Change Management - Widerstande gegen Wandel: Pladoyer fur ein System der Pravention
 9783835002524, 383500252X [PDF]

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Zitiervorschau

Arnaldo Cacaci Change Management - Widerstande gegen Wandel

6ABLER EDITION WISSENSCHAFT Internationalisierung und Management Herausgegeben von Professor Dr. Hans A. Wuthrich

Die Schriftenreihe prasentiert Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung zu den Themengebieten Internationalisierung und Management. Im verbindenden Diskurs zwischen Theorie und Praxis verfoigt die Reihe das Ziel, Qrganisationen praxisnahe Losungsansatze zu aktuellen Managementherausforderungen bereitzustellen und gleichzeitig einen Beitrag zur theoretischen Fundierung von Fragestellungen der Fiihrungspraxis, nicht zuletzt im internationalen Kontext, zu leisten.

Arnaldo Cacaci

Change ManagementWiderstande gegen Wandel Pladoyerfijr ein System der Pravention

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hans A. Wuthrich

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

Dissertation Universitat der Bundeswehr Miinchen, Neubiberg, 2005

I.Auflage Mai 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachveriage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung aulierhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutztwerden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, SchelSlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0252-X ISBN-13 978-3-8350-0252-4

Meinen Eltem und Nandini

Geleitwort

VII

Geleitwort «Mit der Opposition zu rechnen, wdre der Anfang der Weisheit» Dorothy Leonard-Barton

Change Management entpuppt sich immer mehr zu einem Buzzword in der Managementlehre. FUhnmgskrafte in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft erkennen, dass die nachhaltige WettbewerbsfMgkeit ihrer Institutionen entscheidend von der FShigkeit bestimmt wird, wie rasch und mit welcher Qualitat Wandel- und Transforaiationsprozesse stattfinden. Schwerpunkt der aktuellen Change Managementliteratur bilden Konzepte und AnsStze, die «Wandel» episodenhaft verstehen und sich - eher in Form der Krisenintervention - reaktiv mit dem PhSnomen «Widerstand» auseinandersetzen. Dem Aspekt der PrSvention widmen sich bisher nur wenige Autoren. Hier setzt die Arbeit von Herm Amaldo Cacaci an. Zentrales Element seiner Oberlegungen bilden die mit jeder VerSnderung verbundenen WiderstSnde gegen Wandel. Intention der Arbeit ist es, nicht Handlungsempfehlungen im Sinn von Rezepten ftir den Umgang mit WiderstMnden gegen Wandel anzubieten, sondem ein Bewusstsein zu schaffen, welches erlaubt, WiderstMnden a priori zu begegnen. Als zentrale Fragestellung steht im Zentrum: Was muss im Vorfeld eines intendierten Wandels, insbesondere aber um einen nachhaltigen Fortschritt in der «Change-Fahigkeit» einer Organisation zu erzielen, getan werden, damit die Wahrscheinlichkeit fUr ein Auftreten entwicklungshemmender Widerstande gegen die geplante VerSnderung auf ein Minimum reduziert wird? Die von Herm Cacaci vorgeschlagene PrSventionsmethodik basiert auf einer interdisziplinaren Analogiebildung. Im Zentrum stehen drei Forschungsrichtungen der Medizin, die sehr stark auf prSventiver Intervention, d. h. der Prophylaxe einer Krankheit, basieren: die Genetik, das Anti-Aging sowie die Immunforschung. Die Organisationsgenetik kreiert optimale Changebedingimgen, das Anti-Aging versucht die Rahmenbedingungen dem sich wandelnden Umfeld anzupassen und die Immunisierung gegen Widerstande katalysiert selbstregulierende Systeme, die den Wandel perpetuieren. Sinn und Zweck der Arbeit ist es nicht, einen neuen Change Management-Ansatz zu formulieren, sondem vielmehr die Erweiterung desselben um eine wichtige Perspektive: die der Notwendigkeit einer expliziten Auseinandersetzung mit den von einem intendierten Wandel induzierten Widerstanden. Mit dem interdisziplinaren Blick in die Medizin gelingt dem Autor eine wertvolle Erweiterung der betriebswirtschaftlichen Optik und die Analogiebildimg zwischen Mensch und Organisation enthalt interessante Ansatze. Ich wunsche der Publikation die verdiente Resonanz und eine weite Verbreitimg.

Univ.-Prof. Dr. Hans A. Wuthrich

Vorwort

DC

Vorwort Das Vorwort zu schreiben ist wie ein Abschied von einem Lebensabschnitt, welchen man nunmehr hinter sich lassen wird, oder aber das Ende einer langen Reise. Man sitzt im Flugzeug nach Hause und blickt aus dem Fenster, driftet ab in Gedanken, die die wichtigsten Stationen noch einmal im Zeitraffer durchleben lassen. Oftmalsfragtman sich an dieser Stelle nach dem Nutzen der Reise. Diese Frage will ich mir, aber auch dem Leser, der nicht wie tiblich das Vorwort uberblattert, um zur Essenz dessen zu kommen was er gerade erworben hat, beantworten. Jede Reise hat seine guten und schwierigen Tage. Als ich sie angetreten hatte, konnte ich Gott sei Dank noch nicht vollkommen eraiessen was es bedeuten wurde nebenberuflich ein solches Projekt zu starten. Die „Challenge" stand ftir mich im Vordergnmd so wie der Drang das operative und strategische Tagesgeschaft durch theoretisch fundierte Arbeit in einem flir mich interessanten Feld zu bereichem. Die Themen „Change Management" und „Widerstande" soUten fUr jeden „Manager" interessant genug sein sich in irgendeiner Form mit ihnen auseinanderzusetzen. Und ich sehe es als absolute Bereicherung ftir mich persOnlich die Erkenntnis gewonnen zu haben, dass es primer auf den Menschen im Prozess des Wandels ankommt und nicht auf den Wandel selbst. Denn das Ziel lasst sich nur erreichen, wenn man die Betroffenen mitnimmt und teilhaben iSsst, anstatt sie zu „wandeln". Gleichzeitig habe ich mehrtibermich erfahren, da ich mir nicht bewusst war, auf wie viel ich verzichten kQnnte, um etwas zum Abschluss zu bringen. Denn die Anreize altemativer HandlungsmOglichkeiten rechts und links des Pfades sind mannigfaltig und tiberaus verlockend. Weiterhin erfahrt man sehr viel uber die Menschen im eigenen Umfeld. Freunde, Kollegen und naturlich die Familie. Denn dieses Umfeld ist es letztlich, dass die vielfaltigen psychologischen Hohen und Tiefen ertragen muss und mit einem positiven Coaching die fur sie selbst schwierige Zeit auBerdem verlangem helfen soil. Am Ende erfullt es mich naturlich selbst mit Stolz diese „Reise" erlebt zu haben. Freilich ist so ein Projekt immer abhangig von „Sponsoren" und „Katalysatoren". Wobei ein Sponsor, im nicht monetaren Sinne, dazu beigetragen hat die Reise zu ermoglichen und ein Katalysator seinen nicht unbetrachtigen Teil hat einfliesen lassen, um den Prozess am Laufen zu halten. So mochte ich als sog. „Sponsor" meinem Doktorvater Prof Dr. Hans A. Wtithrich danken, der es in jedem Gesprach von Neuem geschafft hat, mich mit seinen Gedanken und Ansatzen sowie mit seinem Schweizer Charme zu faszinieren, mir gleichzeitig erklSrend, dass mein Weg noch weiter ist, als ich selbst gedacht hatte und dabei offensichtlich nie vom Glauben gefallen ist. Vielen Dank auch an Prof Dr. Michael Essig fur die Ubemahme des Koreferates.

X

Vorwort

Weiterhin hat Frau Olga Pusch als Rechte Hand von Prof. Dr. WUthrich mich in alien organisatorischen und administrativen Belangen jederzeit bestens und herzlichst untersttitzt, wofUr ich sehr dankbar bin. Einer der wichtigen „Katalysatoren" den ich imbedingt erwShnen mOchte ist Dipl.-Volkswirt Karl-Heinz Pangerl, der mir zum Einen bei meinem ersten Arbeitgeber, der Bauer Kompressoren Gruppe in Mtinchen, die Freiheit gegeben hat, tiber den Zeitraum von einem Jahr einen Tag in der Woche an meiner Dissertation zu arbeiten und zum Anderen mich gleichzeitig dazu ermutigt hat, die Reise anzutreten, trotz der vielen intemationalen Projekte, welche wir gemeinsam zu bewaltigen hatten. Jedoch weifi ich auch, dass er es fUr vemUnftiger gehalten hatte, meine Zeit mit Astronomic und Astrophysik zu verbringen, da dort die wahre Erkenntnis zu finden ist. Vielleicht finde ich jetzt die Zeit daftir. Hinsichtlich dem auBer-universitaren, wissenschaftlichen Abgleich miJchte ich den Herren Dr. Christian Deuringer (Allianz Gruppe) und Dr. Sven Bremer (Siemens AG) danken, die tiber den ganzen Prozess hinweg meine Sparringspartner fUr neue Ideen und Konzepte waren. In diesem Sinne gilt mein Dank auch Herm Dr. Bemdt Jager, Leitender Ministerialdirigent im Bayerischen Landtag, fUr seine Untersttitzung. GroBer Dank kommt meiner Frau Sunantha und meiner Tochter Nandini zu. Beide haben auf einen groBen Teil meiner Freizeit verzichten und gleichzeitig meine Gemtitsschwankungen erdulden mtissen. Sicher lag auch gerade hier der grOBte Anreiz die Allokation meiner Ressource Zeit anderweitig zu verteilen. Doch trotz meiner gewiss ungerechten Aufteilung haben mich beide immer wieder auch ermutigt weiterzumachen. Ein besonderes DankeschOn gilt jedoch meinen Eltem, Hildegard und Giovanni Cacaci, ohne deren persOnlichen Einsatz ich es nie geschafft hatte, die „Reise" anzutreten, geschweige denn sie zu beenden. Ich weifi, dass beide sehr stolz sind, auf die Erstellung meiner Dissertation. Aber eigentlich bin ich derjenige, der Stolz ist, auf meinen Vater und meine Mutter. Beide haben mich immer untersttitzt auf meinem Weg, mir gleichzeitig soviel ermOglicht und immer an mich geglaubt. Ihnen und meiner Tochter Nandini ist diese Arbeit gewidmet.

Amaldo Cacaci

Inhaltsverzeichnis

XI

Inhaltsverzeichnis Geleitwort

VII

Vonvort

IX

Inhaltsverzeichnis

XI

Abkiirzungsverzeichnis

XV

Abbildungsverzeichnis

XVII

Tabellenverzeichnis

XIX

1.

„StabilitMt^^ versus „WandeP* - oder - Das darwinistische Prinzip der Mftrkte 1.1. Die „geplante Evolution" - Brtickenschlag zwischen Individuum und Organisation 1.2. Ein Wissenschaftsverstandnis zur Anerkennung „multipler Realitaten" 1.3. Zielsetzung dieser Arbeit und Leitfaden der Argumentation 1.4. „Change Management - die Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel" -eine Analyse 1.4.1. AnnSherung an ein mfigliches VerstMndnis von Wandel und „Change Management" 1.4.2. „Change Management" im Lichte der wirtschaftswissenschafllichen Literatur 1.4.3. WiderstSnde gegen Wandel - Ein erster Prazisierungsversuch 1.5. „Handhabung" vs. „LSsen" von WiderstSnden - Begriffsstrategische Uberlegimgen 1.6. Die Genesis eines konzeptionellen Bezugsrahmens 1.6.1. Der theoretische Bezugsrahmen 1.6.2. Die Analyse des theoretischen Bezugsrahmens - Das drei Ebenen-Konzept

2.

Das Antlitz der Resistenz 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6.

Die psychologisch-emotionale Dimension von Widerstanden gegen Wandel Die okonomische Dimension von WiderstSnden gegen VerMnderungen Die soziale Dimension von Widerstanden Die politische Dimension von Widerstanden gegen Wandel Die kulturelle Dimension von Widerstanden gegen Wandel Dimensionale Interdependenzen von Widerstanden - eine kurze Zwischenbetrachtung

1 13 19 22 25 27 35 43 49 51 51 53 60 62 70 73 76 80 84

XII

Inhaltsverzeichnis

2.7. Auspragungsformen von Widerstanden gegen Wandel 2.7.1. Zur Genese von Resistenzen: Formienmg vs. Formulierung von WiderstSnden gegen Wandel 2.7.2. Offene und verdeckte Widerstande 2.7.3. Bewusste und unbewusste Widerstande gegen Wandel 2.7.4. Interne und exteme Widerstande 2.7.5. Positive und negative Widerstande gegen Wandel 2.7.6. Resistenzgrade von Widerstanden 3.

Einflussfaktoren des Wandels 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5.

4.

Die individuelle Grundhaltung oder auch „Change-Mentality" Untemehmenskultur als Einflussfaktor des Wandels Die Untemehmensstruktur als Einflussfaktor des Wandels Der Change Modus als Einflussfaktor des Wandels Das sozio-okonomische Feld als Einflussfaktor des Wandels

Determinanten der Handhabung von Widerstanden 4.1. Der Begriff der „intelligenten Change-Arena" 4.2. Die Ftihrung und ihre Aufgabenstellung im Rahmen einer „intelligenten Change Arena" 4.3. Das „Lemen" - Managementaufgabe hSchster Prioritat 4.4. „Information und Kommunikation" - Tool zur Prevention von Widerstanden gegen Wandel 4.5. Antizipation

5.

Die professionelle „Change-Arena'' - ein System der Prevention 5.1. Der zeitliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel 5.2. Der inhaltliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel 5.2.1. Pravention im Forschungsfeld der Medizin - Lemen mittels interdisziplinarer Analogie 5.2.2. Preventive Methodik - Analogien aus der Medizin

85 85 86 88 88 90 91 94 95 109 124 141 150 154 154 155 167 174 188 199 200 204 204 211

Inhaltsverzeichnis

XIII

6.

243

SchluObetrachtung und Ausblick 6.1. Ein kurzes Resiimee 6.2. Ansatzpunkte ftir weitere Forschungsbemtihungen 6.3. Der Wandel im Change Management: Gestem kurativ heilen - morgen prSventiv Vorbeugen

7.

Literaturverzeichnis

243 247 248 251

Abktirzungsverzeichnis

XV

Abkiirzungsverzeichnis [] [...] Abb.

AG Anmerk. d. Verf. bearb. bspw. bzw.

CIM d.h. durchges. e.U. erg. erw.

EUR GL i.d.R. i.e.S. i.f. i.H.v. i.S. i.S.v. i.V. insbes.

JIT korr.

MA MIS neubearb.

EinfUgung in einem Zitat Auslassung von drei oder mehr W5rtem in einem Zitat Abbildung Aktiengesellschaft Anmerkung des Verfassers bearbeitete Beispielsweise beziehungsweise Computer Integrated Manufacturing das heifit durchgesehene eigene Uberlegung ergSnzte erweiterte Euro Gerichtetes antizipatives Lemen in der Regel im engeren Sinne im folgenden in Hohe von im Sinne im Sinne von in Vorbereitung insbesondere Just in Time komgierte(n) Mitarbeiter Management Informationssysteme neubearbeitete

0.

Oder

o.Jg. o.Nr. o.V.

ohne Jahrgangsangabe ohne Nummemangabe ohne Verfasserangabe Praimplantationsdiagnostik revidierte Return on Investment Seite(n) Zeit Tausend DM unter anderem iiberarbeitete

PID rev.

ROI S. T TDM u.a. iiberarb.

Abktirzungsverzeichnis

XVI UGL unverSnd. verb. vgl. vollst.

vs. ZfB zfbf

zfo zit. Anmerkung:

Ungerichtetes antizipatives Lemen unverSnderte verbesserte vergleiche vollstSndig versus Zeitschrift fiir Betriebswirtschaft Zeitschrift ftir betriebswirtschaftliche Forschimg Zeitschrift ftir Organisation Zitiert Das Abktirzungsverzeichnis enthalt nur solche A im Duden der deutschen Rechtschreibung angefiihrt sind.

Abbildungsverzeichnis

XVII

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Abbildung 2 Abbildung 3 Abbildung 4: Abbildung 5 Abbildung 6 Abbildung 7 Abbildung 8 Abbildung 9 Abbildung 10: Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

11 12 13 15:

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

17 18 19 20

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

21 22 23 25

Abbildung 26: Abbildung 30: Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

31 32 33 34

Abbildung 35: Abbildung 36:

Kybemetisches Steuerungs- und Regelungssystem Typologien von Stabilitat Der Zusammenhang von Stabilitat, Resistenzgrad und Absorptionsniveau von Systemen Die naturwiichsige Evolution Die geplante Evolution Komplexitatsreduktion mittels „geplanter Evolution" Das trilaterale Argumentationsschema nach Galtung (1979) Archetypen des Wandels im Untemehmen Zielkongruenz Individuum/Organisation und Entstehung von Widerstanden gegen Wandel Theoretischer Bezugsrahmen der Handhabung von Widerstanden gegen Wandel Ebene 1 - Dimensionen von Widerstanden Ebene 2 - Einflussfaktoren des Wandels Ebene 3 - Determinanten der Handhabung von Widerstanden Zweck, Ziele und Rahmenbedingungen der Untemehmung als gesellschaftliche Institution Strategische Schritte einer resistenzdiminuierenden Umverteilung Mogliche Analyse des Widerstandspotentials Analyse der „Readiness to change" Die gegenseitige Beeinflussung von Erfahrungsbasis, „Change-Mentality" und „Change-Episode" oder die Evolution der „Change-Mentality" Kultur in Organisationen Vision-culture Balance Der Wandel als untemehmenskulturbestimmender Faktor Das Anforderungsprofil an eine change-unterstiitzende Organisationsstruktur - Das Modell der Change-Struktur Korrelation zwischen Anderungsgeschwindigkeit des Wandels und Widerstandspotential Aufgaben der Fiihrung zur Handhabung des Widerstands gegen Wandel Gerichtetes und ungerichtetes antizipatives Lemen Antizipatives vs. reaktives Lemen Die Struktur der Pravention von Widerstanden gegen Wandel Zeitkascade professioneller Handhabung von Widerstanden gegen Wandel Das System der Pravention Die Determinanten des Change - Ansatzpunkte einer Organisationsgenetik

3 5 8 15 16 18 32 34 45 53 54 55 57 89 98 99 100

107 113 115 118 140 144 156 170 172 200 201 210 214

XVIII Abbildung 37: Abbildung 38: Abbildung 39: Abbildimg 40: Abbildung 41: Abbildimg 42: Abbildung 43: Abbildung 44:

Abbildungsverzeichnis Organisationsgenetik, organizational Anti-Aging und die konzeptionelle Gesamtsicht der Organisation Das Konzept einer professionellen Change-Arena (Das System der Pravention (von WiderstSnden gegen Wandel)) „Organizational hormones" - Faktoren der Jugendlichkeit und Vitalitat von Organisationen Perspektivenwechsel der Systemteilnehmer durch selbstregulierende Systeme Komplexitatsreduktion mittels „geplanter Evolution" Der Bezugsrahmen einer Handhabung von WiderstMnden gegen Wandel Zeitkascade professioneller Handhabung von Widerstanden gegen Wandel Das Konzept einer professionellen Change-Arena (Das System der Pravention (von WiderstSnden gegen Wandel))

224 230 233 241 244 245 246 247

Tabellenverzeichnis

XIX

Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Tabelle 2 Tabelle 3 Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6:

Offener und verdeckter Widerstand Widerstand und Konkretisierung Faktoren einer changeorientierten und widerstandsminimierenden Untemehmenskultur Anforderungsprofil fur eine widerstandsminimierende Organisationsstruktur Ansatze unterschiedlicher Veranderungsstile Readiness for Change, die Art des Lemens und Widerstande gegen Wandel

87 92 120 126 149 173

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte

1

1. „Stabilitat^^ versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte „Alles Leben steht unter dem Paradox, dass wenn es beim alien bleiben soil, es nicht beim alien bleiben darf. " Franz von Baader

Denkt man zuruck an seine Kindheit, so erinnert man sich vielleicht an jenen Tag oder Moment, welcher ohne Zweifel fur jedes kleine Kind - sofem es ihm widerfahren ist - eine Art „Apokalypse" bedeutete: der Umzug - in einen anderen Teil der Stadt, in eine neue Stadt oder gar in ein fremdes Land. Was wird aus den Freunden, wie werden die neuen Lehrer sein und die neuen Schulkameraden, wie wird das Leben sich verSndem? Wird man sich behaupten koimen bei den neuen Kindem? Werden sie mich akzeptieren? * Noch erheblich gravierender als der erste Umzug, der die bisherigen sozialen Kontakte und Strukturen bei Kindem in Frage stellt oder zerst5rt, ist etwa die Treimung der Eltem oder gar der Tod der Mutter oder des Vaters. Das Leben andert sich tiberraschend, oftmals derart, dass im Augenblick der Aufiiahme der unheilvollen Nachricht der eigentliche Gehalt dessen, was nun unwiderrufliche ReaUtat geworden ist, das Bewusstsein als irreal betrachtet. Alles, was bislang als wichtig gait, wird plotzlich unbedeutend. All das, was gesichert war, wirkt haltlos. Als Schicksal oder „den natiirlichen Lauf der Dinge" mogen und kOimen Kinder solche Erfahrungen nicht verstehen. Diese Anderungen im normalen Alltag, vermag man sie auch zu erklaren und begreiflich zu machen, sind jedoch die ersten BerUhrungen mit der ,,Unbestandigkeit\ mit dem „Wandel". Ohne Frage pragen solche negativen Erfahrungen mit der Veranderung die individuelle Denkweise bereits in friihen Jahren. Die erlebte Sicherheit der Vergangenheit wird ersetzt durch Angst und die Unbestimmtheit der Zukunft. Ahnliches konstatiert Diamond: „Individual resistance to change begins with childhood experience. Psychological defences against anxiety emergefromthe infant's earliest dependency on and attachment to the mother. These individual defensive actions protect the self from the unpleasant experience of anxiety. [...] Psychological defences fijrther influence one's attitudes and feelings about change during early childhood and the juvenile years where parents and authority figures begin educating the child in ,appropriate* patterns of behaviour prescribed by contemporary Western culture." ^ Die Angst vor dieser Ungewissheit schiirt den Drang, das Verlangen nach Stabilitat, Vorhersehbarem und Berechenbarem. Nur was man kermt bzw. erkermt, glaubt man auch bewaltigen zu konnen. Stabilitat erlaubt das Erkennen einer „geregelten Zukunfl;" und negiert bzw. minimiert damit die Unsicherheit. Die Beherrschbarkeit der Umwelt, welche als solche Gefahren birgt, sichert das Uberleben. Und eben dieses Uberleben ist der natiirliche, biologische Trieb eines jeden Individuums oder einer Gemeinschaft, welche jedoch wiederum nur als eine Summe von Individuen beschrieben wird.

1 2

Vgl. hierzu auch Doppler et al. (2002: 134). Vgl. Diamond (1986: 547).

2

Die „geplante Evolution" - Bruckenschlag zwischen Individuum und Organisation

Die Stabilitat der Umwelt, gleich welche man charakterisiert, iSsst sich stets als Gleichgewicht oder als eine Summe von Gleichgewichten verstehen, die etw^aige Verandemngen in irgendeiner Art und Weise kompensieren oder absorbieren. Das Verstandnis dieser Gleichgewichte, w^elche scheinbar die Umwelt konkretisieren, oder die Kenntnis jener Krafte, die in der Lage sind, den Stabilitatszustand zu gefahrden und damit eine unter Umstanden schlechtere Ausgangslage herbeizuf^hren, ist hSufig das Ziel wissenschaftlicher Forschung. Die zentrale Rolle dieser StabilitSten fur die Existenz der heutigen Zivilisation sowie fur die einzelnen Individuen wird evident, betrachtet man beispielsweise das Gleichgewdcht der KrSfte, welches unser Sonnensystem konstituiert und damit die Grundlage imseres Daseins bildet. Oder das Gleichgewicht der Erdatmosphare. Oder aber, bezogen auf ein einzelnes Individuum, das Gleichgewicht des Blutzuckerspiegels bzw. der Atmung, dessen Destabilisierung zum Tode fUhren kaim. An etlichen Beispielen lieBe sich aufzeigen, in welcher eklatanten Abhangigkeit von Gleichgewachten und Stabilitaten sich der Mensch bewegt und an welchen er sein Leben ausrichtet, oder gar gezwungen ist, es auszurichten. Das Konstrukt der Zeit, das auf der immer wdederkehrenden Regelmafiigkeit von Sonnenauf- und -untergang basiert, fordert die Stabilitat im Leben des Menschen. Es entstehen Rhythmen, deren Storung absolutes Chaos verursachen kann. Wie unvorstellbar erscheint etwa der Gedanke an eine landerspezifische Willkur der Festsetzung von Zeit. Gleichgewichte, Stabilitaten und Reglementierungen, oft in Form von Gesetzen, bestimmen das Leben, die Existenz von Individuen, Systemen, Organisationen, Theorien und vielem mehr. Legt man nun den Fokus der Betrachtungen auf die Wirtschaft, so iSsst sich vor dem Hintergrund des bereits Gesagten erkennen, dass gerade die Marktwirtschaft bzw. die MSrkte an sich von Gleichgewichten, Stabilitaten und defmitiven Regeln determiniert werden. Zwei Beispiele verdeutlichen dies: • •

Markte beruhen auf einem Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, und Markte trachten nach Wahrungsstabilitat, welche die Akzeptanz einer Wahrung als Tauschmittel defmiert.

Die Legislative versucht die Stabilitat der Wirtschaft in Gesetzen wie vergleichsweise dem zur „F6rderung der Stabilitat und des Wachstums der Wirtschaft" vom 08. Juni 1967 festzuschreiben, in welchem der Bund imd die Lander verpflichtet werden, bei ihren wirtschafts- und fmanzpolitischen MaBnahmen die Erfordemisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Dabei sind ... „... die MaBnahmen so zu treffen, dass sie im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilitat des Preisniveaus, zu einem hohen Beschaftigungsstand und auBenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen." ^

Vgl. DTV-Lexikon (1995: 206).

„Stabilitat" versus „Wander' - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte

3

Stabilitat bedeutet auch Konstanz, Kontinuitat, Bestandigkeit, Haltbarkeit, Stetigkeit - und somit auch WiderstandsfMhigkeit. Widerstandsfahigkeit gegen „St5rgr66en" des Umfelds."* In der Kybemetik lasst sich ein solches gleichgewichtiges, den St5rgr6Ben des Umfeldes gegenuber mehr oder minder widerstandsfahiges System darstellen, wie folgt:

1 ^— sttabllitt|/7)-

niedrig

-h niedrig

mittel

hoch

Stabiiitat von Systemen

Abbildung 3:

Der Zusammenhang von Stabilitflt, Resistenzgrad und Absorptionsniveau von Systemen

Der Absorptionsansatz, welcher den Zustand der Stabilitat mit einer Toieranz verbindet, ftlhrt zu dem Gedanken, dass Stabilitat an sich nicht zwingend mit Stillstand oder etwa Regungslosigkeit gleichgesetzt werden darf. Ein stabiles System kann sich durchaus in Bewegung befmden. In einer Bewegung beispielsweise, die aus einer Beobachterperspektive heraus in keinster Weise zu erkennen ist. Kanter, Stein und Todd beschreiben Stabilitat auch als eine sanfte Bewegung, welche derart konfliktarm ist, dass das System nach auBen scheinbar regungslos wirkt.'^ innerhalb einer Bandbreite ist eine Bewegung des Systems aufgrund der systemimmanenten Resistenzen somit - zumindest nach auBen hin - nicht zu beobachten und erscheint damit stabil. Dennoch hat das System die FShigkeit, sich unbemerkt und inkremental fortzuentwickeln und damit extemen Einflussen gegenuber auch anpassungsfahig zu bleiben (vgl. Abb. 3). Folgt man nun der Aussage der Abbildung 3, so muss es demnach die Zielsetzung der Organisationslehre sein, ultrastabile Systeme zu kreieren, deren systemimmanente Wandelfahigkeit insbesondere auch auf einen niedrigen Resistenzgrad zuruckzufuhren ist. Wie ein solches System gestaltet werden kann, soil sich noch im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen. Organisationen sind Systeme, deren primare Zielsetzung das Uberleben und die Existenzsicherung der Individuen, die diese Organisation bilden, auf Dauer gewahrleisten soil. Organisationen reduzieren tiber die Moglichkeit der Arbeitsteilung die extreme Komplexitat der Umwelt.^^ Der Terminus der Organisation impliziert bereits die Notwendigkeit einer Ordnung der intemen Muster, imi der besagten Komplexitat durch iiberschaubare Strukturen zu begegnen. Die Individuen, gepragt durch eine geringe

12 13

Kanter, Stein, Todd (1992: 15f.). Vgl. Doppler, Lauterburg (1994: 207).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

9

Informationsverarbeitungskapazitat, versuchen fUr sich, iiber diese Ordnimg ihrer immittelbaren Umgebung Sicherheit und eine Komplexitatsreduktion zu ermSglichen. Die Stabilitat dieser Ordnung vermittelt die Sicherheit, welche andererseits das seelische Gleichgewicht der Organisationsteilnehmer bewahrt. Die Psychologie spricht dabei von „Homoostase", einem seelischen Gleichgewichtszustand, auf dessen Veranderung das Individuum mit Resistenz oder dem Bemiihen der Kompensation reagiert, etwa mittels einer ausschlieBlichen Akzeptanz dessen, was komplementar zu dem bekannten Paradigma ist.^^ Hierzu schreibt Johnson: „Managers are likely to discount evidence contrary to the paradigm but readily absorb that which is in line with the paradigm." ^^ Ebenso wie bei Individuen lasst sich dieses Streben nach Gleichgew^icht und innerer Stabilitat auch bei Systemen bzw. Organisationen finden, da deren Teilnehmer ihr eigenes seelisches Gleichgewicht in die Organisation transzendieren oder zumindest wiederfinden mochten, um das eigene kognitive Gleichgewicht nicht zu gefahrden. Die modeme Soziologie spricht in diesem Zusammenhang auch von homoostatischen Systemen,^6 welche als soziale Organisationen derart strukturiert sind, dass eine hohe soziale Binnenstabilitat trotz unterschiedlicher, sich wandelnder Einwirkungen der sozialen Umwelt aufrechterhalten wird.^^ Gaertner hebt dies sogar hervor, indem sie sagt, Organisationen seien auf Stabilitat ausgerichtet, mit ineinandergreifenden, interagierenden und voneinander abhangigen Einheiten, welche die Struktur des Systems und die organisatorische Tragheit zusStzlich starkenJ^

*^

15 16 17 18

Vgl. hierzu auch Gerber, Easier, Tewes (1994: 73f.). Das Konzept der HomOostase von dem Physiologen Cannon, das dem Bereich der Humanwissenschaften zugeordnet werden kann, basiert auf der These, dass Organismen ihren biologischen Zustand in einem Gleichgewicht zu halten versuchen. Aus dem Umfeld dieser Organismen wirken aber standig unterschiedlichste Reize oder StOrfaktoren auf diese, welche ein Bestehen der HomOostase gefUhrden. Goodstein, Burke (1991: 8), betonen an anderer Stelle, dass fundamentale Bausteine der Untemehmung keiner Veranderung unterliegen sollten, wie beispielsweise der eigentliche Untemehmenszweck, die Kemtechnologie oder zentrale Organisationsteilnehmer. Der Grund liegt nach Goodstein/ Burke darin, dass Menschen, die mit enormen und komplexen, quasichaotischen Veranderungen konfrontiert sind, eine Art stabilen Fluchtpunkt benOtigen. Vgl. Johnson (1992: 33). Vgl. Zimbardo (1992: 122). Vgl. Meyers Lexikon, Band 10, S. 65f Vgl. Gaertner (1989: 530). Aber auch Bennis, Benne, Chin (1975: 49) konstatieren etwa, dass die Auswahl und der Ersatz von Organisationsteilnehmem oftmals selbst vielmehr der Systemerhaltung als einer Veranderung derselbigen dienen, da Arbeitsplatzbeschreibungen im Sinne der etablierten Systembedingungen defmiert werden. Somit lieBe sich auch sagen, dass sich Stabilitat gewissermaCen aus sich heraus reproduziert, da die Definition dessen, was ein Problem der Organisation ist, die organisatorische Stabilitat gewissermaCen aus dem Inneren der Untemehmung perpetuiert, da aus einer bestimmten, von der Untemehmenskultur gepragten Perspektive Probleme identifiziert werden.

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Die „geplante Evolution" - Briickenschlag zwischen Individuum und Organisation

Auch Bruhn, Grimm sehen ein systemimmanentes, ausgeprSgtes VerharrungsvermSgen gegen Anderungen des Status quo, welches jedoch nach dem Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes der Unordnung iiberwunden werden kami.^^ Somit wild in einem Umkehrschluss offensichtlich, dass alle Energien, alle KrSfte, welche die Stabilitat der individuellen Personlichkeit oder sozialer Systeme sttitzen, auch als Krafte des Widerstandes gegen Verandenmgen betrachtet werden konnen.^o 1st StabilitSt somit als ein Synonym fur Konstanz, Sicherheit, Uberschaubarkeit oder Kalkulierbarkeit zu defmieren? Wandel hingegen ist Bewegimg. Bewegung in eine Unsicherheit, ohne Moglichkeit der hundertprozentigen Kalkulation aller Risiken. Wandel ist Bedrohung, ist Gefahrdung ftir die spezifische Wissensbasis und kann die Obsoleszenz von Werten und Normen bedeuten, welche bislang die individuelle Existenzgrundlage bildeten. Ein Beispiel aus der Organisationstheorie verdeutlicht dies: „Reorganization is usually feared, because it means disturbance of the Status quo, [...], and an upset to established ways of doing things." ^i Und dennoch: Alles ist in Bewegung, alles ist im Fluss und alles ist im Wandel. Nichts ist wirklich stabil. Das einzig BestMndige ist der Wandel. Veranderung ist letztlich der Normalzustand. Empfundene Stabilitat ist im Grunde nur ein Zustand, dessen Veranderung man nicht wahrzunehmen vermag.22 Eine geschichtliche Retrospektive iSsst vielleicht den Schluss zu, dass Wandel starker oder schwacher empfunden werden kann. Phasen, in welchen eine VerSnderung weniger offensichtlich ward, mogen oftmals als Phasen der Stabilitat missinterpretiert werden. Die Evidenz von Wandel ist gewiss auch eine Determinante des Leidensdrucks der Menschheit. Je nachdem, was einer Veranderung unterliegt und welche Form der Initiierung der Neuerung gewahlt wird, betrifft der Wandel eine groBere oder kleinere Anzahl von Menschen. Beispiele fUr radikalen Wandel, welche die Geschichte immer wieder mit sich brachte, sind Revolutionen. Diese transformieren einen alten Zustand in kiirzester Zeit in einen Neuen. Jungstes Beispiel hierfur ist ohne Zweifel der Zerfall des ehemaligen Ostblocks bzw. des kommunistischen Machtbereichs und damit der Fall der Berliner Mauer. Ein anderes Beispiel der Geschichte manifestiert sich in der „Franz6sischen Revolution". Die Basis dieser Entwicklungen ist immer im Zusammenhang mit Information und Kommunikation zu sehen und somit auch mit der Bildung von Meinung und von Koalitionen. Vielleicht lieBe sich an dieser Stelle auch eine These aufgreifen von dem britisch-

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Der von Bruhn, Grimm (1992: 25) angesprochene Schwellenwert der Unordnung, welcher erreicht werden muss, damit eine Veranderung resultiert, deckt sich mit der oben dargestellten Uberlegung der „Toleranz bzw. AbsorptionsMigkeit" von gleichgewichtigen Systemen. Erst mit dem Uberschreiten der systemimmanenten Toleranz wird ein Wandel, gleich welcher Art, tragend. Vgl. hierzu Bennis, Benne, Chin (1975: 415). Vgl. Kotter, Schlesinger (1979: 106). Vgl. Doppler, Lauterburg (1994: 55) als auch Kanter, Stein, Todd (1992: 15f) sowie die Ausftlhrungen hierzu auf Seite 8.

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte

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osterreichischen Philosophen Karl Popper (1902-1994), welcher die Kritik - also auch die freie MeinungsauBerung - als den Motor des Fortschritts titulierte und damit konstatiert, dass aufgrund kontroverser Diskussion Wissen akkumuliert wird, dessen Existenz und Fortentwicklung eine grundlegende Basis jeden Fortschritts darstellt. Gerade die industrielle Revolution (1750), w^elche eine Art Wissensexplosion mit sich brachte, verdeutlicht dies. Ausgehend von der Entwicklung von sog. „Basistechnologien" v^e der Dampfmaschine, dem energiegetriebenen Webstuhl oder der Lokomotive, konnten Outer wesentlich schneller und effizienter gefertigt und an entlegenste Orte transportiert und verkauft werden, was vorher mittels der menschlichen Arbeitskraft allein niemals in ahnlichem Umfang zu realisieren gewesen ware. Dieser revolutionierende Wandel brachte ein absolut neues, globaleres Denken mit sich. Allein die Erfmdung der Lokomotive lieB die Markte bereits enger zusammenwachsen. Die „Kraft der Technologie"23 karm somit als ein Antrieb fur den stetigen und autoakzelerierenden Wandel angesehen werden. Kennedy konstatiert dies indem er schreibt, dass ... „[...] unsere integrierte Welt der Wissenschaft und der Kommunikation die Geschwindigkeit des technologischen Wandels unermesslich gesteigert [hatl.''^"^ Die Fortentwicklung der Technik bringt immer wdeder neue Basistechnologien hervor, welche darm abermals Ausloser fur weitreichende Veranderungen sind.^^ So vergleichsweise die Gentechnik, die ohne Zweifel nicht nur auf dem medizinischen und landwirtschaftlichen Sektor zu eklatanten Umorientierungen bereits geftihrt hat und in Zukunft noch fuhren wird. Es sind jedoch nicht nur die Basistechnologien, welche den Wandel im sozio-6konomischen Umfeld des stabilitatsorientierten Menschen zum Gefahrenpotential erheben und ihn damit in den Fokus der Wissenschaft rucken lasst. Vielmehr entsteht aus der Kurzlebigkeit des erreichten Fortschrittsniveaus die Permanenz der Veranderung. Es ist nicht zwangsweise der Wandel per se, welcher die Individuen aus ihrem homoostatischen Gleichgewicht reiBt. Eher ist es die Haufung und Intensitat des Wandels, womit sich auch die Frage stellt, wie viel Wandel ein Individuum oder ein System toleriert bzw. verkraftet. Diese Frage wird interessant vor dem Hintergrund, dass man sich dieser kontinuierlichen und quasi-oktruierten Veranderung seines Umfeldes nicht entziehen kann. Der auf Stabilitat ausgerichtete Mensch wird somit unweigerlich und permanent mit Veranderung konfrontiert. Wtirde man die Evolutionstheorie von Charles Darwin in den wdrtschaftswissenschaftlichen Kontext transferieren, gibt sie eine einfache Antwort auf die sich stellende Problematik „Stabilitat" vs. „Wandel": Ein Wandel im sozio-okonomischen Umfeld einer Untemehmung, eines Systems oder auch eines Individuums erfordert - vorausgesetzt, der Wandel ubersteigt die jeweilige Toleranz - eine Anpassung an die veranderte Situation. Erfolgt diese Anpassung nicht, besteht die Gefahr der Selektion durch die Krafte des Marktes. Gareth Morgan umschreibt diese Tatsache mit den Worten: 23 24 25

Vgl. hierzu auch Kennedy (1993: 26). Kennedy (1993: 26). Bestes Beispiel hierftir ist die Entwicklung des Internets, welches insbesondere auch noch in den kommenden Jahrzehnten die Markte neu defmieren wird.

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Die „geplante Evolution" - Brtickenschlag zwischen Individuum und Organisation „In a changing world the choice is that of changing or being changed." 26

Um eben diesem selektionierenden Marktmechanismus zu entgehen, sind die Untemehmen gezwungen, langfristige Erfolgspotentiale mittels ausgefeilter strategischer Konzeptionen aufzubauen, die dem eigenen Untemehmen strategische Wettbewerbsvorteile sichem und zugleich auf einem fiir den Kunden eindeutig wahmehmbaren, wichtigen und dauerhaften Vorteil basieren.^^ Hierin lasst sich ein darwinistisches Prinzip der Markte erkennen, basierend auf der bereits oben angesprochenen Evolutionstheorie. Sie akzentuiert die Feststellung, dass nur evolutionsfahige Systeme im „tJberlebenskampf des Wettbewerbs" den zunehmenden Unsicherheiten und dem stetigen Wandel in deren Untemehmensumfeld gewachsen sind.^s Wahrend Darwins Theorie jedoch auf „zuf^ligen" Mutationen basierte, die einen prSgnanten Vorteil gegeniiber ihren Konkurrenten erkennen lassen und so natiirlich selektioniert werden, versuchen Untemehmen den Faktor „ZufaH" zu neutralisieren. Strategisches Denken und Handeln wird hierbei zum primaren Faktor, um ein „Konzept der geplanten Evolution" zu verwirklichen und damit das Uberleben der Organisation langfiistig zu sichem.29 „Nattirliche Konkurrenz ist evolutionar, strategischer Wettbewerb ist revolutionSr." ^^ Revolutionen bedingen teils drastische Veranderungen, welche der Mensch aufgrund seiner psychischen Konstitution eher zu vermeiden versucht. Klar wird nuimiehr die Dichotomie zwischen dem Stabilitatsstreben der Individuen, mit dem Ziel einer Komplexitatsreduktion einerseits und dem Anpassungsdmck, welchem die Untemehmen aufgrund des sich stetig wandelnden sozio-okonomischen Feldes ausgesetzt sind, andererseits. Systeme leben von Gleichgewichten, welche je nach deren Absorptionsfkhigkeit hinsichtlich auBeren Veranderungseinflussen diesem System Wandel ermoglichen oder nicht. Resistenzen bzw. Widerstande gegen diese Bestrebungen des Wandels sind ein Teil von Gleichgewichten. Sind diese inharenten Widerstande zu groB, gefahrden sie das Fortbestehen des Systems, da Anpassungen an Umweltveranderungen sich dann als langwierig und schwierig gestalten. Freilich existieren aber auch Gleichgewichte, deren Wandelfahigkeit groBer und Toleranz hinsichtlich Veranderungsbestreben weiter ist. Diese Fahigkeit zum Wandel bestimmt dann in

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Vgl. Bleicher (1992: 4). Die Tatsache „gewandelt zu werden", ist freilich interpretierbar. Es ist jedoch offensichtlich, dass Untemehmen, welche dem Zeitgeist des Marktes nicht Rechnung tragen und ihre Strukturen dem wandelnden Umfeld nicht anpassen, vom Marktgeschehen eliminiert werden. Vgl. hierzu auch Reinhart, Dtlrrschmidt, Hirschberg, Selke (1999: 21) sowie Seibt (1997), die konstatieren, dass, falls fUr ein Untemehmen die Notwendigkeit zum Wandel besteht, es letztlich damm geht, ob es sich wandelt Oder gewandelt wird. Gestaltet die Organisation dann nicht aktiv die Veranderung, muss sie damit rechnen, die Kontrolle Ober das Geschehen zu verlieren. Simon (1988: 4). Systeme also, welche eine AnpassungsfUhigkeit an ein sich Sndemdes Umfeld besitzen. Vgl. hierzu auch die Ausftlhrungen auf Seite 7. Vgl. Kirsch, Maafien (1989: 10). Vgl. Henderson (1990: 12).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte

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groBem Mafie die zuktinflige Uberlebensfahigkeit von Systemen, zumal die Rahmenbedingvingen der Systeme in standigem Wandel stehen und eine Veranderung oder Anpassung bedingen. Das heifit, dass im Griinde primar auch die Frage zu beantworten ist, ob ein Untemehmen sich tatsachlich wandeln muss oder ob es ausreichend Potential - im Sinne einer Toleranz oder systemimmanenten AbsorptionsfMhigkeit - besitzt, um die Umfeldturbulenzen ohne massive Umstrukturierung zu bewaltigen.^i Im Rtickblick wdrd nun evident, wde eng die Systeme von Gleichgewdcht und Stabilitat mit Wandel, aber auch mit Widerstand gegen Veranderung verbunden sind. Weiterhin zeigt sich auch die enorme Koharenz des Strebens nach Stabilitat (und demnach auch Vermeidung von Veranderung) beim Menschen und der gleichzeitigen Notsvendigkeit, sich w^andelfMhig zu zeigen - nicht allein aufgrund der Omniprasenz von Wandel. Organisationen am Markt, eingebettet in ein Umfeld permanenter Veranderungsnotwendigkeit, treffen auf das vielleicht „primarste" Ziel des Menschen: das Ziel nach existentieller Sicherheit und BestSndigkeit. Wie aber soil es Untemehmen gelingen, diese sich offhende Lucke zwischen den differenten Interessenslagen und Existenzsicherungsbestrebungen von Organisation und Individuum zu ubenvinden? Eine mogliche Antwort auf diese Frage liegt im Konzept der „geplanten Evolution". Im Folgenden soil nun naher auf die, dieser Konzeption zugrunde liegenden Ideen eingegangen werden, um aufzuzeigen, inwieweit eine intendierte Selbsttransformation in der Lage ist, die oben aufgeworfenen Gedanken zu bereichem. 1.1.

Die „geplante Evolution^^ - Briickenschlag zwischen Individuum und Organisation

Die naturliche Evolution basiert zu einem groBen Teil, wie bereits erwahnt, auf dem biologischen Zufallsprinzip der Mutation, das eine vermeintlich bessere Anpassung an die Umwelt durch die w^illkiirliche Veranderung der Genotypen eines Organismus hervorruft. Gleichsam wie in einem „Trial and Error" verbessert die Natur das Zusammenspiel der Lebewesen mit der sie umgebenden Umwelt, indem erbliche Variationen auftreten und eventuelle „Nachteile" selektiert werden.^^ Durch diesen Mechanismus der natiirlichen Auslese werden jene erblichen Varianten bevorzugt weitergegeben, die fur die Arterhaltung relevant sind. Charles Darwin sprach hierbei auch von einem „survival of the fittest", womit klar zum Ausdruck gebracht werden soil, dass lediglich der am besten an die jeweilige Umwelt angepasste Organismus iiberlebt. Eine Modifikation der Rahmenbedingungen verSndert ebenfalls die Selektionskriterien, so dass dann andere Varianten auflretender Mutationen privilegiert sind.

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Vgl. Reinhart, DUrrschmidt, Hirschberg, Selke (1999: 21). Vgl. Darwin (1859).

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Die „geplante Evolution" - Briickenschlag zwischen Individuum und Organisation

Kirsch spricht in einem wirtschaftswissenschafllichen Zusammenhang und hier insbesondere in Verbindung mit Organisationen v o n einer „naturwUchsigen Evolution", w e n n eine einheitliche Ausrichtung der die Evolution konstituierenden Schritte sich nicht nachvoUziehen lasst.33 Der U n t e m e h m u n g fehlt ein zielgerichtetes Handeln, eine einheitliche Richtung. Es besteht die Gefahr des Abdriftens der U n t e m e h m e n s e n t w i c k l u n g in ein blofies „ muddling through", d.h. in ein improvisiertes Reagieren auf akute organisationsimmanente St6rungen bzw. Mangel oder aber auf neue Ideen, w e l c h e beispielsweise den Wirtschaflswissenschaften entspringen kOnnen. Handlungsleitend und folglich entscheidend fiir die Entwdcklung der Organisation sind die historisch g e w a c h s e n e n unbewoissten, formierten Regeln, w e l c h e die Mitarbeiter im Laufe ihrer UntemehmenszugehOrigkeit automatisch intemalisieren. Kirsch schreibt hierzu: „In jedem Untemehmen wird das tSgliche Handeln von Regeln geprSgt, an denen sich die Mitarbeiter orientieren. Diese Regeln werden meist nicht bewusst formuliert, sondem bilden sich im Laufe der Jahre quasi als Nebenprodukt des operativen TagesgeschSftes heraus. Dadurch, dass sie den Mitarbeitem zumindest intuitiv bekannt sind und diese ihr Handeln danach ausrichten, bestimmen diese gewachsenen Regelmengen bzw. Maximen die Richtung der Untemehmensentwicklung. Die vorfindbaren Maximen sind meist unvollkommen geordnet. Man kann nicht davon ausgehen, dass sich aus der Gesamtheit der Regeln eine einheitliche Richtung rekonstruieren lasst. Dies gih insbesondere, wenn die Kultur eines Untemehmens nicht sehr stark ausgeprSgt ist. In diesem Fall ist eine einheitliche Ausrichtung der einzelnen Schritte der Untemehmensentwicklung unwahrscheinlich. Die Entwicklung vollzieht sich im Sinne einer „naturwiichsigen Evolution"." ^^ D i e der Untemehmensentsvicklung fehlende Richtung b z w . Ausrichtung auf ein in der Zukunft liegendes m o g l i c h e s Szenario iSsst angestrebte Ziele im Unklaren. Eine damit verbundene Orientierungslosigkeit verstarkt das Verlangen der Organisationsteilnehmer, einem eventuellen Zustand kognitiver Dissonanz mittels einer Konsolidierung des Status quo entgegenzuwirken.35 Ein v o m Traditionalismus gepragtes D e n k e n und Handeln ist die Folge, w e l c h e s sich, vielleicht auch nicht bewusst, einer Stabilitat verschreibt. Freilich sind maBvolle Veranderungen und damit eine U n t e m e h m e n s e n t w i c k l u n g im Sinne v o n „Reformen" alter Strukturen, w i e sie auch in der Klassifizierung des metastabilen Systems angesprochen woirde, nicht ausgeschlossen. D o c h ist diese Art einer Evolution stark konservativ an existenten Werten und N o r m e n ausgerichtet.

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Kirsch (1991: 377). Kirsch (1991: 377). Der Zustand einer kognitiven Dissonanz lieBe sich hier am besten mit einem Zielkonflikt zwischen Ver^nderungsnotwendigkeit einerseits und StabiHtatsstreben andererseits beschreiben. GrundsatzHch streben Personen nach Harmonie und Konsistenz und damit nach einem Gleichgewicht ihres kognitiven Systems. Vgl. hierzu Festinger (1978).

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„Stabilitat" versus ^Wandel" - oder - Das danvinistische Prinzip der Markte

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1

Akute Ereignisse, Mangel und Storungen

Abbildung 4:

Die naturwQchsige Evolution ^^

Bereits der griechische Philosoph und Naturforscher Aristoteles (384-322 v. Chr.) glaubte an eine kontinuierliche Veranderung von niedrigen zu hoheren Organismen, welcher als Ursache eine „treibende Kraft" als universelles Ordnungsprinzip zugrunde liege.^^ Das Konzept der geplanten Evolution stellt die Notwendigkeit der Existenz einer konzeptionellen Gesamtsicht der Untemehmenspolitik in den Vordergrund, w^elche per se die Fortentwicklung der Organisation steuert und dabei selbst einer Evolution unterliegt. Der Entv^icklungsprozess gliedert sich in kleine, Uberschaubare Schritte, welcher jew^eils am Status quo des vorangegangenen Schrittes ankniipft und von diesem mafigeblich beeinflusst wird.

36 37

Kirsch (1991: 377). Der Begriff der geplanten Evolution, welcher auch den Veranderungs- bzw. Entwicklungsgedanken impliziert, fand hingegen erstmalige Anwendung von Rosove im Jahre 1967 in einem Werk Uber die Entwicklung von Informationssystemen auf Computerbasis. Vgl. hierzu auch Kirsch (1990: 332) sowie Trux, MUller-Stewens, Kirsch (1988: 6).

Die „geplante Evolution" - Briickenschlag zwischen Individuum und Organisation

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Akute Ereignisse, Mangel und Storungen

Abbildung 5:

Die geplante Evolution ^^

Der Anlass einer Fortentwicklimg liegt haufig in akuten Ereignissen, Mangeln und Storungen, die meist Ausfluss bisheriger Handlungen sind. Die einzelnen Schritte unterliegen jedoch nun nicht einer blofien Adaption an die sich andemden Umweltkonstellationen, sondem vielmehr der bewussten Steuerung der konzeptionellen Gesamtsicht der Untemehmensentwicklung. Angesichts dieses Fortschritts evolviert auch die konzeptionelle Gesamtsicht aufgrund der gemachten Erkenntnisse. Freilich unterliegt sie gleichermaBen „neuen Ideen", welche die Grundaussagen auf denen sie basiert, standig kritisch reflektieren, um damit einer Obsoleszenz ihrer Maxime vor dem Hintergrund des sich wandelnden sozio-okonomischen Umfeldes entgegenzuwirken. Das Konzept der geplanten Evolution differenziert damit zwei generelle Orientierungen einer moglichen Veranderung, je nachdem ob diese starker von bislang gemachten Erfahrungen Oder von „neuen Ideen" gepragt werden. Demnach spricht man von einer Jnduktiven Orientierung'' der Evolution, wenn der Impuls einer Weiterentwicklung von untemehmensspezifischem Wissen wesentlich beeinflusst wird, wohingegen eine ,,deduktive Orientierung''' maBgeblich an neuen Ideen, veranderten gesellschaftlichen Werten, Utopien oder Visionen ausgerichtet ist. Die geplante Evolution liegt damit bewoisst in einem Spannungsfeld zw^ischen induktiver und deduktiver Orientierung. Aufgrund dieses Spannungsfeldes lassen sich unterschiedliche Varianten der geplanten Evolution unterscheiden. Im Falle einer Dominanz der induktiven Orientierung liefie sich aufgrund der Untemehmensentwicklung, ausgehend von bislang gemachten Erfahrungen, von einer eher „konservativen Variante" sprechen, welche auch als eine geplante Kontinuitdt - die Vgl. Kirsch (1990: 332) sowie Trux, MUller-Stewens, Kirsch (1988: 6).

„Stabilitat" versus ^Wandel'* - oder - Das darwinistische Prinzip der Mgrkte

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Gefahr eines „muddling through" induzierend - bezeichnet werden kSrinte. Uberwiegt hingegen eine deduktive Orientierung, liegt eine „progressive Variante" vor, welche mehr einer geplanten Reform gleich kommt.^^ Die entscheidende Erweiterung des Konzepts der geplanten Evolution sieht Kirsch in der Hinzuftigung der „regulativen Idee des Fortschritts".'^^ Sie impliziert eine stSndige kritische Reflexion der konzeptionellen Gesamtsicht auch dann, wenn keine Veranderungsimpulse des sozio-okonomischen Feldes vorliegen, welche die grundlegenden Maxime der konzeptionellen Gesamtsicht in Frage stellen. Mit dieser Erweiterung wird ein stSndiger Wandel oder eine stetige proaktive Anpassung der handlungsleitenden konzeptionellen Gesamtsicht, gleichsam als kritischer Stachel, institutionalisiert. Damit wird allerdings auch die Notwendigkeit einer strategischen Friihaufklarung offensichtlich, welche bereits „schwache Signale" in den Strategienentwicklungsprozess mit einfliefien lasst. „Die Neigung, die konzeptionelle Gesamtsicht von Zeit zu Zeit kritisch zu iiberprufen, ist ublicherweise gering, da die Entwicklung und Verabschiedung einer konzeptionellen Gesamtsicht, nicht zuletzt aber auch deren Durchsetzung im Rahmen der einzelnen Iterationen, normalerweise mit groBen Schwierigkeiten und WiderstSnden verbunden ist. Je haufiger die konzeptionelle Gesamtsicht in Frage gestellt wird, desto grOBer ist die Gefahr, dass das hinter dieser Gesamtsicht stehende Commitment einer Erosion unterliegt und nicht mehr emst genommen wird. Was miihsam erarbeitet und durchgesetzt wurde, wird nicht so schnell wieder zur Diskussion gestellt. Statt im Interesse einer Anpassung der konzeptionellen Gesamtsicht kritische Aufklarung zu betreiben, werden primSr Bemiihungen um eine Rechtfertigung zu fmden sein." ^^ In dieser Aussage von Kirsch spiegelt sich die Gefahr eines Stabilitatsstrebens der Individuen deutlich wider. Nur eine standige Konfrontation mit den schwachen Signalen des soziookonomischen Umfeldes, die einen Wandel notwendig erscheinen lassen, vermag die Entwicklung der Maxime einer konzeptionellen Gesamtsicht zu alimentieren. Ansonsten droht die Verkiimmerung der „geplanten Evolution" zu einer „natunviichsigen Evolution". Gelingt es jedoch eine Fortentwicklung der konzeptionellen Gesamtsicht zu institutionalisieren, so kaim das Konzept der geplanten Evolution die angesprochene Grundproblematik „Stabilitat vs. Wandel" maBgeblich bereichem. Wie bereits ausgefuhrt, ist ein primares Ziel individueller KomplexitStshandhabung die Minimierung jeglicher in der Zukunft liegender Unsicherheit. Die Angst vor uniiberwindlichen oder unvorhersehbaren Situationen stimuliert den Einzelnen dazu, MaBnahmen zu ergreifen, die maximal ein vertretbares und kalkulierbares Restrisiko offen lassen. Die Wahrung von Bekanntem, Altbewahrtem sichert den Umgang mit dem Ungewissen. Der Drang nach Stabilitat im Umfeld verstarkt das Unbehagen gegeniiber dem Wandel.

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Kirsch (1990: 331). Vgl. Kirsch (1990: 333). Vgl. Kirsch (1990: 353).

Die „geplante Evolution" - Briickenschlag zwischen Individuum und Organisation

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Die Untemehmen hingegen sind aufgrund ihres kompetitiven Umfeldes gezwungen, den sich skizzierenden Wandel im sozio-5konomischen Umfeld im Rahmen einer strategischen Friihaufklanmg zu sondieren und zu erkennen, um die fiir sie wichtigen positiven oder negativen Entwicklungen in ihren grundlegenden Maximen der konzeptionellen Gesamtsicht zu verarbeiten. Versaumen sie den Zeitpunkt der Adaption an die sich wandelnden Rahmenbedingungen, ist oftmals deren UberlebensfShigkeit in Frage gestellt, oder ein Krisenmanagement tritt an die Stelle planvollen Handelns.'*^ Ein substanzieller Grund fur diese Dichotomie zwischen Individuum und Organisation wird auch induziert durch die Tatsache, dass die Zeitdauer eines individuellen Berufslebens oder aber die individuelle Venveildauer in ein und der selben Organisation, in hohem MaBe von der Lebensphase einer Untemehmung differiert und damit der jeweilige Planungshorizont andere PrSmissen und Zielvorstellungen impliziert. Das Konzept der geplanten Evolution konnte nun als eine Art Brtickenschlag fUr die Zusammenftihrung der differierenden Interessenslagen dienen. Der Grund daftir liegt darin, dass eine geplante Evolution die latente Unsicherheit der Individuen mittels formulierter moglicher Zukunftsszenarien und den intendierten Strategien der Zielerreichung zu reduzieren vermag. Inkrementale Schritte und erkennbare Ziele konkretisieren den zu bewSltigenden Wandel, indem sie mCgliche Welten aufzeigen und damit die intendierte Sicherheit der Individuen untermauem.

