich verpflichtet, für das Erhaltene etwas zurückzugeben: „If the norm of reciprocity holds, we would expect that the debt incurred through advance rewards would act to hold the individual into a particular sys-
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In der Untersuchung spricht FULLERTON von Outcome Quality bzw. Service Quality anstatt von Kundenzufriedenheit als Determinante des affektiven Commitment. Jedoch spiegeln die verwendeten Items zur Messung der Outcome Quality gleichermaßen das Wesen der Kundenzufriedenheit wider: „I always have an excellent experience when I visit X“, „I can count on X to keep my waiting time to a minimum“, „I am consistently pleased with the selection at X“. Vgl. Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services: Does Commitment Matter?, in: Journal of Retailing and Consumer Services, Vol. 12, No. 2, S. 104. Vgl. Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 99ff. Siehe auch Fullerton, G. (2005b): The Impact of Brand Commitment on Loyalty to Retail Service Brands, in: Canadian Journal of Administrative Science, Vol. 22, No. 2, S. 101ff. Der Autor spricht in dieser Untersuchung zwar von Marken-Commitment, die Operationalisierungen der Commitment-Komponenten entsprechen allerdings dem grundlegenden Verständnis der Dimensionen des Beziehungs-Commitment. Vgl. Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships, a.a.O., S. 410ff. Dieser Zusammenhang wird ausführlich in Kap. C 2.1.3 analysiert. Vgl. Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 67.
tem until the debt was repaid.”283 Der Kunde realisiert, dass der Dienstleistungsanbieter in die Beziehung investiert, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen. Folglich wächst seine normativ begründete psychologische Bindung an das Unternehmen.284 Untersuchungen zum organisationalen Commitment zeigen allerdings, dass der Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und affektivem Commitment im Vergleich zum normativen Commitment stärker ist.285 Obige Überlegungen zusammenführend, wird für die Entwicklung des BeziehungsCommitment eines Dienstleistungskunden folgende erste Annahme getroffen: Annahme 1:
Die Zufriedenheit eines Dienstleistungskunden beeinflusst dessen affektives und normatives Commitment positiv.
Auffallend ist, dass in der Mehrzahl der Commitment-Untersuchungen im Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie Arbeitszufriedenheit lediglich als Korrelat des organisationalen Commitment ausgewiesen wird.286 Ergebnisse zum Ursache-Wirkungspfad beider Konstrukte fallen insgesamt uneinheitlich aus.287 Sowohl die Hypothese, dass Zufriedenheit Commitment determiniert, findet Zuspruch, als auch ein umgekehrter Wirkungspfad konnte nachgewiesen werden. Diese widersprüchlichen Befunde führen zu der Vermutung, dass sich die beiden Konstrukte wechselseitig beeinflussen. Einen empirischen Beleg für eine gegensei-
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Scholl, R. W. (1981): Differentiating Organizational Commitment From Expectancy as a Motivating Force, in: The Academy of Management Review, Vol. 6, No. 4, S. 594. Hierin kommt bereits zum Ausdruck, dass die Reziprozitätsnorm eine Moderatorfunktion des Zusammenhangs zwischen der Kundenzufriedenheit und dem normativen Commitment übernimmt. Die Internalisierung des Reziprozitätsgedankens stellt eine Voraussetzung für die kausale Beziehung zwischen der Zufriedenheit und der normativen CommitmentKomponente dar. Siehe hierzu ausführlicher Kap. C 2.1.4. In diesem Sinne werden mitunter auch die beziehungsspezifischen Investitionen von Seiten der Organisation als Determinante des normativen Commitment modelliert. Siehe beispielsweise Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 68; Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 22. Vgl. zum Beispiel Hackett, R. D., Bycio, P., Hausdorf, P. A. (1994): Further Assessments of Meyer and Allen’s (1991) Three-Component Model of Organizational Commitment, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 79, No. 1, S. 18ff. oder die Ergebnisse der Metaanalyse bei Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 32. Vgl. stellvertretend für viele die Ergebnisse der Metaanalysen von Mathieu, J. E., Zajac, D. M. (1990): A Review and Meta-Analysis of the Antecedents, Correlates, and Consequences of Organizational Commitment, a.a.O., S. 175 und Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 32f. Siehe aber auch für die Dienstleistungsbranche die Untersuchung von Gustafsson, A., Johnson, M. D., Roos, I. (2005): The Effects of Customer Satisfaction, Relationship Commitment Dimensions, and Triggers on Customer Retention, a.a.O., S. 215. Vgl. hierzu und im Folgenden Vandenberg, R. J., Lance, C. E. (1992): Examining the Causal Order of Job Satisfaction and Organizational Commitment, in: Journal of Management, Vol. 18, No. 1, S. 154ff.; Currivan, D. B. (1999): The Causal Order of Job Satisfaction and Organizational Commitment in Models of Employee Turnover, in: Human Resource Management Review, Vol. 9, No. 4, S. 495ff.; Rayton, B. A. (2006): Examining the Interconnection of Job Satisfaction and Organizational Commitment: An Application of the Bivariate Probit Model, in: International Journal of Human Resource Management, Vol. 17, No. 1, S. 141f.
tige Abhängigkeit von Zufriedenheit und Commitment liefern die Studien von LANCE288 sowie FARKAS/TETRICK289. Diese Erkenntnis aus der Arbeits- und Organisationspsychologie soll in dem hier interessierenden Kontext des Beziehungs-Commitment aufgegriffen werden. Die Integration eines reziproken Wirkungspfades vom Beziehungs-Commitment des Dienstleistungskunden zu dessen Zufriedenheit lässt sich auch aus theoretischer Sicht begründen. So wurde weiter oben expliziert, dass die Kundenzufriedenheit in weiten Teilen affektiv determiniert wird und demnach die emotionale Verfassung des Kunden dessen Zufriedenheitsurteil ganz wesentlich beeinflusst. Daraus folgt, dass affektives Commitment als emotionales Bindungsgefühl, einhergehend mit Identifikation und Involvement,290 die Zufriedenheit eines Dienstleistungskunden erhöht. Diesbezüglich lassen sich auch Untersuchungen anführen, in denen nachgewiesen wurde, dass positive Emotionen zufriedenheitssteigernd, negative Emotionen hingegen zufriedenheitsmindernd wirken.291 Annahme 2:
Das affektive Commitment eines Dienstleistungskunden beeinflusst dessen Zufriedenheit positiv.
Auch wenn angenommen werden soll, dass sich die Zufriedenheit und das Commitment eines Dienstleistungskunden wechselseitig bedingen, handelt es sich jedoch insofern um ein asymmetrisches Abhängigkeitsverhältnis der beiden Konstrukte, als dass der Einfluss der Kundenzufriedenheit auf das affektive Commitment im Vergleich zu dem entgegengerichteten Wirkungspfad erheblich stärker ist.292 Des Weiteren sollen nun Überlegungen zu dem Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Dienstleistungsqualität und der Kundenzufriedenheit in das Commitment-Modell integriert werden. Bereits angeführt wurde die Relevanz der Leistungsqualität und der Interaktionsqualität als Einflussfaktoren der Kundenzufriedenheit. Damit erweisen sich diese Facetten der wahrgenommenen Dienstleistungsqualität als indirekte Bestimmungsfaktoren des Bezie-
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Vgl. Lance, C. E. (1991): Evaluation of a Structural Model Relating Job Satisfaction, Organizational Commitment, and Precursors to Voluntary Turnover, in: Multivariate Behavioral Research, Vol. 26, No. 1, S. 137ff. Vgl. Farkas, A. J., Tetrick, L. E. (1989): A Three-Wave Longitudinal Analysis of the Causal Ordering of Satisfaction and Commitment on Turnover Decisions, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 74, No. 6, S. 855ff. Vgl. Mowday, R. T., Porter, L. W., Steers, R. M. (1982): Employee-Organization Linkages, a.a.O., S. 27; Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 67 sowie Kap. A 2.1. Vgl. Westbrook, R. A. (1987): Product/Consumption-Based Affective Responses and Postpurchase Processes, in: Journal of Marketing Research, Vol. 24, August, S. 258ff.; Evrard, Y., Aurier, P. (1994): The Influence of Emotions on Satisfaction with Movie Consumption, in: Journal of Consumer Satisfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, Vol. 7, S. 119ff. Vgl. Lance, C. E. (1991): Evaluation of a Structural Model Relating Job Satisfaction, Organizational Commitment, and Precursors to Voluntary Turnover, a.a.O., S. 153.
hungs-Commitment. Derartige indirekte Wirkungspfade von einzelnen Qualitätsdimensionen zum affektiven Commitment zeigt beispielsweise FULLERTON in seiner Arbeit zum Commitment von Handelskunden auf.293 Annahme 3:
Die wahrgenommene Leistungs- und Interaktionsqualität beeinflussen affektives und normatives Commitment indirekt über die Zufriedenheit des Dienstleistungskunden positiv.
Wie zuvor angedeutet, bestätigen auch KELLEY/DAVIS einen indirekten Einfluss der Qualität in ihrer Untersuchung, wenngleich die Autoren in ihrem Modell die wahrgenommene Dienstleistungsqualität lediglich eindimensional konzipieren.294 Über diesen indirekten Zusammenhang hinaus unterstellen und verifizieren die Autoren zusätzlich einen direkten Wirkungspfad von der wahrgenommenen Qualität zum affektiv geprägten Commitment. Dementsprechend soll auch in dieser Arbeit eine partielle Mediation295 der Dienstleistungsqualität unterstellt werden. Sie wirkt einerseits indirekt sowohl auf affektives als auch normatives Commitment, da zuvor die Kundenzufriedenheit als direkte Determinante dieser beiden CommitmentKomponenten identifiziert wurde. Andererseits wird unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Arbeit von KELLEY/DAVIS ein direkter Wirkungspfad von der Qualität zum affektiven Commitment modelliert. Diesbezüglich stellt sich jedoch die Anschlussfrage, welche der Qualitätsdimensionen (Leistungs- oder Interaktionsqualität) einen direkten Einfluss auf das affektive Commitment ausübt. Zur Beantwortung dieser Frage sollen nochmals die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen in Erinnerung gerufen werden. Es wurde bereits gezeigt, dass eine Evaluierung der Leistungsqualität aufgrund mangelnder Sucheigenschaften des konkreten Leistungsergebnisses infolge der Immaterialität von Dienstleistungen erschwert ist. Hinzu kommt, dass durch die Integration des externen Faktors und hier insbesondere bei den persönlich interaktiven Dienstleistungen, wie Arztbehandlungen oder beispielsweise psychotherapeutischen Sitzungen, soziale Interaktionen als Teil der Dienstleistung dominieren. Persönliche Beziehungen tragen durch den Austausch von Emotionen zur Befriedigung der sozialen Bedürfnisse eines Kunden bei und ermöglichen derart den Aufbau eines affektiven Beziehungs-Commitment. Ganz offensichtlich ist es also die Interaktionsqualität im Gegensatz zur Leistungsqualität, die einen direkten Einfluss auf das affektive Commitment ausübt.
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Vgl. Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 99ff. Vgl. Kelley, S. W., Davis, M. A. (1994): Antecedents to Customer Expectations for Service Recovery, a.a.O., S. 52f. Eine partielle Mediation liegt vor, wenn eine unabhängige Variable die abhängige Variable sowohl indirekt über eine Mediatorvariable als auch direkt beeinflusst. Siehe hierzu auch Baron, R. M., Kenny, D. A. (1986): The Moderator-Mediator Variable Distinction in Social Psychological Research: Conceptual, Strategic, and Statistical Considerations, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 51, No. 6, S. 1176.
In diesem Sinne lassen sich auch die Ergebnisse der Studie von WETZELS ET AL. interpretieren.296 Die Autoren untersuchen im Bereich industrieller Geschäftsbeziehungen das Commitment von Kunden gegenüber ihren Zulieferern und berücksichtigen in ihrer Arbeit die technische und funktionale Qualität als partiell mediierte Variablen. Ihre Analyse soll hier als Bezugspunkt dienen, da sich die technische und Leistungsqualität bzw. funktionale und Interaktionsqualität inhaltlich stark überschneiden. Die Forscher können empirisch den indirekten Einfluss beider Qualitätsdimensionen auf das affektive Commitment über die Zufriedenheit belegen. Darüber hinaus betrachten sie auch die direkten Wirkungspfade beider Qualitätsdimensionen zum affektiven Commitment. Jedoch erweist sich lediglich der Einfluss der technischen Qualität als signifikant. Die Bedeutung der funktionalen Qualität für das affektive Commitment können sie nicht verifizieren. Dieses Ergebnis steht allerdings keineswegs im Widerspruch zu der zuvor getroffenen Annahme, dass im Kontext persönlich interaktiver, konsumtiver Dienstleistungen die Interaktionsqualität respektive funktionale Qualität die Funktion eines direkten Prädiktors des affektiven Commitment übernimmt, schließlich führen WETZELS ET AL. ihre Untersuchung im Umfeld quasi-industrieller Leistungen durch. Diese zeichnen sich durch einen geringeren Anteil sozialer Handlungen und primär technische Eigenschaften aus, so dass die Bedeutung der Leistungsqualität für das affektive Commitment in diesem Untersuchungskontext nicht überrascht. Die Studienergebnisse müssen also unter dem Aspekt der Besonderheiten industrieller Geschäftsbeziehungen relativiert werden, da hier die Notwendigkeit zu ökonomischen und rationalen Handlungen der Relevanz persönlicher Beziehungen entgegensteht. Es bleibt festzuhalten, dass unter Beachtung der hier im Blickpunkt stehenden interaktiven Dienstleistungen die Interaktionsqualität zusätzlich als direkter Einflussfaktor des affektiven Commitment modelliert werden soll. Annahme 4:
Die wahrgenommene Interaktionsqualität beeinflusst das affektive Commitment eines Dienstleistungskunden positiv.
Abb. 7 fasst abschließend alle im Zusammenhang mit der Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität erarbeiteten Wirkungspfade im Überblick zusammen und stellt somit einen ersten Ausschnitt des Commitment-Erklärungsmodells für die Dienstleistungsbeziehung dar.
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Vgl. Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships, a.a.O., S. 406ff.
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Interaktionsqualität
+
Leistungsqualität
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+
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Kundenzufriedenheit +
normatives Commitment
kalkulatorisches Commitment
Abb. 7
Partialmodell: Kundenzufriedenheit – Beziehungs-Commitment
2.1.2 Vertrauen Seit der Erkenntnis, dass Vertrauen eine Schlüsselvariable für den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen darstellt,297 gewinnt das Konstrukt in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion stetig an Bedeutung.298 Der Zuwachs an vertrauensbezogenen Forschungsarbeiten ist dabei auch auf die zunehmende Berücksichtigung der Konsumentenunsicherheit zurückzuführen, wie sie bereits im Zusammenhang mit der Immaterialität von Dienstleistungen erörtert wurde. Trotz der seit Beginn der 1990er Jahre erheblich gestiegenen Zahl wissenschaftlicher Publikationen zum Vertrauen ist das Konstrukt mit Blick auf das Käuferverhalten konzeptionell längst nicht so weit durchdrungen wie das zuvor betrachtete Zufriedenheitskonstrukt.299 Die Bemühungen, das Vertrauen in Geschäftsbeziehungen begrifflich aufzuarbeiten, werden dabei maßgeblich durch Erkenntnisse aus der Sozialpsychologie geprägt.300 Vielfach wird Vertrauen hierbei durch Begriffe wie Glaubwürdigkeit (credibility) und Wohlwollen (benevo-
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Siehe beispielsweise Dwyer, F. R., Schurr, P. H., Oh, S. (1987): Developing Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 18; Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): Relationships Between Providers and Users of Market Research, a.a.O., S. 314ff.; Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 22; Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im BeziehungsMarketing, a.a.O., S. 22. Vgl. Bauer, H. H., Neumann, M. M., Schüle, A. (2006b): Vorwort, in: Bauer, H. H., Neumann, M. M., Schüle, A. (Hrsg.): Konsumentenvertrauen: Konzepte und Anwendungen für ein nachhaltiges Kundenbindungsmanagement, München, S. V. Vgl. Bakay, Z. (2003): Kundenbindung von Haushaltsstromkunden, a.a.O., S. 73. Vgl. Loose, A., Sydow, J. (1997): Vertrauen und Ökonomie in Netzwerkbeziehungen – Strukturationstheoretische Betrachtungen, in: Sydow, J. Windeler, A. (Hrsg.): Management interorganisationaler Beziehungen: Vertrauen, Kontrolle und Informationstechnik, Opladen, S. 166.
lence), Zuversicht (confidence), Verlässlichkeit (reliability) und Integrität (integrity) spezifiziert.301 Ganz allgemein gilt Vertrauen als Mechanismus zur Reduktion der Unsicherheit und Komplexität in Entscheidungssituationen.302 Unsicherheit und Komplexität resultieren dabei aus der generellen Annahme einer Person, dass Interaktions- bzw. Geschäftspartner über die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens verfügen. In der Literatur werden zwei grundsätzliche Konzeptionalisierungsansätze von Vertrauen unterschieden.303 Zunächst wird Vertrauen als komplexes Gebilde von Glaube, Meinungen und Erwartungen aufgefasst, das sowohl das Fühlen (affektiv) als auch das Denken (kognitiv) eines Menschen prägt, jedoch darüber hinaus keine direkte Verhaltensbereitschaft berücksichtigt. Vertrauen ist hiernach zu verstehen als „expectancy held by an individual or a group that the word, promise, verbal or written statement of another individual or group can be relied upon”304 oder anders formuliert: „Trust is a type of expectation that alleviates the fear that one’s exchange partner will act opportunistically.“305 Die zweite Vertrauenskonzeption erfasst darüber hinaus die intentionale Bereitschaft des Vertrauensgebers zu konkreten Handlungen im Sinne einer „willingness to rely on an exchange partner in whom one has confidence.“306 In dieser Auffassung kommt zum Ausdruck, dass es sich bei der vertrauensvollen Erwartung zwar um eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Existenz von Vertrauen handelt. Vielmehr liegt dieses erst vor, wenn sich die vertrauensvolle Erwartung in vertrauensvollem Verhalten des Vertrauensgebers äußert.307 Dieser Vertrauenskonzeption wird im Weiteren gefolgt, so dass zusammenfassend aus der Perspektive eines Dienstleistungskunden definiert werden soll: Bei Vertrauen handelt es sich um die freiwillige Erbringung einer riskanten Vorleistung eines Kunden unter Verzicht auf explizite Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen in der Erwartung, dass der Dienstleistungsanbieter auf opportunistisches Verhalten verzichtet.308 Der relativ abstrakte Begriff der riskanten Vorleistung rekurriert hier301
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So beispielsweise bei Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 23; Doney, P. M., Cannon, J. P. (1997): An Examination of the Nature of Trust in Buyer-Seller Relationships, in: Journal of Marketing, Vol. 61, April, S. 36. Vgl. hierzu und im Folgenden Luhmann, N. (2000): Vertrauen: Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 4. Aufl., Stuttgart, S. 27ff.; Ripperger, T. (2003): Ökonomik des Vertrauens, a.a.O., S. 13ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): Relationships Between Providers and Users of Market Research, a.a.O., S. 315; Schmitz, G. (1997): Marketing für professionelle Dienstleistungen, a.a.O., S. 150. Rotter, J. (1967): A New Scale for the Measurement of Interpersonal Trust, in: Journal of Personality, Vol. 35, No. 4, S. 651. Bradach, J. L., Eccles, R. G. (1989): Price, Authority, and Trust: From Ideal Types to Plural Forms, in: Annual Review of Sociology, Vol. 15, S. 104. Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): Relationships Between Providers and Users of Market Research, a.a.O., S. 315. Vgl. Ripperger, T. (2003): Ökonomik des Vertrauens, a.a.O., S. 43f. aber auch Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): Relationships Between Providers and Users of Market Research, a.a.O., S. 315. In Anlehnung an Ripperger, T. (2003): Ökonomik des Vertrauens, a.a.O., S. 45.
bei auf das Vorliegen einer für den Dienstleistungskunden risikobehafteten Situation.309 So vertraut ein Kunde seiner Bank Geld an, in der Zuversicht, dass diese es in die vorgegebene Verwendung überführt und nicht zweckentfremdet. Ein Patient vertraut einem Arzt seine Gesundheit an, im Vertrauen darauf, dass dieser notwendige medizinische Maßnahmen ergreift. Die Beispiele verdeutlichen, dass sowohl der Kunde als auch der Patient dem Risiko des Verlustes der erbrachten Vorleistung (Geld bzw. Gesundheit) ausgesetzt sind. Es ist ersichtlich, dass damit für die Initiierung einer Dienstleistungsbeziehung ein Mindestmaß an Kundenvertrauen vorliegen muss.310 Die Entstehung von Vertrauen ist auf drei zentrale Komponenten zurückzuführen, deren relative Bedeutung im Beziehungsablauf variiert (vgl. hierzu auch Abb. 8).311 Affektives Vertrauen ist als Basiskomponente des Vertrauenskonstrukts zu verstehen, dessen Bedeutung über die Dienstleistungsbeziehung hinweg stabil bleibt. Es stellt eine Art Grundvertrauen eines Kunden dar, das zumeist im Kindesalter geprägt wird und weitgehend emotional determiniert ist.312 Das Reputationsvertrauen ist von besonderer Relevanz bei der ersten Inanspruchnahme einer Leistung, vor der ein Kunde über keinerlei persönliche Erfahrungen mit dem konkreten Anbieter verfügt.313 Zum Aufbau dieses notwendigen initialen Vertrauens greift der Nachfrager auf Informationen Dritter zurück. Der Bildung des Reputationsvertrauens dienen ebenso der gute Ruf bzw. das Image eines Unternehmens.314 Damit kann das Reputationsvertrauen letztlich auch durch die kommunikativen Bemühungen des Anbieters beeinflusst werden.315 Mit ansteigender Zahl der Transaktionen innerhalb einer Dienstleistungsbeziehung sammelt der Kunde eigene Erfahrungen mit dem Dienstleistungsanbieter. Bei einer Bestätigung des initialen Reputationsvertrauens wird dieses zunehmend durch das auf eigenen
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Zum Risiko bzw. zur Unsicherheit als konstituierende Merkmale von Vertrauen siehe auch Crosby, L. A., Evans, K. R., Cowles, D. (1990): Relationship Quality in Services Selling, a.a.O., S. 70; Doney, P. M., Cannon, J. P. (1997): An Examination of the Nature of Trust in Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 36. Vgl. Ahlert, D., Kenning, P., Petermann, F. (2001): Die Bedeutung von Vertrauen für die Interaktionsbeziehungen zwischen Dienstleistungsanbietern und -nachfragern, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsmanagement Jahrbuch 2001: Interaktionen im Dienstleistungsbereich, Wiesbaden, S. 289 sowie allgemein Deutsch, M. (1960): The Effect of Motivational Orientation upon Trust and Suspicion, in: Human Relations, Vol. 13, May, S. 124. Vgl. hierzu und im Folgenden Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 108. Vgl. Ahlert, D., Kenning, P., Petermann, F. (2001): Die Bedeutung von Vertrauen für die Interaktionsbeziehungen zwischen Dienstleistungsanbietern und -nachfragern, a.a.O., S. 288. Vgl. hierzu und im Folgenden Bouncken, R. (2000): Vertrauen – Kundenbindung – Erfolg? Zum Aspekt des Vertrauens bei Dienstleistungen, in: Bruhn, M., Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsmanagement Jahrbuch 2000: Kundenbeziehungen im Dienstleistungsbereich, Wiesbaden, S. 7. Vgl. Ahlert, D., Kenning, P., Petermann, F. (2001): Die Bedeutung von Vertrauen für die Interaktionsbeziehungen zwischen Dienstleistungsanbietern und -nachfragern, a.a.O., S. 288. Vgl. hierzu und im Folgenden Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 108.
Eindrücken basierende Erfahrungsvertrauen substituiert und ergänzt. Erfahrungsvertrauen ist insbesondere für die Langlebigkeit von Interaktionsbeziehungen bedeutsam.316 relative Bedeutung der Vertrauenskomponenten
1 Erfahrungsvertrauen
Reputationsvertrauen 0
affektives Vertrauen
t0
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erste Interaktion
Abb. 8
Bedeutung von Vertrauenskomponenten im Zeitablauf Quelle: in Anlehnung an Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 108.
Für die Betrachtung des Vertrauens innerhalb einer Dienstleistungsbeziehung erscheint eine Differenzierung der Vertrauenssubjekte bzw. -objekte notwendig. Wie Abb. 9 zeigt, lassen sich in Abhängigkeit davon, ob es sich bei dem Vertrauensgeber bzw. -nehmer um Personen oder Organisationen handelt, vier unterschiedliche Vertrauensrelationen unterscheiden.317 Für die hier im Blickpunkt stehende Dienstleistungsbeziehung sind allerdings nur das interpersonelle Vertrauen sowie das Systemvertrauen von weiterem Interesse. Interpersonelles Vertrauen kennzeichnet das Vertrauen in einzelne Personen und ihre persönlichen Eigenschaften.318 Neben dem Vertrauen gegenüber einzelnen Familienmitgliedern, Nachbarn oder Kollegen zählt hierzu auch das Vertrauen eines Kunden in einen einzelnen Dienstleistungsmitarbeiter. Das Systemvertrauen, maßgeblich durch die Forschungsarbeit von LUHMANN geprägt, bezieht sich hingegen auf das Vertrauen eines Individuums in abstrakte Systeme,319 denen auch Unternehmungen zugeordnet werden können.320 Insofern ist das Systemvertrauen nicht mehr mit der unmittelbaren Identität bekannter Personen verbunden.321 316
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Vgl. Ahlert, D., Kenning, P., Petermann, F. (2001): Die Bedeutung von Vertrauen für die Interaktionsbeziehungen zwischen Dienstleistungsanbietern und -nachfragern, a.a.O., S. 288. Vgl. Winand, U., Pohl, W. (2000): Die Vertrauensproblematik in elektronischen Netzwerken, in: Link, J. (Hrsg.): Wettbewerbsvorteile durch Online Marketing: Die strategischen Perspektiven elektronischer Märkte, 2. Aufl., Berlin et al., S. 267f. Vgl. hierzu und im Folgenden Petermann, F., Winkel, S. (2006): Interpersonelles Vertrauen – Grundlagen, Messung, empirische Befunde, in: Bauer, H. H., Neumann, M. M., Schüle, A. (Hrsg.): Konsumentenvertrauen: Konzepte und Anwendungen für ein nachhaltiges Kundenbindungsmanagement, München, S. 80. Vgl. Luhmann, N. (2000): Vertrauen, a.a.O., S. 60ff. Vgl. Petermann, F., Winkel, S. (2006): Interpersonelles Vertrauen, a.a.O., S. 80. Vgl. Schmitz, G. (2001): Die Dynamik dauerhafter Geschäftsbeziehungen in Dienstleistungsmärkten, a.a.O., S. 11.
Vertrauensnehmer Person
Organisationsvertrauen in Personen
Interpersonelles Vertrauen Vertrauensgeber Person
Vertrauensgeber Organisation Interorganisationales Vertrauen
Vertrauen in Systeme
Vertrauensnehmer Organisation
Abb. 9
Systematisierung von Vertrauensrelationen Quelle: in Anlehnung an Winand, U., Pohl, W. (2000): Die Vertrauensproblematik in elektronischen Netzwerken, a.a.O., S. 267.
Die Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch einen Kunden ist folglich sowohl mit dem Vertrauen in das Dienstleistungsunternehmen als auch dem Vertrauen in einzelne Mitarbeiter verbunden.322 Der Kunde einer Bank vertraut einerseits seinem persönlichen Kundenbetreuer als ersten Ansprechpartner und andererseits dem Bankunternehmen mit seinen Reglements und Geschäftsprozessen. Beide Vertrauensrelationen greifen aus Sicht des Kunden ineinander. Da es sich bei dem Dienstleistungsmitarbeiter um ein Mitglied der Dienstleistungsorganisation handelt, ist dessen Verhalten zumindest teilweise auf die Reglements des Dienstleistungsunternehmens zurückzuführen. Interpersonelles Vertrauen in den Dienstleistungsmitarbeiter wird somit auch zu Vertrauen in das Dienstleistungsunternehmen führen. Gleichzeitig strahlt aber auch das beispielsweise auf dem guten Ruf basierende Reputationsvertrauen eines Dienstleistungsunternehmens auf dessen Organisationsmitglieder bzw. -mitarbeiter ab. Es ist also anzunehmen, dass interpersonelles Vertrauen in einen Dienstleistungsmitarbeiter das Vertrauen des Kunden in das System Dienstleistungsunternehmen beeinflusst und umgekehrt.323 Dieses wechselseitige Verhältnis von interpersonellem und Systemvertrauen weisen
322
323
Vgl. Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 108 und im Bereich industrieller Geschäftsbeziehungen Doney, P. M., Cannon, J. P. (1997): An Examination of the Nature of Trust in Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 36; Ganesan, S., Hess, R. (1997): Dimensions and Levels of Trust: Implications for Commitment to a Relationship, in: Marketing Letters, Vol. 8, No. 4, S. 440f. Vgl. Kassebaum, U. B. (2004): Interpersonelles Vertrauen: Entwicklung eines Inventars zur Erfassung spezifischer Aspekte des Konstrukts, Diss., Hamburg, S. 18.
DONEY/CANNON in ihrer Untersuchung zum Vertrauen in industriellen Geschäftsbeziehungen empirisch nach.324 Die Bedeutung des Vertrauens für die psychologische Bindung eines Kunden an seinen Dienstleistungsanbieter lässt sich theoretisch durch die Erkenntnisse der Risikotheorie begründen. Infolge ihrer Immaterialität ist die Dienstleistungsinanspruchnahme für den Kunden mit einem Informationsnachteil und somit einem zusätzlichen Risiko verbunden. Diese negative Wahrnehmung kann durch die unsicherheits- und komplexitätsreduzierende Wirkung von Vertrauen abgeschwächt werden.325 Dabei gewinnt dieser Wirkmechanismus von Vertrauen im Verlauf einer Dienstleistungsbeziehung an Intensität,326 indem die Bestätigung des initialen Reputationsvertrauens mit jeder zusätzlichen vertrauensbestätigenden Interaktion zwischen Kunden und Dienstleistungsanbieter zu einem sukzessiven Ausbau des Vertrauensverhältnisses führt. Da Nachfrager gemäß der Risikotheorie bestrebt sind, ihr subjektiv wahrgenommenes Risiko bei der Leistungsinanspruchnahme zu minimieren, werden Kunden eine psychologische Bindung zu jenen Dienstleistungsanbietern entwickeln, zu denen sie Vertrauen aufgebaut haben.327 Vertrauen übernimmt insofern eine stabilisierende Funktion für die Beziehung des Kunden zu seinem Dienstleister. Weiter oben wurde darüber hinaus bereits hergeleitet, dass sich ein Kunde ohne ein gewisses Maß an Vertrauen gar nicht erst auf eine Dienstleistungsbeziehung einlassen wird. Zu beantworten ist weiterführend die Frage, welche der drei Commitment-Komponenten in einem kausalen Zusammenhang zum Vertrauenskonstrukt stehen. Da Vertrauen zur Befriedigung zentraler Bedürfnisse des Individuums nach sozialem Austausch, Unsicherheits- und Komplexitätsreduktion beiträgt, ist in erster Linie von einem direkten Einfluss des Vertrauens auf das affektive Commitment eines Dienstleistungskunden auszugehen.328 Vertrauen reflektiert die Überzeugung, dass sich der Kunde auf das Wohlwollen und die Integrität des Dienstleisters verlassen kann. Insofern fördert Vertrauen den auf positiven Gefühlen, Befürwortung und Identifikation basierenden psychologischen Bindungszustand des affektiven Commitment. Die absolute Mehrheit der empirischen Untersuchungen in der Marketingforschung zum Einfluss des Vertrauens auf das Commitment wurde im Kontext industrieller Geschäftsbeziehungen bzw. im Bereich des vertikalen Marketing durchgeführt. In diesen Arbeiten wird aller324
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326 327 328
Vgl. Doney, P. M., Cannon, J. P. (1997): An Examination of the Nature of Trust in Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 41ff. Siehe auch Jones, G. R. (1990): Governing Customer-Service Organization Exchange, in: Journal of Business Research, Vol. 20, No. 1, S. 26; Grund, M. A. (1998): Interaktionsbeziehungen im Dienstleistungsmarketing, a.a.O., S. 113. Vgl. Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungs-Marketing, a.a.O., S. 24. Ähnlich bei Homburg, C., Bruhn, M. (2005): Kundenbindungsmanagement, a.a.O., S. 14. Vgl. Hennig-Thurau, T., Klee, A. (1997): The Impact of Customer Satisfaction and Relationship Quality on Customer Retention, a.a.O., S. 754; Klee, A. (2000): Strategisches Beziehungsmanagement, a.a.O., S. 121.
dings nur vereinzelt der mehrdimensionale Charakter des Commitment-Konstrukts explizit berücksichtigt. Dennoch geben auch jene Analysen, die Commitment als eindimensionales Konstrukt modellieren, bei einer genauen Betrachtung des verwendeten Messinstrumentariums Aufschluss über das konkrete Verhältnis zwischen Vertrauen und affektivem Commitment.329 So weisen MOORMAN ET AL. in ihrer Untersuchung zur Bedeutung von Vertrauen in der Beziehung zwischen Auftraggebern und Marktforschungsinstituten den positiven Einfluss des Vertrauens auf das (affektive) Commitment der Kunden empirisch nach.330 MORGAN/HUNT unterziehen ihre vielfach zitierte Commitment-Trust Theorie einer empirischen Überprüfung.331 Mittels einer Befragung von Reifenhändlern über die Beziehung zu ihren Zulieferern konnte das Autorenpaar den postulierten kausalen Zusammenhang zwischen Vertrauen und (affektivem) Commitment bestätigen. Darüber hinaus zeichnet sich in den Untersuchungen von KWON/SUH332, IVENS ET AL.333, ABDUL-MUHMIN334 und KINGSHOTT335 die Signifikanz des Einflusses von Vertrauen auf das affektive Commitment ab. Einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn generiert die Arbeit von COOTE ET AL., da die Wissenschaftler ihre empirische Untersuchung zur Funktion des Vertrauens als Determinante des (affektiven) Commitment in industriellen Austauschbeziehungen im fernöstlichen Kulturkreis durchführten.336 Die Bestätigung ihrer Hypothese deutet somit auf eine kulturübergreifende Beziehung zwischen Vertrauen und affektivem Commitment hin. GILLILAND/BELLO differenzieren in ihrer Untersuchung zu Hersteller-Händler-Beziehungen „calculative commitment“ und „loyalty commitment“,337 wobei das „loyalty commitment“ 329
Verwiesen sei hier auf die nachfolgenden Untersuchungen von MOORMAN ET AL., MORGAN/HUNT, COOTE KWON/SUH, ABDUL-MUHMIN, IVENS ET AL. und KINGSHOTT, in denen die jeweils verwendeten Commitment-Skalen auf eine affektive Commitment-Auffassung der Autoren hindeuten. Vgl. Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): Relationships Between Providers and Users of Market Research, a.a.O., S. 315ff. Vgl. Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 20ff. Vgl. Kwon, I.-W. G., Suh, T. (2004): Factors Affecting the Level of Trust and Commitment in Supply Chain Relationships, in: The Journal of Supply Chain Management, Vol. 40, Spring, S. 4ff. Vgl. Ivens, B. S., Haas, A., Pardo, C. (2005): How Different Control Mechanisms and Trust Affect Customer Commitment, Report 6-2005, Pennsylvania State University, University Park, o.S. Vgl. Abdul-Muhmin, A. G. (2005): Instrumental and Interpersonal Determinants of Relationship Satisfaction and Commitment in Industrial Markets, in: Journal of Business Research, Vol. 58, No. 5, S. 622ff. Der Autor untersucht die Glaubwürdigkeit, das Wohlwollen und das wahrgenommene opportunistische Handeln eines Lieferanten als Determinanten des (affektiven) Commitment. Es bestätigt sich ein signifikanter positiver Einfluss der beiden erstgenannten Vertrauensdimensionen. Der postulierte negative Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Opportunismus und dem (affektiven) Commitment kann nicht bestätigt werden. ABDUL-MUHMIN führt letztgenanntes Ergebnis unter anderem auf die Existenz umfangreicher Vertragswerke zwischen den Geschäftspartnern zurück. Vgl. Kingshott, R. P. J. (2006): The Impact of Psychological Contracts upon Trust and Commitment within Supplier-Buyer Relationships, in: Industrial Marketing Management, Vol. 35, No. 6, S. 727ff. Vgl. Coote, L. V., Forrest, E. J., Tam, T. W. (2003): An Investigation into Commitment in Non-Western Industrial Marketing Relationships, in: Industrial Marketing Management, Vol. 32, No. 7, S. 595ff. Vgl. Gilliland, D. I., Bello, D. C. (2002): Two Sides to Attitudinal Commitment, a.a.O., S. 24ff.