Individuum

Markt/Unternehmen ^Stabilitat

Wandel/

geplante Evolution Unsicherheit zukUnftiger Szenarien wird mittels inkrementaler Schritte auf geplantes Ziel minimiert Abbildung 6:

KomplexitStsreduktion mittels „geplanter Evolution^

Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, werm der konzeptionellen Gesamtsicht der Untemehmensentwicklung eine zentrale Rolle im strategischen Management zuteil v^rd, da mit ihr der langfristig intendierte Fluchtpunkt der Entwicklung der Organisation, gleichsam Ein Krisenmanagement ist vielmehr ein situatives Problemhandhaben im Moment des Eintritts. Hierbei steht weniger die durch eine konzeptionelle Gesamtsicht gesteuerte Fortentwicklung der Untemehmung im Vordergrund als ein „muddling through", ein richtungsloses Problembewaltigen.

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das danvinistische Prinzip der Markte

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als „Leitplanke'\ artikuliert wird. Ziele, Grundsatze iind Strategien helfen diese Sollvorstellung flir die Evolution der Rahmenbedingungen der Untemehmung zu verwirklichen und mogliche Erfolgspotentiale zu generieren.'*^ Wie sich nun gezeigt hat, liegt in der Zielsetzung der am Markt agierenden Organisationen und der sie konstituierenden Individuen ein nicht-trivialer Zielkonflikt, basierend auf der Notwendigkeit zum Wandel einerseits und dem Stabilitatsstreben andererseits. Widerstand gegen Wandel sichert zwar den Individuen die gewlinschte StabilitSt, ftir die Untemehmen am Markt bedeutet dieser jedoch die Gefahrdung der Entsvicklungsfahigkeit imd damit deren Existenz. Das Konzept der geplanten Evolution bietet fUr diese nicht-kongruenten Interessenslagen eine sinnvoUe Losung, indem sie die Unsicherheit zuktinfliger Szenarien, mittels inkrementaler Schritte auf ein geplantes Ziel minimiert und insbesondere den Weg dorthin auch naher beschreibt. Diese Darlegungen zur „geplanten Evolution" stellen damit bereits eine wesentliche Grundlage fur die weitere Diskussion auf dem Weg zu einem VerstSndnis von WiderstMnden gegen Wandel dar. Im nachsten Abschnitt gilt es aber zunachst, das Wissenschaftsverstandnis sowie die Zielsetzung dieser Arbeit aufzuzeigen, um damit auch ein Fundament zu schaffen fur die wichtigen Aussagen und Schlusse in der vorliegenden Ausarbeitung, welche letztlich lediglich auf einer subjektiven Wahmehmung der RealitSt basieren mogen. 1.2.

Ein Wissenschaftsverstandnis zur Anerkennung „multipler RealitSten^^ „Die Kunst des Verdnderungsmanagements fiingt da an, wo die Realitdt derer gemessen wird, die sich verdndern sollen." Heiner Spalink ^^

Der vorliegenden Arbeit soil im Folgenden eine wissenschaftstheoretische Ausrichtung zugeordnet werden, um zum einen nicht Gefahr zu laufen, beim Leser den Eindruck zu erwecken, mit den getroffenen Aussagen den Anspruch einer Abbildung der tatsachlichen Wirklichkeit zu erheben, und zum anderen zu verdeutlichen, wie die Erkenntnis iiber die Existenz multipler Realitaten sowie deren Anerkennung zum Ausgangspunkt des Verstandnisses von Widerstanden gegen Wandel fiihrt. Hierzu soil die Position eines radikalen Konstruktivisten eingenommen werden, der nicht dem Irrglauben einer objektiven Wahrheitsfmdimg unterliegt. Wie selbstverstandlich gegen wir doch davon aus, dass die Erkenntnisse der eigenen Wahmehmung auch jene sind, welche ein anderes Individuum selbst erkennt und ftir sich interpretiert? Dabei sind bereits die Faktoren „Wahmehmung" und deren „hiterpretation" zwei Quellen ftir eine verschiedenartige individuelle Erkenntnis uber eine vermeintlich identische Realitat. 43 44

Vgl. hierzu Kirsch (1991: 376f.). Vgl. Spalink (1998b: 160).

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Ein Wissenschaftsverstandnis zur Anerkennung „multipler RealitSten"

1st die Farbe des Himmels denn fur jeden gleich, oder ist diese ftir manche Beobachter etwa anders? Die infantile Naivitat dieser Fragestellung bringt das inharente Problem auf den Punkt. Man eignet sich im Laufe der eigenen kindlichen Entwicklung lediglich die Definition der Farbe des Himmels an imd einigt sich auf die Farbe „Blau". Aber was bedeutet Blau fur die unterschiedlichen Beobachter? Blau kann ftir einen Farbenblinden eine bestimmte Graustufe darstellen, welche dieser dann in seiner Realitat als Blau definiert und dem oder einem entsprechenden Objekt sein Leben lang zuordnet. Niemals wird man wissen, ob die Realitaten zweier Beobachter wirklich kommensurabel sind. Jedes Individuum hat letztlich Wahmehmungen, welche im Gehim zu einem Bild der „Realitat" bzw. besser der „eigenen, vermeintlichen Realitat" zusammengesetzt werden. Damit entwickeln sich die eigenen Wahmehmungen zu subjektiven Darstellungen, ohne dabei tatsachlich den Anspruch einer objektiven Realitat fur sich fordem zu kOnnen."*^ An dieser Stelle setzt die Erkenntnistheorie des Konstruktivismus ein. Die Basis dieser Theorie bildet dabei der Umstand, dass das menschliche Gehim ein in sich relativ geschlossenes und autopoetisches informationsverarbeitendes System ist.'*^ Den groBten Teil seiner Aktivitat ist es mit sich selbst beschSftigt. Nur einen vergleichsweise geringen Anteil jedoch beanspmcht es fur die Verarbeitung von Informationen und Reizen der AuBenwelt. Eindrucke wie akustische Signale, Bilder, Temperaturveranderungen oder Geruche etwa, gelangen iiber die Sinnesorgane zum Gehim. Gleichwohl enthalten diese Rohbausteine der Information keine Hinweise Uber die Weh per se, aus der sie kommen. Das Gehim muss diese Nachrichten der Umwelt erst verstehen und interpretieren.'^^ Das heifit, dass die eigentliche Aufgabe des Gehims die stSndige Interpretation von SinneseindrUcken aus der Umwelt ist. Das Resultat ist die Konstruktion der Welt, ohne jedoch letztlich die Gewissheit zu haben, wie diese tatsSchlich ist. Die Wahmehmung ist lediglich die Erfahrung von den Dingen, nicht jedoch die Dinge selbst. Verstehen heiBt demnach, mittels einer Bewertung nach Schliissigkeit zu forschen und damit dem Individuum das Uberleben in seiner Umwelt zu ermoglichen."^^

^5 ^^ ^"^

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Vgl. Malik (1984: 20). Vgl. auch Maturana (1987), Varela (1987) und MaturanaA^arela (1987). Vgl. auch Roth (1997: 19) sowie Roth (1987, 1992). So nehmen wir beispielsweise den Gestank einer Ubelriechenden Substanz nicht mit der Nase wahr. Diese setzt lediglich den unangenehmen Geruch als Reiz in Impulse um, welche von unserem Gehirn bewertet und zu einem Missfallenseindruck verarbeitet werden mUssen, um die Reaktion des ROckzugs herbeizuftihren. Vgl. Thissen (1998) sowie Ulrich (1994: 20ff.).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

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„Was den erkenntnistheoretischen Konstruktivismus angeht, so behaupte ich, dass er sich zwangslaufig aus der Konstruktivitat unseres Gehims ergibt. Gehime - so lautet meine These - konnen die Welt grundsatzlich nicht abbilden; sie mussen konstruktiv sein, und zwar sowohl von ihrerfiinktionalenOrganisation als auch von ihrer Aufgabe her, namlich ein Verhalten zu erzeugen, mit dem der Organismus in seiner Umwelt Uberleben kann. Dies letztere garantiert, dass die vom Gehim erzeugten Konstrukte nicht willkiirlich sind, auch wenn sie die Welt nicht abbilden (konnen)." ^^ An anderer Stelle beschreibt Glasersfeld den radikalen Konstruktivismus ahnlich und zeigt damit gleichzeitig die synonyme Verwendung des Begriffes mit jenem des Konstruktivismus per se: „Radical Constructivism - It is an unconventional approach to the problem of knowledge and knowing. It starts from the assumption that knowledge, no matter how it is defined, is in the heads of persons, and that the thinking subject has no altemative but to construct what he or she knows on the basis of his or her own experience. What we make of experience constitutes the only world we consciously live in. It can be sorted into many kinds, such as things, self, others, and so on. But all kinds of experience are essentially subjective, and though I may find reasons to believe that my experience may not be unlike yours, I have no way of knowing that it is the same." ^^ Im Theoriegebilde des Konstruktivismus existiert somit keine Wirklichkeit ohne die subjektive Wahmehmung und Erkenntnis eines Beobachters, welcher mittels seines Gehims die Umwelt und Welt selbst, und nur ftir sich, erfindet. Freilich auch geleitet von eigenen Vorurteilen und bereits verinnerlichten Modellen, ergibt sich so eine Wahmehmung der AuBenwelt, w^elche in eine Konstruktion der Wirklichkeit miindet und so nie die Formulierung objektiver Erkenntnisse, imabhangig von dem eigenen Empfinden eines wissenschaftlich substantiellen Vorgehens, zulasst.^i 1st jedoch jeder Konstrukteur seiner eigenen subjektiven Realitat, ohne dabei einen gesicherten Erkenntnisstand zu besitzen, ob die subjektive Wahrheit anderer Beobachter mit der eigenen kommensurabel ist, so lasst sich auch nicht mit Sicherheit sagen, dass eine beliebige Situation von unterschiedlichen Beobachtem gleich interpretiert wird und damit deckungsgleiche Realitaten existieren.52 Somit stellt sich vor dem Hintergrund einer Theorie des radikalen Konstmktivismus auch die Problematik vieler unterschiedlicher Interpretationen uber die AuBenwelt. Fur die Thematik der Handhabung von Widerst^nden gegen Wandel hat dies zur Folge, dass Organisationsmitglieder vor dem Hintergrund subjektiver Realitatsinterpretationen agieren. Verstarkend kommt hinzu, dass jedes Individuum eigene Zielvorstellungen durchzusetzen versucht, welche, wie bereits erwahnt, nicht zwangsweise die Ziele der Organisation reflektieren mussen.

49 ^^ 51 5^

Vgl. Roth (1997: 21). Vgl. Glasersfeld (1995: 1). Vgl. zum „radikalen Konstruktivismus" auch Maturana (1982), Schmidt (1991), von Foerster (1985) und von Glasersfeld (1986,1994). Vgl. Ulrich (1994: 22f.). Man denke hierbei etwa an eine Situation des intendierten Wandels innerhalb einer Organisation.

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Zielsetzung dieser Arbeit und Leitfaden der Argumentation

So definiert nicht jeder die Ausgangslage der Umwelt als unbedingt notwendig fiir die Initialisierung eines Wandels. Welche Wahrheit ist nun aber die fUr eine Untemehmimg richtige? Ist ein Wandel tatsSchlich imausweichlich mit all den durch ihn induzierten Vor- und Nachteile? Es erscheint sogar eher unwahrscheinlich, dass die betroffenen Organisationsteilnehmer die Notwendigkeit fur einen Wandel gleich beurteilen und ihn damit auch tragen.^^ Unterschiedliche Auffassungen der Realitat fiihren dann zu Konflikten. WiderstSnde gegen Veranderungen sind somit schon aufgrund dieser Existenz multipler Wahrheiten und Interpretationen der Ausgangslage mit einem Wandelvorhaben unweigerlich verbunden. Ist Wandel demnach nicht lediglich die UberzeugungsMiigkeit eines einzelnen Individuums hinsichtlich der eigenen subjektiven Definition der Wirklichkeit? Sozusagen ein Oktruieren der subjektiven Konstruktion der Umwelt auf den Rest der Organisationsteilnehmer? Wenn aber nicht alle die gleiche Auffassung Uber die Ausgangslage eines Untemehmens, die zu einem Wandel fuhren soil, besitzen, wie sollen dann Shnliche Vorstellungen tiber die zu erreichenden Ziele existieren? FUhrt nicht sogar die Existenz multipler Realitaten zu einer Destabilisierung eines Systems dadurch, dass keine Einigung uber die Richtung einer Untemehmung gefunden werden kann? Erst das Verstandnis und die Anerkennung der Existenz multipler Wahrheiten ftihrt deshalb auch zu der Einsicht, dass ein noch so positiv erscheinender Wandel stets mit Widerstanden verbunden sein wird. Denn nur dann wird die Auseinandersetzung mit den Zielen der Betroffenen des Wandels bewusst thematisiert und damit der Prozess einer geplanten Evolution initiiert. Vor dem Hintergrund der in diesem Kapitel dargestellten konstruktivistischen Grundhaltung will diese Arbeit demnach auch nicht nach einer objektiven Wahrheit der getroffenen Aussagen trachten, sondern vielmehr in den Ausfuhrungen nach eigenen dhnlichen Erfahrungen suchen und sich inspirieren lassen von einer anderen, ohne Zweifel nicht vorurteilsfreien, subjektiven und selektiven Wahrheit. Dient diese als Grundlage, die eigene Konstruktion der Wahrheit zu iiberdenken, ist eine der wichtigsten Zielsetzungen dieser Arbeit bereits erreicht. 1.3.

Zielsetzung dieser Arbeit und Leitfaden der Argumentation „ Fiihrungskrdfte miissen das Umfeld ihrer Mitarbeiter so gestalten, dass deren Motivation erhalten bleibt. " Uwe Renald Muller

Tiefgreifende Veranderungen pragen unser Leben. Prinzipiell keine beunruhigende Aussage. Zumindest solange diese Veranderungen unser Leben nicht negativ beeinflussen. Ist dies der Fall, dann laufl ein in den Genen des Menschen verankertes Programm ab:

Vgl. auch Spalink (1998b: 160). Auch er spricht von individuellen Wahrheiten im Untemehmen. Die Wahrheit an der Basis sei eine andere als in der Mitte und als an der Spitze der Organisation.

„Stabilitat" versus „Wander' - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

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Widerstand imd Uberlebenskampf. Diesem starken Willen, empfundenen Gefahren zu opponieren, widmet sich letztlich diese vorliegende Arbeit. Als paradox erweist sich jedoch die Tatsache, dass, obwohl Wandel und Widerstand als unzertrennliches Begriffspaar in der Literatur des Veranderungsmanagements gewurdigt werdenj^"^ der Thematik des Widerstandes gegen Wandel nur sehr wenig Aufinerksamkeit gewidmet wird.^s Betrachtet man die Betriebswirtschaflslehre, ist diese ausgerichtet auf neue Losungsansatze fiir Probleme, resultierend aus dem immer schneller werdenden „Pace" der Markte. Verdrangimgswettbewerb fordert hohere Effizienz. „Lean-Production", „LeanManagement", „Kern-Kompetenzen", „ Total Quality Management", „ Business-Reenginieering" und „ Target Costing" sind solche AnsStze, welche, einer Sinuskurve Shnelnd, immer neue, modeme Aufgabenstellungen fur das Management bereit halten. Eines jedoch vereint all diese AnsStze: die Notwendigkeit des Wandels. Der Notwendigkeit des Wandels stehen die Schwierigkeiten der Umsetzung gegentiber. Diese resultieren aus den oftmals falschen Change-Ansatzen in der Praxis, welche den Wandel in den Vordergrund der Betrachtung stellen, dabei aber die Menschen vergessen, die diese Veranderungen verinnerlichen, akzeptieren, tragen und leben mussen. Strukturen werden neu erfunden, ohne das Skelett - die Betroffenen des Wandels - zu berucksichtigen. Diese Fehler ftihren zum Scheitem von wichtigen Change-Vorhaben und gefUhrden damit den Fortbestand vieler Untemehmen. Die Arbeit verfolgt deshalb zwei ubergeordnete Ziele: > Die bewusste Verkntipfung von Change Management und Widerstand gegen Wandel. Intendiert ward damit der Aufbau eines VerstSndnisses der Genese von WiderstSnden gegen Wandel. Denn nur ein tiefgreifendes Verstandnis der WiderstSnde, und damit auch der Denkweise des Menschen, kann den Ausgangspunkt fUr deren Handhabung darstellen und den Erfolg von Veranderungsprozessen verbessem. > Die Entwicklung eines neuen Denkansatzes zur Handhabung von Widerstanden gegen Wandel bzw. das Schaffen eines neuen Bevmsstseins, welches die Prevention von Widerstanden gegen Wandel vordergriindig thematisiert, weniger deren reaktive Handhabung. Denn immer noch wird im Rahmen von Change Management Projekten kurzfristiges Krisenmanagement propagiert, welches die Reaktion der Betroffenen komplett ausblendet und Organisationen in Reorganisations- bzw. VerSnderungsprojekten ausbluten lasst. Change Management miindet jedoch vielmehr in der Formierung von Rahmenbedingungen des Wandels, in welchen sich dieser in der gewoinschten Form von selbst, i.S. einer geplanten Evolution, entwickeln kann und so ein Untemehmen stetig begleitet und selbst zur Konstanten wird. 54 55

ReiB, Rosenstiel, Lanz (1997: 17ff.). Vgl. Lawrence (1954), Schmidt (1996), Patti (1974), Recardo (1995), Reynolds (1994) oder etwa Rosenberg (1993) um nur einige zu nennen.

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Zielsetzung dieser Arbeit und Leitfaden der Argumentation

Basierend auf der These, dass bislang im Rahmen von Change-Management-Projekten einer praventiven Betrachtung von Widerstanden gegen Wandel keine Bedeutung beigemessen wird und aufgrund dessen viele Veranderungsprojekte misslingen, soil im Rahmen dieser Arbeit die Frage beantwortet werden, wie man WiderstSnde gegen Wandel a priori, das heifit vor deren eigentlicher Entstehimg, so handhaben kann, dass diese nicht zur Gefahr fUr das gesamte Change-Projekt generieren. Die voriiegende Arbeit hat deshalb die Zielsetzung, einen neuen Change-Ansatz zu entwickeln, welcher die Materie der Widerstande gegen Wandel zwar insbesondere thematisiert, jedoch der Problematik der Resistenzen neue Impulse der Handhabung verleiht und so letztlich deren changeprozess-bezogene Toxizitat eliminiert. Letztlich wird die Frage gestellt, ob ein Change Management iiberhaupt in der Lage sein kaim Oder soil, Wandel zu „managen". Ziel ist es somit nicht aufzuzeigen, wie Widerstande i.S. eines Krisenmanagement bewaltigt werden konnen. Denn es kaim nur das Ziel sein, Resistenzen im Ganzen abzubauen, um den Chancen, die ein Wandel offerieren kann, jegliche Aufmerksamkeit und Ressourcen schenken zu konnen. Um sich diesem Ziel anzunahem, sollen in einem ersten Punkt die Begrifflichkeiten der Thematik der Arbeit eingeordnet und erlautert werden, um daraus einen theoretischen Bezugsrahmen abzuleiten, welcher die Komplexitat der Aufgabenstellung reduzieren sowie wichtige Wechselbeziehungen einzelner Bausteine aufzeigen soil. In einem zweiten Kapitel soil anschlieBend die Analyse des vorgestellten Drei-EbenenKonzepts des Bezugsrahmens dadurch beginnen, dass der Frage nach dem PhSnomen der Widerstande selbst nachgegangen wird, um anschliefiend eine sinnvolle Systematisierung offerieren zu konnen. Ziel dabei ist es freilich, Widerstande in Organisationen erkennen zu kOnnen, um spater daraufhin gerichtete Strategien der Handhabung zu generieren. Das dritte Kapitel erklart die den Wandel beeinflussenden Faktoren, um Ansatzpunkte fur die Beeinflussung eines Wandelvorhabens zu fmden, so dass Widerstande a priori nicht entstehen Oder aber minimiert werden. In einem vierten Kapitel wird dann die Schaffung einer „intelligenten Change-Arena" angestrebt, welche die optimalen und dauerhaften Voraussetzungen fiir Veranderungen in der Organisation gewahrleisten soil und dabei besonders die antizipativen Aspekte der Handhabung von Widerstanden thematisiert. Hierauf aufbauend, wird im funften Kapitel ein System der Prevention von Widerstanden gegen Wandel skizziert, welches seinen Ursprung einer interdisziplinaren Analogienbildung aus dem Forschungsfeld der Medizin nimmt. Das Ziel ist die Formulierung eines Ansatzes zur praventiven Handhabung von Widerstanden gegen Wandel, da nur dann Veranderungsvorhaben effizient vorangetrieben werden konnen, wenn diese nicht durch Resistenzen konterkariert werden.

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

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Im Rahmen einer Schlussbetrachtimg und eines Ausblickes sollen am Ende neben einem Resumee der Arbeit Ansatzpimkte ftir weitere Forschungsbemiihungen dargelegt werden. Im Folgenden soil nun die Begrifflichkeit der Thematik der Arbeit einer Analyse zugefiihrt werden, welche das Phanomen der Widerstande klart, um damit auch die Erkenntnis der Notwendigkeit der Veranderung des eigenen Denkens zu gewinnen. 1.4.

^Change Management - die Handhabung von Widerstanden gegen WandeP eine Analyse „It must be considered that there is nothing more difficult to carry out, nor more doubtful of success, nor more dangerous to handle, than to initiate a new order of things. " Niccold Machiavelli ^^

Das Postulat der Wandelfahigkeit, Flexibilitat und Reagibilitat, welchem sich die Untemehmen und deren Manager jeden Tag emeut gegeniiber sehen, ist nicht neu. Die Problematik, verbunden mit dem Management des Wandels, d.h. der Neuausrichtung von Untemehmen auf vom Markt gegebene und zukiinftige Szenarien oder der Reorganisation von Arbeitsablaufen, liegt nicht primar in der sachlichen Ausfiihrung der Managementaufgabe. Vielmehr ist diese in der psychologischen Komponente, verbunden mit den Betroffenen eines Veranderungsvorhabens, zu sehen. Das Wissen um die zu vollziehenden „Drahtseilakte", die mit diesen Reformen einhergehen, riickt eine zentrale Facette eines „Change Managements" in das Zentrum dieser Arbeit. Die Widerstande gegen Wandel. Freilich lieBe sich in „patriarchalischer Art und Weise'\ wie sie in den Nachkriegsjahren wohl entstanden sein mag, sagen, dass Resistenzen einzig und allein eine Frage der Macht und Austibung von Druck seien.57 Jedoch haben sich die Strukturen in den Untemehmen geSndert. Das Steuem uber Macht und Dmck fuhrt heute hochstens noch zu erhohter Fluktuation der Belegschaft. Gefragt sind Planer, Moderatoren und Steuerer, die mit der richtigen Kombination aus psychologischer Feinfuhligkeit und exakter Analysefahigkeit den Wandel initiieren und die Organisationsteilnehmer dazu motivieren, Veranderung als einen Schritt vorwarts zu verstehen.58 Die gewahlte Themenstellung setzt Change Management direkt mit der Handhabung von Widerstanden gegen Wandel in Verbindung. Damit wird suggeriert und gewissermafien auch postuliert, dass ein Management des Wandels in erster Linie den Umgang mit Widerstanden

56 5'^

58

Vgl. Kotter, Schlesinger (1979: 106). Anzumerken sind hier jedoch die massiven rechtlich fundierten Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretungen in den Organisationen, welche einer „patriachalischen Machbarkeit" eindeutige Grenzen setzen. Letztlich sind auch von diesen Institutionen, sicherlich auch aufgrund deren primarer Aufgabe und eigenen Zielvorstellungen, Widerstande gegen Wandel zu erwarten. Vgl. auch Spalink (1998b: 161).

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^Change Management - die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel" - eine Analyse

impliziert oder sogar implizieren muss. Ein Fehlen dieser Einsicht ist letztlich oftmals der Grund fur ein Versanden der meisten Changeinitiativen.^^ Betrachtet man nun die Thematik der vorliegenden Arbeit, so lassen sich ad hoc drei essentielle ,,Baustewe'' identifizieren, welche die Problemstellung konstituieren.^^ Der erste Baustein ist der derzeit in den Wirtschaftswissenschaften populare Terminus des „Change Managements'', tiber den, insbesondere im Rahmen der strategischen Untemehmensfiihrung, eine FtiUe von Literatur erschienen ist.^^ Sinn und Zweck dieser Arbeit ist es jedoch zuerst einmal nicht, einen neuen Ansatz eines moglichen „Change Managements^' zu offerieren, sondern vielmelir die Erweiterung desselben um eine wichtige Perspektive: die der Notwendigkeit einer expliziten Auseinandersetzung mit den von einem intendierten Wandel induzierten Widerstanden. Wichtig erscheint an dieser Stelle auch, auf die bewoisste Verwendung des Begriffs eines intendierten Wandels hinzuw^eisen. Damit wdrd letztlich zum Ausdruck gebracht, dass die Handhabung von Widerstanden gegen Veranderungen bereits weit im Vorfeld der Initiierung des Wandelvorhabens ansetzt. Hiermit wird explizit und nachhaltig auch die These aufgestellt, dass eine Handhabung von Widerstanden gegen Wandel als Aufgabenstellung keinesfalls erst in einen Change Management Prozess zu integrieren ist, wenn es den Wandel an sich bereits zu implementieren gilt. Es ergibt sich also die Erfordemis einer Eingrenzung dessen, was unter „Change Management" oder aber unter einem „Change Management Prozess" verstanden werden kann, zumal in der Literatur ein referenzieller Ansatz von „Change Management" nicht identifizierbar scheint. Den zweiten Baustein bilden die „Widerstande". Die in diesem Teil der Arbeit intendierte thematische Analyse soil Aufschluss dariiber geben, wie WiderstSnde per se defmiert w^erden konnen, um eine gemeinsame Basis fiir ein besseres Verstandnis zu schaffen. Was sind Widerstande? Wann treten sie auf? Womit rechtfertigt sich die Beschaftigung mit diesen, und von wem konnen sie ausgehen? Wer sind die Betroffenen? Auf diese Fragen soil hier eine erste Antwort gegeben werden. Der dritte das Thema konstituierende Baustein ist der Begriff der „Handhabung". Hier drangt sich die Frage auf, warum gerade von „Handhabung" gesprochen wird und nicht von einem wesentlich naher liegendem Ausdruck, wie beispielsweise „L6sen".

59 ^^

^^

Vgl. auch Spalink (1998b: 156). Die hier angeftlhrten Bausteine sollen zur ersten Analyse der zentralen Themenstellung der Arbeit herangefUhrt werden. Diese sollen jedoch nicht zwangsweise eine weiterfUhrende Gliederung der Arbeit bedingen. Vgl. hierzu Berger, Ridge (1994), Cummings, Worley (1993), Dalheimer, Krainz, Oswald (1998), Doppler, Lauterburg (1995), Gomez (1994), und Lutz (1996). Vgl. hierzu insbesondere auch Kleingarn (1995), Tischler (1998) Deuringer (2000), Spalink (1999), Busch, SchreyOgg (2000), Czichos (2000), Kostka, MOnch (2002), Heitger, Doujak (2002) welche das Thema „Change Management" jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte

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Im Folgenden soil nun auf diese drei Elemente der Themenstellung nSher eingegangen werden. Diese thematische Analyse mSchte dabei die der Aufgabenstellung zugrunde liegende Problematik herausarbeiten.

1.4.1.

AnnSherung an ein mCgliches VerstSndnis von Wandel und „Change Management"

Primar stellt sich die Frage, vs^as „Change" bzw. „Change Management" im Zusammenhang mit Organisationen bedeutet. Auch wenn diese Frage trivial erscheinen mag, so ist sie doch fundamental. Denn sicherlich lasst sich Wandel beispielsweise kurzerhand als eine Veranderung des Status quo definieren. Anders kOnnte man Wandel auch als eine substantielle Veranderung eines Untemehmens definieren, v^obei die Neuerungen in alien Bereichen der Organisation denkbar waren. Sowohl das zu vermarktende Produkt, die verwendete Technologie, als auch die Mitarbeiter oder die Organisation des Untemehmens sind nicht als Ansatzpunkt einer Veranderung auszuschliefien.^^ Doch damit ist noch keineswegs geklart, v^ie ein Change zu bew^erten ist und ab welchem Zeitpimkt man von einem tatsachlichen Wandel sprechen kann. Untemehmen, die den bereits erwShnten, teils dramatischen Veranderungen des soziookonomischen Umfeldes und aufgrund der Globalisierungstendenzen der Markte zunehmender intemationaler Konkurrenz ausgesetzt sind, miissen sich mit mSglichen Zukunftsszenarien auseinandersetzen. Eine Moglichkeit, sich dem Thema „Wandel" und danach dem „Management des Wandels" zu nahem ist, sich nach der eigentlichen Zielsetzung von Wandel zu fragen. Change-Projekte sind z.B. darm notwendig, wenn die Untemehmensstrukturen den neuen Anforderungen des Marktes reaktiv angepasst w^erden sollen, oder aber wenn diese einer derartigen Restrukturierung unterworfen werden, dass sie aktiv die Spielregeln des Marktes verandem. Dies erfordert ein strategisches Denken, dessen primares Ziel auf Erfolg ausgerichtet ist. Der Aufbau solcher Potentiale ermoglicht den Erfolg! Und dieser ermoglicht wiederum den Aufbau von Potentialen.^^ Strategisches Denken und Handeln, somit auch der Wandel, ist folglich auf die Entfaltung von Handlungsmoglichkeiten und damit auf die Generierung von Fahigkeiten ausgerichtet, welche einen - im Vergleich zur Konkurrenz - dauerhaften Wettbewerbsvorteil generieren sollen. Dabei sind natiirlich solche Fahigkeiten von Relevanz, die als eine Entwicklung von Erfolgspotentialen aufgefasst werden konnen. Piimpin bezeichnet diese bewusst zu schaffenden Erfolgsvoraussetzungen als „Erfolgspositionen".^'^ Unter einer „strategischen Erfolgsposition" versteht er die in einer Untemehmimg durch den willentlichen Aufbau von 62 6^

64

Vgl. Reinhart, DUrrschmidt, Hirschberg, Selke (1999: 21). Ein Potential kann auch als die Gesamtheit aller vorhandenen verfiigbaren Mittel, MOglichkeiten, Fahigkeiten oder Energien beschrieben werden. Es wird damit also explizit eine mOgliche Realisierbarkeit intendiert. Vgl.PUmpin(1983:34).

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„Change Management - die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel" - eine Analyse

wichtigen und dominierenden Fahigkeiten geschaffene Voraussetzimg, die es dieser erlaubt, im Vergleich zur Konkurrenz langfristig uberdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Wolfrum hingegen spricht im Zusammenhang mit Erfolgspotentialen in einer Metapher von „Schloss und Schlussel". „Der Gnindgedanke besteht darin, dass Erfolgspotentiale auf ein Zusammenpassen von organisatorischen Fahigkeiten CSchltissel") und wie auch immer gearteten Anforderungen oder Gelegenheiten im organisatorischen Feld („Schl6sser") basieren." ^^ Somit liefie sich sagen, dass Erfolgspotentiale Handlungsmoglichkeiten darstellen, welche aufgrund der Fahigkeiten der Untemehmung und der vorherrschenden Feldbedingungen Erfolge erwarten lassen. Das impliziert dann auch die eventuelle Existenz von Handlungsmoglichkeiten, die keine definitiven Erfolgspotentiale darstellen, da, um mit der Metapher von „Schloss und Schlussel" zu argumentieren, der Schltissel das Schloss nicht sperren kann, zumal deren Kompatibilitat nicht gegeben ist oder aber kein Schloss passend zum Schlussel existiert.^^ Ein „Change" bzw. „Change Management" muss somit auf die Generierung oder Nutzung von Erfolgspotentialen ausgerichtet sein, unterstellt man, dass rational handelnde Untemehmen, zumindest nicht bewoisst, Handlungsmoglichkeiten aufbauen, welche auf den Zerfall des Systems gerichtet sind.^^ Jedoch engt dieser letzte Gedanke eigentlich die Definition von Erfolg zu sehr ein. Freilich mtlssen sich unterschiedliche Ergebnisse eines Wandels als Erfolg definieren lassen. Das bewusste ZerstOren einer Organisation etwa kann sehr wohl auch unter den MaBstaben der jeweiligen Interessensgruppen als Erfolg hierauf gerichteter Handlungen gesehen werden. Somit relativiert sich schnell die PlausibilitSt des oben angedeuteten zirkularen Wortspiels „Potentiale erm5glichen Erfolg und Erfolg ermoglicht Potentiale" vor dem Hintergrund von Schlagwortem wde Perspektivendualismus und Kontextpluralismus.^^ Derm w^orin letztlich der Erfolg oder die Potentiale eines fokalen Untemehmens zu sehen sind, bleibt eine Frage der eingenommen Perspektive und des zugrunde gelegten Kontextes. Beobachtungen oder Selbstbeschreibungen allein fiihren zu einer verkiirzten Sichtweise daruber, was die Erfolgspotentiale einer Untemehmung konstituiert.

65 66 6*7

68

Vgl. Wolfrum (1993: 97). Dies erklart dann auch die Tatsache, dass nicht alle Wandelvorhaben von Erfolg gekrOnt sind. Auch Bleicher (1992: 6) sieht in einer Untemehmensentwicklung die Veranderung in der langfristigen Nutzenstiftung gegenliber Bezugsgruppen und einer qualifizierten und relativen Positionierung einer Untemehmung gegentiber anderen Unternehmungen durch den Aufbau von strategischen Erfolgspotentialen. Wolfrum (1993: 201) spricht von einer „zirkuiaren Verflechtung" von Erfolgspotentialen und Erfolg, da beide Begriffe stets aufeinander verweisen. Sieht ein Untemehmen in etwa den Shareholder Value als den ErfolgsmaBstab seiner Handlungen an, wird es die HOhe seiner Erfolgspotentiale auch an diesem Ziel bemessen. Der Shareholder Value stellt insofem seinerseits ein Erfolgspotential dar, als er mafigeblich ftlr den Erfolg von Mafinahmen der Eigenkapitalbeschaffung verantwortlich sein dUrfte.

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte

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Um dieser verkurzten Sichtweise und dadurch induzierten „blinden Flecken" entgegenzutreten, muss eine komplementare Betrachtung von AuBen- und Binnenperspektive bzw. von Eigen- und Fremddefinition der Erfolgspotentiale festgelegt werden. Ohne Zweifel existiert in den Wirtschaftswissenschaften eine nicht naher eingrenzbare Vielfalt inkommensurabler Kontexte. Wie schon angedeutet, lasst sich zum Beispiel eine endgiiltige Definition von Erfolg oder Erfolgspotentialen, die dem Anspruch auf Vollstandigkeit genugen wurde, nicht finden. Einen Konsens hinsichtlich einer Definition von Erfolg oder Erfolgspotentialen, mit dem letztlich ein gemeinsamer, allgemeingiiltiger Referenzpunkt gefunden ware, ist sicherlich visionar. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass man Erfolg metaphorisch auch als einen n-dimensionalen Merkmalsraum begreifen konnte, wobei die den Merkmalsraum konstituierenden Achsen die mSglichen, existierenden, individuellen Wertvorstellungen von Erfolg wiedergeben. Innerhalb dieses Merkmalsraumes lieBen sich unendlich viele Kombinationen dieser Wertvorstellungen finden, welche das begrunden, was Erfolg darsteUt. Den Begriffen Erfolg und Erfolgspotentiale lasst sich folglich ein multidimensionaler Charakter zuschreiben, welcher darauf hinweist, dass ein Wandel und der damit intendierte Erfolg oder der Aufbau von Erfolgspotentialen aus differenten Perspektiven bewertet werden karm. Es lasst sich argumentieren, dass Untemehmen eigene, durch die derivative Lebenswelt gepragte Vorstellungen von dem, was einen Change konstituiert, sowie von dem hiermit verbundenem Erfolg oder von Erfolgspotentialen besitzen. Eine auBergewohnliche LemfMhigkeit oder eine rationalisierte Ftihrung kann Ausdruck von Erfolgspotentialen aus binnenperspektivischer Betrachtung sein. Auch handlungsentlastende Interaktionszusammenhange in Verbindung mit einem „Organizational Slack" konnen insofem als Erfolgspotentiale gewertet werden, als sie unter Umstanden bewusst Ubereinstimmung anstreben, um Konsenspotentiale aufzubauen, die die handlungsbelasteten Episoden begunstigen.69 ^ ^ s letztlich den Erfolg oder das Ziel eines Wandels begrtindet, lasst sich demnach nur vor dem Hintergrund der Erfolgsdefinition der Untemehmung beschreiben. Eine Pauschalisierung des Outcome von Wandel ist somit nicht moglich. Es ist jedoch weiter zu firagen, ob vor dem Hintergrund organisationaler polyzentrischer Handlungsstrukturen innerhalb der derivativen Lebenswelt selbst eine eindeutige Definition von Erfolg zu finden ist.'^^ Da der Begriff Erfolg subjektiv wertbeladen ist, wird eine Untemehmung die ihre zukiinftige Untemehmensentwicklung neu ausrichten mochte und hierftir Ziele auf der Grundlage ihrer Eigendefmition von Erfolg festlegt, die Binnen^^

''^

Vgl. hierzu Kirsch (1990b: 536f). Dieser versteht unter handlungsentlasteten Interaktionszusammenhangen informelle Gesprache, welche oftmals die Geburtsstatte neuer Ideen darstellen. Unter Organizational Slack werden in den KOpfen der Organisationsteilnehmer formierte, aber nicht formulierte Ressourcen des Untemehmens in Form von Ideen verstanden, welche bei informellen Gesprachen eher die Chance zur Vertiefung und Diskussion finden. Kirsch (1990: 24) unterscheidet insbesondere zwei differente Lebens- und Sprachformen. Die originaren sowie die derivativen Lebens- und Sprachformen. Die ersteren sind im Wesentlichen die alltaglichen, in der privaten Lebenswelt vorkommenden Sprachformen. In Organisationen, in welchen Menschen ihr Arbeitsleben verbringen, kOnnen sich jedoch organisationsbezogene und insofern derivative Lebens- und Sprachformen formieren.

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„Change Management - die Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel" - eine Analyse

perspektive verlassen mussen, um gleichsam von auBen zu beurteilen, ob die anvisierten Ziele auch aus dem Lichte einer Fremddefinition von Erfolg, z.B. vom Markt, als Erfolg oder als strategisches Erfolgspotential im Vergleich zur Konkurrenz gewertet wird. 1st dies nicht der Fall, kann zwar der Aufbau von Erfolgspotentialen moglich sein, jedoch ist die Existenz der fUr einen Erfolg notwendigen korrespondierenden Feldbedingung nicht gegeben. Eine Organisation mit der Intention eines Wandels ist damit gezv^oingen, einen Swdtch von der Binnen- zur AuBenperspektive zu voUziehen, um nicht Gefahr zu laufen, dass der vollzogene Change nicht auf Feldbedingungen trifft, die diesen a priori sinnlos werden lassen. So wird ein aus der AuBenperspektive beobachtender Konkurrent beispielsweise auf einen vermeintlichen Change ausgerichtete strategische Manover einer Untemehmung identifizieren, diese anhand seiner individuellen, kontextspezifischen Erfolgsdefinition quantifizieren und dann - als Resultat - hinter diesen Manovem hierauf gerichtete Strategien vermuten, die einem intendierten Change und damit der Entsvicklung von Erfolgspotentialen dienen. Dieser Konkurrent projiziert vor dem Hintergrund seines lebensweltlichen Kontextes eine mOgliche Welt der fokalen Untemehmung. Der Erfolgsdefinition mogen dabei rein finanzv^rtschaftliche Performance-MaBstabe oder die Zufriedenheit unterschiedlicher Stakeholder-Gruppen zugrunde gelegt werden. D.h., die an bestimmten ErfolgsmaBstaben orientierten Definitionen von Erfolg bestimmen das auBenperspektivische Bild der durch eine Veranderung zu generierenden Erfolgspotentiale. Man darf sich jedoch nicht der Illusion hingeben, dass das - aufgrund der Definition von Erfolg des beobachtenden Konkurrenten - gezeichnete Bild der Erfolgspotentiale mit der Eigendefinition von Erfolg der fokalen Untemehmung korrespondiert. Inkommensurable Erfolgsdefinitionen ftihren zu inkommensurablen Auffassungen uber die zu entwdckelnden Fahigkeiten, die das Erreichen gesteckter Ziele fordem sollen. Diese Argumentation zeigt die Interdependenz von Erfolgsdefinition und aufzubauenden Fahigkeiten als Grundlage der Erfolgspotentiale. Unterschiedliche Perspektiven und damit verbundene unterschiedliche Erfolgsdefinitionen ftihren zu inkompatiblen Vorstellungen uber Erfolgspotentiale. Schon deshalb muss auch eine alleinige auBenperspektivische Betrachtung als eine verkiirzte Sichtweise von Erfolgspotentialen und damit von Change gesehen werden. Somit lieBe sich also sagen, dass „[...] die Beobachtung strategischer Manover einen spezifischen „Beobachtungskontext" voraussetzt. Je nach Beobachtungskontext wird die strategische Entwicklung der gleichen Organisation unterschiedlich beobachtet werden." "^^ Es zeigt sich also, dass Eigen- und Fremddefinition von Erfolg und auch der Wandel letztlich auf individuellen Wertstandards beruhen, womit auch eine asthetische Dimension impliziert wird. Vor allem die Asthetik ist gekennzeichnet durch eine subjektive Wertbeladenheit. Ein theoretischer oder praktischer Diskurs uber Erfolg bzw. Erfolgspotentiale ist jedoch nach

Obring(1992:39).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

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Habermas nicht moglich, da Werte allenfalls fUr Interpretationen zugSnglich sind.'^^ Eine „Letztbegrundbarkeit" der Beurteilung von Erfolgspotentialen ist infolge der Wertbeladenheit korrespondierender ErfolgsmaBstabe demnach nicht moglich."^^ Klar w^ird somit, dass aus einer auBenperspektivischen Betrachtung aufgrund beobachtbarer, auf einen Wandel ausgerichteter, strategischer Manover dem fokalen Untemehmen Erfolgspotentiale imd damit oftmals auch hierauf gerichtete strategische Veranderungsprozesse unterstellt werden, die aus der Teilnehmerperspektive als solche gar nicht w^ahrgenommen werden. Die Begriindimg ist dann in den imterschiedlichen, teils inkommensurablen Wertvorstellungen und Weltbildem zu suchen, die letztlich die Erfolgsdefinition und folglich die Erfolgspotentiale beeinflussen. Die Wertvorstellungen der zentralen Anteilseigner einer Untemehmung bedingen letztlich auch den AnstoB fur einen Wandel.'^'^ Der Ausgangspunkt fur diese Argumentation liegt in dem bereits angesprochenem Konzept der geplanten Evolution. Die deduktive Orientierung der geplanten Evolution intendiert dabei eine Fortentwicklung der konzeptionellen Gesamtsicht der Untemehmensentwdcklung iiber den Einfluss „neuer Ideen", welche auch das Erreichen von „moglichen Welten" zum Ausdruck bringen konnen. „Neue Ideen" beschreiben dabei ein mogliches Zukunftsszenario der betrachteten Untemehmung, das mittels der Fortentwicklung der konzeptionellen Gesamtsicht und deren schrittsveisen Realisierung angestrebt werden soil. Strategisches Denken kann folglich auch als ein Denken in „m6glichen zukiinftigen Welten" charakterisiert werden.'^^ ,,Theorien" liefem das Gedankengerust dafiir, was grundsatzlich realisierbar bzw. „m6glich" ist. „It is the theory that determines what we can observe (Albert Einstein)." ^^ Eine generelle Initiierung eines „Change" lieBe sich nun auch in Anlehnung an Kirsch aus einem „Misfit" zwischen einer durch Daten „beobachtbaren Welt", einer aufgrund von Werten „praferierten Welt" und einer mittels Theorien zu erwartenden oder „mdglichen Welt" heraus erklaren.'^'^' "^^ Dieses in Anlehnung an Galtung (1979) vereinfachte trilaterale Argumentationsschema stellt einen moglichen Bezugsrahmen fiir die Entstehung von Wandelprozessen in Organisationen dar.

^2

73 74 75 76 77 78

Habermas (1981: 41) bringt zum Ausdruck, dass in einer intersubjektiven Anerkennung von Werten noch keine generelle ZustimmungsfUhigkeit zu sehen sei. Deshalb wUrden Argumentationen, die eine Rechtfertigung von Wertstandards bezwecken, nicht den Anforderungen von Diskursen genUgen. Diese Argumentationen wUrden vielmehr einer asthetischen Kritik entsprechen. Vgl. hierzu Wolfrum (1993: 195). Vgl. auch Zeira (1989: 38) sowie Spector (1989: 30). Vgl. hierzu Kirsch (1990: 432f.). Vgl. Goldstein (1988). Vgl. Kirsch (1990: 44Iff.). Vgl.auchBleicher(1992:6).

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„Change Management - die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel" - eine Analyse

beobachtbare Welt Daten

"mfigliche Welt" Theorien

Abbildung 7:

FIT

Das trilaterale Argumentationsschema nach Galtung (1979)

Der systemimmanente Antrieb fur das Auslosen eines Wandels ist dabei um so ausgepragter, je groBer die Divergenz der praferierten und der beobachtbaren Welt vor dem Hintergnind des tatsachlich Realisierbaren ist. Die tatsachliche Erreichbarkeit der durch subjektive Werte beschriebenen praferierten Welt wird determiniert durch die existenten Theorien, welche die Basis ftir eine in der Zukunft m5glichen Welt bilden. Nun ist es sicherlich im Rahmen des Machbaren, durch die Erweiterung und Fortentwicklung der theoretischen Basis neue Wege fiir eine Annaherung der beobachtbaren an die pr^ferierte Welt zu generieren. Ausgehend von der von Galtung beschriebenen „Trichotomie" definiert Kirsch einen „Misfit" dann, wenn ein Uberftihren der beobachteten Welt in die aufgrund der Werte prSferierten Welt infolge einer bestimmten Theorie „technologisch" nicht moglich ist.^^ Um diesen „Misfit" nun in einen „Fit" umzuwandeln, stehen drei prinzipielle Moglichkeiten zur Verfugung. Ein erster moglicher Weg begrundet sich darin, eine Veranderung der Daten bzw. der beobachteten Welt zu bewirken. Auf der Basis der zugrunde liegenden Theorie miissen die Daten so verandert werden, dass ein sich Annahem an die bevorzugte Welt moglich wird. Kirsch spricht hierbei von dem „Normalfair', welcher stets an den strukturellen Konstellationen im organisatorischen Feld ankntipft. Denkbar ware nun jedoch auch, dass ein Anpassen der Daten als solches nicht durchfiihrbar ist Oder aber dies derartige Konsequenzen nach sich ziehen wiirde, dass dieser Losungsweg vor dem Hintergrund der postulierten Werte inadaquat erscheint. Ein zweiter Ansatz zur

Vgl. Kirsch (1990: 442f.).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

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Beseitigung des „Misfits" ware dann in einer Erweitenmg der zugnmde liegenden Theorie zu finden, welche die Daten der beobachtbaren Welt jetzt als opportun zu den Werten erscheinen lasst. Eine letzte Moglichkeit der Auflosung eines „Misfits" liegt in einer Revision der Werte bzw. der praferierten Welt, wenn eine Erweitenmg der Theorie oder eine Anpassung der Daten unmoglich ist. Freilich ist dieser Losimgsweg jener, welcher als letzte mOgliche Alternative zur Auflosung eines „Misfits" herangezogen werden wdrd, zumal Werte im Sinne einer praferierten Welt oftmals einen visionaren Charakter besitzen. Welcher der drei vorgeschlagenen „Losungswege" nun zur UberfUhrung einer „MisfitKonstellation" in einen „Fit" eingeschlagen ward, unterliegt einer jeweiligen situationsabhangigen Entscheidung und charakterisiert sich damit als ein „reasoning from case to case". Das Auflauchen eines „Misfits" zwdschen der beobachtbaren, praferierten und moglichen Welt kann somit als ein erstes Indiz fur einen moglichen Wandel angesehen werden und stellt insofem den Ausgangspunkt eines jeglichen „Change" bzw. eines „Change Management-Prozesses" dar. Zusammenfassend soil an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden, dass ein „Change" und der damit verbundene „Change Management-Prozess" grundsatzlich ein auf Erfolg ausgerichtetes Ziel verfolgen, unabhangig davon was im einzelnen auch mit Erfolg an sich in Verbindung gebracht werden soil. Der Drang zur Initiierung einer „Change-Episode" steigt, insofem ein „Misfit" zwdschen beobachteter, praferierter und mOglicher Welt identifiziert und von den zentralen Betroffenen einer Organisation intemalisiert wird. Eine weitere Moglichkeit, sich dem Thema „Wandel" zu nahem, ist der Versuch der Identifikation von Grundtypen einer Veranderung, welche mit drei Sektoren des Untemehmensgeschehens in Verbindung stehen:^^ • • • •

Strategiewandel, Ressourcenwandel, Strukturwandel, Untemehmungs wandel.

Vgl. hierzu im Folgenden insbesondere ReiC (1997: 7ff.).

34

„Change Management - die Handhabung von Widerstfinden gegen Wandel" - eine Analyse

RESSOURCENWANDEL

STRATEGIEWANDEL o INTERNATIONAUSIERUNG

UNTERNEHMUNGS WANDEL

o KUNDENORIENTIERUNG o DIENSTLEISTUNGSKONVERSION o KERNKOMPETCNZEN

^

oTURNAROUND o KULTURWANDEL

o TECHNOLOGDEWANDEL o WERTEWANDEL O ROLLENWANDEL o OKOLOGISCHER WANDEL

o FITNESS o UNTERNEHMERTUM

o CENTER-ORGANISATION o PROZESSORGANISATION o AKQUISmON o NETWORKING o .,,

STRUKTURWANDEL Abbildung 8:

Archetypen des Wandels im Unternehmen ^^

Der Strategiewandel umschreibt eine tiefgreifende Veranderung, die sich auf einer strategischen Neuorientierung begrUndet.^^ gjn Ressourcenwandel hingegen hat als Ausgangspunkt der Restrukturienmg die Personalstruktur, die technologischen oder ekologischen Ressourcen.^^ Der Strukturwandel fokussiert insbesondere Veranderungen der Aufbau- und Ablauforganisation.^'^ ReiB unterscheidet weiterhin den Unternehmungswandel als Oberbegriff ftir die existierenden Veranderungskonzepte, welche alle Untemehmenssektoren und demzufolge die gesamte Organisation mit gleicher IntensitSt betreffen.^^ Moglich ist aber auch, dass der Untemehmenswandel nicht an den Grenzen der Organisation endet, sondem der Kreis der Betroffenen ebenso alle Stakeholder sowie vor- und nachgelagerte Bereiche der Wertschopfungskette integriert. Es steUt sich jetzt die Frage, inwieweit eine definitive, umfassende Aussage iiber den Begriff eines „Change Managements" sich als sinnvoll erweist. Ein kurzer Uberblick iiber einige Definitionsansatze soil die generellen Rahmenbedingungen, vor dem Hintergrund der bisherigen Ausflihrungen zu einem Verstandnis von „Wandel" geben.

81 82

Vgl. ReiB (1997: 8). Hierzu zahlen beispielsweise Intemationalisierungsstrategien oder die Konzentration auf Kemkompetenzen oder aber die Konversion von einem produzierenden Unternehmen zu einem Dienstleistungsanbieter. Hinsichtiich eines technologieinduzierten Wandels denke man zum Beispiel an die bereits erwahnten Informations- und Kommunikationstechnoiogien. ReiB (1997: 8) nennt hierbei die Einflihrung einer Prozessorganisation aus Prozessverantwortlichen, die zu neuartigen und oftmals teamorientierten Aufbaustrukturen fllhrt. Angesprochen sind hier etwa Konzepte eines „Fitness-Managements" im Sinne von „Lean-Management", „Downsizing" oder „Intrapreneuring". Aber auch ein kultureller Wandel ist Bestandteil eines Untemehmenswandels. Vgl. ReiB (1997: 9).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte 1.4.2.

35

„Change Management" im Lichte der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur

Die Auseinandersetzung mit der Thematik einer professionellen Handhabung von Verandenmgsprozessen beschaftigt seit langem die v^rtschaftsv^ssenschaftliche Literatur. Die Erkenntnis, dass der Dynamik des sozio-6konomischen Umfeldes in Zukunft nicht mit stabilen Untemehmensstrukturen begegnet werden kann, sondem flexiblerer, schlagkrSftigerer Einheiten bedarf, erscheint offensichtlich.^^ Dass ein Wandel hSufig nur als ein langwderiger Prozess zu verstehen sein kann, ist logisch, da eine VerSnderung immer auch eine Transformation kognitiver Denkmodelle impliziert, welcher zunSchst eine Bewoisstseinsanderung der vom Wandel betroffenen Individuen vorgeschaltet ist, wodurch komplexe ProblemlQsungsverfahren erst in Gang gesetzt werden. Die KomplexitSt, die mit einem Ver^nderungsprozess einhergeht, liegt nicht in einer systemischen Wandlung begrundet, sondem vielmehr im Faktor Mensch, dessen WandlungsfMgkeit sicherlich als sehr hoch einzuschatzen ist, dessen Verdnderungswille hingegen als eher determiniert zu bezeichnen w^are. Insofem ruckt das Individuum, der Mensch in den eigentlichen Fokus der Forschungsbemiihungen des Wandels bzw. auch des Widerstandes gegen VerMnderungen. Untemehmen lassen sich nur verstehen, wenn man begreift, wde die Organisationsteilnehmer denken. ^'^ Kostka, M6nch stellen in deren Verstandnis von Change-Management den Faktor Mensch explizit in den Vordergrund: „Unter Change Management wird ein Prozess der kontinuierlichen Planung und Realisierung von tief greifenden VerSnderungen verstanden, die von den Menschen vollzogen werden mussen." ^^ Ein friiher fundamentaler Ansatz, der den geplanten Wandel betrachtet, ist das „Change Modell" von Lewin {\9A1)P Lev^n fasst dabei den Wandel als eine Veranderung jener Krafle auf, die ein gegebenes System in einem stabilen Gleichgewdcht halten. Das Verharren eines Systems w^ird seiner Meinung nach bestimmt von zwei KrSften. Zum Einen von der Kraft, welche das System zw^ingt, den Status quo zu bew^ahren, und zum Anderen von jener, w^elche es zur Veranderung drangt. Sind beide Krafte in sich ausgewogen, so herrscht ein „quasi-stationdres Gleichgewicht". ^^' ^^ Eine Modifikation dieses „quasi-stationaren Gleichgewichts" lasst sich mittels einer bevmssten Verstarkung oder Minderung einer der beiden das Gleichgewicht konstituierenden Krafte erreichen. Dabei vertritt Lev^n die Meinung, dass es hinsichtlich einer Durchsetzung der mit einem Wandel verbundenen Ziele einfacher sei, die Krafte des Status quo zu mindem, als jene einer Veranderung zu erhChen, da 86 ^'7

88 89 90 91

Vgl. hierzu Deuringer (2000). Mit Wandlungsfahigkeit soil hier die grundsatzliche MOglichkeit des Individuums zur Veranderung angesprochen werden. Inwiefem die Betroffenen dieses Potential auch nutzen mOchten, ist selbstverstandlich eine andere Frage. Vgl. auch Erve (1990: 55). Kostka, M5nch (2002: 5). Vgl. Cummings (1993: 53), Kanter, Stein, Todd (1992: 10), Goodstein, Burke (1991: 8ff.) sowie Barr (1992: 17). Vgl. Cummings (1993: 53). Vgl. auch die Ausftihrungen im Kapitel 1.1.

36

„Change Management - die Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel" - eine Analyse

die dadurch verursachten Widerstande gegen die induzierte Neuening geringer seinen. Er weist zugleich jedoch auf die Notwendigkeit einer dualen Modifikation beider Krafte innerhalb eines Change-Ereignisses hin. „Lewins Konzeption scheinbar statischer Systeme wie beim „quasi-stationaren Gleichgewicht" (1963) hat darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es ist, Widerstande abzubauen, wenn man Veranderungen erreichen will, ohne dabei allzu groBen Druck auszuiiben. Bei dem iiblichen Vorgehen, mehr Druck auszuttben, indem man ftir etwas zu liberzeugen versucht, wird die Spannung innerhalb des Systems verst^rkt. Wenn man die entgegengesetzte Strategie verfolgt - den Widerstand zu neutralisieren oder umzuwandeln, dann reichen die schon im System vorhandenen KrSfte aus, um eine Bewegung in Gang zu bringen." ^^ Lewin beschreibt eine Veranderung als einen Prozess bestehend aus drei Schritten:^^ • • •

Unfreezing, Moving, Refreezing.