ET AL., 330
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einen affektiv und in Ansätzen normativ begründeten psychologischen Bindungszustand in einer Dimension vereinigt. Das Autorenpaar testet und bestätigt ein Modell, in dem sie Vertrauen als Determinante des „loyalty commitment“ modellieren. Ein konkurrierendes Strukturmodel mit einem weiteren Wirkungspfad vom Vertrauen zum kalkulatorischen Commitment besitzt indes keine zusätzliche Erklärungskraft. GEYSKENS ET AL. unterstellen zusätzlich zu der positiven Beziehung zwischen Vertrauen und affektivem Commitment einen negativen Zusammenhang zwischen Vertrauen und kalkulatorischem Commitment.338 Sie gehen davon aus, dass mit sinkendem Vertrauen das kalkulatorische Commitment zunimmt: „When trust is low […] decisions as to wheter to maintain the relationship are more likely to be based on a calculation of immediate benefits versus costs.”339 Beide postulierten Wirkungspfade halten der empirischen Überprüfung stand. Ein nicht ganz eindeutiges Bild ergibt die Studie von WETZELS ET AL. im Kontext industrieller Dienstleistungsbeziehungen.340 Die Autoren weisen zwar die Abhängigkeit des affektiven Commitment eines Kunden von dem wahrgenommenen Wohlwollen und der wahrgenommenen Ehrlichkeit als Dimensionen des Kundenvertrauens nach, die Wirkung der Vertrauensdimensionen auf das kalkulatorische Commitment ist allerdings nicht eindeutig. Während die Dimension „wahrgenommenes Wohlwollen des Anbieters“ einen negativen Einfluss auf das kalkulatorische Commitment des Kunden ausübt, besteht zwischen der „wahrgenommenen Ehrlichkeit“ und dem kalkulatorischen Commitment ein positiver Zusammenhang. Die Bedeutung des Vertrauens als Determinante des Commitment im Kontext konsumtiver Dienstleistungen wird nur vereinzelt untersucht. HENNIG-THURAU ET AL. können einen direkten positiven Einfluss des Vertrauens von Dienstleistungskunden auf deren (affektives) Commitment empirisch nicht bestätigen.341 Da ihre Untersuchungsergebnisse im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus dem Bereich der industriellen Geschäftsbeziehungen stehen, fordern sie weitere empirische Analysen zum Zusammenhang von Vertrauen und Commitment in der Dienstleistungsbeziehung. Überdies weisen die Autoren in ihrer Arbeit auf einen indirekten Einfluss des Vertrauens auf den emotionalen Bindungszustand des Dienstleistungskunden über dessen Zufriedenheit hin. Auch BAKAY analysiert in seiner Arbeit zur Bindung von Haushaltsstromkunden das Verhältnis von Kundenzufriedenheit, Vertrauen und (affektivem) 338
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340 341
Vgl. Geyskens, I. et al. (1996): The Effects of Trust and Interdependence on Relationship Commitment, a.a.O., S. 303ff. Geyskens, I. et al. (1996): The Effects of Trust and Interdependence on Relationship Commitment, a.a.O., S. 308. Vgl. Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships, a.a.O., S. 406ff. Vgl. Hennig-Thurau, T., Gwinner, K. P., Gremler, D. D. (2002): Understanding Relationship Marketing Outcomes, a.a.O., S. 230ff. Zwar steht im Mittelpunkt ihrer Untersuchung ein eindimensionales Commitment-Konstrukt, das aber, wie bereits in Kap. C 2.1.1 gezeigt wurde, im Einklang mit dem in dieser Arbeit betrachteten affektiven Commitment steht.
Commitment.342 Der Autor bestätigt zunächst einmal die Funktion von Vertrauen als direkte Bestimmungsgröße des (affektiven) Commitment. Im Gegensatz zu HENNIG-THURAU ET AL. postuliert er allerdings einen indirekten Wirkungspfad der Zufriedenheit auf das (affektive) Commitment eines Dienstleistungskunden über dessen Vertrauen. Bevor jedoch die kausale Beziehung von Kundenzufriedenheit und Vertrauen sowie die daraus resultierenden Konsequenzen für das Beziehungs-Commitment zu erörtern sind, soll abschließend die Bedeutung des Vertrauenskonstrukts als direkte Einflussgröße des Commitment eines Dienstleistungskunden diskutiert werden. Hierzu sei auch auf die das affektive Commitment explizit adressierende Untersuchung von BANSAL ET AL. im Kontext der konsumtiven Dienstleistungen verwiesen, in der die Funktion von Vertrauen als Determinante des affektiven Commitment verifiziert wird.343 Obige konzeptionelle Überlegungen und empirische Erkenntnisse resümierend, erweist sich der Einfluss des Vertrauens auf das affektive Commitment als unumstritten. Vertrauen fördert die Entstehung einer aufrichtigen und harmonischen Beziehung zwischen Kunden und Dienstleister und trägt somit zur Entwicklung einer emotionalen Bindung des Dienstleistungsnachfragers bei. Annahme 5:
Das Vertrauen in das Dienstleistungsunternehmen beeinflusst das affektive Commitment eines Dienstleistungskunden positiv.
Unter Berücksichtigung des erörterten wechselseitigen Einflussverhältnisses von interpersonellem Vertrauen in den konkreten Dienstleistungsmitarbeiter und Systemvertrauen in das Dienstleistungsunternehmen gilt im Erklärungsmodell des Beziehungs-Commitment weiterhin: Annahme 6:
Das Vertrauen eines Kunden in das Dienstleistungsunternehmen beeinflusst dessen Vertrauen in einen konkreten Dienstleistungsmitarbeiter positiv.
Annahme 7:
Das Vertrauen in einen konkreten Dienstleistungsmitarbeiter beeinflusst das Vertrauen des Kunden in das Dienstleistungsunternehmen und damit indirekt das affektive Commitment positiv.
Wie dargestellt, kommen die empirischen Untersuchungen in Hinblick auf den Einfluss des Vertrauens auf das kalkulatorische Commitment zu keinem einheitlichen Ergebnis. WETZELS ET AL. argumentieren, „that if partners in a relationship trust each other more they are more emotionally involved and less consciously weighing the benefits against the costs of
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Vgl. Bakay, Z. (2003): Kundenbindung von Haushaltsstromkunden, a.a.O., S. 87ff. Vgl. Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 234ff.
that relationship.“344 Implizit kommt in dieser Aussage die Ansicht zum Ausdruck, dass sich das affektive Beziehungs-Commitment und eine instrumentelle Bindung auf Basis von Kosten-Nutzen-Überlegungen ausschließen. Dieser Auffassung wird in der vorliegenden Arbeit allerdings nicht gefolgt. Darüber hinaus soll im anschließenden Kapitel gezeigt werden, dass Vertrauen zu einer Erhöhung der wahrgenommenen Wechselkosten beitragen kann und somit indirekt das kalkulatorische Commitment determiniert. Ein direkter Wirkungspfad von Vertrauen zum normativen Commitment wird in dem hier zu entwickelnden Erklärungsmodell von Commitment nicht modelliert. Weder konzeptionelle noch empirische Arbeiten deuten auf einen derartigen kausalen Zusammenhang hin. Es erscheint insgesamt wenig plausibel, dass lediglich aus der Erwartung des Kunden, dass der Dienstleistungsanbieter auf opportunistisches Verhalten verzichtet, zwangsläufig ein Gefühl einer moralischen Verpflichtung zur Bindung an den Anbieter verbunden ist. Weiterführend soll nun die bereits angeklungene Beziehung zwischen Kundenzufriedenheit und Vertrauen aufgegriffen und spezifiziert werden, um etwaige zusätzliche indirekte Wirkungspfade auf das Beziehungs-Commitment eines Dienstleistungskunden zu identifizieren. Das Verhältnis zwischen den beiden Konstrukten wird in der Literatur nicht einheitlich dargestellt. Es finden sich empirische Untersuchungen wie auch konzeptionelle Arbeiten, in denen die Kundenzufriedenheit als Determinante des Vertrauens eingebunden wird.345 Aber auch ein entgegengerichteter Wirkungspfad mit Vertrauen als Prädiktor der Kundenzufriedenheit wird verschiedentlich unterstellt.346 Diese beide kausalen Zusammenhänge sollen im Weiteren hinsichtlich ihrer Relevanz diskutiert werden. Der Einfluss der Kundenzufriedenheit auf die Vertrauensbildung ist mit der positiven Diskonfirmation der von dem Nachfrager erwarteten Leistung in Verbindung zu bringen. Der Anbieter bestätigt mit einer zufriedenstellenden Leistung gleichzeitig das ihm durch den Kunden entgegengebrachte Vertrauen.347 Für den Kunden wird damit ein Beweis erbracht, dass er sein Vertrauen sinnvoll eingesetzt hat.348 Konsistent positive Wahrnehmungen des Kunden hinsichtlich der Leistungen des Anbieters im Sinne einer kumulativen beziehungsbe344 345
346
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Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships, a.a.O., S. 411. Vgl. Bliemel, F. W., Eggert, A. (1998): Kundenbindung, a.a.O., S. 40; Tax, S. S., Brown, S. W., Chandrashekaran, M. (1998): Customer Evaluations of Service Complaint Experiences: Implications for Relationship Marketing, in: Journal of Marketing, Vol. 62, April, S. 60ff.; Singh, J., Sirdeshmukh, D. (2000): Agency and Trust Mechanisms in Consumer Satisfaction and Loyalty Judgments, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 28, No. 1, S. 150ff.; Kwon, I.-W. G., Suh, T. (2004): Factors Affecting the Level of Trust and Commitment in Supply Chain Relationships, a.a.O., S. 6ff. Vgl. Diller, H., Kusterer, M. (1988): Beziehungsmanagement, a.a.O., S. 219; Mohr, J., Spekman, R. (1994): Characteristics of Partnership Success: Partnership Attributes, Communication Behavior, and Conflict Resolution Techniques, in: Strategic Management Journal, Vol. 15, No. 2, S. 135ff. Vgl. Ganesan, S. (1994): Determinants of Long-Term Orientation in Buyer-Seller Relationships, in: Journal of Marketing, Vol. 58, April, S. 5. Vgl. Lorbeer, A. (2003): Vertrauensbildung in Kundenbeziehungen, a.a.O., S. 115.
zogenen Kundenzufriedenheit fördern somit das Erfahrungsvertrauen des Kunden für künftige Transaktionen mit dem Dienstleistungsunternehmen.349 Einen empirischen Nachweis für den positiven Effekt der Kundenzufriedenheit auf das Vertrauen liefert beispielsweise die Studie von TAX ET AL.350 Annahme 8:
Die Zufriedenheit eines Dienstleistungskunden beeinflusst dessen Vertrauen in das Dienstleistungsunternehmen positiv.
Gleichzeitig ist anzumerken, dass wiederum das Vertrauen gegenüber dem Dienstleistungsanbieter die kumulative Beziehungszufriedenheit beeinflusst und demzufolge von einer Wechselwirkung zwischen Zufriedenheit und Vertrauen auszugehen ist.351 So trägt Vertrauen dazu bei, dass Kunden den Zusicherungen des Dienstleistungsanbieters über die Vertrauenseigenschaften seiner Leistung Glauben schenken.352 Vertrauen dient dem Nachfrager hier als Informationssubstitut für die nicht beurteilbaren Leistungseigenschaften.353 Zudem wirken sich vom Vertrauen ausgehende positive psychische Interferenzeffekte vorteilhaft auf das Zufriedenheitsurteil des Kunden aus.354 Ferner werden in diesem Zusammenhang Assimilationseffekte diskutiert, die von der Wertschätzung vertrauensvoller Beziehungen ausgehen. Derartige Effekte weisen HOLMES/REMPEL nach.355 Sie zeigen, dass Personen negative Wahrnehmungen, die im Widerspruch zu ihrer Vertrauensvorstellung stehen, abwerten und somit eine Diskrepanz zwischen ihren Erwartungen und der wahrgenommenen Realität vermeiden. Annahme 9:
Das Vertrauen in das Dienstleistungsunternehmen beeinflusst die Zufriedenheit des Dienstleistungskunden positiv.
Ein weiterer indirekter Wirkungspfad, mit dem Vertrauen als mittelbare Bestimmungsgröße der Kundenzufriedenheit, kann durch die positiven Auswirkungen des Kundenvertrauens auf die Interaktionsprozesse während der Dienstleistungserstellung begründet werden. So verbessert Vertrauen beispielsweise die Kommunikation zwischen den Interaktionspartnern.356 Vertrauende Kunden stellen dem Dienstleister ausführlichere Informationen über sich und 349 350
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354 355
356
Vgl. Klee, A. (2000): Strategisches Beziehungsmanagement, a.a.O., S. 116. Vgl. Tax, S. S., Brown, S. W., Chandrashekaran, M. (1998): Customer Evaluations of Service Complaint Experiences, a.a.O., S. 60ff. Vgl. Jung, S. (1999): Das Management von Geschäftsbeziehungen: Ein Ansatz auf transaktionskostentheoretischer, sozialpsychologischer und spieltheoretischer Basis, Wiesbaden, S. 189; Lorbeer, A. (2003): Vertrauensbildung in Kundenbeziehungen, a.a.O., S. 115. Vgl. Klee, A. (2000): Strategisches Beziehungsmanagement, a.a.O., S. 117. Zur Informationssubstitution als Strategie der Unsicherheitsreduktion vgl. Adler, J. (1996): Informationsökonomische Fundierung von Austauschprozessen, a.a.O., S. 101ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Klee, A. (2000): Strategisches Beziehungsmanagement, a.a.O., S. 117. Vgl. Holmes, J. G., Rempel, J. K. (1989): Trust in Close Relationships, in: Hendrick, C. (Ed.): Close Relationships: Review of Personality and Social Psychology, Vol. 10, Newbury Park et al., S. 204ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): Relationships Between Providers and Users of Market Research, a.a.O., S. 316; Schmitz, G. (1997): Marketing für professionelle Dienstleistungen, a.a.O., S. 189.
ihre Bedürfnisse zur Verfügung und ermöglichen dem Mitarbeiter somit, gezielter auf ihre konkreten Ansprüche einzugehen. Gleichzeitig trägt Vertrauen zwischen den Interaktionspartnern zur funktionalen Lösung von Konflikten bei.357 Das Austragen von Konflikten wird in vertrauensvollen Beziehungen nicht als Streit, sondern als produktive Konsequenz von Unstimmigkeiten angesehen. Vertrauen beeinflusst demnach durch die offene Kommunikation und die funktionale Konfliktlösung als Merkmale der interpersonellen Interaktionsprozesse die wahrgenommene Interaktionsqualität und somit indirekt die Kundenzufriedenheit358 und das affektive Commitment. Aber auch die wahrgenommene Leistungsqualität ist im Zusammenhang mit dem Vertrauenskonstrukt zu betrachten, da Vertrauen neben dem Kommunikations- und Konfliktlösungsverhalten gleichermaßen Einfluss auf die Kooperationsbereitschaft des Kunden ausübt.359 Unter Berücksichtigung, dass die Leistungsqualität durch die Integration des externen Faktors in den Leistungserstellungsprozess auch im erheblichen Maß von der Kooperations- bzw. Integrationsbereitschaft des Kunden abhängt,360 ist folglich von einem positiven Effekt des Vertrauens auf die wahrgenommene Leistungsqualität und indirekt auf die Kundenzufriedenheit auszugehen. Mit Blick auf die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen interpersonellem Vertrauen gegenüber dem Dienstleistungsmitarbeiter und Systemvertrauen gegenüber der Dienstleistungsunternehmung stellt sich allerdings die Frage, von welcher Vertrauensrelation die soeben beschriebenen positiven Effekte der offenen Kommunikation, des Konfliktlösungsverhaltens und der Kooperationsbereitschaft ausgelöst werden. Konkrete Aussagen sind diesbezüglich nur in Abhängigkeit der betrachteten Dienstleistungsart zu treffen. Für die hier im Vordergrund stehenden persönlich interaktiven Dienstleistungen, bei deren Erstellung die Dienstleistungsmitarbeiter über ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit und individuelle Fähigkeiten verfügen, ist es in erster Linie das interpersonelle Vertrauen, von dem Einflüsse auf die wahrgenommene Interaktions- und Leistungsqualität unterstellt werden sollen.
357
358
359
360
Vgl. hierzu und im Folgenden Anderson, J. C., Narus, J. A. (1990): A Model of Distributor Firm and Manufacturer Firm Working Partnerships, in: Journal of Marketing, Vol. 54, January, S. 45; Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 26; Pruitt, D. G., Carnevale, P. J. (2001): Negotiation in Social Conflict, Buckingham, S. 133f. Vgl. Moorman, C., Zaltman, G., Desphandé, R. (1992): Relationships Between Providers and Users of Market Research, a.a.O., S. 316. Vgl. Andaleeb, S. S. (1995): Dependence Relations and the Moderating Role of Trust: Implications for Behavioral Intentions in Marketing Channels, in: International Journal of Research in Marketing, Vol. 12, No. 2, S. 159ff.; Anderson, J. C., Narus, J. A. (1990): A Model of Distributor Firm and Manufacturer Firm Working Partnerships, a.a.O., S. 45; Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 26. Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. B 1.3.
Annahme 10: Das Vertrauen eines Dienstleistungskunden in einen konkreten Dienstleistungsmitarbeiter beeinflusst die wahrgenommene Interaktions- und Leistungsqualität positiv. Insgesamt ist an dieser Stelle analog zu den Überlegungen bezüglich des Zusammenhangs von Kundenzufriedenheit und Systemvertrauen gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen von einem zyklischen, sich selbst verstärkenden Wirkungsmechanismus zwischen Interaktions- bzw. Leistungsqualität und interpersonellem Vertrauen auszugehen. Positive Interaktionserfahrungen wie Freundlichkeit, Offenheit, Bemühtheit des Dienstleistungsmitarbeiters bekräftigen das Vertrauen des Kunden in den konkreten Mitarbeiter. Aber auch die Leistungsqualität trägt, sofern der Kunde sie mit dem einzelnen Mitarbeiter (z.B. den behandelnden Arzt oder den Friseur) in Verbindung bringt, zur Entwicklung des Vertrauens in die konkrete Person bei. Annahme 11: Die wahrgenommene Interaktions- und Leistungsqualität beeinflussen das Vertrauen eines Dienstleistungskunden in einen konkreten Dienstleistungsmitarbeiter positiv. Die zusammenfassende Abb. 10 gibt nochmals einen Überblick aller im Zusammenhang mit dem Vertrauenskonstrukt erarbeiteten Wirkungspfade im Commitment-Modell.
+
Interaktionsqualität
+
+
Leistungsqualität
+
Kundenzufriedenheit
+ Vertrauen in Dienstleistungsmitarbeiter
+ +
+
Vertrauen in Dienstleistungsunternehmen
+
affektives Commitment
normatives Commitment
kalkulatorisches Commitment
Abb. 10
Partialmodell: Vertrauen – Beziehungs-Commitment
2.1.3 Wahrgenommene Wechselkosten Bei den wahrgenommenen Wechselkosten handelt es sich um ein zentrales Konzept zur Erklärung der Bindung von Kunden an bestehende Geschäftsbeziehungen.361 Ganz generell werden durch den Begriff der Wechselkosten all jene mit einem Anbieterwechsel verbundenen Nachteile adressiert, die aus der Beendigung des bestehenden und dem Aufbau eines neuen Geschäftsverhältnisses resultieren.362 PLINKE/SÖLLNER sprechen auch von den Opfern, die Kunden beim Wechsel ihrer Geschäftspartner erbringen müssen.363 Diese Opfer umfassen nicht nur monetäre Zahlungen, sondern auch das Risiko, die Anstrengungen und Zeitaufwendungen, die Kunden bei der Aufgabe ihrer Geschäftsbeziehung in Kauf zu nehmen hätten.364 Das Konzept der Wechselkosten ist somit nicht einseitig auf die ökonomische Ausgabewirkung eines Anbieterwechsels beschränkt, sondern beinhaltet darüber hinaus nichtökonomische psychosoziale Aspekte,365 weshalb auch alternativ die Bezeichnungen Wechselbarrieren oder Wechselhemmnisse Verwendung finden können. Durch die Einbindung qualitativer Elemente handelt es sich bei den Wechselkosten zwangsläufig um subjektiv empfundene Größen.366 Eine allgemeine theoriegeleitete Begründung des Einflusses der Wechselkosten auf das Beziehungs-Commitment liegt in der Transaktionskostentheorie. Demnach basieren Entscheidungen über die Fortführung oder den Wechsel von Geschäftsbeziehungen auf komparativen Kostenanalysen und folglich auf realisierbaren Effizienzvorteilen.367 Kunden fühlen sich psychologisch an ihren Anbieter gebunden, wenn die Beendigung der aktuellen Geschäftsbeziehung mit dem Verlust von Transaktionskostenvorteilen einhergeht, der durch den zusätzlichen Nutzen eines neuen Geschäftsverhältnisses nicht überkompensiert werden kann.368 Die Einbuße bestehender Transaktionskostenvorteile bzw. die Antizipation zusätzlicher Transaktionskosten in der neuen Beziehung stellen für den Kunden Wechselkosten dar. Insofern ist 361
362
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364
365
366 367 368
Vgl. beispielsweise die Arbeiten von Jackson, B. B. (1985): Winning and Keeping Industrial Customers: The Dynamics of Customer Relationships, Lexington et al., S. 35ff.; Dick, A. S., Basu, K. (1994): Customer Loyalty: Toward an Integrated Conceptual Framework, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 22, No. 2, S. 104f.; Peter, S. I. (1999): Kundenbindung als Marketingziel, a.a.O., S. 115ff. Vgl. Kleinaltenkamp, M., Kühne, B. (2003): Asymmetrische Bindungen in Geschäftsbeziehungen des Business-to-Business-Bereichs, in: Rese, M., Söllner, A., Utzig, B. P. (Hrsg.): Relationship Marketing: Standortbestimmung und Perspektiven, Berlin et al., S. 18. Vgl. Plinke, W., Söllner, A. (2005): Kundenbindung und Abhängigkeitsbeziehungen, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 85. Vgl. Plinke, W. (1997): Grundlagen des Geschäftsbeziehungsmanagements, in: Kleinaltenkamp, M., Plinke, W. (Hrsg.): Geschäftsbeziehungsmanagement, Berlin et al., S. 28; Plinke, W., Söllner, A. (2005): Kundenbindung und Abhängigkeitsbeziehungen, a.a.O., S. 85. Vgl. Jackson, B. B. (1985): Winning and Keeping Industrial Customers, a.a.O., S. 53ff.; Plinke, W. (1997): Grundlagen des Geschäftsbeziehungsmanagements, a.a.O., S. 28. Vgl. Plinke, W., Söllner, A. (2005): Kundenbindung und Abhängigkeitsbeziehungen, a.a.O., S. 85. Siehe hierzu die grundlegenden Ausführungen in Kap. C 1.3. Ähnlich bei Peter, S. I. (1999): Kundenbindung als Marketingziel, a.a.O., S. 93.
bereits an dieser Stelle der Zusammenhang zwischen Wechselkosten und dem kalkulatorischen Commitment offenkundig. Dieses ist, wie bereits ausgeführt wurde, auf KostenNutzen-Überlegungen und die Kosten, die mit der Beendigung bzw. dem Wechsel der bestehenden Geschäftsbeziehung assoziiert werden, zurückzuführen. Ganz grundsätzlich werden in der Literatur folgende drei Wechselkostenarten diskutiert:369 Sunk Costs Opportunitätskosten und direkte Wechselkosten Aufbauend auf diese drei Wechselkostenarten sollen anschließend drei kostenbezogene Determinanten des kalkulatorischen Commitment abgeleitet werden. Sunk Costs spiegeln das Ausmaß der spezifischen Investitionen in die bestehende Geschäftsbeziehung wider.370 Sowohl Investitionen in spezifisches, auf die Beziehung ausgerichtetes Sachkapital als auch spezifische, im Zeitablauf angeeignete Kenntnisse verlieren mit der Beendigung des konkreten Geschäftsverhältnisses vollständig oder zumindest teilweise ihren Wert.371 So können beispielsweise Sparkassenkunden, die ihre Bankgeschäfte nicht direkt über das Online-Banking-Portal des Verbandes abwickeln wollen, eine spezifische BankingSoftware und zusätzliche Komponenten wie einen Chipkartenleser nutzen. Die Aufwendungen für die Anschaffung dieser Hard- und Software, aber auch der Zeitaufwand für die Aneignung der Fähigkeiten zur Inanspruchnahme der Leistungen wären bei einem Wechsel zu einem anderen Bankunternehmen unwiederbringlich verloren. Es handelt sich hierbei somit um spezifische, auf die konkrete Geschäftsbeziehung zugeschnittene Aufwendungen.372 In 369
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372
Zu dieser Unterscheidung vgl. Plinke, W. (1997): Grundlagen des Geschäftsbeziehungsmanagements, a.a.O., S. 35f. In Anlehnung an MEYER/OEVERMANN werden in der Literatur auch ökonomische, technischfunktionale sowie vertragliche Wechselbarrieren unterschieden. Vgl. Meyer, A., Oevermann, D. (1995): Kundenbindung, in: Tietz, B., Köhler, R., Zentes, J. (Hrsg.): Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Stuttgart, Sp. 1342; Georgi, D. (2005): Kundenbindungsmanagement im Kundenbindungsbeziehungslebenszyklus, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 236. Dieser Einteilung soll hier nicht gefolgt werden, da technisch-funktionale wie auch vertragliche Wechselbarrieren wiederum in ausgabewirksamen, ökonomischen Wechselkosten münden. PETER differenziert ökonomische, psychische und soziale Wechselbarrieren. Vgl. Peter, S. I. (1999): Kundenbindung als Marketingziel, a.a.O., S. 118. Hierzu ist anzumerken, dass psychische Wechselkosten immer auch den anderen Wechselhemmnissen zugrunde liegen. Siehe ähnlich bei Weinberg, P., Terlutter, R. (2005): Verhaltenswissenschaftliche Grundlagen der Kundenbindung, in: Bruhn, M., Homburg, C. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement: Strategien und Instrumente für ein erfolgreiches CRM, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 44. Vgl. stellvertretend für viele Plinke, W. (1997): Grundlagen des Geschäftsbeziehungsmanagements, a.a.O., S. 35. Vgl. Williamson, O. E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus, a.a.O., S. 60ff. Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Faktorspezifität in Kap. C 1.3. Dementsprechend zählen auch Aufnahmegebühren, wie sie möglicherweise beim Eintritt in einen Golf- oder Fitnessclub verlangt werden, zu den spezifischen Investitionen. Vgl. Bliemel, F. W., Eggert, A. (1998): Kundenbindung, a.a.O., S. 41.