(1) Die Phase des „Auftauens" bzw. des „Unfreezing" intendiert eine Minderung der Krafte, welche das systemische Gleichgewicht imtermauem. Dieser Schritt kann als eine Art Vorbereitung der von einem Wandel Betroffenen verstanden werden, da hierbei die bestehende „Lucke" zwischen praferiertem, zukiinftigem Zustand der Organisation und der tatsachlichen, gegenwMigen Situation deutlich gemacht werden soil. Dabei wird insbesondere auch das derzeitige und das gewUnschte Verhalten der Organisationsmitglieder gegeniibergestellt. (2) Im zweiten Schritt soil die „Bewegung" in Richtung des intendierten Zustandes des Systems initiiert werden. Die Institutionalisierung neuer Werte und Verhaltensweisen steht ebenso im Vordergrund wie die Modifikation von Untemehmensstrukturen und -prozessen. (3) Die dritte und letzte Phase im Modell des Wandels von Lewin stabilisiert den erreichten, gleichgewichtigen, neuen Zustand des Systems. Dabei treten flankierende Mafinahmen in den Vordergrund, welche die realisierten Veranderungen iimerhalb der Untemehmenskultur, den Strukturen und Normen der Organisation fundieren sollen. Lewin's Modell kann jedoch nur sehr oberflachlich einen Bezugsrahmen ftir einen organisatorischen Wandel darstellen. Das folgende Zitat von Kanter, Stein und Todd bringt dies wie folgt zum Ausdruck: ^^ „This quaintly linear and static conception - the organization as ice cube - is so widely inappropriate that it is difficult to see why it has not only survived but prospered, except for one thing. It offers managers a very straightforward way of planning their actions, by simplifying an extraordinarily complex process into a child's formula." 92 9^ 94

Bennis, Benne, Chin (1975: 415). Vgl. ftlr eine ausflihrliche Beschreibung des „Change-Modells" von Lewin auch Goodstein, Burke (1991: 8ff.). Vgl. Kanter, Stein, Todd (1992: 10).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

37

In dem von Lewin postulierten Management des Wandels offenbart sich eine stark imtemehmensintrovertierte Sicht. Das Modell per se postuliert nicht das Vermogen, Veranderungen im Umfeld der Untemehmen zu erfassen. Zudem wird der Wandel einer Untemehmimg von Lewin weniger als ein stetiger, nicht endender, selbst perpetuierender imd dynamischer Prozess betrachtet, sondem eher als eine statische „Change-Episode", die einem Zwischenspiel gleichend, kurzzeitig fur Altemanz sorgt, bis letztlich wieder ein stabiler Zustand erreicht wird. Titze dagegen charakterisiert ein „Change Management" in zwei Dimensionen.^^ Er unterscheidet dabei eine exogene sowie eine endogene Dimension eines „Change Managements". Erstere driickt seiner Meinung nach die Fahigkeit einer Organisation aus, den Wandel im sozio-okonomischen Umfeld antizipativ zu erkennen imd darauf aufbauend die fiir eine Verandenmg relevanten Strategien zu definieren. Die endogene Dimension indessen soil vielmehr die intrinsischen Voraussetzungen fur die WandelungsfMhigkeit der Untemehmung bewirken. Deutlich wird bei Titze insbesondere, dass der Begriff des „Change Managements" eine allein introvertierte Sicht vemeinen muss. Vielmehr wird ein bewusst praventiver Ansatz gefordert, der in einer Fruhaufklarung die Entwicklungen im Umfeld der Untemehmen sondiert und in Ziele und Strategien der Organisation integriert. Eine ahnliche Auffassung von „Change Management" vertritt Recardo:^^ „Change management is the process an organization uses to: • Identify new demands and/or constraints that the external environment places on them. • Identify the type of strategic and operational initiatives needed to maximize organizational performance. • Design, implement, and evaluate appropriate initiatives." Recardos Sichtweise eines „Change Managements" fordert nicht explizit die Notwendigkeit einer Komplementaritat von AuBen- und Binnenperspektive einer Organisation. Implizit wird dies jedoch offenkundig durch die Relevanz der Beobachtung der Untemehmensumw^elt, deren Entwicklung in die eine oder andere Richtung unterschiedliche Aktionen innerhalb der Organisation induzieren kann. Die Definition von Recardo hebt insbesondere auch den prozessualen Charakter eines „Change Managements" hervor. Wie bereits angedeutet, kann ein Wandel nur als ein dynamischer Prozess verstanden werden, welcher letztlich kein definitives Ende findet, da das Umfeld selbst einer standigen Verandenmg unterliegt. Recardo spricht in seiner Auffassung von „Change Management" jedoch nur von einer „Identifikation neuer Bedurfnisse", weniger von einer stetigen Beobachtung im Sinne einer permanenten Fruhaufklarung. Titze untermauert diese Aussage indirekt wie folgt:

95 96

Siehe hierzu Titze (1992: 13). Vgl. Recardo (1995: 5).

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„Change Management - die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel" - eine Analyse „Change Management ist nicht als ein punktuelles Ergebnis eines Projektes, sondem als laufender Prozess, als eine „Charaktereigenschaft" des Untemehmens zu verstehen, die Flexibilitat zum Hauptinhalt der Untemehmenskultur macht." ^^

Sicherlich m6gen innerhalb eines Wandels einer Untemehmung verschiedene Phasen bzw. imterschiedliche Change-Projekte identifiziert werden kOnnen. Es ist jedoch auch eine Frage der Perspektive, unter welcher man einen „Change" betrachtet. Auf einer „Projektebene", deren primare Intention es ist, das Erreichen eines spezifischen Zieles sicherzustellen, mag die Abgrenzung einer „Change-Episode" durchaus sinnvoll erscheinen. Ein „Change Management" hingegen nimmt eine ganzheitliche Perspektive ein, dessen Gestaltimgsobjekt das Untemehmen als Gesamtheit seiner Verflechtungen mit der Umwelt ist. „Mit dem Change Management wird die dynamische Untemehmensentwicklung zum Gestaltungselement des Managements." ^* Reifi charakterisiert „Change Management" als die Generierung von „Inirastnikturen" fiir VerSnderungen.^^ Nicht die Erfindung des Wandels steht im Zentrum eines Management des Wandels, sondem die Bereitstellung einer positiven Umgebung fiir diese neuen Ideen mit dem Ziel einer optimalen Untemehmensentwicklung. „Im Rahmen eines proaktiven VerSnderungsmanagements geht es vor allem darum, ein verfinderungsfreundliches Klima zu schaffen, in dem neue Ideen und Konzepte entstehen k5nnen. Innerhalb eines reaktiven Change Managements soil fiir bereits formulierte oder „von drauBen" importierte Konzepte ein umsetzungsfreundlicher Kontext geschaffen werden." loo Charakterisiert man nun „Change Management" als einen Prozess, welcher die Dynamik des sozio-6konomischen Umfeldes von Untemehmungen und den damit verbundenen Wandel aktiv in die Organisation einflieBen lassen soil, so erscheint es sinnlos, aufgrund der mannigfaltigen unterschiedlichen Anforderungen an die Untemehmungen einen „Change Management-Prozess" explizit zu definieren. Dieser sollte allenfalls bestimmten Charakterisierungen geniigen. Um den vielseitigen Aufgaben mit der notwendigen Flexibilitat gewachsen zu sein, miisste ein Prozess des „Change Managements" besser als ein offener, individuell zu gestaltender Ablauf verstanden werden, welcher aus einer Fiille existierender Ideen und Management-Tools, je nach den an einen Wandel gerichteten Erwartungen, gestaltet wird. Damit soil die generelle Individualitat eines untemehmensspeziflschen „Change Managements" hervorgehoben und gleichzeitig einer einengenden Definition von „Change Management" entgegengevsdrkt werden. Jede Festlegung des Begriffs ist letztlich nur der Versuch, aus einer subjektiven Wertbeladenheit heraus zu skizzieren, welche Eigenschaften ein „Change Management" implizieren sollte.

97 98 99 100

Titze(1992: 15). Bleicher(1992:4). Vgl.Reifi(1997:9ff.). Vgl. ReiB (1997: 9), Hervorh. im Orig.. Vgl. hierzu auch die Aussagen zur geplanten Evolution auf Seite 13ff. und insbesondere die Ausftlhrungen zur induktiven und deduktiven Orientierung einer konzeptionellen Gesamtsicht auf Seite 16.

„Stabilitfit" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

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Was aber charakterisiert die Diskussion um den Begriff des „Change Managements"? Ein untemehmensindividuelles Verstandnis bedeutet nicht, dass ein „Change Management" absolut wertfrei und unbelastet von damit implizierten Anforderungen ist. Untemehmen, welche die Verandenmg ihrer Umwelt erkannt und als eine Herausfordenmg fUr ihre eigene Neuordnung, insbesondere im Sinne einer H5herentvvicklimg und weniger einer bloBen Anpassung bzw. Reaktion an nicht zu ^demde Gegebenheiten sehen, denken mit einer gewissen Professionalitat iiber die untemehmenseigene WandelimgsMiigkeit nach. Diese Professionalitat der Auseinandersetzung hebt ein „Change Management" ab von einer einfachen, trivialen Verandenmg. „Wenn in einem Untemehmen explizit von „Change Management" die Rede ist, dann ist man sich der Notwendigkeit einer besonderen, professionellen Art der BewShigung der vielfahigen „Change-Probleme" bewuBt. Man kommuniziert in diesem Untemehmen iiber diese Notwendigkeit und diskutiert sogar uber ,J*hilosophien" der richtigen Art und Weise, „Change-Probleme" anzugehen." ^^^ Womit lasst sich diese Professionalitat typisieren? Laker identifiziert vier generelle Unterscheidungsfaktoren, welche ein „Change Management" von einem „Management as usual" differenzieren: ^02 • • • •

Kundenorientierung, Konkurrenzanalyse, Untemehmensumfeldanalyse, Eigenes Untemehmen - kreative Dynamik.

NUT eine tatsachlich praktizierte Kundenorientierung erlaubt es den Untemehmen am Markt, den sich standig andemden Kundenanforderungen gerecht zu werden. Dies erfordert eine umfassende NShe zum Kunden, um nicht einzig und allein auf die Bediirfhisse der Marktteilnehmer zu reagieren, sondem vielmehr die RoUe des Aktors selbst zu tibemehmen und die Kundenbediirfnisse zu kreieren bzw. zu antizipieren. Ziel eines „Change Managements" ist letztlich eine Steigerung des Kundennutzens und die damit verbundene Hoherentwicklung der eigenen Untemehmung selbst. Ein professioneller Umgang mit „Change" bedingt eine kontinuierliche Sondierung der am Markt existierenden Mitwettbewerber. Dabei liefert sicherlich eine alleinige Beobachtung der starksten oder erfolgreichsten Konkurrenten eine zu verengte Perspektive des Marktes. Oftmals sind es geradezu neue, kleinere Untemehmen, welche neue Spielregeln am Markt einfiihren, wie dies beispielsweise zunehmend in der „New Economy" demonstriert wird.^^^ ^^^

102 103

In Anlehnung an Kirsch (1990a: 447). Kirsch spricht hier nicht ausdrtlcklich von einem „Change Management", sondem von einem Personaimanagement. Jedoch deutet Kirsch durch die Verwendung des Begriffes „strategisches X-Management", am Ende seiner AusfUhrungen auf eine durch diesen Terminus bewusst verfolgte terminologische Offenheit hin. Vgl. Laker (1992: 16). Auch wenn der Begriff der „New Economy" derzeit in nicht unerhebliche Missgunst gefallen ist, so konnten doch vor allem auch kleine Garagenuntemehmen ganze Markte revolutionieren. Letztlich mag selbst Microsoft als ehemalige Garagenuntemehmung hierfilr Beispiel sein.

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„Change Management - die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel" - eine Analyse

Eine fundierte Konkurrenzanalyse ist infolgedessen ein essentieller Baustein eines erfolgreichen „Change Managements". Ein „Change Management" sollte bewusst die Rahmenbedingungen des Unternehmensumfeldes sondieren, um eine maBgebliche Verandenmg beispielsweise gesetzlicher oder wirtschaftspolitischer Art oder aber Andenmgen des individuellen Wertesystems zu erfassen. Der professionelle Umgang mit dem Wandel umfasst auch die Institutionalisienmg der bereits angesprochenen regulativen Idee des Fortschritts, welche Ausdruck einer kreativen Dynamik ist - getreu der Schumpeterschen Theorie „Innovation ist die kreative Zerstorung durch Untemehmer". D.h., selbst wenn kein akuter Anlass fur einen Wandel existiert, sollte ein „Change Management" stSndig die Bedingimgen des Status quo hinterfragen und damit den Gnmdgedanken einer geplanten Evolution der Untemehmung vorantreiben. Fur Laker umfasst ein „Change Management" alle Aktivitaten, welche dazu dienen, die Dynamik des Umfeldes bestmoglich fiir das eigene Untemehmen zu nutzen und die damit verbundene Unsicherheit weitgehendst zu reduzieren. ^^^ „Change Management" bedeutet also, die das eigene Untemehmen beeinflussenden Umfeldveranderungen aktiv mit zu gestalten und VerSnderungen als Chance und nicht als bedrohendes Risiko aufzufassen. [...] Samtliche Mafinahmen eines erfolgreichen Change Managements mussen darauf abzielen, schneller, flexibler und zuverlSssiger als die Konkurrenz zu beobachten, sich zu orientieren, sich zu entscheiden und zu handeln."*^^ An anderer Stelle schreiben Bruhn und Grimm uber „Change Management":^^^ „Ein Change Management hat in erster Linie die Komplexitat und Dynamik des Umfeldes als Grundtatbestand positiv aufzunehmen; diese nicht als Bedrohung, sondem als Chance, zu begreifen. [...] Ein Change Management ist die prozessorientierte, strategische Fiihrung des Untemehmens nach innen und auBen, die Notwendigkeiten und Moglichkeiten von Veranderungen identifiziert und kommuniziert, alternative Problemlosungen vorschlagt sowie die zur Problemlosung benotigten Ressourcen koordiniert und integriert." Ein „Change Management" sollte dabei nach Bruhn und Grimm verschiedenen Anforderungen genugen. Zum einen sollte es die Ganzheitlichkeit in der Problemanalyse beriicksichtigen, Impulse fur Veranderungsprozesse erkennen wie auch die zentralen strategischen Ziele beachten. Zum anderen sollte es die Forderung der Lemfahigkeit von Untemehmen forcieren, sowie der Zeit als strategischen Erfolgsfaktor fur das Untemehmen Rechnung tragen.^^'^ Um einen Wandel jedoch in einem Untemehmen zu unplementieren, wie Titze bereits mit der Beriicksichtigung einer endogenen Dimension eines „Change Managements" angesprochen hat, besteht auch die Notwendigkeit fur die Schaffung einer adaquaten Veranderungs104

Vgl. Laker (1992: 16).

105

Vgl. Laker ( 1 9 9 2 : 17).

106

Vgl. Bruhn, G r i m m (1992: 24).

107

Vgl. Bruhn, G r i m m (1992: 24).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

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bereitschaft der Organisationsteilnehmer, womit auch auf die Existenz oder den Aufbau einer untemehmensspezifischen Informations- und Kommunikationskultur hingewiesen wird, welche die Unausweichlichkeit eines Wandels im Untemehmen proklamiert. Ein professionelles Change Management muss sich auch im Zuge einer Verbesserung der untemehmerischen WandlungsfMhigkeit mit einer eventuellen VerSnderung der Organisationsstruktur auseinandersetzen, da beispielsweise durch deren Offtiung eine interdependente Entwicklung von Markt und Untemehmen i.S. einer „Koevolution" ermogHcht wird, und damit eine Steigerung der Lemfahigkeit der Organisation sowie einer „Responsiveness" einhergehen konnte. Kritikfahigkeit und Feedbacksysteme sind Rahmenbedingungen oder „Infrastrukturen", die haufig von den Anforderungen an ein „Change Management" nicht explizit erfasst werden. ^^^ Gleichwohl bilden gerade diese trivial erscheinenden Pramissen essentielle Eckpfeiler der Gestaltung und Lenkung kontinuierlicher Lemprozesse im Untemehmen, welche von einzelnen Organisationsmitgliedem, Gmppen oder aber der Untemehmung per se getragen werden und dem System eine Hoherentv^cklung ermOglichen.^^^ Kognitive Dissonanzen, welche durch das Erlemen neuer Verhaltensweisen oder das Entlemen obsoleter Gmndhaltungen zwangslSufig Inhalt jeglicher Change-Prozesse sind, erfordem die Benicksichtigung psychologischer Erkenntnistheorien, um den Veranderungswillen der Individuen an deren grundsatzliche Wandelungsfahigkeit zu assimilierenJ^^ Es zeigt sich, dass der Begriff des „Change Managements" nur mehrdimensional zu defmieren ist. „Change Management" lasst sich daher eher beschreiben als intelligente Schafflmg einer untemehmensspezifischen „Change-Arena", welche alle notwendigen Rahmenbedingungen ftir den jeweiligen intendierten Wandel implizieren. Aufgrund der einem „Change" inharenten UntemehmensspezifltSt sollte ein „Change Management" oder ein damit induzierter „Change Management Prozess" nur als ein offener, individueller Prozess verstanden werden, welcher ahnlich einem „reasoning from case to case" situativ neu gestaltet und den untemehmensspezifischen Gegebenheiten angeglichen werden muss. Eine Pauschalisierung eines „Change Management-Prozesses" im Sinne einer determinierten Folge von Schritten, AblSufen oder anzuwendenden Tools erscheint aufgrund der enormen Komplexitat eines Wandels abwegig. Vielmehr soil unter einem „Change Management" oder einem damit verbundenem „Change Management-Prozess" ein offener, untemehmensspezifischer wie auch situationsabhangiger Prozess verstanden werden, welcher sich aus unterschiedlichsten Management-Tools oder 1^^ 109 110

Siehe auch hierzu auch Seite 38 dieser Arbeit. Vgl.Tischler(1998). Die grundsatzliche individuelle WandlungsfUhigkeit soil Ausdruck fUr die generelle Machbarkeit einer Veranderung sein. Freilich muss davon ausgegangen werden, dass dieser prinzipiellen Machbarkeit Individualziele und opportunistisches Verhaltenspotential entgegenwirken und folglich der individuelle Veranderungswille von der mOglichen WandlungsfMhigkeit auch aufgrund der Inkompatibilitat von Individual- und Untemehmenszielen divergiert.

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„Change Management - die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel" - eine Analyse

Ansatzen zusammenfugt und damit dem intendierten Wandel zum Erfolg verhilft. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht bestimmte Tools mit einer gewissen Konstanz immer wieder in unterschiedlichen „Change-Prozessen" anzutreffen sein werden. Die Haufigkeit der Verwendung wiirde dann den Stellenwert dieses Change Management-Tools in der derzeitigen wirtschaftswissenschaftlichen Theorie widerspiegeln. Sinn und Zweck dieser Arbeit ist es, diesem „Pool" an Change Management-Tools ein weiteres „Werkzeug" hinzuzufugen, welches sich explizit mit der Handhabung von Widerstanden im Rahmen eines Wandels auseinandersetzt und damit den Faktor Mensch sehr stark in das Zentrum der Uberlegungen stellt. Dabei wird die Einbindung dieser neuen Perspektive den Untemehmen vorbehalten sein, welche es als notwendig erachten, sich vielleicht aufgrund der auftretenden Schwierigkeiten mit dem Change-Prozess oder aber aufgrund von bereits gemachten Erfahrungen mit Veranderungsprozessen - bewoisst mit Widerstanden gegen Wandel auseinander zu setzen. Freilich ward dieses Management-Tool zur Handhabung von Widerstanden gegen Wandel einen bestimmten Platz in einem moglichen „Change Management-Prozess" einnehmen wollen. Jedoch ist es auch moglich, nur Teile dieses Tools an unterschiedlichsten Stellen des Change-Prozesses zu implementieren. Schafft es ein Untemehmen, seine Untemehmenskultur derart zu gestalten, dass ein hochstes Mafi an Veranderungswille bei den Organisationsteilnehmem Grundlage ihres Denkens und Handelns ist, so kann das Managementtool einer bewussten Beriicksichtigung der mit einem Wandel verbundenen Widerstande obsolet werden und damit nicht mehr Teil des untemehmensspezifischen „Change Management-Prozesses" sein. Dies mag sicherlich eher dann zutreffen, wenn die Untemehmenshistorie, etwa infolge der bislang nur kurzen Existenz der Organisation, den Mitarbeitem keine bestimmten Verhaltensweisen oder „Rituale" oktroyiert. Trotzdem sind Menschen gepragt von Kulturen, gesellschaftlichen Werten und Normen, welche stets bestimmte Verhaltensmuster oder Denkhaltungen unterschiedlichster Auspragung zur Folge haben. Vielleicht lasst sich sogar sagen, dass die Angst vor einer ungewissen und unsicheren Zukunft die gesamte Menschheit mehr oder minder beunruhigt. Wandel ist immer mit Risiko verbunden. Wie hoch ist jedoch die individuelle Risikobereitschaft? Ist man bereit, den individuellen Status quo aufs Spiel zu setzen oder nicht? Fragen letztlich, welche daniber entscheiden, wie Individuen einem Wandel gegentiber aufgeschlossen sind. Angst und geringe Risikobereitschaft sind ein fruchtbarer Nahrboden fur Widerstande gegen Wandel. Und die individuelle Historic ist oftmals ein nicht zu unterschatzender, begrenzender Faktor. „Tiefgreifende Veranderungen sind dadurch gekennzeichnet, dass besondere Probleme der Komplexitatshandhabung und der Durchsetzung auftreten. Das Interesse gilt dem gesamten Prozess, in dessen Verlauf die Ziele und die gewDnschten Erfordemisse eines neu zu entwickelnden Systems bestimmt werden und das entsprechende Systemmodell entworfen, realisiert und getestet wird. Im Gegensatz zur Theorie der Strukturgestaltung beachtet sie [die Theorie des geplanten Wandels von Systemen, Anm. d. Verf.] insbesondere auch die Fragen der Durchsetzung und der Handhabung der mit tiefgreifenden Veranderungen stets verbundenen Konflikte und Anpassungswiderstande. Da diese Konflikte und Widerstande in dem jeweils bestehenden alten Systemen

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte

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verwurzelt sind, bildet das alte System eine wesentliche Begrenzung der M6glichkeiten, zu einem neuen System zu gelangen." ^ ^ ^ Eine eigene Definition von Change-Management soil zumindest nicht an dieser Stelle formuliert werden, da eine Definition letztlich nie den Anspruch auf VollstSndigkeit erfiillen kann, aber dennoch immer eine gew^isse Festlegung bedeutet. Wichtig ist jedoch herauszustellen, dass Change Management als ein kontinuierlicher Prozess verstanden werden muss, welcher den Menschen als zentrales Subjekt des Wandels in den Mittelpunkt des Interesses stellt und nicht Systeme oder Arbeitsprozesse, und dass damit insbesondere die Existenz von Angsten hinsichtlich Veranderungen, welche Widerst^nde bedingen, thematisiert ward. Diese Abgrenzung von Change-Management soil im Laufe der Arbeit jedoch noch um wichtige Impulse erweitert werden. Vielleicht wird dann eine eigene Sichtweise i.S. einer subjektiven Definition moglich. Nachdem nun der Begriff eines „Change-Managements" naher eingegrenzt vsoirde, soil im Folgenden der Baustein der „Widerstande" in den Fokus der Betrachtung riicken.

1.4.3.

Widerstande gegen Wandel - Ein erster Prazisierungsversuch

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht der Mensch in seiner unvergleichlichen Individualitat. Trotz dieser Individualitat zeigt sich, dass die Verhaltensmuster der Menschen Homogenitaten aufweisen, welche oftmals selbst an kulturellen Grenzen nicht enden. Der Mensch als eigenstandiges Individuum verfolgt Ziele und Ideen, welche er an seinen spezifischen durch die Erziehung, die eigene Erfahrung sowie die Kultur geprSgten Vorstellungen von seiner Zukunft ausrichtet. Im Vordergrund des menschlichen Handelns steht somit die Realisierung individueller Ziele, die in einer Zielhierarchie zusammengefasst, spezifischen PrioritSten unterworfen sind. Es lieBe sich auch von einem „polymorphen Zielsystem" sprechen, das jedoch keineswegs als starr, sondem vielmehr als veranderlich im Zeitablauf anzusehen ist. Um diese Ziele realisieren zu kOrmen, mussen Voraussetzungen geschaffen werden, die einer Verwirklichung des Intendierten forderlich sind. Im Tierreich beispielsweise trachten die unterschiedlichen Spezien danach, ihre Gene weiterzugeben und verfolgen damit das durchaus hormonell induzierte, biologische Ziel der Fortpflanzung. Eingebettet in eine strenge soziale Hierarchic, ist es jedoch nicht jedem der mannlichen Tiere einer Gruppe moglich, seinen sexuellen Trieben freien Lauf zu lassen. Nur das starkste und ranghochste Leittier (Alphatier) darf sich dem Zeugungsakt hingeben. Um das individuelle Ziel der Fortpflanzung erreichen zu konnen, ist ein Kampf um die Vormachtstellung innerhalb des sozialen Systems unausweichlich. Dabei sind oft Mafinahmen zu ergreifen, welche die Individualziele Anderer substantiell beeintrachtigen. Konflikte entstehen folglich aufgrund kollidierender individueller Interessen. Natilrlich kGnnen diese individuellen Ziele auch zu Zielen einer sozialen Einheit, beispielsweise einer Gruppe, assoziiert werden. In einem Kollektivziel einer sozialen Einheit kann etwa das

Kirsch(1990:257f.).

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„Change Management - die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel" - eine Analyse

Grundbedurfhis nach grofierer Sicherheit vor drohenden feindlichen Angriffen oder aber das Ziel ausreichender Nahmng aufgrund gemeinsamer Jagd befriedigt werden. Die Individualziele werden zu KoUektivzielen der Gruppenmitglieder mit einem bestimmten gemeinsamen Ziel. Jedes Individuum der Gruppe verfolgt jedoch trotzdem weiter subjektive Ziele, welche es an individuellen Wertvorstellungen misst. Zeigt sich ein Konsens zwischen Individual- und Kollektivziel oder aber eine Abweichung in einer akzeptablen Toleranz, so entsteht kein primarer Handlvingsbedarf fur das einzelne Individuum, die auflretende Lticke zwdschen eigenen Zielen und jenen der sozialen Einheit durch geeignete Mafinahmen zu schlieBen. Treten jedoch Umstande auf, welche eine massive BeeintrSchtigung der individuellen Interessen und der verfolgten Ziele bedeuten, so reagieren Individuen in unterschiedlicher Art und Weise, um den urspriinglichen Gleichgewichtszustand zwischen Individual- imd Kollektivziel wieder herzustellen. Soziale Systeme sind zunachst auf Gleichgewicht und Stabilitat angelegt. Ziel sozialer Systeme ist, den Individuen sichere Uberlebensbedingungen zu schaffen. Da, wde bereits erwahnt, Individuen primar nach einem stabilen Umfeld trachten, werden alle Krafte, die eine Veranderung dieses Gleichgewichts bedingen, als Bedrohung der Stabilitat der individuellen Personlichkeit wahrgenommen. ^^^ Krafte, welche diese Stabilitat bewahren, konnen auch als Krafte des Widerstandes gegen Veranderungen begriffen werden. ^^^ Freilich konnen auch Kollektivziele Veranderungen unterliegen, womit die Widerstandskrafte nunmehr von alien Mitgliedem der Gruppe gemeinsam ausgehen k5nnen, zumal alle Individualziele gleichzeitig konterkariert werden. Ein Widerstand kann folglich als ein Verhalten interpretiert werden, welches darauf gerichtet ist, ein Individuum oder aber auch ein soziales System vor den Konsequenzen eines tatsSchlichen oder vermeintlichen Wandels zuschutzen.ii^ Untemehmen sind soziale Systeme, deren Mitglieder gemeinsame Ziele verfolgen. Nicht alle Ziele der Organisation sind dabei auch Individualziele der Organisationsteilnehmer. Jedoch bedarf es einer nicht naher eingrenzbaren Kongruenz von Individualzielen und den Zielen der Organisation. Entscheidungen, welche diese Schnittmengen der individuellen Ziele und jene der Untemehmung negativ verandem, verursachen Widerstande.^^^ WiderstSnde gegen Wandel.

^ ^2 113 114 11^

Vgl. hierzu auch die Ausfiihrungen im Kapitel 1.1 dieser Arbeit. Vgl. hierzu Watson (1975: 415). Vgl. Hill, Fehlbaum, Ulrich (1989: 478). Vgl. hierzu auch Vahls (1997: 19). Dieser konstatiert, dass eine Ursache ftlr personenbedingte interne Widerstande beispielsweise aus der Disharmonie von den Werte- und Zielsystemen des Untemehmens einerseits und der Mitarbeiter andererseits herrtihren kOnnen. Hierdurch ist ein Entstehen von Zielkonflikten bis hin zur Unvereinbarkeit von Untemehmens- und Individualzielen miJglich.

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte

45

Zielkongruenz und Veranderung

Ziele des Individuums 1

Widerstand

Ziele des Individuums 1

Ziele der Organisation

Ziele der Organisation nach einem Wandel

Ziele des Individuums 2

Abbildung 9:

Ziele des Individuums 2

Zielkongruenz Individuum/Organisation und Entstehung von WiderstSnden gegen Wandel

Das Auftreten dieser Widerstande kann sich dabei durchaus jeglicher Logik entziehen, da individuelles Verhalten auch von Irrationalitaten gesteuert ward. Doppler und Lauterburg sprechen von Widerstanden infolgedessen dann, „[...] wenn vorgesehene Entscheidungen oder getroffene Mafinahmen, die auch bei sorgfaltiger Priifiing als sinnvoll, logisch oder sogar dringend notwendig erscheinen, aus zunachst nicht ersichtlichen Griinden bei einzelnen Individuen, bei einzeinen Gruppen oder bei der ganzen Belegschaft auf diffuse Ablehnung stoBen, nicht unmittelbar nachvollziehbare Bedenken erzeugen oder durch passives Verhahen unterlaufen werden." 116

Nun lieBe sich in etwa auch argumentieren, dass Widerstande letztendlich auch als Kritik an der Veranderung verstanden werden konnen. Und Kritik gilt spatestens seit Karl Popper als „Motor des Fortschritts". Doch soUte eine scharfe Trermlinie zwdschen Widerstanden und Kritik gezogen werden. Kritik ist die Kunst der Beurteilung, eine fachmannische, priifende Diagnose, deren Aufierung in entsprechenden Worten, sachlich und konstruktiv, aber durchaus auch hart, formuliert werden kann.^*'^ Somit ist die primare Intention einer Kritik, eine positive Bereicherung hinsichtlich der zugrunde liegenden Problemstellung zu offerieren. Widerstand hingegen birgt eine eher negative Konnotation. Mit Widerstand ist ein SichWidersetzen, ein Sich-Entgegenstellen, vereint mit einem gewissen MaB an Fanatismus,

116 117

Siehe hierzu Doppier, Lauterburg (1994: 202). Vgl.Duden (1989: 902).

46

„Change Management - die Handhabung von WiderstMnden gegen Wandel" - eine Analyse

verbunden. Sinnbild hierftir ist der im Zweiten Weltkrieg geprSgte Begriff der „R^sistance", der franz5sischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzungsmacht. Widerstand ist ein Kampf aus dem Untergrund, an unklaren, unsichtbaren Fronten. Recardo spricht von etwa 70 Prozent difilisem, im Gegensatz zu 30 Prozent offenem und artikuliertem Widerstand. Hierin zeigt sich letztlich schon die dem Widerstand gegen Wandel inhSrente Problematik.118 „It is easier to worship the devil you know than the devil you don't know." ^^^ Widerstand kSnnte gleichwohl auch als eine Art Feedback verstanden werden. Jedoch steht Feedback vielmehr in Zusammenhang mit Kritik als mit Widerstand. Feedback ist, wde Kritik, ein Versuch, dem Streben nach Veranderung neue Impulse, beziehungsw^eise eine neue, bestm6gliche Richtimg zu geben. Ein Change soil nicht in den AnsStzen verhindert, sondem durch Feedback so gesteuert werden, dass ein moglichst hoher „ROI" fUr alle vom Wandel Betroffenen erzielt wird.^^o Widerstande gegen Wandel wollen diese Veranderungen demzufolge vielmehr „verhindem, boykottieren, vereiteln oder sabotieren"! Folglich lieBe sich „Widerstand gegen Wandel" auch als disfunktionaler, negativer Feedback auf Veranderungen beschreiben, der auf die generelle Verhinderung eines Change-Vorhabens gerichtet ist.^^i Auf die Frage, ob denn tatsachlich jede VerSnderung quasi unw^eigerlich mit WiderstSnden verbunden sein muss, schreibt Fischer, dass Neuerungen, gleich welcher Art, zu offenen oder verdeckten Widerstanden fuhren, woraus sich unweigerlich fur die Umsetzung von Veranderungen unterschiedlich stark fordemde oder hemmende Wirkungen ergeben. '^2 Fest steht, dass Widerstande gegen Wandel von den Betroffenen der Neuerungen ausgehen. Die Ursachen liegen jedoch sicher nicht nur im Menschen begrilndet, welcher unter alien moglichen Umstanden versuchen mochte, sein stabiles Umfeld zu bewahren. Dennoch nimmt er eine zentrale Stellung in der Diskussion um Widerstande gegen Wandel ein. Wenn wdr von Widerstanden gegen Wandel sprechen, nehmen wir jedoch auch automatisch eine bestimmte Perspektive ein. Namlich jene des Initiators des Wandels, welcher beobachtet, v^e sich seine Aktion der Veranderung innerhalb der Organisation fortentwickelt. Sicherlich muss aber auch ein Perspektivenwechsel vorgenommen werden, um Widerstand auch aus dem Blickwickel der Betroffenen des Wandels zu erfassen. Coghlan schreibt hierzu:

118 119 1^^

121 122

Vgl. Recardo (1995: 8). Recardo (1995: 7). „Return on Investment" soil hier natUrlich nicht in einem finanztechnischen Zusammenhang verstanden werden, sondem eher als eine Investition in einen Change-Prozess, welcher sich a-posteriori rentiert oder aber nicht. Vgi. zum Feedback auch Doppler et al. (2002). Vahs (1997: 19) beschreibt „Widerstand" als emotionale Sperre, welche Organisationsmitglieder gegen Veranderungen aufbauen, weil sie eine Verschlechterung ihrer Situation befiirchten. Vgl. Fischer (1993: 32).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Mfirkte

47

"Resistance is viewed generally from the perspective of those promoting change and there is need to understand resistance from the defenders' position." ^^3 Woran erkennt man aber nun WiderstSnde gegen Wandel? Wie auBem sie sich? Zum Einen charakterisieren sich WiderstSnde durch eine bewusst ablehnende Grundhaltung und Gesinnung gegentiber jener Person oder gegeniiber des Personenkreises, von welchem die vermeintliche Veranderung ausgeht. Vermehrter Widerspruch, distanziertes Verhalten, passiver Widerstand, standige, auch gegenstandslose Aufienmgen der Kritik sowie die Diffamierung der Initiatoren des Wandels sind typische Formen der Resistenz gegen Neuenmgen.^24 Aber auch erhohte AggressivitSt gegeniiber anderen Mitarbeitem oder Individuen, welche sich insbesondere durch Gereiztheit oder unkontrollierte Wutentladungen bemerkbar macht, sind unverkennbare Kennzeichen von WiderstSnden gegen Reformen. Die Bildung von Koalitionen stellt gar eine klassische, strategisch-politische Variante der auch wandelkonterkarierenden - Meinungsbildung und Beeinflussung anderer Betroffener oder Interessierter dar. Sie intendiert die Ablehnung des Wandels auf breiter Front, wodurch eine Riickverfolgung und Identifizierung des Ursprungs des Widerspruchs schwer bzw. teils unmoglich w^ird. Dadurch vermindert sich die von den Initiatoren des Widerstandes befurchtete Wahrscheinlichkeit von auf sie gerichteten Sanktionen als Reaktion auf deren Verhalten. Oftmals werden Widerstande gegen Wandel auch an einer Degression der Leistungskurve offensichtlich oder in bewusst sabotierendem Verhalten der Betroffenen, das beispielsweise durch die Steigerung der Fehlteile bzw. Fehlleistungen erkenntlich werden kann. Arbeiten werden vemachlassigt, gerade dann, wenn deren Relevanz fur den Erfolg der Neuerung ausschlaggebend ist. Widerstand miindet in diesem Sinne auch in Verhalten, welches die Absurditat des Wandels in den Vordergrund riickt. Leistungen, welche vor dem Wandel freiwillig ubemommen vvau*den, um den Arbeitsablauf zu verbessem, werden dann meist unterlassen. Umgangssprachlich wird dieses Verhalten oft auch als „Dienst nach Vorschrift" bezeichnet. Widerstand wird aber auch evident in einer steigenden Krankheitsrate sowde in einer Progression der Fluktuationsquote, die auf eine sich verschlechtemde Motivation der Systemmitglieder hindeutet.

123 124

Vgl.Coghlan(1993: 11). Vgl. im Folgenden auch Hill, Ulrich, Fehlbaum (1989: 478).

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„Change Management - die Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel" - eine Analyse Expertengesprflch Walter G. Straub Walter Straub, Aufsichtsratmitglied des Beratungsuntemehmens ComTeam AG konstatiert laut einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Gallup im Sommer 2002 ein extrem hohes Desinteresse von Arbeitnehmern (84%) an deren Arbeit, sowie eine nur schwache Bindung an den Arbeitgeber, welche sich insbesondere auch an hohen Fehlzeiten und einer niedrigen Produktivitat erkennen lasst. Seiner Meinung nach ist das letztlich auch ein Ausfluss der Arbeit der FUhrungskrafte selbst, welche es nicht vermocht haben, ihren Mitarbeitem Arbeitsplatze zu schaffen, die ihnen die notwendige Anerkennung und Herausforderung bieten, in welchen sie dann auch die Lust und Leidenschaft fUr deren Arbeit entwickeln kOnnten. VeranderungsmaBnahmen in Organisationen, gepragt durch diese soeben beschriebene Arbeitswelt, gestalten sich eher als rein systematischer Prozess, der mehr der Entwicklung einer Maschine ahnelt. Menschen bzw. Mitarbeiter rtlcken dabei nicht in den Fokus des Wandels. Diese Verfahrensweisen kOnnen aufgrund eines entstehenden Produktivitatsverlusts auf Seiten der verargerten Mitarbeiter eine Untemehmung an den Rand des Ruins bringen. Nicht neu ist sicherlich die Tatsache, dass eine hohe Partizipation der Mitarbeiter im Planungsprozess des Wandels den Erfolg positiv beeinflusst. D.h., das Vorgehen bei der Planung bestimmt die spatere Akzeptanz der LOsungen bei den Mitarbeitem. Werden diese zu Beteiligten des Prozesses, ist die Umsetzung der Veranderung von geringeren Schwierigkeiten gepragt. Trotz dieser scheinbar trivialen Erkenntnis werden in Veranderungsprozessen immer wieder Vorgehensweisen oder aber exteme Berater bemtlht, welche den Realisierungsprozess derart schwierig gestalten. Grund fUr diese Umsetzung von Veranderungen ist dabei meist vorliegender Zeitdruck. In spateren Realisierungsschleifen, hervorgerufen Uber Widerstande gegen Wandel, spielt der Faktor Zeit jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Deutschen seien „veranderungsresistent", ist dann eine Rechtfertigung fUr die FUhrungsetage. Dieses Verhalten der FUhrungskrafte fUhre dann zu kurzfristigen KOndigungen, um Einsparungseffekte zu erzielen, welche bei den verbleibenden Organisationsteilnehmern zu dem Phanomen der inneren KUndigung ftlhren. Mitunter mUssen dann nach kurzer Zeit und nach der Uberwindung der ersten Krisenanzeichen mlihsam wieder neue Mitarbeiter eingestellt und aufWandigst eingearbeitet werden. Sicherlich soli dies kein Pladoyer gegen Veranderungen sein, sondem vielmehr ein Aufruf daftlr, die Wirkungen des eigenen Handelns besser zu berUcksichtigen. Dies mUssen sich die FUhrungskrafte von heute ins Bewusstsein bringen. FUr die Qualitat der Arbeit und die Kultur der Zusammenarbeit sind FUhrungskrafte verantwortlich. Denn das ist deren Job. (Quelle: SZ, Nr. 51, S. 20, 03.03.2003)

Haufig ist Widerstand per se nicht identifizierbar, da das Verhalten der von der Veranderung Betroffenen eine scheinbare Akzeptanz der Reform signalisiert. Hammer spricht hierbei von einer „vicious compliance" oder einem „Kiss of Yes", womit er die Gefahr einer subtilen Resistenz hervorheben mochte.^^s Warum jedoch resistieren Mitarbeiter einer Untemehmung gegen offensichtlich positive Ansatze fur Veranderungen? Worin liegen die Determinanten dieser Widerstande? Was kami ein Untemehmen initiieren, um im Vorfeld des intendierten Wandels die „Change-Arena" so zu gestalten, dass eine hochst mogliche Erfolgswahrscheinlichkeit und Effizienz gewahrleistet werden kann? Alle diese Fragen und andere sollen im Laufe dieser Arbeit beantwortet werden. Zusammenfassend lasst sich vereinfachend sagen, dass Widerstande gegen Wandel ein auf das Konterkarieren von Veranderungen gerichtetes Verhalten ist, welches meist verdeckt und damit fur die Initiatoren des Wandels nicht greifbar bzw. erklarbar ist. Im weiteren Verlauf soil der Begriff der „Handhabung" von Widerstanden naher erlautert werden. Warum wird gerade von einer „Handhabung" und nicht beispielsweise von einem „Losen" von Widerstanden gesprochen?

125

Fisher (1995).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MSrkte 1.5.

49

„Handhabung^^ vs. „Loseii^^ von WiderstSnden - Begriffsstrategische Uberlegungen

Jeder Wandel, jede Veranderung des Status quo eines sozialen Systems, wie etwa einer Untemehmung, kollidiert zwangsweise mit individuellen Interessen einzelner Gruppen oder einzelner Teilnehmer bzw. Betroffener der Organisation J ^6 Widerstande gegen Wandel sind stets Ausfluss von Neuerungen. Oftmals ist das Erkennen des Widerstandes mit Schwierigkeiten verbunden, da die Art und Weise des die Veranderung konterkarierenden Verhaltens nicht sofort ersichtlich ist oder aber einem bestimmten Wandel nicht subsumiert werden kann. Das renitente Verhalten wird damit von einer rational zu erfassenden Sphare auf eine emotionale und auch irrationale Ebene verschoben, welche sich einer sinnvoUen Argimientation und Bewaltigung entzieht. Pragmatisch-logische Interventionen fuhren freilich nicht notwendigerweise zu den gewollten Ergebnissen. Widerstande gegen Wandel sind Probleme. Probleme bedingen Losungen. Ein Lc3sen von Aufgaben setzt jedoch bereits die Existenz eines Problems voraus. Losen impliziert damit, dass a posteriori eine Moglichkeit fur den Umgang oder fiir die Bewaltigung der Renitenz zu fmden ist. Widerstande blockieren den intendierten Fortschritt. Ziel einer jeden Unternehmung muss damit die Minimierung oder aber Eliminierung aller Widerstande gegen Wandel sein. Ein „L6sen" von Problemen, im Sinne einer Reaktion auf Resistenzen, verzogert bzw. verhindert letztlich die notwendige Veranderung. Oftmals mtissen Widerstande mittels langwieriger Prozesse der Uberzeugung und emeuten Vertrauensbildung abgebaut werden. Da der Faktor Zeit jedoch zunehmend an Bedeutung in den Markten gewinnt und der Zeitpunkt des Markteintritts (time-to-market) beispielsweise tiber Erfolg oder Misserfolg eines innovativen Produktes mafigebend entscheiden kann, muss der Wandlungsfahigkeit eines Untemehmens und damit der seiner Organisationsteilnehmer, insbesondere in der Zukunft, eine immer hohere Relevanz beigemessen werden. Nicht die Reaktion auf Widerstande gegen Wandel steht im Vordergrund, vielmehr die Antizipation der moglichen untemehmens- und change-spezifischen Resistenzen. Nicht die Frage nach dem „was kann getan werden, um Widerstande abzubauen?^' ist von primarer Relevanz, sondem „was muss im Vorfeld eines intendierten Change berucksichtigt werden, um die erwarteten Widerstande so gering wie moglich zu halten oder aber erst gar nicht entstehen zu lassen?^' Der Begriff des „L6sens" von Problemen impliziert einen stark mechanistischen, doktrinSren Umgang mit Widerstanden gegen Wandel, ein Krisenmanagement, welches den Angsten und Empfmdungen der Menschen im Hintergrund nicht Rechnung tragen kann. Losen impliziert meist ein „top-down" gerichtetes Handeln unter Zeitdruck ohne Riicksicht auf Verluste. Das Grundsatzlich sind die Begriffe „Teilnehmer" und „Betroffene einer Unternehmung" zu unterscheiden. Wahrend „Teilnehmer" lediglich die formal zu einer Unternehmung zShlenden Personen umfasst, sind ,,Betroffene" einer Organisation auch Personen, welche nicht zu den formal AngehOrigen der Organisation zuzuordnen sind, jedoch in irgend einer Verbindung mit dieser stehen und von den Entscheidungen der Unternehmung beeinflusst werden. Hierzu zahlen bspw. Banken, Lieferanten, Abnehmer u.a.

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„Handhabung" vs. „Lflsen" von Widersttoden - Begriffsstrategische Cberlegungen

Ziel steht dann im Vordergrund. Ftihrungskrafte stehen in Zugzwang, eine Entscheidung durchzusetzen. Strukturen werden verandert. Die Betroffenen haben zu folgen, oder sie gehen. Der Begriff der „Handhabung" soil hier jedoch von Anfang an den Menschen, welcher origin^ AuslOser fUr WiderstMnde gegen Verandenmgen ist, in den Vordergrund der Betrachtung rticken. Angste, die letztlich haufig Initiatoren von Resistenzen sind, mtissen a priori in die Planung der Realisiening eines Wandels einbezogen werden. Ein geschicktes Taktieren zeichnet dabei die „Handhabimg" ebenso aus wie ein hohes MaB an EinfUhlsamkeit in die Denkstrukturen unterschiedlichster Individuen. Der Terminus der „Handhabung" mfichte auch die Psychologie der Resistenzen gegen Verandenmgen erfassen und mit den Mafinahmen, die ergriffen werden, um die Widerstande antizipativ zu minimieren, eine soziale Kompetenz unter Beweis stellen, welche dem Begriff des „L5sens" nicht ohne weiteres subsumiert werden kann. Kirsch bezeichnet die „L5sung" als den idealen Grenzfall der „Handhabung", wobei jedoch dahingestellt sein mag, ob jede „L6sung" auch die optimale Bewaltigimg der sich stellenden Problematik darstellt.^27 Durch den Begriff des L6sens eines Problems wird auch die Forderung erhoben, dass die zugrunde liegende Fragestellung tatsachlich eine definitive LOsung findet. Fraglich bleibt jedoch sicherlich, ob das ursprilngliche Problem auch in adaquater Weise definiert und entsprechend dieser Definition auch gelSst vmrde. Von einer wdrklichen LOsung kann jedoch allein aufgrund der unterschiedlichen individuellen und wertbeladenen Perspektiven, aus welchen ein Problem als solches definiert werden kann, in der Regel nicht gesprochen werden. Probleme unterliegen deshalb vielmehr einer „Handhabung" als einer definitiven, allseits befiiedigenden „L0sung".*28 Das zentrale Postulat einer „Handhabung von Widerstanden gegen Wandel" liegt im Rahmen des Verstandnisses dieser Arbeit und damit in der Antizipation der sich m5glicherweise ergebenden Resistenzen. Von primarer Relevanz erscheint hier, dass nicht ein alleiniger Fokus auf die von einer Veranderung Betroffenen gelegt wird, sondem dass vielmehr der Versuch einer ganzheitlichen Betrachtungsweise von Widerstanden gegen Wandel und den hierdurch induzierten Determinanten eines Change im Mittelpunkt steht. Im Folgenden soil der dieser Arbeit zugrunde liegende Bezugsrahmen vorgestellt werden. Dieser verfolgt die Intention, eine Gesamtsicht einer Handhabung von Widerstanden gegen Wandel darzustellen. Eine anschlieBende Analyse des theoretischen Bezugsrahmens m5chte die unterschiedlichen zentralen Fragestellungen des Themas der Arbeit offen legen und dabei die stufenweise Durchdringung der Thematik „Widerstande gegen Wandel" deutlich machen.

127 128

Vgl. Kirsch (1992: 11). Vgl. hierzu auch Kirsch (1988: 10).

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das danvinistische Prinzip der Mfirkte 1.6.

51

Die Genesis eines konzeptionellen Bezugsrahmens

„Mit der Opposition zu rechnen, wdre derAnfang der Weisheit. " Dorothy Leonard-Barton ^^^ Die Basis der vorliegenden Arbeit stellt der konzeptionelle Bezugsrahmen einer Handhabung von Widerstanden gegen Wandel dar.^^o Dje pnmare Aufgabe dieses Bezugsrahmens liegt letztlich in der Komplexitatsreduktion des Themengebietes. Damit verbunden ist auch die Absicht einer Strukturierung der DenkansStze und des VerstSndnisses der Problembereiche, welche mit dem Management von VerSnderungsvorhaben zusammenhSngen. Der Bezugsrahmen tibemimmt somit auch die Aufgabe eines Referenzpunktes, eines Wegweisers, der immer dann, wenn es darum geht, Teilbereiche der Thematik in das „grofie Bild" einzuordnen, den momentanen Standort verrSt und den interessierten Leser den Oberblick behalten lasst. Freilich dient ein konzeptioneller Bezugsrahmen auch als Argumentationsgrundlage und als Abbild einer subjektiv empfundenen RealitSt im Sinne des im Vorfeld postulierten konstruktivistischen Wissenschaftsverstandnisses. Ein Bezugsrahmen erfUUt aber auch dann seine Aufgabe, wenn er dem Leser zum Anlass fUr eigene Oberlegungen dient, vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungsbasis und Praxiserfahrung. Denn sicherlich m6chte die Arbeit zur Reflexion tiber das eigene Handeln anregen und neue Ideen und Sichtweisen offerieren.

1.6.1.

Der theoretische Bezugsrahmen

Der Bezugsrahmen zur Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel stellt somit das grundlegende theoretische GedankengerUst dieser Arbeit dar. Er dient dabei jedoch insbesondere einer explorativen Annaherung an eine Theorie des Umgangs mit den Veranderungen des sozio-Skonomischen Umfeldes und den dadurch induzierten Resistenzen. Freilich kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eine solche Theorie generiert werden. Sicherlich kann aber sehr wohl ein erster Schritt in diese Richtung untemommen werden, indem der Versuch einer ganzheitlichen Betrachtung der Thematik offeriert wird. Der Bezugsrahmen intendiert freilich nach einer Phase der tJberwindung der Irritation nach einer ersten Betrachtung, die Komplexitat der Handhabung von Widerstanden gegen Wandel zu reduzieren, um damit den Weg fur eine stringente und logische ArgumentationsfUhrung zu offhen. Der vorzustellende theoretische Bezugsrahmen soUte aber nicht als ein determiniertes, starres Gedankenkonstrukt missinterpretiert werden, da auch er einer spezifischen Evolution unterliegt und unter dieser Pramisse gleichermaBen als ein offenes und durchaus fortschrittsfahiges System angesehen werden soUte.

129 130

Vgl. Harvard Manager, Nr. 2, 1986, S. 104. Vgl. Abbildung 10, S. 53.

52

Die Genesis eines konzeptionellen Bezugsrahmens

Die Gesamtsicht einer Handhabung von WiderstSnden Die Gesamtsicht des Bezugsrahmens zeigt ein rSumhches Gefiige von Bausteinen unterschiedlicher Konkretisierungsebenen, welche aber auf den ersten Blick per se nicht identifizierbar erscheinen. Erst die sukzessive Analyse des Bezugsrahmens in unterschiedlichen Ebenen verdeutlicht den logischen Aufbau, wobei jeder Ebene eine differenzierte Fragestellung des iiberlagemden Themas zugeordnet werden kann. Die Bausteine der Ebenen konnen unabhangig voneinander, losgelCst aus der Struktur des Bezugsrahmens, Gegenstand detaillierterer Betrachtung sein. In Bezug auf die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel sind die Bausteine des Bezugsrahmens aber relevanter Bestandteil einer ganzheitlichen Perspektive der Problemstellung. Die wechselseitigen Beziehungen werden in Abb. 10 durch Pfeile gekennzeichnet und mochten damit die Vemetzung der Bausteine im Bezugsrahmen verdeutlichen. Veranderungen, beispielsweise in einer Determinante des Change, ziehen eventuell auch geringe Modifikationen in anderen nach sich. Der theoretische Bezugsrahmen der Handhabung von Widerstanden gegen Wandel iSsst sich in drei unterschiedliche Ebenen gliedem, womit letztendlich auch ein einfacheres VerstSndnis mittels einer Komplexitatsreduktion erreicht werden soil: • • •

Ebene 1: Dimensionen von Widerstanden gegen Wandel, Ebene 2: Determinanten des Change, Ebene 3: Determinanten der Handhabung von Widerstanden.

Jeder der drei Ebenen ist eine spezifische Fragestellung an das Thema zugeordnet und verfolgt damit ein eigenes Ziel. Damit wird eine Analyse der Handhabung von Widerstanden gegen Wandel intendiert, wodurch die Formulierung von Hypothesen ermSglicht werden soil.

„StabilitSt" versus „Wandel" - oder - Das danvinistische Prinzip der MSrkte

53

CHANGE MANAGEMENT - DIE HANDHABUNG VON WIDERSTANDEN - theoretischer Bezugsrahmen -

formierte Widerstfi

Abbildung 10:

ilierte Widerstande

Theoretischer Bezugsrahmen der Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel

Betrachtet man die Gesamtsicht des theoretischen Bezugsrahmens, so mag man diesen vielleicht als umfassend imd umfangreich erachten. Man sollte sich jedoch im Klaren sein, dass spezifische Problemstellungen eine Erweiterung des Bezugsrahmens als notwendig erscheinen lassen, ohne dass damit die Gesamtheit der Darstellung als obsolet zu bewerten ware. PrSmisse fur die Generierung eines Bezugsrahmens sollte immer auch dessen Offenheit und Evolutionsfahigkeit neuen Ideen gegenuber sein.^^^ Gerade mit der Visualisierung der Thematik v^rd die MCglichkeit einer Falsifizierung im Sinne eines kritischen Rationalismus erhoht, da die Zusammenhange nicht in unzahligen Textzeilen verschleiert werden. Insofem dient dieser Bezugsrahmen dem interessierten Leser auch dazu, sich einen schnellen Uberblick uber die Zusammenhange der die Problemstellung konstituierenden ausschlaggebenden Subthemen zu verschaffen sowie standig kritisch das Gesamte zu hinterfragen.

1.6.2.

Die Analyse des theoretischen Bezugsrahmens - Das drei Ebenen-Konzept

Im Folgenden soil die Gesamtsicht des theoretischen Bezugsrahmens einer Handhabung von Widerstanden gegen Wandel in seine drei Ebenen zerlegt werden, um die Fragestellungen, welche mit den Ebenen verbunden sind, und deren Relevanz ftir die Themenstellung zu erlautem. Die drei Fragen intendieren dabei ein grobes Analyseraster Uber die Problemstellung zu legen und so den roten Faden der Arbeit aufzuzeigen.

Vgl. hierzu auch die AusfUhrungen auf S. 13ff. der Arbeit.

Die Genesis eines konzeptionellen Bezugsrahmens

54 Ebene 1: Dimensionen von WiderstMnden

Die erste Ebene des theoretischen Bezugsrahmens fokussiert die WiderstSnde als solche. Beschaftigt man sich mit den durch einen Wandel induzierten Widerstanden, impliziert dies erste Fragen wie • • •

„Was ist Widerstand?" „Von wem geht dieser Widerstand aus und warum?" imd „Welche Arten von WiderstSnden lassen sich unterscheiden?"

Ist man konfrontiert mit der Problematik der Implementienmg einer einschneidenden Veranderung in einer Untemehmung bzw. zeigen sich bereits erste Reaktionen auf den Wandel, ist die Beurteilung des Verhaltens der vom Wandel Betroffenen von primSrer Relevanz, insbesondere dann, wenn dieses Verhalten den intendierten Change im Untemehmen konterkariert. Diese erste Ebene widmet sich deshalb ausschliefilich dem Themenkreis der „Widerstande". Es soil aufgezeigt werden, in welcher Form WiderstSnde gegen Wandel in Organisationen auflreten und von wem diese ausgehen kCnnen. Erst das Verstandnis der Grtinde ftir die Genese von Widerstanden gibt dem Untemehmer oder dem Change-Agent die MOglichkeit, Resistenzen vorherzusehen und zu agieren im Sinne seiner beabsichtigten Zielsetzung.

CHANGE MANAGEIVEm"-DIE HANDHABUNGVO^VVIDERSTAr^ 1. BsBiiK DimM'wionon von VMctoratAixlBn '^^^^i!^''f^^i!l^Py'l''»?i^

Abbildung 11:

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Ebene 1 - Dimensionen von WiderstSnden

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Mflrkte

55

Ebene 2: Einflussfaktoren des Wandels Nachdem die erste Ebene des theoretischen Bezugsrahmens die WiderstSnde gegen Ver^derungen in den Mittelpunkt der Fragestellung rtickte, versucht die zweite Ebene, die Frage zu beantworten: •

„Wodurch wird ein Change beeinflusst?"

Welche Faktoren beeinflussen einen Wandel positiv oder negativ und inwiefem hat dieser Einfluss eine Auswirkung auf die dadurch mOglicherweise induzierten WiderstSnde? Welche sind die Ansatzpunkte fUr eine effiziente Einwirkung auf den Wandel, um WiderstSnde im vorhinein zu minimieren? Diese Ebene und die damit implizierten Fragen erscheinen besonders vor dem Hintergnmd interessant, dass sie tiber die direkte Beeinflussung der Entstehung von WiderstSnden Aufschluss geben soil. Ein Change-Agent kann hier Antworten auf Fragen finden, welche es ihm erlauben, einen Wandel in qualifizierter Weise zu handhaben. Intention dieser Arbeit ist es jedoch nicht einfach, Handlungsempfehlungen im Sinne von „Kochrezepten" fllr den Umgang mit Widerstanden gegen Wandel zu offerieren, sondem ein Bewusstsein zu schaffen, welches es erlaubt, Probleme im Zusammenhang mit notwendigen VerSnderungen a priori zu begegnen.

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Abbildung 12:

Ebene 2 - Einflussfaktoren des Wandels

56

Die Genesis eines konzeptionellen Bezugsrahmens

Die Ebene der Einflussfaktoren umlagert gleichsam die Widerstande der Ebene 1. Damit soil die direkte Korrelation beider Ebenen zum Ausdruck gebracht werden. Eine Verandenmg im renitenten Verhalten der Betroffenen gegeniiber dem Wandel setzt ein Reflektieren iiber die vorherrschenden Rahmenbedingungen des Systems voraus. Die Idee ist die Kreation einer optimalen „Change-Arena", in der die den Wandel opponierenden Faktoren auf ein absolutes MindestmaB reduziert sind. Der Begriff der „Change-Arena" soil dabei als das alles konstituierende Milieu einer zielgerichteten Veranderung begriffen werden. 1^2 Die Rahmenbedingungen werden bestimmt durch die Determinanten des Wandels selbst, wie etwa das sozio-okonomische Feld, die Untemehmenskultur und -struktur, die Art und Weise des Wandels oder die Change-Mentality der Individuen bzw. Gruppen. Freilich wSre es ein Irrglauben, von einer einzigen, optimalen „Change-Arena" auszugehen. Die Definition eines Optimums ist angesichts der Vielgestaltigkeit der existenten Systeme, Organisationen oder Untemehmen mit ihren verschiedenartigen Change-Problemstellungen unmoglich oder dem Vorwurf absoluter Trivialitat argumentationslos ausgesetzt.^^^ Ebene 3: Determinanten der Handhabung von Widerstanden Die dritte Ebene des theoretischen Bezugsrahmens einer Handhabung von Widerstanden gegen Wandel setzt sich explizit mit den Faktoren, die eine Beeinflussung der Rahmenbedingungen der „Change-Arena" ermoglichen, auseinander. Die Schaffimg einer „intelligenten Change-Arena" kann selbst nur als ein Prozess des Wandels verstanden werden, welcher damit ebenfalls m5glichen Widerstanden der Betroffenen ausgesetzt sein kann. Diese Ebene des Bezugsrahmens soil Antworten auf die Frage geben: •

„ Welche Determinanten unterstutzen die Schaffung einer „ intelligenten ChangeArena " zur professionellen, antizipativen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel?"

Von der Existenz einer „intelligenten Change-Arena" ist dann die Rede, wenn ein Untemehmen optimale Rahmenbedingungen ftir seine Veranderungs- oder Change-Fahigkeit geschaffen hat und damit einer intendierten Neuerung keine oder nur zu vemachlassigende Grenzen durch Widerstande gesetzt werden. Jedoch darf in diesem Zusammenhang die „Change-Arena" nicht mit einer zeitlich begrenzten „Change-Episode" verwechselt werden. Die Schaffung einer „intelligenten Change-Arena" soil keinesfalls als eine auf einen spezifischen Wandel, im Sinne eines kurzfristigen Projekts, ausgerichtete Aktion verstanden werden. Die Gestaltung einer „Change-Arena" muss als die Kreation optimaler und dauerhafter Voraussetzungen fiir Veranderungen innerhalb des Systems aufgefasst werden, die dem Untemehmen die Moglichkeit verschafft, sich zukiinflig schneller als die Konkurrenz dem Reorganisationsdmck anpassen zu konnen. Der Aufbau einer „intelligenten ChangeDer Begriff der „Change-Arena" lasst sich auch vergleichen mit dem von ReiB (1997: 9fF.) verwendeten Begriff der „Infrastruktur", welche geschaffen werden muss, um ein Changevorhaben erfolgreich abschliefien zu kOnnen. Vgl. auch S. 38 der Arbeit. Vgl. auch Erve (1990: 55) der die Meinung vertritt, dass insbesondere in der Dynamik der Veranderung von Organisationen selbst der Grund flir die UnmOglichkeit pauschaler, allgemeingUltiger Strategien des Wandels verankert ist.

„Stabilitat" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der Markte

57

Arena" ist damit kein kurzfristiges Projekt, sondem vielmehr als ein langfristiger Prozess mit differenten Entwicklungsstufen in Abhangigkeit von untemehmensspezifischen PrMmissen zu werten.

CHANGE MANAGEMENT - DIE HANDHABUNG VON WiDERSTANDEN GEGEN WANDEL 3. Ebene: Determinanten der Handhabung von Widerstdnden 3. Welche Determinanten schaffen eine intelligente „Change-Arena" zur professionellen, antizipativen Handhabung von Widerstdnden ?

Ftihrung

Abbildung 13:

Ebene 3 - Determinanten der Handhabung von Widerstflnden

Die dritte Ebene des Bezugsrahmens offeriert gewissermaBen die „Tools" zur Schaffting dieser bislang wohl contrafaktischen „intelligenten Change-Arena", wahrend die Ebene 2 bildlich gesprochen „die Schrauben, an welchen zu drehen ist", also die Ansatzpunkte ftir die „Tools", analysiert. Metaphorisch formuliert, liefie sich somit zusammenfassend sagen: Der theoretische Bezugsrahmen der Handhabung von Widerstdnden gegen Wandel offeriert die Analyse moglicher Schwachpunkte eines Systems hinsichtlich deren Wandelungsfahigkeit (Ebene 1), zeigt die Schrauben, an welchen zu drehen ist, auf um einen Fortschritt in der Verdnderungsbereitschaft zu verwirklichen (Ebene 2) und prdsentiert das notwendige Werkzeugfur die Realisation des intendierten Ziels (Ebene 3). Betrachtet man nun die drei Ebenen sowie die mit ihnen verbundenen Fragestellungen, so zeigt sich, dass mit Hilfe der Analyse der mit dem Wandel zusammenhangenden Widerstande die Faktoren fokussiert werden sollen, w^elche fur die Entstehung der Resistenzen verantw^ortlich sind. Kennt man die moglichen Widerstande und die Faktoren, die sie verursachen, so stellt sich die Frage, wde man agieren muss, um - im Falle eines intendierten

58

Die Genesis eines konzeptionellen Bezugsrahmens

Wandels oder aber zur generellen Veranderung der Change FShigkeit der Untemehmung - die Faktoren so zu gestalten, dass Resistenzen gegen den Change a priori nicht entstehen. Die zentrale Fragestellung lautet demzufolge: „Was muss im Vorfeld eines intendierten Wandels, insbesondere aber um einen nachhaltigen Fortschritt in der „Change-Fdhigkeit** einer Organisation zu erzielen, getan werden, dass a priori die Wahrscheinlichkeit fiir ein Auftreten entwicklungshemmender Widerstdnde gegen die geplante(n) Verdnderung(en) aufein absolutes Minimum reduziert wird?** Das gnmdlegende Postulat dieser Arbeit ist das „Agieren", nicht das „Reagieren". Nun mag dies als „alter Wein in neuen Schlauchen" erscheinen! Jedoch zeigt sich, dass bislang lediglich a posteriori-Losungsansatze flir WiderstSnde gegen Wandel, also nach deren Auftreten, zum Tragen kommen, im Sinne eines Krisen- oder Konfliktmanagements. Die immensen Nachteile, die aufgrund von VerzOgerungen der Einfuhrung teils existentieller Veranderungen entstehen, sind in monetaren Gr66en nicht determinierbar. VerspSteter Markteintritt oder die Versandung strategischer Projekte, wie Akquisitionen, Fusionen oder VerauBerungen, sind nur wenige Beispiele, wie ganze Marktstrukturen gravierend beeinflusst werden konnen. Aber auch die Verschleppung operativer Vorhaben wie Total Quality Management (TQM), Just-in-Time (JIT) oder Computer Integrated Manufacturing (CIM) kann tiber die Existenz von Organisationen in umkampften Markten entscheiden. Widerstande konnen demzufolge Uber die Dimension zeitlicher Verzogerungen und die damit induzierten Kostensteigerungen erhebliche Wettbewerbsnachteile implizieren. Es gilt folglich, sich daruber Gedanken zu machen, wie bestimmte Faktoren in einem Untemehmen konstituiert sein mussen, um die eigene „Change-Fahigkeit" zu maximieren. Ein Fortschritt im Sinne einer Hoherentwicklung der „Change-Fahigkeit" lasst sich durch die Schaffimg einer „intelligenten Change-Arena" erreichen, welche die Antizipation von Widerstanden gegen Wandel impliziert. Veranderungen mussen dabei zu einem festen Bestandteil des untemehmerischen AUtags werden, insbesondere im Bevmsstsein aller Organisationsmitglieder. Denn... „Nothing endures but change". ^^^ Mit dem Terminus der ,,Antizipation'' ist dabei die willentliche, vorherige Auseinandersetzung mit moglicherweise auftretenden Widerstanden gegen den geplanten Wandel gefordert. Damit soil im Prozess des Wandels explizit, im Vorfeld der Veranderung, daruber reflektiert werden, woher eventuelle Widerstande, in welcher Art, von welchen Gruppen und in welcher Starke zu erwarten waren. Spezifische Strategien mussen der analysierten Situation dann in untemehmens- und situationsspezifischer Weise Rechnung tragen.

134

Kanter, Stein, Tood (1992: 9).

„Stabilitfit" versus „Wandel" - oder - Das darwinistische Prinzip der MMrkte

59

Wichtig ist, an dieser Stelle zusammenfassend festzuhalten, dass der Bezugsrahmen zur Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel in drei ftir die Themenstellung der Arbeit essentielle Ebenen gegliedert ist und damit ftir die Analyse der vorliegenden Aufgabe einen klaren roten Faden liefert. Weiterhin muss ein besonderes Augenmerk auf die Tatsache gerichtet werden, dass es die Intention der Arbeit ist, den antizipativen Charakter einer Handhabung hervorzuheben, womit sich diese Arbeit klar von der allgemein vorfindbaren Literatur abhebt. Im Folgenden soil nun nSher auf die den Bezugsrahmen konstituierenden Ebenen eingegangen werden. ZunSchst soil eine denkbare Typologisierung der differenten Dimensionen von WiderstSnden gegen Innovationen dargestellt werden, welche den ChangeAgenten die Moglichkeit einer antizipativen Auseinandersetzung mit den eventuellen Problemfeldem eines Change offen legt.

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Die Genesis eines konzeptionellen Bezugsrahmens

2. Das Antlitz der Resistenz „ When the pendulum swings, don't stick the head out. " Ahrahamson ^^^

Das Forschungsfeld der „Widerstande gegen Wandel" beschaftigt die Wirtschaftswissenschaften nicht erst seit kurzem. Lawrence hat bereits im Jahre 1954 in seinem vielzitierten Aufsatz „How to deal with resistance to change" vor dem Hintergmnd eines revolutionSren technischen Wandels im sozio-okonomischen Umfeld der Untemehmen auf die organisationsimpliziten Krafte gegen Innovationen hingewiesen.^^^ Das Kemproblem bestand seiner Meinung nach im Fehlen des eigentlichen Verstandnisses der wahren Griinde des Widerstandes gegen Wandel, welche er nicht in den technischen Neuerungen, sondem vielmehr in den dadurch induzierten sozialen Veranderungen innerhalb der organisationalen Strukturen sah. Erstaunlich ist allerdings, dass obwohl der Themenkreis des „Organizational Developments", des „Organizational Change" oder des „Change Managements" sich hochster Popularitat erfreut imd dabei die auftretenden Widerstande gegen Wandel immer wieder als zentraler, ubiquitSrer Problempunkt Erwahnung fmden, bislang nicht der Versuch einer Typologisienmg der WiderstSnde angedacht wurdeJ^^ „Resistance to change is the most critical issue that must be addressed for any initiative to be institutionalized." ^^^ Niemand stellt sich jedoch die Frage, wie Untemehmen ihre Change-Fahigkeit verbessem sollen, wenn die Barrieren der Veranderimg nicht erkannt oder nicht verstanden werden? Die vielen unterschiedlichen Gesichter des Gegners im Prozess des Wandels muss man kennen, um die optimalen Erfolgsstrategien wahlen zu konnen. Um die Problemfelder eventuell auftretender Widerstande gegen Wandel zu erkennen, erfordert dies ein VerstSndnis der resistenzauslosenden Faktoren. Haufig aber entbehren die Texte iiber Change Management oder Widerstande gegen Wandel gerade einer Definition oder naheren Beschreibung von Widerstanden bzw. der Widerstandsdimensionen.^^p Widerstanden kann keinesfalls mittels pauschaler Rezepturen rationalen Verhaltens begegnet werden. Jeder Veranderungsprozess ist absolut individuell. Selbst innerhalb der gleichen Untemehmung kann ein analoger Wandel in dem einen Fall auf Resistenz stofien, im anderen dagegen nicht. Das Verhalten von Individuen oder sozialen Einheiten kann nicht pauschalisiert werden. Es bedarf individueller Analysen der „Change-Arenen".

»35 136 13^ 138 139

Vgl. Abrahamson (2000: 76). Lawrence (1954: 49ff.). Als Beispiel kann hierbei Doppler, Lauterburg (1994) angefilhrt werden. Vgl. Recardo (1995: 12). Vgl. hierzu auch Doppler et al. (2002). Obwohl der Titel klar die Widerstande im Untemehmenswandel thematisiert, wird auch hier kein Versuch einer klaren Typologisierung vorgenommen.

Das Antlitz der Resistenz

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Diese Arbeit mochte das postulierte bessere Verstandnis fiir Resistenzen gegen Veranderungen uber die Analyse der Dimensionen von WiderstMnden erreichen. Als Dimension eines Widerstandes soil dabei ein zu isolierender Faktor verstanden werden, welcher allein oder im Zusammenwirken mit anderen Faktoren bzw. Dimensionen fur die Genese von Resistenzen gegen Wandel verantwortlich gemacht werden kann. Gemafi dem konstruktivistischen Forschungsverstandnis, ergeben sich aus subjektiver Sicht fiinf Dimensionen von Widerstanden gegen Wandel: • • • • •

6\Q psychologisch-emotionale Dimension, die materielle Dimension, die soziale Dimension, die/7o//r/5c/ie Dimension, die A:w//wre//e Dimension. 1^0

Jede Dimension fur sich kann ein auslosendes bzw. bestimmendes Moment ftir einen Widerstand gegen Veranderungen des Status quo darstellen. Freilich iSsst sich mit Sicherheit eine klare Zuordnung der auslosenden Faktoren des Widerstandes zu einer einzigen Dimension nicht immer treffen. Vielmehr sind die Grenzen der Dimensionen fliefiend oder die resistenzprovozierenden Faktoren multidimensional. Ein Widerstand in diesem Sinne ist somit eine multidimensionale Reaktion oder Aktion auf eine Veranderung bzw. mogliche Verdnderung der herrschenden Umfeldkonstellation. Die Implikation unterschiedlicher Dimensionen in den Begriff der Widerstande verdeutlicht am Rande deren Divergenz. Nur ausgehend von einem Verstandnis der differenten Facetten von Widerstanden lassen sich Ansatze fiir die Genese einer sinnvollen Change-Arena, verbunden mit einer Hoherentwicklung der untemehmensspezifischen Change-Fahigkeit, entwickeln, welche die intendierte Antizipation von Widerstanden im Vorfeld eines Wandels zum Kempunkt des Denkens und Handelns erheben. Diese Facetten gih es nun naher zu betrachten.

1^*0

Vgl. hierzu die Abbildung auf S. 54.

62 2.1.

Die psychologisch-emotionale Dimension von Widerstanden gegen Wandel Die psychologisch-emotionale Dimension von Widerstanden gegen Wandel „Die Widerstdnde gegen das Neue werden gespeist von der Angst vor dem Fremden. Da das Fremde nur in der Spiegelung am Eigenen sichtbar wird, steht hinter der Angst vor dem Fremden die Angst, sich selber dndern zu miissen. " Bolko von Oetinger

Menschen hassen Wandel! Erve schreibt hierzu: „[...], why should management be interested in new ways of creating change? Once management has established what the competitive strengths and weaknesses of their business units are, what should be their next step? Obviously, they have to make sure that the organization changes to utilize its strengths and to turn around its weaknesses. Many people in the organization actually support this; who would not? However, change may not always happen although we tend to believe that people like change, they actually hate it. It shows in many forms, from procrastination to underground resistance. We rarely embrace change without a sense of urgency, without a crisis. In fact, we tend to manage from crisis to crisis." ^^^ (Hervorhebungen nicht im Original) Verandemng impliziert oft das Erlemen neuer Zusammenhange iind Ablaufe, welche bislang ohne weitere Probleme bewaltigt werden konnten. Eventuell lasst sich der eigentliche Grund fiir den intendierten Wandel nicht erkennen, da das Management gerade nicht im Sinne eines Krisenmanagements handelt, sondem strategisch agiert und damit den erkennbaren Auswirkungen eines notwendig werdenden Wandels zuvorkommt. Schnell fiihrt das fehlende Verstandnis ftir die Notwendigkeit des Wandels zu einer Sinn- und Orientierungskrise bei den vom Wandel Betroffenen, da diese vor dem Hintergrund ihrer subjektiven Realitat den Status quo als hinreichend verstehen.*'*^ Wandel bedingt aber Lemen! Bei den meisten Individuen ist der Begriff des Lemens mit einer negativen Konnotation behaftet. Dies erklart sich ohne weiteres vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Kindheit, in welcher Lemen meist im Zielkonflikt mit - fiir Kinder angenehmeren Beschaftigungsmoglichkeiten stand. Lemen steht insbesondere auch in Zusammenhang mit der Schulzeit, die eine erste Ubemahme von Verantwortung sowie die Konfrontation mit Prufimgssituationen und die Behauptung der eigenen Person vor einer sozialen Gemeinschaft mit sich bringt. Leistungsdmck, Angst und Stress sind Empfmdungen, die somit meist mit Lemen beziehungsv^eise mit einer Veranderung assoziiert werden. Veranderungen bedeuten immer auch eine Entwicklung in eine unbekannte, unsichere Zukunft. Die Angst vor der neuen, ungewissen Situation, welche unter Umstanden die eigenen Fahigkeiten iiberschreitet, steht im Konflikt mit der erlebten und gewiinschten Sicherheit und Stabilitat der Gegenwart. 141 142

Vgl. Erve (1990: 55). Vor diesem Hintergrund erscheint es einfacher, fUr einen Reorganisationsprozess die Notwendigkeit des Wandels den Betroffenen nSher zu bringen, zumal es sich dann meist um Krisenmanagement und nicht um ein weitreichendes strategisches Management handelt.

Das Antlitz der Resistenz

63

,^nother reason to expect resistance as the intervention takes form is that change may be accompanied by fear in direct proportion to its perceived impact on the individual. [...] suggests that change can lead to fear because it involves the unknown, provides an increased likelihood of making errors and thus appearing incompetent, and may represent a threat to job security." ^^^ „People also resist change because they fear they will not be able to develop the new skills and behaviour that will be required of them. All human beings are limited in their ability to change, with some people much more limited than others. Organizational change can inadvertently require people to change too much, too quickly." ^^^ Wird mit der Veranderung ein positiver Nutzen verbunden, steigt die Akzeptanz des Wandels.i'^^ Jedoch ist es im Rahmen eines Change-Managements nicht immer mQglich, alien vom Wandel Betroffenen einen positiven Nutzen in Verbindimg mit dem intendierten Wandel nahe zu bringen. Angst und Stress sind oft die Folge. Beides fiihrt zur Opposition gegen die geplante Veranderung. Wie aber lasst sich erklaren, dass Angst und Stress auslOsende Momente fur Widerstande gegen Wandel sein konnen? Diese Frage soil im Folgenden beantwortet w^erden. Stress als zentraler psychologischer Faktor des Widerstandes gegen Wandel Stress kann im Allgemeinen als ein Prozess beschrieben werden, welcher von situationsabhangigen Variablen und von individuellen Charakteristiken wechselweise bestimmt wird.^"^^ Veranderte Umweltbedingungen, besondere Ereignisse oder andauemde Belastungen erfordem Anpassungsleistungen des Menschen. Dabei sammelt das Individuum positive oder negative Erfahrungen im Rahmen der stressbedingten Konfrontation mit der jeweiligen Umweltkonstellation. Es werden Kompetenzen entwdckelt und Umweltgegebenheiten gemaB den eigenen Bediirfnissen verandert. Psychologischer Stress kann somit auch als eine prozesshafte, wechselseitige Person-Umwelt-Auseinandersetzung defmiert werden. Diesem Verstandnis von Stress liegt die sogenannte kognitiv-transaktionale Stresstheorie zugrunde. ^^'^ „Stress is any event in which environmental or internal demands tax or exceed the adaptive resources of an individual, social system, or tissue system." ^^^ Stress entsteht demnach darm, wenn die individuellen Fahigkeiten und Kompetenzen, mit welchen man sich normalerweise in alltaglichen Situationen behauptet, von den an die eigene Person gestellten Erwartungen ubertroffen oder in Frage gestellt werden. Der Stressbegriff wird dabei jedoch nicht einzig und allein auf Individuen fokussiert, sondem kann durchaus auch soziale Systeme oder sogar ganze Volker erfassen.^'^^

143 14"^ 145 146 147 148 149

v g l . Prue, Frederiksen (1982: 338). Vgl. Kotter, Schlesinger (1979: 108). Vgl. Caruth, Middlebrook, Rachel (1985: 23). Vgl. hierzu Schwarzer (1993: 1 Iff.). Vgl. Schwarzer (1993: 1 Iff.). Vgl. Lazarus, Launier (1978: 296). Vgl. auch Luczak (1996: 84).

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Die psychologisch-emotionale Dimension von WiderstSnden gegen Wandel

Verandenmgen im sozio-5konomischen Feld oder aber im Umfeld der Systemmitglieder einer Untemehmimg induzieren einen Zustand der kognitiven Dissonanz, da mit dem Wandel die Unsicherheit tiber die eigene AnpassungsfMhigkeit an die sich andemde Umweltkonstellation zunimmt. Das damit zusammenhangende individuelle Empfinden von Stress kann jedoch auf imterschiedliche Weise wahrgenommen w^erden. Einmal im Sinne einer Herausfordenmg, oder als Schaden, aber auch als Bedrohung.^^^ Wurde der intendierte Wandel beispielsw^eise als eine Herausforderung aufgenommen vs^erden, so ist es w^ahrscheinlich, dass die Verandenmg der Anforderungen mit einer Zunahme der Anstrengung hinsichtlich der Bewaltigvmg der neuen Situation einhergeht. Die VerSnderung entspricht darm einem besonderen Anreiz, sich den neuen Anforderungen zu stellen und diesen zu entsprechen. Andererseits kann jedoch die neue Aufgabenstellung auch als Bedrohung erachtet werden, womit unweigerlich Verdrangungsmechanismen zum Tragen kommen oder aber Angstempfindungen entstehen, welche fur ein adaquates Erbringen der geforderten Leistung ohne Zweifel nicht forderlich sindJ^^ Dabei mtissen die gesteigerten Leistungsanforderungen nicht unbedingt nur als muhsamere Arbeitsvollztige erachtet werden. Haufig wird bereits die bloUe Notwendigkeit des Erlemens neuen Wissens und neuer Fahigkeiten als Bedrohung wahrgenommen. Bisherige Gewohnheiten beizubehalten, kann dem menschlichen Sicherheitsstreben subsumiert werden, womit auch eine gevdsse Tragheit in Zusammenhang mit der Arbeit verbunden ist, die sich jeder Veranderung entgegenstellt.^^^ „Another reason to expect resistance as the intervention takes form is that change may be accompanied by fear in direct proportion to its perceived impact on the individual. [...] change can lead to fear because it involves the unknown, provides an increased likelihood of making errors and thus appearing incompetent, and may represent a threat of job security." ^^^ Die aufgrund der jeweiligen Einschatzungen resultierenden Bewaltigungsformen, werden in der Psychologic auch als „coping" bezeichnet.'^"^ Warum aber kaim ein Wandel als Bedrohung aufgefasst werden? Die VerSnderung der Anforderungen an die individuelle AufgabenerfuUung ist moglicherweise verbunden mit der Befurchtung eines Misserfolges, welcher wiederum zu einer BloBstellung vor Kollegen und einer negativen Beurteilung durch Vorgesetzte fuhrt. Das Resultat ist dann eine nachlassende Selbstachtung. Das Vertrauen in die eigene Fahigkeit der Aufgabenbewaltigung sinkt, womit unweigerlich die Angst vor dem Versagen und einer damit zusammenhangenden Demiitigung *50 ^^^ 152 153 154

Galup, Saunders, Nelson, Cerveny (1997) beispielsweise beschreiben, dass Arbeitsplatzunsicherheit zu verstarktem Arbeitseinsatz ftlhrt, wohingegen O'Driscoll, Cooper (1996) Arbeitsplatzunsicherheit als Stressfaktor beschreiben, der letztlich die Leistung mindert. Vgl. auch Recardo (1995: 7). Weiterhin kennt man in der Psychologie die sogenannte Tropophobie, welche auch als eine Angst vor einer Veranderung beschrieben werden kann. Vgl. hierzu Zimbardo (1988: 509). Vgl. Bleicher (1979: 185). Vgl. Prue, Frederiksen (1982: 338). Schwarzer(1993: 15).

Das Antlitz der Resistenz

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zunimmt.^55 jn der Psychologic bczeichnct man deshalb Bedrohungcn in leistimgsbczogencn Stresssituationcn auch als Selbstwertbedrohungen}^^ Man spricht hicrbei auch von cinem sogcnanntcn „Kompctenz-Angst-Syndrom". ^^'^ Ob cine Verandemng der Umwelt als Herausforderung, ScMdigung oder aber als Bcdrohiing aufzufassen ist imd ob die individuellc Leistungsfahigkeit fur die Bewaltigimg der Neucrung ausreicht, sind zwei zu diffcrenzicrende Bewcrtungen.^^^ Mit dicsen schStzt der Mensch ab, inwiewcit seine adaptiven Ressourcen fiir eine Anpassung an die neuen Umfeldanforderungen ausreichen. Schatzt er sein Potential wesentlich hoher ein, als es die neuen Umfeldanforderungen erfordem, so reduziert sich das Empfmden einer Stress-Situation und wird im Sinne einer eher routinemaiiigen Aufgabe ausgefiihrt. Bewertet er jedoch seine eigenen Bewaltigungsmoglichkeiten hinsichtlich der Veranderung als nicht adaquat, so entwickelt sich ein Strcsszustand, dem durch Strategien der bewussten Auseinandcrsetzung, beispiclsweise durch intensive Arbeit oder durch Vermeidung der sich anbahnenden Situation begegnet werden soil. Die Vermeidung stellt dabei einen Widerstand gegen den geplanten Wandel dar, da nach Moglichkeiten gesucht wird, die Stress-Situation abzuwenden. Das damit verbundene opportunistische Verhaltenspotential ist aus der Perspektive der psychologischen Dimension von Widerstanden charakteristisch ftir Resistenzen gegen Wandel. "When a person actively resists a change, there are two possible reasons why. The first of these is unwillingness. A person will be reluctant to make a change if it appears to threaten his or her well-being, either to be jeopardizing important relationships, blocking progress toward important goals or violating some deeply held value or belief A person might also resist change when he or she feels a lack of ability to change. If a person believes his or her level of skill is too low, that person may try to stop the change." ^^^ Spricht man von adaptiven Ressourcen, so sind die individuellen Potentiale angesprochen, die die Uberwindung der sich stellenden Umweltveranderungen ermOglichen oder aber nicht. Es zeigt sich hierdurch, dass letztlich die subjektive Einschatzung der VerSnderungssituation und der individuellen Bewaltigungspotentiale bzw. der adaptiven Ressourcen das Empfmden eines Wandels als Herausforderung oder Bedrohung bedingt. „Objektive Bedingungen liegen den kognitiven Einschatzungen zugrunde, aber entscheidend bleibt, wie das Subjekt die Dinge sieht; nicht die tatsachlichen Gefahren der

^^^

Vgl. hierzu auch Girmaud (1994: 36), welcher u.a. als GrandfilrWiderstande gegen Wandel die Angst vor Unbekanntem sowie die Angst der Betroffenen, aufgrund des Wandels inkompetent hinsichtlich der neuen Aufgabenstellung zu sein. Er spricht hierbei von einer „Fear of incompetence".

156 157 158

Vgl. Schwarzer (1993: 12). Vgl. hierzu Krtiger (1994: 363). In der psychologischen Terminologie werden die kognitiven Einschatzungen oder Bewertungen als „appraisal" bezeichnet. Eingehender betrachtet, wird unterschieden zwischen dem „primary appraisal" und dem „secundary appraisal". Die primSre Einschatzung schatzt das einzugehende Risiko ab, wahrend die sekundare Einschatzung die zur Verfligung stehenden Bewaltigungsmoglichkeiten einer Prtlfung unterzieht. Siehe hierzu auch Schwarzer (1993: 15). Vgl. Connor (1993: 91).

159

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Die psychologisch-emotionale Dimension von Widerstanden gegen Wandel Umwelt und nicht die tatsachlichen Eigenschaften einer Person machen die Stresserfahrung aus, sondem die vielleicht verzerrte personliche Sichtweise." ^^^

Hat das Individuum erkannt, dass es aufgrund fehlender Kompetenz der Veranderimg nicht gewachsen ist, wird es nach Losungsmoglichkeiten suchen, um der Stress-Situation zu begegnen. Zum einen bestiinde die Moglichkeit einer Revision der Bewertung der Veranderungssituation vor dem Hintergrund einer eventuellen primaren Fehleinschatzung des bevorstehenden, bedrohlichen Wandels. Zum anderen konnte die eigene Kompetenz nochmals hinterfragt werden, da moglicherweise die individuellen Fahigkeiten unterschatzt wurden. Ein weiterer Losungsweg lage in der Erwagung extemer Hilfe, um die eigene fehlende Kompetenz zu kompensieren. Jedoch wurde damit der eigene Mangel hervorgehoben werden, wodurch das Selbstwertgeftihl und die Selbstdarstellung des Individuums in Mitleidenschaft gezogen werden wurden. Es wird dabei offensichtlich, dass zur Uberwindung einer Stresssituation, wie sie eine einschneidende Veranderung des Umfeldes durchaus darstellt, nicht nur eigene Kompetenzen Berticksichtigung finden, sondem durchaus auch auf die eines sozialen Netzwerkes zuruckgegriffen werden kann. Die Konfrontation mit einer Stresssituation, ist zugleich auch eine Konfrontation auf der emotionalen Ebene. Die Realisierung einer moglichen Ohnmacht oder Inkompetenz im Sirme eines Versagens, angesichts einer sich wandelnden Umweh wird - wie bereits angesprochen als bedrohlich empfunden.^^^ Diese Bedrohung induziert auf der emotionalen Ebene ein Geftihl der Angst. Dieser emotionale Zustand der Angst wiederum signalisiert dem Individuum das Fehlen der adaptiven Ressourcen, um der neuen Umweltanforderung gewachsen zu sein. „Stress lasst sich also als ein Kraftespiel von Person und Umwelt darstellen, wobei beide Seiten aus der Perspektive des Betroffenen zu sehen sind. Dabei ist die Verarbeitung von Information zentral ftir den Stressvorgang, sowohl ftir die subjektive Bewertung als auch fiir die Bewaltigungsphase. Es handelt sich daher vor aliem um eine kognitive Auseinandersetzung des Ich mit den Anspruchen der AuBenwelt [...], wobei sich Person und Umwelt im Fluss des Geschehens wechselseitig bedingen." ^^^ Offensichtlich lasst sich eine enge Korrelation zwischen der Entstehung einer Stresssituation und dem Fehlen eventuell stressmindemder Informationen beztiglich der sich verandemden Umweltkonstellation konstatieren. Freilich ist es durchaus denkbar, dass trotz ausreichender Information iiber den bevorstehenden Wandel bei einigen Betroffenen Stress entsteht, welcher dann zu individuellen Abwehrreaktionen und damit zu Widerstanden gegen die intendierte Veranderung fiihrt. Andererseits kann durchaus der Schluss gezogen werden, dass mittels geeigneter Aufklarung durch hohen Informationsfluss unnotige Stresssituationen oder aber auch durch Fehlinformationen im Sinne von Geriichten hervorgerufene Missverstandnisse vermieden werden konnen.^^^ Als besonders wichtig erweist sich im Zuge einer offenen Informationspolitik auch, die Beobachtung der vom Wandel Betroffenen bzw. die 160 161 162 163

Vgl. Schwarzer (1993: 15). Siehe hierzu auch Luczak (1996: 86, 96). Vgl. Schwarzer (1993: 14). Vgl. hierzu beispielsweise Prue, Frederiksen (1982: 338).

Das Antlitz der Resistenz

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Beurteilimg, ob die jeweiligen individuellen adaptiven Ressourcen fur den geplanten Wandel ausreichen oder nicht. Gezielte tiefere Information oder aber die bewusste Schulung zur Aneignung der ftir die Veranderung relevanten Kompetenzen helfen Stress und damit verbundene Emotionen wie Angst a priori zu minimieren.^^'^ Wie sich leicht erkennen lasst, konnen Stress beziehungsweise die damit induzierten Emotionen sowie die daraus resultierenden Einschatzungen und Bewaltigungsformen ein psychologischer Erklarungsansatz fur die Genese von Widerstanden gegen Wandel darstellen. Es konnen jedoch noch weitere Punkte psychologischen Ursprungs identifiziert werden, welche fur Resistenzen gegen Neuerungen verantwortlich zu machen sind. So zum Beispiel das Empfinden personlicher Befriedigung am Arbeitsplatz, sei es durch die Art der Tatigkeit oder durch die mit der Leistungsverrichtung in Verbindung stehenden Kontakte innerhalb der Organisation. Der Mensch identifiziert sich insbesondere auch uber die Arbeitsleistung, welche er vollbringt. Sein Selbstwertgeftihl, seine Selbstachtung sowie sein Selbstbewusstsein steigen unter anderem mit dem Sozialprestige seiner Beschaftigung. Die Gefahrdung dieser personlichen Befriedigung durch oktroyierte Veranderungen, mit welchen eine Identifikation nicht mehr moglich ist, stellt auch das seelische Gleichgewicht des vom Wandel Betroffenen in Frage. „The change may soon be seen as an obstacle to satisfying their personal needs on the job. As a result, feelings of frustration may begin to develop within them. They may, ultimately, strike back at the perceived source of their frustration - the change." ^^^ Die Bedrohung dieses seelischen Gleichgewichtszustandes wiederum mtindet in eine StressSituation, die eine Emotion der Angst, begriindet in existentieller Unsicherheit, nach sich zieht. Die individuelle Befriedigung kann beispielsweise auch dann gefahrdet werden, wenn der Output der eigenen Leistung zur Schadigung anderer Individuen beitragt. Selbstzweifel bis hin zum Verlust der Selbstachtung und, damit verbunden, die nachhaltige Schadigung der eigenen Personlichkeit konnen die Folge sein. Eine weitere bekannte Determinante, die der psychologischen Dimension von Widerstanden gegen Wandel zugeordnet werden muss, ist das sogenaimte „Not Invented Here-Syndrom". Es stellt als solches eine bestimmte, durchaus auch vehemente ablehnende Grundhaltung gegenuber all jenem Gedankengut dar, das nicht dem eigenem Ideenreichtum entsprungen ist. Kennzeichnend ist dabei, dass haltlose, jegliche Logik vermissen lassende Argumente gegen eine Veranderung des Status quo vorgebracht werden. Eine Erklarung fur dieses Verhalten gegenuber Neuerungen liegt sicherlich in dem durch die gesellschafllichen Strukturen und Werte alimentierten Konkurrenzdenken. Gute Ideen anderer Systemmitglieder gefahrden die eigene Position durch die offenkundige Innovationskraft des Vorschlags eines vermeintlichen Opponenten, welche die eigene Bewertung durch Vorgesetzte negativ beeinflussen kann. Die ^^^ Bleicher (1979: 179) spricht davon, dass Angst zum grOBten Hindemis fUr Wandel werden kann, da ihr zum Einen nicht offen begegnet werden kann, da Angstempfmdungen meistens nicht kommuniziert werden, und zum Anderen Angst von ihren Tragem rationalisiert wird, so dass sich Angst mit sachlichen (Schein-) Problemen umgibt, die in den Veranderungen gesucht werden. 165 Vgl. Caruth, Middlebrook, Rachel (1985: 24).

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Die psychologisch-emotionale Dimension von Widerst^den gegen Wandel

Innovationskraft anderer Mitarbeiter stellt dabei die eigene Leistung in den Hintergrund, womit durchaus ein Verlust an entgegengebrachter, allgemeiner Aufmerksamkeit verbunden sein kann. Auch in diesem Zusammenhang lieBe sich mit einem moglichen reduzierten Selbstwertgefiihl aufgrund des Aufmerksamkeitsverlustes argumentieren, welcher letztlich in eine Stress-Situation mtindet. Bleicher erklart dieses Verhalten mit einer mangelnden Identifikation mit der organisatorischen Wandlimg. Die Initiierung der Verandenmg ging dabei nicht von den Betroffenen selbst aus, sondem vielmehr von anderen, eventuell hoheren Stellen und wird als „deren" MaBnahme aufgefasst. Das dabei entstehende Gefiihl der Ausgeschlossenheit von Entscheidungen und des Obergangenseins induziert dann Widerstande gegen diese VeranderungenJ^^ Grundsatzlich versucht jeder Mensch, mit seinem Handeln bestimmte Ziele zu verfolgen, die in einer subjektiven Zielhierarchie eingebettet sind. Mit diesen Zielen verbunden ist der Drang nach Selbstverwirklichung, Anerkennung und der Befriedigung eigener Bediirfhisse, welche der Mensch auch ftir die Aufrechterhaltung seines bereits angesprochenen seelischen Gleichgewichts benotigt. Die eigenen Ziele soHten deshalb mit den Zielen der Organisation konform sein, zumindest insoweit, als die Verwirklichung der persSnlichen Ziele nicht im Widerspruch zu jenen der Untemehmung stehen und sich damit konterkarieren.^^'^ Die individuellen Ziele eines Menschen sind aber auch vor dem Hintergrund eines individuellen Sinnzusammenhangs zu sehen, der das Denken und Handeln beeinflusst. Der mit dem Handeln verbundene Sinn entscheidet dabei tiber die Konformitat mit den eigenen Zielen. Die Frage nach dem Sinn des eigenen Handelns beeinflusst auch den psychischen Zustand des Ichs. Wandel gleich welcher Art wird somit der Frage nach dem Sinnzusammenhang unterworfen werden, der das neue Handeln rechtfertigt vor der Zielhierarchie der Untemehmung als auch vor dem individuellen Zielsystem des vom Wandel Betroffenen. Geht der Sinnzusammenhang durch die intendierte VerSnderung verloren, stellt sich ftir das Individuum die Frage, inwieweit die Neuerung innerhalb der Organisation den eigenen Sinnzusammenhang gefahrdet. Ist dieser Sinnzusammenhang bedroht, entwickelt sich Widerstand gegen die geplante Verandenmg als natiirlicher Mechanismus zum Schutze des bedrohten Sinnzusammenhangs. ^^^ Wandel kann aber auch als Kritik an den bisherigen Verhaltensweisen eines Individuums Oder einer Gruppe aufgefasst werden. Verbunden mit der Kritik ist die Angst, einen Statusverlust und damit auch einen Verlust an allgemeiner Anerkennung zu erleiden, womit eine Verletzung der Ego-Motive verbunden ware.^^^ Die Form der vorgebrachten Kritik

166

^^^ ^68

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Ygi Bleicher (1979: 185). Sicherlich ist jedoch auch mOglich, dass neue und durchaus gute Ideen niedrigerer Hierarchiestufen bewusst von Vorgesetzten missachtet werden, um beispielsweise der Kritik zu entgehen selbst, nicht diese Neuerung erkannt zu haben. Vgl. hierzu auch noch einmal die Abbildung und AusfUhrungen auf S.45. Vgl. Doppler, Lauterburg (1994: 68) sowie Schmidt (1996: 40fF.). Letztere geht insbesondere auf die Dissonanz und Dissonanzreaktion auch bei forcierter Einwilligung naher ein. Vgl. auch Strebel (1996: 87f.), der von einer psychologischen Dimension der Beziehung zwischen Unternehmen und angestellten Mitarbeitem spricht. Er unterstreicht dabei auch die Kongruenz zwischen den Zielen der Organisation und den pers5nlichen Zielen der Mitarbeiter. Vgl. hierzu Hill, Ulrich, Fehlbaum (1989: 477).

Das Antlitz der Resistenz

69

bestimmt freilich auch, ob diese nicht sogar als unmittelbare Bedrohung wahrgenommen wird, zumal massive, anhaltende Kritik, die Arbeitsplatzsicherheit gefahrden kann. Oftmals ist damit die Angst vor dem Verlust der Existenzgnmdlage und somit auch das Auslosen einer veranderungskonterkarierenden Stresssituation verbimden. Weiterhin kann ein Wandel auch als eine von auBen aufgezwungene Anderung empfunden werden, welche als eine Art Unmundigkeitserkldrung interpretiert werden konnte. Oder aber als eine Fremdbestimmung, die damit einen Verlust an EntfaltungsmOglichkeit darstellen wurde. Hill, Ulrich, Fehlbaum sprechen dabei von einer Verletzung des Motivs der Selbstaktualisierung, welche einen Ausloser fur Widerstand gegen eine Veranderung darstellen kann. ^"^^ Widerstande gegen Neuerungen konnen auch aus bestehenden Erfahrungsmustern resultieren. Das impliziert, dass bestimmte Verhaltensweisen oder Arbeitstechniken in der Vergangenheit zu Erfolgen geftihrt haben und damit als Positivum in den Erfahrungsschatz des Individuums aufgenommen wurden.^*^^ Gegenwartige Problemsituationen, mit denen ein Individuum konfrontiert wird, werden primar mit diesem Pool an positiven, erfolgversprechenden Handlungsweisen verglichen. Zeigt sich eine Ahnlichkeit der momentanen Problemstellung mit der zu losenden, so wird auf die bewShrte Weise der Problematik begegnet. Die Veranderung der Umweltkonstellation hat jedoch zur Folge, dass die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen nur scheinbar zur Bewaltigung der anstehenden Problemstellung zu verwenden sind. In Wirklichkeit trifft aber ein ahnliches Problem auf vollig unterschiedliche Umweltbedingungen, welche die gesammelten Erfahrungen obsolet werden lassen. Das Aufeinandertreffen divergierender und konkurrierender LosungsansStze, bedingt durch die unterschiedlichen Erfahrungsbasen, die zudem haufig aufgrund unterschiedlicher Denkweisen der involvierten Generationen entstehen, ftihrt dazu, dass die Losungen gegenseitig als inadaquat abgewiesen werden, vor allem dann, wenn die Zuteilung knapper Ressourcen von der Entscheidung flir eine Alternative abhangt.*^^ Der Erfahrungsschatz von Individuen kann dann zu Widerstand gegen Veranderungen fiihren, wenn die Erfahrungen nicht vor dem Hintergrund des sich wandelnden sozio-okonomischen Feldes standig hinterfragt und aktualisiert werden. Widerstand, resultierend aus mangelnder Akzeptanz neuer Losungsansatze, muss auch hinsichtlich des Verlustes von Anerkennimg und sozialer Hierarchic gesehen werden. EinbuBen bedingen Emotionen wie Angst, die in Stresssituationen miinden. ReiB, Rosenstiel, Lanz dokumentieren dies wie folgt: SchlieBlich behindert sogar der vergangenheitliche und gegenwartige Erfolg eines Untemehmens die Entfaltungsmoglichkeiten von Change-Vorhaben, auch wenn dies zunachst paradox klingen mag. Erfolg zementiert jedoch den Status quo und verringert die Motivation, liber die Nachhaltigkeit des Erfolgs oder Chancen der Verbesserung der Erfolgssituation nachzudenken."^'^^

170 171 172 173

Vgl. Hill, Ulrich, Fehlbaum (1989: 477) sowie Bleicher (1979: 185). Vgl. auch Vahs (1997: 19). siehe auch Bleicher (1979: 180). Vgl. ReiB, Rosenstiel und Lanz (1997: 18).

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Die okonomische Dimension von Widerstanden gegen VerSnderungen

Im Mittelpunkt von Veranderung steht immer der Mensch. 1st die Veranderung aus seiner Perspektive heraus zu bewaltigen und lasst sich diese auch noch mit seiner individuellen Zielvorstellung abgleichen, dann reduziert sich die Wahrscheinlichkeit von Widerstand erheblich. 1st dies jedoch nicht der Fall und das Individuum ist von Angst und Stress aufgrund der Veranderung gepragt, ist ein hoher Resistenzgrad quasi vorprogrammiert. Schliefilich geht es um die eigene Existenz, welche aber auch an einer okonomischen Dimension von Widerstanden gegen Wandel festgemacht werden kann. Angst vor Veranderungen impliziert immer auch die Ungewissheit iiber die eigene Zukunft und Existenzsicherung im Sinne einer Arbeitsplatzunsicherheit. ^"^^ Im Folgenden soil auf diese okonomische Dimension der Widerstande gegen Wandel naher eingegangen werden. 2.2.

Die okonomische Dimension von Widerstanden gegen Veranderungen

„ Wer den Daumen aufdem Beutel hat, hat die Macht. " Otto von Bismarck Das primare Ziel der Einbringung individueller Arbeitsleistung ist ohne Zweifel der monetare Aspekt. Dieser resultiert aus der Notwendigkeit der Sicherstellung des Uberlebens, welches in unserer Gesellschaft zu aller erst verbunden sein mag mit dem Bediirfhis nach Wohnung und Nahrung. Alle weiteren Bediirfnisse, welche beispielsweise auf eine Selbstverwirklichung zuruckzuftihren sind, beziehen sich meist jedoch irgendwann wieder auf die okonomische Dimension, namlich dann, wenn der Faktor Geld fur die Realisierung notwendig wird. Insofem spielt die okonomische Dimension von Widerstanden gegen Wandel eine wichtige Rolle bei Veranderungsvorhaben. Der okonomische Faktor einer Arbeitsleistung ist aber nicht lediglich im eigentlichen monatlichen Entgelt zu sehen, sondem geht dariiber hinaus. Die okonomische Dimension umfasst dabei alles, was in irgendeiner Weise mit einer Vermogenssteigenmg des jeweiligen Organisationsteilnehmers in Zusammenhang zu bringen ist. Hier lasst sich etwa nennen: • • • •

Lohn und Gehalt, Lohn und Gehaltsanteile aus Uberstunden,^^^ Weihnachts- und Urlaubsgeld, Etwaige Sozialleistungen des Betriebes (z.B. in Form von betrieblicher Altersversorgung, aber auch die Bereitstellung von subventionierter Verpflegung im Rahmen einer firmeneigenen Kantine),

Vgl. hierzu Jordan, Ashkanasy, Hartel (2002), Dekker, Schaufeli (1995) sowie Greenhalgh, Rosenblatt (1984), die insbesondere die stressproduzierenden Effekte von Arbeitsplatzunsicherheit beschreiben. Diese dtirfen auf keinen Fall unterschatzt werden. Der Arbeitgeber betrachtet diesen Lohn- und Gehaltsanteil nicht als „fixen" Teil des Arbeitsentgelts. Der Arbeitnehmer hingegen rechnet mit dieser GrOCe als einen durchschnittlichen Anteil seiner Entlohnung. Insbesondere dann, wenn in der Vergangenheit regelmafiig Uberstunden angefallen und ausgezahlt wurden. Eine Reduktion dieses Gehaltsbestandteils wird aus Arbeitnehmersicht wie eine Lohn- und GehaltskUrzung empfunden, auch wenn sich dieser Uber die Variabilitat dieses Entgeltanteils durchaus bewusst ist.

Das Antlitz der Resistenz • • • •

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Dienstwagen (auch die Uberlassung von Firmenhandys/Laptop/PDA sollte nicht vergessen werden), Tantiemen / Bonuszahlungen, Aktienoptionen, Verhaltnis Arbeitszeit zu Freizeit (imd damit auch die Anzahl der Urlaubstage iind Feiertage oder aber die Dauer des Arbeitsweges).^^^

Freilich mogen hier auch noch andere Bestandteile des Arbeitsentgelts zu nennen sein. Wichtig ist dabei, dass man sich dariiber bewusst wird, inwiefem ein Wandel Auswirkungen auf die jeweiligen okonomischen Faktoren der Organisationsteilnehmer hat. Der mit einer Reorganisation zusammenhangende mogliche totale Einkommensverlust der betroffenen Organisationsmitglieder bedeutet ohne Zweifel eine Bedrohung der Existenz. Insbesondere dann, wenn die Arbeitsmarktsituation des Landes sowie dessen okonomische und volkswirtschaftliche Lage eine problemlose Wiedereingliederung in das Berufsleben erschwert. Die Erwerbslosigkeit kann schnell zu einem finanziellen Kollaps der Lohn- und Gehaltsempfanger sowie deren Familien ftihren, was die mit einem Arbeitsplatzverlust verbundene Existenzangst hinreichend begrundet. „One of the most direct threats imagined by employees when improvements are made in the work place is that the change is somehow going to hurt their pocketbooks. A job loss is certainly an economic loss!" ^^^ Die von einer eventuellen Reorganisation betroffenen Gruppen oder Individuen resistieren zweifellos dem intendierten Wandel insbesondere dann, wenn sie ihre eigenen adaptiven Ressourcen hinsichtlich einer moglichen und notwendigen Anpassung an die neue Situation als gering einschatzen. Wird hingegen die individuelle AnpassungsMiigkeit an die sich verandemde Umfeldsituation als hoch bewertet, unterstUtzt dies das Selbstvertrauen in die eigene Leistungs- und Anpassungsfahigkeit, wodurch die mit dem drohenden Einkommensverlust verbundene existentielle Bedrohung reduziert wird. Das Empfmden einer Stresssituation und der Aufbau eines hohen Widerstandspotentials nimmt folglich ab. Diese zuletzt geschilderte Situation beschreibt beispielsweise Organisationsmitglieder, die aufgrund ihrer Ausbildung oder Erfahrung ohne weiteres mit guten Chancen am Arbeitsmarkt rechnen konnen. Das Widerstandspotential dieser Gruppen ist meist gering. Hierin liegt auch der Grund, warum bei anstehenden drastischen Veranderungen die Fluktuationsrate jener Organisationsteilnehmer mit den besten Arbeitsmarktchancen am hCchsten ist und der Wechsel in einer frUhen Phase des Wandels eingeleitet wird, sofem dieser mit den individuellen Zielen inkommensurabel erscheint. Gleichzeitig implizieren die getroffenen Aussagen aber auch, dass Mitarbeiter mit geringeren Chancen auf Weiterbeschaftigung am Arbeitsmarkt, die damit in vollem MaBe einem ^^^

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Auch die Dauer des Arbeitsweges hat letztlich eine Okonomische Dimension, da sie doch zum Einen das Verhaltnis Arbeitszeit/Freizeit beeinflusst, und zum Anderen auch die Ausgaben beeinflussen kann, die mit dem Arbeitsweg verbunden sind in Form von Benzingeld, Kilometergeld, Aufsvendungen flir Offentliche Verkehrsmittel usw.). Vgl. Caruth, Middlebrook, Rachel (1985: 24).

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Die okonomische Dimension von Widerstanden gegen Veranderungen

langerfristigen Einkommensverlust ausgesetzt sind, den geplanten Veranderungen mit alien zur Verftigung stehenden Mitteln zu resistieren bereit sind. Vielleicht stellt im Hinblick auf die okonomische Dimension von WiderstSnden gegen Wandel der Verlust der Beschaftigung den schwenviegendsten Fall dar. Gleichwohl kann jedoch bereits auch die Kiirzung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen Shnliche Folgen nach sich Ziehen. Kiirzung des Entgelts ward als Missachtung oder als Kritik an der individuellen Arbeitsleistung empfunden.^^* Vor allem dann, w^enn die Reduzierung offentlich wird, kommt sie einer Demiitigung bzw. Bestrafimg gleich. Auch in diesem Falle induziert der Verlust an sozialer Anerkennung und quasi offentlicher Herabsetzung unweigerlich Widerstande. Freilich bezieht sich die okonomische Dimension von WiderstMnden gegen Wandel primar nur auf materielle Verluste der vom Wandel Betroffenen. Das helBt, dass alle Bestandteile von Lohn und Gehalt bzw. anderen Entlohnungs- und Anreizformen, wie soziale Leistungen, Gratifikationen, Pramien und sicherlich auch Zuwendungen in Form von Geschaftswagen, bei Einschrankungen Resistenzen nach sich ziehen.^'^^ Sicherlich ist jedoch der finanzielle Schaden nicht ausschliefilich verantwortlich fur die Art der Reaktion auf den Wandel bzw. seine Auswirkungen. Vielmehr sollte auch der soziale Aspekt finanzieller EinbuBen berUcksichtigt werden. Kurzungen okonomischer Natur reprasentieren in gewisser Art und Weise immer auch einen Ausdruck von Kritik, welcher dann zu Sanktionen ftihrt. Die Frage, ob der soziale Status erhalten werden kann, wdrd von Emotionen der Angst begleitet, da das menschliche Selbstwertgefiihl sowie die Stellung in der Gesellschaft oft mit Statussymbolen, sprich mit Materiellem, korreliert. Der Mensch lebt in einem sozialen Netzwerk, eingebettet in die gesellschaftlichen Strukturen.^^o Verluste materieller Art konnen diese Strukturen gefahrden und damit fiir das Individuum durchaus eine Bedrohung fiir das eigene seelische Gleichgewicht und Gesundheit darstellen.^^^ Man fiihre sich beispielsweise den Fall einer Familie vor Augen, die aufgrund der finanziellen Verluste des einzigen Lohn- und Gehaltsempfangers die Wohnung nicht mehr bezahlen bzw. fiir das Wohlbefmden der Kinder nicht mehr gesichert aufkommen kann. Ehekrisen oder der Bruch sozialer Bande sind oft die Folge. Die Gefahr von aufkommenden Selbstzweifeln sowie der Verlust der Selbstschatzung sind keine Seltenheit. Solche Schreckensszenarien sind ausschlaggebend fiir die Angst, die mit einer okonomischen EinbuBe bei Veranderungen verbunden ist. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Widerstand gegen eine drohende Veranderung mit einer eventuellen finanziellen Auswirkung durchaus verstandlich und sogar nur menschlich. 178 17^

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In Anlehnung an Bleicher (1979: 185). Caruth, Middlebrook und Rachel (1985: 24) sprechen in Zusammenhang von Okonomischen Verlusten auch Versetzungen an. Freilich kann bei einer Versetzung auch die Okonomische Dimension von Widerstanden berUhrt werden, insbesondere dann, wenn mit der Versetzung eine geringere Lohn- und Gehaltsstufe verbunden ist. Eine Versetzung sollte jedoch primar unter einer sozialen Dimension von Widerstanden gegen Wandel diskutiert werden, da sie insbesondere den sozialen Status und einen eventuellen Verlust an Anerkennung und Selbstwertgefiihl hervorruft. Vgl. hierzu Lawrence (1954: 54), der explizit von einem „network of established social relationships" spricht, ohne welchen ein Untemehmen lediglich eine Ansammlung von Individuen ware, die keine Vorstellung von organisierter Zusammenarbeit hatten. Vgl. hierzu auch Kuhnert, Sims, Lahey (1989), die insbesondere eine Korrelation zwischen Arbeitsplatzunsicherheit und physischer Gesundheit der Betroffenen festgestellt haben.

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Je nachdem, welche Schicht von Lohn- und GehaltsempfMngem der Wandel der okonomischen Dimension trifft, kann von unterschiedlich heftigen Reaktionen ausgegangen werden. Organisationsmitglieder mit vergleichsweise niedrigem Entgelt konnen beispielsweise bereits bei moderaten Preissteigerungen in der Firmenkantine in unerwartet heftiger Weise reagieren, zumal die veraieintlich geringe Preissteigerung bereits verhaltnismaBig groBe Auswirkungen auf das Realeinkommen der Mitarbeiter zeigt. Oftmals kommt es dabei nicht nur auf das Lohn- und Gehaltsgefiige des einzelnen Mitarbeiters an, sondem auch darauf, ob dieser als Alleinverdiener seine Familie versorgt oder ob das monatliche Familieneinkommen noch von anderen Mitgliedem bestritten wird und somit eine Einzelmafinahme nicht so ins Gewicht faUt. Eine Handhabung von Widerstanden gegen Wandel bedarf der Analyse der Zusammenhange zwischen der intendierten Veranderung einerseits und der Implikationen bei den Betroffenen andererseits. Die Veranderung einer Firmenwagenregelung impliziert dabei nicht nur die tatsachliche monetare Auswirkung der Mafinahme. Auch wenn die okonomische Dimension von Widerstanden gegen Wandel die monetaren Aspekte in den Vordergrund stellt, so sind mit diesen doch auch sehr eng soziale Faktoren verbunden, welche es zu beriicksichtigen gilt. Sicherlich intendieren Menschen mit ihrer Arbeitsleistung, ihre Grundbedurfnisse primar zu befnedigen.i*2 u^^j konnen diese durch das Entgelt fur die aufgebrachte Leistung nicht oder nicht mehr zufiiedengesteUt werden, ftihrt dies zu einer Stresssituation, welche als eine Bewaltigungsform Widerstande gegen den intendierten Wandel bewirken kann. 2.3.

Die soziale Dimension von WiderstSnden

Organisationen sind Systeme, welche Individuen dazu dienen, spezifische, subjektive Ziele die deren Bediirfiiisbefriedigung impliziert - zu realisieren, aber auch Kollektivziele mit dem gemeinsamen Handeln zu verbinden. Menschen versuchen dabei, viele ihrer sozialen Bediirfhisse in Verbindung mit der Arbeit zufrieden zu stellen. So wird beispielsweise das Verlangen nach Zugehorigkeit zu einer Gruppe sowie nach Kommunikation mit Gleichgesinnten am Arbeitsplatz befriedigt. Organisationen sind demnach zweckorientierte soziale Systeme. Veranderungen, wie sie durch das sich wandelnde sozio-okonomische Umfeld der Untemehmen induziert werden, sind nicht ausschliefilich „technischer Natur", sondem meist auch „sozialer Art". Organisationsteilnehmer ftigen sich in das soziale Netzwerk eines Untemehmens zum Zeitpunkt ihres Eintritts ein. Dabei ist mit der zu besetzenden Stelle bereits ein gewisser sozialer Status beziehungsweise ein Platz innerhalb der oftmals auch nur latent existierenden Untemehmenshierarchie determiniert. Aufgrund der mit der Position implizierten 1^2

Vgl. hierzu auch Doppler, Lauterbach (1994: 207), die Lohn und Gehalt neben Sicherheit, Kontakt, Anerkennung, Selbststandigkeit und Entwicklung als die wichtigsten menschlichen BedUrfhisse im Arbeitsleben sehen.