Hinblick auf die spezifischen Investitionen lässt sich auch das Konzept der Seitenwetten von BECKER anführen.373 „Side bets are actions that link a person to a particular course of action by virtue of the fact that something would be forfeited if he or she discontinued the activity.”374 Insofern stellen spezifische Fähigkeiten, aber beispielsweise auch der Aufbau sozialer und bisweilen freundschaftlicher Beziehungen zu den Dienstleistungsmitarbeitern Seitenwetten bzw. Investitionen dar, die mit der Auflösung des Geschäftsverhältnisses verloren gehen. Unter streng ökonomischen Gesichtspunkten dürften in die Entscheidung über die Fortsetzung einer Geschäftsbeziehung nur die beeinflussbaren Kosten einfließen.375 In der Vergangenheit angefallene, versunkene Kosten wären demzufolge entscheidungsirrelevant. In der Realität zeigt sich aber, dass Investitionen bzw. Sunk Costs für das psychologische, kalkulatorische Commitment eines Kunden aufgrund der beschränkten Rationalität von Individuen durchaus Relevanz besitzen und den Nachfrager somit an einen zuvor eingeschlagenen Handlungspfad binden. Vielfältige Anhaltspunkte liefern hierzu Untersuchungen der sogenannten Eskalationsforschung.376 Dort wird gezeigt, dass Individuen eine erhöhte Bereitschaft besitzen, eine Handlungsalternative fortzuführen, wenn bereits Investitionen mit dem gewählten Verhalten verbunden waren, bei denen es sich um Sunk Costs handelt.377 Kunden halten umso eher an einer gewählten Geschäftsverbindung fest, je mehr Anstrengungen, Zeit oder Geld sie bereits in die Beziehung zu dem Anbieter investiert haben. In der Literatur wird auch von eskalierendem Commitment gesprochen, wenn die Fortsetzung des eingeschlagenen Handlungspfades darüber hinaus weitere spezifische Investitionen verursacht, die ihrerseits wiederum zu Sunk Costs und damit Wechselkosten führen.378 Die Gründe für eine derartige Verharrungs- bzw. Eskalationsneigung sind vielfältig, wobei sich in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung insbesondere die auf dissonanztheoretischen Überlegungen basierende Rechtfertigungstendenz gegenüber sich selbst und ge373 374 375
376
377
378
Zum Konzept der Seitenwetten siehe auch Kap. A 2.1. Meyer, J. P., Allen, N. J. (1997): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 57. Vgl. hierzu und im Folgenden stellvertretend für viele Kosiol, E. (1979): Kosten- und Leistungsrechnung: Grundlagen, Verfahren, Anwendungen, Berlin et al., S. 24; Hummel, S., Männel, W. (1986): Kostenrechnung 1: Grundlagen, Aufbau und Anwendungen, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 117. Die Eskalationsforschung widmet sich der Frage, warum Individuen trotz eines unsicheren und bisweilen höchst fraglichen Handlungserfolgs an Handlungen festhalten und darüber hinaus bereit sind, weitere Investitionen in die gewählte Handlungsalternative vorzunehmen. Siehe hierzu beispielsweise Staw, B. M. (1976): Knee-Deep in the Big Muddy: A Study of Escalating Commitment to a Chosen Course of Action, in: Organizational Behavior and Human Performance, Vol. 16, No. 1, S. 27ff.; Staw, B. M. (1981): The Escalation of Commitment to a Course of Action, in: The Academy of Management Review, Vol. 6, No. 4, S. 577ff.; Brockner, J. (1992): The Escalation of Commitment to a Failing Course of Action: Toward Theoretical Progress, in: The Academy of Management Review, Vol. 17, No. 1, S. 39ff. Vgl. Arkes, H. R., Blumer, C. (1985): The Psychology of Sunk Cost, in: Organizational Behavior and Human Decision Processes, Vol. 35, No. 1, S. 124ff. Die Autoren sprechen auch vom „Sunk-Cost Effect“. Siehe auch Staw, B. M. (2002): The Escalation of Commitment: An Update and Appraisal, in: Shapira, Z. (Ed.): Organizational Decision Making, Cambridge, S. 191ff.
genüber Dritten zur Erklärung der Verhaltensfortsetzung durchgesetzt hat.379 Der mit der Beendigung der bestehenden Geschäftsbeziehung einhergehende Verlust der spezifischen Investitionen ruft beim Kunden so lange einen Zustand kognitiver Dissonanz hervor, bis sich die Investitionen amortisiert haben.380 Ein Individuum will weder gegenüber sich selbst noch gegenüber anderen den Eindruck erwecken, Ressourcen verschwendet und somit falsch gehandelt zu haben. Um dieser Erkenntnis vorzubeugen und gleichzeitig zu demonstrieren, richtig gehandelt zu haben, hält der Kunde an der gewählten Geschäftsbeziehung fest. Die Rechtfertigungstendenz hinsichtlich eines gewählten Handlungspfades wird dabei durch die folgenden Faktoren verstärkt:381 Explizitheit (Öffentlichkeit und Eindeutigkeit) Relevanz des Verhaltens für das Individuum Unwiderrufbarkeit der Handlungen Zahl der Handlungen Willentlichkeit (Wahlmöglichkeit) Darüber hinaus sind Kunden an der Fortsetzung der Beziehung zu ihrem Anbieter interessiert, in der Hoffnung, dass sich die getätigten spezifischen Investitionen in der Zukunft amortisieren werden. Damit stellen spezifische Investitionen nur so lange einen Einflussfaktor des kalkulatorischen Commitment dar, bis sie durch einen adäquaten erwarteten Nutzenzuwachs382 ausgeglichen werden. Vor diesem Hintergrund fordert ADLER, von einer statischen Betrachtung der spezifischen Investitionen abzusehen und eine zeitliche Dimension bei der Ermittlung ihrer Bindungswirkung zu berücksichtigen.383 Hierzu unterscheidet der Autor zwei im Zeitablauf gegeneinander wirkende Effekte. Der Degenerationseffekt kennzeichnet die Abnahme des subjektiven Wertes der spezifischen Investitionen einer Transaktion durch den ausgleichenden Nutzenerhalt. Beim Akkumulationseffekt hingegen übersteigen die spezifischen Investitionen den Nutzenerhalt während der Transaktion und führen demnach zu einem Anstieg des wahrgenommenen Wertverlusts. Abb. 11 stellt die beiden Effekte am Beispiel einer Anfangsinvestition im Zeitpunkt t-1 im Beziehungsverlauf idealtypisch dar.
379
380
381 382
383
Vgl. Brockner, J. (1992): The Escalation of Commitment to a Failing Course of Action, a.a.O., S. 39ff. Hier findet sich auch ein Überblick über weitere Erklärungsansätze für das Verharrungs- bzw. Eskalationsphänomen. Vgl. hierzu und im Folgenden die Überlegungen von Staw, B. M. (1976): Knee-Deep in the Big Muddy, a.a.O., S. 28ff. oder allgemein zur Rechtfertigung erfolgloser Anstrengungen aus dissonanztheoretischer Sicht Festinger, L. (1978): Theorie der kognitiven Dissonanz, a.a.O., S. 356f. Vgl. Salancik, G. R. (1977): Commitment Is Too Easy!, in: Organizational Dynamics, Vol. 6, No. 1, S. 64ff. Der Nutzenzuwachs entspricht beispielsweise den durch die spezifischen Investitionen verursachten Transaktionskosteneinsparungen. Zur transaktionskostenreduzierenden Wirkung spezifischer Investitionen siehe Kap. C 1.3. Vgl. hierzu und im Folgenden Adler, J. (2003): Anbieter- und Vertragstypenwechsel, a.a.O., S. 110ff.
subjektiver Wert
Statische Betrachtung Zeitpunkt t-1
Dynamische Betrachtung Degenerationseffekt
subjektiver Wert
Ausmaß spezifischer Investitionen (Sunk Costs)
Zeit derzeitige Verwendung
subjektiver Wert
beste alternative Verwendung
Statische Betrachtung Zeitpunkt t-1
subjektiver Wert
t-1
t0
t1
t2
t3
t4
Dynamische Betrachtung Akkumulationseffekt
Ausmaß spezifischer Investitionen (Sunk Costs)
Zeit derzeitige Verwendung
Abb. 11
beste alternative Verwendung
t-1
t0
t1
t2
t3
t4
Degenerations- und Akkumulationseffekt bei spezifischen Investitionen Quelle: Adler, J. (2003): Anbieter- und Vertragstypenwechsel, a.a.O., S. 113.
Damit ist festzuhalten, dass für das auf Kosten-Nutzen-Überlegungen basierende kalkulatorische Commitment nicht die absolute Höhe der spezifischen Investitionen zum Aufwendungszeitpunkt relevant ist, sondern der im Betrachtungszeitpunkt wahrgenommene Restwert der im Beziehungsverlauf getätigten Investitionen. In den empirischen Arbeiten zum Commitment-Konstrukt werden die wahrgenommenen Wechselkosten als Einflussgröße vielfach aufgegriffen, wobei in der Regel lediglich aggregierte Kostengrößen oder einzelne Wechselkostenarten in diesen Untersuchungen Berücksichtigung finden. Erste Anhaltspunkte für die Relevanz der spezifischen Investitionen als Determinante des (kalkulatorischen) Commitment gibt bereits das Investitionsmodell von RUSBULT und dessen empirische Überprüfung.384 Auch die Ergebnisse der Metaanalyse von MEYER ET
384
Vgl. Rusbult, C. E., Farrell, D. (1983): A Longitudinal Test of the Investment Model, a.a.O., S. 429ff. sowie im Dienstleistungskontext Bierhoff, H.-W. et al. (2004): Kundenzufriedenheit und Commitment im Servicebereich als Funktion von Interdependenz- und Investitionsmerkmalen, a.a.O., S. 37ff. Wie bereits angeklungen, erfasst das eindimensionale Commitment-Konstrukt in der Untersuchung von BIERHOFF ET AL. allerdings gleichzeitig affektive, kognitive und verhaltensbezogene Aspekte.
AL. zu den Determinanten des Commitment von Angestellten gegenüber ihrer Arbeitsorganisation weisen hohe Korrelationen zwischen den spezifischen Fähigkeiten bzw. spezifischen Kenntnissen eines Angestellten und seinem kalkulatorischen Commitment nach.385 Spezifi-
sche Investitionen in Sachkapital erhöhen somit ebenso das Commitment wie Investitionen in spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse. Eine wesentliche Rolle spielen spezifische Investitionen auch bei der Erklärung des Commitment in der Hersteller-Händler-Dyade. ANDERSON/WEITZ zeigen, dass idiosynkratische Investitionen in die vertikale Geschäftsbeziehung das Commitment gegenüber dem jeweiligen Geschäftspartner erhöhen.386 Spezifische Investitionen von Seiten des Herstellers führen folglich zu einem Anstieg seines Commitment gegenüber dem Händler, wie auch idiosynkratische Investitionen des Händlers eine Erhöhung des Commitment gegenüber dem Hersteller verursachen. Eine differenzierte Betrachtung des Commitment-Konstrukts getrennt nach den einzelnen Commitment-Komponenten nehmen die Autoren in ihrer Studie allerdings nicht vor. GILLILAND/BELLO greifen die Überlegungen von ANDERSON/WEITZ auf, differenzieren aber zwischen „calculative“ und „loyalty commitment“.387 Entsprechend dem theoretisch vermuteten Wirkungspfad weisen sie den Einfluss der spezifischen Investitionen auf das kalkulatorische Commitment nach. Im Forschungsbereich konsumtiver Dienstleistungen liegen – soweit bekannt – keinerlei empirische Untersuchungen zum isolierten Einfluss der spezifischen Investitionen auf das kalkulatorische Commitment eines Dienstleistungskunden vor. Dennoch erscheint mit Blick auf die dargestellten theoretischen Überlegungen und die empirischen Anhaltspunkte aus der Organisationspsychologie sowie dem Bereich vertikaler Geschäftsbeziehungen ein ebensolcher Wirkungspfad plausibel, womit unter Berücksichtigung der dynamischen Betrachtungsweise spezifischer Investitionen postuliert wird: Annahme 12: Der wahrgenommene Restwert der spezifischen Investitionen eines Dienstleistungskunden beeinflusst dessen kalkulatorisches Commitment positiv. Als zweite Wechselkostenart, die den Abnehmern das Gefühl vermittelt, dass sie die Beziehung zu ihrem Anbieter aufrechterhalten müssen, sind die Opportunitätskosten zu erörtern. Diese bilden den für den Kunden mit der Beendigung der Geschäftsbeziehung verbundenen Nettonutzenentgang ab.388 Es handelt sich also bei den wechselbezogenen Opportunitätskos385
386
387 388
Vgl. Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 31f. Vgl. Anderson, E., Weitz, B. (1992): The Use of Pledges to Build and Sustain Commitment in Distribution Channels, a.a.O., S. 20ff. Vgl. Gilliland, D. I., Bello, D. C. (2002): Two Sides to Attitudinal Commitment, a.a.O., S. 32ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Plinke, W. (1997): Grundlagen des Geschäftsbeziehungsmanagements, a.a.O., S. 36.
ten um den Nettonutzen, auf den der Nachfrager beim Wechsel zu einem anderen Dienstleister verzichten müsste. Als Nettonutzen wird im Allgemeinen der Nutzen bezeichnet, den der Nachfrager in der Beziehung zu seinem Anbieter erzielt abzüglich der ihm in diesem Geschäftsverhältnis anfallenden Kosten,389 wobei die Bewertung von Kosten und Nutzen von der subjektiven Wahrnehmung des Nachfragers abhängt.390 Die subjektive Nettonutzendifferenz ergibt sich aus dem Vergleich des wahrgenommenen Nettonutzens in der aktuellen Beziehung und dem antizipierten Nettonutzenerhalt in der nächstbesten alternativen Geschäftsbeziehung.391 Bei der Berücksichtigung der besten wahrgenommenen Alternative muss auch in Erwägung gezogen werden, dass die beste Alternative unter Umständen dem Leistungsbzw. Konsumverzicht gleichkommt392 oder der Inanspruchnahme eines substitutiven Leistungsangebots entspricht.393 Sobald dieser Vergleich zugunsten des aktuellen Anbieters ausfällt – der Kunde in der bestehenden Beziehung also einen relativen Nettonutzenvorteil wahrnimmt – entstehen ihm bei der Aufgabe des Geschäftsverhältnisses Opportunitätskosten in Höhe dieses entgangenen Nettonutzenvorteils. Dabei wird der wahrgenommene Nettonutzen in der aktuellen Geschäftsbeziehung wesentlich von den beziehungsbezogenen Vorteilen langfristiger Anbieter-Nachfrager-Verbindungen beeinflusst. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise an monetäre Vergünstigungen (z.B. Stammkundenrabatte) und nicht-monetäre Vorteile (z.B. bevorzugte Kundenansprache) zu denken. Ganz offensichtlich ist an dieser Stelle der Bezug zu den Überlegungen von THIBAUT und KELLEY im Rahmen ihrer sozialpsychologischen Austauschtheorie. Mit Hilfe der Ausführungen zu dieser Theorie wurde bereits veranschaulicht, dass sich die Stabilität einer bestehenden Geschäftsbeziehung nach dem Verhältnis zwischen dem Nettonutzen der aktuellen Beziehung und dem Nettonutzen aus der besten, erreichbaren Alternative bestimmt. Als Vergleichsgrößen zur Ermittlung der subjektiven Nettonutzendifferenz dienen einerseits die Attraktivität der besten wahrgenommenen Alternative als Maß für den Nettonutzenerhalt in einem alternativen Geschäftsverhältnis und andererseits die globale, beziehungsbezogene Kundenzufriedenheit
389
390
391
392 393
Vgl. stellvertretend für viele Bliemel, F. W., Eggert, A. (1998): Kundenbindung, a.a.O., S. 39; Plinke, W. (2000): Grundlagen des Marktprozesses, in: Kleinaltenkamp, M., Plinke, W. (Hrsg.): Technischer Vertrieb: Grundlagen des Business-to-Business Marketing, 2. Aufl., Berlin et al., S. 78; Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003): Konsumentenverhalten, a.a.O., S. 387. Vgl. Kortge, G. D., Okonkwo, P. A. (1993): Perceived Value Approach to Pricing, in: Industrial Marketing Management, Vol. 22, No. 2, S. 133 sowie allgemein zur Subjektivität der Wahrnehmung Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003): Konsumentenverhalten, a.a.O., S. 268ff. Vgl. Plinke, W. (2000): Grundlagen des Marktprozesses, a.a.O., S. 80; Adler, J. (2003): Anbieter- und Vertragstypenwechsel, a.a.O., S. 99. Vgl. Schütze, R. (1992): Kundenzufriedenheit, a.a.O., S. 87. Vgl. Kirchler, E., Sobotka, R., Rodler, C. (2002): Zufriedenheit und Commitment von Bankkunden, a.a.O., S. 369.
als Ausdruck für den wahrgenommenen Nettonutzen in der aktuellen Beziehung.394 Insgesamt steht dabei außer Frage, dass mit zunehmendem relativen Nettonutzenvorteil der aktuellen Beziehung und demzufolge mit zunehmendem antizipierten Nettonutzenverlust bei Beziehungsaufgabe das kalkulatorische Commitment eines Dienstleistungskunden gegenüber seinem aktuellen Dienstleistungsanbieter steigt. In die empirischen Untersuchungen zum Commitment-Konstrukt ist die hier betrachtete subjektive Nettonutzendifferenz – soweit bekannt – bislang nicht als Determinante integriert worden. Die Attraktivität bzw. Qualität wahrgenommener Alternativen stellt hingegen eine vielbeachtete Variable in den datengestützten Arbeiten zur Erklärung des Commitment dar. Wiederum in der Arbeits- und Organisationspsychologie wurde frühzeitig ein reziprokes Verhältnis zwischen der Qualität wahrgenommener Arbeitsalternativen und dem (kalkulatorischen) Commitment eines Angestellten nachgewiesen.395 Ein Arbeitnehmer, der davon ausgeht, dass ihm attraktive alternative Beschäftigungsverhältnisse offen stehen, fühlt sich demnach in geringerem Maße an seinen derzeitigen Arbeitgeber gebunden als ein Arbeitnehmer der die Attraktivität alternativer Arbeitsmöglichkeiten niedrig einschätzt. Auch im Bereich industrieller Geschäftsbeziehungen wurde der Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von Alternativen und dem Beziehungs-Commitment untersucht. NORRIS/MCNEILLY analysieren als Indikator für die Verfügbarkeit von alternativen Geschäftspartnern die wahrgenommene Konzentration auf dem Zulieferermarkt und weisen nach, dass mit zunehmender wahrgenommener Zuliefererkonzentration das Commitment des Abnehmers gegenüber seinem Zulieferer steigt.396
Vor dem Hintergrund endkundenbezogener Geschäftsbeziehungen analysieren FULLERTON397 sowie BANSAL ET AL.398 die Bedeutung der alternativen Anbieter für die Bildung des kalkulatorischen Commitment. FULLERTON stellt im Kontext seiner Untersuchung auf die Verfügbarkeit von alternativen Handelsunternehmen ab und bestätigt deren Signifikanz als Einflussgröße des kalkulatorischen Commitment. BANSAL ET AL. betrachten die wahrgenommene Attraktivität alternativer Dienstleistungsanbieter im Vergleich zur gegenwärtigen Dienstleistungsbe394
395
396
397 398
Vgl. Adler, J. (2003): Anbieter- und Vertragstypenwechsel, a.a.O., S. 97f. Für den speziellen Fall, dass die Soll-Komponente des Zufriedenheitskonstrukts aus dem Comparison Level of Alternatives (CLalt) abgeleitet würde, stellt die wahrgenommene Attraktivität der besten verfügbaren Alternative eine direkte Einflussgröße der Kundenzufriedenheit dar. Vgl. hierzu und im Folgenden Rusbult, C. E., Farrell, D. (1983): A Longitudinal Test of the Investment Model, a.a.O., S. 429ff. sowie die Metaanalyse von Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 27f. Vgl. Norris, D. G., McNeilly, K. M. (1995): The Impact of Environmental Uncertainty and Asset Specificity on the Degree of Buyer-Supplier Commitment, in: Journal of Business-to-Business Marketing, Vol. 2, No. 2, S. 67ff. Vgl. Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 102ff. Vgl. Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 238ff.
ziehung des Kunden als Prädiktor des kostenbezogenen Commitment. Demnach nehmen die Autoren eine Differenzbetrachtung aus Sicht des Nachfragers vor, indem sie die subjektive Nettonutzendifferenz als Determinante des kalkulatorischen Commitment untersuchen. Allerdings dient in ihrer Analyse nicht die beste verfügbare Alternative, sondern eine aggregierte Referenzgröße über alle wahrgenommenen Wettbewerber als Vergleichsmaßstab (vgl. Tab. 2). Wider den Erwartungen hält der postulierte Wirkungspfad jedoch nicht der empirischen Überprüfung in der Untersuchung stand. Die Autoren führen dieses Ergebnis unter anderem auf den spezifischen Untersuchungskontext zurück und fordern eine Analyse des Wirkungspfades in unterschiedlichen Dienstleistungsbranchen. Construct/Factor
Alternative Attractiveness
Tab. 2
Scale Reliability
= .94
Factor Loadings
Scale Items
.777
All in all, competitors would be much more fair than „My Service Company“ is.
.851
Overall, competitors‘ policies would benefit me much more than/as „My Auto Service Company‘s“ policies.
.828
I would be much more satisfied with the service available from competitors than the service provided by „My Auto Service Company“.
.846
In general, I would be much more satisfied with competitors than I am with „My Auto Service Company“.
.838
Overall, competitors would do better to do business with than „My Auto Service Company“.
„Alternative Attractiveness“-Skala in der Untersuchung von BANSAL ET AL. Quelle: Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 241.
Insgesamt zeigt sich in den empirischen Arbeiten mit Ausnahme der Untersuchung von BANSAL ET AL.
399
, dass die Wahrnehmung verfügbarer Alternativen das kalkulatorische Commitment eines Dienstleistungskunden beeinflusst. Allerdings wurde in der Mehrzahl der genannten Untersuchungen die Alternativenwahrnehmung als direkte Determinante des kalkulatorischen Commitment betrachtet. Entsprechend den konzeptionellen Ausführungen zur subjektiven Nettonutzendifferenz bzw. den Opportunitätskosten als Wechselkostenart ist die Attraktivität des besten, verfügbaren alternativen Dienstleistungsanbieters jedoch immer im Vergleich zum wahrgenommenen Nettonutzen in der bestehenden Beziehung zu betrachten, um Aussagen zum kalkulatorischen Commitment eines Kunden treffen zu können. Für das zu entwickelnde Commitment-Erklärungsmodell wird unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse folgende Annahme getroffen: Annahme 13: Die subjektive Nettonutzendifferenz zugunsten des aktuellen Dienstleistungsanbieters beeinflusst das kalkulatorische Commitment positiv. 399
Vgl. Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 238ff.
Da sich die subjektive Nettonutzendifferenz, wie oben ausgeführt, aus dem Vergleich der Zufriedenheit des Kunden mit dem aktuellen Dienstleistungsanbieter und der wahrgenommenen Attraktivität der besten verfügbaren Alternative ergibt, gilt weiterhin: Annahme 14: Die Zufriedenheit eines Dienstleistungskunden mit dem aktuellen Dienstleistungsanbieter beeinflusst die subjektive Nettonutzendifferenz und damit indirekt das kalkulatorische Commitment positiv. Annahme 15: Die wahrgenommene Attraktivität der besten verfügbaren Alternative beeinflusst die subjektive Nettonutzendifferenz und damit indirekt das kalkulatorische Commitment negativ. Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Attraktivität der besten verfügbaren Alternative durch den Kunden vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Leistungsbeziehung erfolgt.400 Das bedeutet, die Beurteilung der Leistungen des alternativen Anbieters basiert auf einem Vergleich mit den Leistungen des aktuellen Anbieters. Annahme 16: Die Zufriedenheit des Dienstleistungskunden mit dem aktuellen Dienstleistungsanbieter beeinflusst die wahrgenommene Attraktivität der besten verfügbaren Alternative negativ. Die wahrgenommenen Wechselkosten gelten auch als messbarer Ausdruck für die Abhängigkeit eines Kunden von seinem Anbieter.401 Insofern überrascht es nicht, dass in einzelnen Untersuchungen anstelle der Wechselkosten die wahrgenommene Abhängigkeit eines Kunden von seinem Anbieter als Determinante des Beziehungs-Commitment analysiert und bestätigt wird. So untersuchen WETZELS ET AL. die Abhängigkeit als Determinante des kalkulatorischen und des affektiven Commitment, wobei sich erwartungsgemäß lediglich der Einfluss der Abhängigkeit auf das kalkulatorische Commitment als signifikant erweist.402 Gleichermaßen identifizieren GILLILAND/BELLO die Funktion der Abhängigkeit als Prädiktor des kalkulatorischen Commitment.403 Die Übertragbarkeit dieser empirischen Erkenntnisse zur Abhängigkeit eines Kunden als Determinante des kalkulatorischen Commitment auf die hier interessierende Erklärungsgröße der Opportunitätskosten bzw. subjektiven Nettonutzendifferenz erscheint mit Blick auf die „Theory of Power-Dependence Relations“ opportun.404 Hier führt EMERSON die Abhängigkeit eines Individuums auf das Zusammenwirken zweier Größen zurück: dem Zielerreichungsgrad in der aktuellen Beziehung sowie der Verfügbarkeit zur Zielerreichung geeigneter alternativer Beziehungen. Interpretiert man den Zielerreichungsgrad in 400 401 402 403 404
Vgl. Peter, S. I. (1999): Kundenbindung als Marketingziel, a.a.O., S. 123. Vgl. Plinke, W., Söllner, A. (2005): Kundenbindung und Abhängigkeitsbeziehungen, a.a.O., S. 85. Vgl. Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships, a.a.O., S. 411ff. Vgl. Gilliland, D. I., Bello, D. C. (2002): Two Sides to Attitudinal Commitment, a.a.O., S. 31ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Emerson, R. M. (1962): Power-Dependence Relations, in: American Sociological Review, Vol. 27, No. 1, S. 32.
der aktuellen Beziehung als Kundenzufriedenheit so ist die konzeptionelle Nähe dieses Abhängigkeits-Konstrukts zu der hier im Commitment-Erklärungsmodell berücksichtigten subjektiven Nettonutzendifferenz offenkundig. Als dritte wechselbezogene Kostenart sollen direkte Wechselkosten in das CommitmentModell integriert werden. Diese sind unmittelbar auf einen Anbieterwechsel zurückzuführen und weisen somit einen direkten Entscheidungsbezug auf.405 Zu ihnen zählen sowohl Kosten für die Anbahnung und Vereinbarung des neuen Geschäftsverhältnisses als auch notwendige Investitionen in die neue Beziehung. Weiterhin sind den direkten Wechselkosten die Aufwendungen für die Auflösung bzw. Beendigung der aktuellen Geschäftsbeziehung zuzurechnen.406 Zwar fallen die direkten Wechselkosten erst mit dem Abbruch der bestehenden Beziehung an, jedoch wirkt sich bereits die Antizipation dieser Transaktionskosten auf das kalkulatorische Commitment eines Kunden aus. Zusätzliche für den Beziehungsabbruch und den Anbieterwechsel kalkulierte Aufwendungen fließen in die Kosten-Nutzen-Überlegungen des Nachfragers ein und beeinflussen damit seinen kostenbasierten psychologischen Bindungszustand an den aktuellen Dienstleistungsanbieter. In empirischen Untersuchungen zum Commitment-Konstrukt werden die direkten Wechselkosten als eigenständiger Einflussfaktor nicht integriert. Vielmehr fließen die direkten Wechselkosten als eine Facette der wahrgenommenen Wechselkosten in aggregierte Erklärungsgrößen ein, so zum Beispiel in die Untersuchung von MORGAN/HUNT.407 Die Autoren analysieren und bestätigen die empirische Relevanz der „termination costs“ als Prädiktor des Beziehungs-Commitment.408 „Termination costs are, therefore, all expected losses from termination and result from perceived lack of comparable potential alternative partners, relationship dissolution expenses, and/or substantial switching costs.”409 Die direkten Wechselkosten sind somit in diesem globalen Erklärungskonstrukt enthalten. DE RUYTER ET AL. bestätigen in ihrer empirischen Arbeit einen Wirkungspfad von den Merkmalen des Marktumfelds zum kalkulatorischen Commitment gegenüber Zulieferern in
405
406
407
408
409
Vgl. hierzu und im Folgenden Plinke, W. (1997): Grundlagen des Geschäftsbeziehungsmanagements, a.a.O., S. 35; Adler, J. (2003): Anbieter- und Vertragstypenwechsel, a.a.O., S. 115. Vgl. Adler, J. (2003): Anbieter- und Vertragstypenwechsel, a.a.O., S. 115; Kleinaltenkamp, M., Kühne, B. (2003): Asymmetrische Bindungen in Geschäftsbeziehungen des Business-to-Business-Bereichs, a.a.O., S. 19. Vgl. Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 24ff. Wie bereits ausgeführt, konzipieren MORGAN/HUNT Commitment als eindimensionale Größe, die allerdings primär den affektiven Kern des Konstrukts abbildet. Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 24.
industriellen Geschäftsbeziehungen, wobei das Konstrukt „market characteristics“ aus den drei Faktoren „replaceability“, „switching costs“ und „switching risks“ besteht.410 Im Bereich konsumtiver Dienstleistungen weisen BANSAL ET AL. den direkten Einfluss des einfaktoriellen Konstrukts „switching costs“ auf das kalkulatorische Commitment eines Dienstleistungskunden empirisch nach.411 Die Indikatorvariablen adressieren dabei sowohl die spezifischen Investitionen als auch die antizipierten direkten Wechselkosten. Diese ersten empirischen Anhaltspunkte sowie die theoretischen Ausführungen zum Einfluss direkter Wechselkosten auf das kalkulatorische Commitment lassen folgende Schlussfolgerung zu: Annahme 17: Die vom Dienstleistungskunden antizipierten direkten Wechselkosten beeinflussen das kalkulatorische Commitment positiv. Verschiedentlich wird das Vertrauen als direkte Determinante der wahrgenommenen Wechselkosten diskutiert.412 Insofern soll nachfolgend untersucht werden, welche der einzelnen Wechselkostenarten durch das Vertrauen beeinflusst werden. Vertrauen zeichnet sich durch die bereits erörterte ex-post Spezifität aus.413 Es wird im Beziehungsverlauf aufgebaut und würde bei einem Wechsel des Anbieters als spezifische Erwartung wertlos. Zudem zeigt sich, dass vertrauende Kunden infolge des reduziert wahrgenommenen Risikos des opportunistischen Verhaltens durch den Geschäftspartner eher bereit sind, spezifische Investitionen vorzunehmen.414 Annahme 18: Das Vertrauen eines Kunden in das Dienstleistungsunternehmen beeinflusst den wahrgenommenen Restwert der spezifischen Investitionen und damit indirekt das kalkulatorische Commitment positiv. Weiterhin wird angeführt, dass Vertrauen zur Senkung der Transaktionskosten in einer Geschäftsbeziehung beiträgt, indem vertrauende Nachfrager auf explizite Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten ihrer Geschäftspartner verzichten.415 Gleichzeitig müssten in neuen Geschäftsbeziehungen Maßnahmen zur Absicherung gegen 410
411
412
413
414
415
Vgl. Ruyter, K. de, Moorman, L., Lemmink, J. (2001): Antecedents of Commitment and Trust in CustomerSupplier Relationships in High Technology Markets, in: Industrial Marketing Management, Vol. 30, No. 3, S. 277ff. Vgl. Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 238ff. Vgl. Plinke, W. (1997): Grundlagen des Geschäftsbeziehungsmanagements, a.a.O., S. 28; Preß, B. (1997): Kaufverhalten in Geschäftsbeziehungen, in: Kleinaltenkamp, M., Plinke, W. (Hrsg.): Geschäftsbeziehungsmanagement, Berlin et al., S. 80ff.; Kleinaltenkamp, M., Kühne, B. (2003): Asymmetrische Bindungen in Geschäftsbeziehungen des Business-to-Business-Bereichs, a.a.O., S. 22ff. Vgl. Peter, S. I. (1999): Kundenbindung als Marketingziel, a.a.O., S. 92 sowie die Ausführungen in Kap. C 1.3. Vgl. Ganesan, S. (1994): Determinants of Long-Term Orientation in Buyer-Seller Relationships, a.a.O., S. 3f. Vgl. Plötner, O. (1995): Das Vertrauen des Kunden, a.a.O., S. 57f.
opportunistisches Verhalten ergriffen werden. Da sich diese Transaktionskostenwirkungen von Vertrauen jedoch bereits in den subjektiven Nettonutzen der jeweiligen Geschäftsbeziehungen und dem Opportunitätskostengedanken widerspiegeln, soll im Folgenden auf einen direkten Wirkungspfad von Vertrauen auf die subjektive Nettonutzendifferenz verzichtet werden. Im Vorfeld einer neuen Geschäftsbeziehung profitiert der Kunde noch nicht von der unsicherheitsreduzierenden Wirkung des spezifischen Erfahrungsvertrauens. Um die Unsicherheit einer Fehlentscheidung und somit das wahrgenommene Risiko beim Anbieterwechsel dennoch zu reduzieren, ist der Dienstleistungskunde bestrebt, zusätzliche Informationen über den alternativen Dienstleistungsanbieter zu beziehen.416 Auf die transaktionskostenerhöhende Wirkung von Unsicherheit wurde bereits verwiesen, so fallen beispielsweise Informationskosten zur Evaluierung der Vertrauenswürdigkeit des alternativen Geschäftspartners bzw. zur Entwicklung von Reputationsvertrauen an. Daraus folgt auch, dass mit zunehmendem wahrgenommenen Risiko des Kunden die direkten Wechselkosten ansteigen. Dabei ist insbesondere für die Nachfrager auf Dienstleistungsmärkten ein erhöht wahrgenommenes Risiko auf die Beschaffungsunsicherheit in Ermangelung der Sucheigenschaften von Dienstleistungen zurückzuführen.417 Annahme 19: Das wahrgenommene Risiko eines Dienstleistungskunden beeinflusst die antizipierten direkten Wechselkosten und damit indirekt das kalkulatorische Commitment positiv. Abschließend sollen in Abb. 12 die im Kontext der wahrgenommenen Wechselkosten postulierten Wirkungspfade im Commitment-Erklärungsmodell nochmals grafisch veranschaulicht werden.
416
417
Vgl. Adler, J. (1996): Informationsökonomische Fundierung von Austauschprozessen, a.a.O., S. 103ff.; Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003): Konsumentenverhalten, a.a.O., S. 251. Siehe hierzu auch die Ausführungen in Kap. B 1.2.
Vertrauen in Dienstleistungsunternehmen
+
wahrgenommener Restwert spezifischer Investitionen
affektives Commitment + normatives Commitment
Kundenzufriedenheit
+
Attraktivität der besten Alternative
+
antizipierte direkte Wechselkosten
+
kalkulatorisches Commitment
-
wahrgenommenes Risiko
Abb. 12
subjektive Nettonutzendifferenz
+
Partialmodell: wahrgenommene Wechselkosten – Beziehungs-Commitment
2.1.4 Soziale Normen Das inhaltliche Spektrum sozialer Normen ist unüberschaubar und bezieht sich auf alle Facetten sozialer Beziehungen und menschlichen Verhaltens. Auch der Kunde in der Dienstleistungsbeziehung ist dem Einfluss sozialer Normen ausgesetzt. Das Streben des Kunden, im Einklang mit den internalisierten, gesellschaftlich akzeptierten Werten zu handeln, spiegelt das Wesen des normativen Commitment wider. Kunden bauen normatives Commitment gegenüber der Dienstleistungsbeziehung auf, „not because they have figured that doing so is to their personal benefit, but because they believe that it is the „right“ and moral thing to do.“418 Die Entwicklung von normativem Commitment in der Dienstleistungsbeziehung basiert auf einer internalisierten Norm, die ganz allgemein loyales Verhalten in jedweder Art sozialer Beziehung vorsieht.419 Es ist die Überzeugung eines Individuums, „that he has a moral obligation to engage in a mode of conduct reflecting loyalty and duty in all social situations in which he has a significant personal involvement.”420 Diese soziale Norm generellen loyalen Verhaltens drückt folglich die Grundeinstellung einer Person aus, sich gegenüber Familienmitgliedern, Freunden oder auch ganzen Organisationen loyal und pflichtbewusst zu verhalten. Damit fühlen sich Kunden, die normatives Commitment gegenüber ihrem Dienstleis-
418
419 420
Wiener, Y. (1982): Commitment in Organizations: A Normative View, in: The Academy of Management Review, Vol. 7, No. 3, S. 421. Vgl. hierzu und im Folgenden Wiener, Y. (1982): Commitment in Organizations, a.a.O., S. 422f. Wiener, Y. (1982): Commitment in Organizations, a.a.O., S. 423.
tungsanbieter aufbauen, grundsätzlich gegenüber eingegangenen Bindungen – darunter auch Geschäftsbeziehungen – verantwortlich. Dabei ist die Internalisierung dieser Loyalitätsnorm auf Sozialisationsprozesse im persönlichen und kulturellen Umfeld des Kunden zurückzuführen.421 Die Erwartung, grundsätzlich ein gewisses Maß an Loyalität gegenüber sozialen Beziehungen zu entwickeln, wird somit bereits im Kindesalter verinnerlicht. In Hinblick auf den kulturellen Sozialisationsprozess ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung individualistischer und kollektivistischer Gesellschaften von HOFSTEDE interessant.422 So ist das individuelle Autonomiebestreben in individualistischen Kulturen stark ausgeprägt. Beziehungen zwischen den Individuen zeichnen sich durch lockere Bindungen aus. Gruppeninteressen treten hinter die Eigeninteressen einer Person zurück. Das Individuum verspürt eine Verpflichtung in erster Linie sich selbst gegenüber. Im Gegensatz dazu stehen in kollektivistischen Gesellschaften die Gruppeninteressen im Vordergrund. Das Individuum fühlt sich gegenüber der kollektiven Gruppe verpflichtet. Die Beziehungspflege steht vor der individuellen Zielerreichung. Da in individualistischen Kulturen das Eigeninteresse vor Gruppeninteressen steht, ist davon auszugehen, dass die Norm generellen loyalen Verhaltens in der gesellschaftlichen Normenstruktur einen niedrigeren Stellenwert einnimmt als in kollektivistischen Gesellschaften.423 Insgesamt gesehen, stellt die kulturabhängige Norm generellen loyalen Verhaltens eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung von normativem Commitment in der Dienstleistungsbeziehung dar.424 Aber auch der Dienstleistungsanbieter ist in der Lage, dem Konsumenten Werte und Normen zu vermitteln.425 Dieser kundenbezogene Sozialisationsprozess (Customer Organizational Socialization) ist auf die Entwicklung der notwendigen Verhaltensweisen und Einstellungen des Kunden in der konkreten Dienstleistungsbeziehung ausgerichtet. Hierzu zählt auch die Vermittlung einer Norm loyalen Verhaltens, wobei sich die Norm nun auf das loyale Verhalten gegenüber diesem spezifischen Dienstleistungsanbieter bezieht.426 Das Dienstleistungsunternehmen erwartet eine spezifische auf die konkrete Dienstleistungsbeziehung ausgerichtete Loyalität von seinen Kunden. Als soziale Norm spezifischen loyalen Verhaltens soll sie auf421 422
423 424
425
426
Vgl. Meyer, J. P., Allen, N. J. (1997): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 61. Vgl. Hofstede, G. H. (2001): Culture’s Consequences: Comparing Values, Behaviors, Institutions, and Organizations across Nations, 2nd Edition, Thousand Oaks et al., S. 209ff.; Hofstede, G., Hofstede, G. J. (2005): Cultures and Organizations: Software of the Mind, 2nd Edition, New York et al., S. 74ff. Vgl. Meyer, J. P., Allen, N. J. (1997): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 63. Vgl. Gauger, J. (2000): Commitment-Management in Unternehmen: Am Beispiel des mittleren Managements, Wiesbaden, S. 93. Vgl. hierzu und im Folgenden Kelley, S. W., Donnelly, J. H., Skinner, S. J. (1990): Customer Participation in Service Production and Delivery, a.a.O., S. 318ff.; Kelley, S. W., Skinner, S. J., Donnelly, J. H. (1992): Organizational Socialization of Service Customers, in: Journal of Business Research, Vol. 25, November, S. 197ff.; Claycomb, C., Lengnick-Hall, C. A. (2001): The Customer as a Productive Resource: A Pilot Study and Strategic Implications, in: Journal of Business Strategies, Vol. 18, No. 1, S. 51f. Vgl. im Kontext des organisationalen Commitment Meyer, J. P., Allen, N. J. (1997): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 61.
grund ihres konkreten Bezugsobjekts von der zuvor beschriebenen kulturabhängigen Norm generellen loyalen Verhaltens, die sich durch einen höheren Abstraktionsgrad und weiteren Geltungsbereich auszeichnet,427 differenziert werden. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit das Dienstleistungsunternehmen als Normsender überhaupt in der Lage ist, auf Abweichungen von dieser Norm spezifischen loyalen Verhaltens durch den Kunden zu reagieren. Sicherlich sind die Möglichkeiten des Anbieters, abweichendes Verhalten mit negativen Sanktionen zu belegen, begrenzt. Dennoch ist denkbar, das Schuldgefühl bzw. schlechte Gewissen eines Kunden zu adressieren.428 So kann ein Bankunternehmen darauf verweisen, dass es Arbeitsplätze sichert, die durch die Kundenabwanderung gefährdet würden oder ein Anbieter betont den Stellenwert eines einzelnen Kunden als Baustein in einer Versorgungsgemeinschaft. Ebenso der subtile Hinweis auf einen potenziellen Imageverlust durch die Aufkündigung eines prestigeträchtigen Geschäftsverhältnisses vermag bereits als Sanktionsmechanismus interpretiert werden und zur Beachtung der Norm durch den Nachfrager führen. Gleichzeitig kann das Dienstleistungsunternehmen konformes, loyales Verhalten des Kunden durch positive Sanktionen belohnen.429 Naheliegend sind in diesem Zusammenhang Treuerabatte oder die persönliche Anerkennung und Bestätigung des Kunden für sein gezeigtes loyales Verhalten. Die Erwartung, sich gegenüber einem spezifischen Dienstleistungsanbieter loyal zu verhalten, wird aber auch durch das direkte soziale Umfeld des Kunden vermittelt. Denkbar ist beispielsweise, dass Freunde oder Familienangehörige des Kunden bei dem entsprechenden Dienstleistungsanbieter angestellt sind und dementsprechend erwarten, dass der Bekannte oder Verwandte Leistungen von dem arbeitgebenden Unternehmen bezieht. In den empirischen Arbeiten zum Commitment-Konstrukt spielen das normative Commitment und seine Bestimmungsgrößen eine untergeordnete Rolle. Empirische Arbeiten zu dem Einfluss sozialer Normen auf das normative Commitment sind ausgesprochen rar. Die Ergebnisse sind weit davon entfernt, ein klares Bild über die Entwicklung von normativem Commitment empirisch abzusichern. MEYER ET AL. weisen in einer ihrer zahlreichen CommitmentUntersuchungen im Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie auf eine signifikante Korrelation zwischen der generalisierten Überzeugung, eingegangenen Verpflichtungen nach-
427
428
429
Soziale Normen werden in Abhängigkeit ihres Geltungsbereichs in allgemeine und partikulare Normen eingeteilt. Allgemeine Normen gelten für alle, partikulare Normen hingegen nur für ausgewählte Mitglieder einer Gesellschaft. Vgl. Peuckert, R. (2003): Normen, soziale, a.a.O., S. 256. POSNER/RASMUSEN unterscheiden sechs grundlegende Sanktionsmöglichkeiten von Normverstößen, darunter die Schuldgefühle desjenigen, der gegen die Norm verstößt. Vgl. Posner, R. A., Rasmusen, E. B. (1999): Creating and Enforcing Norms, with Special Reference to Sanctions, in: International Review of Law and Economics, Vol. 19, No. 3, S. 371. Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. C 1.1.
zukommen, und dem normativen Commitment hin.430 Ebenfalls in Hinblick auf das Commitment gegenüber Arbeitsorganisationen zeigen ASHFORTH/SAKS, dass normativ begründetes Commitment neu eingestellter Universitätsabsolventen in Beziehung zu den organisationsbezogenen Sozialisationstaktiken innerhalb der Arbeitsorganisation steht.431 GRUEN ET AL. heben in ihrer Arbeit zum Commitment in mitgliedschaftsähnlichen Organisationen die Bedeutung der von der Organisation getragenen Sozialisationsprozesse für die Entwicklung des normativen Commitment ihrer Mitglieder hervor.432 Als Determinante des normativen Commitment analysieren die Forscher die „Verbreitung organisationsbezogenen Wissens“ (dissemination of organizational knowledge). Der modellierte Wirkungspfad erweist sich jedoch als nicht signifikant. Dieses Ergebnis überrascht bei einer genaueren Betrachtung des Faktors „dissemination of organizational knowledge“ (vgl. Tab. 3) allerdings nicht, da dieser kaum etwas über die konkreten mitgliederbezogenen Erwartungen der Organisation und die Verinnerlichung dieser durch ihre Mithelfer aussagt. Construct
Item At/in our ALU meetings/newsletter, we review the lobbying/legislative activity of state or national ALU. At/in our ALU meetings/newsletter, we review actions of our local ALU board.
Dissemination of Organizational Knowledge
At/in our ALU meetings/newsletter, mention is made of who to contact regarding an ALU/NALU member service. At/in our ALU meetings/newsletter, we highlight key statistics and ALU information. At/in our ALU meetings/newsletter, we update progress toward ALU goals.
Tab. 3
„Dissemination of Organizational Knowledge“-Skala von GRUEN ET AL. Quelle: Gruen, T. W., Summers, J. O., Acito, F. (2000): Relationship Marketing Activities, Commitment, and Membership Behaviors in Professional Associations, a.a.O., S. 42.
Im Kontext der hier interessierenden Dienstleistungsbeziehung analysieren einzig BANSAL ET den Einfluss sozialer Normen auf das normative Commitment eines Kunden.433 Sie zeigen, dass sich die Akzeptanz illoyalen Verhaltens gegenüber dem Dienstleistungsanbieter im
AL.
430
431
432
433
Vgl. Meyer, J. P., Allen, N. J., Smith, C. A. (1993): Commitment to Organizations and Occupations: Extensions and Test of a Three-Component Conceptualization, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 78, No. 4, S. 546ff. Vgl. Ashforth, B. E., Saks, A. M. (1996): Socialization Tactics: Longitudinal Effects on Newcomer Adjustment, in: The Academy of Management Journal, Vol. 39, No. 1, S. 149ff. Vgl. Gruen, T. W., Summers, J. O., Acito, F. (2000): Relationship Marketing Activities, Commitment, and Membership Behaviors in Professional Associations, a.a.O., S. 39ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 239ff.
sozialen Umfeld des Kunden negativ auf dessen normativ begründetes Beziehungs-Commitment auswirkt. Die dargestellten konzeptionellen Überlegungen und die vereinzelten empirischen Erkenntnisse zum Einfluss genereller und spezifischer Normen auf das normative Commitment eines Kunden sind Anlass dafür, die Norm loyalen Verhaltens gegenüber Beziehungen im Allgemeinen und die Norm loyalen Verhaltens gegenüber der Dienstleistungsbeziehung im Speziellen als Determinanten in das Erklärungsmodell für Beziehungs-Commitment zu integrieren. Es ist allerdings zu beachten, dass nicht die alleinige Existenz der Normen zur Entwicklung des normativen Commitment beiträgt, sondern strenggenommen die Wirkungsgrade der Normen als Erklärungsgrößen im Modell zu berücksichtigen sind, die Auskunft darüber geben, in welchem Ausmaß die Normen von dem Kunden beachtet werden.434 Annahme 20: Der Wirkungsgrad der Norm generellen loyalen Verhaltens beeinflusst das normative Commitment eines Dienstleistungskunden positiv. Annahme 21: Der Wirkungsgrad der Norm spezifischen loyalen Verhaltens beeinflusst das normative Commitment eines Dienstleistungskunden positiv. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass Normen nicht unabhängig voneinander existieren.435 Vielmehr sind sie integrale Bestandteile einer Normenstruktur. Zwischen den einzelnen Normen in einer Normenstruktur bestehen Beziehungen. Ohne weitere soziale Normen im Umfeld des Kunden spezifizieren zu wollen, sollen dennoch an dieser Stelle die hier betrachteten Normen loyalen Verhaltens in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden. Diesbezüglich wird angenommen, dass die Verinnerlichung eines grundlegenden Pflichtbewusstseins gegenüber sozialen Beziehungen die Internalisierung der Norm des spezifischen, auf den Dienstleistungsanbieter bezogenen loyalen Verhaltens fördert. Damit erweist sich die Norm generellen loyalen Verhaltens als partiell intervenierende Variable im CommitmentErklärungsmodell, die sowohl direkt als auch indirekt das normative Commitment eines Dienstleistungskunden beeinflusst. Annahme 22: Der Wirkungsgrad der Norm generellen loyalen Verhaltens beeinflusst den Wirkungsgrad der Norm spezifischen loyalen Verhaltens und damit indirekt das normative Commitment des Dienstleistungskunden positiv. Neben den Normen loyalen Verhaltens soll in diesem Kontext auch die Norm der Reziprozität diskutiert werden. Dem ersten Anschein nach könnte es sich bei der Reziprozitätsnorm, 434
435
Zum Wirkungsgrad als Maß für die Befolgung einer Norm durch ein Individuum vgl. Peuckert, R. (2003): Normen, soziale, a.a.O., S. 255. Vgl. hierzu und im Folgenden Coleman, J. S. (1995): Grundlagen der Sozialtheorie, a.a.O., S. 315.
dergemäß in Austauschbeziehungen jede Leistung zu einer Gegenleistung führt, ebenfalls um eine Bestimmungsgröße des normativen Commitment handeln. Diesbezüglich ist jedoch einschränkend anzumerken, dass die Befolgung der Reziprozitätsnorm zwar eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Entwicklung des normativen Commitment darstellt. Denn der Kunde fühlt sich lediglich dann zur Fortführung der Dienstleistungsbeziehung verpflichtet, die Internalisierung der Reziprozitätsnorm angenommen, wenn ihm aus dieser wiederholt ein positiver Nettonutzen im Sinne einer äußerst positiv wahrgenommenen Kundenzufriedenheit erwächst.436 Insofern übernimmt die Reziprozitätsnorm vielmehr die Funktion einer Moderatorvariablen.437 Sie spezifiziert, unter welcher Voraussetzung die positive Wirkung der Kundenzufriedenheit auf das normative Commitment zum Tragen kommt. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem internalisierten Reziprozitätsgedanken und dem normativen Commitment darf hingegen nicht unterstellt werden. Damit werden in das Commitment-Erklärungsmodell lediglich die Wirkungsgrade der beiden Normen loyalen Verhaltens als Determinanten integriert (vgl. Abb. 13).
affektives Commitment soziale Norm generellen loyalen Verhaltens
+
+ soziale Norm spezifischen loyalen Verhaltens
normatives Commitment
+ kalkulatorisches Commitment
Abb. 13
Partialmodell: soziale Normen – Beziehungs-Commitment
2.2 Zusammenfassung der Determinanten des Beziehungs-Commitment in einem Erklärungsmodell In den vorangegangenen Ausführungen wurden auf Basis theoretischer Überlegungen und erster empirischer Ergebnisse im Bereich der Dienstleistungs- bzw. Marketingforschung allgemein sowie durch Übertragung wesentlicher Erkenntnisse aus der Arbeits- und Organisati-
436
437
Vgl. im Kontext der Organisationspsychologie Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 68ff.; Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 316. Bei Moderatorvariablen handelt es sich um Drittvariablen, die die Richtung und/oder Stärke des Zusammenhangs zwischen einer unabhängigen und abhängigen Größe beeinflussen. Vgl. beispielsweise Baron, R. M., Kenny, D. A. (1986): The Moderator-Mediator Variable Distinction in Social Psychological Research, a.a.O., S. 1174.
onspsychologie zentrale Einflussfaktoren des Beziehungs-Commitment eines Dienstleistungskunden identifiziert. Es wurde gezeigt, dass sich affektives Commitment als emotionsbetonte psychologische Bindung des Dienstleistungskunden in erster Linie aus der Zufriedenheit mit der Dienstleistungsbeziehung, der Interaktionsqualität und dem Vertrauen in das Dienstleistungsunternehmen ableiten lässt (vgl. Abb. 14).
Abb. 14
Kundenzufriedenheit
+
Interaktionsqualität
+
Vertrauen in Dienstleistungsunternehmen
+
affektives Commitment
Direkte Determinanten des affektiven Beziehungs-Commitment
Die positive Erfahrung der Bestätigung und Übererfüllung der Kundenerwartungen sowie die Befriedigung sozialer Bedürfnisse in der Dienstleistungsinteraktion tragen zur Identifikation des Kunden mit dem Anbieter der Leistung und damit zur Entwicklung des affektiven Commitment bei. Gleichermaßen beeinflusst das Vertrauen gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen den affektiven Bindungszustand des Kunden. Die Überzeugung, dass der Anbieter wohlwollend und ehrlich in der Beziehung agiert, demnach also auf opportunistisches Verhalten verzichtet, befriedigt zentrale psychosoziale Bedürfnisse des Kunden nach sozialem Austausch, Unsicherheits- und Komplexitätsreduktion. Der Glaube an die Integrität und Verlässlichkeit des Dienstleistungsunternehmens fördert damit das auf positiven Gefühlen und Befürwortung basierende affektive Commitment. Das kalkulatorische Commitment ist das Ergebnis kognitiver Kosten-Nutzen-Überlegungen. Nachteile bzw. Kosten, die mit der Beendigung der bestehenden Dienstleistungsbeziehung assoziiert werden, tragen zur Entwicklung dieses psychologischen Bindungszustands bei. So erhöhen spezifische Investitionen in die Dienstleistungsbeziehung, die sich noch nicht amortisiert haben und mit Auflösung des Geschäftsverhältnisses als Sunk Costs verloren gehen würden, die kostenbezogene Bindung des Kunden an den Anbieter. Aber auch ein mit Blick auf die Beendigung der Beziehung antizipierter subjektiver Nettonutzenverlust beeinflusst das kalkulatorische Commitment eines Kunden. Dieser wägt ab, inwieweit ihm aus der
aktuellen Beziehung im Vergleich zum Leistungsbezug beim besten alternativen Anbieter ein höherer Nettonutzen erwächst, wobei sich der Kunde durch eine subjektive Nettonutzendifferenz zugunsten des gegenwärtigen Dienstleistungsanbieters kalkulatorisch an die bestehende Geschäftsbindung gebunden fühlt. Darüber hinaus begünstigen die antizipierten direkten Wechselkosten, die unmittelbar mit der Auflösung des alten sowie der Aufnahme eines neuen Geschäftsverhältnisses anfallen, die Entstehung des kalkulatorischen Commitment (vgl. Abb. 15).
Abb. 15
wahrgenommener Restwert spezifischer Investitionen
+
subjektive Nettonutzendifferenz
+
antizipierte direkte Wechselkosten
+
kalkulatorisches Commitment
Direkte Determinanten des kalkulatorischen Beziehungs-Commitment
Das normative Commitment eines Kunden in der Dienstleistungsbeziehung ist im Wesentlichen auf drei Größen zurückzuführen (vgl. Abb. 16). Einerseits trägt eine hohe Zufriedenheit mit der Dienstleistungsbeziehung zur Entwicklung einer moralisch begründeten Bindung gegenüber dem Anbieter bei. Spürt der Kunde, dass sich der Dienstleister für seine Bedürfnisse bzw. Wünsche interessiert und engagiert, fühlt er sich – die Internalisierung der Reziprozitätsnorm vorausgesetzt – verpflichtet, dem Anbieter etwas zurückzugeben und ihm gegenüber treu zu bleiben. Andererseits begünstigt die Verinnerlichung sozialer Normen loyalen Verhaltens die Bildung von normativen Commitment. Dabei können sowohl die Beachtung einer generellen Erwartung des sozialen Umfelds durch den Kunden, sich grundsätzlich gegenüber eingegangenen Beziehungen verpflichtet zu fühlen (Norm generellen loyalen Verhaltens), als auch die Berücksichtigung einer Norm, sich in der spezifischen Dienstleistungsbeziehung loyal zu verhalten (Norm spezifischen loyalen Verhaltens), als Treiber des normativen Commitment identifiziert werden.
Abb. 16
Kundenzufriedenheit
+
soziale Norm generellen loyalen Verhaltens
+
soziale Norm spezifischen loyalen Verhaltens
+
normatives Commitment
Direkte Determinanten des normativen Beziehungs-Commitment
Aus dem Zusammenspiel dieser direkten Einflussgrößen sowie der zusätzlich abgeleiteten indirekten Wirkungspfade ergibt sich das in Abb. 17 dargestellte, umfassende Erklärungsmodell für das Commitment eines Kunden in der Dienstleistungsbeziehung. affektives Commitment +
normatives Commitment
+
+
+ +
+
soziale Norm generellen loyalen Verhaltens
Interaktionsqualität
soziale Norm spezifischen loyalen Verhaltens
+
Leistungsqualität +
+
+
+ +
Vertrauen in Dienstleistungsmitarbeiter
Vertrauen in Dienstleistungsunternehmen
+
+
Kundenzufriedenheit
-
wahrgenommenes Risiko
Attraktivität der besten Alternative
+
-
+
wahrgenommener Restwert spezifischer Investitionen
subjektive Nettonutzendifferenz
antizipierte direkte Wechselkosten
+
+
+
kalkulatorisches Commitment
Abb. 17
Erklärungsmodell des Commitment in der Dienstleistungsbeziehung
Bei genauerer Betrachtung des Erklärungsmodells zeigt sich, dass Vertrauen und Zufriedenheit des Kunden einen besonderen Stellenwert bei der Entwicklung des Beziehungs-Commit-
ment einnehmen. So beeinflusst die Zufriedenheit eines Kunden mit der Dienstleistungsbeziehung das affektive und normative Commitment direkt sowie das kalkulatorische Commitment indirekt. Ebenso wirkt sich das Systemvertrauen gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen direkt bzw. indirekt auf alle drei Commitment-Komponenten aus. Interessant erscheint darüber hinaus der zyklische Zusammenhang von Zufriedenheit, Vertrauen und (affektivem) Commitment basierend auf Annahme 2, Annahme 5 und Annahme 8. Ausgehend von der Zufriedenheit des Kunden entwickelt dieser Vertrauen gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen. Diese vertrauensvolle Haltung gegenüber dem Anbieter wirkt sich positiv auf das affektive Beziehungs-Commitment aus. Die emotionale Bindung des Kunden an die Dienstleistungsbeziehung beeinflusst wiederum dessen Zufriedenheit und löst damit den Wirkungszyklus erneut aus (vgl. Abb. 18).438
affektives Commitment +
Vertrauen in Dienstleistungsunternehmen
Abb. 18
+
+
Kundenzufriedenheit
Wirkungszyklus um das affektive Beziehungs-Commitment
3 Wirkungsmodell des Beziehungs-Commitment Nachdem erörtert wurde, welche Kräfte zur Entwicklung der einzelnen CommitmentKomponenten beitragen und in diesen Ausführungen einmal mehr das Wesen des Konstrukts deutlich geworden ist, soll im Folgenden erarbeitet werden, welche Auswirkungen vom Beziehungs-Commitment auf das intendierte Kundenverhalten ausgehen. Dabei werden in der Literatur bei der Betrachtung des Commitment als unabhängige Variable mehrheitlich positi-
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Dass sich dieser zyklische Wirkprozess nicht unendlich fortsetzt; ist einsichtig. Arbeiten zur Auflösung von Geschäftsbeziehungen weisen auf den Zerfall von Commitment und Vertrauen durch beziehungsinterne aber auch externe Einflüsse hin. Siehe hierzu Schmitz, G. (1997): Marketing für professionelle Dienstleistungen, a.a.O., S. 265.
ve Folgen für das Nachfrageverhalten vermutet.439 In Hinblick auf die unterschiedlichen psychologischen Prozesse, die den einzelnen Commitment-Komponenten zugrunde liegen, ist allerdings davon auszugehen, dass affektives, kalkulatorisches und normatives Commitment nicht zwangsläufig identische Verhaltensintentionen des Dienstleistungskunden nach sich ziehen. Die Konsequenzen des Beziehungs-Commitment für das intendierte Käuferverhalten sind insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtfertigung des Commitment als Gegenstand der Marketingforschung und Zielgröße des Kundenbindungsmanagement relevant. Zu diesem Zweck soll nachstehend der Bezug zu den für die Wirtschaftlichkeit des Dienstleistungsunternehmens bedeutsamen Verhaltensweisen eines Kunden hergestellt werden. Des Weiteren liegt dem zu entwickelnden Wirkungsmodell die Annahme zugrunde, dass die Handlungen des Kunden durch eigens dafür herausgebildete Intentionen realisiert werden, wobei Commitment die Intentionsbildung440 des Nachfragers beeinflusst. Die Ausführungen zu den Auswirkungen des Beziehungs-Commitment beziehen sich somit immer auf das intendierte Verhalten des Dienstleistungskunden. Offensichtlich habitualisierte und stark reizgesteuerte, impulsive Handlungen werden in der Analyse hingegen nicht berücksichtigt.441
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440
441
Siehe beispielsweise Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 22ff.; Hocutt, M. A. (1998): Relationship Dissolution Model: Antecedents of Relationship Commitment and the Likelihood of Dissolving a Relationship, in: International Journal of Service Industry Management, Vol. 9, No. 2, S. 190f.; Udorn, P., Bloom, P. N., Zeithaml, V. A. (1998): Consumer Commitment: A Crucial Connection between Consumers and Companies, in: Gray, B. J., Deans, K. R. (Eds.): Marketing Connections: Proceedings of the ANZMAC 1998, Dunedin, S. 2699ff. Im Handlungsphasen-Modell von HECKHAUSEN/GOLLWITZER (Rubikon-Modell) findet das Abwägen möglicher Handlungsalternativen in der prädezisionalen Motivationsphase statt, die mit der Herausbildung konkreter Intentionen endet. In der präaktionalen Volitionsphase plant das Individuum die Intentionsinitiierung voraus, wohingegen die aktionale Volitionsphase die tatsächliche Intentionsrealisierung und damit die konkrete Handlungsausführung kennzeichnet. Die Beendigung einer Handlung und gleichzeitig die Intentionsdesaktivierung leiten die abschließende postaktionale Motivationsphase ein, in der die Handlungsergebnisse bewertet werden, wobei die genannte chronologische Abfolge der Handlungsphasen als idealtypisch anzusehen ist. Vgl. Heckhausen, H. (1989): Motivation und Handeln, a.a.O., S. 212ff.; Gollwitzer, P. M. (1991): Abwägen und Planen: Bewußtseinslagen in verschiedenen Handlungsphasen, Göttingen et al., S. 38ff. Diesem Handlungsphasen-Modell folgend, ist der Einfluss des Beziehungs-Commitment in erster Linie in der prädezisionalen Motivationsphase zu verorten. Ähnlich integrieren auch MEYER ET AL. in ihrem um Commitment erweiterten Motivationsmodell das Commitment gegenüber der Arbeitsorganisation als eine die Auswahl von Handlungszielen beeinflussende Größe, die eine wichtige Rolle im Motivationsprozess des Individuums spielt. Vgl. Meyer, J. P., Becker, T. E., Vandenberghe, C. (2004): Employee Commitment and Motivation, a.a.O., S. 995ff. Zu habitualisierten und impulsiven Kaufentscheidungen siehe ausführlicher Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003): Konsumentenverhalten, a.a.O., S. 400ff.
3.1 Konsequenzen des Beziehungs-Commitment 3.1.1 Intendiertes Bindungsverhalten Die Intention des Kunden, die Beziehung zu seinem Dienstleistungsanbieter aufrechtzuerhalten und dessen Leistungen auch in der Zukunft in Anspruch zu nehmen, lässt sich aus dem konzeptionellen Kern des Commitment-Konstrukts ableiten. Beziehungs-Commitment wurde in dieser Arbeit als psychologischer Zustand definiert, der einen Kunden an die Beziehung zu seinem Dienstleistungsanbieter bindet. Insofern handelt es sich bei der Bindungsintention und der damit einhergehenden Bereitschaft, Leistungen des Anbieters bei entsprechendem Bedarf erneut nachzufragen, um die zentrale intendierte Verhaltenskonsequenz des BeziehungsCommitment. In der Absicht, die Beziehung zum Anbieter fortzuführen, unterscheiden sich die drei Commitment-Komponenten nicht. Vielmehr handelt es sich bei der Bindungsintention um ihren gemeinsamen Nenner.442 Allerdings variieren die hinter den einzelnen Commitment-Komponenten stehenden motivationalen Zusammenhänge für den Wiederkauf der Leistung. Im Fall des affektiven Commitment basiert die Bindungsintention auf der inneren, emotionalen Zuwendung des Kunden zu seinem Dienstleistungsanbieter und dem Grundbedürfnis des Menschen nach sozialem Anschluss im Sinne des Affiliationsmotivs.443 Dieses Streben nach Gruppenzugehörigkeit spiegelt sich auch in dem Wunsch des Kunden wider, die aufgebauten sozialen Kontakte zu dem Dienstleistungsanbieter und seinen Mitarbeitern beizubehalten.444 Zudem entspricht die Fortführung einer Beziehung, an die sich der Kunde emotional gebunden fühlt, dem Bedürfnis des Individuums nach kognitiver Konsistenz. Die Bindungsabsicht infolge des kalkulatorischen Commitment ist hingegen auf die Vermeidung von Wechselkosten zurückzuführen und folgt demnach dem Streben des Kunden nach instrumenteller Rationalität.445 Menschen agieren instrumentell-rational bzw. zweckrational, wenn sie ihr Handeln an Zweck, Mittel und Nebenfolgen ausrichten und dabei Mittel
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Vgl. Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 73. In Anlehnung an Eggert, A. (1999): Kundenbindung aus Kundensicht: Konzeptionalisierung – Operationalisierung – Verhaltenswirksamkeit, Wiesbaden, S. 97. MURRAY kennzeichnet soziale Affiliation wie folgt: „To form friendships and associations. To greet, join, and live with others. To co-operate and converse sociably with others. To love. To join groups.” Murray, H. A. (1938): Explorations in Personality: A Clinical and Experimental Study of Fifty Men of College Age, New York, S. 83. Vgl. Diller, H. (1994): Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven des Beziehungsmanagement, in: Meffert, H.; Wagner, H., Backhaus, K. (Hrsg.): Beziehungsmarketing: Neue Wege zur Kundenbindung, Dokumentationspapier Nr. 90 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung, o.O., S. 8. In Anlehnung an Eggert, A. (1999): Kundenbindung aus Kundensicht, a.a.O., S. 98.
und Zweck, Zweck und Nebenfolgen oder auch letztendlich alternative Zwecke einander rational gegenüberstellen.446 Das normative Commitment trägt aufgrund der Bereitschaft, gesellschaftlich akzeptierten bzw. internalisierten Normen nachzukommen, zur Bindungsabsicht des Kunden bei. Insofern drückt das aus dem normativen Commitment resultierende intendierte Bindungsverhalten die Bestrebungen des Konsumenten nach moralisch-praktischer Rationalität aus.447 Das bedeutet, Individuen richten ihre Handlungen an den Maßstäben normativer Richtigkeit aus. In der empirischen Forschung ist die Bindungswirkung des Commitment-Konstrukts vielfach analysiert worden. Aus dem vermuteten Zusammenhang zwischen dem Commitment und der Bindungsintention erwuchs überhaupt erst das wissenschaftliche Interesse an dem Konstrukt. In der Organisationspsychologie wurden vor diesem Hintergrund zahlreiche Untersuchungen zum Einfluss des Commitment eines Arbeitnehmers auf dessen Fluktuationsneigung durchgeführt. An dieser Stelle sei auf die Ergebnisse der Meta-Analyse von MEYER ET AL. verwiesen.448 Hier bestätigt sich der negative Zusammenhang zwischen dem Commitment und der Fluktuationsneigung. Arbeitnehmer, die ein hohes Commitment gegenüber ihrer Arbeitsorganisation aufweisen, zeigen somit ein höheres Interesse, die Arbeitsbeziehung aufrechtzuerhalten. Dabei ist der Korrelationskoeffizient zwischen affektivem Commitment und der Fluktuationsneigung am höchsten ( =-0.51), gefolgt vom normativen Commitment ( =-0.39) und fortsetzungsbezogenen respektive kalkulatorischen Commitment ( =-0.17).449 Die unterschiedlichen Effektstärken der einzelnen Commitment-Komponenten erscheinen in Hinblick auf deren grundsätzliches Wesen durchaus plausibel: „Individuals who are committed primarily out of desire might have a stronger inclination to follow through on their commitment than those who are committed primarily out of obligation or to avoid costs. Those who are committed primarily to avoid costs might be particularly inclined to find ways to get out of their commitment.”450 Im Bereich der Marketingforschung ist die Zahl der empirischen Arbeiten zu den Konsequenzen des Commitment bzw. seiner Komponenten vergleichsweise überschaubar. MOR446
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Vgl. Weber, M. (1990): Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. rev. Studienausgabe, Tübingen, S. 13. Vgl. Habermas, J. (1987): Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, 4. Aufl., Frankfurt a. Main, S. 244ff. Hier wird auch der Bezug zu WEBER’S wertrationalem Handeln hergestellt, das sich auszeichnet „durch bewußten Glauben an den – ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu deutenden – unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sicherverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg“. Weber, M. (1990): Wirtschaft und Gesellschaft, a.a.O., S. 12. Vgl. hierzu und im Folgenden Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 34. Der Klassifikation von COHEN folgend, entspricht ein Korrelationskoeffizient von =|0.50| einem großen, =|0.30| einem mittleren und =|0.10| einem kleinen Effekt. Vgl. Cohen, J. (1988): Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences, 2nd Edition, New York, S. 79f. Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 312f.