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Die soziale Dimension von Widerstanden

Rollenerwartung wird ein Anfordenmgsprofil erstellt, welchem ein Stelleninhaber ausbildimgs- und sozialspezifisch entsprechen sollte. Bei der zu erfullenden Aufgabe ist neben dem bereits angesprochenen untemehmensintemen sozialen Status auch ein untemehmensextemer sozialer Status eingeschlossen. Der untemehmensinteme Status legt dabei die Zugeh(5rigkeit zu einer bestimmten Gruppe sowie zu einer spezifischen Hierarchie im Untemehmen fest. Diese Zugehorigkeit bestimmt in hohem Mafie auch die Kommunikationswege, welche von dem jeweiligen Organisationsteilnehmer erwartet werden. Vorgesetzten- und Untergebenenverhaltnisse werden (iber die Rollenerwartung der Stelle innerhalb einer Untemehmung geregelt und bestimmen, freilich in Zusammenhang mit der eingenommenen hierarchischen Stellung, den sozialen Status sowie die mit diesem korrelierenden Statussymbole. Statussymbole miissen dabei keinesfalls nur materieller Art sein wie ein eigenes, gut ausgestattetes Btiro, ein Geschaftswagen bestimmter Klasse, eine eigene Sekretarin, eine hohe Entlohnung oder etwa die Moglichkeit der Nutzung eines Business Fluges bei Reisen, um nur einige Beispiele zu nennen. Haufig ist es vielmehr das Immaterielle, das einen hoheren Status signalisiert. Das heifit, dass der soziale Status eines Individuums nicht einzig und allein iiber die mit seiner Stelle verbundenen Statussymbole determiniert wird. Vielmehr kann der soziale Status innerhalb einer Gruppe auch von sozialer Kompetenz, Charisma, Leistungsfahigkeit, Integrationskraft oder Begeisterungsfahigkeit abhangen. Der soziale Status definiert sich eben auch iiber die Fahigkeit, sich innerhalb einer Gruppe einzubinden. Der immaterielle soziale Status bestimmt auch die Hierarchie und die informelle Fiihrung innerhalb einer Gruppe. Sicherlich lassen sich auch andere Ausdrucksformen fmden fiir einen immateriellen sozialen Status, wie zum Beispiel die Moglichkeit der freien Arbeitszeitgestaltung. Aber auch das Privileg der selbststandigen Wahl der Arbeitsinhalte oder die uneingeschrankte Weisungsbefugnis gegeniiber Mitarbeitem sind immaterielle Statussymbole, die oftmals hoher zu bewerten sind als viele materielle und somit den individuellen Status eines Organisationsteilnehmers defmieren. Ein Statussymbol kann auch die jederzeitige Kommunikationsmoglichkeit mit einer bestimmten Gruppe wie etwa der Geschaftsleitung eines Untemehmens darstellen, da damit auch ein bestimmter Machtfaktor verbunden sein kann, beispielsweise iiber die Moglichkeit der Beeinflussung wichtiger Entscheidungen. Mit dem Eintritt in eine Organisation ist, wie bereits gesagt, die Zuordnung bestimmter sozialer Verbindungen und spezifischer Statussymbole impliziert. Freilich unterliegen diese im Laufe der Zugehorigkeit zu einer Untemehmung einer Entwicklung. Individuen sind bestrebt, ihre soziale Stellung standig zu verbessem. Das heifit, dass mit fortschreitender Dauer der Betriebszugehorigkeit der soziale Status und damit das Ansehen eines Organisationsmitgliedes steigen kann. Der Aufbau dieses Status entspricht einer manchmal langjahrigen ,Jnvestition'\ die auch den imtemehmensextemen sozialen Status, sei es in Form von prestigetrachtigen Giitem oder immateriellen Werten, beeinflusst. Ein Wandel gefahrdet nun aber dieses erarbeitete soziale Netzwerk eventuell in der Art, dass es Beziehungen zu anderen Mitarbeitem stort oder gar zerstort, etwa dadurch, dass Abteilungen bzw. Gruppen aufgelost werden, und damit nicht nur formelle, sondem insbesondere auch informelle

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Verbindungen getrennt werden. Informelle Gruppen sichem und schtitzen ihre Mitglieder durch den Austausch von Informationen, durch Untersttltzimg bei Angriffen gleich welcher Art, Oder aber durch die Vermittlung von Erfahrungen, die wiederum die Komplexitat der an Organisationsteilnehmer gestellten Aufgaben zu reduzieren hilft. Ein ZusammengehSrigkeitsgeftihl entsteht innerhalb der Gruppe. Die Trennung dieser Gruppen kann das Empfinden einer Isolation nach sich ziehen. Damit verbunden ist oftmals die Angst der sozialen Desintegration Einzelner.^^^ D[Q Gruppe wird deshalb eine bedrohliche Veranderung als Gefahr ftir den Zusammenhalt auffassen und versuchen, diesen Neuerungen mit dem Ziel des Erhalts der Gruppenbeziehungen entgegenzutreten.^^"* „Generally, a unified work group will view outside changes as a threat. The group will then be inclined to resist these changes." ^^^ Ahnliches konstatieren auch Caruth, Middlebrook und Rachel: „People satisfy many of their social needs on the job. Their need to belong to a group and to associate with other people is satisfied in the workplace. Employees often form friendly groups to share experiences and to help each other out, both on and off the job. As relationships in these work groups grow and develop, each individual experiences a greater „sense of belonging" that helps satisfy his or her social needs. As each member receives a higher level of satisfaction, the group becomes stronger and more closely knit. Generally, a unified work group will view outside changes as a threat. The group will then be inclined to resist these changes. Subordinates generally fear that a change may cause group members to be transferred or replaced by individuals with different skills. Changes may also disrupt informal communications. People like to talk with their friends and to stay informed. New tools, for instance a noisy air wrench, may prevent group members from communicating while working. They may wish to retain hand wrenches, which makes their work harder, just to satisfy the need to be with and talk to others. When employees suspect or see that a change is likely to disrupt or destroy their social group, they will tend to resist the change. Fears and imagined threats can, then, cause perfectly sound improvements to be resisted, and even to fail." ^^^ Mitglieder von Gruppen mit ausgepragter formeller und informeller Bindung sehen einen Wandel auch insofem als Bedrohung, als einzelne, insbesondere leitende Gruppenmitglieder, durch andere Organisationsteilnehmer mit fundierteren Erfahrungen ersetzt werden konnten und dadurch die bestehende Gruppenhierarchie sowie der Zusammenhalt der Gruppe gestort wiirde. Ein Erliegen des informellen Kommunikationsflusses ware eine denkbare Folge. Interpersonelle Kontakte werden gefahrdet. Widerstande gegen den Wandel, welcher ftir die Veranderung der sozialen Strukturen verantwortlich gemacht werden wiirde, sind die Folge.

183 ^^^

185 186

Vgl. Hill, Ulrich, Fehlbaum (1989: 477). Vahs (1997: 19) schreibt, dass Strukturen, welche in jahrelanger Arbeit geschaffen und verfestigt wurden, eine Art „conditio sine qua non" fUr die erfolgreiche Bew^ltigung der Zukunftsprobleme sind. Man hat sich „eingerichtet", Beziehungsgeflechte aufgebaut, Absicherungsmechanismen zur Minimierung der persOnlichen Risiken installiert und dafUr Sorge getragen, dass „Uberraschungen", die ein schnelles und entscheidungsfreudiges Handeln erfordem wUrden, nur ausnahmsweise auftreten kOnnen. Vgl. Recardo(1985:25). Vgl. Caruth, Middlebrook, Rachel (1985: 25).

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Die politische Dimension von Widerstanden gegen Wandel „If a change significantly modifies long established social interactions, resistance is likely to occur. This is because the needs - such as recognition and affiliation - that the formal groups were satisfying are no longer being met." ^^^

Der Verlust von Macht, von Statussymbolen, Anerkennung und Ansehen muss in Bezug auf Wandel sehr kritische Abwagung finden. Das Aufbrechen sozialer Bindungen, etwa nur durch den Wegfall eines bislang fur einen Organisationsteilnehmer immer offenstehenden Kommunikationsweges, oder durch eine Nichtberticksichtigung bei einer lange uberfalligen Befbrderung zu Gunsten eines unerwarteten Bev^erbers, kann bereits zu massiven WiderstMnden fiihren, wenn mit der Veranderung ein sozialer Aspekt von hoher individueller Relevanz missachtet woirde. Soziale Akzeptanz ist fur ein Individuum sehr v^chtig. Der Verlust sozialer Anerkennung flihrt zu einem bedrohten SelbstwertgefUhl. Hilflosigkeit und Angst konnen die Folgen sein. Lawrence schreibt zur Relevanz der Berucksichtigung beabsichtigten Wandel:

sozialer Aspekte bei

einem

„[...] the social aspect is what determines the presence or absence of resistance. Just ignoring this fact is the sure way to trouble, so taking advantage of it can lead to positive results." ^^^ Es zeigt sich, dass insbesondere auch die Missachtung sozialer Aspekte bei VerSnderungen zu massiven WiderstSnden fiihren kaim.^^^ Der zu erwartende Widerstand gegen die intendierte Veranderung wird dabei um so grofier sein, je starker die sozialen Bindungen innerhalb der vom Wandel betroffenen Gruppe bzw. des einzelnen Individuums sind. Zusammenfassend lasst sich sagen, dass die soziale Dimension von Widerstanden sich demnach auf der Angst des Verlustes an sozialer Integration und sozialem Status begrUndet. Ein effizientes Change Management muss demnach diesem individuellen Begehren nach sozialer Eingliederung Rechnung tragen. Eine w^eitere Dimension von Widerstand gegen Veranderung zeigt sich in politisch motivierten Faktoren, welche im nachsten Schritt naher reflektiert werden sollen.

2.4.

Die politische Dimension von Widerstanden gegen Wandel

Wandel ist Veranderung. Veranderung bedeutet ftir ein Untemehmen immer auch die Uberfuhrung eines organisationalen Zustandes in einen anderen. Eine Organisation ist aber zugleich auch ein System differenter Interessensgruppen oder Aktoren mit teilweise divergierenden Werten und Normen sow^ie inkongruenten Zielhierarchien. Dabei ist jede dieser Interessensgruppen auf die bestmogliche Durchsetzung ihrer eigenen Vorstellungen

187 188 189

Vgl.Recardo(1995:8). Vgl. Lawrence (1954: 54). Vgl. hierzu auch Caruth, Middlebrook und Rachel (1985: 24f).

Das Antlitz der Resistenz

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und Zukunftsszenarien bedacht. Die Realisierung der verschiedenen Ziele, insbesondere gegeniiber anderen Zielhierarchien zwingt die Parteien zu politischem Agieren. Politik kann dabei als ein auf die Durchsetzung bestimmter Ziele gerichtetes, machtorientiertes Handeln verstanden werden, das insbesondere ein konsequentes, taktierendes, oftmals strategisches Verhalten impliziert.i^^ Das heiBt, es soil bewusst Einfluss auf die Gestaltung der Richtung des Systems genommen werden. Politisches Agieren zeichnet sich dabei meist auch durch ein eher indirektes als direktes Vorgehen der jeweiligen Entscheidungstrager aus, das mittels der Oberzeugung oder aber eines unbewussten Zwangs eine Veranderung im intendierten Sinne bewirkt. Politisches Handeln impliziert insbesondere das geschickte Handhaben von Forderungen, aber auch das Gewinnen von Untersttitzung im Prozess der Interaktion zwischen den verschiedenen Aktoren des politischen Systems. ^^^ Es lassen sich in Untemehmen mannigfaltige Interessensgmppen unterscheiden, welche ihre politischen Ziele durchzusetzen versuchen. Das Erreichen dieser Ziele ist meist mit der Verbesserung der eigenen Position der Gruppenmitglieder oder der jev^eiligen Entscheidungstrager verbunden. Die Realisierung des Gewollten, der eigenen Strategien und Ziele, verschafft den Fuhrem der Parteien Ansehen unter den Mitgliedem imd damit auch einen hoheren sozialen Status. Typische Beispiele ftir solche Gruppen in Untemehmen sind die Geschaftsleitung oder der meist als Opponent der Geschaftsleitimg fungierende Betriebsrat. Das Verhalten dieser politisch agierenden Gruppen ist darauf gerichtet, ihre eigenen Vorstellungen bestmoglich umzusetzen. Die Beeinflussung der Richtung einer Untemehmung beinhaltet auch das Erlangen einer gewissen Position der Macht. Ein Wandel, welcher die Interessen einer politischen Gruppierung unterminiert, selbst wenn die geplante Veranderung aus einer rein rationalen Perspektive unabdingbar ist, wird auf politischen Widerstand stoBen, wenn die Ziele einer Interessensgruppe mit der Neuerung unvereinbar sind. ^^^

190 191 192

Vgl. hierzu auch Bacharach, Lawler (1980: 1). Kirsch(1990:71). Man denke beispielsweise an die Notwendigkeit der Untemehmen im Standort Deutschland, welche aufgrund der Globalisierung der Mftrkte mit stSndig zunehmender intemationaler Konkurrenz und einem damit verbundenen teils ruinOsen Preiswettbewerb infolge gUnstigerer Produktionsbedingungen fremder Lander gezwungen sind, eine ErhOhung der Wochenarbeitszeit bei gleichbleibender Lohn- und Gehaltsstruktur durchzusetzen. Die politische Tendenz der Gewerkschaften drangt dagegen mehr auf eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Das politische Interesse steht trotz der mOglichen Konsequenzen ftir den Standort Deutschland, insbesondere hinsichtlich einer eventuellen drastischen Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation (z.B. durch arbeitsplatzreduzierende RationalisierungsmaCnahmen der Untemehmen als Antwort auf kapitalintensivere Human Ressourcen), im Vordergmnd. Die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen verstarkt primer die politische Macht und damit die Verhandlungsposition einer Interessengmppe. Erkampfte Verhandlungspositionen oder Machtstellungen dUrfen angesichts eines eventuellen Verlustes der Glaubwtlrdigkeit im Hinblick auf zukUnftig zu verhandelnde Arbeitskampfe oder Streitthemen nicht verloren gehen. Politischer Widerstand ist oftmals in der Argumentation nicht nachvollziehbar, zumal durch die Resistenz gegen die Verandemng auch ein Gesichtsverlust verhindert werden soil oder aber Rollenspiele innerhalb des politischen MachtgefUges in der Untemehmung zu einem bestimmten renitenten Verhalten zwingen. Vgl. o.V. (1994: 23f.), Top Business.

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Die politische Dimension von Widerstanden gegen Wandel

Eine politische Gruppierung einer Organisation formiert sich meist um bestimmte Werte, Noraien iind Ziele, welche die Gruppenmitglieder teilen. Zusammengeh5rigkeit bildet sich schon in gleichen Altersgruppen, da hier beispielsweise ahnUche Interessen und Ansichten, aber auch Zukunftsvorstellungen oder aber eine verwandte Risikobereitschaft herrscht. Auf eine Veranderung, die in etwa eine gesicherte Zukunft in Frage steUt, wird einen Mitarbeiter Mitte 50 schon aufgrund der schlechteren Chancen am Arbeitsmarkt im Falle des Arbeitsplatzverlustes aller WahrscheinUchkeit mit mehr Widerstand reagieren als ein junger Arbeitnehmer, welcher noch seinen gesamten Berufsweg vor sich hat. Die ahnlichen Interessen in der gleichen Altersgruppe fiihren zu einer Gruppierung, die versucht, ihre politische Macht in den VerSnderungsprozess mit einzubringen. Politisches Handeln kann jedoch auch von anderen Interessensgemeinschaften in Organisationen ausgehen. Auch die Zugehorigkeit zu ein und derselben Hierarchiestufe, aber auch gleiche Bildungsstande stellen Gemeinsamkeiten dar, die politische Interessensgemeinschaften formieren lassen, zumal ahnliche Denkstrukturen und Normen geteilt werden. Die Zielsetzungen dieser Mitarbeiter sind vergleichbar und werden somit von Veranderungen in gleicher Weise betroffen.^^^ Politischer Widerstand ist demnach eine Resistenz, ausgehend von Interessensgemeinschaften, die sich aufgrund von Befurchtungen verbunden mit dem Wandel zusammenfinden oder aber bereits bestehen und als Gemeinschaft ihre Moglichkeiten der Beeinflussung einsetzen. Die politische Dimension von Widerstanden gegen Wandel stellt also die Frage nach einer hinreichenden politischen Durchsetzbarkeit der intendierten Veranderung. Inv^ieweit vmrden die Werte, Normen und Ziele der Aktoren des politischen Systems im Entscheidungsprozess ftir die neue Richtung des Untemehmens berucksichtigt? Greift der Wandel in das bestehende politische System der Organisation ein? Verschieben sich die Machtverhaltnisse des Untemehmens, sind massive Widerstande gegen die geplante Neuerung zu erwarten. Es gilt, diese politischen Verhaltnisse zu analysieren, um die Handlungsweise der unterschiedlichen Interessensgruppen innerhalb und auBerhalb der Organisation auf die Veranderung vorhersehen zu konnen. Ein Wandel benotigt primar die politische UnterstUtzung der wichtigsten Interessenstrager einer Organisation. Ist diese nicht gegeben, ward die Durchsetzung der Veranderung ein schw^ieriger Kampf, welcher oft zur Versandung des Projektes fiihrt. „Political dynamics, however, escalate during times of change, because any significant change has the potential to disrupt the current balance of power among groups. Uncertainty and ambiguity surface. The result is that individuals and groups in the organization can be expected to use what power they have to protect their vested interests and insure that any change maintains or improves their current position. [...] But to ignore politics and the impact that change interventions can have on the balance of power within

Man ftlhre sich das Beispiel einer Meisterebene in einem Maschinenbauunternehmen vor Augen, weiche aufgrund bevorstehender RestrukturierungsmaBnahmen ihre bisherige Bedeutung verliert und durch Jungingenieure ersetzt wird. Eine seiche Interessensgemeinschaft wird Uber die ZugehOrigkeit zu einem Berufsbiid und einem geteilten Grundverstandnis Uber die Organisation eines produzierenden Untemehmens gemeinsam Widerstand gegen eine oben beschriebene Veranderung leisten.

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an organization is naive at best and, at worst, may predestine the change effort to failure. [...] Remember, change cannot succeed unless there is a critical mass of support." ^^^ Die politische Dimension von Widerstand gegen Veranderung impliziert somit vor allem die den Aktoren inharente Macht. Weber definiert Macht als jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichgiiltig worauf diese Chance beruht.^^^ Man moge an dieser Stelle imterstellen, dass Macht letztlich auch Ausdruck der Hierarchiestufe ist, iind dass sich deren Verteilung im Organigramm der Untemehmung wdderspiegeh. Die tatsachlichen Strukturen jedoch sind meist Abbild ungeschriebener Spielregeln, tradierter Gew^ohnheiten und gegebener Macht- und Einflusspotenziale des informellen Bereiches.^^^ Diese informellen Strukturen formen das Zusammenspiel von Organisationseinheiten und entscheiden oft auch iiber Erfolg oder Misserfolg von Veranderungen. Wichtig ist somit... „[...] das Wissen, wer wo wirklich Interessen, Einfluss, Erfahrungen und Expertise hat, welche Wege und Pfade man beschreiten und welche man eher meiden sollte, welche Regeln man unbedingt zu beachten hat und welche man unbedenklich auBer Acht lassen kann. Viele Wege fiihren nach Rom, aber welcher in der jeweiligen Organisation der kurzeste ist und den meisten Erfolg verspricht, steht in den offiziellen Dokumenten eben nicht." 197

Widerstand entsteht dann, wenn diese informellen Strukturen den Initiatoren des Wandels unzuganglich bleiben. Eine Analyse aus der Beobachterperspektive dieses iiber Jahre formierten informellen Geflechts ist nahezu uimioglich. Ein Swdtch in die Teilnehmerperspektive eroffhet die wahren Machtverhaltnisse, die sich auch auf Erkermtnisund Konsensfahigkeit nur weniger Organisationsteilnehmer begrunden kOrmen.i^^ Nahezu jedes Handeln in Organisationen ist auch politisches Handeln. Das bewoisste Politisieren von Entscheidungen dient dem Organisationsteilnehmer dazu, eigene Interessen zu vertreten oder Positionen zu festigen bzw. „gegnerische" Auffassungen zu konterkarieren. Das Leben und Handeln in Organisationen ist darm ... „[...] dominated by political interactions; politics in organizations involves the tactical use of power to retain or obtain control of real or symbolic resources."^^^ Diese Aussage impliziert letztlich die Subjektivitat politischen Handelns. Im Vordergrund steht eine individuelles Zielsystem, welches, wenn opportun und notwendig, durch ein KoUektiv verstarkt werden soil. Es bleibt jedoch zu beachten, dass die individuellen Zielsysteme der Organisation immer auch vor dem Hintergrund kultureller Werte und Normen zu sehen sind, die eigentlich die Basis der Zusammenarbeit begrunden und damit auch eine Art geteilte Selbstverstandlichkeit bilden.

194

Vgl.Robbins(1989:539f.).

195

Vgl. W e b e r (1972: 28).

196

Vgl. Doppler et al (2002: 42).

197

Vgl. Doppler et al (2002: 43).

198

Vgl. Kirsch (1990: 136ff.)

199

Vgl. Bacharach, Lawler (1980: 1).

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Die kulturelle Dimension von Widerstfinden gegen Wandel

Die kulturelle Dimension von WiderstSnden gegen Wandel fokussiert gerade diese geteilte Selbstverstandlichkeit. Die Gef^dung durch VerMnderung dieser Basis von Werten und Normen, die das Handeln der Organisationsteilnehmer in einen Bezugsrahmen stellt, ist oft verantsvortlich ftir das Versanden von Wandelprojekten. Im Folgenden soil nun auf diese kulturellen Faktoren nSher eingegangen werden. 2.5.

Die kulturelle Dimension von WiderstMnden gegen Wandel

Kultur gilt als die Gesamtheit der charakteristischen Lebensformen grQfierer Gruppen, einschlieBlich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere aber ihrer Wertvorstellungen.200 Kultur ist die durch den Menschen selbst geschaffene Welt, w^elche sein Denken und Handeln mafigeblich beeinflusst. Tradierte Werte und Normen, aber auch sozialer Druck prSgen die individuellen Verhaltensweisen.^oi Dabei wird Kultur nicht im eigentlichen Sinne erlemt, sondem vielmehr von Anfang an erfahren und gelebt. Die Oberlieferung der kulturspezifischen Werte und Normen gleichen dabei einer teils unbewoissten, teils bewussten Indoktrination mit dem Nutzen, das Gedankengut, die Geschichte, die Religion und die damit verbundenen Traditionen sowie die Erfahrungen aus der Historie einer Gesellschaft auf die nachsten Generationen weiterzugeben, um deren Fortbestehen, beziehungsw^eise deren Oberleben, zu sichem. Die Verankerung der eigenen kulturellen Werte und Normen in den einzelnen V6lkem mag sicherlich unterschiedlich ausgeprSgt sein. Auch die Akzeptanz anderer Kulturen mit abv^eichenden Weltanschauungen differiert von Gesellschaft zu Gesellschaft. Die Toleranz gegeniiber anderen Kulturen ist dabei sicherlich auch ein Bestandteil kulturellen Erbes. Denn auch die Weitergabe alter Feindbilder ist ein Fragment des kulturellen VermSchtnisses, das die bestehende Gefahr ftir die eigene Sicherheit bevmsst werden iSsst und das Volk im Angesicht des „Feindes" vereint.202 Freilich entwickeln sich auch Kulturen im Laufe der Zeit fort. Jedoch sind diese ohne Zvs^eifel von einer ausgepragten Stabilitat bestimmt. Insbesondere die religiosen Werte und Normen kennzeichnen sich durch besondere Rigiditat. Ein Wandel oder die Annaherung dieser Werte und Normen an neuere Strome der Zeit erscheint oft unm6glich.203 Organisationen werden infolge der Intemationalisierung ihrer MSrkte und der damit einhergehenden Notwendigkeit der Ausrichtung auf unterschiedliche Nationalitaten zunehmend zu Zentren verschiedenartigster Kulturen mit den divergierendsten Glaubensrichtungen sowie Denk- und Handlungsweisen. Die Menschen werden verbunden 200 2^^

202 2^^

Vgl. DTV-Lexikon BD. 10, S. 182. Vgl. hierzu auch die Definition von Steele (1977: 24), der Kultur als „[...] the societal norms and values that influence members of the organization, societal pressures and formal regulations, technology and artifacts, traditions, and basic shared assumptions about the world and life in it" erklart. Aktuelles Beispiel hierflir ist das schon kulturell verankerte Feindbild „USA" im Irak (bzw. des Regimes). Man denke hierbei beispielsweise an die Auffassung der katholischen Kirche zur SchwangerschaftsverhUtung.

Das Antlitz der Resistenz

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durch den Willen zu arbeiten und durch die Erfordemis, ihren Lebensimterhalt zu finanzieren. Ethnische Gruppen leben und arbeiten in diesen Untemehmen zusammen, welche vor dem Hintergrund ihrer geschichtlichen Vergangenheit und Religion sich sonst, gewissermaBen instinktiv, meiden wurden. Die kognitiven Grundeinstellungen von Menschen beeinflussen also den Umgang mit Individuen anderer Kulturen oder mit Veranderungen. Kulturen konnen sicherlich auch aufgrund ihrer Entwicklung, ihrer Geschichte sowie bis zu einem gewissen Grad infolge der geographischen Situation bestimmte Eigenschaften zugesprochen werden. Steele spricht beispielsweise dem englischen Kulturkreis eine gewisse Starrheit zu, welche er an der starken Orientierung an traditionellen Werten und Kontinuitat festmacht.^o^ Die maBige Aufgeschlossenheit gegeniiber weltweiten Entwicklungen sieht er als ein Resultat der geographischen Isolation Englands gekoppelt mit dem Denken ... „[...] we don't have to adapt to the outside world, since it will always remain outside." ^05 Das heiBt also, dass jede Gesellschaft von unterschiedlichen kulturellen Faktoren determiniert wird, deren Urspriinge in der Geschichte zu suchen sind. So lasst sich mit Sicherheit einer Gesellschaft, deren Wurzeln im Nomadentimi zu finden sind, eine hohere FlexibilitSt etwa in der Arbeitsplatzsuche unterstellen als beispielsweise einer Kultur, welche von der Landwirtschaft gepragt wurde. Freilich ist dieses Beispiel sehr allgemein. Es soil jedoch die kulturellen Urspriinge einer Gesellschaft verdeutlichen, anhand derer man gewisse Charakteristika identifizieren kann. Fuhrt man dieses Gedankenspiel weiter, lieBe sich der amerikanischen Kultur auch eine hohe Flexibilitat attestieren, da die Raume, welche es in den Vereinigten Staaten zu uberbrucken gilt, meist sehr groB sind. Die transportablen Hauser oder die Wohnwagensiedlungen sind fiir diese flexible Grundhaltung ein Beispiel. Wird diesen kulturellen Faktoren der in einer Organisation zusammengefassten Interessensgruppen nicht in adaquater Weise Rechnung getragen, fiihrt eine Veranderung schnell zu Widerstanden. Ein Wandel kann nun zum Beispiel vor dem Hintergrund der in einer Organisation existenten kulturellen Unterschiede dann auf Widerstande stoBen, wenn die Veranderung kulturelle Werte und Normen von Individuen oder Gruppen ignoriert.^o^ Sicherlich muss im Hinblick auf kulturelle Barrieren von gewissen „Schmerzgrenzen" ausgegangen werden. Das heiBt, dass bestimmte Veranderungen der kulturellen Basis von den

204 205 206

Vgl. Steele (1977: 24ff.). Vgl. Steele (1977: 27). In angelsachsischen Kulturkreisen ist etwa die Positionierung von weiblichen Mitarbeiterinnen auf FUhrungsflinktionen durchaus denkbar. Jedoch mag ein weiblicher Vorgesetzter fUr den arabischen oder islamischen Kulturkreis in Anbetracht der individuellen kulturellen Basis untragbar erscheinen. Untragbar wohl deshalb, weil die Rolle der Frau grundsatzlich anders, eher traditionell definiert wird. Die Anerkennung einer Frau als Vorgesetzte kann ftlr die angesprochenen Kulturkreise als abwertend oder gar als beleidigend angesehen werden. Widerstande gegen diesen Wandel waren unweigerlich die Folge.

82

Die kulturelle Dimension von Widerstanden gegen Wandel

Individuen durchaus toleriert werden konnen. Die „kulturelle Schmerzgrenze" der vom Wandel betroffenen Gesellschaften sollte jedoch sorgfMtig analysiert werden, will man sich dieser Dimension von Widerstanden entziehen. Es muss in einem ersten Schritt untersucht werden, inwieweit ein intendierter Wandel die kulturellen Werte und Normen der betroffenen Mitarbeiter gefdhrdet. Ein zweiter Schritt sollte dann die Relevanz dieser durch den Wandel gefdhrdeten kulturellen FaktorenfUr den spezifischen Kulturkreis beurteilen. Jedes Individuum erfahrt, beurteilt oder reagiert auf Verandenmgen seiner Umweltbedingimgen gemaB der ihm eigenen kulturellen Basis, welche seine Werte und Normen beeinflusst beziehungsweise ausrichtet. Auch die Wahmehmung einer Veranderung der Umwelt als Problem kann von der Kultur mitbestimmt werden. Freilich legt die kulturelle Basis lediglich einen Grundstein ftir die individuellen Verhaltensweisen, die durch eigene Erfahrung und Erlemtem angereichert wird und zu einer personlichen Perspektive oder Sichtweise der Umwelt aggregiert wdrd.^o^ „Die Menschen werden in ihrem Handeln von gesellschaftlich fundierten und vermittelten Bedeutungen, Normen und Institutionen, kurz von einer normativen Kultur, geleitet. Personlich sind die Menschen von intemalisierten Bedeutungen, Gewohnheiten und Werten gelenkt. Veranderungen in Handlungs- oder Praxismustem sind also Veranderungen, die nicht nur in der rationalen Informationsausstattung der Menschen stattfmden, sondem auch - auf der personlichen Ebene - im Bereich der Gewohnheiten und Werte; Veranderungen auf der soziokulturellen Ebene bedeuten einen Wechsel der normativen Strukturen, der institutionalisierten Rollen und Beziehungen, der kognitiven und perzeptiven Orientierungen." ^08 Der Mensch defmiert sich und seine Rolle in der Gesellschaft somit aus seiner kulturellen Basis und den damit implizierten Werten und Normen sowie aus seinen individuellen Verhaltensmustem und Erfahrungen. Veranderungen auf der kulturellen Ebene gefahrden damit auch die personliche Ebene, das Rollenverstandnis des Individuums. Die Problematik eines Wandels liegt jedoch sicherlich darin, dass mit ihm einer durch den Markt oktroyierten Notwendigkeit entsprochen werden soil, der dem „cultural mix" der Organisationsmitglieder intemationaler Untemehmen nicht in alien Facetten gerecht werden kann. Verschiedenste Kulturen mit unterschiedlichsten Denkansatzen arbeiten in einer Organisation. Die Individuen mogen dabei mit den Zielen der Organisation konform gehen, jedoch ganz divergierende personliche Intentionen verfolgen. Ein notwendig werdender Wandel begriindet sich aber oftmals vor dem Hintergrund einer spezifischen Kultur, namlich jener des vorherrschenden Marktes. Im Vordergrund steht dann die Kommensurabilitat der

Barr, Stimpert und Huff (1992) sprechen von sogenannten „mental models": „[...] as an aggregate of interrelated information, mental models consist of concepts and relationships an individual uses to understand various situations or environments (Barr, Stimpert, Huff 1992: 16)." Diese „mental models" erlauben Individuen und Organisationen, ihrer Umwelt einen Sinn zu geben und sich in ihr zu bewegen. Man kOnnte dann auch diese kognitiven Modelle als eine individuelle oder organisational „Sicht der Dinge" verstehen, die auf der Basis der kulturellen Faktoren zusammen mit den Erfahrungen und dem durch Lernen erlangten theoretischen Wissen den Umgang mit dem Wandel beeinflussen. Vgl. Bennis, Benne, Chin (1975: 57f).

Das Antlitz der Resistenz

83

kulturellen Faktoren, induziert durch die intendierte VerSnderung und die in der Untemehmung geteilten Werte und Normen.209 Die individuelle Angst des Verlustes der eigenen Kultur ist eine Angst des Verlustes der eigenen Identitat oder eines Teils der Personlichkeit und Anerkennung. Ignoriert man die Kultur eines Menschen oder einer Gruppe, missachtet man auch deren Identitat und Individualitat. Die Kultur ist die Geschichte und die Herkunft eines Menschen, die diesen charakterisiert und formt. Kultur ist ein Teil der Identitat. Eine Ver^nderung, die dies ignoriert, wird mit massiven Widerstanden gegen diesen Wandel konfrontiert werden. "Because culture is such a powerful force, a change that appears to violate current ways of thinking or behaving will be very difficult to make. A change that is seen as aligned with current habits and ways of thinking will be easier to complete." ^lo Transferiert man nun die spezifischen kulturellen Werte und Normen individueller ethnischer Gruppen auf ein Untemehmen, so lasst sich freilich auch einer Organisation als quasihomogener Gruppe, eine eigene Kultur im Sinne einer Untemehmenskultur zuschreiben. Diese ist ein System von Wertvorstellungen, Verhaltensnormen und Denk- und Handlungsw^eisen, w^elche von den Organisationsmitgliedem erlemt und intemalisiert worden ist. Die Untemehmenskultur ist damit insbesondere die Essenz der Individualitat einer Organisation. Die Werte und Normen, welche die Untemehmenskultur konstituieren, pragen im besonderen die Entwicklung der Organisation per se. Erfahrungen, die eine Untemehmung in der Vergangenheit mit erfolgreichen oder fehlgeschlagenen Problemlosungen gesammelt hat, werden als ungeschriebene Gesetze in die Gegenwart iibertragen; hinzu treten - wie bereits erwahnt - Werte und Einstellungen, die das Verhalten der Systemmitglieder beeinflussen. Dieses gleichsam grundlegende Muster von nicht mehr hinterfragten, selbstverstandlichen Voraussetzungen des Verhaltens und Handelns in einem Untemehmen filhrt letztlich zu einem gleichgerichteten, kollektiven Denken, das uber ein System von Symbolen, Mythen, Zeremonien, Ritualen und Erzahlungen kommuniziert und tradiert wird. Vermderungen, die diese geteilten Selbstverstandlichkeiten gefdhrden, bedrohen oder storen zugleich auch das organisationale Grundverstdndnis. Widerstand ist die natiirliche Reaktion auf diese Bedrohung der Grundwerte.

Die Untemehmenskultur als Inbegriff der geteilten Werte und Normen einer Organisation impliziert letztlich auch Haltungen gegenUber ethnischen Kulturen. So kann beispielsweise eine Untemehmenskultur bewusst die ZusammenfUhrung unterschiedlichster ethnischer Kulturen (etwa im Management) fbrdem, urn Intemationalitat und Kompetenz fllr den Weltmarkt zu unterstreichen. Andererseits entsenden viele intemational tatige Untemehmen insbesondere FUhmngspersonal des eigenen Kulturkreises in das Ausland, urn die eigene Kultur, welche etwa den Umgang mit Kunden und Prozessen determiniert, beizubehalten. Vgl. hierzu Connor (1993:91).

84 2.6.

Dimensionale Interdependenzen von Widerstfinden - eine kurze Zwischenbetrachtung Dimensionale Interdependenzen von WiderstMnden - eine kurze Zwischenbetrachtung

Betrachtet man nun in einer Zwischenbetrachtung die Dimensionen der Widerstande, welche die erste Ebene des Bezugsrahmens ftir die Handhabung von WiderstSnden konstituieren, lasst sich schnell eine in den Dimensionen liegende Interdependenz erkennen. Resistenzen gegen Veranderungen sind im seltensten Falle eindimensional. Diese Tatsache steUt im besonderen auch die in den Widerstanden gegen Wandel liegende Komplexitat in den Vordergrund. Bei einer Neuerung, welche etwa in einer ersten oberflachlichen Betrachtung die materielle Dimension von Widerstanden betont, lasst sich bei spezifischer Analyse meist sehr schnell ein Bezug zu einer zweiten, dritten oder auch vierten Dimension feststellen. Widerstande lieBen sich demnach als eine Aktion oder Reaktion multidimensionalen Ursprungs definieren.^ii Diese These deutet freilich primar auf die simultane PrSsenz mehrerer Dimensionen sowie auf deren Interdependenzen hin. Sie soil aber auch die fliefienden Grenzen zwischen den Dimensionen zum Ausdruck bringen. Die erste Ebene des Bezugsrahmen der Widerstande gegen Wandel erlaubt auch die Anfugung weiterer Dimensionen von Resistenzen. Damit wird die Evolutionsfahigkeit des Bezugsrahmens aufgezeigt, welcher sicher nicht den Anspruch auf Vollstandigkeit erheben mSchte. Die Dimensionen von Widerstanden gegen Wandel strukturieren und erklSren die mSglichen Ursprunge der bei intendierten Veranderungen auftretenden Resistenzen. Das Spektrum der Dimensionen von Change verdeutlicht, dass die Einftihrung von Neuerungen letztlich ein hoch komplexes Problem darstellt, bei welchem divergierendste Kontexte Berucksichtigung fmden miissen, soil der Wandel erfolgreich durchgesetzt werden.212 Die Frage, warum Widerstande gegen Veranderungen auftreten, wird also iiber die Dimensionen der Resistenzen beantwortet. Bislang wurde versucht zu erklaren, warum Widerstande gegen Wandel entstehen. Es wurde jedoch nicht beantwortet, wie diese Resistenzen sich verbreiten bzw. wie sie sich auBem und ob diese eigentlich ad hoc wahmehmbar werden. Diesen Fragestellungen soil im Folgenden nachgegangen werden.

Mit der Definition der Widerstande als Aktion oder Reaktion multidimensionalen Ursprungs ist ein Widerstand, welcher nur auf einer Dimension beruht, a priori ausgeschlossen. Freilich besteht die, wenn auch geringe, Wahrscheinlichkeit eines eindimensionalen Widerstandes im Sinne der ersten Ebene des dargestellten Bezugsrahmens. Jedoch erscheint es vor dem Hintergrund der Erlauterungen zu den Dimensionen als eher unwahrscheinlich oder selten, auf einen Widerstand zu treffen, welcher tatsachlich nur eine einzige Dimension von Widerstanden zum Ursprung hat. Da die Wahrscheinlichkeit gegen Null strebt, wird von einer Aktion oder Reaktion multidimensionalen Ursprungs gesprochen. WUrde man von einer hOheren Wahrscheinlichkeit ausgehen, liefie sich auch von einer Aktion oder Reaktion ndimensionalen Ursprungs reden, um damit auch dem eindimensionalen Ursprung gerecht zu werden. Erfolgreich in diesem Sinne ware ein Wandel dann, wenn dieser durchgesetzt werden kOnnte, ohne dass konterkarierende Widerstande gegen die beabsichtigte Veranderung auftreten wUrden.

Das Antlitz der Resistenz 2.7.

85

AusprSgungsformen von Widerstanden gegen Wandel

Um Widerstande gegen Wandel verstehen zu konnen, muss man diese auch bewusst wahmehmen als Resistenz, wenn diese den initiierten Wandel hemmen. Um sie zu erkennen, ist es notwendig, ihre Auspragungsformen unterscheiden zu konnen. Im Folgenden soil deshalb in einem ersten Schritt auf die Entstehung der Widerstande eingegangen werden, um dann in weiteren Schritten offene und verdeckte, bewusste und unbewusste, interne und exteme, positive und negative sowie Resistenzgrade von Widerstanden zu unterscheiden.

2.7.1.

Zur Genese von Resistenzen: Formierung vs. Formulierung von WiderstSnden gegen Wandel

Widerstand ist eine defensive Haltung gegenuber einer Veranderung, welche die ureigenen, individuellen Zielvorstellungen des Resistierenden in irgend einer Art und Weise konterkarieren. Widerstand konnte somit auch als ein strategisches Manovrieren einzelner Personen oder aber auch von Gruppen verstanden werden mit der Intention, die individuellen Ziele des/der Agierenden gegen die ihm/ihnen oktroyierte Neuerung durchzusetzen. Dabei ist es nach Kirsch durchaus mSglich, dass es in einer Organisation „individuelle" Zielvorstellungen oder auch „individuelle" Grundsatze, Maxime oder Strategien gibt, welche von mehreren geteilt werden.^i^ Diese geteilten Zielvorstellungen konnen beispielsweise auf einem gleichartigen lebensweltlichen Hintergrund basieren oder aber aufgrund der mannigfaltigen Interaktionen zwischen den Organisationsteilnehmem in der Untemehmung selbst entstehen und sich reproduzieren. Kirsch bezeichnet diese geteilten Zielvorstellungen als „formierte" Organisationsziele. Dabei soil dann von formierten Organisationszielen die Rede sein, wenn die geteilten Zielvorstellungen hinreichend parallelisiert sind.^^^ Kirsch mochte mit dem Terminus der „formierten Organisationsziele" gleichsam kognitiv parallelisierte Zielvorstellungen andeuten, welche nicht unbedingt explizit ausgesprochen beziehungsweise formuliert sein mussen. „Es ist nun freilich auch denkbar, dass sich in einer Serie politischer Entscheidungen grundlegende Maximen formieren, ohne dass diese selbst ausdriicklich zum Thema gemacht wurden. So mag ein Kenner eines Untemehmens durchaus zu folgender Feststellung kommen: „Wenn man die Entscheidungen der Untemehmensftihrung iiber die Aufstellung von 'Fahrradstandem' in den letzten Jahren genauer betrachtet, so zeigt sich, dass die Untemehmensftihrung hier eine Politik verfolgte, die freilich niemals ausgesprochen, geschweige denn niedergeschrieben wurde." In einer Serie politischer Entscheidungen hat sich hier eine „ Policy" formiert, die nicht explizit formuliert und iiber die auch niemals direkt entschieden wurde. Dennoch pragt diese „Policy" spatere Standortentscheidungen. Die formierte „Policy" entwickelte sich als eine Art ,3egleit-

213 214

Vgl. Kirsch (1990: 224ff.). Vgl. Kirsch (1990: 225).

86

Auspragungsformen von Widerstanden gegen Wandel erscheinung" der politischen Entscheidungsprozesse innerhalb der Untemehmensftihrung." 215

In Anlehnung an die Ausfuhrungen von Kirsch liefie sich bei der Genese von Widerstanden gegen Wandel ebenso von einer Formierung SOWIQ einer Foraiuliemng von Widerstanden gegen Wandel ausgehen. Im Vordergrund des Interesses steht dabei die Frage, ob gruppenspezifische Resistenzen auf der Basis einer geteilten Wissensbasis entstehen konnen. Die Formierung von Widerstanden konnte man sich als einen gruppendynamischen Prozess, basierend auf dem gemeinsamen lebensweltlichen Hintergrund, den geteilten Zielvorstellungen sowie einer ahnlichen Erfahrungsbasis, vorstellen, welcher gleichzeitig auch die Gruppenkohasion verstarkt. Der Ausloser dieser Formierung von Widerstanden bestiinde dann beispielsweise in einer Reihe politischer Entscheidimgen, welche zu Veranderungen des Status quo ftihren und dabei die Zielvorstellungen der vom Wandel Betroffenen ignorieren. Dabei vvurde jedoch iiber ein Resistieren gegen den Wandel keinesfalls direkt entschieden oder offen kommuniziert werden. Widerstand bildet sich dann ausschliei31ich aufgrund eines gemeinsamen Verstandnisses vor dem Hintergrund gemeinsamer Werte und Normen, ahnlicher Wissensbasis und geteilter Zielvorstellungen. Der Terminus der Formierung bringt damit eine Art instinktive Verteidigungsintention der vom Wandel Betroffenen zum Ausdruck, die im Rahmen einer vielleicht auch unbewoissten Solidaritat gegen eine Veranderung des von ihnen akzeptierten Status quo agieren. Ahnlich einer Gruppe von Menschen, die sich aufgrund drohender Gefahr, ohne dass es einer besonderen Aufforderung bedarf, zu einer Abwehrfront zusammenschlieBen, um gemeinsam der Bedrohung entgegenzutreten. Die „Formierung" von Widerstanden mochte also mehr das kognitive Einverstandnis der von einer Veranderung Betroffenen hervorheben und die Entstehung im Sinne einer nicht verbalen Verbreitung von Resistenz, basierend auf einer geteilten Interpretation des gemeinsamen Umfeldes innerhalb einer Gruppe oder Organisation, erlautem. Die „Formulierung" von Widerstanden gegen Wandel hingegen ist die offene, explizite Kommunikation der Kritik. Dabei kann es sich aber durchaus um direkte oder indirektpolitisierende Kritik an der Veranderung handeln. Der Widerstand geht von einer kognitiven Ebene auf eine verbale Ebene uber. Die Verbreitung der Resistenz wird hier durch Uberzeugung und direkte Einwirkung auf andere Organisationsteilnehmer bewirkt. Die Formulierung von Widerstanden lasst diese kenntlich werden. Man kann dann auch von einem offenen Widerstand reden.216

2.7.2.

Offene und verdeckte Widerstande

Die Differenzierung der Formierung und Formulierung von Widerstanden ist besonders vor dem Hintergrund der Auspragungsformen von Resistenzen wichtig, welche uber die Erkennbarkeit des Widerstandes gegen Veranderungen entscheiden. Dabei unterscheidet man 2^^ 216

Vgl. Kirsch (1991: 3). Hervorhebungen nicht im Original. Vgl.Recardo(1995:8).

Das Antlitz der Resistenz

87

meist zwischen offenen und verdecken Widerstanden. Recardo stellt beide Auspragungsformen von Resistenzen mit jeweiligen Beispielen in folgender Ubersicht gegeniiber: ^17 OFFENER WIDERSTAND

VERDECKTER WIDERSTAND



Sabotage



reduzierter Output



verbale Opposition



Zuruckhaltung von Informationen



aufwiegeln Anderer



Verlangen nach einer fundierteren Datenbasis oder Studien



Aufstellen von „task forces" oder Komiteen

Tabelle 1:

Offener und verdeckter Widerstand

Freilich ist es wesentlich leichter, einen offenen Widerstand z u erkennen. Einmal identifiziert lassen sich GegenmaBnahmen in Form v o n Taktiken oder Strategien entwickeln. Jedoch ist laut Aussage v o n Recardo in iiber 7 0 Prozent der Falle mit verdecktem Widerstand g e g e n Wandel zu rechnen.^i^ Dabei zeigt sich primar ein unterstiitzendes Verhalten der Individuen. Erst eine tiefgehende Analyse offenbart den inneren Widerstand g e g e n die geplante oder auch bereits realisierte Veranderung. „Resistance can be covert, so that lack of support for change is either concealed or undefined. It can also be overt, so that those who resist change express their point of view openly and offer their reasons for disagreement. Although overt resistance leads to debate, and on occasion conflict, it is easier to manage than covert resistance. In cases of overt resistance, managers can see and hear their adversaries. This allows them to work directly with the situation towards resolving it. Those who resist change covertly can often completely avoid detection. An extreme political example includes the spy. In business covert resistors are often ambitious colleagues who careftilly undermine projects which give a reward to their rivals. They operate to protect their own interests. Managers of change experience this form of resistance as a serious challenge because they often don't discover it until it is too late." ^^^ D i e Tatsache, dass tiber 7 0 Prozent der Resistenzen g e g e n Wandel versteckter Widerstand ist, manifestiert die Notwendigkeit, Widerstande g e g e n den geplanten Wandel zu antizipieren und diesen mit geeigneten Mafinahmen zu begegnen, so dass diese a priori erst gar nicht entstehen konnen. Eine erfolgreiche

Reaktion auf offene

Widerstande verhindert ein

Versanden

notwendiger Neuerung nicht, da der tiberwiegende Teil der Widerstande das „ Eis unter

Wasseroberfldche " darstellt.

217 218 219

Vgl. Recardo (1995: 8). Vgl. Recardo (1995: 8). Vgl. O'Connor (1993: 32).

der

88 2.7.3.

Ausprfigungsformen von Widerstanden gegen Wandel Bewusste und unbewusste WiderstSnde gegen Wandel

O'Connor identifiziert zwei weitere Pole von Widerstanden gegen Verandenmgen: der bewusste und der unbewoisste Widerstand.220 Ein unbewusster Widerstand gegen Wandel wdrd von den Verursachem als solcher meist nicht wahrgenommen oder gar intendiert. Dass der Prozess des Wandels von ihnen unterminiert v^rd, ist diesen Mitarbeitem dabei voUig fremd. Diese unbewusste Verhaltensweise ist hauptsachlich auf mangelnde oder auch fehlerhafte Information, schlechte Schulung oder aber tief verwurzelte Routine im Arbeitsprozess zuruckzuftihren. Moglicherweise ist den Mitarbeitem zwar bewoisst, dass ihre Verhaltensweise nicht dem geforderten Wandel entspricht, jedoch vArd hiermit kein wirklicher Schaden fur das Untemehmen oder sogar ein Widerstand gegen den Wandel verbunden. Gerade hierin liegt auch die enorme Schwierigkeit mit dem Umgang des unbewaissten Widerstandes gegen Wandel, da die Verursacher selbst sich als absolut unschuldig hinsichtlich einer Resistenz gegen die Veranderung betrachten. Bew^sster Widerstand gegen Wandel ist jedoch sicherlich auBerst emst zu nehmen. Dies insbesondere deshalb, da diese vom Wandel Betroffenen ihre resistierende Haltung dem Wandel gegenuber beziehen, nachdem sie die Veranderung fur sich bereits beurteilt haben und damit Stellung beziehen.221 Ihr weiteres Verhalten wird einem strategischen ManOvrieren gleichen, dessen Resultat den Wandel konterkarieren soil.

2.7.4.

Interne und exteme Widerstande

Ein weiteres Kriterium der Kategorisierung von Widerstanden gegen Wandel liegt in der Frage, ob die auftretenden Resistenzen tatsachlich von den Organisationsteilnehmem selbst oder aber etwa von extemen Betroffenen verursacht werden. Diese Unterscheidung fokussiert die Moglichkeit, dass Widerstande von Individuen oder Gruppen auftreten, welche nicht zu den direkten Teilnehmem der Organisation zu rechnen sind. Untemehmen miissen als offene Systeme verstanden werden, welche in enger Interdependenz zu ihrem Umfeld stehen, welches auf die jeweilige Entwicklung einen entscheidenden Einfluss nehmen kann. Unterschiedlichste Interessensgmppen konstituieren und determinieren dabei die Ziele der Organisation. Die Interessen der Mitarbeiter und Fuhrungskrafte als inteme Krafte lenken die Evolution der Untemehmung aus dem Inneren, mittels deren Unterstutzung fur die Neuerung oder mittels Sanktionen gegen diese. Gleichzeitig existieren aber exteme Interessensgmppen, deren Ziele ebenfalls auf die Richtung der Entwdcklung einer Untemehmung einwirken. Kundeninteressen, Lieferanteninteressen, Fremdkapital- und Eigenkapitalgeberinteressen, aber auch die des Staates, der Politik, gehen in die Zielhierarchie einer Organisation mit ein.222 In dem MaBe, wie die Widerstande gegen den intendierten Wandel von intemen 220 221 222

Vgl. O'Connor (1993: 32). Vgl. O'Connor (1993: 32). Vgl. hierfiir Hahn (1994: 61f.).

89

Das Antlitz der Resistenz

Interessensgruppen ausgehen, sind die Resistenzen „induktiv induziert" In dem MaBe, wie diese von extemen Gruppen herrOhren, sind diese „deduktiv induziert".

Soziale Marktwirtschaft (Wettbewerbswirtschaft)

Innovative, beherrschbare Technoiogien KUNDENINTERESSEN

FREMDKAPITALGEBERINTERESSEN

UEFERANTENINTERESSEN STAATSl^f^ERESSEN

Flexibilittt

Abbildung 15:

Zweck, Ziele und Rahmenbedingungen der Unternehmung als gesellschaftliche Institution ^^^

„It is extremely disquieting to see political forces corrupting organizational decision making, even highly technical decisions that involve human lives." ^24 Die Unterstiitzung der politischen Krafte fur, oder deren Widerstand gegen Veranderungen der Ausrichtung der Unternehmung entscheidet iiber den Erfolg oder auch Misserfolg des Wandels. Die Differenzierung von extemen und intemen Widerstanden ist von hoher Relevanz. Eine mogliche Antizipation von Widerstanden gegen Wandel muss unbedingt beide Bereiche sondieren. Unter Umstanden ist mit intemen Widerstanden nicht zu rechnen, da die geplante Veranderung die Organisationsteilnehmer begiinstigt. Durchaus kSnnten aber exteme Widerstande auflreten, da der Wandel etwa einen erhohten Finanzbedarf erfordert, welcher die okonomische Perspektive der Unternehmung negativ verandert und den „shareholder 223 224

Vgl.HierzuHahn(1994:62). Vgl. Bolman, Deal (1991: 185).

90

Auspragungsformen von Widerstanden gegen Wandel

value" beeinflusst. Wichtige Aktionarsgruppen, v^elche als exteme Betroffene anzusehen waren, konnten die geplante Veranderung aus Angst vor Kursverlusten massiv boykottieren. Eine Analyse, die demnach lediglich interne oder exteme Widerstande gegen eine intendierte Veranderung untersucht, verengt die Perspektive und gefahrdet das erfolgreiche Umsetzen des Wandels.

2.7.5.

Positive und negative Widerstande gegen Wandel

Eine weitere interessante Differenzierung von Widerstanden gegen Wandel zeigt sich in der moglichen Dichotomie von positiven und negativen Widerstanden gegen Wandel. Primar ist Widerstand negativ besetzt. Sicherlich ist auch der Grund des Interesses an WiderstSnden gegen Wandel in deren impliziter Gefahr ftir einen negativen Ausgang eines initiierten Veranderungsprojektes zu sehen. Es muss jedoch als verkiirzte Sichtweise von Widerstanden gegen Wandel betrachtet w^erden, diese als grundsatzlich negativ fiir eine Evolution des Untemehmens anzusehen. Wandel ist die Veranderung von Bestehendem. Es wird unterstellt, dass Wandel den momentanen Zustand immer verbessert, was sicherlich nicht richtig sein kann. Insofem muss es auch positiven Widerstand gQgQn Wandel geben. Namlich dann, wenn der intendierte Wandel eine Evolution der Organisation konterkariert anstatt fbrdert.225 Widerstand wird dann positiv, wenn dieser offen eine negative Entwicklung des Untemehmens verhindem mochte. Hier aber beginnt spStestens die Schwierigkeit der Beurteilung, was als positiv oder negativ fiir die Evolution einer Untemehmung zu betrachten ist. Subjektiv betrachtet, kann jeder objektiv negative Widerstand positiv sein. Wer vermag hiertiber zu richten? Im Sinne einer Evolution kann positiver Widerstand forderlich sein. Lemfahigkeit und Kritikfahigkeit bedingt darm sogar Widerstand. Widerstand im Rahmen einer kritischen Diskussion iiber die tatsachliche Vemunft des Wandels. Widerstand ist dann offene, konstruktive Kritik. Die Frage ist nur, ob es sich hierbei nicht mehr um eine Argumentation im Sinne von Pro und Kontra handelt als um positiven Widerstand. Widerstand im negativen Sinne wird immer dann als solcher bezeichnet, wenn der Initiator der Veranderung der Meinung ist, dass die Bewegung, welche seine Initiative hemmt, im Unrecht ist. Die Gegenseite wird die Bezeichnung Widerstand dann ftir deren Bewegung erlauben, wenn ein gewisses MaB an Idealismus damit verbunden ist und eine Art Lebenseinstellung hiermit ausgedruckt werden soil. Ansonsten mochte keiner als Teil einer Widerstandsbewegxmg angesehen werden, da eben „Widerstand" im iiblichen Sprachgebrauch negativ besetzt ist. Somit sollte die Existenz von positivem Widerstand nicht negiert werden. Jedoch wird es immer der Betrachtungsweise uberlassen bleiben, welche Haltung man annehmen wird. Im Rahmen dieser Arbeit soil jedoch dem Widerstand grundsatzlich seine negative Form unterstellt werden, d.h., hemmend fur die Evolution des Untemehmens zu sein.

Freilich wird auch hier unterstellt, dass eine Evolution der Untemehmung stets einen Fortschritt im Sinne einer positiven Entwicklung bedeutet.

Das Antlitz der Resistenz 2.7.6.

91

Resistenzgrade von Widerstanden

Der Gedanke, dass Widerstande gegen Wandel unterschiedliche Intensitaten aufweisen, erscheint naheliegend. Sicherlich wird man in der Praxis bei einem organisatorischen Wandel auf Widerstande stoBen, welche etwa mittels einfacher MaBnahmen der Kommimikation und Aufklarung zu beseitigen sind. Andererseits sind durchaus auch Resistenzen denkbar, die durch eine kurzfristige Intervention nicht zu handhaben sind. So wird beispielsweise eine tiefgreifende Veranderung der kulturellen Werte und Normen von den Organisationsteilnehmem sicher nicht ohne starken Widerstand hingenommen. Das heiBt, Widerstande gegen Wandel lieBen sich je nach deren Intensitat unterschiedlich kategorisieren. Der Resistenzgrad ist damit eine von der spezifischen Veranderung beeinflusste Variable. Geht man von einer moglichen Differenzierung der Intensitat von Widerstanden aus, stellt sich primar die Frage, von welchen Determinanten die Starke der Resistenz abhangig sein konnte? Ausschlaggebend ist der zu vollziehende Wandel per se sowie die Art der Initiierung und Realisierung der Veranderung. Dies fuhrt auch zurtick zu der bereits gestellten Frage, ob wohl eine gewisse Rangfolge beziehungsweise Hierarchic innerhalb der Dimensionen von Widerstanden zu erkennen ist. Betrachtet man die fiinf Dimensionen von Widerstanden, die kulturelle, die psychologische, die materielle, die soziale sowie die politische Dimension, so f^llt es freilich schwer, eine globale Rangfolge der Relevanz fur Individuen zu formulieren, insbesondere aufgrund deren Interdependenzen. Eine Rangfolge der Dimensionen von Widerstanden lieBe sich am ehesten mit der Frage formulieren, welche Veranderung das Individuum am stSrksten trifft, und damit ein erster Anhaltspunkt fiir einen moglichen Grad der Intensitat von Resistenzen erstellen. Der Resistenzgrad von Widerstanden korreliert aber auch mit der Anzahl der durch den intendierten Wandel beeinflussten Dimensionen. Das wiirde bedeuten, dass einem Wandel, welcher gleichzeitig mehrere Dimensionen tangiert, mit einer wesentlich hoheren Intensitat entgegengetreten wird als einer Veranderung, die nur eine Dimension betrifft. Man konnte auch von einem Multiplikatoreffekt der involvierten Widerstandsdimensionen sprechen. Weiterhin ist aber auch denkbar, dass der Resistenzgrad eines Widerstandes mit der fortschreitenden Konkretisierung eines Wandels steigt. Dies impliziert, dass ein intendierter Wandel, welcher die Veranderung primar lediglich umreifit, fiXr die Organisationsteilnehmer noch keinen oder nur einen geringen Anlass zum Widerstand gibt. Konkretisieren sich jedoch die Veranderungen und werden die Folgen und Auswirkungen auf den Einzelnen fassbar, steigt der Widerstand. Andererseits kann eine Konkretisierung auch die Harmlosigkeit eines Wandels aufzeigen. Dies wiirde also bedeuten, dass ein Resistenzgrad von Widerstanden einer Zeitkomponente unterliegt und uber diese in seiner Intensitat variieren kann. Der Widerstand wird starker oder schwacher, je defmierter die Veranderung wird. Ob die Resistenz im

AusprSgungsformen von WiderstSnden gegen Wandel

92

Zeitablauf zu- oder abnimmt, ist einzig und allein von der spezifischen Veranderung selbst

Mintzberg und Westley brechen einen „organizational change" auf seine Konkretisiemngsebenen herunter.226 Je offensichtlicher dabei die unmittelbaren Auswirkungen ftir die einzelnen Betroffenen des Wandels werden, desto grOBer wird auch das renitente Verhaltenspotential der Individuen, insofem eine positive Konsequenz der Veranderung nicht ersichtlich ist.

more conceptual

Change in organization (state)

Change in strategy (direction)

culture

vision

structure

positions

systems

programs

people

facilities

change is getting more concrete

increase of resistance to change

(thought)

more concrete (action)

Tabelle 2:

1f

T

Widerstand und Konkretisierung ^^^

Die Intensitat eines Widerstandes gegen Wandel ist aber auch eine Funktion der individuellen Einstellung der Organisationsteilnehmer zu VerSnderungen in deren Umfeld. Die persOnliche Lem- und Kritikfahigkeit beeinflusst die AffmitSt zu Wandel, da eine Veranderung immer mit dem Erlemen neuer Verhaltensweisen in Verbindung steht. Insbesondere die Sozialstruktur der vom Wandel Betroffenen, d.h. das Alter und das Bildungsniveau, pragen die Lembereitschaft der Individuen. Eine geringe Lembereitschaft fuhrt dann auch zu einer generell hoheren Intensitat des Widerstandes. Eine Kategorisierung des Resistenzgrades von Widerstanden gegen Wandel erscheint nur sinnvoll, mochte man in einer Antizipation der Resistenzen gegen einen intendierten Wandel analysieren, in welchem MaBe die Veranderung auf starkeren oder schwacheren Widerstand stoBt. In Anbetracht der immensen Vielfalt der zu berucksichtigenden Faktoren, welche die Intensitat des Widerstandes letztlich bestimmen, erscheint es aber sinnvoll, die ftir die jeweilige Organisation sowie die ftir den spezifischen Wandel wichtigen Determinanten zu

226 227

Vgl. Mintzberg, Westley (1992: 40). In Anlehnung an Mintzberg, Westley (1992: 40).