GAN/HUNT
bestätigen ebenso wie ABDUL-MUHMIN im Kontext industrieller Geschäftsbeziehungen einen signifikanten negativen Einfluss des (affektiven) Commitment auf die Wechselabsicht der Beziehungspartner (propensity to leave451 bzw. propensity to terminate the relationship452). WETZELS ET AL. und DE RUYTER ET AL. integrieren in ihre Untersuchungen zur Beziehung zwischen industriellen Zulieferern und deren Abnehmern sowohl affektives als auch kalkulatorisches Commitment.453 In beiden Arbeiten konnte der Einfluss der Commit-
ment-Komponenten auf die Absicht, die Geschäftsbeziehung fortzuführen (intention to stay), verifiziert werden. Analog zu den Erkenntnissen aus der Organisationspsychologie deuten die jeweiligen standardisierten Pfadkoeffizienten auf einen stärkeren Einfluss des emotional begründeten Commitment im Vergleich zu dem auf rationalen Zwängen beruhenden kalkulatorischen Commitment hin. Mittlerweile wurden auch einzelne empirische Untersuchungen zu den Konsequenzen des Commitment in der Dienstleistungsbeziehung durchgeführt. HENNIG-THURAU ET AL. zeigen in ihrer branchenübergreifenden Arbeit, dass (affektives) Commitment die Kundenloyalität im Sinne einer reduzierten Wechselneigung signifikant beeinflusst.454 GARBARINO/JOHNSON betrachten das (affektive) Commitment von Theaterbesuchern und dessen Einfluss auf künftige Verhaltensintentionen und dabei insbesondere die Absicht, Aufführungen auch in der Zukunft zu besuchen.455 Die Analyse der Autoren ergibt, dass der positive Zusammenhang zwischen (affektivem) Commitment und der Bindungsabsicht von der Beziehungsorientierung (relational orientation)456 der Besucher moderiert wird. Zusätzlich zum affektiven Commitment integriert FULLERTON das kalkulatorische Commitment in seine Modelle zur Erklärung der Verhaltensintentionen von Dienstleistungs- bzw. Handelskunden. In einer experimentellen Studie üben sowohl affektives als auch kalkulatori451
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Vgl. Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 25ff. Es sei nochmals angemerkt, dass MORGAN/HUNT Commitment in ihrer Untersuchung als eindimensionales Konstrukt konzipieren und dieses im Wesentlichen den Kern des affektiven Commitment abbildet. Vgl. Abdul-Muhmin, A. G. (2005): Instrumental and Interpersonal Determinants of Relationship Satisfaction and Commitment in Industrial Markets, a.a.O., S. 623f. Auch an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Autor das affektive Bindungsgefühl des Beziehungspartners untersucht. Vgl. hierzu und im Folgenden Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships, a.a.O., S. 412ff.; Ruyter, K. de, Moorman, L., Lemmink, J. (2001): Antecedents of Commitment and Trust in Customer-Supplier Relationships in High Technology Markets, a.a.O., S. 277ff. Vgl. Hennig-Thurau, T., Gwinner, K. P., Gremler, D. D. (2002): Understanding Relationship Marketing Outcomes, a.a.O., S. 237ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Garbarino, E., Johnson, M. S. (1999): The Different Roles of Satisfaction, Trust, and Commitment in Customer Relationships, a.a.O., S. 70ff. Zu kritisieren ist die Operationalisierung des eindimensionalen Konstrukts “future intentions”, das sowohl die künftige Bindungsabsicht, aber auch die Spendenbereitschaft der Theaterbesucher erfasst. Von einer starken Beziehungsorientierung des Besuchers wird gesprochen, wenn dieser über einen langen Zeitraum hinweg Besitzer eines Theater-Abonnements ist. Eine schwach ausgeprägte Beziehungsorientierung liegt hingegen bei Einzelkartenkäufern und bei sporadischen Abonnement-Besitzern vor. Vgl. Garbarino, E., Johnson, M. S. (1999): The Different Roles of Satisfaction, Trust, and Commitment in Customer Relationships, a.a.O., S. 78ff.
sches Commitment einen negativen Einfluss auf die Wechselabsicht der Kunden des fiktiven Anbieters von TK-Dienstleistungen aus.457 Auch in weiteren Untersuchungen, die im realen Umfeld von Handelsunternehmen durchgeführt wurden, kann ein signifikanter negativer Wirkungspfad des affektiven Commitment auf die Fluktuationsneigung der Kunden nachgewiesen werden.458 Hinsichtlich der Folgen des kalkulatorischen Commitment variieren die Ergebnisse des Autors erheblich. Ein konsistent positiver Wirkungspfad auf die Bindungsabsicht der Kunden bestätigt sich nicht. Auch in der Untersuchung von HANSEN ET AL. ist lediglich der Einfluss des affektiven Commitment von Bankkunden auf deren Absicht, die Beziehung zu ihrem Finanzdienstleister fortzuführen, signifikant.459 Auf die Probleme der empirischen Nachweisbarkeit der Konsequenzen der einzelnen Commitment-Komponenten für das Verhalten weisen bereits Arbeiten aus der Arbeits- und Organisationspsychologie hin.460 Diskutiert werden vor diesem Hintergrund Interaktionseffekte derart, dass der Zusammenhang zwischen einer der Commitment-Komponenten und der interessierenden Verhaltensgröße durch eine der anderen Formen des Commitment beeinflusst wird. So muss beispielsweise eine niedrige Ausprägung des kalkulatorischen Commitment nicht zwangsläufig mit einer insgesamt geringen Bindungsabsicht einhergehen, wenn sich der Kunde gleichzeitig affektiv gebunden fühlt und damit ein positiver Einfluss auf die Bindungsintention festgestellt werden kann. Abb. 19 veranschaulicht die Problematik der Interaktionseffekte zwischen den einzelnen Commitment-Dimensionen schematisch. Aus der weiteren Betrachtung der Konsequenzen der einzelnen Commitment-Dimensionen sollen Interaktionseffekte jedoch ausgeklammert werden.461
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Vgl. Fullerton, G. (2003): When Does Commitment Lead to Loyalty?, a.a.O., S. 335ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 102ff.; Fullerton, G. (2005b): The Impact of Brand Commitment on Loyalty to Retail Service Brands, a.a.O., S. 101ff. Vgl. Hansen, H., Sandvik, K., Selnes, F. (2003): Direct and Indirect Effects of Commitment to a Service Employee on the Intention to Stay, in: Journal of Service Research, Vol. 5, No. 4, S. 358ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A Three-Component Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 74; Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 39. Im Bereich der Organisationsforschung liegen erste empirische Erkenntnisse zu möglichen Interaktionseffekten zwischen den einzelnen Commitment-Dimensionen vor. Die Einflüsse der nachgewiesenen Interaktionseffekte erwiesen sich in diesen empirischen Analysen jedoch als gering. Vgl. Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 314 sowie die dort angegebene Literatur.
hoch
Bindungsabsicht*
niedrig affektives Commitment hoch normatives Commitment hoch kalkulatorisches Commitment hoch
hoch hoch hoch niedrig niedrig niedrig niedrig hoch niedrig niedrig hoch hoch niedrig niedrig niedrig hoch niedrig hoch niedrig hoch niedrig
* ceteris paribus
Abb. 19
Interaktionseffekte der Commitment-Dimensionen Quelle: in Anlehnung an Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 314.
Die Bedeutung aller drei Commitment-Komponenten für die Wechselabsicht von Dienstleistungskunden analysieren BANSAL ET AL.462 In ihrer empirischen Arbeit beeinflussen sowohl normatives als auch kalkulatorisches Commitment die Wechselabsicht der Kunden negativ, wobei entsprechend den Erkenntnissen aus der Arbeits- und Organisationspsychologie der Effekt des moralisch begründeten Commitment stärker ist als der des auf kalkulatorischen Überlegungen basierenden Commitment. Der postulierte Wirkungspfad vom affektiven Commitment zum intendierten Bindungsverhalten des Dienstleistungskunden hält der empirischen Überprüfung hingegen nicht stand. Leider liegen – soweit bekannt – keine weiteren Studien vor, die gleichzeitig die Wirkung aller drei Commitment-Komponenten auf die Wechselabsicht von Dienstleistungskunden untersuchen und das Ergebnis von BANSAL ET AL. replizieren können. Von einer Verallgemeinerung dieses überraschenden, den konzeptionellen Überlegungen widersprechenden Ergebnisses von BANSAL ET AL. zum Wirkungspfad des affektiven Commitment soll allerdings abgesehen werden. Auch hier ließen sich die oben erörterten Interaktionseffekte als Begründung für die mangelhafte empirische Evidenz des interessierenden Variablenzusammenhangs anführen. An dieser Stelle wird den dargelegten theoretischen Überlegungen zum Einfluss des affektiven, normativen und kalkulatorischen Commitment auf die Bindungsabsicht des Dienstleistungskunden gefolgt. Unter Berücksichtigung der diese theoretisch abgeleiteten Wirkungspfade ansatzweise bestätigenden, empirischen Ergebnisse wird folgende Annahme getroffen: 462
Vgl. hierzu und im Folgenden Bansal, H. S., Irving, P. G., Taylor, S. F. (2004): A Three-Component Model of Customer Commitment to Service Providers, a.a.O., S. 236ff.
Annahme 23: Das affektive, kalkulatorische und normative Commitment beeinflussen die Bindungsabsicht des Dienstleistungskunden positiv. Ferner wird hinsichtlich dieser Wirkungspfade unterstellt, dass der Einfluss des affektiven Commitment auf die Bindungsabsicht des Dienstleistungskunden am höchsten ist, gefolgt von der Effektstärke des normativen und der wiederum schwächeren Auswirkung des kalkulatorischen Commitment. Darüber hinaus liegt eine geringe Anzahl von Untersuchungen vor, in denen der Einfluss des Commitment auf das tatsächliche Bindungsverhalten der Kunden analysiert wird. Erwartungsgemäß deutet sich in diesen Arbeiten – wenn überhaupt – ein moderater Wirkungszusammenhang zwischen den Commitment-Komponenten und dem tatsächlichen Bindungsverhalten an. Beispielsweise trägt in der Studie von GUSTAFSSON ET AL. lediglich das kalkulatorische Commitment nicht aber das affektive Commitment zur Vorhersage des tatsächlichen Bindungsverhaltens der Kunden eines TK-Dienstleisters bei.463 In der Untersuchung von GRUEN ET AL. erweist sich keiner der postulierten Wirkungspfade vom affektiven, normativen bzw. kalkulatorischen Commitment zum Bindungsverhalten der Mitglieder der betrachteten Organisation als statistisch signifikant.464 Diese Ergebnisse überraschen keineswegs. Bereits aus der Einstellungsforschung ist hinlänglich bekannt, dass nicht alle Handlungsintentionen eines Individuums realisiert werden und folglich in tatsächlichem, beobachtbarem Verhalten münden müssen.465 Sowohl situative Einflussfaktoren als auch Zufälligkeiten können zur Inkonsistenz der Intentions-Verhaltens-Relation führen. Dementsprechend wurde bereits frühzeitig angemerkt, dass behavioristische Messansätze bedingt zur Analyse kundenseitiger Dispositionen gegenüber dem Leistungsanbieter geeignet sind.466 Abschließend kann konstatiert werden, dass affektives, normatives wie auch kalkulatorisches Commitment durch ihre Funktion als Prädiktoren der Bindungsabsicht zur Sicherung des Unternehmensbestands beitragen. Alle drei Commitment-Komponenten fördern die Absicht des Dienstleistungskunden, die Beziehung zu dem Dienstleistungsanbieter fortzuführen und folglich dessen Leistungen in der Zukunft in Anspruch zu nehmen (vgl. Abb. 20).
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Vgl. Gustafsson, A., Johnson, M. D., Roos, I. (2005): The Effects of Customer Satisfaction, Relationship Commitment Dimensions, and Triggers on Customer Retention, a.a.O., S. 214ff. Vgl. Gruen, T. W., Summers, J. O., Acito, F. (2000): Relationship Marketing Activities, Commitment, and Membership Behaviors in Professional Associations, a.a.O., S. 36ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Ajzen, I. (1985): From Intentions to Actions: A Theory of Planned Behavior, in: Kuhl, J., Beckmann, J. (Eds.): Action Control: From Cognition to Behavior, Berlin et al., S. 11; Schiefele, U. (1990): Einstellung, Selbstkonsistenz und Verhalten, Göttingen et al., S. 68ff. Vgl. Day, G. S. (1969): A Two-Dimensional Concept of Brand Loyalty, in: Journal of Advertising Research, Vol. 9, No. 3, S. 29ff.
Abb. 20
affektives Commitment
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normatives Commitment
+
kalkulatorisches Commitment
+
Bindungsabsicht
Partialmodell: Beziehungs-Commitment – Bindungsabsicht
3.1.2 Intendiertes Integrationsverhalten Wie bereits dargelegt, wird in der Literatur zum Dienstleistungsmarketing vielfach die Auffassung vom Kunden als „partial employee“ vertreten, der durch sein Verhalten ganz wesentlich auf die Prozesse der Dienstleistungserstellung und folglich die Wirtschaftlichkeit eines Dienstleistungsunternehmens einwirkt. Es stellt sich somit auch für den Konsumenten analog zu den bezahlten Mitarbeitern der Dienstleistungsorganisation die Frage, welche Faktoren das Arbeitsverhalten des Kunden im Dienstleistungserstellungsprozess beeinflussen. Zu den Arbeitsleistungen des Konsumenten zählen die Bereitstellung des zu integrierenden externen Faktors sowie die aktive Mitwirkung des Nachfragers am Dienstleistungsproduktionsprozess im Sinne der Erbringung physischer und psychischer Leistungen.467 SCHMID und GOUTHIER sprechen in diesem Zusammenhang vom Kunden als Co-Produktionsfaktor und Co-Interaktor.468 Die Bereitstellung des externen Faktors schließt auch die Übertragung vorbereitender Aufgaben an den Dienstleistungskunden zur Ergänzung des Leistungspotenzials des Anbieters ein,469 womit einmal mehr die Funktion des Kunden als Mitproduzenten deutlich wird.470 Zu diesen vorbereitenden Maßnahmen zählt beispielsweise das Zusammentragen
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Die Erbringung psychischer und physischer Leistungen und damit die aktive Mitwirkung des Dienstleistungsnachfragers am Produktionsprozess kennzeichnet MALERI als eine grundlegende Erscheinungsform des externen Produktionsfaktors. Vgl. Maleri, R. (1997): Grundlagen der Dienstleistungsproduktion, a.a.O., S. 148ff. Vgl. Schmid, S., Gouthier, M. H. (1999): Dienstleistungskunden – Ressourcen im Sinne des resource-basedview des Strategischen Managements, Diskussionsbeiträge der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt, Nr. 131, Ingolstadt, S. 6f.; Gouthier, M. H. (2003): Kundenentwicklung im Dienstleistungsbereich, Wiesbaden, S. 55ff. Die Integrativität aller betrieblichen Leistungsprozesse, darunter auch des Aufbaus der Bereitstellungsleistung, betonen auch Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M. (1993): Leistungsbündel als Absatzobjekte, a.a.O., S. 411. Vgl. Engelhardt, W. H. (1989): Dienstleistungsorientiertes Marketing – Antwort auf die Herausforderung durch neue Technologien, in: Adam, C. et al. (Hrsg.): Integration und Flexibilität: Eine Herausforderung für die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden, S. 280.
notwendiger Unterlagen für den Besuch beim Arzt.471 Um sich optimal einbringen zu können und derart effiziente Leistungserstellungs- und Interaktionsprozesse zu ermöglichen, muss der Kunde sowohl Willens- als auch Fähigkeitsbarrieren überwinden.472 Dabei erfüllen die Dienstleistungskunden, wie bereits erörtert, sowohl instrumentelle als auch soziale Teilaufgaben. Da der Kunde für die von ihm erbrachten Leistungen strenggenommen jedoch nicht entlohnt wird,473 soll nachfolgend an Stelle von der Arbeitsleistung des Kunden von dessen Integrationsleistung bzw. Integrationsverhalten gesprochen werden. Um den Zusammenhang zwischen Commitment und dem Integrationsverhalten von Kunden zu erklären, soll auf die motivationstheoretischen Überlegungen der Selbstbestimmungstheorie zurückgegriffen werden. Die Motivationsarten der Selbstbestimmungstheorie und die drei Komponenten des Commitment-Konstrukts weisen dem Wesen nach erhebliche Parallelen auf.474 Ebenso wie die dem Selbstbestimmungsgrad nach variierenden Motivationsarten können auch die Commitment-Komponenten auf einem Kontinuum von externer zu interner wahrgenommener Verhaltensregulation angeordnet werden. So zeichnet sich das kalkulatorische Commitment analog zur externalen Regulation durch ein geringes Ausmaß an Selbstbestimmung aus. Der Kunde des Dienstleistungsanbieters sieht sich mit externen Zwängen wie der Vermeidung von Wechselkosten konfrontiert, die ihn in der Autonomie seiner Handlungsentscheidungen beschränken. Die Handlungsfolgen des normativen Commitment sind entsprechend der introjizierten Regulation auf die Vermeidung eines schlechten Gewissens zurückzuführen. Der Kunde zeigt das entsprechende Verhalten in der Dienstleistungsbeziehung, weil es sich ganz allgemein so gehört und weil er sich verpflichtet fühlt. Denkbar ist auch, dass der Kunde die Normen loyalen Verhaltens internalisiert hat und somit sein loyales Verhalten stärker vergleichbar der identifizierten Regulation als selbstbestimmt erlebt. Kunden, die affektives Commitment gegenüber der Dienstleistungsbeziehung entwickeln, nehmen ein hohes Maß an Autonomie und Selbstbestimmung im Sinne der intrinsischen Motivation sowie der identifizierten und integrierten Regulation der extrinsischen Motivation wahr. Ihr Verhalten gegenüber dem Dienstleistungsanbieter basiert auf dem originären Interesse an der Dienstleistungsbeziehung um ihrer selbst willen. Die Unterscheidung von Handlungen in Abhängigkeit des Grades der Selbstbestimmung ist mit Blick auf das konkrete Leistungsverhalten eines Individuums interessant. „A consistent result in studies of effortful behaviors across different social settings is that self-determined choices are accompanied by greater motivation, effort, persistence, and engagement over long 471 472 473
474
Siehe ähnlich Nerdinger, F. W. (1994): Zur Psychologie der Dienstleistung, a.a.O., S. 243. Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. B 1.3. Wie bereits angeführt, spricht NERDINGER auch vom Kunden als unbezahlten Mitarbeiter. Vgl. Nerdinger, F. W. (1994): Zur Psychologie der Dienstleistung, a.a.O., S. 243. Vgl. hierzu und im Folgenden Meyer, J. P., Becker, T. E., Vandenberghe, C. (2004): Employee Commitment and Motivation, a.a.O., S. 995f.
periods than are other-determined choices.“475 Im Analogieschluss bedeutet das für den Kunden in der Dienstleistungsbeziehung, dass die Entwicklung von affektivem Commitment, das in weiten Teilen als selbstbestimmt wahrgenommen wird, die Leistungsbereitschaft und folglich das intendierte Integrationsverhalten des Nachfragers positiv beeinflusst. Auch hinsichtlich des normativen Commitment kann angenommen werden, dass es die Integrationsbereitschaft des Dienstleistungskunden – allerdings in abgeschwächter Form – fördert. Hier ist in erheblichem Maße relevant, ob die Normen generellen und spezifischen loyalen Verhaltens als externe Erwartungen in die internen Regulationsmechanismen des Kunden übernommen wurden. Entscheidend ist weiterhin, welches qualitative Spektrum die verinnerlichten Normen loyalen Verhaltens umfassen. Geht dieses über die moralische Verpflichtung, eingegangene Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten, hinaus und beinhaltet ferner die wahrgenommene Verantwortung, zum Gelingen der Dienstleistungsbeziehung und gemeinsamer Leistungsprozesse beizutragen, ist ein positiver Wirkungspfad vom normativen Commitment zum intendierten Integrationsverhalten des Kunden zu postulieren. Dementsprechend argumentieren MEYER/HERSCOVITCH: „Whether [normative commitment] leads to other target-relevant behaviors might depend on whether the individual views these behaviors as relevant to the fulfillment of his or her obligation.”476 Diesbezüglich ist der Customer Organizational Socialization durch den Dienstleistungsanbieter besondere Relevanz beizumessen, die auf die Entwicklung relevanter kundenseitiger Verhaltensweisen ausgerichtet werden muss. Der Dienstleister kann den Nachfrager durch geeignete kommunikationspolitische Maßnahmen über die Relevanz seines Verhaltens und Engagements für das Leistungsergebnis informieren und an sein Verantwortungsbewusstsein zur Leistungserfüllung appellieren. Kunden, die erfolgreich durch das Dienstleistungsunternehmen sozialisiert worden sind, haben konkretere Vorstellungen über den von ihnen erwarteten Beitrag vor und während der Leistungserstellung.477 Mit diesem Ziel klärt beispielsweise der über das Expertenwissen verfügende Arzt im Fall medizinischer Dienstleistungen den Patienten über die für den maximalen Behandlungserfolg notwendigen Verhaltensweisen auf. Inwieweit der Patient beabsichtigt, die Hinweise des Arztes in seinem tatsächlichen Verhalten zu berücksichtigen, kann dabei auch von seinem normativen Commitment beeinflusst werden. 475
476 477
Dholakia, U. M. (2006): How Customer Self-Determination Influences Relational Marketing Outcomes: Evidence from Longitudinal Field Studies, in: Journal of Marketing Research, Vol. 43, February, S. 110. Für einen Überblick relevanter Studien vgl. Ryan, R. M., Deci, E. L. (2002): Overview of Self-Determination Theory: An Organismic Dialectical Perspective, in: Deci, E. L., Ryan, R. M. (Eds.): Handbook of SelfDetermination Research, Rochester, S. 18f.; Vallerand, R. J., Ratelle, C. F. (2002): Intrinsic and Extrinsic Motivation: A Hierarchical Model, in: Deci, E. L., Ryan, R. M. (Eds.): Handbook of Self-Determination Research, Rochester, S. 52f. Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 319. Vgl. Kelley, S. W., Donnelly, J. H., Skinner, S. J. (1990): Customer Participation in Service Production and Delivery, a.a.O., S. 319.
Kunden, die ihre Beziehung zu ihrem Dienstleistungsanbieter aufrechterhalten, um einen Investitionsverlust vorzubeugen, bringen ihr Verhalten in der Dienstleistungsbeziehung, wie bereits ausgeführt, in weiten Teilen mit der externalen Regulation in Verbindung. Eine Erhöhung der Integrationsbereitschaft des Kunden infolge des kalkulatorischen Commitment zeichnet sich folglich nicht ab,478 da sich Individuen für Ziele, die aufgrund äußerer Zwänge verfolgt werden, mit geringerem Engagement einsetzen.479 Vielmehr erwächst aus dem kalkulatorischen Commitment im Extremfall die Gefahr kundenseitiger Reaktanz, wenn sich der Nachfrager durch die externen kostenbezogenen Zwänge zu stark in seiner persönlichen Handlungsfreiheit eingeschränkt fühlt.480 Sieht sich der Kunde beispielsweise weniger durch eine positive subjektive Nettonutzendifferenz und mehr aufgrund eines bestehenden Vertrags kognitiv an den Dienstleistungsanbieter gebunden, muss befürchtet werden, dass die Integrationsbereitschaft des Konsumenten sinkt. Der Nachfrager hat keinerlei Veranlassung, durch persönlichen Einsatz zusätzlich in die gemeinsame Geschäftsbeziehung zu investieren. Als weiterer theoretischer Bezugspunkt des Zusammenhangs von Commitment und der Leistungsbereitschaft von Individuen wird in der Literatur die Equity-Theorie angeführt.481 Empfindet ein Kunde ein Ungleichgewicht zwischen von ihm geleisteten (monetären bzw. nichtmonetären) Beiträgen und dem Engagement des Dienstleisters, wird er gemäß den Aussagen der Equity-Theorie danach streben, ein gerechtes Austauschverhältnis herzustellen und folglich mit der Entwicklung von affektivem und dem gegebenenfalls kundenzufriedenheitsgetriebenen normativen Commitment sein eigenes Engagement durch eine erhöhte Leistungsbereitschaft anpassen. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Reduktion der Leistungsbereitschaft eines Kunden plausibel, der kalkulatorisches Commitment gegenüber der Dienstleistungsbeziehung empfindet. Hier haben sich die Investitionen des Nachfragers in die Geschäftsbeziehung noch nicht amortisiert, so dass der Kunde eine weitere Verschlechterung seines Kosten-Nutzen-Verhältnisses vermeiden wird und möglicherweise durch opportunistisches Verhalten sogar eine Verbesserung seiner Input-Output-Relation in der Austauschbeziehung anstrebt.482 In diesem Zusammenhang ist die Reduktion des eigenen Leistungsinputs 478
479
480
481 482
Vgl. Bendapudi, N., Berry, L. L. (1997): Customers’ Motivations for Maintaining Relationships with Service Providers, a.a.O., S. 29. Die Autoren unterscheiden „dedication based relationship maintenance“ und „constraint based relationship maintenance“, die in konzeptioneller Hinsicht dem affektiven bzw. kalkulatorischen Commitment ähnlich sind. Vgl. Deci, E. L., Ryan, R. M. (1987): The Support of Autonomy and the Control of Behavior, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 53, No. 6, S. 1027ff.; Ryan, R. M., Kuhl, J., Deci, E. L. (1997): Nature and Autonomy: An Organizational View of Social and Neurobiological Aspects of Self-Regulation in Behavior and Development, in: Development and Psychopathology, Vol. 9, No. 4, S. 707. Hierzu allgemein im Kontext des Kundenbindungsmanagement Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungs-Marketing, a.a.O., S. 38; Weinberg, P., Terlutter, R. (2005): Verhaltenswissenschaftliche Grundlagen der Kundenbindung, a.a.O., S. 46. Vgl. Weller, I. (2003): Commitment, a.a.O., S. 85. PLINKE/SÖLLNER sprechen mit Blick auf diese Reaktion des Kunden auch vom Bumerang-Effekt der Kundenbindung. Vgl. Plinke, W., Söllner, A. (2005): Kundenbindung und Abhängigkeitsbeziehungen, a.a.O., S. 86.
allerdings nur eine mögliche Reaktion auf die Wahrnehmung eines unausgeglichenen Austauschverhältnisses. Kognitive Anpassungen sind gleichermaßen ein Weg zur Wiederherstellung der wahrgenommenen Gerechtigkeit.483 In der zusammenfassenden Betrachtung der theoretischen Erkenntnisse über die Wirkung der Commitment-Komponenten auf die Integrationsbereitschaft eines Dienstleistungskunden ist festzuhalten, dass von dem affektiven wie auch normativen Commitment ein positiver Einfluss auf die kundenseitige Leistungsbereitschaft ausgeht. Die Bedeutung des kalkulatorischen Commitment für das intendierte Integrationsverhalten ist hingegen weniger eindeutig. Aus theoretischer Sicht lässt sich sowohl die Unabhängigkeit der beiden Größen als auch ein negativer Zusammenhang rechtfertigen. Dieses Bild über die Beziehung der Commitment-Komponenten und der Leistungsbereitschaft spiegelt sich auch in den empirischen Ergebnissen der Commitment-Forschung wider. Die Meta-Analyse von MEYER ET AL. zum organisationalen Commitment bestätigt, dass affektives ( =0.16) im Vergleich zum normativen Commitment ( =0.06) stärker positiv mit dem Leistungsverhalten eines Angestellten korreliert und dass fortsetzungsbezogenes respektive kalkulatorisches Commitment ( =-0.07) hingegen in einem leicht negativen Zusammenhang zur Aufgabenerfüllung steht.484 Im Bereich industrieller Geschäftsbeziehungen weisen MORGAN/HUNT den Einfluss des (affektiven) Commitment auf das Kooperationsverhalten der Beziehungspartner empirisch nach.485 Kooperatives Verhalten zwischen industriellen Geschäftspartnern wird definiert als „similar or complementary coordinated actions taken by firms in interdependent relationships to achieve mutual outcomes or singular outcomes with expected reciprocation over time.”486 Die Ausrichtung der eigenen Handlungen des Kunden auf die Prozesse des Dienstleisters ist als wesentliches Merkmal des Integrationsverhaltens eines Dienstleistungskunden zu verstehen, so dass das Ergebnis von MORGAN/HUNT als erster Anhaltspunkt für die empirische Evidenz des Zusammenhangs von Commitment und der Integrationsbereitschaft gewertet werden kann. Die Folgen des Commitment eines Dienstleistungskunden für dessen Integrationsbereitschaft sind bislang kaum untersucht worden. BETTENCOURT unterstellt positive Auswirkungen eines dem Wesen nach affektiven, eindimensionalen Commitment-Konstrukts auf das Koopera483
484
485
486
Vgl. allgemein Walster, E., Berscheid, E., Walster, G. W. (1973): New Directions in Equity Research, a.a.O., S. 154 und speziell im commitmentbezogenen Kontext Weller, I. (2003): Commitment, a.a.O., S. 86. Vgl. Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 34. Vgl. Morgan, R. M., Hunt, S. D. (1994): The Commitment-Trust Theory of Relationship Marketing, a.a.O., S. 25ff. Anderson, J. C., Narus, J. A. (1990): A Model of Distributor Firm and Manufacturer Firm Working Partnerships, a.a.O., S. 45.
tionsverhalten der Kunden von Lebensmitteleinzelhändlern.487 Dabei erfassen die Items der abhängigen Kooperations-Variablen sowohl instrumentelle als auch soziale Handlungen des Kunden in der Dienstleistungsinteraktion. Der empirischen Überprüfung hält der postulierte Wirkungspfad allerdings nicht stand. Aus dieser fehlenden statistischen Signifikanz des Zusammenhangs zwischen (affektivem) Commitment und dem Kooperationsverhalten der Kunden in dieser Untersuchung sollen dennoch keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Ursächlich für diese mangelnde Nachweisbarkeit der Relevanz des affektiven Commitment für die Integrationsbereitschaft können auch die bereits erörterten Interaktionseffekte zwischen den einzelnen Commitment-Komponenten sein.488 Obige Ausführen zeigen, dass die empirische Forschung jedoch nur erste, singuläre Ergebnisse zur Bedeutung der Commitment-Komponenten für das intendierte Integrationsverhalten eines Dienstleistungskunden liefert. Die zuvor dargestellten, theoretischen Überlegungen zur Kausalität der Commitment-Dimensionen und der Leistungsbereitschaft der Nachfrager hinzuziehend sollen dennoch folgende Wirkungspfade in das Commitment-Modell integriert werden: Annahme 24: Das affektive und normative Commitment beeinflussen die Integrationsabsicht eines Dienstleistungskunden positiv. Annahme 25: Das kalkulatorische Commitment übt keinen bzw. im Extremfall einen negativen Einfluss auf die Integrationsbereitschaft eines Dienstleistungskunden aus. Dabei fällt erneut der positive Effekt des affektiven im Vergleich zum normativen Commitment höher aus, wie bereits in Hinblick auf die Bindungsabsicht eines Kunden konstatiert wurde. Insgesamt betrachtet, fördern affektives und normatives Commitment die Effizienz der Leistungserstellungsprozesse. Die durch beide Dimensionen zunehmende Bereitschaft des Kunden, den externen Faktor für den Produktionsprozess zur Verfügung zu stellen und aktiv an der Dienstleistungserstellung mitzuwirken, trägt zu einer Reduktion der Willensbarrieren und damit zu einer Verbesserung des Integrationsbewusstseins eines Dienstleistungskunden bei. Gleichzeitig darf allerdings nicht vernachlässigt werden, dass das Integrationsverhalten des Kunden auch von dessen Fähigkeiten und Fertigkeiten beeinflusst wird.489
487 488 489
Vgl. hierzu und im Folgenden Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 386ff. Siehe hierzu ausführlicher die Ausführungen in Kap. C 3.1.1. Die Diskussion der Überwindung von Willens- und Fähigkeitsbarrieren zur Verbesserung der Integrationseffizienz des Dienstleistungskunden findet sich in Kap. B 1.3.