Das Antlitz der Resistenz

93

bestimmen und anhand derer eine Aussage tiber einen wahrscheinlich hohen, mittleren oder niedrigen Resistenzgrad zu treffen. Die Dimensionen von Widerstanden, wie sie in diesem Kapitel 2 vorgestellt wurden, geben einen Einblick in die Ursprllnge von mOglichen Resistenzen gegen geplante Verandemngen. Unterschieden wurden hierbei insbesondere psychologisch-emotionale, Okonomische, soziale, politische und kulturelle Dimensionen, welche Ausgangspunkt ftir WiderstSnde sein kSnnen. Die Kategorisierung soil aufzeigen, welche Faktoren mafigeblich fUr die Entstehung von WiderstSnden sein kOnnen und damit Hilfestellung ftir den Prozess des Erkennens m5glicher Gefahrenpotentiale fUr das Projekt des Wandels bieten. Denn mOchte man einen Wandel im Untemehmen erfolgreich einftihren, ohne mit der Gefahr eines hohen Widerstandspotentials konfrontiert zu werden, muss man sich der eventuellen UrsprOnge von WiderstSnden gegen Wandel bewusst sein, aber auch deren Auspragungsform. Hat man nun die Urspriinge eines mOglichen Widerstandes gegen den intendierten Wandel analysiert, stellt sich die Frage, welche Determinanten des Wandels es zu beeinflussen gilt, um die Veranderung erfolgreich durchsetzen zu kSnnen. Dies soil im nSchsten Kapitel mit Hilfe der zweiten Ebene des zentralen Bezugsrahmens der Arbeit nSher behandelt werden.

94

Auspragungsformen von Widerstfinden gegen Wandel

3. Einflussfaktoren des Wandels „Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt in der Frage: wovor? " Frank Thiefi

Die zweite Ebene des Bezugsrahmens zur Handhabung von Widerstanden gegen Wandel erortert, wde die Determinanten des Wandels gestaltet werden miissen, dass a priori WiderstMnde minimiert werden oder erst gar nicht entstehen. Die Intention dieser Arbeit ist ja, wie bereits mehrfach angedeutet, die Rahmenbedingimgen eines Wandel derart zu gestalten, dass Widerstande nicht wie bislang Gegenstand eines Krisenmanagements werden und deren Krafte die Versandung des Wandels bedingen, sondem dass ein renitentes Verhaltenspotential der vom Wandel Betroffenen a priori nicht entstehen kann. Die Antizipation des Widerstandes ermoglicht ein strategisches Handeln mit der Zielsetzung einer erfolgreichen Implementierung der intendierten Veranderung. Kennt man die Dimensionen der Resistenzen gegen Wandel, welche das Verhalten der Individuen oder Gruppen bedingen, gilt es nun, in einem zweiten Schritt die Einflussfaktoren des Wandels „pro-Change" zu justieren. Was aber sind Determinanten des Wandels? Determinanten des Wandel sind Faktoren, welche Organisationen in positiver oder auch negativer Art und Weise selbst beeinflussen konnen, um die „Change-Arena" zu gestalten. Die Einflussfaktoren des Wandels werden gleichsam zu „Einstellschrauben", an welchen man drehen kann, um die Ausgangslage bzw. die Konditionen, unter denen sich ein Change vollzieht, zu verandem. Die Frage, die im spateren Verlauf der Arbeit noch diskutiert werden muss, ist: In welcher Weise muss an diesen Einstellschrauben gedreht werden, damit eine moglichst „changefavorisierende" Basis ftir einen Wandel entstehen kann? Die zweite Ebene der Gesamtsicht des Bezugsrahmens offeriert funf grundlegende Determinanten des Wandels, die gleichzeitig auch die Ansatzpunkte fur eine Veranderung der „Change-Arena" einer Organisation darstelleni^^s • • • • •

228

Individuen und deren Grundhaltung zum Wandel oder auch deren „ChangeMentality", die Untemehmenskultur, die Untemehmensstruktur, der Change-Modus sowie das sozio-okonomische Feld.

Vgl. hierzu die Abbildung auf S. 55.

Einflussfaktoren des Wandels

95

Auf diese Determinanten soil im Folgenden eingegangen, und dabei Ansatzpunkte fiir die Generierung einer effektiven „Change-Arena" offengelegt werden, welche die WiderstSnde gegen einen Wandel a priori im Sinne eines strategisch orientierten Handelns und im Hinblick auf eine intendierte Veranderung minimieren. 3.1.

Die individuelle Grundhaltung oder auch „Change-Mentality^'

Die Einstellung von Individuen ist eine durch Erfahrungen, kulturelle, milieubedingte und erzieherische Einfliisse, aber auch Interessen, Strebungen, Gefilhle oder Stimmungen vorgepragte Ausrichtung des Denkens, Wahmehmens, Vorstellens und Verhaltens in Bezug auf bestimmte Themen. Meinungen und Vorurteile bilden sich. Dabei ist der Prozess der Meinungsbildung ein langwieriger, komplexer Vorgang, der die Wahmehmung und Erfahrung, die Evaluierung und AbwSgung, wie auch die Entscheidung fiir oder wider einen spezifischen Tatbestand in sich vereint. Die individuelle Wahmehmung einer Veranderung ist dabei abhangig von den jeweiligen subjektiven Erfahrungen und Erwartungen. Ulrich schreibt hierzu: „Bei jeder Wahmehmung der AuBenwelt spielen grundsatzlich stets Vor-Urteile eine wichtige Rolle; wenn wir ein Modell der Wirklichkeit konstruieren, wird diese Konstruktion stets durch Modelle beeinflusst, die wir schon in uns tragen, auch wenn uns dies gar nicht bewusst ist. In gewissem Sinn kann man sagen, dass wir nur das wahmehmen konnen, was in unserem vorgefassten ,^odell der AuBenwelt" Platz findet. Veranderungen, die ganzlich auBerhalb unserer Erfahrungen und Erwartungen liegen, werden deshalb kaum jemals vorausgesehen." ^^^ Die individuellen Einstellungen der Organisationsteilnehmer sind damit zum Zeitpunkt ihres Eintritts in die Untemehmung bereits pradeterminiert. So auch die Grundhaltung gegentiber Wandel. Dies induziert die prinzipielle Fragestellung des derzeit existenten Status der Verteilung von Befurwortem und Negierem hinsichtlich einer VerSnderung innerhalb der Untemehmung. Mit welcher Quantitat an potentiellem Widerstand muss bei der intendierten Neuerung altbewahrter Usancen gerechnet werden, oder anders betrachtet: Wie groB ist der Anteil derer, die einem Wandel positiv gegeniiberstehen oder sich zumindest indifferent verhalten? Denn indifferentes Verhalten ist keine primare Resistenz, auch wenn der begriindete Zweifel besteht, dass aus dieser Gmppe von Mitarbeitem durchaus in einem zweiten Stadium Widerstandspotential frei werden kann, was es jedoch zu verhindem gilt. Der Change-Management Experte Price Pritchett der Pritchett & Associates Inc. in Dallas spricht in diesem Zusammenhang von einer 20-50-30 Kegel: „[...] approximately 20% of the people in the organization will be change friendly; the next 50% will sit on the fence; and the remaining 30% will resist, or even deliberately try to make it fail." ^30

22^ 230

Vgl. Ulrich (1994: 23), dessen Aussage gepragt ist von einer konstruktivistischen Grundeinstellung, welche auch den Kern des Wissenschaftsverstandnisses dieser Arbeit bildet. Vgl. hierzu auch Seite 19ff.. Vgl. hierzu Laabs (1996: 55).

96

Die individuelle Grimdhaltung oder auch „Change-Mentality"

Diese prozentuale Verteilung kreiert insofem Probleme, als nur 20% von Anfang an den Wandel unterstUtzen, wohingegen die restlichen 80% in Richtung der neuen Ziele der Organisation dirigiert werden mtissen. Cooper und Markus beschreiben in ihrem Aufsatz „Den Menschen reengineeren - geht das denn?" den Fall eines japanischen Sojasaucenfabrikanten, Toshio Okuno, welcher ahnlich wie Pritchett die 20-50-30 Regel in seiner tfiglichen Praxis erfahren hat, jedoch eher als eine 2060-20 Regelversteht: 231 „In der typischen Gruppe gibt es eine 20-20-60 Reaktion auf Verfinderungen. Das heifit, 20 Prozent untersttitzen den Wandel, 20 Prozent setzen sich zur Wehr und 60 Prozent sind indifferent oder verhalten sich z5gerlich." ^32 Der japanische Untemehmer wollte diese in seiner Organisation festgestellte prozentuale Verteilung in die Richtung einer 30-50-20 Bemessung verschieben, also die Erhfihung des Anteils an Beftirwortem mittels Oberzeugung eines Teiles der indifferenten Gruppe bewirken bzw. die Verteilung in Richtung auf eine 20-70-10 Repartition umstellen, welche einen geringeren Anteil an renitenten Organisationsmitgliedem aufweisen wUrde. Freilich sind beide Wege einzeln legitime AnsStze. Jedoch wird eine Kombination aus beiden wohl eine hehere Erfolgschance erCf&ien. Die hier eher spielerisch anmafiende Verteilung der Organisationsmitglieder hinsichtlich ihrer generellen Einstellung zum Wandel ist entscheidend fUr die mit einem intendierten Wandel verbundene Implementierungsproblematik, welcher eine Untemehmung sich gegentiber sehen wird, sobald sie die Veranderungsabsicht proklamiert. Die intendierte Veranderung spaltet die Organisation, wie bereits angedeutet, in drei verschiedene Gruppen. In ... • • •

die Beftirworter des Wandels, die Indifferenten sowie die Resistierenden.

Bin ahnliches Beispiel einer Klassifizierung der vom Wandel Betroffenen zeigt sich bei Recardo.233 Dieser differenziert ebenfalls drei Gruppen und ordnet diesen die selbe Grundhaltung gegentiber Wandel zu, wie sie die obige Konstellation aufsveist. Er spricht dabei von: • • •

231

232 233

the winners, the unaffected, and the losers.

Vgl. hierzu Cooper, Markus (1996: 79). Man beachte an dieser Stelle auch, dass im Original Okuno von einer 20-20-60 Regel spricht. Zum leichteren Verstandnis wurde die Regel in ihrer Reihenfolge verandert, um mit der von Price Pritchett formulierten Regel lediglich in deren Abfolge der prozentualen Verteilung von Wandelbeftlrwortem, Indifferenten und Resistierenden konform zu sein. Vgl. Cooper, Markus (1996: 79). Vgl.Recardo(1995:10).

Einflussfaktoren des Wandels

97

„Individuals who obtain enhanced status, responsibility, financial gains, or visibility as a resuh of an initiative are clearly the winners. Another group of employees will be either indirectly affected or untouched. The concerns of the winners and unaffected groups should be integrated into the overall design/implementation plan. The individuals who are the biggest resisters of change are those who are the most negatively affected by it." ^34 M o s s Kanter, Stein und Tood stellen sich ebenfalls die Frage, w^elche Gnippe in e i n e m Wandel die am starksten betroffene ist. Sie unterscheiden dabei drei „action roles" im Prozess des Wandels: 235

• • •

die change strategists, die change implementors und die change recipients.

Die „change strategists" sind die Gruppe, welche die generelle strategische Richtung der Untemehmung bestimmen. Sie setzen sich zumeist aus dem Top-Management der Organisation zusammen. Die „change implementors" sind fur die Umsetzimg des Wandels iimerhalb der Untemehmung verantwortlich. Die Implementierung wird dabei hSufig vom mittleren Management, im Sinne eines Projektmanagements, durchgetragen. Deshalb hat es mehr einen ausftihrenden als einen konzeptionellen Charakter. Freilich kSnnen auch Strategen Implementierungsaufgaben wahmehmen. Es ist aber vielmehr eine Frage der eingenommenen Perspektive und Verantwortung, welche die Gruppen unterscheidet. Die „change recipients" dagegen sind die Gruppe, welche von der VerSnderung und deren Implementierung am starksten betroffen sind, ohne jedoch eine grofie MOglichkeit der Beeinflussung des Wandels zugestanden zu bekommen. Von dieser Gruppe sind aufgrund dessen auch sehr hohe Resistenzen zu erwarten. Dieser Widerstand entsteht primSr, da ... „[...] recipients bring their own interests, goals, and group memberships to the change table. In some cases, often as a result of their perceived powerlessness, recipients form their own formal associations (e.g., unions) to attempt unilaterally to increase their own power in the responding role." ^36 Jede geplante Veranderung zwingt gleichsam dazu, im Vorfeld des Wandels eine Abschatzung des Verhaltnisses dieser drei Gruppen zueinander, im Siime einer Verteilungskurve, durchzufuhren. In Abhangigkeit der angenommenen prozentualen Gewichtung der unterschiedlichen Gruppen lasst sich ermessen, mit welchem Widerstandspotential zu rechnen ist und welchen strategischen Ansatzpunkt man wahlt, um die Verhaltnisse a priori zu beeinflussen. Freilich muss eine primare Strategic anstreben, die Anzahl der Befiirworter eines Wandels innerhalb einer Untemehmung zu erhohen, zu Ungunsten der Gmppe der Resistierenden. Eine zweite Strategic konnte aber auch den Versuch initiieren, Befurworter aus der Gmppe der dem Wandel gegenuber Indifferenten zu gewinnen, um bei einem geringeren Schwierigkeitsgrad der Uberzeugung das Verhaltnis Befurworter - Resistierende zu 234 235 236

Vgl.Recardo(1995: 10). Vgl. im folgenden Moss Kanter, Stein und Tood (1992: 16). Vgl. Moss Kanter, Stein, Tood (1992: 16f).

Die individuelle Grundhaltung oder auch „Change-Mentality"

98

verbessem.237 Eine logische dritte Strategic mtindet dann in eine Diminuierung der Gruppe der Resistierenden zum quantitativen Vorteil des Kollektivs der indifferenten Organisationsmitglieder.

Indifferent

HBHHHHHHJJl^H^^H

1 /

Befiirworter

1 ^

1 ^^—

3

\2

Resistent

1

^H^IHHH^^H^HHHI Abbildung 17:

Strategische Schritte einer resistenzdiminuierenden Umverteilung

Ein inkrementales strategisches Vorgehen wtirde aber wohl erst die Strategic der Oberzeugung der zum Wandel Indifferenten anstreben, da bei geschicktem Vorgehen ein geringer Resistenzgrad zu erwarten ist (Schritt 1)P^ Das Verhaltnis verbessert sich dann in Richtung der Befiirworter, womit die wandelbefiirwortende Lobby zunimmt. Ein zweiter robuster Schritt kann dann in der Vermindcrung der Gruppe der Resistierenden liegcn, die - durch ein an dieser Stelle noch nicht zu vertiefendes Vorgehen - z u Indifferenten gegeniiber der geplantcn Veranderung u m g e p o h werden wtirden (Schritt 2). Dieser angesprochene „Zmschenschritt" ist leichter zu realisieren als ein direkter Obergang in die Gruppe der Befiirworter, da den Individuen damit ein eventueller Gesichtsverlust, welcher mit einer extremen VariabilitSt ihrer Meinung und Einstellung verbunden wSre, erspart bleibt. Die grOBte Schwierigkeit ist im Hinblick auf die Oberzeugung der verbleibenden Resistenten zu erwarten (Schritt 3). Dies deshalb, da sie ihre primSr abwehrende Einstellung gegeniiber einem intendierten Wandel hin zu einer favorisierenden Haltung quasi negieren mtissen. Meist aber halten Individuen an ihrer bisherigen Meinung fest, u m nicht etwa als offcnsichtlichcr „Vcrlicrer" cinen Disput beenden z u mUssen. Die Abbildung 18 verdeutlicht den angesprochenen Zusammenhang nochmals graphisch und ermoglicht die Planung eines schrittweisen Abbaus analysierter moglicher Widerstandspotentiale gegen die intendierte Veranderung.

237 238

Vgl. hierzu auch Cooper, Markus (1996: 72) bzw. Seite 96 der Arbeit. Vgl. Abbildung 17 sowie die Abb. auf S. 99.

Einflussfaktoren des Wandels

99

Widerstandsanalyse Strategische Schritte zur Auflosung von Widerstandspotentialen 100 80 60 40 20 0

Ml Verteilung

Widerstandspotentiai

Stat. Quo ISchritt 2. Schritt 3.•Widerstandspotentiai Schritt 4. Schritt • BefCirworter Mlndifferente aResistente 20

Abbildung 18:

I

20

20

I

30

5 60

10

60 Analyse des50 60 MOgliche Widerstandspotentials

I

30

I

35

5 50

I

45

I

Der Versuch einer prozentualen Umverteilung innerhalb der Gruppen muss sicherlich als ein strategischer Prozess betrachtet werden. Andererseits ist dieser Prozess der Umverteilung insbesondere auch ein politisches Handeln und Taktieren, welches zum Beispiel von Mitteln der Uberzeugung, Bildung von Koalitionen und/oder MachtausUbung dominiert wird. Die Verteilung des prozentualen Anteils der drei Gruppen Beflirworter, Indifferente und Resistente manifestiert aber insbesondere auch die Bereitwilligkeit der Organisationsmitglieder und in diesem Zuge in gleicher Weise der Organisation zum Wandel. In der Literatur wird meist von einer „readiness for change" gesprochen.239 Diese Bereitschaft zum Wandel ist entscheidend fUr einen Erfolg oder Misserfolg einer intendierten VerMnderung. Je nachdem, welcher Grad der Bereitschaft der Organisationsteilnehmer zum Wandel in einer Untemehmung existiert, koimen auch in der Handhabung mOglicher WiderstSnde unterschiedliche MaBnahmen ergriffen werden. Zeira und Avedisian offerieren ein Management-Tool, mit welchem sie diese „readiness for change" testen kOrmen.^^o Sie sprechen von einem Zusammenhang zwischen der Bereitschaft der Mitarbeiter zum Wandel und deren Zufriedenheit mit dem derzeitigen Status quo zum Einen, sowie dem - durch den Wandel induzierten - persOnlichen Risiko, das zu tragen ware, zum Anderen.

239 240

Vgl. hierzu beispielsweise Zeira, Avedisian (1989: 36) sowie Coetsee (1993). Vgl. Zeira, Avedisian (1989: 36).

Die individuelle Grundhaltung oder auch „Change-Mentality"

100

„Readiness of change on the part of different sectors of the employee population is related to employee level of satisfaction with the Status quo on the one hand and the level of perceived risks if changes are not made on the other." 241

3

1 niedrig Zufriedenheit mit derzeitiger Situation

no support

support change 4

2 hoch

no widespread support

resistance to change

niedrig

hoch

persQnliches Risiko verbunden mit Wandel Abbildung 19:

Analyse der ^Readiness to change^^42

Um die Einstellung beziehungsweise die Bereitschaft der Untemehmung zum Wandel zu testen, miissen die vier Moglichkeiten analysiert werden, welche sich aus der Zufriedenheit der Organisationsmitglieder mit dem derzeitigen Status quo und dem persOnlich zu tragenden Risiko, verbunden mit dem Wandel ergeben.243 Empfmden die Organisationsmitglieder den herrschenden Status quo als nicht zufriedenstellend und bewerten sie zugleich das durch einen mSglichen Wandel induzierte Risiko als gering, verbinden sie eher einen Nutzen als einen Verlust mit der Unterstiitzung der intendierten Veranderung (Feld 1). Wird der Status quo jedoch als befiiedigend erlebt und impliziert der geplante Wandel, der beispielsweise eine Unterbrechung der taglichen Routine bedeuten konnte, ein geringes personliches Risiko, so wird dieser keinen umfassenden Beistand finden (Feld 2). Jene hingegen, welche mit der momentanen Situation innerhalb der Organisation unzufrieden sind und zudem in dem Wandel ein hohes personliches Risiko sehen, werden eine ambivalente Haltung der Veranderung gegeniiber einnehmen. Mit einer Unterstiitzung des Wandels dieser Organisationsteilnehmer ist nicht zu rechnen (Feld 2).

241 242 243

Vgl. hierzu Zeira, Avedisian (1989: 36). In Anlehnung an Zeira, Avedisian (1989: 36). Vgl. hierzu Abbildung 19.

Einflussfaktoren des Wandels

101

Eine hohe Zufriedenheit mit dem in der Organisation herrschenden Status quo, verbunden mit einem hohen moglichen personlichen Risiko induziert durch eine VerSnderung stellt die ideale Basis fur intensive WiderstSnde gegen den geplanten Wandel dar (Feld 4). Zusammenfassend lassen die getroffenen Aussagen also die Formulierung Grundsatze zu:

folgender

Je groBer der Grad der direkten Betroffenheit der Organisationsmitglieder durch den Wandel ist, desto gr66er werden die WiderstSnde gegen die Ver^nderung sein.^^-* Je grOBer das Empfinden einer Unzufriedenheit mit dem Status quo innerhalb einer Organisation ist und je geringer dabei das personliche mit dem Wandel verbundene Risiko ist, desto gr6l3er ist die Bereitschaft der Organisationsteilnehmer zum Wandel, und um so intensiver wird deren Unterstutzimg der Veranderung sein. Je starker hingegen der momentane Zustand der Organisation auf Anerkennung imter den Mitarbeitem stoBt und je hoher die Gefahr einer Verschlechterung der eigenen Situation mit der einer mSglichen VerSnderung korreliert, desto hOher wird der zu erwartende Widerstand gegen den Wandel sein. Von einer „readiness for change" kann in diesem Falle nicht die Rede sein. Fehlt den Organisationsteilnehmem die Bereitwilligkeit zur VerSnderung, mangelt es ihnen vielleicht an der Einsicht der Notwendigkeit und Relevanz des Wandels.^^s Die permanente VergegenwSrtigung des „need to change" ist ein wichtiger Schritt zur Schafiung einer positiven Einstellung zum Wandel, beziehungsweise zu einer vorteilhaften „Change Mentality" der Mitarbeiter. 246 „No radical strategy will ever occur if the corporation's leadership is not convinced of the need for dramatic actions." ^47 Die zentrale Fragestellung lautet nun aber: Wie lasst sich eine positive Einstellung der Individuen gegeniiber Veranderungen generieren oder: „[...] how do managers create a state of organizational readiness for change?" ^48 Fiihrt man sich an dieser Stelle nochmals den zweiten Absatz der Zusammenfassung vor Augen, so besagt dieser, dass eine Unterstutzung des geplanten Wandels seitens der Organisationsteilnehmer insbesondere dann gewahrleistet sein wird, wenn ein gewisses MaB an Unzufriedenheit mit dem momentanen Status quo der Untemehmung existiert. Weiterhin

244 245

246 247 248

vgl. auch Hill, Ulrich, Fehlbaum (1989: 476f). Auch Vahs (1997: 19) konstatiert, dass personenbedingte interne Widerstande zum Beispiel das Fehlen an einem Ubereinstimmenden Problemverstandnis und ProblemlOsungsbewuBtsein als Ursache haben kOnnen. D.h. es mangelt an der Einsicht, dass organisatorische Veranderungen Uberhaupt erforderlich sind, und es herrscht kein Konsens tlber die Vorgehensweise. Vgl. beispielsweise Ringlein (1994: 96). Vgl. Allaire, Firsirotu (1985: 19). Vgl. Specter (1989: 29), Hervorhebungen im Original.

102

Die individuelle Grundhaltung oder auch „Change-Mentality"

sollte das mit einer eventuellen Verandenmg verbundene Risiko auch hinsichtlich der individuellen Zielhierarchie gering beziehungsweise kalkulierbar sein. Das heiBt, dass das Verhalten der vom Wandel betroffenen Individuen zum Einen von der Wahmehmung des Status quo und zum Anderen von der Wahmehmung der intendierten Veranderung abhMngig ist.^^^ Wie bereits angesprochen wurde, tendieren Menschen dazu, einen seelischen Gleichgewichtszustand anzustreben. Diese HomOostase wird gest5rt, sobald im individuellen Wahmehmen ein Mangel auftritt, welcher die Toleranzschwelle tiberschreitet.^^o Der Versuch, dieses Gleichgewicht wieder herzustellen, induziert eine Reaktion auf die eine VerSnderung folgt. Infolgedessen erscheint es plausibel, die Bereitschaft fiir einen Wandel mittels einer Unzufriedenheit der Individuen mit dem Status quo der Organisation, gleichsam von Innen heraus, zu perpetuieren. Der konventionelle Organisationszustand muss aus der Perspektive der vom Wandel Betroffenen als obsolet und - hinsichtlich der Untemehmensund Individualziele - als inadaquat erscheinen.^^i „Dissatisfaction with the Status quo, [...], fuels organizational change." 252 Beer schlSgt hierfUr vor, Druck auf die Untemehmung derart auszuUben, dass man ihr eine Anpassung auf neue kompetitive oder sozio-6konomische Situationen verwehrt, um damit die Unzufriedenheit der Individuen mit dem Status quo der Organisation zu erhOhen.253 Jedoch ist hierfUr ein hohes MaB an individuellem Interesse sowie eine die wirtschaftliche und branchenspezifische Gesamtproblematik betrachtende Perspektive notwendig. Eine andere MCglichkeit, die Unzufriedenheit der Mitarbeiter oder der vom Wandel Betroffenen zu erhfihen, ist eine Analyse der organisationalen Schwachstellen, welche die Obsoleszenz der existenten Organisation verdeutlicht und die durch sie induzierten Probleme vergegenwSrtigt. Die daraus resultierende Schwierigkeit beschreibt Kirsch, wie folgt: ^54 „Die Ausl6sung eines Prozesses des geplanten Wandels erfolgt zwar dadurch, dass das alte System in den Augen einiger Interessenten nicht mehr alle Wtinsche erftillt. Die Initiatoren wissen dann aber zunSchst allenfalls, was sie nicht wollen - und auch das nur meist unvollstandig und vage. Es ist keineswegs eine triviale Aufgabe, von diesem mehr oder weniger vagen Mangelbewusstsein einiger Weniger zu konkreten Kriterien und Prioritaten zu gelangen, an denen die Entscheidung auszurichten ist; und ebenso ist es keine triviale Aufgabe, realistische Ziele zu formulieren, die in Einklang mit den subjektiven Werten und Praferenzen derjenigen zu bringen sind, von deren Unterstiitzung

249

250 251

252 253 254

Vgl. hierzu auch Hill, Ulrich, Fehlbaum (1989: 476), welche das Verhalten der Individuen in Abhangigkeit von ihrer Wahmehmung der Reorganisation sowie der Interpretation der Folgen ftlr die eigene Person und der Beurteilung eigener ReaktionsmOglichkeiten sehen. Vgl. hierzu Kapitell. Schmidt, Treichler (1996: 119) schreiben, es mtlsse eine Atmosphare der standigen Unzufriedenheit mit dem Erreichten gefbrdert werden, womit zugleich auch Widerstande gegen Veranderungen abgebaut werden kOnnen. Vgl. Spector(1989:29). Vgl. Beer (1980) sowie Spector (1989: 29). Vgl. Kirsch (1990: 264), Hervorhebungen im Original.

Einflussfaktoren des Wandels

103

der Erfolg des initiierten Prozesses des geplanten Wandels eines Systems letztlich abhangt." Das heifit, dass der Prozess der Generierung von Unzufriedenheit mit dem Status quo einer Untemehmung gleichzeitig immer auch die angestrebten zuktlnftigen Ziele entwickeln oder aufzeigen soUte. Dies nicht allein deshalb, um dem mit einem Wandel und dessen induzierter Unsicherheit empfundenen Risiko frUhzeitig entgegen zu wirken. Werden die praferierten Ziele nicht verdeutlicht, so kann der eingeleitete Prozess den intendierten Wandel quasi in selbstzerstSrerischer Weise konterkarieren, da der Aufbau eines hohen Widerstandspotentials aufgrund des empfundenen Risikos der VerSnderung die Unzufriedenheit mit dem Status quo gleichsam sabotiert. Spector offeriert vier generische Typen der Diffusion von Unzufriedenheit, welche im folgenden kurz dargesteUt werden sollen: ^55 • • • •

Sharing competitive information, Pointing to shortcomings in individual, on-the-job behaviors, Offering models that suggest not just where the company ought to be headed but also how far it is from that goal, Mandating dissatisfaction.

Sharing competitive information: Spector bezeichnet die Verbreitung von Information als eine verbreitete Art und Weise der Diffusion von Unzufriedenheit in einer Organisation. Hierbei handelt es sich meist um Informationen, welche Ublicherweise dem Top-Management vorbehalten bleiben. Sie umfassen beispielsweise Details tiber die eigene Untemehmung oder aber Uber die strategische Positionierung der Organisation im Markt. Die Verbreitung dieser Informationen steUt nach Spector eine symbolische MOglichkeit dar, ein Hierarchiedenken zu tiberwinden, Konflikte abzubauen und Vertrauen zu generieren. Die sich fUr die Mehrzahl der Organisationsteilnehmer verbreitemde Informationsbasis ermOglicht eine bessere Einsicht in die existente Gesamtproblematik, aufgrund welcher die Untemehmen am Markt gezwungen sind zu reagieren beziehungsweise zu agieren. Pointing to shortcomings in individual, on-the-job behaviors: Die Verbreitung von Information intendiert das Aufbrechen von verkrusteten Strukturen und Verhaltensweisen. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass ein organisationaler Wandel immer von einer Mikro- und einer Makroperspektive aus zu betrachten ist. Das heiBt, dass auch den individuellen Verhaltensweisen Beachtung zu schenken ist. Interventionen konnen kreiert werden, um eine bewusste Unzufriedenheit mit den eigenen, individuellen Verhaltensweisen der Organisationsteilnehmer innerhalb der Untemehmung zu schaffen. Offering models that suggest not just where the company ought to be headed but also how far it is from that goal: Die Diffusion von Unzufriedenheit mit dem Status quo einer Untemehmung hangt insbesondere auch von einer Art Soll-Ist-Vergleich ab, welcher den momentanen Stand der Entwicklung aufzeigt. Je groBer das „Gap" zwischen praferiertem und 255

Vgl. Spector (1989: 30).

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Die individuelle Grundhaltung oder auch „Change-Mentality"

derzeitigem Status ist, desto gr56er ist die Unzufriedenheit. Jedoch sollte der Sollzustand keinesfalls als unerreichbar erscheinen beziehungsweise die strategische Liicke nicht zu immens werden, so dass ein Erfolg auch machbar bleibt. Mandating dissatisfaction: Die Diffusion von Unzufriedenheit lasst sich nach Spector auch delegieren, indem untemehmerische Entscheidungen den Status quo sanktionieren, beispielsweise durch den zukiinftigen Entzug finanzieller Mittel, falls eine beabsichtigte Veranderung nicht stattfindet. Wichtig ist hierbei jedoch, dass nicht auf individueller Ebene, sondem lediglich auf der organisationaler Ebene sanktioniert wird. Sicherlich ist die Schaffung von Unzufriedenheit ein wichtiger Ansatz fUr die Generierung einer positiven Einstellung beziehungsweise einer vorteilhaften „Change Mentality" der Organisationsteilnehmer. Es sollte jedoch auch auf eine tiefe Diffusion dieser Unzufriedenheit innerhalb der Organisation geachtet werden. Die Gefahr liegt darin, dass beispielsweise lediglich die Initiatoren des Wandels die Frustration mit dem derzeitigen Zustand der Untemehmung teilen, nicht jedoch die „change implementors" oder die „change recipients". Die mangelnde Durchdringung der Unzufriedenheit erzeugt WiderstSnde, da dem Wandel die kognitive Basis entzogen wird und somit die intendierten Veranderungen nicht von alien Individuen als unbedingte Notwendigkeit wahrgenommen werden konnen. Die auf der Unzufriedenheit einer kleinen Gruppe basierenden Change-Projekte stofien auf Opposition, da eine Diffusion des „ need to change " nicht in ausreichendem MaBe stattgefunden hat. „When leaders jump directly from being dissatisfied to imposing new operating models, they fail to generate any real commitment to change." ^56 Das heifit, zwischen einer unzufriedenen Fuhrung und einer Fuhrung, welche Unzufriedenheit in der Organisation verbreitet, liegt mehr als nur eine geringe linguistische Verfeinerung. Freilich kann eine Unzufriedenheit der Individuen mit dem Status quo der Untemehmung noch nicht die mit einem eventuell notwendig werdenden Wandel induzierten Risiken fur die Betroffenen minimieren. Die eine Veranderung begleitende Unsicherheit bleibt. Und damit auch die Angst unter den Organisationsteilnehmem vor einer ungewissen Zukunft. Die Einsicht fur den „need to change" mag zwar vorhanden sein. Jedoch die Resistenzen sind noch nicht beseitigt. Unzufriedenheit, die Evaluierung von Risiko sowie die Uberwindung von Angst miinden jeweils in der Notwendigkeit ein Informationsdefizit von Individuen zu eliminieren. Somit wird die Information und Kommunikation zu einem wichtigen Thema, um Widerstande gegen Wandel a priori zu handhaben. Nun sind es aber die Individuen einer Organisation, die den Erfolg oder Misserfolg eines Wandels determinieren. Die Wandelfahigkeit einer Organisation lieBe sich auch als die

Vgl. Spector (1989: 30).

Einflussfaktoren des Wandels

IPS

Summe der jeweiligen individuellen WandelfShigkeiten aller von der Verandemng Betroffenen beschreiben:257 WandelfMhigkeit

(Organisation) ~ X ( J l l d i v i d u e l l e W a n d c l f M h l g k e i t ) (Betroffenen)

Daraus folgt, wie bereits angedeutet, dass die VeranderungsMigkeit einer Organisation oder aber eines Teiles dieser im Moment der Intention zum Wandel bereits festgelegt oder pradeterminiert ist, zumal die grundsatzliche Einstellung der Organisationsteilnehmer zum Wandel einen Bestandteil deren individueller Mentalitat darstellt. Dabei lasst sich die Mentalitat als die Einstellung, die Denkart eines Menschen beschreiben, welche im Allgemeinen durch anlage- und milieubedingte Komponenten geformt wird oder wurde. Die Erfahrungsbasis eines Individuums prSgt demnach nicht unwesentlich das Verhaltensmuster beziehungsweise die Grundhaltung. Dies selbstverstMndlich auch in Bezug auf den Umgang mit Verfinderungen oder Anpassungen an sich wandelnde Strukturen, in positiver oder negativer Art und Weise. Verfolgt man diesen Gedankengang weiter, liefie sich sagen, dass Menschen quasi in unterschiedliche Kategorien zu klassifizieren wSren, je nachdem, wie sehr ihre individuelle, pradeterminierte Einstellung einem Wandel gegentiber aufgeschlossen ist. Der Terminus einer „Change-Mentality" trSgt diesen vorgeformten Einstellungen, Meinungen und Erfahrungen Rechnung. Dabei soil jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass an einer Neuorientierung dieser „Change-Mentality", genauer gesagt an der WandelfMhigkeit der Einstellung gegentiber VerMnderungen, gezweifelt wird. Die individuelle „Change-Mentality" determiniert aber insbesondere die primMre prozentuale Verteilung in die Gruppen BefUrworter, Indifferente und Resistente im Falle eines intendierten Wandels. Eine zweite Klassifizierung wtirde dann die individuelle Grundeinstellung nicht mehr beachten, sondem lediglich die Grundhaltung gegentiber der geplanten spezifischen VerSnderung. Hier spielen dann fiir das Individuum Kriterien wie die Art des Wandels und die daraus spezifischen Voroder Nachteile eine Rolle. Das bedeutet letztlich, dass nach einer primSren Klassifizierung der vom Wandel Betroffenen es durchaus m5glich ware, in der Gruppe der generellen BefUrworter eines Wandels Mitarbeiter zu fmden, die der spezifischen Veranderung in negativer Weise gegentiberstehen. Aus diesen getroffenen Aussagen resultiert nun die M5glichkeit einer Differenzierung zweier unterschiedlicher Abstraktionsebenen. Zum einen die erste Ebene, welche die Ebene einer erfahrungsbedingten Change-Mentalitat darstellt. D.h., dass man im Rahmen einer anzufertigenden Analyse eine bestimmte prozentuale Verteilung in Change-Befurworter, Change-Indifferente und Change-Resistente innerhalb einer Organisation feststellen kann. Diese Verteilung ist quasi pradeterminiert durch die Personalauswahl beziehungsweise durch die Zugehorigkeit der Individuen zu den vom Wandel Betroffenen. Die zweite Ebene hingegen betrachtet nicht mehr die vorgeformte, kulturbehaftete „ChangeMentality", sondem die speziflsche „Change-Episode". Genauer gesagt, dass die vom Freilich sollte man sich dessen bewusst sein, dass auch andere Faktoren die WandelfHhigkeit einer Organisation mafigeblich beeinflussen kOnnen. Jedoch sind die Individuen bzw. die Organisationsteilnehmer der zentrale SchlUssel einer Veranderung.

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Die individuelle Grundhaltung oder auch „Change-Mentality"

Wandel Betroffenen, beispielsweise trotz einer positiven Einstellung hinsichtlich VQTsindemngQn, fallbezogen dennoch einem intendierten Wandel resistieren. An dieser Stelle riicken dann Faktoren in den Vordergrund, wie sie die Dimensionen der WiderstSnde gegen Wandel beschreiben, wie zum Beispiel materielle oder soziale Kriterien. Opportunistisches Verhaltenspotential, resultierend aus individuellen Zielvorstellungen, ist hierbei ebenfalls ausschlaggebend. Man denke an eine Organisation, welche sich einer Veranderung gegeniiber sieht. In einem ersten Schritt wSre es wichtig zu wissen, mit welcher generellen Grundeinstellung gegeniiber Wandel man konfrontiert werden wird. Wie setzt sich die Gruppe der vom Wandel Betroffenen zusammen? Wie hoch ist der prozentuale Bestandteil derer, die hinsichtlich ihrer bislang gemachten Erfahrungen eine positive Einstellung fiir Veranderungen mitbringen? Und wie viele der Betroffenen haben eine negative oder indifferente „Change-Mentality"? Zeigt diese Analyse einen hohen Prozentsatz an Individuen, deren Grundhaltung zu Wandel negativ ist, werden MaBnahmen notwendig, welche auf der Basis eines eher kulturellen Wandels der „Change-Mentality" selbst ansetzen. Es sind MaBnahmen erforderlich, die die generelle Bereitschaft der Organisationsteilnehmer fur Veranderungen wandelt. Dies kame sozusagen einer Vorbereitung auf den Wandel gleich. In einem zweiten Schritt, nachdem die generelle Grundeinstellung der Organisationsteilnehmer analysiert wurde und eine „vorbereitende MaBnahme" moglicherweise nicht erforderlich erscheint, muss die eigentliche Veranderungsepisode analysiert werden. Welche Individuen, in Abhangigkeit ihrer Change-Mentalitat, werden durch den spezifisch zu realisierenden Wandel wie reagieren? Eine Analyse der Dimensionen von Widerstanden wSre an dieser Stelle hinsichtlich der Einzelnen vom Wandel Betroffenen relevant. Das Resultat dieser Analyse konnte beispielsweise zeigen, dass es durchaus Individuen gibt, welche trotz einer generell positiven „Change-Mentality" auf den spezifischen Wandel negativ reagieren. Die MaBnahmen, welche in diesen Fallen zu ergreifen sind, unterscheiden sich jedoch von denen der ersten Ebene. Auf der zweiten Ebene sind durchaus MaBnahmen wie Incentives in materieller Form oder beispielsweise neue Verantwortung denkbar, um die Haltung hinsichtlich der spezifischen Veranderung zu wandeln. Die Unterscheidung dieser zwei Ebenen basiert also zum Einen auf einer generellen Grundhaltung gegeniiber Wandel, erworben im Laufe des Lebens, und zum Anderen auf einer subjektiven, fallspezifischen Abwagung der Vor- und Nachteile, welche mit dem Wandel verbunden sind, vor dem Hintergrund der individuellen Zielhierarchie. Dabei beeinflussen sich die Ebenen gegenseitig, was wiederum zum Ausdruck bringt, dass eine „ChangeMentality", entstanden aufgrund von Erfahrungen, durchaus Veranderungs- bzw. Evolutionsfahig ist. Die individuelle Erfahrungsbasis ist die Grundlage ftir die „Change-

Einflussfaktoren des Wandels

107

Mentality".258 Diese wiederum prSgt in entscheidendem MaBe, in Verbindung mit der jeweiligen individuellen Zielvorstellung, das Verhalten innerhalb einer spezifischen „ChangeEpisode". Die aus dieser „Change-Episode" resultierende Erfahnmg mit der Verandenmg beeinflusst die Erfahrungsbasis eines Individuums und damit emeut dessen „ChangeMentality".

Organisation

2. E b e n e

1. Eben

Change-Episode

Change-Episode Change-Episode

Change-Mentality

e

11

t i

ERFAHRUNGSBASIS Abbildung 20:

Die gegenseitige Beeinflussung von Erfahrungsbasis, „Change-Mentality^ und „Change-Episode^ oder die Evolution der „Change-Mentality"

Die Unterscheidung der zwei Ebenen der „Change-Mentality" und der „Change-Episode" induziert auch differente Ansatze der Introduktion und Promotion von Wandel. Einen Ansatzpunkt bildet die „Change-Mentality". Um die Veranderungsfahigkeit einer Organisation zu steigem und damit im gleichen Zuge die Resistenzen gegen den intendierten Wandel zu reduzieren, mussen auch tatsachlich Veranderung stattfmden. In einer Art „Leaming by doing" sollten kontinuierlich Neuerungen (kleine „Change-Episoden") bewusst eingeleitet werden. Freilich sollte dabei zu Anfang die Tragweite der VerSnderung dem Status quo der „Change-Mentality" angepasst werden. Auch kleine Veranderungen konnen groBe Erfolge hinsichtlich einer positiven Einstellung zum Wandel bedeuten; dies ist davon abhangig, welchen Nutzen oder Erfolg man diesen zuordnen mochte. Selbst kleinsten Veranderungen muss dabei Anerkennvmg und Beachtung beigemessen werden. Denn die Die Erfahrungsbasis eines Individuums hinsichtlich Wandel darf keinesfalls einzig und allein verkUrzt auf die spezifischen Change-Episoden in Organisationen verstanden werden. Die Erfahrungsbasis formiert sich vielmehr im Laufe des Lebens, wobei auch dessen Erfahrungen mit dem Wandel im sozialen Umfeld des Individuums eine hohe Relevanz beizumessen ist. Alle Erfahrungen, welche im Laufe des Sozialisationsprozesses mit der Veranderung, in welchem Zusammenhang auch immer, gemacht wurden, gehen in die Erfahrungsbasis eines Individuums ein und beeinflussen bewusst oder unbewusst die Change-Mentality.

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Die individuelle Grundhaltung oder auch „Change-Mentality"

positive Erfahnmg durch den vollzogenen Wandel ist primSr der eigentliche Erfolg, weniger die vollzogene Veranderung selbst. Die positive Erfahnmg verbessert „step by step" die Einstellung zum Wandel und erh5ht den Mut zur gr5Beren Neuenmg. Das Selbstvertrauen, eine Veranderung einzuleiten, wird gesteigert. Eine Organisation soUte deshalb nie zur Ruhe kommen. Stillstand bedeutet Verkrustung. Und Verkrustung wiederum erschwert den Prozess des Entlernens von Erlemtem. Stetiger Wandel bedingt ein hohes Mafi an KritikMiigkeit und Responsiveness. Veranderung ist nichts anderes als eine Kritik an Bestehendem. Insofem erfordert eine organisationale WandelfShigkeit einen offenen Umgang mit Kritik. Dazu muss dieser ein positiver Stellenwert in der Untemehmung zu Teil werden. Spezifische Anreizsysteme mtissen die Basis ftir eine offene Kritik schaffen. Standige Kritik und dadurch induzierter stetiger Wandel, auch in kleinen Teilbereichen der Untemehmung, fbrdem den Umgang mit Veranderungen tiber eine positive Erfahrungsbasis. Das heifit, dass ein stetiger Wandel auf Nebenkriegsschauplatzen die eigentlich wichtige Neuenmg ilber einen Lemprozess einleiten kann. Einen zweiten Ansatzpunkt, um die VeranderungsfMhigkeit einer Organisation zu beeinflussen, ist die spezifische „Change-Episode" selbst. Da das Gelingen des intendierten Wandels auch oflmals den zuktinftigen Fortschritt der Untemehmung bestimmt, liegt letztlich im Ergebnis der „Change-Episode" der Schltissel zum Erfolg. Wie bereits festgestellt, wird die Einstellung zum intendierten Wandel beeinflusst von der grundlegenden ChangeMentalitat eines Organisationsteilnehmers. Ist diese einer Veranderung gegentiber aufgeschlossen, so ist auch die Wahrscheinlichkeit hinsichtlich einer positiven Einstellung gegentiber der „Change-Episode" groU. Jedoch sollten im Vorfeld einer speziflschen Veranderung die individuellen Problemfaktoren des Wandels analysiert und gehandhabt werden. ^59 Wie sich zeigt, sind die „Change-Mentality" und die „Change-Episode" essentieller Bestandteil eines Wandels. Die Change-Mentalitat soil eine Sensibilitat flir Veranderungen in sich erzeugen. Sie postuliert eine Abkehr von einem stabilen, starren und opportunistischen hin zu einem holistischen, vemetzten Denken. Und die „Change-Episode" kann ihr hierzu als Mittel zum Zweck dienlich sein. Freilich erfordert dieses Ziel ein hohes MaB an Lem-, Kommunikations- sowie Motivationsfahigkeit. Eine spezifische „Change-Mentality" lasst sich nicht einzig und allein nur einem Individuum zuordnen. Vielmehr lieBe sich auch hinsichtlich einer wie auch immer gearteten Organisation von einer organisationsspezifischen Change-Mentalitat sprechen, welche dann alle individuellen Mentalitaten der Organisationsteilnehmer, die historische Erfahrungsbasis der Untemehmung als solche wie auch die Umfeldbedingungen (z.B. die Marktgegebenheiten), in welchen sie sich bewegt, mit einbezieht. 259

Hierbei sind insbesondere die bereits angesprochenen Dimensionen von Widerstanden gegen Wandel zu

Einflussfaktoren des Wandels

109

Eine Organisation ist ohne Frage eine Zusammenfassung unterschiedlichster „ChangeMentalities". Dies bedingt sich allein schon aus der Tatsache, dass eine Organisation eine Gruppierung diverser Individuen ist, welche alle - bis zu einem gewissen Grad - ein gemeinsames Ziel verfolgen. „A corporate entity comprises any number of people, who are tied together in a group by a certain commonality in their vision of the future and by a common operating culture, while facing the challenges of a common outside environment." ^60 Individuen sind gepr^gt von ihrer Geschichte, von der Gegenwart sov^e von ihren Erwartungen von der Zukimft. Die Mentalitat eines Menschen beeinflusst sein Verhalten auch hinsichtlich Wandel. Der zentrale Bezugsrahmen der Arbeit stellt deshalb die „ChangeMentality", also die individuelle Gnmdhaltung gegenUber Wandel, in den Vordergrund. Denn es sind die Menschen, die Wandel vollziehen. Oder aber diesen konterkarieren. Die individuelle Gnmdhaltung der Organisationsteilnehmer beeinflusst somit die ChangefShigkeit der Untemehmung. Sie formt tlber die Zeit aber auch die Untemehmenskultur, welche dann selbst einen Einfluss auf den Umgang mit Wandel hat. Im Folgenden soil dieser Baustein des Bezugsrahmens der Arbeit dargestellt werden und die Frage behandelt werden, wie die Untemehmenskultur Wandel positiv beeinflussen bzw. Widerst^de gegen Wandel verhindem kann. 3.2.

Untemehmenskultur als Einflussfaktor des Wandels

Doppler und Lauterburg beschreiben die Untemehmenskultur als die Gesamtheit der formulierten und formierten Traditionen, Gesetze und Werte, an denen sich das Denken, Fiihlen und Handeln der Organisationsmitglieder ausrichtet.^^i Dabei impliziert der Begriff „Kultur" auf lange Sicht Bestandigkeit und Verlasslichkeit. Kulturelle Werte und Normen unterliegen iiblicherweise keinem permanenten Wandel; sie werden iiberliefert, gepflegt und definieren die Regeln einer Gemeinschaft.262 sie koordinieren damit das Zusammenleben einer Gmppe oder einer Gesellschaft auf der Basis geteilter SelbstverstSndlichkeiten. „Organization culture creates and sustains existing beliefs, norms, and patterns of behavior." ^63 An anderer Stelle schreibt Steele:^^^

260 261 262

263 264

vgl. Erve (1990: 57). Vgl. Doppler, Lauterburg (1994: 76f). Regeln, Normen und Werte einer Gesellschaft entstehen durch eine konsensuale Validierung. Menschen sind bestrebt, sich auf eine gemeinsame Perspektive der Realitat zu einigen, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung von GegenstSnden und Ereignissen, welche das (Jberleben sichern. Diese gegenseitige Bestatigung von Sichtweisen ist insbesondere vor einem gemeinsamen kulturellen Erfahrungshintergrund einfacher als bei unterschiedlicher Kultur. Vgl. hierzu Zimbardo (1992: 193). Vgl. Zeira, Avedisian (1989: 34). Vgl. Steele (1977: 24).

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Untemehmenskultur als Einflussfaktor des Wandels „By culture I mean the societal norms and values that influence members of the organization, societal pressures and formal regulations, technology and artifacts, traditions, and basic shared assumptions about the world and life in it."

Insbesondere diese Steuerungs- und Koordinationsfimktion rtickt die Untemehmenskultur in den Vordergrund hinsichtlich einer Betrachtung eventueller Resistenzen gegen Wandel. Die Normen und Werte einer Kultur bzw. einer Untemehmenskultur haben eine Leitbild- und Orientierungsfunktion. Sie steuem und beeinflussen das Verhalten der Organisationsteilnehmer. Die Normen und Werte gleichen dabei einem Regelwerk, welches die Komplexitat des sozialen Systems ^Organisation" dadurch reduziert, dass es meist kognitive Verhaltensmuster bereitstellt, mit klar determinierten Regeln iiber „gut" und „schlecht", iiber „erlaubtes" und „verbotenes Handeln" und damit uber „Belohnung" sowie „Bestrafung". Diese Richtlinien bilden letztlich die Rahmenbedingungen, irmerhalb derer sich die Individuen bewegen, selbst organisieren und weiterentwickeln kOimen. Auf diesen Rahmen gilt es im Hinblick auf Veranderungen einzuwirken, um das Verhalten der Organisationsmitglieder neu auszurichten. Deshalb wird in der neueren wirtschaftswissenschaftlichen Praxis der Veranderung der Untemehmenskultur eine immer groBere Aufmerksamkeit zu Teil. Ein Wandel impliziert groBtenteils auch eine Modifikation im Verhalten der Individuen. Um jedoch den Wandel einer Untemehmenskultur in Betracht ziehen zu konnen, sollte man sich Gedanken machen, wie sich die Kultur einer Organisation manifestiert. Als Determinanten der Kultur kormen dabei sicherlich genannt werden: • • •

das Verhalten der Individuen, die Art der Kommunikation sowie die Strukturen einer Untemehmung.

Betrachtet man das Verhalten der Organisationsteilnehmer, so sind die Handlungsweisen der Fuhmng von primarer Relevanz. Das Generieren von Entscheidungen, der Grad der Delegation von Verantwortung, das Honorieren und Sanktionieren bestimmter Verhaltensweisen oder der Umgang miteinander sind beispielsweise Faktoren, welche die Kultur defmieren. 1st der Fiihmngsstil kooperativ oder patriarchalisch? Wie verhalten sich die Mitarbeiter untereinander? Kermzeichnet sich das Untemehmen durch eine Akkumulation unzusammenhangender Gruppen oder gibt es ein starkes gemeinschaftliches Denken? Stellt das Untemehmen ein Ort sozialer Integration dar oder ist es lediglich Arbeitsstatte? Auch die Art und Weise der Kommunikation im Untemehmen pragt die Kultur. Wird hauptsachlich schriftlich oder mtindlich kommuniziert, direkt (d.h. auch Uber eventuelle Hierarchieebenen hinweg) oder indirekt (also immer unter strenger Einhaltung der Hierarchic)? Wie ist die Form bzw. der Stil der Kommunikation? Gibt es Unterschiede in der Art der Kommunikation bezuglich der verschiedenen vorzufmdenden Hierarchieebenen? Ist in der Untemehmung eine offene Form der MeinungsauBerung erlaubt oder betrachtet man die Organisationsteilnehmer vielmehr als unmiindig? Gibt es bestimmte Themen, welche von jeglicher Diskussion ausgeschlossen sind oder als unwidermflich festgelegt gelten?

Einflussfaktoren des Wandels Die Kultur einer Organisation manifestiert sich aber auch in beobachtbaren Faktoren. So lasst etwa die Art der Architektur der Untemehmung oder die Einrichtung der Gebaude Riickschlusse auf die Kultur zu. Lebt ein Untemehmen in seiner Kultur auch das High-Tech Image seiner Produkte oder unterliegt es der konservativen Einstellung seiner Grtlnder aus grauer Vorzeit? Untersttitzt die Raumgestaltung eine offene Kommunikation oder konterkariert diese die Bemuhungen eines schnellen Informationsaustausches? Welche Organisationsform kennzeichnet das Untemehmen? Welche Barrieren werden dadurch aufoder abgebaut? Alle diese Fragen erlauben es, ein Bild der Kultur einer Organisation zu erstellen. Freilich kann dieses Abbild der Kultur nicht jeglichen Baustein erfassen, jedoch zeigt sich deren Grundausrichtimg oder Rahmen. Die im Laufe der Geschichte einer Untemehmung entstandene Kultur pragt insbesondere auch die Identitat der Organisation. Die Untemehmenskultur wird jedoch auch von anderen Faktoren determiniert. Doppler, Lauterburg differieren dabei sog. „fundamentale Faktoren" und „untemehmensspezifische Faktoren", welche sich primar in deren Beeinflussbarkeit fur die Organisation unterscheiden.265 Als bedingt beeinflussbare Faktoren werden dabei Produkte, Dienstleistungen, Kunden, Produktionsmittel, Personalstruktur, die Untemehmensgrofie, Nationalitat, die geographische Lage, die Eigentumsstruktur sowie Alter und Geschichte des Untemehmens genannt. Freilich pragen diese Faktoren die Kultur und die Identitat einer Organisation enorm. Man ftihre sich dabei das Beispiel einer Untemehmung der Computerindustrie mit extrem kurzen Innovationszyklen und eine Untemehmung des traditionellen Maschinenbaus vor Augen, in welchem die Entwicklungssprunge bei weitem langer sind. Die Bereitschaft zur Veranderung ist in der Computerindustrie eine existentielle Frage. Unschwer zu verstehen ist auch der Einfluss der Nationalitat bzw. der Nationalitaten-Mix einer Organisation auf die Kultur eines Untemehmens. Als untemehmensspezifische Faktoren der Untemehmenskultur bezeichnen Doppler und Lauterburg bspw. das Verhalten des Managements, die Organisationsphilosophie und die Organisationsstruktur, das Fiihrungsinstrumentarium, die Untemehmensziele und das Untemehmensleitbild, die Strategic und die Fiihrungsgrundsatze, die Personalpolitik, die Arbeitsplatzgestaltung, die Anreiz- und Sanktionssysteme, die Regelungsdichte, das Corporate Design und andere. ^66 Diese sind durchaus gestaltungs- und veranderungsfahig. Die Untemehmenskultur ist somit die Gesamtheit aller Werte und Normen, welche die Identitat einer Organisation formen. Die Untemehmenskultur determiniert damit auch die Rahmenbedingungen fiir die Evolution einer Organisation. Die Kultur setzt die Leitplanken

265 266

vgl. Doppler, Lauterburg (1994: 303f.). Vgl. Doppler, Lauterburg (1994: 305).

112

Untemehmenskultur als Einflussfaktor des Wandels

der Entwicklung auch dadurch, dass sie - vor dem Hintergnmd ihrer eigenen Werte Verandemngen als legitim oder unzulSssig erklart. „The culture puts boundaries on which change goals and methodologies are or are not legitimate; if influential internal stakeholders perceive the set of change goals to be in direct conflict with existing norms that they are unwilling to change, the change effort will be sabotagedfromthe start." 267 Kultur reproduziert sich folglich selbst und festigt damit ihre ureigenste Perspektive des Fortschritts. Dabei wird offensichtlich, dass jegliche Veranderung, die jenseits dieser Grenzen liegt, imabhSngig davon, ob deren Inhalte positiv oder negativ fUr die zuktinflige Entwicklung der Organisation sind, in irgendeiner Form auf Widerstand stoBen muss. Die Affinitat der Untemehmenskultur hinsichtlich Wandel wird damit zu einem Kempunkt eines erfolgsorientierten Change Management. Die zentrale Frage, welche sich demnach stellt, ist: iVie sollte bzw* muss eine changeorientierte Untemehmenskultur gestaltet sein, so dass Widerstdnde gegen eine intendierte Ver&nderung a priori nicht entstehen? Kultur und demnach auch die Untemehmenskultur wird geprSgt - wie bereits gesagt - von Traditionen, bestimmten Riten und der Historic einer Organisation. Diese Untemehmensgeschichte ist dabei insbesondere von Leitbildem, Visionen und Zielen des Firmengriinders oder wichtiger PersOnlichkeiten nachhaltig beeinflusst. Sicherlich ist die Untemehmenskultur einer seit langem existierenden Organisation wesentlich stSrker in den Handlungen und Verhaltensweisen der Mitglieder verankert als in Untemehmen, welche erst seit kurzem am Markt sind. Daraus iSsst sich folgem, dass viele Werte und Normen einer stark verankerten und geschichtstrSchtigen Untemehmenskultur unter UmstSnden nicht mehr den derzeitig giiltigen Wertestandards geniigen und damit obsolet geworden sind. Die die Organisation beeinflussenden Umweltfaktoren wandeln sich; die Untemehmenskultur jedoch verweilt in den Mythen der Vergangenheit. Der Einfluss der Untemehmenskultur auf eine ChangefMhigkeit der Organisation darf aber nicht unterschatzt werden. Inwieweit ein Wandel Uberhaupt stattfmden kann oder nicht, hangt insbesondere von den in der Kultur festgelegten Werten und Normen ab. Man denke hierbei etwa an die in einer Untemehmenskultur festgelegten Kommunikationsstrukturen und -regeln, welche jene Wege determinieren, die ein durchaus positiver Verbesserungsvorschlag durchschreiten muss, ehe er nach etlichen Zwischenstationen und Filtem ganzlich scheitert.268 Fischer konstatiert, dass seiner Erfahrung nach Projekte insbesondere wegen unpassender, nicht projektforderlicher Untemehmenskultur scheitem und dass konservative oder statische

267 268

v g l Zeira, Avedisian (1989: 35). Auch Fischer (1993: 32) hebt insbesondere die Beachtung der Untemehmenskultur hervor hinsichtlich der Intention eines Wandels.