Zusammenfassend werden in Abb. 21 nochmals die in das Wirkungsmodell des BeziehungsCommitment zu integrierenden kausalen Einflusspfade der Integrationsabsicht eines Dienstleistungskunden dargestellt.
Abb. 21
affektives Commitment
+
normatives Commitment
+
kalkulatorisches Commitment
0/-
Integrationsabsicht
Partialmodell: Beziehungs-Commitment – Integrationsabsicht
3.1.3 Intendiertes Customer Citizenship Behavior Von den Integrationsleistungen, die ein Kunde erbringen muss, damit die Dienstleistung durch den Anbieter erstellt werden kann, sind Verhaltensweisen abzugrenzen, die der Nachfrager freiwillig zeigt und die sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Dienstleistungsunternehmens auswirken. Dementsprechend soll die aus der Organisationspsychologie bekannte Differenzierung der Mitarbeiterleistungen in Intra- und Extra-Rollenverhalten auf die Handlungen des Dienstleistungskunden als „partial employee“ angewendet werden.490 „In-role behavior is required or expected behavior“.491 Diesem entspricht das in den vorangegangenen Abschnitten als Konsequenz des Beziehungs-Commitment untersuchte Co-Produktions- bzw. Integrationsverhalten sowie die generelle Bereitschaft des Kunden, die Leistungen des Anbieters nachzufragen.492 Im Mittelpunkt nachfolgender Ausführungen hingegen steht das kundenbezogene ExtraRollenverhalten, das über diese notwendigen Anforderungen zur Leistungserstellung hinausgeht und freiwillig vom Kunden erbracht wird. In der organisationspsychologischen Literatur
490
491
492
Vgl. Schmid, S., Gouthier, M. H. (1999): Dienstleistungskunden, a.a.O., S. 8f.; Gouthier, M. H. (2003): Kundenentwicklung im Dienstleistungsbereich, a.a.O., S. 63ff. Dyne, L. van, LePine, J. A. (1998): Helping and Voice Extra-Role Behaviors: Evidence of Construct and Predictive Validity, in: The Academy of Management Journal, Vol. 41, No. 1, S. 108. Vgl. Schmid, S., Gouthier, M. H. (1999): Dienstleistungskunden, a.a.O., S. 8f.; Gouthier, M. H. (2003): Kundenentwicklung im Dienstleistungsbereich, a.a.O., S. 63ff.
werden verschiedene Konzepte des Extra-Rollenverhaltens diskutiert,493 von denen das Organizational Citizenship Behavior (OCB) am intensivsten erforscht worden ist494 und im Weiteren aufgegriffen werden soll. OCB wird definiert als „individual behavior that is discretionary, not directly or explicitly recognized by the formal reward system, and in the aggregate promotes the efficient and effective functioning of the organization.“495 Die Überlegungen zum Extra-Rollenverhalten bzw. OCB-Konzept wurden aufgrund der Stellung des Dienstleistungskunden als „partial employee“ vereinzelt auf das Kundenverhalten in der Dienstleistungsbeziehung übertragen. Als Gegenstück zu dem mitarbeiterbezogenen OCB-Konstrukt finden sich in der Literatur zum Dienstleistungsmanagement die Bezeichnungen Customer Citizenship Behavior496, Customer Voluntary Performance497 oder Customer Discretionary Behavior498. Nachfolgend soll der Begriff Customer Citizenship Behavior (CCB) für jene spontanen, im freien Ermessen des Kunden stehenden, positiven Handlungen Verwendung finden, die über die erforderliche Leistungsbeteiligung hinausgehen und in ihrer Gesamtwirkung die Effizienz des Dienstleistungsunternehmens beeinflussen können.499 Insgesamt liegen allerdings nur wenige Arbeiten vor, die das CCB-Konstrukt über eine Enumeration exemplarischer freiwilliger Verhaltensweisen hinausgehend konkretisieren. SCHMID/GOUTHIER fassen drei Formen des kundenbezogenen Extra-Rollenverhaltens zusammen.500 Das Verhalten des Nachfragers als Co-Designer501 deutet auf dessen Funktion als I493
494
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496
497 498
499 500
501
Synoptische Darstellungen der organisationspsychologischen Konzepte des Extra-Rollenverhaltens finden sich bei Dyne, L. van, Cummings, L. L., McLean Parks, J. (1995): Extra-Role Behaviors: In Pursuit of Construct and Definitional Clarity (A Bridge over Mudded Waters), in: Cummings, L. L., Staw, B. M. (Eds.): Research in Organizational Behavior, Vol. 17, Greenwich, S. 227ff.; Nerdinger, F. W. (2004): Organizational Citizenship Behavior und Extra-Rollenverhalten, in: Schuler, H. (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie 3, Bd. 4: Organisationspsychologie – Gruppe und Organisation, Göttingen et al., S. 295ff. Vgl. Hertel, G., Bretz, E., Moser, K. (2000): Freiwilliges Arbeitsengagement: Begriffsklärung und Forschungsstand, in: Gruppendynamik und Organisationsberatung, 31. Jg., Heft 2, S. 124; Matiaske, W., Weller, I. (2003): Extra-Rollenverhalten, in: Martin, A. (Hrsg.): Organizational Behaviour – Verhalten in Organisationen, Stuttgart, S. 106. Organ, D. W., Podsakoff, P. M., MacKenzie, S. B. (2006): Organizational Citizenship Behavior: Its Nature, Antecedents, and Consequences, Thousand Oaks et al., S. 3. Vgl. Gremler, D. D., Brown, S. W. (1998): Worth beyond Revenue: The Full Value of a Loyal Customer, in: Scheuing, E. E. et al. (Eds.): Pursuing Service Excellence: Practices and Insights, New York, S. 120ff.; Fullerton, G. (2003): When Does Commitment Lead to Loyalty?, a.a.O., S. 335; Groth, M. (2005): Customers as Good Soldiers: Examining Citizenship Behaviors in Internet Service Deliveries, in: Journal of Management, Vol. 31, No. 1, S. 11ff. Vgl. Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 384ff. Vgl. Zabava Ford, W. S. (1995): Evaluation of the Indirect Influence of Courteous Service on Customer Discretionary Behavior, in: Human Communication Research, Vol. 22, No. 1, S. 67. Vgl. Groth, M. (2005): Customers as Good Soldiers, a.a.O., S. 11. Vgl. zu den im Folgenden erörterten drei Formen des Extra-Rollenverhaltens eines Dienstleistungskunden Schmid, S., Gouthier, M. H. (1999): Dienstleistungskunden, a.a.O., S. 5ff.; Gouthier, M. H. (2003): Kundenentwicklung im Dienstleistungsbereich, a.a.O., S. 52ff. Alternativ findet sich auch die Bezeichnung Co-Developer bei Prahalad, C. K., Ramaswamy, V. (2000): Coopting Customer Competence, in: Harvard Business Review, Vol. 78, January/February, S. 80.
deengeber und somit die indirekte wie auch direkte Mitwirkung des Nachfragers am Leistungsinnovationsprozess hin. Dienstleistungskunden fungieren als Substitute for Leadership, wenn sie Führungs- und Weisungsaufgaben gegenüber den Dienstleistungsmitarbeitern wahrnehmen.502 Dieses Extra-Rollenverhalten lässt sich auf die Substitutionstheorie von KERR/JERMIER zurückführen, wonach der Führungseinfluss des Vorgesetzten eines Dienstleistungsangestellten durch andere Personen und Strukturen ersetzt bzw. beeinträchtigt werden kann.503 Nachfrager haben als Substitute for Leadership einerseits die Möglichkeit, direkt Arbeitsanweisungen gegenüber den Mitarbeitern zu erteilen,504 andererseits können sie durch Lob und Anerkennung, aber auch durch materielle Anreize, wie die Vergabe von Trinkgeld,505 deren Einstellungen und Arbeitverhalten steuern.506 In ihrer dritten zusätzlichen Funktion als Co-Marketer können Kunden durch Mund-zu-Mund-Kommunikation ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Dienstleistungsanbieter weitertragen.507 Sie werden somit zu einer wichtigen Marketingressource für das Dienstleistungsunternehmen. Insgesamt betrachtet, liefert der Ansatz von SCHMID/GOUTHIER bereits erste Anhaltspunkte für mögliche Dimensionen des CCB-Konstrukts, eine empirische Validierung ihrer Konzeptionalisierung des kundenbezogenen Extra-Rollenverhaltens nehmen die Autoren allerdings nicht vor. BETTENCOURT sieht in dem Loyalitäts-, Kooperations- und Teilnahmeverhalten eines Dienstleistungskunden drei Dimensionen des freiwilligen Kundenverhaltens.508 Mit der Loyalitätsdimension adressiert der Autor das Weiterempfehlungsverhalten sowie in Ansätzen die CrossBuying-Absicht des Nachfragers. Verbesserungsvorschläge, konstruktive Kritik, aber auch die Äußerung von Lob und Anerkennung gegenüber einzelnen Dienstleistungsmitarbeitern prägen die Teilnahmedimension des Konstrukts. Die Kooperationsdimension kennzeichnet jene freiwilligen Verhaltensweisen, die im direkten Zusammenhang mit dem Dienstleistungserstellungsprozess stehen. Die Operationalisierung dieser Dimension erscheint jedoch schwer abgrenzbar von den notwendigen Integrationsleistungen eines Kunden, wie sie zuvor bereits beschrieben wurden. Insbesondere Item 2, 3 und 5 der von BETTENCOURT verwendeten „Coo502
503
504 505
506 507
508
Vgl. Schneider, B., Bowen, D. E. (1995): Winning the Service Game, Boston, S. 101ff.; Lehmann, A. (1998): Dienstleistungsbeziehungen zwischen Kunde und Unternehmen, in: Bruhn, M., Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement: Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, Wiesbaden, S. 835f.; Maas, P., Graf, A. (2004): Leadership by Customers? New Roles of Service Companies’ Customers, in: Zeitschrift für Personalforschung, 18. Jg., Heft 3, S. 333f. „It has been found, however, that certain individual, task, and organizational variables act as “substitutes for leadership,” negating the hierarchical superior’s ability to exert either positive or negative influence over subordinate attitudes and effectiveness.” Kerr, S., Jermier, J. M. (1978): Substitutes for Leadership: Their Meaning and Measurement, in: Organizational Behavior and Human Performance, Vol. 22, No. 3, S. 375. Vgl. Schneider, B., Bowen, D. E. (1995): Winning the Service Game, a.a.O., S. 86. Zur Belohnungsmacht des Dienstleistungskunden durch die Vergabe von Trinkgeld siehe Nerdinger, F. W. (1994): Zur Psychologie der Dienstleistung, a.a.O., S. 96f. Vgl. Lehmann, A. (1998): Dienstleistungsbeziehungen zwischen Kunde und Unternehmen, a.a.O., S. 835. Vgl. hierzu und im Folgenden Lehmann, A. (1998): Dienstleistungsbeziehungen zwischen Kunde und Unternehmen, a.a.O., S. 837. Vgl. hierzu und im Folgenden Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 384ff.
peration“-Skala509 (vgl. Tab. 4) weisen einen engen Bezug zu dem Intra-Rollenverhalten eines Einzelhandelskunden auf. Es wird deutlich, dass Intra- und Extra-Rollenverhalten nicht immer eindeutig und objektiv voneinander abgegrenzt werden können.510 Construct/Factor
Cooperation
Tab. 4
Scale Reliability
= .69
Factor Loadings
Scale Items
.719
(1) I try to help keep this store clean (e.g., not leaving plastic bags on produce displays, leaving shelf displays neat).
.586
(2) The employees of this store get my full cooperation.
.563
(3) I carefully observe the rules and policies of this store.
.520
(4) I go out of my way to treat this store‘s personnel with kindness and respect.
.451
(5) When I leave this store, I place my shopping cart in a designated spot, instead of next to my car.
.344
(6) I do things to make the cashier‘s job easier (e.g., bag own groceries, place UPC labels on conveyor facing cashier).
.291
(7) If I am writing a check, I fill out the basic information before getting to the front of the check-out line.
„Cooperation“-Skala in der Untersuchung von BETTENCOURT Quelle: Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 395.
Auch GROTH ordnet die Kooperationsabsicht des Kunden dem Intra-Rollenverhalten des Dienstleistungskunden zu.511 Als distinkte Dimensionen des CCB differenziert der Forscher im Ergebnis einer von ihm durchgeführten explorativen Faktorenanalyse Weiterempfehlungen, Feedback und helfendes Verhalten. Die Erkenntnisse zu den möglichen Dimensionen des CCB-Konstrukts zusammenführend, sollen die nachfolgend genannten Formen freiwilliger Kundenleistungen in das CommitmentWirkungsmodell integriert werden: Das Weiterempfehlungsverhalten des Dienstleistungskunden äußert sich in positiven Darstellungen über das Dienstleistungsunternehmen und dessen konkrete Leistungen im Kreise von Freunden, Bekannten und Verwandten. Die Relevanz dieser zusätzlichen Kundenleistung für das Dienstleistungsunternehmen erwächst aus dem bei Dienstleistungen im Vergleich zu Sachleistungen erhöht wahrgenommenen Kaufrisiko der Nachfrager. Die Dominanz der Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften führt zu 509
510
511
Mit Cronbachs =0.69 unterschreitet der Reliabilitätskoeffizient dieser Multi-Item-Skala allerdings knapp den in der Literatur empfohlenen unteren Grenzwert von =0.7. Zu dieser Einteilung vgl. Nunnally, J. C., Bernstein, I. H. (1994): Psychometric Theory, 3rd Edition, New York et al., S. 264f. Vgl. Morrison, E. W. (1994): Role Definitions and Organizational Citizenship Behavior: The Importance of the Employee’s Perspective, in: The Academy of Management Journal, Vol. 37, No. 6, S. 1543ff.; Organ, D. W. (1997): Organizational Citizenship Behavior: It’s Construct Clean-Up Time, in: Human Performance, Vol. 10, No. 2, S. 87ff.; Tepper, B. J., Lockhart, D., Hoobler, J. (2001): Justice, Citizenship, and Role Definition Effects, in: Journal of Applied Psychology, Vol. 86, No. 4, S. 789ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Groth, M. (2005): Customers as Good Soldiers, a.a.O., S. 8ff.
einem besonderen Stellenwert persönlicher Empfehlungen im Kaufentscheidungsprozess von Dienstleistungsnachfragern.512 Das Cross-Buying-Verhalten demonstriert das Interesse des Kunden an der Gesamtheit der Anbieterleistungen und damit an dem Dienstleistungsunternehmen als Ganzem. Durch den Absatz weiterer Leistungen aus dem Produktprogramm wird das Umsatzpotenzial des Anbieters besser ausgeschöpft, womit das Cross-Buying-Verhalten des Kunden zum Wachstum des Dienstleistungsunternehmens beitragen kann.513 Eine zentrale Form des CCB stellt auch die Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten dar. Dieser Toleranzaspekt findet zwar in den oben dargestellten Konzeptionalisierungsansätzen des CCB keine Berücksichtigung, wird aber in den Arbeiten zum mitarbeiterbezogenen Extra-Rollenverhalten als distinkte Dimension des OCB-Konstrukts diskutiert.514 Nachfolgend werden unter dieser Dimension das Verständnis für Qualitätsschwankungen und Wartezeiten, aber auch die Toleranz des Kunden gegenüber Preiserhöhungen subsumiert. Die Innovationsbereitschaft erfasst, inwieweit der Kunde Anregungen und Verbesserungsvorschläge zur Optimierung des Leistungsangebots bzw. der Leistungsprozesse unterbreitet und dem Dienstleistungsunternehmen Informationen über das eigene Nutzungsverhalten zur Verfügung stellt. Diese Informationsfunktion des Nachfragers gewinnt vor dem Hintergrund der Innovationsorientierung515 von Dienstleistungsunternehmen zunehmend an Bedeutung. Zahlreiche Studien identifizieren die Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse im Sinne der Kundenorientierung als wesentlichen
512
513
514
515
Vgl. hierzu Kap. B 1.2 sowie Lehmann, A. (1998): Dienstleistungsbeziehungen zwischen Kunde und Unternehmen, a.a.O., S. 837 bzw. allgemein zur Wirkung der Weiterempfehlung Wangenheim, F. von (2003): Weiterempfehlung und Kundenwert: Ein Ansatz zur persönlichen Kommunikation, Wiesbaden, S. 124ff. Vgl. stellvertretend für viele Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungs-Marketing, a.a.O., S. 39ff. Im Ergebnis ihrer umfangreichen Literaturanalyse fassen PODSAKOFF ET AL. die variierenden Konzeptionalisierungen des OCB zu sieben Dimensionen zusammen, wobei die Bereitschaft, vorübergehende oder unvermeidbare Unannehmlichkeiten zu tolerieren, als „sportmanship“ bezeichnet wird. Weiterhin zu unterscheiden sind: „helping behavior“ (freiwillige Hilfeleistungen gegenüber anderen bei der Lösung und Vermeidung arbeitsbezogener Probleme), „organizational loyalty“ (Bereitschaft, das Unternehmen nach außen positiv darzustellen und gegen öffentliche Kritik zu verteidigen), „organizational compliance“ (die gewissenhafte Befolgung der Unternehmensregeln und -prozesse), „individual initiative“ (Bereitschaft, innovative Beiträge zur Verbesserung von Arbeitsabläufen zu leisten, die Übernahme zusätzlicher Verantwortung sowie die Motivation anderer, sich in gleicher Weise einzubringen), „civic virtue“ (die Bereitschaft, sich aktiv an der Unternehmenssteuerung zu beteiligen sowie Chancen bzw. Risiken im Umfeld der Organisation zu erkennen) und „self development“ (die freiwillige Weiterentwicklung arbeitsbezogener Fähigkeiten sowie die Aneignung zusätzlichen Wissens). Vgl. Podsakoff, P. M. et al. (2000): Organizational Citizenship Behaviors: A Critical Review of the Theoretical and Empirical Literature and Suggestions for Future Research, in: Journal of Management, Vol. 26, No. 3, S. 516ff. sowie die dort angegebene Literatur. Zur Innovationsorientierung als wettbewerbsgerichtete Profilierungsdimension vgl. Meffert, H. (1994): Marketing-Management: Analyse – Strategie – Implementierung, Wiesbaden, S. 127.
Erfolgsfaktor für Innovationsprojekte.516 Die frühzeitige Einbindung des Kunden in die Innovationsprozesse ermöglicht eine kundengerechte Entwicklung und Verbesserung von Leistungen517 und mindert demzufolge deren Floprisiko.518 Dabei ist die Integration des Nachfragers als Informationsquelle zur Gestaltung von Dienstleistungen in allen Phasen des Innovationsprozesses möglich.519 Die Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Akteuren in der Dienstleistungsbeziehung reflektiert das Ausmaß an Hilfestellungen, die der Dienstleistungskunde gegenüber den konkreten Kundenkontaktmitarbeitern aber auch in der Interaktion mit anderen Kunden des Anbieters leistet. Beispielsweise können erfahrene Nachfrager als eine Art Mentor weniger erfahrenen Kunden Hinweise zur konkreten Leistungsinanspruchnahme geben.520 Ganz generell lässt sich der Einfluss des Beziehungs-Commitment eines Dienstleistungskunden auf dessen Intention freiwillige, dem Anbieter zuträgliche Leistungen zu erbringen, wiederum durch Adaption der Aussagen der Selbstbestimmungstheorie herleiten. Wie bereits dargestellt, steht affektives Commitment im Einklang mit intrinsischer Motivation und den stärker selbstbestimmt wahrgenommenen Formen der identifizierten und integrierten Regulation. Die Beziehung zum Dienstleistungsanbieter wird um ihrer selbst willen fortgeführt. Die Handlungen in der Dienstleistungsbeziehung – notwendig oder freiwillig – dienen unmittelbar der Bedürfnisbefriedigung des Kunden. Es kann geschlussfolgert werden, dass nicht nur die notwendige Integrationsbereitschaft, sondern auch die zusätzlichen Kundenleistungen in Form des intendierten CCB positiv durch das affektive Commitment beeinflusst werden: „That is, individuals with a strong affective commitment will very likely engage in behaviors 516
517 518
519
520
Vgl. Martin, C. R., Horne, D. A. (1995): Level of Success Inputs for Service Innovations in the Same Firm, in: International Journal of Service Industry Management, Vol. 6, No. 4, S. 44ff.; Atuahene-Gima, K. (1995): An Exploratory Analysis of the Impact of Market Orientation on New Product Performance: A Contingency Approach, in: The Journal of Product Innovation Management, Vol. 12, No. 4, S. 275ff.; Lüthje, C. (2000): Kundenorientierung im Innovationsprozess: Eine Untersuchung der Kunden-HerstellerInteraktion in Konsumgütermärkten, Wiesbaden, S. 7ff. Vgl. Lehmann, A. (1998): Dienstleistungsbeziehungen zwischen Kunde und Unternehmen, a.a.O., S. 838. Vgl. Zollner, G. (1995): Kundennähe in Dienstleistungsunternehmen: Empirische Analyse von Banken, Wiesbaden, S. 25f. Weitere Gründe für die Einbindung des Kunden in den Innovationsprozess von Dienstleistungsunternehmen besprechen Reckenfelderbäumer, M., Busse, D. (2006): Kundenmitwirkung bei der Entwicklung von industriellen Dienstleistungen – eine phasenbezogene Analyse, in: Bullinger, H.-J., Scheer, A.-W. (Hrsg.): Service-Engineering: Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, 2. Aufl., Berlin et al., S. 147f. Vgl. Benkenstein, M., von Stenglin, A. (2006): Innovationsmanagement im Service-Marketing: Neue Geschäfte für den Service erschließen, in: Bullinger, H.-J., Scheer, A.-W. (Hrsg.): Service-Engineering: Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, 2. Aufl., Berlin et al., S. 281ff.; Reckenfelderbäumer, M., Busse, D. (2006): Kundenmitwirkung bei der Entwicklung von industriellen Dienstleistungen, a.a.O., S. 149ff. Vgl. Grove, S. J., Fisk, R. P. (1997): The Impact of Other Customers on Service Experiences: A Critical Incident Examination of “Getting Along”, in: Journal of Retailing, Vol. 73, No. 1, S. 78; Gremler, D. D., Brown, S. W. (1998): Worth beyond Revenue, a.a.O., S. 122; Prahalad, C. K., Ramaswamy, V. (2000): Coopting Customer Competence, a.a.O., S. 81.
that, although not specified within the „terms“ of the commitment, would nevertheless be beneficial to the intended objective.“521 Demgegenüber stehen kalkulatorisches Commitment und die CCB-Intentionen in keinem kausalen Zusammenhang. Das kalkulatorische Commitment wird mit der als fremdbestimmt wahrgenommenen Form externaler Regulation der extrinsischen Motivation in Verbindung gebracht. Der Kunde führt die Beziehung zum Dienstleistungsanbieter lediglich fort, um dem Verlust der wahrgenommenen Wechselkosten vorzubeugen. Die Handlungen in der Dienstleistungsbeziehung werden somit als Mittel zum Zweck ausgeführt. Die Erfüllung freiwilliger Kundenleistungen dient allerdings nicht dem Ziel der Kostenvermeidung. Für eine Intensivierung bzw. freiwillige Ausweitung des Verhaltensspektrums existiert in dieser Situation folglich keine Veranlassung. Empfindet der Kunde das kalkulatorische Commitment zudem als starke Einschränkung seiner persönlichen Handlungsfreiheit, kann er darüber hinaus reaktantes Verhalten gegenüber der Dienstleistungsbeziehung entwickeln. Im Extremfall besteht die Gefahr kontraproduktiven Konsumentenverhaltens522 und negativer Folgen für das CCB. Derartige Reaktionen lassen sich auch durch die austauschtheoretischen Überlegungen der Equity-Theorie und ein durch den Kunden ungerecht wahrgenommenes Austauschverhältnis begründen, das dieser durch unkooperatives Verhalten zu seinen Gunsten auszugleichen versucht. Der theoretische Zusammenhang zwischen normativem Commitment und dem intendierten CCB ist weniger eindeutig und lässt sich durch die mit dieser Commitment-Dimension in Verbindung gebrachten Form introjizierter Regulation nicht abschließend klären. Ob ein positiver Einfluss des normativen Commitment auf das CCB unterstellt werden kann, bestimmt sich vielmehr danach, inwieweit die einzelnen freiwilligen Kundenleistungen als Teil der Verpflichtung gegenüber der Dienstleistungsbeziehung wahrgenommen werden. In der empirischen Forschung zum Einfluss des organisationalen Commitment zeigt sich bereits, dass affektives Commitment ( =0.32) stärker und normatives Commitment etwas schwächer ( =0.24) positiv mit dem OCB bezahlter Mitarbeiter korrelieren sowie dass fort-
521 522
Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 313. In der Literatur werden auch Formen des Extra-Rollenverhaltens (z.B. Diebstahl oder Sabotage) mit negativen Konsequenzen für die Dienstleistungsorganisation diskutiert. Das hier betrachtete CCB-Konstrukt schließt derartiges kontraproduktives Extra-Rollenverhalten allerdings aus. Zu den Konzepten des ExtraRollenverhaltens mit negativen Folgen im Kontext der Organisationsforschung vgl. Moser, K. et al. (1998): Persönlichkeitsmerkmale und kontraproduktives Verhalten in Organisationen: Ergebnisse einer Pilotstudie, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Vol. 42, Heft 2, S. 89ff.; Nerdinger, F. W. (2004): Organizational Citizenship Behavior und Extra-Rollenverhalten, a.a.O., S. 295ff.
setzungsbezogenes respektive kalkulatorisches Commitment in keinem erkennbaren Zusammenhang zum freiwilligen Extra-Rollenverhalten eines Angestellten steht.523 Empirische Arbeiten, in denen die Folgen des Commitment für das intendierte CCB des Nachfragers im Kontext der Dienstleistungsbeziehung untersucht werden, liegen nur in geringer Zahl vor. Das Hauptaugenmerk der Forscher liegt dabei auf dem freiwilligen Weiterempfehlungsverhalten der Kunden. Sie führen an, dass Kunden, die sich emotional gebunden fühlen, in stärkerem Ausmaß ihre positiven Erfahrungen mit dem Anbieter im Familien- und Bekanntenkreis kundtun. Den empirischen Nachweis über diesen positiven kausalen Zusammenhang von (affektivem) Commitment524 und intendiertem Weiterempfehlungsverhalten erbringen die Arbeiten von BETTENCOURT525 und HENNIG-THURAU ET AL.526 Auch in Untersuchungen, in denen Commitment als zweidimensionales Konstrukt (affektiv, kalkulatorisch) konzipiert wurde, bestätigt sich der positive Wirkungspfad des affektiven Commitment zur Mund-zu-Mund-Kommunikation.527 Hinsichtlich des Einflusses des kalkulatorischen Commitment entsprechen die empirischen Erkenntnisse dem zuvor theoretisch gezeichneten Bild. Während FULLERTON die Funktion des kalkulatorischen Commitment als negativen Prädiktor für das Empfehlungsverhalten nachweist,528 kann dieser negative Wirkungspfad in der empirischen Überprüfung von VERHOEF ET AL. im Kontext von Versicherungsdienstleistungen nicht aufrechterhalten werden.529 HARRISON-WALKER hingegen postuliert von vornherein, dass kalkulatorisches Com-
523
524
525 526
527
528
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Vgl. Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 35. Auffallend sind zudem Unterschiede der Wirkungszusammenhänge in Abhängigkeit des Kulturraums, in dem die Untersuchungen durchgeführt worden sind. So zeigte sich in derselben Meta-Analyse von MEYER ET AL. auch, dass normatives Commitment außerhalb Nordamerikas wesentlich stärker mit dem OCB eines Mitarbeiters korreliert ( =0.37 vs. =0.10). Zu beachten ist, dass in diesen Untersuchungen Commitment als eindimensionales Konstrukt Berücksichtigung findet, das allerdings weitgehend dem Verständnis des affektiven Commitment entspricht. Vgl. Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 388ff. Vgl. Hennig-Thurau, T., Gwinner, K. P., Gremler, D. D. (2002): Understanding Relationship Marketing Outcomes, a.a.O., S. 237ff. Vgl. Harrison-Walker, L. J. (2001): The Measurement of Word-of-Mouth Communication and an Investigation of Service Quality and Customer Commitment as Potential Antecedents, a.a.O., S. 66ff.; Verhoef, P. C., Franses, P. H., Hoekstra, J. C. (2002): The Effect of Relational Constructs on Customer Referrals and Number of Services Purchased From a Multiservice Provider, a.a.O., S. 204ff.; Fullerton, G. (2003): When Does Commitment Lead to Loyalty?, a.a.O., S. 336ff.; Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 102ff. Vgl. Fullerton, G. (2003): When Does Commitment Lead to Loyalty?, a.a.O., S. 336ff.; Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 102ff.; Fullerton, G. (2005b): The Impact of Brand Commitment on Loyalty to Retail Service Brands, a.a.O., S. 101ff. Vgl. Verhoef, P. C., Franses, P. H., Hoekstra, J. C. (2002): The Effect of Relational Constructs on Customer Referrals and Number of Services Purchased From a Multiservice Provider, a.a.O., S. 204ff.
mitment und Empfehlungsverhalten in keiner kausalen Beziehung zueinander stehen und kann seine Hypothese in der empirischen Analyse bestätigen.530 Ergebnisse zu den Konsequenzen des normativen Commitment für das CCB liegen lediglich in der Arbeit von GRUEN ET AL. vor.531 Allerdings wird CCB hier als eindimensionales Konstrukt modelliert, das in der Vergangenheit gezeigtes Extra-Rollenverhalten erfasst. Zwar leiten die Autoren aus ihren konzeptionellen Überlegungen ab, dass normatives Commitment in keinem kausalen Zusammenhang zu freiwilligen Mitgliederleistungen steht, müssen aber im empirischen Teil ihrer Untersuchung feststellen, dass die Aufnahme eines positiven Wirkungspfades vom moralisch begründeten Commitment zum CCB zu einer Verbesserung der Güte des betrachteten Erklärungsmodells beiträgt. In diesem Ergebnis zeigt sich, dass die wahrgenommene Verpflichtung gegenüber der Beziehung zu einer Institution durchaus mit einer Verpflichtung gegenüber den möglichen Verhaltensweisen in der Beziehung einhergehen kann. Obige empirische Erkenntnisse zur Weiterempfehlungsabsicht sowie die theoretischen Erklärungen zum Einfluss der Commitment-Komponenten auf das intendierte CCB zusammengenommen, sollen folgende Annahmen getroffen werden: Annahme 26: Das affektive Commitment beeinflusst die Weiterempfehlungsabsicht eines Dienstleistungskunden positiv. Annahme 27: Das normative Commitment übt keinen bzw. einen schwach positiven Einfluss auf die Weiterempfehlungsabsicht eines Dienstleistungskunden aus. Annahme 28: Das kalkulatorische Commitment übt keinen bzw. im Extremfall einen negativen Einfluss auf die Weiterempfehlungsabsicht eines Dienstleistungskunden aus. Die Identifikation eines Kunden mit der Beziehung zu seinem Anbieter im Sinne des affektiven Commitment führt zu einer Intensivierung bzw. Ausweitung der Geschäftsbeziehung, die sich in der Inanspruchnahme zusätzlicher Leistungen des Dienstleistungsunternehmens äußert.532 Diesen positiven Einfluss des affektiven Commitment auf das Cross-Buying-
530
531
532
Vgl. Harrison-Walker, L. J. (2001): The Measurement of Word-of-Mouth Communication and an Investigation of Service Quality and Customer Commitment as Potential Antecedents, a.a.O., S. 66ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Gruen, T. W., Summers, J. O., Acito, F. (2000): Relationship Marketing Activities, Commitment, and Membership Behaviors in Professional Associations, a.a.O., S. 36ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Verhoef, P. C., Franses, P. H., Hoekstra, J. C. (2002): The Effect of Relational Constructs on Customer Referrals and Number of Services Purchased From a Multiservice Provider, a.a.O., S. 204ff. Auch BETTENCOURT bestätigt in seiner Untersuchung die Funktion des affektiv geprägten Commitment als Determinante des Loyalitätsverhaltens, das unter anderem durch Cross-Buying operationalisiert wurde („I make an effort to use this store for all of my grocery shopping needs”). Vgl. Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 395.
Verhalten weisen VERHOEF ET AL. empirisch für ein Assekuranzunternehmen nach, das neben Versicherungs- auch Finanzdienstleistungen anbietet. Bezüglich der Cross-Buying-Absicht der Kunden, die sich aufgrund kalkulatorischer KostenNutzen-Überlegungen an das Dienstleistungsunternehmen gebunden fühlen, sind unterschiedliche Argumentationsstränge denkbar. Einerseits ließe sich anführen, dass Kunden, die bereits in die Geschäftsbeziehung investiert haben, auch andere Leistungen des Anbieters in Anspruch nehmen, um eine Amortisation der spezifischen Beziehungsinvestitionen voranzutreiben. Andererseits kann die wahrgenommene Einschränkung der Handlungsfreiheit Reaktanz und daraus folgend eine ablehnende Haltung gegenüber der Nachfrage anderer Leistungen des Anbieters verursachen. In der empirischen Analyse kann ein von VERHOEF ET AL. postulierter positiver Zusammenhang von kalkulatorischem Commitment und Cross-BuyingVerhalten nicht bestätigt werden.533 Reproduktionen dieses Ergebnisses und somit weitere empirische Untersuchungen dieser Variablenbeziehung liegen – soweit bekannt –nicht vor. Die Folgen des normativen Commitment für die Cross-Buying-Absicht sind offenkundiger. Die wahrgenommene Verpflichtung des Kunden ist auf die Beziehung zu dem Dienstleistungsanbieter als Ganzes und nicht auf einzelne Leistungen des Unternehmens ausgerichtet, insofern wird der Kunde im Bedarfsfall auch andere Leistungen des Anbieters in Anspruch nehmen. Eine empirische Überprüfung des kausalen Zusammenhangs steht allerdings aus. Zusammenfassend soll somit gelten: Annahme 29: Das affektive und normative Commitment beeinflussen die CrossBuying-Absicht eines Dienstleistungskunden positiv. Annahme 30: Das kalkulatorische Commitment übt einen positiven oder im Extremfall negativen Einfluss auf die Cross-Buying-Absicht eines Dienstleistungskunden aus. Kunden, die gegenüber der Beziehung zu ihrem Anbieter eine emotionale Bindung und Wertschätzung im Sinne des affektiven Commitment aufgebaut haben, erweisen sich toleranter gegenüber Unannehmlichkeiten im Rahmen der Leistungsinanspruchnahme.534 Dieser Toleranzeffekt lässt sich im Speziellen mit dem Streben des Kunden nach kognitiver Konsonanz begründen.535 Dementsprechend werden Informationen über Qualitätsmängel oder andere Fehler beispielsweise abgewertet, um sie in Einklang mit den positiven Gefühlen und Einstellungen gegenüber dem Dienstleistungsanbieter zu bringen.536 Derartige Resistenzen gegen533
534 535 536
Vgl. Verhoef, P. C., Franses, P. H., Hoekstra, J. C. (2002): The Effect of Relational Constructs on Customer Referrals and Number of Services Purchased From a Multiservice Provider, a.a.O., S. 204ff. Vgl. Hocutt, M. A. (1998): Relationship Dissolution Model, a.a.O., S. 190f. Siehe auch Diller, H. (1995): Kundenbindung als Zielvorgabe im Beziehungs-Marketing, a.a.O., S. 34. Auf weitere Mechanismen, die von der Resistenz committeter Kunden gegenüber einstellungswidersprechenden Informationen zeugen, verweisen Dick, A. S., Basu, K. (1994): Customer Loyalty, a.a.O., S. 107.
über einstellungsabweichenden Informationen weist AHLUWALIA in einem Experiment nach. „That is, when committed individuals found it difficult to deny the negative information, they attempted to minimize its influence on their overall evaluation by decreasing the weight given to the attribute(s) negatively influence by this information.”537 Weiterhin zeigten die Probanden “a tendency to isolate the effects of this information from other attributes in the representation.”538 Affektives Commitment und das damit einhergehende Interesse an der gemeinsamen Beziehung und dem Wohlergehen des Geschäftspartners fördert neben der Toleranz gegenüber Fehlern auch das Verständnis für Preiserhöhungen. Der Kunde nimmt kurzfristige Nachteile für eine langfristig erfolgreiche und ausgeglichene Austauschbeziehung in Kauf.539 Den empirischen Nachweis über den positiven Einfluss des affektiven Commitment auf die Toleranz gegenüber Preiserhöhungen erbringt FULLERTON. Sowohl in einer experimentellen Untersuchung der Kunden eines fiktiven TK-Anbieters540 als auch im realen Umfeld von Einzelhandelsunternehmen541 bestätigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der affektiven Commitment-Dimension und der Bereitschaft, einen höheren Preis zu zahlen. Einen negativen Effekt übt das kalkulatorische Commitment auf die Nachsicht des Kunden gegenüber Preiserhöhungen und Fehlern aus. Die Kosten-Nutzen-Relation des Nachfragers würde sich im Falle des Preisanstiegs durch die Erhöhung des zu leistenden Inputs und im Falle des Fehlers durch eine Reduktion des zu erwartenden Outputs verschlechtern. Der Akzeptanz einer derartigen Veränderung des Austauschverhältnisses zu Lasten des Kunden steht das auf rationalen Kalkülen basierende Wesen des kalkulatorischen Commitment entgegen. Erneut sei an dieser Stelle auf die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen von FULLERverwiesen. In dem Experiment zur Wirkung des Commitment gegenüber einem fiktiven TK-Anbieter kann die Funktion des kalkulatorischen Commitment als (negativer) Prädiktor der Preiserhöhungstoleranz zwar nicht bestätigt werden, die Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass zumindest der positive Wirkungspfad zwischen affektivem Commitment und der Duldung von Preiserhöhungen durch das kalkulatorische Commitment negativ moderiert wird.542 Im realen Umfeld der Einzelhandelsunternehmen kann ein negativer Wirkungspfad
TON
537
538
539 540 541 542
Ahluwalia, R. (2000): Examination of Psychological Processes Underlying Resistance to Persuasion, in: Journal of Consumer Research, Vol. 27, September, S. 229. In dieser Untersuchung im Kontext von Konsumgütern wurde Commitment als Einstellung definiert. Ahluwalia, R. (2000): Examination of Psychological Processes Underlying Resistance to Persuasion, a.a.O., S. 230. Vgl. Udorn, P., Bloom, P. N., Zeithaml, V. A. (1998): Consumer Commitment, a.a.O., S. 2700. Vgl. Fullerton, G. (2003): When Does Commitment Lead to Loyalty?, a.a.O., S. 336ff. Vgl. Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 102ff. Vgl. Fullerton, G. (2003): When Does Commitment Lead to Loyalty?, a.a.O., S. 336ff.
vom kalkulatorischen Commitment zur Bereitschaft, einen höheren Preis zu zahlen, auf signifikantem Niveau identifiziert werden.543 Für eine kausale Beziehung zwischen normativem Commitment und der Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten spricht im Speziellen, dass die auf sozialen Normen basierende Verpflichtung gegenüber der Dienstleistungsbeziehung auch beinhaltet, sich nicht unmittelbar beim Auftreten von Schwierigkeiten von dem Geschäftspartner abzuwenden. Im Vergleich zum affektiven Commitment ist jedoch von einer geringeren Effektstärke des moralisch begründeten Bindungszustands auf die Toleranz des Nachfragers auszugehen. In der Zusammenführung obiger Erkenntnisse werden folgende Annahmen für das Commitment-Wirkungsmodell getroffen: Annahme 31: Das affektive und normative Commitment beeinflussen die Toleranz eines Dienstleistungskunden gegenüber Unannehmlichkeiten positiv. Annahme 32: Das kalkulatorische Commitment beeinflusst die Toleranz eines Dienstleistungskunden gegenüber Unannehmlichkeiten negativ. Dem ersten Eindruck nach erscheint das Verhältnis zwischen affektivem Commitment und der Innovationsbereitschaft des Nachfragers offenkundig. Der Kunde identifiziert sich mit den Werten und Zielen des Dienstleistungsanbieters und ist am Wohlergehen des Geschäftspartners interessiert.544 Dementsprechend äußert er Verbesserungsvorschläge, liefert Angaben zu seinem Nutzungsverhalten und Informationen über die Leistungen direkter Wettbewerber des Anbieters.545 Diese Informationsfunktion übernimmt der Kunde nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch, um dem Geschäftspartner im Sinne des Reziprozitätsgedankens etwas für das Erhaltene zurück zu geben. Vereinzelt wird allerdings auch argumentiert, dass Kunden, die affektives Commitment gegenüber dem Dienstleistungsanbieter aufbauen, die Prozesse in der Dienstleistungsbeziehung nicht in Frage stellen, sondern an den bewährten Abläufen festhalten und somit eine geringere Innovationsbereitschaft aufweisen.546 In den empirischen Arbeiten zu den Folgen des Commitment gegenüber einem Dienstleistungsanbieter wird ein derartiger negativer Wirkungspfad zwischen affektivem Commitment und der Innovationsbereitschaft jedoch nicht aufgegriffen. Vielmehr zeigt BETTENCOURT, dass sich die emotional begründete Commitment-Dimension
543 544 545 546
Vgl. Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 102ff. Vgl. Mowday, R. T., Porter, L. W., Steers, R. M. (1982): Employee-Organization Linkages, a.a.O., S. 27. Vgl. Udorn, P., Bloom, P. N., Zeithaml, V. A. (1998): Consumer Commitment, a.a.O., S. 2700. Vgl. allerdings im Kontext der Organisationspsychologie Mowday, R. T., Porter, L. W., Steers, R. M. (1982): Employee-Organization Linkages, a.a.O., S. 142; Moser, K. (1996): Commitment in Organisationen, a.a.O., S. 85f.
positiv auf die Bereitschaft des Kunden auswirkt, konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge zu äußern.547 Eine Verbindung zwischen normativem Commitment und der Innovationsbereitschaft ist – wenn überhaupt – nur schwach ausgeprägt. Von einer selbstinitiierten Aktivierung kreativen Potenzials infolge einer wahrgenommenen Verpflichtung gegenüber der Geschäftsbeziehung ist nicht auszugehen.548 Wird der Kunde hingegen direkt im Rahmen der Marktforschungsaktivitäten des Anbieters um Informationen gebeten, kann das normative Commitment zu einer Erhöhung der Auskunftsbereitschaft führen. Empirische Befunde zu diesem interessierenden Variablenzusammenhang liegen jedoch nicht vor. Für einen Wirkungspfad vom kalkulatorischen Commitment eines Dienstleistungskunden zu dessen Innovationsbereitschaft liegen weder konzeptionelle noch empirische Anhaltspunkte vor, so dass resümierend folgende kausale Beziehungen postuliert werden: Annahme 33: Das affektive Commitment beeinflusst die Innovationsbereitschaft eines Dienstleistungskunden positiv. Annahme 34: Das normative Commitment übt keinen bzw. einen schwach positiven Einfluss auf die Innovationsbereitschaft eines Dienstleistungskunden aus. Die Ergebnisse zu den Einflüssen der Commitment-Komponenten auf die zuvor betrachteten Formen des intendierten CCB zeichnen die Konsequenzen der Dimensionen für die Hilfsbereitschaft des Kunden als weitere freiwillige Kundenleistung weitgehend vor. Kunden, die affektives Commitment gegenüber der Dienstleistungsbeziehung entwickeln, sind intrinsisch motiviert und erfreuen sich an den Aktivitäten in der gemeinsamen Partnerschaft, so dass sie eine erhöhte Bereitschaft aufweisen, anderen Akteuren in der Dienstleistungsbeziehung Hilfeleistungen anzubieten und Anweisungen zu erteilen. Auch von dem normativen Commitment sind positive Konsequenzen für die Hilfsbereitschaft eines Dienstleistungskunden zu erwarten. Es erscheint plausibel, dass die auf sozialen Normen basierende moralische Verpflichtung gegenüber Beziehungen auch beinhaltet, sich generell gegenüber Geschäftspartnern und anderen Kunden hilfsbereit und zuvorkommend zu verhalten. Eine Beziehung zwischen dem auf Kosten-Nutzen-Überlegungen basierenden kalkulatorischen Commitment und der Absicht, sich helfend gegenüber anderen Akteuren in der Dienstleistungsbeziehung zu verhalten, lässt sich aus konzeptioneller Sicht nicht begründen. Diese Form des CCB weist einen stark affektiv geprägten Charakter auf, der mit dem kognitiven kalkulatorischen Commitment nicht in Verbindung steht. Empirische Analysen zu den Auswirkungen der Commitment-Dimensionen auf die Hilfsbereitschaft eines (Dienstleistungs-)Kunden liegen nicht vor, 547 548
Vgl. Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 388ff. Vgl. Gauger, J. (2000): Commitment-Management in Unternehmen, a.a.O., S. 130.
so dass an dieser Stelle auf Ergebnisse der Organisationsforschung verwiesen werden soll. Hier bestätigt die Meta-Analyse von MEYER ET AL., dass affektives ( =0.26) und normatives Commitment ( =0.20) positiv mit Altruismus korrelieren, wohingegen fortsetzungsbezogenes respektive kalkulatorisches Commitment und die Hilfeleistungen eines Mitarbeiters keinen erkennbaren Zusammenhang aufweisen.549 Annahme 35: Das affektive und normative Commitment beeinflussen die Hilfsbereitschaft eines Dienstleistungskunden positiv. Alles in allem lassen obige Ausführen erkennen, dass affektives Commitment eines Dienstleistungskunden durch die Förderung freiwilliger Kundenleistungen zur positiven Entwicklung eines Dienstleistungsunternehmens beiträgt. Wenngleich auch von dem normativen Commitment positive Auswirkungen für das intendierte CCB zu erwarten sind, so fällt der Einfluss dieser moralisch begründeten Commitment-Komponente im Vergleich zum affektiven Commitment durchweg geringer aus. Von Kunden, die sich allein aufgrund kalkulatorischer Zwänge an ihren Dienstleistungsanbieter gebunden fühlen, gehen hingegen keine Bestrebungen aus, sich stärker für die Beziehung zu engagieren. Vielmehr besteht vereinzelt die Gefahr, dass infolge des kalkulatorischen Commitment mit kundenseitiger Reaktanz und daraus folgend mit negativen Konsequenzen für das intendierte CCB zu rechnen ist. Die abgeleiteten Konsequenzen der Commitment-Komponenten für die freiwilligen Kundenintentionen fasst Abb. 22 zusammen.
549
Vgl. Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 35.
kalkulatorisches Commitment 0/-
affektives Commitment
Abb. 22
+/-
-
+
Weiterempfehlungsabsicht
0/+
+
Cross-Buying-Absicht
+
+
Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten
+
+
Innovationsbereitschaft
0/+
+
Hilfsbereitschaft
+
normatives Commitment
Partialmodell: Beziehungs-Commitment – Intendiertes Customer Citizenship Behavior
3.2 Zusammenfassung der Konsequenzen des Beziehungs-Commitment in einem Wirkungsmodell Gegenstand obiger Ausführungen war die Analyse der Auswirkungen des BeziehungsCommitment für das intendierte Käuferverhalten auf Basis theoretischer Überlegungen und unter Berücksichtigung erster Anhaltspunkte der empirischen Dienstleistungsforschung sowie unter Rückgriff auf wesentliche konzeptionelle und empirische Erkenntnisse aus der Organisationsforschung. Dabei standen mit Blick auf die Rechtfertigung des Commitment als Zielgröße des Beziehungsmarketing jene Verhaltensweisen der Kunden im Vordergrund, die zur Verbesserung der Effektivität bzw. Effizienz eines Dienstleistungsunternehmens beitragen können. Gezeigt wurde, dass Commitment eine wichtige Rolle für die Bindung, die Einsatzbereitschaft und das Engagement eines Dienstleistungskunden spielt, wenngleich den einzelnen Commitment-Komponenten hinsichtlich dieser interessierenden Verhaltensweisen infolge ihrer variierenden psychografischen Fundierung ein unterschiedlich starkes Gewicht beigemessen werden muss. Das emotional geprägte affektive Commitment erweist sich im Vergleich der drei Commitment-Komponenten als psychologischer Bindungszustand, der sich am stärksten auf eine Vielzahl wünschenswerter Verhaltensabsichten des Dienstleistungskunden auswirkt (vgl. Abb. 23).
Bindungsabsicht Integrationsabsicht Weiterempfehlungsabsicht affektives Commitment
+
Cross-Buying-Absicht Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten Innovationsbereitschaft
notwendiges Kundenverhalten freiwilliges Kundenverhalten (CCB)
Abb. 23
Hilfsbereitschaft
Konsequenzen des affektiven Commitment
Affektives Commitment fördert nicht nur die Bindungsabsicht und die daraus im Bedarfsfall resultierende Wiederkaufintention des Kunden, sondern auch dessen Bereitschaft, sich aktiv an der Leistungserstellung zu beteiligen. Neben diesen notwendigen Verhaltensweisen – die Nachfrage zur Initiierung und die Integration zur Durchführung der Dienstleistungserstellung – erweist sich die emotionale Commitment-Dimension zusätzlich als positiver Einflussfaktor der freiwilligen Kundenleistungen in Form des intendierten Customer Citizenship Behavior (CCB). Nachfrager, die auf der Grundlage positiver Gefühle und Befürwortung affektives Commitment entwickeln, erfreuen sich an der gemeinsamen Partnerschaft und sind am Wohlergehen des Dienstleistungsanbieters interessiert. In der Konsequenz zeigen sie eine erhöhte Weiterempfehlungs- und Cross-Buying-Absicht, Innovations- sowie Hilfsbereitschaft und sind insgesamt toleranter gegenüber Unannehmlichkeiten, wie Preiserhöhungen oder Qualitätsmängel. Auch die wahrgenommene Verpflichtung des Kunden gegenüber der Beziehung zu seinem Dienstleistungsanbieter trägt als zentrale Verhaltenskonsequenz des Commitment zur Erhöhung der Bindungsabsicht des Nachfragers bei. Inwieweit normatives Commitment darüber hinaus weitere Verhaltensintentionen des Kunden beeinflusst, ist in hohem Maße davon abhängig, welche Handlungen als Mittel zur Erfüllung der wahrgenommenen Verpflichtung angesehen werden. Als derartige Verhaltensweisen, durch die der Dienstleistungskunde seine Verantwortung gegenüber der gemeinsamen Geschäftsbeziehung zum Ausdruck bringt, wurden die Integrationsbereitschaft, die Cross-Buying-Absicht, die Nachsicht gegenüber Problemen und die Hilfsbereitschaft identifiziert. Weniger offenkundig erscheint die Relevanz proaktiver Verhaltensweisen, wie der Weiterempfehlung oder der Unterbreitung von Verbesserungsvorschlägen, für die Erfüllung der wahrgenommenen Verantwortung, so dass von dem
normativen Commitment – wenn überhaupt – ein schwacher positiver Wirkungspfad zur Weiterempfehlungsabsicht bzw. zur Innovationsbereitschaft hergeleitet wurde (vgl. Abb. 24).
normatives Commitment
notwendiges Kundenverhalten freiwilliges Kundenverhalten (CCB)
Abb. 24
+
Bindungsabsicht
+
Integrationsabsicht
0/+
Weiterempfehlungsabsicht
+
Cross-Buying-Absicht
+
Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten
0/+
Innovationsbereitschaft
+
Hilfsbereitschaft
Konsequenzen des normativen Commitment
Kunden, die kalkulatorisches Commitment entwickeln, sehen sich infolge rationaler Kosten-Nutzen-Überlegungen gezwungen, die Beziehung zu ihrem Anbieter fortzuführen. Über diese Konsequenz des kalkulatorischen Commitment hinaus gehen von dieser CommitmentKomponente in weiten Teilen keine weiteren Auswirkungen auf die Verhaltensintentionen des Kunden aus. Allerdings wurde auf Basis der Überlegungen der Reaktanztheorie darauf hingewiesen, dass im Extremfall der wahrgenommene Zwang, die Dienstleistungsbeziehung aufrechtzuerhalten, und die damit verbundene Einschränkung der Entscheidungsfreiheit zu einem Abfall der Integrationsbereitschaft, der Weiterempfehlungsabsicht und der CrossBuying-Intention führen können. Bezüglich der Cross-Buying-Absicht ließe sich jedoch auch anführen, dass der Kunde vor dem Hintergrund der Amortisation der spezifischen Investitionen im Sinne der Fixkostendegression durchaus Interesse an zusätzlichen Leistungen aus dem Portfolio des Anbieters besitzt. Demgegenüber wirkt sich das kalkulatorische Commitment auf die Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten eindeutig negativ aus. Der Kunde antizipiert eine Verschlechterung seiner persönlichen Austauschsituation durch Preiserhöhungen oder Qualitätsmängel, fühlt sich aber weiterhin kalkulatorisch an die Dienstleistungsbeziehung gebunden. Insofern wird er Preiserhöhungen und anderen Unannehmlichkeiten von vornherein ablehnend gegenüber stehen (vgl. Abb. 25).
kalkulatorisches Commitment
notwendiges Kundenverhalten freiwilliges Kundenverhalten (CCB)
Abb. 25
+
Bindungsabsicht
0/-
Integrationsabsicht
0/-
Weiterempfehlungsabsicht
+/-
Cross-Buying-Absicht
-
Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten
Konsequenzen des kalkulatorischen Commitment
In der Zusammenführung der Erkenntnisse zu den Konsequenzen der einzelnen CommitmentKomponenten für die Verhaltensintentionen ergibt sich das in Abb. 26 dargestellte Wirkungsmodell des Commitment in der Dienstleistungsbeziehung.
kalkulatorisches Commitment +
affektives Commitment
notwendiges Kundenverhalten freiwilliges Kundenverhalten (CCB)
Abb. 26
0/-
0/-
+/-
-
+
Bindungsabsicht
+
+
Integrationsabsicht
+
+
Weiterempfehlungsabsicht
0/+
+
Cross-Buying-Absicht
+
+
Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten
+
+
Innovationsbereitschaft
0/+
+
Hilfsbereitschaft
+
normatives Commitment
Wirkungsmodell des Commitment in der Dienstleistungsbeziehung
Aus dieser aggregierten Darstellung der Folgen des Beziehungs-Commitment geht nochmals hervor, dass insbesondere das affektive Commitment einen wertvollen Beitrag für den Erhalt langfristiger und intensiver Kundenbeziehungen leisten kann. Auf die in der Literatur klassischer Weise betrachteten Formen der Kundenloyalität (Wiederkaufs-, Weiterempfehlungs-, Cross-Buying-Absicht sowie Preiserhöhungstoleranz)550 übt das affektive Commitment den stärksten und als einzige Dimension durchweg eindeutig positiven Einfluss aus. Die auf Verbundenheit und dem Wunsch des Kunden basierenden intendierten Verhaltenskonsequenzen können auch als „zustimmende“551 oder „wahre Loyalität“552 bezeichnet werden. Wie ersichtlich, trägt auch normatives Commitment weitgehend zur Kundenloyalität bei. Jedoch weist der auf das wahrgenommene Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstein zurückzuführende Wirkungszusammenhang im Vergleich zum affektiven Commitment insgesamt eine geringere Intensität auf. Die hier erörterten Konsequenzen des normativen Commitment ließen sich auch unter dem Begriff einer „pflichtbewussten Loyalität“ subsumieren. Das kalkulatorische Commitment wirkt sich hingegen lediglich auf die Wiederkaufsabsicht eines Kunden als Ausdrucksform seiner Loyalität eindeutig positiv aus. Zur Weiterempfehlungs- und Cross-Buying-Absicht sowie zur Preiserhöhungstoleranz steht die auf KostenNutzen-Überlegungen basierende Dimension großteils in keiner bzw. in einer negativen kausalen Beziehung. Die Folgen des kalkulationsbezogenen Commitment können zusammenfassend auch als „kalkulierte Loyalität“ bezeichnet werden.
4 Integriertes Commitment-Modell für die Dienstleistungsbeziehung Während zuvor mit Blick auf die Entwicklung des Erklärungs- und Wirkungsmodells Commitment als abhängige bzw. unabhängige Variable untersucht wurde, rückt die Zusammenführung der beiden Teilmodelle zu einem Commitment-Modell für die Dienstleistungsbeziehung die Funktion des Beziehungs-Commitment als Mediatorvariable in den Vordergrund. Die Darstellung des Modells in Abb. 27, in der zur besseren Übersicht nur direkte Determinanten des Konstrukts berücksichtigt wurden, veranschaulicht, dass die drei CommitmentKomponenten zwischen den Prädiktoren und Verhaltensintentionen im Modell vermitteln.
550 551 552
Siehe hierzu auch die Ausführungen in Kap. A 2.2. Vgl. Bliemel, F. W., Eggert, A. (1998): Kundenbindung, a.a.O., S. 41. Vgl. auch Bloemer, J. M. M., Kasper, H. D. P. (1995): The Complex Relationship between Consumer Satisfaction and Brand Loyalty, in: Journal of Economic Psychology, Vol. 16, No. 2, S. 313.
wahrgenommener Restwert spezifischer Investitionen +
subjektive Nettonutzendifferenz
antizipierte direkte Wechselkosten
+
+
kalkulatorisches Commitment +
Interaktionsqualität
0/-
0/-
+/-
+
Bindungsabsicht
+
+
Integrationsabsicht
+
+
Weiterempfehlungsabsicht
0/+
+
Cross-Buying-Absicht
+
+
Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten
+
+
Innovationsbereitschaft
0/+
+
Hilfsbereitschaft
+
+
+
affektives Commitment Vertrauen in Dienstleistungsunternehmen
normatives Commitment +
+ +
Kundenzufriedenheit
Abb. 27
-
+
soziale Norm generellen loyalen Verhaltens soziale Norm spezifischen loyalen Verhaltens
notwendiges Kundenverhalten freiwilliges Kundenverhalten (CCB)
Integriertes Commitment-Modell für die Dienstleistungsbeziehung
Es zeigt sich, dass die Interaktionsqualität, das Vertrauen gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen und die Kundenzufriedenheit durch ihren positiven Einfluss auf die Entwicklung des affektiven Commitment mittelbar an der Induzierung wünschenswerter Verhaltensweisen des Dienstleistungskunden, wie der Bindungsabsicht, der Integrationsbereitschaft und dem intendierten CCB, beteiligt sind. In weiten Teilen fördern auch die sozialen Normen generellen bzw. spezifischen loyalen Verhaltens sowie die Kundenzufriedenheit als Determinanten des normativen Commitment mittelbar diese für die Wirtschaftlichkeit eines Dienstleistungsunternehmens relevanten intendierten Verhaltensweisen. Aus der Gesamtbetrachtung der Bestimmungsfaktoren und Konsequenzen des Beziehungs-Commitment geht weiterhin hervor, dass die wahrgenommenen Wechselbarrieren indirekt über das kalkulatorische Commitment die Bindungsabsicht eines Dienstleistungskunden positiv beeinflussen. Darüber hinaus stehen diese Wechselkosten in Form des wahrgenommenen Restwerts spezifischer Investitionen, der subjektiven Nettonutzendifferenz zugunsten des Anbieters sowie der direkten antizipierten
Wechselkosten allerdings in keinem oder möglicherweise in einem negativen mittelbaren Zusammenhang zur Integrationsabsicht und den Loyalitätsbekundungen553 des Nachfragers. Die der Zielstellung dieser Arbeit entsprechende Entwicklung des Erklärungs- und Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment und die Zusammenführung der ihnen zugrunde liegenden Annahmen in dem in Abb. 27 dargestellten Commitment-Modell sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Determinanten der drei Commitment-Komponenten die hier interessierenden Kundenintentionen möglicherweise auch direkt beeinflussen können. In einem umfassenden Modell der Kundenloyalität wäre folglich zu untersuchen, inwieweit die Einflüsse der Prädiktoren des Beziehungs-Commitment auf die Kundenintentionen vollständig oder lediglich partiell durch die relevanten Commitment-Komponenten mediiert werden. Wie nachfolgende Ausführungen am Beispiel der Kundenzufriedenheit demonstrieren, liefern die wenigen empirischen Analysen umfassender Kundenloyalitätsmodelle, in denen sowohl das Commitment als auch einzelne Determinanten des Commitment als direkte und indirekte Einflussgrößen der Kundenintentionen untersucht werden, divergierende Erkenntnisse. So identifiziert ABDUL-MUHMIN neben dem bereits erörterten mittelbaren Einflusspfad über das Commitment einen direkten negativen kausalen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und der Wechselneigung industrieller Nachfrager.554 Demgegenüber kann in der Untersuchung von WETZELS ET AL. die Funktion der Kundenzufriedenheit als direkte Determinante der Bindungsabsicht neben ihrem Einfluss über das Commitment-Konstrukt nicht bestätigt werden.555 Im Kontext konsumtiver Dienstleistungen weisen HENNIG-THURAU ET AL. zusätzliche, direkte Wirkungspfade von der Kundenzufriedenheit zur Bindungs- und Weiterempfehlungsabsicht nach.556 Auch VERHOEF ET AL. zeigen zwar für die Kundenzufriedenheit und Weiterempfehlungsabsicht einen durch das Commitment des Dienstleistungskunden partiell mediierten und damit teilweise direkten Zusammenhang auf, identifizieren für die CrossBuying-Absicht der Kunden allerdings keinen unmittelbaren Einfluss der Kundenzufriedenheit.557 Wiederum zu anderen Ergebnissen gelangt BETTENCOURT. In der empirischen Untersuchung des Autors zeichnet sich die von ihm postulierte, über die mittelbare Beziehung hinausgehende Relevanz der Zufriedenheit für das intendierte Weiterempfehlungs- und Koope-
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Eine Ausnahme bildet die Cross-Buying-Absicht des Kunden, die möglicherweise in einem positiven indirekten Zusammenhang zu den wahrgenommenen Wechselkosten steht. Vgl. Abdul-Muhmin, A. G. (2005): Instrumental and Interpersonal Determinants of Relationship Satisfaction and Commitment in Industrial Markets, a.a.O., S. 621ff. Vgl. Wetzels, M., de Ruyter, K., van Birgelen, M. (1998): Marketing Service Relationships, a.a.O., S. 412ff. Vgl. Hennig-Thurau, T., Gwinner, K. P., Gremler, D. D. (2002): Understanding Relationship Marketing Outcomes, a.a.O., S. 237ff. Vgl. Verhoef, P. C., Franses, P. H., Hoekstra, J. C. (2002): The Effect of Relational Constructs on Customer Referrals and Number of Services Purchased From a Multiservice Provider, a.a.O., S. 205ff.
rationsverhalten nicht ab.558 Lediglich die Bereitschaft zur Äußerung von Kritik steht in dieser Analyse in einem unmittelbar negativen Zusammenhang zur Kundenzufriedenheit. FULLERTON stellt in seiner Untersuchung zur Loyalität von Handelskunden zwei Erklärungsmodelle einander gegenüber.559 Im Ergebnis eines von ihm durchgeführten ²-Differenztests erweist sich die Güte eines vollständig durch die Commitment-Komponenten mediierten Loyalitätsmodells dem umfassenden Modell, in dem zusätzlich direkte Wirkungspfade von der Kundenzufriedenheit560 zu den Kundenintentionen berücksichtigt wurden, unterlegen. Einen diesem Ergebnis widersprechenden Eindruck vermittelt eine weitere Analyse des Autors aus demselben Jahr.561 Hier überprüft FULLERTON die Mediatoreffekte des affektiven und kalkulatorischen Commitment mit Hilfe des von BARON/KENNY562 empfohlenen Testverfahrens auf Basis der Regressionsanalyse. Mit der Hinzunahme der Commitment-Komponenten in ein multiples Regressionsmodell sinkt der zuvor signifikante standardisierte Regressionskoeffizient der Zufriedenheit auf Null, wodurch sich eine vollständige Mediation des Einflusses der Zufriedenheit auf die Kundenintentionen durch das Commitment-Konstrukt andeutet. Bereits diese exemplarischen Ausführungen zu der über einen indirekten Effekt hinausgehenden Bedeutung der Kundenzufriedenheit für die Kundenintentionen erzeugen ein ausgesprochen diffuses Bild. Insgesamt stehen die Forschungsbemühungen zur konkreten Ausgestaltung umfassender Loyalitätsmodelle, in denen neben den Commitment-Komponenten auch deren Determinanten als direkte Einflussfaktoren des intendierten Kundenverhaltens untersucht werden, ganz am Anfang. Da die Herleitung eines derartig umfassenden Erklärungsmodells der Kundenloyalität allerdings nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, kann die Frage nach der Funktion des Beziehungs-Commitment als vollständig oder partiell intervenierende Größe an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Vielmehr stellt das hier auf Basis theoretischer Überlegungen und empirischer Erkenntnisse entwickelte Commitment-Modell einen konzeptionellen Ausgangspunkt für auf dieses Forschungsanliegen ausgerichtete Untersuchungen dar.
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Vgl. hierzu und im Folgenden Bettencourt, L. A. (1997): Customer Voluntary Performance, a.a.O., S. 390ff. Vgl. Fullerton, G. (2005a): The Service Quality-Loyalty Relationship in Retail Services, a.a.O., S. 103ff. FULLERTON führt in seinen Modellen die Service Quality als Determinante des Beziehungs-Commitment auf. Allerdings weist das Konstrukt, wie in Kap. C 2.1.1 gezeigt wurde, Ähnlichkeit mit der hier betrachteten Kundenzufriedenheit auf. Vgl. hierzu und im Folgenden Fullerton, G. (2005b): The Impact of Brand Commitment on Loyalty to Retail Service Brands, a.a.O., S. 104ff. Vgl. Baron, R. M., Kenny, D. A. (1986): The Moderator-Mediator Variable Distinction in Social Psychological Research, a.a.O., S. 1177.