113

Einflussfaktoren des Wandels

Wertvorstellimgen erschweren.269

einer Belegschaft

das erfolgreiche

Durchflihren von

Projekten

Stellt man sich die Frage, wie eine Untemehmenskultur beschaffen sein sollte, welche die Changefahigkeit einer Organisation perpetuiert, so muss man sich insbesondere die Genese einer Untemehmenskultur vor Augen ftihren.

Verhalten

Abbildung 21:

Kultur in Organisationen^'^^

Erve schlagt ein Modell vor, welches die Vision sowie die Ethik einer Gesellschaft, aber auch die Stromungen des sozio-okonomischen Feldes fiir die Entstehung von Werten und Normen hervorhebt.2'71 Die Vision: Impetus eines (kulturellen) Wandels Die Vision ist das Licht am Ende des Tunnels! Sie projiziert das Zukunftsbild einer Organisation, welches die oberste Untemehmensleitung uber deren Evolution, Zweck und deren Ziele, sowie liber deren Selbstverstandnis hat.272 Die Vision ist der Ursprung aller Untemehmensziele, ohne dabei den Anspruch zu erheben, sie unabdingbar erreichen zu mussen.273 Die Vision einer Untemehmung ist den Zielen vielmehr voraus. Sie pragt die Ideen der Organisationsteilnehmer, die diesen „charismatischen" Zustand mit ihrem Denken und Handeln verwirklichen bzw. leben mochten. Die Vision ist aber auch Motivationsfaktor. Insbesondere dann, wenn es der Fiihrungsspitze gelungen ist, ein hohes MaB an Glaubwiirdigkeit aufzubauen.

269 270 271 272 273

Vgl. Fischer (1993: 31). In Anlehnung an Erve (1990: 58). Vgl. Erve (1990: 58). Vgl. hierzu auch Hahn (1994: 81) sowie Titze (1991: 14). Vgl. auch Titze (1992: 14), welcher die Vision als Ausgangspunkt ftir die Ausrichtung des Unternehmens im Prozess des Wandels bezeichnet. Die Vision dienst dabei nach seiner Auffassung als strategische Leitlinie.

114

Untemehmenskultur als Einflussfaktor des Wandels ,^n exciting vision is important in motivating employees to accept change but can be effective only if top management, and the firm, have established some degree of credibility." 274

Bertels definiert die Aufgabe einer Vision, wie folgt: „Starke Visionen erzeugen Gemeinschaftsgeftihl, gesunden Fanatismus fiir das zentrale Anliegen der Organisation und stellen ein gemeinsames Wertgeriist dar, das niemand verletzen darf, ohne damit seine ZugehSrigkeit zur Organisation fundamental in Frage zu stellen. Visionen enthalten emotionale Aspekte, die fUr eine entsprechende Sinnhaftigkeit der Arbeit im Untemehmen sorgen sollten. Prozesse der Sinnvermittlung erleichtem den Mitarbeitem das Verstandnis uber VorgSnge in der Untemehmung und der Umwelt; sie leiten die Aufmerksamkeit und das Problembewusstsein auf bestimmte relevante TatbestSnde, kennzeichnen die grundlegenden Ziele und Werte, die die TStigkeiten des Untemehmens leiten sollen, schaffen ein gemeinsames Fundament von Wirklichkeitsinterpretationen und stecken letztlich die Legitimationskorridore ftir das untemehmerische Handeln ab." ^75 Auch Visionen sind der Dynamik des sozio-okonomischen Feldes unterworfen. Verandemngen in der Umwelt konnen Visionen obsolet w^erden lassen und damit eine Richtungslosigkeit oder aber einen Richtungswechsel bewirken. Die Vision wird damit zum eigentlichen Motor des kulturellen Wandels. Gleichzeitig determiniert jedoch die Kultur oder die Untemehmenskultur auch die Vision. Man denke beispielsweise an ein WUrfelspiel. WUrde man nun gefragt, ob die nSchste Zahl, welche gewlirfelt werden wlirde, hoher oder niedriger wSre als die zuletzt geworfene, so wUrde man sicherlich nicht davon ausgehen, dass die zu wiirfelnde Zahl niedriger als eins oder hoher als sechs ware. Wie wiirde man nun aber reagieren, werm der WUrfel die Zahl 12 zeigte? Unbewusst wird gewissermafien unterstellt, man wiirde einen WUrfel mit den Zahlen von eins bis sechs vor sich haben, wie er in den Regeln (des WUrfelspiels) unserer Kultur verankert ist. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr ein Denken und Handeln von Menschen in der jeweiligen Kultur verhaftet ist. Es demonstriert auch die enge Korrelation zwischen einem kulturellen Wandel und der Vision einer Organisation. Werden Visionen kommuniziert, die vor dem Hintergrund der herrschenden Untemehmenskultur nicht verstanden werden, wird dem durch die Vision intendierten Wandel resistiert werden, zumal die Unsicherheit der Organisationsteilnehmer zunimmt. Erve spricht in diesem Zusammenhang von einer „culture trap".276 Die Kultur bzw. die Untemehmenskultur legt somit der Vision die Notwendigkeit einer gewissen Kongmenz auf, womit zum Ausdmck gebracht werden soil, dass auch eine Vision die kulturellen Faktoren, also Werte, Normen, Traditionen, Mythen usw., nicht ignorieren darf Dies fiihrt zu dem Schluss, dass ein effizienter Wandel, also eine Veranderung ohne hemmende Widerstande, ein Gleichgewicht zwischen Vision und Untemehmenskultur

274 275 276

vgl. Blumenthal, Haspeslagh (1994: 103). Vgl. hierzu Bertels (1996: 54). Vgl. Erve (1990: 57).

Einflussfaktoren des Wandels

115

bedingt.277 Dadurch wird implizit auch die Aussage getroffen, dass jede Untemehmung eine Kultur besitzt, welche im Einklang mit ihren Visionen steht. „The way to escape this so-called culture-trap, when developing new visions or in getting them accepted, is to act on the assumed rules of the game or „culture" itself. This phenomenon is caused by a dependency between vision and culture. It can be visualized in a so-called vision-culture balance diagram, which demonstrates a core mechanism in all corporate entities." ^'^^

Vision

A Vision ^ ^ ^ -77^-r— =« Constant A Culture

,''

Transform- i ation I ^ X

^

rNewvision^ i

i

Cuiture

Abbildung 22:

Vision-culture Baiance^*^^

Die Entwicklung einer neuen Vision fiihrt dann zu einer Deviation von existierender Untemehmenskultur und aquivalenter Vision. Das Gleichgewicht verschiebt sich zunachst. Erve spricht dabei von einem ,,vision-jump''?^^ Wird nun diese neue Vision kommuniziert, vorausgesetzt sie w^ird nicht a priori verworfen, durchlauft die Organisation eine Transformation, wahrend welcher die von der Untemehmensfiihrung propagierte Vision absorbiert und eine Assimilation der Untemehmenskultur bev^rkt ward. Die implizite Aussage dieser „Vision-culture Balance" deutet auf die M5glichkeit eines Wandels der Untemehmenskultur durch die Veranderung der ihr zugrunde liegenden Vision hin. Somit wird die Vision essentieller Bestandteil jeglicher Veranderung oder aber zumindest einer Wandlung der Untemehmenskultur. Die Kultur einer Untemehmimg ist demnach visionsgesteuert. Eine changeorientierte Untemehmenskultur bedingt folglich eine Vision, die einen stetigen, permanenten Wandel ins Zentrum ihrer Maxime stellt.

277 278 279 280

Vgl. Erve (1990: 57f), der dieses angesprochene Gleichgewicht als „Vision-culture Balance" bezeichnet. Vgl. Erve (1990: 57). Vgl. Erve (1990: 57). Vgl. Erve (1990: 57).

116

Untemehmenskultur als Einflussfaktor des Wandels

Die Notwendigkeit der Einhaltung des Gleichgewichts zwischen Vision und Untemehmenskultur manifestiert letztlich aber auch eine gewisse StabilitSt in den Kempunkten einer Kultur. In einer starken Untemehmenskultur wird ein Wandel oft als ein Feind dessen angesehen, was bereits von den Organisationsteilnehmem als geteilte Selbstverstandlichkeit intemalisiert wurde. Folglich sollte ein Wandel nicht die gesamte kulturelle Basis in Frage stellen, sondem vielmehr auf den erfolgreichen und positiven Elementen der gegenwartigen Kultur auft)auen.28i „In the process of reviving or transforming a corporation, the leader must strive to preserve, emphasize, and build upon aspects of the present culture that are positive and compatible." ^^^ Je grofier demnach die Lucke zwischen den von der Vision erklarten zukiinftigen Zielen fiir die Organisation und der derzeitigen Untemehmenskultur ist, desto mehr ist mit WiderstSnden gegen den intendierten Wandel zu rechnen.283 „Organizational culture creates and sustains existing beliefes, normes, and patterns of behaviour. The greater the deviation of change goals and methodology from the current culture, the more difficult it is to bring about the desired change." 284 Wie es sich darstellt, ist die Vision fiir die Genese einer Untemehmenskultur von hoher Relevanz. Die mit ihr kommunizierte zukUnftige Entwicklung der Untemehmung, sowie die dadurch induzierten Ziele leiten einen Prozess des Wandels ein. Wie muss nun aber die Vision gestaltet sein, dass sie auch die Changeorientierung einer Untemehmenskultur fordert? Wichtig ist, dass eine Vision tatsSchlich „visionar" ist! Sie entfaltet insbesondere dann treibende Kraft, wenn sie sich nicht an den bekannten Entwicklungen orientiert. Wiinsche oder triviale Allgemeinaussagen, lediglich als Visionen getamt, zeigen nicht den notwendigen Verandemngsbedarf auf, welchen eine Untemehmung vollbringen muss, um wettbewerbsfahig zu bleiben. Das heiBt, dass ein Bild gezeichnet werden muss, welches deutlich die Liicke zwischen der Vision der Organisation und dem tatsachlichen Ist-Zustand der Untemehmung darstellt. Die Vision und damit auch die Untemehmenskultur soil demnach eine Atmosphare der standigen Unzufiiedenheit mit dem Erreichten fordem.^^S' 286

281 282 283

284 285

286

Vgl.Laabs(1996:56). Vgl. Allaire, Firsirotu (1985: 30). Vgl. hierzu insbesondere auch Coetsee (1993: 1819ff.). Er verweist speziell auf die Notwendigkeit einer Artverwandtheit der zukUnftigen und der derzeitigen Untemehmenskultur, um WiderstSnde gegen Wandel zu vermeiden. Vgl. Zeira, Avedisian (1989: 35). Vgl. hierzu insbesondere Schmidt, Treichler (1996: 119), die mit einer standigen Unzufriedenheit der Organisationsteilnehmer zugleich auch eine Hilfe bezUglich eines Abbaus von Widerstanden gegen Veranderungen verbinden. uber die GrOBe der Vision-Gap lasst sich freilich streiten. Diese Aussage von Schmidt, Treichler, steht in einem gewissen Grad in Widerspruch zu der Aussage von Allaire, Firsirotu (1985: 30). Jedoch lassen sich beide Aussage auch als komplementar interpretieren, wenn man davon ausgeht, dass Schmidt, Treichler eine neue Vision praferieren, welche sich maximal mOglich von dem derzeitigen Zustand entfemt, jedoch immer noch die Kemaussagen des Handelns der fokalen Organisation impliziert.

Einflussfaktoren des Wandels

117

Eine Vision, die eine Changeorientierung der Untemehmenskultur zum Inhalt hat, muss den Wandel aber auch als oberste Maxime in ihrem Zukunftsbild verankem. StSndige Bewegung, alles ist im Fluss. Stillstand wird als lahmende Schwache deklariert. Hierzu muss eine Vision eine Responsiveness flir Umwelteinflusse bei den Organisationsteilnehmem induzieren sowie eine AuBenorientierung postulieren mit hoher Affinit^t ftir VerSnderungen, um eine Untemehmenskultur zu schaffen, deren Hauptinhalt die Flexibilitat wird.287 Die Transformation der Organisationskultur sollte auch nicht als eine analytisch zu erfassende, immaterielle Veranderung fehlinterpretiert werden. Es bedarf hierbei vielmehr einer personellen Transformation, einer Veranderung auf der Ebene der Individuen, welche die Untemehmenskultur leben und formen.^ss Insofem korrelieren Pers5nlichkeit und Kultur sehr stark, wie auch Westley konstatiert: „Anthropologists have long argued that personality and culture are intimately linked. To change one, through the process of organizational re-design, is to affect the other." ^89 Die Vision, die Umweltfaktoren und die Ethik formen und verandem die Werte und Normen einer Gemeinschaft bzw. einer Untemehmung. Die generierten Werte bewirken die Entwicklung von Strategien und Zielen, welche wiederum die Einstellung und das Verhalten der Organisationsteilnehmer beeinflussen. Aktionen entstehen, deren Auswdrkung als QuasiFeedback die Strategien, die Untemehmenskultur und ihre Werte und Normen sowie die Vision, das Untemehmensumfeld und unter UmstSnden auch in Teilbereichen die Ethik pragen oder wandeln.^^o Erve beschreibt deshalb die Untemehmenskultur als ein dynamisches System, welches mit einem multiplen „feedback loop" operiert.^^i Demnach ist die Untemehmenskultur kein statisches System. Sie wandelt sich stetig, sofem die Responsiveness der Organisation von ihrem Umfeld die Veranderungen registriert und die Untemehmensvision den Weg des Wandels visualisieren karm. Die Vision ermoglicht also die Veranderung der Untemehmenskultur. Die Untemehmenskultur ihrerseits pragt die Strategien der Organisation, die Einstellung sowie das Verhalten der Organisationsteilnehmer. Folglich beeinflusst die Untemehmenskultur die Change-Mentalitat der Individuen einer Untemehmung und diese wiederum die ChangeEpisode als Aktion des Wandels. Die Abbildung 23 veranschaulicht diese Zusammenhange graphisch.

287 288 289 290 291

Vgl. auch Titze (1990: 15). Vgl. hierzu Westley (1990: 289). Vgl. Westley (1990: 290). Vgl. Abbildung 21. Vgl. Erve (1990: 58).

Untemehmenskultur als Einflussfaktor des Wandels

118

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Abbildung 23:

:**Lernen

Zustand einer permanenten Oberforderung der Organisationsteilnehmer Wissensbasis int=0

-• t Abbildung 32:

Antizipatives vs. reaktives Lernen

Entscheidet sich nun ein Untemehmen bewusst fiir ein antizipatives oder ein reaktives Lemen, so konnen doch beide entstehenden Zustande von einer „readiness for change" geprSgt sein, da hierbei primSr die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Veranderung im Mittelpunkt steht. Damit wird aber deutlich, dass der Begriff der „readiness for change" unterschiedliche Qualitaten birgt und folglich nach einer differenzierteren Betrachtung hinsichtlich der Durchsetzung des sich anschlieBenden Wandelvorhabens, insbesondere im Hinblick auf die Erwartung von Widerstanden, verlangt. Betrachtet man die oben dargesteilte Abbildung 32, verbindet sich mit einem reaktiven Lemen die Gefahr eines Zustandes der permanenten Oberforderung der Organisationsteilnehmer. Trotzdem konnte diesen eine „readiness for change" zugesprochen werden, da sie beispielsweise die strategische Lucke erkannt haben zwischen einem momentanen Ist-Zustand und dem gewiinschten, eventuell durch eine Vision vorgezeichneten Soll-Zustand der Untemehmung. „Readiness for change" driickt dann die Einsicht aus, einen Wandel einzuleiten, trifft aber keine Aussage uber die intellektuelle Bereitschaft der Individuen, den Wandel durchzufuhren, ohne dabei jedoch Ausloser fiir erhebliche Widerstande zu sein, beispielsweise aufgrund von mangelnder Aufgabenbewaltigimgskompetenz. Man will den Wandel. Die Implementierung fiihrt dennoch zu unvorhergesehenen Widerstanden aufgrund der herrschenden reaktiven Lemkultur.

173

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

Ein antizipatives Lemen hingegen ermoglicht den vom Wandel Betroffenen einen Zustand latenter Unterforderung.^^'' Eine „readiness for change" verbindet hier die Einsicht in die Notwendigkeit des Wandels mit der intellektuellen Fdhigkeit, diesen auch ohne groBes Risiko zu erwartender Widerstande realisieren zu konnen. Ein antizipatives Lemen wird damit gleichsam zu einem „ Motor des Fortschritts", zumal es durch die Offhung nach aussen, verbunden mit einem Coaching, ein selbstinitiiertes Lemen induziert imd damit iiber einen Zustand der latenten Unterfordemng die Organisationsteilnehmer zu einem Status einer „readiness for change" ftihrt, der hinsichtlich der Widerstande gegen den intendierten Wandel positiv ist. Die Change-Fahigkeit der Organisation steigt. Daraus folgt, dass die Frage nach einer „readiness for change" auch die generierte Wissensbasis bzw. die praktizierte Art des Lemens der Untemehmung mit einbeziehen muss, um die Fahigkeit zur Durchsetzung des Wandels ohne Widerstande beurteilen zu konnen. Die folgende Tabelle soil die Zusammenhange nochmals in Ktirze darstellen, w^obei hierbei ein (+) und ein (-) die positive bzw. negative Qualitat einer „readiness for change" darstellen soil.

Lern-Art Readiness for Change Tabelle 6:

+

antizipativ

gering

-

reaktiv

hoch

Widerstande gegen Wandel

Readiness for Change, die Art des Lernens und Widerstfinde gegen Wandel

Es soil nicht der falsche Eindmck entstehen, dass ein „Lemen" sich einzig und allein auf Fahigkeiten zur Aufgabenbewaltigung bezieht. Vielmehr soil der Terminus „Lemen" alle denkbaren Informationen vermitteln, welche die Wandelfahigkeit einer Untemehmung positiv beeinflussen. Hierbei sei etwa an das Verstandnis unterschiedlicher Kulturen von ein und derselben Problematik gedacht oder an die Schwierigkeiten interkultureller Verstandigung selbst bei gleicher Sprache.'*^^ Kulturelle Widerstande fordem ein Erlemen, ein Verstandnis sowie die Einftihlsamkeit in die Denkweise der unterschiedlichen Kulturen. Insbesondere im Zeitalter der Globalisierung, in welcher die Vielfah der Kulturen in den Organisationen standig wachst. Somit schliefit ein Lemen auch die soziale Kompetenz und Einfuhlsamkeit im Umgang mit den „Mitstreitem" ein. Zumal die Komplexitat der Aufgaben nicht mehr im Alleingang, Mit einer „latenten Unterfordemng" ist hier der unbewussten Cberqualifikation eines Organisationsteilnehmers fUr die ihm zugeordnete Position gemeint. Latent bedeutet somit in diesem Zusammenhang, dass der Mitarbeiter seine „Uberqualifikation" nicht als Negativum empfindet und sich bewusst unterfordert oder etwa geiangweiit fUhlt. Vielmehr regt ihn das gewonnene Wissen an, seine Aufgabe besser in den Gesamtablauf zu integrieren und seine Tatigkeit zu hinterfragen vor dem Hintergrund des Erlemten. Damit entwickeh der „latent unterforderte" Mitarbeiter selbst zunehmend die Aufgabe eines „Change-Agents". Ein gutes Beispiel bietet Frankreich mit seinem hohen Anteil franzOsisch sprechender Afrikaner. Verbunden durch die gleiche Sprache, sind sie dennoch getrennt durch absolut divergierende Kulturen.

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jjnformation und Kommunikation" - Tool zur PrMvention von Widerstfinden gegen Wandel

sondem meist nur noch im Team, als wirkliche Einheit, gelost werden kann. Auch diese „weichen Faktoren" muss ein antizipatives Lemen zur PrSvention von Widerstanden gegen Wandel beriicksichtigen, will es eine „readiness for change" generieren. Wandel begriindet sich eben nicht nur auf die verbesserte Strukturierung von ArbeitsablSufen, sondem auch auf die Abstimmung der Teammitglieder und der Teams untereinander, welche die Arbeitsablaufe erst zum Leben erwecken. Lemen muss deshalb immer auch psychologische Gmndkenntnisse vemiitteln, die ein Verstandnis ftir das andere Teammitglied, fur seine Angste und seine Beweggrilnde filr bestimmte Handlungen aufbauen. Auch die Art und Weise der Kommunikation und der Inforaiationsdistribution ist ein vsdchtiger Faktor, um gegenseitiges Verstandnis und Vertrauen aufzubauen. Im Folgenden soil deshalb auf die Information und Kommunikation als ein Tool zur Prevention von Widerstanden naher eingegangen w^erden. 4.4.

^Information und Kommunikation^^ - Tool zur Pravention von Widerstanden gegen Wandel

Veranderung ohne Information ist undenkbar. Die effiziente Kommunikation von Information ward zunehmend der eigentliche Wettbewerbsvorteil im wdrtschaftlichen Marktgeschehen. „Informationslogistik" ist dabei ein Schlagwort, welches den Wert von Information der richtigen Qualitat und Quantitat sowie zum richtigen Zeitpunkt darstellt. Die Information impliziert dabei primar einen neutralen Sachverhalt, der erst Uber die subjektive Deutung und Weiterverarbeitung des Rezipienten eine Klassifizierung hinsichtlich der Relevanz ihres Inhalts erhalt. Der nuchteme, rein sachrationale Inhalt der Information erfahrt eine subjektive vemunftmaBige, aber insbesondere auch - vor dem Hintergrund der eigenen Lebenswelt - emotionale Bewertung hinsichtlich den Kategorien Chance, Risiko oder Indifferenz fur die individuellen Ziele des Rezipienten der Information. Bezuglich der Informationen, welche von den Rezipienten auf ihre eigenen Zielsetzungen hin als Chancen betrachtet werden, ergibt sich mit hochster Wahrscheinlichkeit nicht die Gefahr der Storung eines intendierten Wandels. Das eigentliche Widerstandspotential entsteht dann, wenn ein Individuum eine Information als risikobehaftet im Hinblick auf seine personlichen Werte, Normen und Ziele bewertet.'^^^ Vor dem Hintergrund der Thematik dieser Arbeit steUt sich folglich die Frage, wie ein Tool der „Information und Kommunikation" in antizipativer Weise die Entstehung von Widerstanden gegen einen intendierten Wandel verhindem, minimieren bzw. entgegenwirken kann. Welchen Anforderungen muss ein solches Tool geniigen, damit ein Wandelvorhaben nicht an der Resistenz von Organisationsteilnehmem scheitert?

Diese Werte, Normen und Ziele schlieBen freilich auch soziaie Wertvorstellungen (z.B. GruppenzugehOrigkeit) mit ein, womit sich auch Resistenzen gegen Veranderungen entwickeln kOnnen, welche nicht direkt die eigenen Ziele geMrden, sondem vielmehr jene einer Gemeinschaft.

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

175

Erinnert man sich beispielsweise an die aufgezeigten unterschiedlichen Dimensionen von Widerstanden gegen Wandel, so werden insbesondere hier die Ansatzpunkte fiir eine resistenzminimierende Informations- und Kommunikationspolitik deutlich. Die psychologisch-emotionale Dimension der WiderstSnde gegen Wandel verlangt etwa die Auseinandersetzung mit folgenden Problemen: • • • •

• •



Den vom Wandel Betroffenen fehlt ein Verstdndnis fUr die Notwendigkeit des Wandels, wodurch oftmals eine Sinn- und Orientierungskrise ausgel5st werden kann. Die Organisationsteilnehmer sehen den Status quo als hinreichend fur das Fortbestehen der Untemehmung an (Erfolg als Restriktion fur den Wandel). Die durch einen Wandel induzierte Notwendigkeit des Erlernens neuer Arbeitsroutinen und -techniken erzeugt einen Leistungsdruck, der bei den Betroffenen zu Unsicherheit, Angst und dadurch Stress ftihren kann. Der Wandel erzeugt eine Unsicherheit betreffend der eigenen Anpassungsfahigkeit an die neue Umweltkonstellation. (Frage daraus: Welche ist die neue Umweltkonstellation fur den Einzelnen?) Ein Wandel konterkariert das Sicherheits- und Stabilitdtsstreben der Menschen und verunsichert diese insbesondere aufgrund der sich verandemden Zukunft. Das egozentrische und teleologische Handeln der Individuen verlangt nach einer Aufklarung hinsichtlich des individuellen Vorteils, welcher mit der Veranderung verbunden ist. Besteht nach dem intendierten Wandel noch eine Konformitat zwischen den individuellen Zielen der Betroffenen und den Zielen der Organisation?

Aber auch die okonomische Dimension von Widerstanden gegen Wandel induziert Informations- und Kommunikationsbedarf: •



Bedeutet der Wandel einen Verlust des Arbeitsplatzes, ist die individuelle Existenz bedroht! Ist dies nur im Bereich des Moglichen, wird jeglicher Wandel mit hochster Wahrscheinlichkeit opponiert! Wie sind eventuelle okonomische Einbufien verbimden mit dem Wandel fiir den Einzelnen zu werten?

Welche Implikationen ergeben sich nun aber aus den aufgefiihrten Ansatzpunkten fur eine widerstandsminimierende Informations- und Kommunikationspolitik? Will eine Organisation eine hohe Change-Fahigkeit der Organisationsmitglieder oder vom Wandel Betroffenen erreichen, muss sie die Spielregeln einer widerstandsminimierenden Informations- und Kommunikationspolitik verstehen und implementieren. Bleicher spricht dabei von einem speziellen sachrationalen Implementationsproblem, dem Abbau existenter Informationsgefalle. "^"^^ „Durch die Organisationsplanung wird ein Informationsgefalle zwischen Planenden (und Implementierenden) einerseits und den von der Planung Betroffenen andererseits geschaffen, das es abzubauen gilt, damit die personalen Elemente des Systems auf der 440

Vgl. hierzu auch Bleicher (1979: 182ff.) sowie Fischer (1993: 32).

176

„Information und Kommunikation" - Tool zur Pravention von Widerstanden gegen Wandel Grundlage neuer Rahmenbedingungen zielorientiert arbeiten kSnnen. [...] Da die Systemmitglieder diese sach-rationalen AnpassungsprozeBe als Prozesse der Enkulturation oder Sozialisation erlebt haben und dabei schrittweise sowohl zu einer hSheren Identifikation mit ihrem unmittelbaren und mittelbaren Arbeitsumfeld als auch zu einer hoheren Befriedigung ihres Bediirfhisses nach Sicherheit beim Arbeitsvollzug gekommen sind, greift diese sach-rationale Problematik unmittelbar in das Feld sozioemotionaler Verhaltensweisen ein. Mit der beabsichtigten Verdnderung dieses Status quo wird in den Augen derjenigen Systemmitglieder, die nicht iiber umfassende Informationen bezUglich der organisatorischen Verdnderungen und ihrer Konsequenzen verfUgen, eine «St6rung des organisatorischen Gleichgewichts» eintreten [...] Durch Informationsmafinahmen gilt es sowohl sozio-emotionale Betrqffenheit als auch mangelnde Kenntnis iiber die neuen organisatorischen Zusammenhdnge sach-rational abzubauen."" ^^

W i e sich in der Aussage v o n Bleicher zeigt, kann ein Informationsgefalle zw^ischen den Verantwortlichen ftir die Verandenmg und den v o m Wandel Betroffenen z u Verunsicherungen fuhren, welche letztlich in Angst, Stress und damit WiderstSnden g e g e n den Wandel resultieren konnen. „Managers who initiate change often assume both that they have all the relevant information required to conduct an adequate organization analysis and that those who will be affected by the change have the same facts, when neither assumption is correct. In either case, the difference in information that groups work with often leads to differences in analyses, which in turn can lead to resistance." ^"^ Die Aufgabe einer Informations- und Kommunikationspolitik ist es, gerade dieses GefMlle zu minimieren b z w . im giinstigsten Fall zu vermeiden. Bleicher schlagt drei Moglichkeiten vor, dieses existente Informationsgefalle abzubauen:'^^ • • •

Confrontation-Meetings, Data Feedback-Methode sowie Berichterstattung.

Confrontation Meetings mtissen als Informations- und Diskussionsforen verstanden w^erden, w^elche Organisationsteilnehmer unterschiedlicher Hierarchiestufen zusammenfuhren sollen. Ziel ist die Identifikation v o n Problemfeldem und das Finden v o n geeigneten Losungen in partizipativer Weise, aber auch die Schaffung eines groBeren Problembevmsstseins fiir den intendierten Wandel sowie die Erleichterung der Implementation der Neuerung. Freilich sind solche Foren wichtig ftir eine partizipative Informationspolitik, j e d o c h sind diese selten in der Lage, verdeckte Widerstande zu identifizieren, zumal v o m Wandel Betroffene haufig ein offentliches Bekenntnis v o n Bedenken g e g e n die geplante Verandenmg aus Angst vor Restriktionen xmd Sanktionen gegen ihre Person vermeiden werden. D i e Data Feedback-Methode miindet in eine Zusammenfassung einer schriftlichen Befragung der v o m Wandel Betroffenen hinsichtlich ihrer Meinung zur Organisationspolitik der 441 442 443

Vgl. Bleicher (1979: 182f.). Vgl. Kotter, Schlesinger (1979: 108). Vgl. Bleicher (1979: 183).

Determinanten der Handhabung von WiderstSnden

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Untemehmensleitung, um dieser die Auswirkung ihres Handelns aufzuzeigen. Es gilt jedoch zu bedenken, dass hieraiit aufgnmd der Aggregation der Meinungen lediglich eine Gmndtendenz zur intendierten Verandenmg erfragt ward. Verdeckte Widerstandspotentiale werden nicht erfasst. Die Einfuhnmg einer Berichterstattung mittels Werkszeitschriften, Sonderbroschtiren, aber auch mittels Online-Medien wie Web-Pages oder E-Mail-Newslettem ist im Hinblick auf eine ganzheitliche Informationspolitik von hoher Bedeutung, da hieraiit ein Infomiationsmedium geschaffen wdrd, welches regelmaBig die neuesten Entwicklnngen innerhalb, aber auch aufierhalb des Untemehmens diskutieren und bewerten kann."^ Eine solche Berichterstattung kann, w^enn ein Vertrauen geschaffen werden konnte, die Organisationsteilnehmer umfassend uber Visionen, Ziele, eventuell zukiinftig notwendige Veranderungen informieren und zu offenen Diskussionen anregen. Freilich ware heute auch ein firmenintemer Chat-Room m5glich, in welchem die Geschaftsleitung sich den Fragen der Betroffenen stellt und auf diese Weise gezieh Informationen vermitteh. Zum Einen wurde dies das besondere Commitment der Initiatoren des Wandels zeigen, und zum Anderen wdrd damit sicherlich zu einem gesteigerten Vertrauen beigetragen. Derartige Formen der Informationsvermittlung kann als Vorbereitung flir ein wandelunterstiitzendes Klima innerhalb der Organisation dienen und damit eine „readiness for change" generieren.^'^^ Jegliche erfolgreiche Informations- und Kommunikationspolitik basiert jedoch auf Vertrauen. Vertrauen in die Richtigkeit der Information und in die Personen, welche diese verbreiten und unterstUtzen. Ist dies nicht der Fall, karm jegliche Art der Informationspolitik die WiderstSnde nur noch fimdieren, da den Verantwortlichen dann stets ein opportvmistisches Verhaltenspotential untersteUt werden wird.^'*^ Neben speziellen Informationsforen und „Medien groBerer Reichweite" ist insbesondere die interpersonelle Kommunikation von hSchster Relevanz, um SchlUsselpersonen zu informieren, sie auf Veranderungen einzuschworen, ihnen Ziele und Visionen vor Augen zu halten sowie ihnen ihre Rolle wahrend und nach dem intendierten Wandel zu veranschaulichen.'^^^ Im personlichen Gesprach wird dem professionellen Kommunikator schnell der eigentliche Standpunkt des Partners deutlich. Beispielsweise an seinen Reaktionen, seiner Korpersprache und seinen Aussagen und Vorschlagen. Insbesondere bei der Existenz einer hohen Vertrauensbasis werden auch die Bedenken und Angste formuliert, und man gewinnt damit ein genaues Bild von einem mOglichen Widerstandspotential, welches es im Vorfeld des Wandels zu berucksichtigen gilt. Gerade dann kann die Information und Kommunikation auch als strategisches Werkzeug eingesetzt werden, wie Connor nachfolgend formuliert: ^^^

Hierbei kOnnen auch firmeninteme Web-Pages (Intranet) zur Anwendung kommen, welche nicht Teil des Internets werden und damit nur den Organisationsteilnehmern zugSnglich sind. ^^^ Vgl. hierzu auch Elliott (1990: 46), welcher in diesem Zusammenhang von „transition newsletters" spricht. ^^^ Vgl. hierzu auch den Abschnitt 4.2., S. 16Iff. ^^'^ Mit „Medien grOBerer Reichweite" sind organisationsweite Medien wie firmeneigene Zeitschriften o.a.. angesprochen.

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„Information und Kommunikation" - Tool zur Pravention von Widerstfinden gegen Wandel "[...] if we can predict the emotional reactions to change, we can take actions to either promote or repress these responses. Before you announce a change, it is important to predict why and how strongly various of groups will resist it. Then you may be able to adjust your announcement to avoid or reduce their concerns. For those concerns that you cannot relieve, you can foresee reactions that people will have and prepare a response. In doing so, you reduce the mystery of change for yourself and increase the chance of

Deutlich wdrd, dass zwischen zwei Formen der Kommunikation unterschieden werden muss. Der... • •

formellen Kommunikation und der informellen Kommunikation.

Die formelle Kommunikation basiert auf Werten, Normen und Ritualen sowie auf Macht, untersttitzt durch Organisationsstrukturen, w^elche oftmals die direkte, offene und freie MeinungsSuBerung erschweren. Ansichten, Standpunkte, Angste und bislang nicht bedachte Problemfelder bleiben unausgesprochen, da beispielsweise soziale Rangordnungen und die damit verbundenen gruppenspezifischen Regeln dies unterminieren. Eine informelle Kommunikation ist hingegen eine Form des Informationsaustausches, die hierarchische Beziehungsgeflechte ausblendet und bei der beide Kommunikationspartner ein hohes MaB an gegenseitigem Vertrauensvorschuss mit einbringen. Die Ebene der Informationsvermittlung verMndert sich. Das GesprSch gestaltet sich offener, zumal keiner der Partner dem Anderen ein opportunistisches Verhaltenspotential unterstellt und damit auch der Wahrheitsgehalt der Aussagen nicht in Frage gestellt wdrd. Dies hat zu Folge, dass Uber Angste und Zweifel diskutiert werden kann und demnach Problemfelder fUr einen intendierten Wandel aufgezeigt werden, welche es zu beriicksichtigen gilt. Es sollte nun jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass lediglich eine informelle Kommunikation einen Implementierungserfolg fiir ein Wandelvorhaben verspricht. Vielmehr miissen beide Kommunikationsarten den optimalen Einsatz fmden.'*'*^ Wandel bedingt, wic bereits erwahnt, eine Vision der Zukunft der Organisation, aber auch ein tiefgreifendes Commitment der UntemehmensfUhrung, das von dieser auch entsprechend kommuniziert werden muss. Hierfur eignet sich die formelle Kommunikation, da sie im besonderen auch den (sozialen) Status des Fuhrungsmitglieds unterstreicht und damit der Aussage, nicht zuletzt aufgrund des existenten Obrigkeitsdenkens, Gewicht und Nachdruck verleiht, welcher fur die Ausrichtung der Untemehmung an einem gemeinsamen Ziel von groBer Bedeutung ist. Die informelle Kommunikation hingegen eignet sich insbesondere, um vermutete Widerstande gegen den intendierten Wandel zu konkretisieren und eine Ursachenforschung zu betreiben. Natiirlich kann auch mit Hilfe informeller Kommunikation die wdderstands-

448 449

Vgl. Connor (1993: 88). Vgl. Elliott (1990: 46).

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

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mindemde, argumentative Oberzeugungsarbeit geleistet werden. Der mit einer negativen Konnotation belegte Terminus der „Seilschaften", welche letztlich die von jeder organisationalen Hierarchie abgekoppelten Gruppenbildung zum Ausdruck bringt und auf einer Art Leadership beruht, kann vor diesem Hintergrund dann an Bedeutung gewiimen, wenn es gelingt, die MeinungsfUhrer dieser Gruppen ftir einen intendierten Wandel zu gewinnen und ihnen damit die Rolle eines „ informellen Change-Agents " zu Teil werden lasst. Informelle Kommunikation gilt es deshalb bewusst zu fbrdem und konsequent zu nutzen, um mittels dieser Informationslenkung und Meinungsbildung eine positive Einstellung von Organisationsteilnehmem hinsichtlich eines intendierten Wandels zu generieren. Freilich ist dabei dafUr zu sorgen, dass die Informationsinhalte der informellen und formellen Kommunikation nicht im Widerspruch zueinander stehen.'^^o Welche sind nun aber spezifische Themen einer widerstandsantizipierenden Informationsund Kommunikationspolitik? Information und Kommunikation zum Aufbau Notwendigkeit des Wandels

eines Verstftndnisses

fttr die

Eine resistenzantizipierende Informations- und Kommunikationspolitik sollte bewusst im Vorfeld des Wandelvorhabens die GrOnde ftir einen bevorstehenden Wandel zur Diskussion stellen, um damit den Organisationsteilnehmem die Zeit zu geben, sich mit der Gesamtsituation, die diesen Schritt unabdingbar werden iSsst, auseinander zusetzen. „A11 change take time. Employees cannot adjust instantly to new procedures or new equipment." "^5^ Die Information sollte insbesondere in einer Anfangsphase stark von der Untemehmensleitung unterstUtzt werden, zumal damit das dringend notwendige Commitment von hochster Stelle abgegeben und damit die Arbeit der operativen Initiatoren des Wandels vereinfacht wird. Freilich verbirgt sich hinter diesem Bekenntnis der Untemehmensleitung zur Veranderung auch eine machtpolitische Komponente, welche im Falle eines existierenden Vertrauensverhaltnisses zwischen Belegschaft und Geschaftsfuhrung einen erheblichen positiven Einfluss auf die Bildung von Widerstanden haben kaim. Information und Kommunikation zur Destabilisierung einer Zufriedenheit mit dem Status quo Nur mittels einer Unzufriedenheit mit dem Status quo kann leichter eine breite Bereitschaft zur Veranderung generiert werden. Die Gestaltung dieser Unzufriedenheit muss die Aufgabe einer Informations- und Kommunikationspolitik sein, welche insbesondere durch das Verdeutlichen der strategischen Positionierung der eigenen Untemehmung zu den Wettbewerbem und die sich daraus ergebende strategische Lticke, eine Aufbmchsstimmung 450

451

Ygi Doppler, Lauterburg (1994: 234f.). Typische Gelegenheiten der informellen Kommunikation ergeben sich nach Doppler, Lauterburg insbesondere bei sogenannten Kamingesprachen, Festen oder AusflUgen. Vgl. Caruth, Middlebrook, Rachel (1985: 26).

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„Information und Kommunikation" - Tool zur Pravention von Widerstanden gegen Wandel

kreiert. Wie bereits erwahnt, miissen hierbei Inforaiationen hinsichtlich der Markte, der zukiinftigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie auch der Konkurrenten am Markt an eine moglichst breite Basis einfach, verstandlich kommimiziert werden. Die geschaffene Unzufriedenheit schafft Raum fur kreative Losungen. Die Organisationsteilnehmer bilden ein ZusammengehQrigkeitsgefuhl, welches aus einer Gruppendynamik heraus Veranderungen ermoglicht, die mit einem Zustand der Zufriedenheit der Mitarbeiter nicht zu erreichen ware. Das AusmaB der zu generierenden Unzufriedenheit hSngt von der Breite und Tiefe des intendierten Wandels. Ein grundlegender Wandel bedarf m6glicherweise vielmehr einer Krise als nur einer Unzufriedenheit. Information und Kommunikation zur Bewaltigung eines leistungsdruckinduzierten Angst- und Stresszustandes Eine primare Aufgabe einer resistenzminimierenden Informations- und Kommunikationspolitik liegt in dem mentalen Aufbau der vom Wandel betroffenen Mitarbeiter. Der durch den Wandel erzeugte Stress, bedingt durch die Angst, den Anforderungen der neuen Situation nicht gewachsen zu sein, erfordert unbedingt eine Benicksichtigung. Steigt die Verunsicherung uber ein individuelles Hochstmafi hinaus, folgt eine naturliche Abwehrhaltung der drohenden Gefahr „Wandel" gegeniiber. Die Bereitstellung von situationsgerechter Information, vorzugsweise mittels von Schulungen, hilft den Mitarbeitem, ihre Angst und damit ihre potentielle Resistenz abzubauen.'*^^ Information und Kommunikation iiber Visionen, Ziele, den Wandel selbst, die Betroffenen, das AusmaB des Wandels, den genauen Zeitpunkt sowie die Art und Weise der Implementierung der Veranderung, die Bewaltigung des Wandels durch die Gruppe und den individuellen Organisationsteilnehmer sowie die neuen Rahmenbedingungen Eine Informations- und Kommunikationspolitik soil die vom Wandel Betroffenen von dem durch den Wandel implizierten Fortschritt der Untemehmung tiberzeugen und diese ftir die Idee begeistem. Was wird sich wann fiir wen andem, in welchem Umfang, und welche Vorteile bedeutet dies ftir die Zukunft der Organisation? Welche Aufgaben kommen auf die Gruppe und welche auf das einzelne Gruppenmitglied zu? Dies sind essentielle Fragen, welche es im Vorfeld eines Wandelvorhabens unter alien Umstanden zu beantworten gilt. Vor allem auch die Information uber den Zeitpunkt oder Zeitraum der Veranderung ist wichtig! Ist die Implementierung kurzfristig geplant und dabei aber grundlegend, so werden Widerstande vermehrt auftreten, zumal die Betroffenen sich uberfallen fiihlen und ihnen nicht gentigend Zeit zur Evaluierung der Situation sowie zur Habitualisierung bleibt. Ein Wandel ist dabei ahnlich einem Wahlkampf Vor der Wahl muss um die Stimme der potentiellen Wahler gekampft werden. Insbesondere mit einer Vision, fur die es sich lohnt, seine Stimme zu geben, da die verfolgten Ziele plausibel erscheinen und einen Fortschritt auch fur die Individualziele bedeuten. Die Stimme im Wahlkampf ist quasi gleichzusetzen mit der Kooperation bei einem Wandel im Untemehmen. Eine Veranderung mittels Machtgebrauch zu institutionalisieren, beeinflusst die Einstellung der OrganisationsVgl. hierzu auch die AusfUhrungen zum antizipativen Lernen, S. 167ff..

Determinanten der Handhabung von WiderstSnden

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teilnehmer zum Wandel negativ und erhoht die WiderstMnde enorm. Die Vorbereitung eines Wandels ist letztlich ein Prozess der Uberzeugung der Betroffenen. Uberzeugung impliziert dabei besonders auch Formen und Instrumente eines Marketings."^53 Information und Kommunikation zur Schaffung von okonomischer Sicherheit sowie psychischer Stabilitat bei den vom Wandel Betroffenen (z.B. Arbeitsplatzsicherheit, psychische Fahigkeit der Bewaltigung des Wandels) Die Vermeidung von Widerstanden gegen Veranderungen erfordert ein Eingehen auf die Psyche der Organisationsteilnehmer. Was bereitet diesen Angst vor einem intendierten organisatorischen Wandel? Versucht man die Frage zu beantworten, werden existentielle Sorgen immer im Vordergrund stehen: Arbeitsplatzverlust und der damit einhergehende Einkommensverlust. Die Sicherstellung der Versorgung der Familie wird somit durch einen intendierten Wandel latent gefahrdet. EinbuBen im sozialen Status erscheinen vor diesem Hintergrund eher zweitrangig, sind aber dennoch nicht zu unterschatzen. Informationen hinsichtlich des Wandels miissen deshalb diesen psychisch relevanten Faktoren Rechnung tragen und Antworten auf die Fragen nach Arbeitsplatzsicherheit, dahingehenden Chancen der Verbesserung nach einem Wandel bereitstellen, um damit auch das psychische Gleichgewicht der Betroffenen zu erhalten oder aber zu festigen. Ist fur einige der Mitarbeiter ein Ausscheiden aufgrund des Wandels unumganglich, sollten Auffangmafinahmen wie die Hilfe auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz oder finanzielle Unterstiitzung kommuniziert werden. Das Angebot eines professionellen Outsourcings kann dabei Widerstande nicht nur der direkt Betroffenen vermeiden. Dem Umgang mit den „Verlierem des Wandels" ist besondere Aufinerksamkeit zu widmen, da die Grundeinstellung der Organisationsteilnehmer zu VerSnderungen dadurch gepragt wird. Information und Kommunikation der mit dem Wandel verbundenen Vorteile eines jeden Betroffenen Sollen Widerstande im Vorfeld eines Wandels vermieden werden, muss den Betroffenen der Veranderung neben den allgemeinen Vorteilen fur die Organisation auch explizit der individuelle Vorteil aufgezeigt werden.454 Informationen Uber die flir die Individuen durch den Wandel induzierten Verbesserungsmoglichkeiten, wie Verantwortungserweiterung, bessere Zukunftsperspektiven im Untemehmen und auch am Arbeitsmarkt, eine zukunftsorientiertere Wissensbasis, das Erlangen eines hoheren Status oder ahnliches, gilt es aufzuzeigen. Auch der Verbleib innerhalb einer sozialen Gruppe kann ein widerstandsreduzierender Faktor sein und als Vorteil gesehen werden. Materielle und immaterielle Individualvorteile miissen deutlich gemacht werden. Es gilt eine „Win-Win-Situation" fur Mitarbeiter und Untemehmen zu gestalten und zu kommunizieren.

453 454

Vgi. Caruth, Middlebrook, Rachel (1985: 26). vgl. Caruth, Middlebrook, Rachel (1985: 26).

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„Information und Kommunikation" - Tool zur PrSvention von Widerstanden gegen Wandel

Information iiber KonformitStskriterien hinsichtlich der Ziele der Organisation und jener der Organisationsteilnehmer Die Entscheidung iiber die Mitarbeit in einer Untemehmung ist auch eine Entscheidung ftir die Verfolgimg der Ziele der Organisation. Dabei findet ein Abgleich zwischen den Individualzielen und den Zielen der Organisation statt. Grundvoraussetzung fUr die Teilnahme ist eine Zielkongruenz. Ein Wandel kann diese Kongruenz gefMhrden, wenn die Ziele der Untemehmung neu definiert werden und von den Individualzielen der Mitarbeiter abweichen. Eine Informations- und Kommunikationspolitik muss die neuen Ziele der Organisation im Vorfeld des Wandels kommunizieren und den geforderten Abgleich mit den Individualzielen der Organisationsteilnehmer schaffen. Ein Wandel setzt primSr die Bereitschaft und den Willen der Betroffenen zur VerSnderung voraus. Hierzu kann beispielsweise die Untemehmenskultur beitragen, indem sie eine Atmosphere der standigen Unzufriedenheit mit dem Status quo fbrdert.'*^^ Freilich bedarf es dazu auch einer hierauf im besonderen ausgerichteten Informationspolitik, welche die extemen Wettbewerbsfaktoren, d.h. Strategien der nationalen und intemationalen Wettbewerber, deren Reorganisationsmafinahmen und Performance im Vergleich zu der des eigenen Untemehmens sowde Analysen der Wirtschaft und der Weltwirtschaft im allgemeinen, um ein Geftihl fUr die gesamtwdrtschaftliche Situation des Marktes und der MSrkte zu geben. Die Organisationsteilnehmer sollen die strategische Lticke zu den Wettbewerbem durch geeignete Informationen dargelegt bekommen. Hierzu kOnnen Betriebsversammlungen genutzt werden, w^elche jedoch nur einen rein informativen Charakter besitzen. Als Diskussionsforen sind diese unzweckmSBig, zumal diese oftmals als politische BUhnen fUr Betriebsr^te und die Geschaftsleitung einen stark bipolaren Charakter haben. Geeigneter erscheinen Workshops, die insbesondere die vom intendierten Wandel Betroffenen die marktstrategische Situation erarbeiten lassen und diese etwa auch durch Besichtigungen anderer Organisationen nSher bringen. Problemlosungen anderer Organisationen w^erden erkannt, diskutiert und auf die eigenen Prozesse der Organisation angewendet. Dabei v^rd in partizipativer Weise eine Unzufriedenheit mit dem Erreichten induziert und gleichzeitig ein Wir-Gefiihl geschaffen. Gruppendynamische Prozesse innerhalb solcher Workshops helfen, Resistenzen gegen den Umgang mit eventuellen Veranderungen abzubauen, da sie auch bei den Teilnehmem ein changespezifisches Lemen induzieren. Fragen w^ie: was konnten wdr besser machen, um nachhaltig erfolgreich zu sein, und wie kOnnte man die Konzepte umsetzen, sind nur zwei Beispiele die Anlass ftir ein Brainstorming geben konnen. Oft unterschatzt werden dabei leider das Wissen und die Kreativitat der operativen Mitarbeiter. Deren Wissen iiber die eigentlichen Problematiken ergeben in aggregierter Form, gleichsam Bottom-Up, die Richtung, die Essenz einer notwendigen Neuerung. Die Information- und Kommunikation dient hierbei als Instrument der Enthemmung und der Beseitigung von Barrieren der Artikulation von Ansichten, Meinungen und Empfindungen. Die Informations- und Kommunikationspolitik muss als eine primare

Vgl. hierzu auch Schmidt, Treichler (1996: 119).

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

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Aufgabe die M5glichkeit eines offenen und ehrlichen Informationsaustausches schaffen.456 Dazu muss nicht zuletzt in einer zielgruppenspezifischen Sprache ein entsprechender Informationsgehalt angeboten werden, da die Information von den Rezipienten verstanden und weiterverarbeitet werden muss. „One of the problems that must be overcome arises from the fact that the typical staff man is likely to have the attitude that the reasons why he is recommending any given change may be so complicated and specialized that it is impossible to explain them to operating people." ^^"^ Visionen etwa miissen so verstandlich kommuniziert werden, dass deren Implikationen fUr die individuellen Ziele der Organisationsteilnehmer klar und eindeutig werden. MissverstSndnisse Oder Fehlinterpretationen der Intentionen mtissen unter alien UmstSnden vermieden werden, zumal dadurch unnfitige WiderstMnde entstehen. „Few organizations can be characterized as having a high level of trust between employees and managers; consequently, it is easy for misunderstandings to develop when change is introduced. Unless managers surface misunderstandings and clarify them rapidly, they can lead to resistance." ^^^ Um dies gewahrleisten zu k(3nnen, ist eine permanente Kommunikation der Ziele des Wandels und der Vision zwischen dem Topmanagement und den Change-Agents von hoher Bedeutung.459 Nattirlich spielt hierbei insbesondere auch die verwendete Sprache eine RoUe. Informationen bedingen einen Rezipienten, welcher deren Inhalt sprachlich ohne groBen Interpretationsspielraum deuten kann. Hierbei gilt es, die Zielgruppen - auch innerhalb der Organisation zu beachten. Diese gilt es zu identifizieren und zu kategorisieren, um dann die Kommunikation der Informationen den Notwenigkeiten der jeweiligen Zielgruppe anzupassen. So kann und muss beispielsweise ein und dieselbe Information unterschiedlich formuliert und prSsentiert werden, um bei den Mitarbeitem der Produktion oder bei der Geschaftsleitung Zustimmung zu flnden. Fehlt den Betroffenen einer intendierten VerSndenmg das semantische Verstandnis von der Entwicklung der Untemehmung imd damit gleichermaBen von der Sicherheit der pers6nlichen Zukunft, so entstehen vsdederum Angste, die sich in Form von Geruchten tiber mOgliche Schreckensszenarien widerspiegeln konnen. Nicht nur das Verstandnis, sondem auch die Haufigkeit und der Zeitpunkt der Information spielt eine wichtige RoUe. Deshalb sollte das Management im Vorfeld einer beabsichtigten Ver^nderung nicht, wie so oft, den

^^^

457 458 459

Elliott (1990: 47) spricht in diesem Zusammenhang von „transition monitoring teams", die eine reprasentative Gruppe von Mitarbeitem darstellen mit der Aufgabe, Problemfelder des Wandels zu identifizieren und gemeinsam mit dem Management positive LOsungen zu erarbeiten. Vgl. aber auch Porras, Hoffer (1986: 485), welche explizit die offene Kommunikation als eine Verhaltensanderung in erfolgreichen Organisationsentwicklungsprojekten beobachten konnten. Vgl. Lawrence (1954: 55). Vgl. Kotter, Schlesinger (1979: 108). Vgl.Ringlein(1994:97).

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„Information und Kommunikation" - Tool zur Pravention von Widerstanden gegen Wandel

Informationsfluss einschranken, sondem diesen bewusst verstarken. Informationsmangel fuhrt zu einem „catastrophizing". „To counteract the grapevine, communication must be direct, honest and frequent. Left unmanaged, the grapevine wins. Human nature being what it is, people typically assume the worst in the absence of contrary information and behave as if their assumptions are hard facts." ^60 An anderer Stelle schreiben Caruth, Middlebrook und Rachel: „Early announcement can kill rumors before the „grapevine" starts to work carrying inaccurate information. Informing subordinates prior to changes prevents their being taken by surprise or caught unprepared when the change occurs." ^^^ Ein Verst^dnis der Notw^endigkeit eines intendierten Wandels impliziert aber auch die permanente Kommunikation der Vision des Wandels bzw. der neuen Werte in jeglicher Form. Das heiBt, dass jeglicher Dialog dazu genutzt werden kann, eine positive Verbindung zur neuen Vision zu schaffen. So kann beispielsweise ein normales Beurteilungsgesprach als Plattform fiir den Wandel herangezogen werden, indem aufgezeigt wird, wde das Verhalten des Mitarbeiters die Vision des Wandels unterstiitzt. Oder aber ein Quartals-ManagementMeeting wird nicht nur zur Revision nackter Zahlen verwendet, sondem es wird veranschaulicht, wde die Bereichsleiter zur Transformation beitragen konnen. Eine Kommunikationsstrategie muss demnach jeden nur erdenklichen Informationskanal nutzen, um die Vision des Wandels zu propagieren. „The guiding principle is simple: use every possible channel, especially those that are being wasted on nonessential information." ^^^ Dabei sind die Wege der Kommunikation so vielfaltig, dass man sich Uber diese Mannigfaltigkeit erst ein Bewoisstsein schaffen muss. Nicht nur Schriftmedien, wie interne Informationsschreiben, Mails oder Untemehmensbroschiiren, oder die Kommunikation Uber sprachliche Medien, wie Reden, Diskussionen oder Schulungen, spielen eine Rolle. Auch die visuelle Kommunikation, integriert in der Corporate Identity, ist ein nicht zu unterschatzendes Medium der Kommunikation. Das impliziert beispielsweise die Einrichtung, die prinzipielle Farbgebung von Logos, Wanden, Produkten, Teppichen, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese zeigen oftmals unbewusst eine Richtimgsanderung und konnen dabei ein neues Bewusstsein und Selbstverstandnis den Organisationsteilnehmer bereits im Vorfeld eines Wandels kommunizieren. Die visuelle Kommunikation schafft neue Eindrucke und auch Diskussionen (iber Veranderung per se. Ein neues Logo kaim die neue Vision implizieren und unbewusst den Wandel uber ein neues Image kommunizieren.'^^^ Visuelle Kommunikation wird insbesondere auch nicht unmittelbar als Bedrohung empfimden, demonstriert jedoch ein

460 461 462 463

Vgl. Elliott (1990: 46). Vgl. Caruth, Middlebrook, Rachel (1985: 26). Vgl.Kotter(1995:64). Auch Allaire, Firsirotu (1985: 32) heben die Kommunikation eines neuen Images als symbolische Aktion zur UnterstOtzung des Wandels hervor. Dabei soil das neue Selbstverstandnis die Strategie und die intendierte kulturelle Veranderung implizieren.

Determinanten der Handhabung von WiderstMnden

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Commitment zur Veranderung. Die vergilbte Holzvertafelimg der Eingangshalle oder aber das veraltete Design der FuBbodenflieBen, einem Patchwork gleichend, veranschaulicht das Klammem der Untemehmensleitung an obsoleten Werten und imtermauert die negative Haltung zur Veranderung. Lippenbekenntnisse eines Verandenmgswillens kSnnen iiber diese visuelle Kommunikation der Erstarrung nicht hinwegtauschen. Wie sich zeigt, ist die Formulierung einer ganzheitlichen Informations- und Kommunikationsstrategie im Vorfeld eines Wandels unumganglich, will man die Gefahr von Widerstanden minimieren. Recardo schreibt einer solchen Kommunikationsstrategie drei wesentliche Ziele zu:464 • • •

die Kommunikation des Soll-Zustandes der Organisation, das Forcieren der Partizipation der Organisationsteilnehmer wahrend des DesignProzesses des Wandels, die Identifikation der Bedenken und der ungelosten Problemstellungen der Mitarbeiter wahrend der Implementierung des Wandels.

Zu vermeiden gilt es insbesondere die standige Uberraschung der Mitarbeiter, wodurch Angste kreiert und Misstrauen gebildet wird, sowie das AuBem von unhaltbaren Versprechen.'*^^ Nach Recardo sollte deshalb eine Kommunikationsstrategie folgende Punkte an die Organisationsteilnehmer vermitteln:'^^^ • • • • • •

die Notwendigkeit des Wandels, das Thema und die Vision des Wandels, den Zeitrahmen, die DurchfUhrung und das Resultat des Wandels, eine klare Definition dessen, was gewandelt werden soil, wer von dem Wandel betroffen sein wird sowie die Vorteile des Wandels aus der Perspektive der Organisation und der Mitarbeiter.

Wie sich jedoch haufig in Untemehmen zeigt, kann weniger ein Informationsdefizit als Ausloser fur Widerstande gegen einen bevorstehenden Wandel verantwortlich gemacht werden. Vielmehr spricht man zunehmend von einer Informationsflut, welche die Individuen tagtaglich gleichsam iiberschwemmt. Das eigentliche Problem liegt in einem Kommunikationsdefizit. „Kommunikation - der Austausch untereinander und die Auseinandersetzung miteinander - ist die Grundvoraussetzung zwischenmenschlicher Verstandigung. Hinter dem im Untemehmen haufig vorgetragenen Wunsch nach besserer Information verbirgt sich fast immer ein viel weiter gehendes Anliegen: der Wunsch nach Dialog und Beteiligung. Menschen wollen gar nicht, wie vielfach befurchtet, bei allem und jedem mitreden, Einfluss nehmen und Macht ausiiben. Sie wollen aber - zumal in turbulenten Zeiten Entwicklungen und Veranderungen nicht blind ausgeliefert sein. Sie wollen Ziele und 464 465 466

Vgl. Recardo (1995: 9). Auch Trux, Mtiller-Stewens, Kirsch (1988: 200f.) sprechen hinsichtlich der Minimierung von Widerstanden gegen Wandel von der Notwendigkeit einer „Strategie der Vermeidung von Uberraschungen", in Form einer Informationsversorgung der potentiell Betroffenen. Vgl. Recardo (1995: 9).