D Zusammenfassung und Implikationen 1 Zusammenfassung zentraler Untersuchungsergebnisse Vor dem Hintergrund vorherrschender Globalisierungstendenzen und Deregulierungsbestrebungen, der Entwicklung neuer Dienstleistungskonzepte sowie der Verbesserung technischer Rahmenbedingungen sehen sich viele Dienstleistungsunternehmen mit den Herausforderungen einer zunehmenden Wettbewerbsintensität auf ihren relevanten Märkten konfrontiert. Marktanteilsgewinne lassen sich unter diesen Bedingungen und einer voranschreitenden Nachfragesättigung auf den Dienstleistungsmärkten oftmals nur noch durch das Abwerben der Kunden von der Konkurrenz realisieren. Auf diesen „Kampf um den Kunden“563 reagieren die Dienstleistungsanbieter mit einer Ausrichtung ihrer Marketingaktivitäten auf die Entwicklung enger Bindungen ihrer Kunden an das eigene Unternehmen. Das Streben der Dienstleistungsanbieter nach langfristigen, engen Kundenbeziehungen erweist sich dabei nicht nur hinsichtlich des Schutzes vor den Akquisitionsmaßnahmen der Konkurrenz von Vorteil, vielmehr werden mit der Kundenbindung positive ökonomische Konsequenzen durch Erlössteigerungen und Kostensenkungen assoziiert. Die zunehmende Beziehungsorientierung der Unternehmen und der damit einhergehende Wandel vom Transaktions- zum Beziehungsmarketing rückt die Frage nach den Bedingungen des Aufbaus und Erhalts langfristiger Kundenbeziehungen in den Blickpunkt der Marketingforschung. Während lange Zeit das Konstrukt der Kundenzufriedenheit die wissenschaftliche Diskussion zur Bindung von Kunden dominierte, hat mittlerweile auch das Vertrauen als beziehungsorientiertes Phänomen einen festen Platz in den Arbeiten zum Beziehungsmarketing eingenommen. Als weitere Größe der Trias erfolgreicher Geschäftsbeziehungen wird dem Commitment-Konstrukt eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung und den Erhalt langfristiger Kundenbindungen zugesprochen. Trotz dieser Erkenntnis wird dem Commitment in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Aufgrund dieser – insbesondere in der Dienstleistungsforschung – weitgehenden Vernachlässigung des Konstrukts und des daraus resultierenden geringen und zudem theoretisch mangelhaft fundierten Kenntnisstands der Determinanten und Wirkungsmechanismen des Beziehungs-Commitment war das generelle Ziel der vorliegenden Untersuchung, einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis des Commitment eines Dienstleistungskunden zu leisten. Im 563
Beispielsweise bei Rosenstiel, L. von, Neumann, P. (2005): Mehr als ein Käufer – Der Kunde, das unbekannte Wesen, in: Künzel, H. (Hrsg.): Handbuch Kundenzufriedenheit: Strategie und Umsetzung in der Praxis, Berlin et al., S. 27; Spreiter, M. (2005): Vorwort, in: Spreiter, M. (Hrsg.): Private Banking: Kundenbindung und Ertragssteigerung in der Praxis, Wiesbaden, S. 5; Töpfer, A. (2006): Vision und Realität von CRM-Projekten, in: Hippner, H., Wilde, K. D. (Hrsg.): Grundlagen des CRM: Konzepte und Gestaltung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 225.
Zentrum der Überlegungen standen dabei die Kundenbeziehungen zu Anbietern konsumtiver, in hohem Maße interaktiver Dienstleistungen. Beziehungs-Commitment wurde ganz allgemein als psychologischer Zustand definiert, der einen Kunden an die Beziehung zu seinem Dienstleistungsanbieter bindet. In Anlehnung an das aus der Organisationspsychologie stammende, vielbeachtete Commitment-Modell von MEYER/ALLEN564 wurden eine affektive, kalkulatorische und normative Dimension des Konstrukts abgegrenzt, die sich hinsichtlich ihres grundsätzlichen Wesens unterscheiden. Entsprechend der Zielsetzung dieser Arbeit wurden ausgehend von dieser dreidimensionalen Konzeptionalisierung ein Erklärungs- und ein Wirkungsmodell entwickelt, die im Endergebnis umfassend Auskunft über die Determinanten und Konsequenzen der einzelnen Commitment-Komponenten geben und dementsprechend zu einem verbesserten Verständnis des Commitment eines Kunden gegenüber der Dienstleistungsbeziehung beitragen können. Das affektive Commitment drückt das emotionale Bindungsgefühl eines Dienstleistungskunden aus. Der Nachfrager verspürt eine auf positiven Erfahrungen beruhende, innere Zuwendung gegenüber seinem Dienstleistungsanbieter. Aus der theoriegeleiteten Entwicklung des Erklärungsmodells für das Beziehungs-Commitment ging hervor, dass die affektive Commitment-Dimension auf positiv empfundene Bestätigungen erwarteter durch tatsächlich erlebte Leistungen und damit auf die kumulierte Zufriedenheit mit der Dienstleistungsbeziehung zurückzuführen ist. Auch die wahrgenommene Qualität der Interaktionen mit den Dienstleistungsmitarbeitern in Form kommunikativer Abstimmungsprozesse, Höflichkeitsund Respektsbezeugungen tragen durch die Befriedigung sozialer Bedürfnisse des Kunden nach Anerkennung und Zuneigung zur Identifikation mit dem Dienstleistungsanbieter und folglich zum Aufbau des affektiven Beziehungs-Commitment bei. Darüber hinaus steht das unternehmensbezogene Vertrauen eines Kunden im Einklang mit dessen Streben nach Unsicherheits- und Komplexitätsreduktion in sozialen Austauschsituationen. Der mit dem Vertrauen gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen einhergehende Glaube an die Integrität und das Wohlwollen des Anbieters fördert die positiven Empfindungen des Kunden und damit dessen affektives Commitment gegenüber der Dienstleistungsbeziehung. Im Ergebnis der Herleitung eines Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment unter besonderer Berücksichtigung der Selbstbestimmungstheorie konnte gezeigt werden, dass affektives Commitment neben dessen zentraler Verhaltenstendenz, die Beziehung zum Dienstleistungsanbieter aufrechterhalten zu wollen, weitere positive Verhaltensintentionen des Kunden nach sich zieht. Sowohl die für die Leistungserstellung notwendige Integrationsabsicht als 564
Vgl. Allen, N. J., Meyer, J. P. (1990): The Measurement and Antecedents of Affective, Continuance and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 3f.; Meyer, J. P., Allen, N. J. (1991): A ThreeComponent Conceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 67ff.; Meyer, J. P., Herscovitch, L. (2001): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 305; Meyer, J. P. et al. (2002): Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization, a.a.O., S. 21f.
auch die Bereitschaft des Kunden, freiwillige Leistungen in der Dienstleistungsbeziehung zu erbringen, werden durch das affektive Commitment positiv beeinflusst. Dabei wurden die freiwilligen Kundenleistungen in dem Commitment-Wirkungsmodell durch das Konstrukt des Customer Citizenship Behavior (CCB) spezifiziert. Im Einzelnen konnten die Weiterempfehlungs- und Cross-Buying-Absicht, die Innovations- und Hilfsbereitschaft sowie die Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten als Dimensionen des intendierten CCB und positive Konsequenzen des affektiven Commitment identifiziert werden. Als rationale und gefühlskalte Form der psychologischen Bindung eines Kunden an einen Dienstleistungsanbieter gilt das kalkulatorische Commitment. Der Kunde empfindet aufgrund von Kosten-Nutzen-Überlegungen die Notwendigkeit zur Fortführung der Geschäftsbeziehung. Ausschlaggebend für die Entwicklung des kalkulatorischen Commitment ist die Wahrnehmung von Wechselkosten und somit die Antizipation monetärer und nicht-monetärer Nachteile, die dem Nachfrager aus der Aufkündigung der bestehenden Beziehung zu seinem Dienstleistungsanbieter entstünden. Drei spezifische Wechselkostenarten wurden als Determinanten des kalkulatorischen Commitment in das Erklärungsmodell des BeziehungsCommitment integriert. Neben den spezifischen Investitionen in die Dienstleistungsbeziehung, die sich noch nicht amortisiert haben und die bei Beendigung des Geschäftsverhältnisses als versunkene Kosten unwiederbringlich verloren gehen würden, erhöht auch ein subjektiv wahrgenommener Nettonutzenvorteil zugunsten des aktuellen Dienstleisters das kalkulatorisch begründete Commitment. Als dritte Wechselkostenart tragen die antizipierten direkten Wechselkosten, die unmittelbar mit der Auflösung der bestehenden Dienstleistungsbeziehung und der Anbahnung eines neuen Geschäftsverhältnisses anfallen, zur Entwicklung des kalkulatorischen Commitment bei. Der rationale, gefühlskalte Charakter des kalkulatorischen Commitment spiegelt sich, wie das entwickelte Commitment-Wirkungsmodell zeigt, auch in den Verhaltenskonsequenzen dieser Dimension wider. Zwar sieht sich der Dienstleistungskunde aufgrund kalkulatorischer Zwänge an den Dienstleistungsanbieter gebunden, darüber hinaus verspürt er allerdings keine Veranlassung, sich in die Dienstleistungsbeziehung einzubringen. Im Gegenteil, es wurde mit Hilfe der Überlegungen der Reaktanztheorie dargelegt, dass kalkulatorisches Commitment möglicherweise zu einer Reduktion der Integrationsbereitschaft, der Weiterempfehlungs- und Cross-Buying-Absicht565 führen kann. Für die Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten, wie zum Beispiel Preiserhöhungen oder Qualitätsschwankungen, wurde sogar ein eindeutig negativer Einfluss dieser kognitiv geprägten Commitment-Dimension hergeleitet.
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Allerdings ist der Einfluss des kalkulatorischen Commitment auf die Cross-Buying-Absicht nicht eindeutig. In Kapitel C 3.1.3 wurde auch auf einen möglichen positiven Zusammenhang der beiden Größen hingewiesen.
Das normative Commitment als dritte analysierte Dimension des Commitment-Konstrukts reflektiert einen psychologischen Bindungszustand, der auf einer wahrgenommenen, moralischen Verpflichtung gegenüber der Dienstleistungsbeziehung fußt. Dieses Verantwortungsgefühl gegenüber dem Dienstleistungsanbieter und dem gemeinsamen Geschäftsverhältnis wird in erster Linie durch die Verinnerlichung sozialer Normen und Wertvorstellungen begünstigt. In dem Erklärungsmodell des Beziehungs-Commitment wurden zwei Normen loyalen Verhaltens bzw. dessen Wirkungsgrade als Determinanten des normativen Commitment aufgegriffen. Die Norm generellen loyalen Verhaltens geht auf Sozialisationsprozesse im persönlichen und kulturellen Umfeld des Kunden zurück und vermittelt die allgemeine Erwartung, sich gegenüber eingegangenen Beziehungen verpflichtet zu fühlen. Die Norm spezifischen loyalen Verhaltens konkretisiert hingegen die Erwartung des Dienstleistungsanbieters, dass sich der Kunde speziell ihm und der gemeinsamen Dienstleistungsbeziehung gegenüber loyal verhält und ist das Ergebnis kundenbezogener Sozialisationsprozesse des Dienstleisters. Aber auch eine hohe Zufriedenheit des Kunden mit den Leistungen des Anbieters fördert, die Verinnerlichung der aus den sozialen Austauschtheorien bekannten Reziprozitätsnorm vorausgesetzt, die Entwicklung des normativen Commitment. Das normative Commitment wirkt sich – ähnlich der affektiven Dimension allerdings in einer schwächeren Intensität – positiv auf eine Reihe, aus Sicht des Dienstleistungsunternehmens wünschenswerter, Verhaltensintentionen des Nachfragers aus. Aus der wahrgenommenen Verpflichtung gegenüber der eingegangenen Bindung resultiert die Bereitschaft, die Dienstleistungsbeziehung aufrechtzuerhalten und durch notwendige Integrationsleistungen zum Gelingen der Leistungserstellung beizutragen. Inwieweit der Kunde sich darüber hinaus für das Dienstleistungsunternehmen engagiert, hängt im entscheidenden Maße davon ab, ob er auch die freiwilligen Leistungen als Möglichkeiten interpretiert, seiner Verantwortung gegenüber der gemeinsamen Beziehung nachzukommen. Unter diesem Aspekt wurden die CrossBuying-Absicht, die Hilfsbereitschaft und die Toleranz gegenüber Unannehmlichkeiten als Konsequenzen des normativen Commitment hergeleitet. Wohingegen die proaktive Weiterempfehlungsabsicht und die Innovationsbereitschaft des Nachfragers – wenn überhaupt – nur in einem leicht positiven Zusammenhang zur moralisch begründeten Commitment-Dimension stehen. Die Ergebnisse der systematischen, theoriegeleiteten Auseinandersetzung mit dem Commitment-Konstrukt und hierbei insbesondere die Ausführungen zu den Auswirkungen der einzelnen Commitment-Dimensionen auf das intendierte Käuferverhalten bestätigen insgesamt den zentralen Stellenwert des Konstrukts für die Bindung des Kunden an den Dienstleistungsanbieter. Gleichzeitig ist aber auch festzuhalten, dass nicht allen drei Dimensionen des Commitment-Konstrukts eine gleich hohe Bedeutung für die Etablierung und den Erhalt langfristig erfolgreicher Kundenbeziehungen beizumessen ist. In diesem Sinne wurde als Antriebsfaktor der wahren Kundenloyalität lediglich die affektive Commitment-Komponente identifiziert.
2 Implikationen für das Kundenbindungsmanagement in der Marketingpraxis Auf Basis der in dieser Arbeit vorgenommenen Analyse des Commitment-Konstrukts lassen sich wertvolle Implikationen für die Marketingpraxis ableiten. Bereits die konzeptionelle Unterscheidung der drei Commitment-Dimensionen liefert Anhaltspunkte für das praktische Kundenbindungsmanagement und die Formulierung konkreter Kundenbindungsstrategien. Denn wie gezeigt wurde, stellt lediglich die affektive Commitment-Dimension die Basis für wahre Kundenloyalität dar. Die Notwendigkeit zur Aufnahme des affektiven Commitment als psychografische Zielgröße des Beziehungsmarketing in das unternehmerische Zielsystem beziehungsorientierter Dienstleistungsunternehmen steht somit außer Frage. Konkrete Maßnahmen zum Aufbau des affektiven Commitment leiten sich aus den Determinanten dieser Komponente ab und betreffen somit in erster Linie die Sicherung der Kundenzufriedenheit, der Interaktionsqualität und des Kundenvertrauens. Der Anbieter steht folglich vor der Herausforderung, die Erwartungen des Kunden an das Leistungsergebnis und den Leistungserstellungsprozess zu erfüllen und bestenfalls weit zu übertreffen. Die Konzeption der Leistungsangebote ist somit konsequent an den Bedürfnissen des Nachfragers und dessen zufriedenheitsrelevanten Ansprüchen auszurichten. Leistungspolitische Entscheidungen umfassen dabei Maßnahmen zur Ergebnis-, Prozess- und Potenzialverbesserung. Mit der Immaterialität von Dienstleistungen geht allerdings eine beschränkte Patentierbarkeit der Leistungen einher,566 so dass Konkurrenten die Dienstleistungskonzepte leicht imitieren können und sich die Angebote für den Nachfrager in vielen Branchen kaum noch unterscheiden. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Interaktionsqualität und damit das Verhalten des einzelnen Mitarbeiters in der Dienstleistungsinteraktion und der Faktor Mensch als nicht imitierbare Größe an Bedeutung. Der einzelne Dienstleistungsmitarbeiter muss in seinen Rollen als Akquisiteur, Koordinator, Vertrauensbilder, Beziehungs- sowie Krisenmanager und Überzeuger567 nicht nur die leistungsbezogenen, sondern auch die interaktionsbezogenen Bedürfnisse des Kunden erfassen und in dem eigenen Verhalten bestmöglich berücksichtigen.568 Für die Entwicklung des affektiven Commitment sind demnach neben den leistungspolitischen ebenso personalpolitische Maßnahmen eines kundenorientierten Personalmanagement relevant. Hier stellen die kundenorientierte Gestaltung der Mitarbeiterrekrutierung, -ausbildung, -beurteilung und -vergütung sowie das kundenorientierte Führungsverhalten der
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Vgl. Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing, a.a.O., S. 16. Vgl. Stock, R. (2005): Kundenorientierte Personalführung als Schlüssel zur Kundenbindung, a.a.O., S. 624ff. Vgl. Nerdinger, F. W. (2003): Kundenorientierung, Göttingen et al., S. 1; Horsmann, C. (2005): Bedingungen und Folgen der Kundenorientierung im persönlichen Verkauf, a.a.O., S. 28.
Vorgesetzten Möglichkeiten zur Beeinflussung der Verhaltensweisen und Einstellungen der Dienstleistungsmitarbeiter dar.569 Auch eine kontinuierliche Personalplanung im Rahmen der Personalpolitik trägt indirekt zum Aufbau des affektiven Commitment bei. Kunden, die über einen langen Zeitraum hinweg einen festen Ansprechpartner im Dienstleistungsunternehmen besitzen, mit dem sie regelmäßig in Kontakt stehen, entwickeln eher ein persönliches Vertrauensverhältnis.570 Dieses Vertrauen gegenüber dem einzelnen Dienstleistungsmitarbeiter fördert wiederum das Vertrauen gegenüber dem Dienstleistungsanbieter insgesamt und damit indirekt das affektive Commitment. Darüber hinaus besitzt das Unternehmen die Möglichkeit, durch die Erfüllung des Leistungsversprechens, eine konstante Preisgestaltung571 oder die Zusicherung vorgegebener Qualitätsstandards in Form von Gütesiegeln572 die systembezogene Vertrauensbildung des Nachfragers zu begünstigen. Der Aufbau des normativen Commitment stellt eine weitere Kundenbindungsstrategie für Dienstleistungsunternehmen dar, wenngleich es sich hierbei im Vergleich zum affektiven Commitment um eine second-best Lösung zur Entwicklung loyaler Kundenbeziehungen handelt. Diese Einschätzung ergibt sich einerseits aus den schwächeren Zusammenhängen zwischen dem normativen Commitment und den Intentionen des loyalen Kundenverhaltens. Andererseits weist das normative Commitment auch weniger Möglichkeiten der direkten Beeinflussung durch das Dienstleistungsunternehmen auf. Zwar sind zufriedenstellende Leistungen und folglich die Befriedigung der Kundenbedürfnisse durch den Anbieter der Entwicklung des normativen Commitment zuträglich, dieser Wirkungszusammenhang setzt allerdings die Verinnerlichung der universellen Reziprozitätsnorm durch den Kunden voraus. Darüber hinaus ist die Internalisierung der Norm generellen loyalen Verhaltens als weitere Determinante des normativen Commitment weitgehend auf Sozialisationsprozesse im persönlichen und kulturellen Umfeld des Nachfragers zurückzuführen und entzieht sich demnach auch dem direkten Einflussbereich des Dienstleistungsanbieters. Für das Dienstleistungsunternehmen stellt sich insofern die Aufgabe, die Norm spezifischen loyalen Verhaltens durch kundenbezogene Sozialisationsprozesse zu vermitteln. Zu diesem Zweck stehen dem Anbieter in erster Linie kommunikationspolitische Instrumente zur Verfügung. Hier gilt es, den einzelnen Kunden von seiner persönlichen Bedeutung für das Dienstleistungsunternehmen zu überzeugen. Ganz 569
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Siehe hierzu ausführlich Nerdinger, F. W. (2003): Kundenorientierung, a.a.O., S. 64ff.; Stock, R. (2005): Kundenorientierte Personalführung als Schlüssel zur Kundenbindung, a.a.O., S. 629ff. Vgl. Fantapié Altobelli, C., Hoffmann, S. (2006): Reziprozität und Konsumentenvertrauen, in: Bauer, H. H., Neumann, M. M., Schüle, A. (Hrsg.): Konsumentenvertrauen: Konzepte und Anwendungen für ein nachhaltiges Kundenbindungsmanagement, München, S. 59. Vgl. Fantapié Altobelli, C., Hoffmann, S. (2006): Reziprozität und Konsumentenvertrauen, a.a.O., S. 59. Vgl. Stephan, A. (2004): Gestaltung von Gütesiegeln für Dienstleistungen: Ein prozessorientierter Ansatz und dessen Überprüfung am Beispiel von Mutter-Kind-Kuren, Diss., Rostock, S. 23.
generell bieten sich diesbezüglich Maßnahmen der individuellen Kundenansprache in Form der Direktkommunikation an. Wesentlich wirksamer wird in diesem Zusammenhang allerdings die persönliche Kundenkommunikation eingeschätzt, so dass die Dienstleistungsmitarbeiter auch eine wichtige Rolle bei der Förderung des normativen Commitment spielen. Ferner können Imagekampagnen, die das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Engagement des Dienstleistungsunternehmens und damit dessen Stellenwert für die Region hervorheben, auf die Entwicklung der moralisch begründeten Verpflichtung gegenüber dem Dienstleistungsanbieter abzielen. Weitere Mittel, die der Durchsetzung der Norm spezifischen loyalen Verhaltens dienen, sind der Preis- und Konditionenpolitik zuzuordnen. Sowohl Treuerabatte als auch Bonusprogramme belohnen das vom Kunden in der Vergangenheit gezeigte loyale Verhalten und sollen als positive Anreize die Internalisierung der Norm vorantreiben. Insgesamt betrachtet, besitzen die preispolitischen Maßnahmen allerdings eine höhere Relevanz für das kalkulatorische Commitment, da ihre Wirkungen direkt in die kognitiven Abwägungsprozesse des Dienstleistungskunden einfließen. Auf den ersten Blick erscheint auch die Förderung des kalkulatorischen Commitment als geeignete Strategie, um langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen. Die Idee, Kunden auf der Basis wahrgenommener Wechselkosten zu binden, ist in der Praxis allerdings nicht neu.573 Der Aufbau von Wechselbarrieren zur Erhöhung des kalkulatorischen Commitment lässt sich dabei insbesondere durch an den Bedürfnissen des Nachfragers ausgerichtete leistungspolitische Maßnahmen umsetzen. Diese führen zu einem Anstieg der Nutzenkomponente des subjektiven Nettonutzens und folglich zu einer Verbesserung der subjektiven Nettonutzendifferenz zugunsten des Anbieters.574 Preispolitische Aktivitäten in Form von Rabatten oder nichtlinearen Preissystemen beeinflussen dagegen den wahrgenommenen Nettonutzen in der aktuellen Beziehung über die Kostenkomponente, so dass Konkurrenzangebote alternativer Anbieter weniger attraktiv wirken. Ebenso können Leistungskonzeptionen, die spezifische Investitionen wie die Anschaffung spezieller Software oder die Entrichtung von Eintrittsgebühren voraussetzen, die Entwicklung des kalkulatorischen Commitment begünstigen.575 Direkte Wechselkosten können durch das Dienstleistungsunternehmen im Rahmen der konkreten Konditionengestaltung realisiert werden. Sowohl vertraglich geregelte Abmeldegebühren als auch lange Kündigungsfristen erhöhen die antizipierten direkten Wechselkosten und damit indirekt das kalkulatorische Commitment.
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Vgl. Bliemel, F. W., Eggert, A. (1998): Kundenbindung, a.a.O., S. 44. Siehe hierzu auch Adler, J. (2003): Anbieter- und Vertragstypenwechsel, a.a.O., S. 180ff. Hier ist jedoch einschränkend anzumerken, dass derartige Anfangsinvestitionen, die sich erst im Beziehungsverlauf amortisieren, Neukunden von einer Leistungsinanspruchnahme abschrecken können und demnach den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen ex-ante verhindern.
Wenngleich die Entwicklung des kalkulatorischen Commitment – wie gezeigt – weitgehend durch Maßnahmen des Dienstleistungsunternehmens gefördert werden kann, erweist sich diese Dimensionen im Vergleich zum affektiven und normativen Commitment dennoch als weniger erstrebenswerte Größe, da sie lediglich in einer kalkulierten Loyalität der Kunden mündet. Das bedeutet einerseits, dass der Kunde nicht bereit ist, sich für die gemeinsame Dienstleistungsbeziehung und die Belange des Dienstleistungsunternehmens einzusetzen und andererseits, dass der Kunde sich nur an den Anbieter gebunden fühlt, solange er Wechselkosten wahrnimmt. Auf Basis dieser Erkenntnisse empfiehlt sich auch die Nutzung des Commitment-Konstrukts als psychografisches Segmentierungskriterium zur Analyse des aktuellen Kundenstamms. Für das Dienstleistungsunternehmen liefert eine commitmentbezogene Segmentierung Hinweise über die wahren Beweggründe ihrer Kunden, dem Anbieter gegenüber treu zu bleiben. Unter Berücksichtigung weiterer Abgrenzungsmerkmale sowie der konkreten Ziele des Beziehungsmarketing können die abgeleiteten Kundenportfolios als Ausgangspunkt zur Identifikation strategischer Handlungsoptionen dienen.576 Einschränkend ist an dieser Stelle allerdings darauf hinzuweisen, dass die oben formulierten Schlussfolgerungen für das praktische Kundenbindungsmanagement auf der Annahme der Gültigkeit der in dieser Untersuchung postulierten Wirkungszusammenhänge beruhen. Für die weitere Forschungsarbeit leitet sich hieraus bereits die Forderung nach der empirischen Validierung der erarbeiteten Modelle zu den Determinanten und Konsequenzen des BeziehungsCommitment ab. Diese und weitere Implikationen für die wissenschaftliche Forschung werden nachfolgend aufgezeigt.
3 Implikationen für die weitere Forschung Wie bereits angedeutet, ergeben sich aus der kritischen Würdigung der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung weitere Implikationen für die konzeptionelle und empirische Forschungsarbeit. An erster Stelle steht hierbei die empirische Überprüfung des entwickelten Erklärungs- und Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment im Kontext der persönlich interaktiven Dienstleistungen. Damit verbunden ist zunächst die Entwicklung eines reliablen und validen Messmodells des Beziehungs-Commitment und darin eingeschlossen die empirische Bestätigung der dreidimensionalen Konzeptionalisierung des Konstrukts. Für die anschließende Verifizierung der kausalen Zusammenhänge innerhalb des Erklärungsmodells und des Wir576
Vgl. Freter, H. (1980): Strategien, Methoden und Modelle der Marktsegmentierung bei der Markterfassung und Marktbearbeitung, in: DBW, 40. Jg., Heft 3, S. 454.
kungsmodells bietet sich grundsätzlich das Verfahren der Kausalanalyse an. Die empirische Bestimmung der kausalen Zusammenhänge zwischen den interessierenden Variablen ist allerdings nur möglich, wenn für alle latenten Konstrukte beobachtbare Indikatorvariablen spezifiziert werden. Unter diesem Aspekt ist auch der Konzeptionalisierung und Operationalisierung der Determinanten bzw. Konsequenzen des Commitment Beachtung zu schenken. So bedarf beispielsweise das im Wirkungsmodell aufgegriffene Konstrukt des Customer Citizenship Behavior (CCB), das in der Marketingforschung in dieser fünfdimensionalen Konzeptionalisierung bislang keine Berücksichtigung findet, einer eingehenden statistischen Analyse. Die empirische Überprüfung des für persönlich interaktive Dienstleistungen postulierten Erklärungs- und Wirkungsmodells des Beziehungs-Commitment sollte dabei in verschiedenen Dienstleistungsbranchen durchgeführt werden. Eine Bestätigung der beiden Modelle in unterschiedlichen Branchenkontexten dürfte auf deren Allgemeingültigkeit für die persönlich interaktiven Dienstleistungsbeziehungen hindeuten. Andernfalls wären zunächst in weiterführenden konzeptionellen Forschungsarbeiten branchenspezifische Besonderheiten der Entstehung und der Konsequenzen des Beziehungs-Commitment herzuleiten. Zusätzlich bietet die Adaption der vorliegenden Modelle für in geringem Ausmaß interaktionsorientierte Dienstleistungen Raum für weiterführende Analysen. Darüber hinaus wird in Hinblick auf weitere Forschungsaktivitäten eine Weiterentwicklung der vorliegenden Commitment-Modelle angeregt. Zusätzliche Erkenntnisse verspricht die Analyse und Integration potenzieller moderierender Variablen in das Erklärungs- und Wirkungsmodell, von denen die Stärke der postulierten Wirkungszusammenhänge beeinflusst wird. Diesbezüglich sind auch Interaktionseffekte der einzelnen Commitment-Dimensionen zu untersuchen, die aus der vorliegenden Betrachtung ausgeschlossen wurden. Als Bezugsobjekt des Commitment-Konstrukts wurde für das zu entwickelnde Erklärungsund Wirkungsmodell die Beziehung des Kunden zu seinem Dienstleistungsanbieter gewählt. Im Vordergrund der Überlegungen stand somit das Dienstleistungsunternehmen als Gesamtorganisation. Untersuchungen aus der Organisationspsychologie deuten jedoch darauf hin, dass verschiedene Bezugsobjekte des Commitment abgegrenzt werden können.577 Commitment entwickelt sich sowohl gegenüber einer Organisation als Ganzes als auch gegenüber ihren einzelnen Teileinheiten.578 Unter diesem Aspekt stellt eine Ergänzung der erarbeiteten Modelle um eine Mitarbeiterebene einen vielversprechenden Anknüpfungspunkt für die 577
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Vgl. beispielsweise Becker, T. E. et al. (1996): Foci and Bases of Employee Commitment: Implications for Job Performance, in: The Academy of Management Journal, Vol. 39, No. 2, S. 464ff.; Stinglhamber, F., Bentein, K., Vandenberghe, C. (2002): Extension of the Three-Component Model of Commitment to Five Foci, a.a.O., S. 123ff. Vgl. Reichers, A. E. (1985): A Review and Reconceptualization of Organizational Commitment, a.a.O., S. 465ff.
weitere Forschung dar. Die Unterscheidung zwischen dem Commitment eines Kunden gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen als Anbieter der Leistung und dem Commitment des Kunden gegenüber dem konkreten Dienstleistungsmitarbeiter eröffnet ein weites Feld interessanter Fragestellungen. Zu klären wäre unter anderem, inwieweit sich die Konzeptionalisierung eines mitarbeiterbezogenen Commitment-Konstrukts von dem unternehmensbezogenen Commitment unterscheidet und in welchem kausalen Zusammenhang die beiden Größen zueinander stehen. Möglicherweise wirken die Komponenten des mitarbeiterbezogenen Commitment durch Ausstrahlungseffekte auf deren Pendants des unternehmensbezogenen Commitment-Konstrukts, da der Kunde die Erfahrungen in der Dienstleistungsinteraktion mit den einzelnen Mitarbeitern auf das gesamte Dienstleistungsunternehmen attribuiert.579 Das hieße beispielsweise, dass affektives Commitment gegenüber dem einzelnen Dienstleistungsmitarbeiter das affektive Commitment gegenüber der Gesamtorganisation positiv beeinflusst. Weiterhin ließe sich argumentieren, dass aufgrund der Einbindung des Mitarbeiters in die Gesamtorganisation jeder Zustand der psychologischen Bindung des Kunden an diesen Mitarbeiter – unabhängig davon, ob affektiv, kognitiv oder normativ begründet – zum kalkulatorischen Commitment des Kunden gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen führt.580 Will, muss oder fühlt sich der Kunde verpflichtet, die Bindung zu dem konkreten Mitarbeiter aufrechtzuerhalten, so muss er zwangsläufig die Beziehung zu dem Dienstleistungsunternehmen fortsetzen, bei dem der konkrete Mitarbeiter angestellt ist. Entsprechend den Überlegungen zum interdependenten Verhältnis von interpersonellem Vertrauen und Systemvertrauen gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen581 stellt sich ferner die Frage, inwieweit nicht auch das Commitment gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen auf das Commitment zu dem einzelnen Mitarbeiter zurückwirken kann. Die aufgeführten Anregungen für künftige Forschungsarbeiten unterstreichen die Notwendigkeit einer weiterführenden Analyse des Beziehungs-Commitment in der Dienstleistungsforschung. Insgesamt leistet die vorliegende Untersuchung einen grundlegenden Beitrag zum besseren Verständnis des Konstrukts und verdeutlicht dessen Stellenwert für die Entwicklung loyaler Kundenbeziehungen. Die hier getroffenen Annahmen zu den Determinanten und Konsequenzen des Beziehungs-Commitment liefern dabei auch erste Ansatzpunkte für künftige Forschungsbemühungen zur Ableitung umfassender, integrierter Loyalitätsmodelle.
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Die einzelnen Erlebnisse mit dem Dienstleistungsmitarbeiter dienen dem Kunden somit als Schlüsselattribute. Vgl. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P. (2003): Konsumentenverhalten, a.a.O., S. 305. In Anlehnung an Meyer, J. P., Allen, N. J. (1997): Commitment in the Workplace, a.a.O., S. 20f. Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. C 2.1.2.
Literaturverzeichnis
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