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^Information und Kommunikation" - Tool zur Pravention von Widerstanden gegen Wandel Absichten, Hintergriinde und ZusammenhSnge verstehen. Sie haben das Bediirfhis, eigene Anliegen mitteilen zu kOnnen, und hoffen, dass diese Berticksichtigung finden."

Den Wandel durch Kommunikation erfolgreich steuem, bedeutet neben den besprochenen Punkten jedoch auch, - i.S. eines „After Sales Service" - Feedback zu geben. Positiver Feedback ist das eigentliche Ziel von Information und Kommunikation. Feedback - das Ergebnis einer erfolgreichen Kommunikation Feedback ist ein in den Wirtschaftsv^ssenschaften bereits fest institutionalisierter Begriff, welcher letztlich einen kommunikativen Riickkoppelungsprozess zw^ischen Wandelinitiatoren und Betroffenen beschreibt.'^^^ Die Information bezieht sich dabei auf eine in der Vergangenheit liegende Aktion und druckt eine subjektive Meinung positiver oder negativer Art aus. Einem Feedback wdrd insbesondere deshalb eine hohe Relevanz beigemessen, da es als Gradmesser fur die Akzeptanz von Entscheidungen oder Veranderungen dienen kann und somit die Stimmung bzw. das Untemehmensklima auch widerspiegelt. Das Auftreten von Widerstanden gegen Wandel ist freilich auch eine Form von Feedback, wenn dieses auch meist als dysfimktional und negativ bewertet wird. Freilich kann ein Feedback auch Aufschluss uber die Notwendigkeit eines Wandels oder einer Veranderung geben. Die Institutionalisierung von Feedbacksystemen in Untemehmen ist wohl der Versuch, die Meinung von Organisationsteilnehmem strukturell zu kanalisieren und zu nutzen, aber auch ihnen damit das Geftihl zu vermitteln, dass ihre VorschlSge und Ansichten von Bedeutung sind ftir die Untemehmensfiihrung. Feedback ist jedoch nicht einfach zu systematisieren. Insbesondere dann nicht, werm die Kommunikationskultur der Untemehmung einen offenen Austausch von Meinungen erschwert oder an Hierarchien und Burokratien scheitem lasst. Offenes und ehrliches Feedback erfordert Vertrauen, zumal es sonst schnell in politische Aussagen ubergeht, welche die eigentlich wichtige Information die zumeist eine hoffentlich positive Kritik enthalt, verschliisselt oder verfalscht. Positives Feedback erreicht man deshalb insbesondere dann, w^erm es der Untemehmensfuhrung gelingt, ein Vertrauensverhaltnis zu den Organisationsteilnehmem aufzubauen. Freilich koimen dabei untemehmensspezifische Systeme helfen, jedoch ist die Grundvoraussetzung ftir Feedback primar eine offene, vertrauensbasierte Kommunikation, ohne Angst vor Sanktionen bei kritischer Auseinandersetzimg mit Entscheidungen.

467 "^68

vgl. Doppler, Lauterburg (1994: 215) aber auch Porras, Hoffer (1986: 481). Freilich bezieht sich der Begriff des Feedbacks nicht nur auf den Bereich des Wandels, wenn auch hier die Thematik der Handhabung von Wandelvorhaben im Vordergrund steht.

Determinanten der Handhabung von WiderstSnden

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Setzt man sich nun das Ziel, WiderstSnde gegen einen intendierten Wandel zu minimieren, so sollte den vom Wandel Betroffenen die MSglichkeit eines Feedbacks auf ein mogliches Vorhaben gegeben werden, zumal sonst die Mitarbeiter sich mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt sehen und damit ein positives Feedback aufgrund einer fehlenden PartizipationsmSglichkeit in Widerstand miindet. Das heifit letztlich, dass die Bereitstellimg von Partizipation entweder die Akzeptanz fur den Wandel oder aber Bereitschaft zu positivem Feedback verbessert. Ein positives Feedback liefie sich dann mit Szenarien oder Planspielen generieren, in w^elchen die Mitarbeiter mit mOglichen Zukunftsszenarien konfrontiert werden und zu ihrer Meinung befragt werden. Die Ansichten kOnnen dann ungezvmngener geauBert werden, da keine vollendeten Tatsachen herrschen, an welchen aufgrund der dahinter stehenden EntscheidungstrSger nichts mehr zu andem ist. Freilich zeigen sich in diesen Diskussionsrunden auch eventuelle Widerstandspotentiale, welchen im Zuge eines Wandelvorhabens begegnet werden muss. Hinsichtlich einer antizipativen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel, ist ein konstruktives, kooperatives Feedback in Bezug auf ein intendiertes Wandelvorhaben entscheidend.'^^^ Ein kooperatives Feedback lasst sich mit groBer Wahrscheinlichkeit jedoch nur dann generieren, wenn im Vorfeld eines Wandels den Betroffenen eine Partizipationsmoglichkeit eingeraumt wird. Existiert diese nicht, sondem werden die Organisationsteilnehmer mit dem Wandel unvorbereitet konfrontiert, steigt die Wahrscheinlichkeit fur ein unkonstruktives und unkooperatives Feedback im Sinne eines Widerstands. Das heiBt, dass eine antizipative Handhabung von Widerstanden gegen Wandel ein kooperatives Feedback im Vorfeld eines Wandelvorhabens erzielen sollte mittels des Einraumens von Partizipationsmoglichkeiten, da iiber das kooperative Feedback der Betroffenen die Widerstandspotentiale erkannt und ihnen Rechnung getragen werden kann. Gleichzeitig ist bei dieser Art der Partizipation auch die Wahrscheinlichkeit fur ein kooperatives Feedback nach der Einftihrung des Wandels hoch einzuschatzen. In einem ahnlichen Kontext argumentiert auch Coghlan: "Resistance should be taken seriously, by being listened to, understood and acted on; it is an occasion for the change agents to look again at the change project and review omissions or errors and modify it in the light of feedback." ^^^ Werden hingegen keine Partizipationsmoglichkeiten vor der Institutionalisierung des Wandels eingeraumt, so ist die Wahrscheinlichkeit ftir ein kooperatives Feedback nach der Initiierung des Wandels gering, hingegen jene des Auftretens von negativem Feedback, im Sinne von Widerstanden, vergleichsweise hoch. Kooperatives Feedback ist demnach nicht das Ergebnis von untemehmensspezifischen Feedbacksystemen, sondem vielmehr der Ausfluss einer durchdachten, gewachsenen und gelebten Kommunikationskultur und Kommunikationsstrategie. Das Einbeziehen der vom 469 470

Freilich muss dabei nicht zwangsweise die Intention des Wandels offen ausgesprochen werden. Es kann vielmehr auch in einer Art Vorstudie das Auftreten von Widerstandspotentialen analysiert werden. vgl. hierzu Coghlan (1993: 11).

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Antizipation

Wandel Betroffenen in den VerMnderungsprozess ist dabei ein unabdingbarer Bestandteil einer erfolgreichen Kommunikationsstrategie zur antizipativen Handhabung von Widerstanden. Die Frage, ob sich ein Feedback kooperativ oder negativ im Sinne eines Widerstands gegen die Neuerung darstellt, wird letztlich durch die Bereitstellung von Partizipationsmoglichkeiten entschieden. Demnach ist die Partizipation eine wichtige Komponente einer widerstandsminimierenden Kommunikationsstrategie. 4.5.

Antizipation

Die traditionelle Betrachtung von Widerstanden gegen Wandel ist zumeist eine ex-post Betrachtung einer Wandel-Episode, welche, wenn sie nicht bereits a priori aufgrund von unvorhergesehenen Widerstanden versandet ist, oftmals derart verfalscht wurde, dass der ursprunglich intendierte Effekt der Veranderung erst gar nicht realisiert werden konnte. Teilweise werden dann Untersuchimgen initiiert mit dem Ziel, die Frage nach dem Grund des Scheitems des Verandemngsversuches zu klaren, um anschliefiend mit einer neuen Implementierungsstrategie den Wandel gleichwohl, aber nunmehr imter veranderten Pramissen, zu realisieren. Ahnlich wie ScheidungsanwSlte die Tendenz der sich stSndig vermehrenden Trennungen von Ehepartnem suffisant kommentieren, namlich dass man heutzutage einen Anwalt vor einer Eheschliefiung benotige und nicht bei der Scheidung selbst, wenn es bereits zu spat ist, verhalt es sich auch mit den Episoden des Wandels. Es ist die Antizipation denkbarer Szenarien, die ein aufwandiges Krisenmanagement nach dem Scheitem des Projektes hinfallig werden lassen. Projekte des Wandels sind grundsatzlich mit Zeit und Kosten verbunden. Somit ist schon aus wirtschaftlichen Grunden deren Scheitem zu vermeiden. Oftmals ist aber auch ein Scheitem aus politischen Grtinden undenkbar bzw. nicht zu vertreten. Der Vertrauens- und/oder Gesichtsverlust der befurwortenden Partei (beispielsweise der Untemehmensfiihrung) ware zu groB. Dies ftihrt unweigerlich zu der Notwendigkeit einer antizipativen Auseinandersetzung mit den Faktoren, die ein Projekt zum Scheitem bringen kOnnten. Antizipation bedeutet die Vorwegnahme von moglichen Entwicklungstrends, die Planung zukiinftiger Szenarien mit der grundsatzlichen Intention der Vorbereitung auf potentielle Gefahren, jedoch insbesondere auch der praventiven Steuerung der Evolution der Untemehmung. Antizipation im weiteren Sinne ist demnach die strategische Analyse, Planung und Steuerung der zukiinftigen Entwicklung einer Untemehmung, eines Projektes, einer Episode, eines Wandels, etc..

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

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Ein Strategisches Management versucht, dem Gedanken der Antizipation Rechnimg zu tragen. Kirsch spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Frahaufklarung", welche als integrativer Bestandteil eines „Strategischen Managements" anzusehen ist."*^^ „Demgegenuber strebt ein Strategisches Management eine integrative Gesamtsicht der Untemehmensentwicklung an, wobei es sich nicht nur auf die eigentlichen Entwurfsaktivitaten beschrankt, sondem auch Aspekte der Kontrolle sowohl als Instrument der Durchsetzung als auch als Instrument des Lemens einbezieht. Die angestrebte Gesamtsicht zeigt sich auch in der Einbeziehung psychologischer, soziologischer und politikwissenschaftlicher Variablen, was das Strategische Management zu einem multidisziplinaren Unterfangen macht. Dabei riickt die an und fur sich triviale Einsicht in den Vordergrund, dass die strategische Untemehmensfuhrung stets mit „Uberraschungen" zu tun hat, die im Hinblick auf die (auf Vergangenheitsdaten beruhenden) Trendextrapolationen „Diskontinuitaten" darstellen. [,..] Es gibt grundsatzlich zwei Moglichkeiten, sich auf strategische Uberraschungen einzustellen: 1. Fahigkeiten fur ein wu-ksames Krisenmanagement zu entwickeln, d.h. schnell und effizient nach dem Ereignis auf plOtzliche Uberraschungen zu reagieren ...; 2. Die zweite Moglichkeit ist, vor dem Ereignis das Problem anzugehen und die Wahrscheinlichkeit fUr strategische Uberraschungen auf ein Mindestmafi zu reduzieren, d.h. sich in einer Weise vorzubereiten, dass im Zeitpunkt ihres Eintritts eine strategische Uberraschung ihre Plotzlichkeit, Dringlichkeit und Ungewohnlichkeit verloren hat.'' ^^^ Die Antizipation von Widerstanden gegen Wandel ist somit als eine strategische Fruhaufklarung im Rahmen eines denkbaren Change-Management-Prozesses zu verstehen, welche die bewusste Auseinandersetzung mit m(5glichen Widerstandspotentialen im Zusammenhang mit einem Change-Prozess zur primaren Aufgabe hat. Ziel dabei ist, v^e Kirsch dies bereits verdeutlicht, die Verabschiedung von den inefFizienten „a posteriori Prinzipien" des Krisenmanagements und die Institutionalisierung einer dem eigentlichen Wandel vorgelagerten „Antizipation der eventuellen Widerstande". Wie unabdingbar eben gerade diese Antizipation von Resistenzen gegen Wandel ist, beschreibt O'Conner indirekt, wie folgt: „This is because resistance can seem irrational and develop without warning, interrupting any activity at any time. The choice to ignore its first minor appearance can lead to trouble later, and yet an overly firm reaction to trivial incidents of resistance can make a manager look like a bully." ^"^^ Die Einbeziehung einer strategischen Fruhaufklarung in die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel ist somit von fundamental-strategischer Relevanz fur einen wie auch immer geartQlQnChange-Management-Prozess. Im Folgenden soil nun kurz auf eine Strategische Fruhaufklarung im Allgemeinen eingegangen werden, um dann deren Bedeutung im Kontext einer Antizipation von Widerstanden gegen Wandel zu erlautem.

471 Vgl. Kirsch (1990: 253). ^'^^ Vgl. Kirsch (1990: 252f.); Hervorhebungen des Verfassers. 473 Vgl.O'Conner(1993:30).

190

Antizipation

Der Terminus des Change-Managements impliziert letztlich die permanente Konfrontation der Untemehmen mit den Turbulenzen des sozio-6konomischen Feldes. Eigentlich ist ein Change-Management immer auch ein strategisches Change-Management, zumal ein professioneller Umgang mit dem Thema Change immer auch eine gewisse Planung mSglicher Zukunftsszenarien zum Inhah hat, welche das Ergebnis bestimmter Handlungsweisen der Fuhrung widerspiegeln. Die Forderung nach einer Auseinandersetzimg mit zukunftigen Perspektiven und Visionen einer Untemehmung, dem Konzept der geplanten Evolution sowie der regulativen Idee des Fortschritts folgend - impliziert durch die Assoziation mit einem Strategischen Management - setzt voraus, dass ... „[...] nicht jede Entwicklung innerhalb und auBerhalb des Untemehmens uberraschend ist." 474 Dies zu gewahrleisten, ist die Aufgabe einer Strategischen Friihaufklarung. Verfolgt wird damit, das AusmaB an unerwarteten strategischen Ereignissen mittels einer fruhzeitigen Analyse der „strategischen Zukunft" des Untemehmens so gering wie moglich zu halten.'*'^^ Trux, Mtiller-Stewens und Kirsch schlagen in ihren Ausfuhrungen eine Definition eines Strategischen Friihaufklarungssystems vor, welches auf den Charakteristika einer Strategischen Friihaufklarung basiert. Demnach ist ein Strategisches Friihaufklarungssystem ein System, in dem ... •

• •

„[...] Gefahren und Gelegenheiten in der strategischen Zukunft des soziookonomischen Feldes bereits zum Zeitpunkt ihres - auch inhaltlich noch unstrukturierten - Entstehens aufgespurt und weiter beobachtet werden, ihre Ursachen und Zusammenhange erforscht werden, ihre Relevanz, relativiert an den StSrken und Schwachen einer Untemehmung, beurteilt wird, neu entstandene zukunftige Chancen und Risiken signalisiert werden und mogliche (Kontingenz-) Strategien zum Auf- und Ausbau dauerhafter Wettbewerbsvorteile entworfen und bewertet werden." ^"^^

Freilich beinhaltet diese Sichtweise somit auch eine Abkehr v o n einem „reaktiven" Verhalten der Untemehmensfiihmng auf strategische Diskontinuitaten zugimsten einer aktiven, gestalterisch-kreativen Aktion."^"^^ Dies weist auf die Koharenz einer geplanten Evolution und der Strategischen Friihaufklarung hin. Die Antizipation strategischer Uberraschungen (Strategische Friihaufklarung) verhilft dazu, die zukiinftige Entwicklung der Untemehmung

4'74 475 476 477

Vgl. Kirsch (1990c: 10). Vgl. hierzu Trux, MUller-Stewens, Kirsch (1988: 317) sowie auch Galweiler (1983: 55). Vgl. Trux, Mtiller-Stewens, Kirsch (1988: 347f.). Trux, MUller-Stewens, Kirsch (1988: 319) verbinden den Terminus der Diskontinuitat mit einem Strukturbruch (Richtungsanderung) oder einer Unstetigkeit (Niveauveranderung) in dem jeweiligem sozio-Okonomischen Feld.

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

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zu beeinflussen (geplante Evolution), um somit dem Ziel der Generierung strategischer Erfolgspotentiale gerecht zu werden.'^'^^ Im Rahmen des Prozesses eines strategischen Change-Managements k6nnte eine Phase der Antizipation von Widerstanden gegen Wandel mittels einer Strategischen FnihaufklSrung auf einer niedrigen Abstraktionsebene widerstandsspezifische „schwache Signale" sondieren, die fur die (strategische) Zukunft der Organisation sowohl „Gefahren" als auch „Gelegenheiten" reprasentieren konnten. Dabei umschreibt der Begriff des schwachen Signals schlecht definierte Informationen, die den Rezipienten in einem hohen Stadium der Ignoranz belassen.'^^^ Kirsch venvendet hierbei die Metapher eines „Aufwirbel-Ansaug-FilterSystems mit systematischem Recycling und automatischer Filteriiberpriifung^'. Diese Metapher versucht, eine plastische Darstellung einer Organisation zu vermitteln, die es sich zum Ziel gesetzt hat, strategische Diskontinuitaten durch eine fruhzeitige Ermittlung schwacher Signale zu handhaben. Ein zweites angestrebtes Ziel der Metapher ist eine erleichterte Diskussion der Strategischen Friihaufklarung. Im Folgenden soil diese Metapher kurz erklart werden. Der erstgenannte Begriff des „Aufwirbelns" impliziert bereits, dass es sich bei einer strategischen Friihaufklarung nicht um eine bloBe Beobachtung des sozio-okonomischen Feldes, gleichsam in Form eines Radars, handelt, sondem um eine bevvusst initiierte „Provokation" aller, intemer aber auch extemer, Organisationsteilnehmer. Provokation etw^a im Sinne einer Animation zur Diskussion und Reflexion uber neue Ideen, Visionen, Veranderungen, Missstande, Probleme und ahnliches, die bislang nur Gegenstand individueller Gedanken waren und nun durch einen „Wirbel" ihren allein kognitiven Charakter verlieren. Wichtig hierbei ist jedoch auch, dass diese Provokation im positiven Sinne gemeint ist, die den Individuen eine Partizipation - wenn vielleicht auch nur in geringem MaBe - an der Entw^icklung der Untemehmung ermoglichen soil. Eine bedeutende Rolle wird hier sicherlich den Anreiz- und Sanktionssystemen zuteil, die als flankierende Systeme eines Spektrums des Strategischen Managements ihren Beitrag dazu leisten kOnnen, inwieweit diese neuen Ideen, Visionen, etc. erst in den „Ansaugbereich" der Untemehmung gelangen.'^^o Hierbei spielt mit Sicherheit auch eine Rolle, inwieweit diese aufgewirbelten Informationen uberhaupt aufgewirbelt werden sollen bzw. spater in den Ansaugbereich gelangen diirfen. An dieser Stelle sei an Informationen gedacht, welche die Untemehmensfuhrung selbst in hohem MaBe kritisieren. Ein „Aufwirbeln", hat auch etwas „Vorbereitendes" an sich. „Vorbereitung" im Sinne einer Hinfuhrung der Organisationsteilnehmer auf ein strategisches Change-Management. Dabei konnen beispielsweise die Voraussetzungen, die Grundsatze, die Leitbilder und die Ziele, welche im Zusammenhang mit einer Implementierung eines strategischen Change^''^

479 '•SO

Unter einer strategischen Uberraschung wird eine in der strategischen Zukunft liegende, signifikante Abweichung zwischen der aktuellen Einschatzung einzelner Komponenten und den Schatzwerten, wie sie in die Strategische Programmplanung eingingen, verstanden. Vgl. Trux, MOller-Stewens, Kirsch (1988: 318). Vgl. hierzu Kirsch (1990: 10). Vgl. auch Kirsch, MaaCen (1989: 13Iff.) sowie Kirsch (1990: 378ff.).

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Antizipation

Managements stehen, den Teilnehmem der Organisation bzw. den vom Wandel Betroffenen nSher gebracht werden. Der Begriff der „Vorbereitung" soil in diesem Zusammenhang ganz bewusst Verwendung finden, da es im Vorfeld eines strategischen Change-Managements die Aufgabe sein muss, die Organisationsteilnehmer ^changestrategisch zu sensibilisiereri'\^^^ Das heiBt, jeder Einzelne soil ein change-spezifisches Verantwortungsbewusstsein entwickeln, sei es auch nur in dem Rahmen, dass er bewusst oder unbewusst, Offentlich oder nicht-offentlich dariiber kommuniziert und/oder reflektiert. Diese „change-strategische, widerstandsspezifische Sensibilisierung" kann mit unterschiedlichen Mitteln in einem Untemehmen unterstutzt oder eingefiihrt werden. Denkbar waren beispielsweise temporare Organisationsformen wie Arbeitskreise, Projektgruppen, „Task Forces", Mitarbeitergesprache oder anzufertigende Thesenpapiere, die Anlass zur Diskussion formeller oder informeller Art geben. Es konnten betriebliche Lemgruppen organisiert werden, die sich mit ubergeordneten Themen des Wandels oder der mit diesen in Verbindung stehenden Widerstanden oder aber mit strategischem Denken und Handeln selbst befassen. Schilderungen der Untemehmenssituation und der damit in Verbindung stehenden relativen Wettbewerbsposition zu Konkurrenten sollten den Organisationsteilnehmem das Verstandnis der Notwendigkeit des Wandels (readiness for change) erleichtem und ihnen zugleich das Gefuhl vermitteln, ein emst genommenes Individuum dieser Untemehmung zu sein, auf dessen Inspiration und Vorschlage durchaus Wert gelegt wird. „M6gliche zuktinftige Welten", Weltanschauungen, Theorien und Denkweisen konnten dargestellt werden, um einerseits die strategisch moglichen Ziele aufzuzeigen und andererseits bei den Mitarbeitem hinsichtlich der Zukunft ein positives Denken zu fordem und deren Sensibilitat gegeniiber schwachen Signalen zu starken.482 Grundgedanke dieser keinesfalls vollstandigen Auflistung von moglichen Mitteln und Instrumenten zur Phase der „Aufwirbelung" ist die Doktrin der „Kommunikation". VielfMltige Kommunikations- und Informationspathologien verhindem oftmals, obwohl sich bestimmte neue Entwicklungen bereits ankiindigen, dass diese nicht rechtzeitig zu den Verantwortlichen gelangen.'^^^ Einen kritischen Faktor stellt in diesem Zusammenhang sicherlich auch die Organisationsstruktur und -kultur der Untemehmung dar. Diese konnten den Pramissen der Strategischen Fruhaufklarung insoweit hinderlich sein, als beispielsweise strukturelle Informationspathologien, resultierend aus den Charakteristika der Organisationsstruktur (z.B. Hierarchic, Fuhrungsstil usw.), dysfunktionale Wirkungen auf den Informationsfluss mit sich bringen. Auch psychologische oder doktrinbedingte Informationspathologien konnen entscheidend fiir den Erfolg oder Misserfolg einer Strategischen Fruhaufklarung sein.'^^'* Diese angesprochenen Informationspathologien gilt es im Vorfeld aufzufmden und durch geeignete MaBnahmen oder Systeme (z.B. Anreiz- und Sanktionssysteme) abzubauen. Denn ^^ ^ Vgl. hierzu auch Kirsch, Roventa (1983:98). ^•82 Vgl. hierzu insbesondere Trux, MUller-Stewens, Kirsch (1988: 340). ^83 Vgl. auch Trux, MUller-Stewens, Kirsch (1988: 323). 484 Vgl. Trux, MUller-Stewens, Kirsch (1988: 340).

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

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erst durch die uneingeschrankte Kommunikation von Problemen, Gefahren und Gelegenheiten werden neue L5sungswege generiert. Zudem fbrdert die interne Kommunikation letztlich auch eine gemeinsame Lebens- und Sprachform, womit sich erhebliche Vorteile verbinden lassen, wie beispielsweise ... • • •

eine hohere Prazision und Relevanz intemer Berichte und Plane, ein gemeinsames Verstandnis ftir die strategische Ausgangslage und Strategien bei Fuhrungskraften aller Ebenen und Geschaftseinheiten und femer wird der Dialog im Untemehmen auf [change-, Anm. d. Verf.] strategische Fragen ausgerichtet.'^*^

Gefordert wird also ein aktives Suchverhalten nach neuen Ideen. Dies besteht teilweise aus einer bewussten Initiierung von Prozessen, die einen „Wirbel" verursachen, dabei allerdings nicht vollig unter Kontrolle bleiben und „Kettenreaktionen" auslosen, die wiederum Neues in den Bereich des Ansaug-Systems bringen."^*^ Der zweite Terminus der Metapher - „Ansaugen'' - umschreibt bildlich eine Funktion einer Strategischen Fruhaufklarung, welcher ein sehr hohes MaB an strategischer Relevanz zugeschrieben werden muss. Sie ist gepragt von einer „Resorption" neuer Ideen, Inspirationen und Konfliktsituationen, entstanden durch das „Aufwirbeln" im ersten Schritt des Gleichnisses. Kirsch schreibt hierzu: „Schwache Signale gelangen nicht automatisch in den Bereich der Organisation. Es miissen Ansaugvorrichtungen vorhanden sein." ^^"^ Diese „Ansaugvorrichtungen" konnen untemehmensspezifische Anreizund Sanktionssysteme darstellen, welche die Motivation des „sich Mitteilens" der Organisationsteilnehmer intensivieren und gleichzeitig deren Hemmschwelle reduzieren. Notwendige Basis sind jedoch geeignete Leitbilder und Doktrinen sowie eine Untemehmenskultur, die diese „Offenheit" widerspiegelt. Institutionalisierte Management Development Systeme iibemehmen dabei die oftmals, fur eine Strategische Fruhaufklarung unerlassliche „kulturelle" Transformation der Organisation."*^^ Dem „Filter-System" wird die Funktion der Selektion der zuvor „aufgewirbelten" und „angesaugten" Informationen zuteil, wodurch ein „information overload" der entscheidenden Instanzen verhindert wird.'*^^ In den Poren des Filters hangen bleiben sollen dabei insbesondere „change-strategisch" oder „widerstandsspezifisch" relevante Informationen und Ideen, die konkrete Vorstellungen und auch schwache Signale hinsichtlich einer sich abzeichnenden Resistenz gegen einen intendierten Wandel darstellen konnen. 485 486 487 488 489

vgl. hierzu Little (1986: 35). Vgl. Kirsch (1990c: 10). Vgl. Kirsch (1990c: 10). Vgl. Trux, MUller-Stewens, Kirsch (1988: 340). Vgl. Kirsch (1990c: 10) sowie Kirsch (1990b: 338).

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Antizipation

Freilich kann dieser Prozess des Filtems durchaus als ein repetitiver Vorgang organisiert werden, gleichsam mit verschiedenen „Gradationen" von Filtem. Es kann jedoch nie gewahrleistet werden, dass scheinbar als irrelevant erachtete Hinweise ausgesondert werden, deren Informationsgehalt in einem anderen Kontext von Bedeutung hatte sein konnen. Das Filter-System hat die Aufgabe, aufgrund der analysierten imd als relevant erachteten Daten und Informationen change-strategische bzw. widerstandsspezifische, signifikante Problemfelder aufzuspuren, die einer Einbindimg in den Analyse- und Planungsprozess sowie einer gesonderten Strategienformulierung in Bezug auf eine fruhzeitige Beriicksichtigung der sich abzeichnenden Widerstande bedtirfen. Ein „systematisches Recycling" im Sinne der Metapher soil sicherstellen, dass die von den Filtem bislang ausgesonderten Informationen hier nochmals untersucht werden. Es ist die Aufgabe eines „systematischen Recyclings", fortwahrend die als irrelevant ausgeschlossenen Informationen emeut in den Analyseprozess der Filter einzuspeisen, um diese eventuell doch noch durch eine veranderte Perspektive in den Planungsablauf miteinzubeziehen. „Ein Recycling sollte die Chance eroffnen, dass zunachst ausgefilterte Signale emeut und moglicherweise in einem ganz anderen Kontext in ErwSgung gezogen werden." ^^^ In dem Mafie, wie eine Untemehmung selbst einem Wandel im Sinne einer „Evolution" unterliegt, konnte man im Zusammenhang mit der vorliegenden Metapher auch von einer „Evolution der Bewertungskriterien" der Filtereinheiten sprechen. Diese Kriterien bedtirfen einer fortlaufenden selbstkritischen Kontrolle und gegebenenfalls einer Revision, um dem Primat einer standigen Fortentwicklung zu gentigen. Eine automatische Filtertiberprilfung soil gewahrleisten, dass die zur Analyse verwendeten Filter auch noch zeitgemaB sind. Es ware ein fataler Trugschluss, wtirde man annehmen, dass die Filterkriterien nicht einem ahnlich fortlaufenden Wandel wie die Untemehmung selbst unterliegen wtirden. Evolvierende Systeme bedingen adaquate Analysekriterien. Die bewusste, selbstkritische Hinterfragung und Kontrolle der Bewertungsmafistabe und der dahinter stehenden Paradigmen der Filtereinheiten fungiert gleichzeitig als Steuerungsmechanismus, indem iiber eine Modifikation der Filterkriterien einerseits und eine Neuregelung der Analyseziele andererseits die Evolution der Untemehmung langfristig beeinflusst werden kann. Hierfiir bedarf es jedoch einer standigen Informationsbereitstellung durch die Analyseeinheiten. Wie sich zeigt, lasst sich eine strategische Friihaufklarung als ein Prozess defmieren, welcher die Funktion der permanenten Informationsgenerierung impliziert und somit die Vorstufe einer Antizipation von Resistenzen gegen Veranderungen darstellt. Eine Veranderung sollte demnach nicht nur auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet sein, da insbesondere im Prozess des Wandels das Ziel eine standige Variable reprasentiert. Vor diesem Hintergrund verwundert es umso mehr, dass der Antizipation von Widerstanden in der Literatur bzw. Praxis kaum bzw. keine Aufmerksamkeit zu Teil wird. Die Einsicht hingegen,

490

Vgl.Kirsch (1990c: 10).

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

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dass intendierte Verandemngsprozesse seltenst ohne Widerstande ablaufen, ist eine Art „common sense". „Organizational change efforts often run into some form of human resistance. Although experienced managers are generally all too aware of this fact, surprisingly few take time before an organizational change to assess systematically who might resist the change initiative and for what reasons." ^^^ Die Antizipation von Widerstanden gegen Wandel ist demnach sehr eng mit dem Begriff der Strategischen Fruhaufklarung verbunden. Bin Friiherkennungssystem kann dabei eher an einem induktiven, einem mehr deduktiven oder aber einem explorativen Ansatz orientiert sein. „Bei Systemen mit induktivem Ansatz ist der Beobachtungsbereich auf das im Unternehmen zur Verfugung stehende Informationspotential beschrSnkt, aus dem die Friiherkennungsinformationen ausgewahlt werden. Bei Systemen mit deduktivem Ansatz werden erganzend die Beobachtungsbereiche aus der gemafi den Unternehmenszielen definierten Umwelt bestimmt und aus diesen Bereichen Friiherkennungsinformationen abgeleitet. Bei Systemen mit explorativem Ansatz werden aus einer ungerichteten Beobachtung der gesamten Umwelt relevante Entwicklungen ftir das Unternehmen generiert und, nach ihrer Beurteilung als Friiherkennungsinformation, zur ganzheitlichen Fruherkennung integriert.'"^^^ Der Begriff der Fruhaufklarung als solcher ist insbesondere seit den 70er Jahren weit verbreitet. Der medizinische, soziokulturelle, technologisch-naturwdssenschaftliche, politischgesetzliche und okonomische Bereich bedienten sich zunehmend mit dem Terminus der Fruherkeimung. Dabei stehen auch heute noch Krankheiten, Naturkatastrophen und Feinderkennung als bekarmteste Beispiele im Vordergrund. Spatestens in der „PostTschemobyl Ara" wird die Notw^endigkeit der Fruherkennung von Nuklear-Reaktoremstf^len besonders evident. Das Ziel einer Fruherkennung oder, wie sie auch oft bezeichnet wird, als Fruhwamung, zumal mit den wahrzunehmenden Ereignissen meist negative Konsequenzen verbunden sind, ist das rechtzeitige oder friihzeitige Erfassen in der Zukimft liegender Ereignisse. Freilich sollte die Intention einer umfassenden Antizipation von Widerstanden gegen Wandel das gesamte mogliche Analysespektrum im Siime von MiBlbeck umfassen. D.h., dass ein sowohl induktiver, deduktiver als auch explorativer Ansatz durchaus mit untemehmensspezifisch unterschiedlichen Analyseprioritaten und -intensitaten Anwendung fmden sollte. Wahrend sich also beispielsweise ein induktiv orientierter Ansatz der Antizipation von Widerstanden gegen Wandel den Bereichen der individuellen Grundhaltung der Organisationsteilnehmer hinsichtlich Veranderung oder aber der gelebten Untemehmenskultur oder etwa kulturellen, psychologischen, sozialen und politischen Widerstanden zuwendet, also alien direkt beeinflussbaren Bereichen der Organisation, so wird eine deduktive Annaherung an die Thematik eher das - mit den Zielen der Organisation 491 492

Vgl. Kotter, Schlesinger (1979: 107). Vgl.MiBlbeck(1992:2).

196

Antizipation

korrespondierende bzw. harmonierende - sozio-okonomische Feld der Untemehmung als Fokus der Analyse heranziehen. Die imgerichtete Beobachtung der gesamten Untemehmensumwelt, welche der explorative Approach intendiert, richtet sein Augenmerk dann auf alle Ereignisse, die wohl in keinem direkten Zusammenhang mit der Organisation per se bzw. mit der Veranderungsf^igkeit der Untemehmung stehen. Das k6nnten etwa all jene Ereignisse sein, welche nur eine mittelbare Wirkung auf die Organisationsteilnehmer haben, wie weltwirtschaftliche Entwicklungen oder historische, naturwissenschaftliche Begebenheiten. Solche Diskontinuitaten mochte der explorative Ansatz mit Hilfe schwacher Signale fhihzeitig zu erkennen. MiBlbeck versteht dabei als ein schwaches Signal eine Information, welche einen Bruch in Entwicklungstendenzen der Untemehmensumwelt urmiittelbar - oder aber in kurzem zeitlichem Abstand - nach dessen wirklichem Eintritt anzeigt. Diese Anzeige erfolgt in Form der „Wahmehmung und Verarbeitung von unstrukturierten und vagen Informationen", die noch keine eindeutigen Interpretationen zulassen.'^^^ Die Antizipation von Widerstanden impliziert naturlich, dass sich auch im Vorfeld von intendierten Veranderungen Ereignisse beobachten lassen, die auch eine Vorhersage ihres Eintritts moglich machen. MiBlbeck unterscheidet auf der Grundlage von Murray den Terminus Ereignis in drei Kategorien und beschreibt damit die Art und Herkunfl des Ereignisses wie auch die Moglichkeit/Chance seiner Prognose."^^"^ Dabei wird der Begriff des vorhersehbaren Ereignisses gegliedert in: Self-inflicted surprises (vorhersehbar): Hierbei handelt es sich um ein Ereignis, welches durch die Organisation selbst hervorgerufen wurde. D.h., es wird somit vorhersehbar und kann vermieden werden „[...] if it is identified correctly and in sufficient time." ^^^ Operational surprises (vorhersehbar): Das Ereignis kommt von auBen und ist in seiner Art und seiner Auswirkung grundsatzlich bekannt, lediglich der zeitliche Eintritt ist unbekannt. D.h., hier kann ein System zur Frtiherkennung institutionalisiert werden, das bei Eintritt des Ereignisses entsprechend reagiert. Strategic surprises (unvorhersehbar): Hier sind weder Art noch Zeitpunkt des Ereignisses bekannt. Somit konnen vorab keine Regeln aufgestellt werden, auBer einer generellen Philosophic. Das Untemehmen sollte sensibilisiert und die Organisation so flexibel gestaltet sein, dass unvorhersehbare Ereignisse rechtzeitig erkannt werden und darauf entsprechend reagiert werden kann. Nun mag es aber auch denkbar sein, dass eine Anzeichenmeldung, die vor dem Ereigniseintritt oder Entwicklungseinbruch erfolgt, zwar fruhzeitig sein kann, aber dennoch nicht rechtzeitig ist, zumal der Zeitbedarf fiir die Reaktion groBer ist als die signalisierte Vorlaufzeit.'^^^ Diese Aussage zeigt letztlich, wie komplex der Antizipationsgedanke sich 493 494 495 496

Vgl. hierzu MiBlbeck (1993: 85). Vgl. MiBlbeck (1993: 6). Vgl. Murray (1980: 175). Vgl. MiBlbeck (1993: 8).

Determinanten der Handhabung von Widerstanden

197

gestaltet, will man ihn zu einem festen Bestandteil eines strategischen Managementprozesses etablieren. Nicht das zu antizipierende Ereignis allein gilt es zu erkennen, sondem auch dessen zeitliche Implikation im Prozessablauf. Fiir das Generieren der geforderten „professionellen Change-Arena" zur Handhabung von Widerstanden gegen Wandel lasst sich nun hinsichtlich des Tools der Antizipation folgende Anforderungen aufstellen: Im Sinne eines Friihwamsystems ftir Widerstande gegen Wandel muss das Management-Tool „Antizipation" in der Lage sein, im Bezug zur strategischen Ausrichtung des Untemehmens latent vorhandene, mogliche Widerstandspotentiale aufzuspuren und diese in einer konfliktentladenen Art und Weise aus dem informellen Bereich in den formellen, offen zu diskutierenden Bereich zu uberfuhren. Und dies vor dem Hintergrund einer notwendigen angemessenen Reaktionszeit, da ansonsten von Antizipation nicht mehr die Rede sein kann.'*^'' Um dieser Aufgabe ganzheitlich gerecht zu werden, muss die Antizipation den induktiven, deduktiven und explorativen Ansatz als Analysespektrum berucksichtigen. Ein ManagementTool der Antizipation hat die Aufgabe der „change-strategischen Sensibilisierung" imd soil bei jedem Organisationsteilnehmer ein „change-spezifisches Verantwortungsbewusstsein" etablieren, womit letztlich auch die „Change-Mentality" der Mitarbeiter geformt werden kann. Nicht nur dadurch fordert die Antizipation von Widerstanden die Information und Kommunikation in der Organisation, sondem auch durch die bereits angefiihrte Aufwirbelung potentieller Resistenzen. Sie ist weiterhin verantwortlich fiir das Entwickeln von Prozessen, welche es erlauben, schwache Signale beziiglich moglicher Widerstandspotentiale bewusst zu erkennen bzw., um an die Metapher zu erinnem, aufzusaugen."^^* Existieren diese Systeme nicht, ist die Effizienz der Management-Tools fraglich. Hier kommen insbesondere untemehmensspezifische Anreiz- und Sanktionssystemen als flankierende Managementsysteme in Betracht."*^^ Im Rahmen des Management-Tools der Antizipation muss das Gesptir entwickelt werden fiir die Relevanz der aufkommenden Informationen hinsichtlich deren Widerstandsimplikation, um nicht letztlich an einem „information overload", welcher in ein operatives Chaos innerhalb des Antizipations-Tools fuhrt, zu scheitem. Auch der Kosten-Nutzen-Aspekt einer Widerstandsantizipation sollte nicht vergessen werden. MiBlbeck formuliert hierzu Folgendes: „Ein wesentlicher Aspekt ist die Frage nach den Kosten des Systems. Grundsatzlich kann die Forderung erhoben werden, dass die Kosten der Beschaffung von Informationen nicht den Nutzen der Friiherkennung iibersteigen sollten. Informationen sind in diesem Sinne zum Produktionsfaktor geworden, der sich wie alle Produktionsfaktoren einem Kosten-

^^"^ Das rechtzeitige Erkennen von Problemen ist besonders deshalb nOtig, da die Gefahr besteht, dass eine ProblemlOsung mit der Zeit schwieriger, kostspieliger, eventuell sogar unmOglich wird. Vgl. MiBlbeck (1993:11). ^^^ Die Anzeichen ftlr latente Entwicklungen, also Entwicklungen, die bereits im Untemehmen oder seiner Umgebung in Gang, aber noch nicht offen sichtbar sind, werden als Signale bezeichnet. Vgl. MiBlbeck (1993: 10). 499 Vgl. hierzu Kirsch, MaaBen (1989: 319ff.).

198

Antizipation Nutzenvergleich stellen muss, der Mehnvert produziert und als Wirtschaftsgut seinen Preis hat." 500

Zusammenfassend lasst sich nunmehr sagen, dass der Gedanke einer „intelligenten ChangeArena" das Generieren von Rahmenbedingimgen in den Vordergrund stellt, die es einer Organisation ermoglicht, Verandemngen voranzutreiben ohne dabei durch massive Widerstande gegen Wandel den Anschluss an den Wettbewerb zu verlieren. Die Pfeiler dieser Rahmenbedingimgen bilden die erlauterten Bereiche: FUhnmg, Lemen, Informations- und Kommunikationssysteme sowde die Antizipation. Jedoch stellt sich die Frage, ob eine „intelligente Change-Arena" nicht letztlich eine noch weiterfiihrende Aufgabe erfiillen sollte als die Schaffung von wandelbefiirwortenden Rahmenbedingungen die eine Antizipation von Widerstanden gegen Wandel erlauben. Selbst im Rahmen einer Antizipation von Widerstanden ist die Gefahr schon greifbar. Der Begriff einer „intelligenten Change-Arena" muss einen Schritt weiter gehen: Die Pravention von Widerstanden gegen Wandel erscheint hier als professionellster Ansatz. Die Pravention ist der Antizipation noch einen Schritt

Im Folgenden soil dieser professionellere Ansatz einer „Widerstandshandhabung" naher betrachtet werden.^^^

500 501

Vgl. hierzu MiBlbeck (1993: 23). Im Lichte eines praventiven Ansatzes f^llt es bereits schwer noch von der Handhabung von Widerstanden gegen Wandel zu sprechen, da ein Vorbeugen das eigentliche Management von Widerstanden gerade ausschliefien soil.

Die professionelle „Change-Arena" - ein System der Pravention

199

5. Die professionelle „Change-Arena" - ein System der Pravention „ Es ist leichter, den Schaden zu verhiiten, als ihn wieder gut zu machen." Johann Peter Hebel

Der Erfolg eines Projekts des Wandels in der taglichen Praxis setzt zwingend einen Erkenntnisprozess voraus, der Erkenntnis der Existenz von Widerstanden gegen Wandel sowie der Notwendigkeit deren professioneller Handhabung. Mit anderen Worten die Einsicht der „Notwendigkeit zur Vorbeugung" vor einer fur die Existenz potentiellen Gefahr.^^^ D^S heiBt, eine fehlende Erkenntnis uber die Notwendigkeit einer MaBnahme und eine damit verbundene Nichtvorbeugung erhoht das Eintrittsrisiko des durch die Vorbeugung zu vermeidenden Problems erheblich.^o^ Subsumiert man an dieser Stelle der Arbeit, dass eben diese Erkenntnis der Existenz von Widerstanden bei Wandelvorhaben auch tatsachlich gegeben ist, so stellt sich nunmehr die Frage, was unter einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel zu verstehen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage gilt es, primar zwei entscheidende Aspekte einer „Professionalitat" zu berucksichtigen: • •

den zeitlichen sowie den inhaltlichen Aspekt.

Der inhaltiiche Aspekt soil dabei das „Wie" einer professionellen Handhabung klSren, also Antworten hinsichtlich einer Methodik der ProblembewSltigung geben bzw. hierfUr mSgliche Tools vorschlagen. Der zeitliche Gesichtspunkt hingegen soil die Frage nach dem idealen „Initialzeitpunkt" einer Handhabung von Widerstanden gegen Wandel klaren und damit eine Aussage dariiber treffen, warm im Rahmen eines Change-Prozesses eine Auseinandersetzung mit der Thematik der Resistenz eigentlich beginnt. Die folgende Abbildung soil einen Uberblick uber die Strukturierung der Praventionsthematik geben und damit eine Positionierung fiir den Leser erleichtem, auch wenn sie der Praventionsmethodik an dieser Stelle bereits etwas vorgreift.

5^2 503

Letztlich ist hiermit ein Lemen aus Erfahrung impliziert. Bestes Beispiel hierfUr ist das derzeitig besorgniserregende Ansteigen von KrankheitsfHllen wie Masern in Deutschland. Rund 100.000 Menschen erkranken jahrlich daran. Dies hangt damit zusammen, dass Masern nicht mehr als Bedrohung von der BevOlkerung angesehen oder wahrgenommen werden. Konsequenz hieraus ist eine ablehnende Grundhaltung gegenUber Impfungen. Vgl. Weingartner (2002).

Der zeitliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel

200

zeitliche w I Verankerung im ^ ' Organisationslebens zyklus

,

^

^ ^ • " ' ^ ^

— 1 Abbildung 33:

^

Organisationsgenetik

Anti-Aging

^

p

Immunisierung

Die Struktur der PrSvention von WiderstSnden gegen Wandel

Betrachtet man nun beide Aspekte, ISsst sich eine logische Abhangigkeit der Methodik, also des Inhalts einer professionellen Handhabung, von deren zeitlichen Verankerung erkennen. Gemeint ist hiermit, dass ganz eindeutig die Instrumente, mit welchen man den Widerstanden gegen Wandel begegnet, variieren, je nachdem, w^ann eine Handhabung im Prozess integriert bzw. initiiert wird. Abstrakt gesprochen, reicht ein Intervall moglicher Methoden dann in etwa von einer Fruhaufklarung weit vor dem Projekt des Wandels bis hin zu einem Krisenmanagement, das die auftretenden Resistenzen a posteriori managt. Um dieser Abhangigkeit der Methodik von ihrer zeitlichen Determinierung gerecht zu werden, soil nun geklart werden, welche zeitliche Perspektive eine professionelle Handhabung von Widerstanden gegen Wandel einnehmen muss, um im Sinne der Arbeit das Attribut „professioneir' auch tatsachlich zu verdienen. 5.1.

Der zeitliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel

Eine professionelle Handhabung von Widerstanden gegen Wandel, w^ie sie in dieser Arbeit postuliert w^ird, intendiert nicht die Auseinandersetzung mit den ein Projekt des Wandels begleitenden, Problemen, verursacht durch auftretende Widerstande. Der Grund hierfur liegt in der Forderung einer Professionalitat der Handhabung von Resistenzen, w^elcher nicht entsprochen wird, w^enn man Probleme lediglich im Rahmen eines Krisenmanagements begegnet. D.h. Professionalitat distanziert sich primar von der reinen a posteriori-

Die professionelle „Change-Arena" - ein System der Pravention

201

Problembewaltigung. Die Begnindung hierfiir liegt in dem Terminus der .Profession" verborgen. Profession bedeutet eine Beschaftigung mit einer bestimmten Materie im Sinne einer beruflichen Ausiibung. Impliziert wird damit, dass man sich einen GroBteil der zur Verftigung stehenden Arbeitszeit mit dem Themenkreis der gewahlten Profession beschafligt oder beschaftigt hat und sich demnach besondere Erfahrung auf diesem Spezialgebiet erarbeiten konnte. Somit wird gleichzeitig die Forderung mit dem Begriff erhoben, es handele sich um eine ganzheitliche Betrachtung einer fokalen Thematik. Dieser Anspruch erfordert jedoch, Probleme eines Systems (z.B. einer Organisation) zu erkennen, zu losen, daraus zu lemen und den Ausschluss einer moglichen Wiederholung. Das schlichte Losen einer Problematik wUrde das Attribut Professionalitat letztlich nicht verdienen, zumal nur ein Teil des Ansatzes der Handhabung behandeh wurde. Bezogen auf Veranderungsprozesse muss es demnach das Ziel sein, die problemauslosenden Widerstande im Vorfeld zu erkennen (Antizipation) oder sogar mittels vorbeugender MaBnahmen (PrSvention) grundsStzlich ein Umfeld des Wandels zu schaffen, in welchem Widerstande erst gar nicht auftreten werden. Die drei erwahnten Methoden der Handhabung, Management, Antizipation und Pravention unterscheiden sich dabei insbesondere in deren zeitlichem Bezug zu einem Projekt des Wandels. Dies soil anhand der Abbildung 34 naher erlautert werden. (Pravention (Lebenseinsteilung)

Antizipation (Immunisierung)

l^apagement (Heilung)

Zeit

Projekt des Wandels (t = 0)

Abbildung 34:

Zeitkascade professioneller Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel

202

Per zeitliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel

Management steht, bezogen auf ein Prqjekt des Wandels, in einem unmittelbaren Bezug mit der Bewaltigimg von ProzessablSufen in Organisationen und von damit verbundenen Problemstellungen. Losimgen sollen erarbeitet warden mit dem Ziel, groBtmOglichen Nutzen zu stiften fiir den Prozess des Wandels und die Untemehmung. Operative Themenstellungen stehen dabei meist im Vordergmnd. Somit ist der Begriff der Heilung im Rahmen der Suche nach interdisziplinarer Analogie bezeichnend fUr Management. Antizipation hingegen ist die Friiherkennung mdglicher Probleme im bevorstehenden, geplanten Prozess des Wandels. D.h. man intendiert bewusst die Vorwegnahme von Gefahren der Veranderung und konzipiert mogliche Entv^cklungsszenarien des Prozesses, welche auch bereits spezifische LcJsungsansatze implizieren. Es sollen bewusst Elemente der strategischen Planung und Steuerung Verwendung finden, um dem Ziel einer „geplanten Evolution" der Organisation nahe zu kommen.^o^ Antizipation induziert damit auch den Gedanken der Immunisierung. Spricht man von Pravention, so ist die Rede von einer prinzipiellen Vorbeugung von Gefahren beziiglich der zukunftigen Untemehmensentwicklung. Sie bezieht sich nicht auf einen spezifischen Prozess des Wandels, sondem mOchte gezielt die Rahmenbedingungen fur einen zukiinftigen, moglichen Wandel ohne hemmende Widerstande schaffen Rahmenbedingungen, welche die generelle Grundhaltung einer Organisation hinsichtlich Wandel determinieren sollen. Sucht man beziiglich der Pravention nach einer treffenden dem Kontext der Betriebswirtschaft fremden, Umschreibung oder Bezeichnung, so kommt der Begriff der Lebenseinstellung dem wohl am nachsten. Dies deshalb, da ein auf Vorbeugung gerichteter Blick mit Erkenntnisgewinn verbunden ist, welchen man bewusst ins eigene Handeln integriert. Sicherlich lassen die drei genannten Begriffe keine eindeutige klare Trennung zu. Jedoch wird die Beschaftigung mit Themenbereichen unterschiedlicher Abstraktionsebenen deutlich. Im Folgenden soil nun auf die Begrifflichkeit und Form der Pravention eingegangen und deren Verwendung im Rahmen der Medizin analysiert werden, um damit die Thematik der Handhabung von Widerstanden gegen Wandel zu bereichem. Der Begriff der Pravention (und dessen Abgrenzung zu Antizipation und Management) Der Begriff der Pravention wird in der Literatur in unterschiedlicher Art und Weise beschrieben. Eine Definition hebt verschiedene zeitliche Implikationen der Pravention hervor: „Die Primarpravention setzt moglichst friih an und will der Entstehung von Risikoverhalten bzw. Symptomen zuvorkommen. Die Sekundarpravention zielt auf eine moglichstfruheErfassung von beobachteten Risiken bzw. Symptomen. Tertiarpravention bezieht sich auf die Linderung und Rehabilitation nach erfolgter Krankheit." ^^^

504 505

Vgl.hierzuauchS.13ff vgl. hierzu Hafen (2001: 2).

Die professionelle „Change-Arena" - ein System der Prevention

203

Hafen spricht sich klar gegen diese Definition aus, zumal der Praventionsbegriff im Sinne einer vorbeugenden MaBnahme nicht im Rahmen einer Tertiarpravention a posteriori ansetzen kann. Die Frage stellt sich, ob man im Zusammenhang mit einer Behandlimg einer Krankheit in etwa noch von PrSvention sprechen kann. „Ist das Problem schon vorhanden, entsprechen die Interventionen nicht mehr Prevention, sondem Behandlung." ^^^ Hafen schlagt bezuglich einer Definition v o n Pravention folgende Diskussionsgrundlage vor: • •

• •

Pravention versucht, zukiinftige Probleme bei unbestimmten Personen zu verhindem. Fruherfassung versucht, Anzeichen fur zukiinftige Probleme bei bestimmten Personen zu erkennen und die geeigneten Mafinahmen zur Behandlung dieser Anzeichen in die W e g e zu leiten. Behandlung versucht, bestehende Probleme bei bestimmten Personen zu beheben. Schadensverminderung versucht, Folgeprobleme v o n bestehenden Problemen bei bestimmten Personen zu verhindem. ^07

Diese Klassifizierung v o n Pravention lasst eine zeitliche Dreiteilung im Sinne einer Handhabung erkennen. Hafen spricht v o n Pravention als einem Instrument, das nicht aktuellen Problemen im Vorfeld vorbeugen soil. Die FrUherfassung hingegen bezieht sich auf Probleme, deren erste Anzeichen bereits erkennbar werden. Hier kann man auch v o n einer Antizipation sprechen im Sinne der Abbildung 34. Letztlich handelt es sich auch hierbei um praventive Arbeit, jedoch mit einem fokussierteren Charakter. „Der PrSventionsaspekt „Fruherfassung" markiert in diesem Sinn eine Ubergangszone, ein Bindeglied zwischen Pravention und Behandlung: Die durch die prSventiven MaBnahmen zu verhindemden Probleme sind zwar noch nicht oder nur ansatzweise aufgetreten, doch werden durch die Fruherfassung andere Probleme bezeichnet Probleme, die auf eine erhShte Wahrscheinlichkeit der Probleme hinweisen, die mit der Pravention verhindert werden sollen." ^^^ Behandlung und Schadensverminderung, WIQ v o n Hafen verwendet, entspricht in Bezug auf Organisationen und hinsichtlich des Verstandnisses von Prevention, w i e es in dieser Arbeit Verwendung findet, mehr dem Begriff des Managements. Hier sollen bewoisst tatsachlich existente Aufgaben bzw. Probleme eine Losung finden. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen Prevention und Management liegt demnach auf der zeitlichen Ebene.509 Wahrend Management ein bestehendes Problem oder

506 507 508 509

Vgl. Hafen (2001: 2). Vgl. Hafen (2001:5). Vgl. Hafen (2001: 5). Hafen selbst spricht nicht von Management, sondem von Beratung. Es soil jedoch hier die Brticke zu dem Begriff des Managements geschlagen werden.

204

Per inhaltliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel

eine bestehende Krise charakterisiert, bezeichnet der Begriff der Pravention (aber ebenso die Antizipation) klar eine Ausrichtung auf zukiinftige Fragestellimgen.^^o Die Ausrichtung der Pravention auf „nicht existente", zuktinftige Probleme birgt ein Paradoxon in sich. Die zu beratende Klientel, also Individuen oder Organisationen, fur welche im eigentlichen Sinne kein tatsachliches Problem besteht, auf welches sich jedoch eine praventive Beratung bezieht (z.B. Widerstande gegen Wandel, obw^ohl noch gar nicht die Rede von Wandel ist), sollen nun ftir ein zuktinftig mogliches Problem beraten werden.^ii Diese Paradoxic „Management eines noch nicht existierenden Problems" ist wohl auch der Grund, warum das Instrument der praventiven Beratung heute in den Organisationen noch nicht so verbreitet ist wde die herkommliche Beratung in Krisensituationen, in welchen die Notwendigkeit ftir exteme Hilfe eher evident wird.^*^ £§ zQigt sich demnach, dass PrSvention nicht wie die gewohnliche Organisationsberatung auf dem Problemdruck der beratenen Systeme aufbauen kann. Dies ist der Grund, warum ftir das beratene System die bereits angesprochene Erkenntnis der Existenz einer zuktinftig wahrscheinlichen Problemlage so unabdingbar ist.^*^ 5.2.

Der inhaltliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel

Nachdem nun der Zeitrahmen eines Interventionsfensters ftir eine praventive Handhabung von zukiinftigen Problemstellungen aufgezeigt werden konnte, soil im Folgenden auf die daraus resultierende Methodik eingegangen werden. Es erscheint nicht verwomderlich, dass diese vor dem Hintergrund der zeitlichen Bedingungen einer Pravention dem praventiven Ansatz folgen muss. D.h., es muss eine Kongruenz zwischen den einzusetzenden Tools und der in die Zukunft gerichteten Perspektive gegeben sein. Um hierftir neue Sichtweisen zu gewdnnen, soil das Forschungsfeld der Medizin, welches in besonderem Mafie fur praventive Intervention steht, nach moglichen Ansatzpunkten ftir verwertbare Analogien beleuchtet werden.

5.2.1.

Pravention im Forschungsfeld der Medizin - Lemen mittels interdisziplinarer Analogic

Mittels der Suche nach Analogien soil nach neuen Ansatzen einer praventiven Handhabung von Resistenzen bei Wandelvorhaben gesucht werden. Die Widerstande gegen Wandel bzw. deren praventive Handhabung sind zwar letztlich der Grund dieser Suche, jedoch soil ein 510 511 512

513

Vgl. auch Hafen (2001: 8). Vgl. hierzu auch Hafen (2001: 8f). Die Paradoxic „Management eines noch nicht existierenden Problems", erOffhet sich, wenn man das nicht existierende Problem zu einem Problem deklariert, welches es dann als tatsachliches Problem zu managen gilt Vgl. hierzu auch S. 199.

Die professionelle „Change-Arena" - ein System der PrSvention

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Ansatz gefunden werden, welcher eine Organisation auf Wandel von Anfang an ausrichtet und damit eine Handhabung der Widerst^de selbst deutlich in den Hintergnmd riickt. Hierzu soil das Forschungsfeld der Medizin aufgrund deren besonderen Gewichtung der Praventionsforschung betrachtet werden. Ein Ziel ist es, Ansatzpunkte fiir eine Analogiebildung zu finden, welche den Umgang mit der vorliegenden Thematik bereichem. Praventionsforschung in der Medizin - auf der Suche nach Ansatzpunkten fiir neue Erkenntnisse und Sichtweisen in einer fremden Disziplin Die Medizin raumt der Praventionsforschung einen sehr hohen Stellenwert ein, zumal das primare Ziel der arztlichen Wissenschaft nicht lediglich die Heilung von Krankheiten sein kann, sondem vielmehr deren Vorbeugung. So wird die Medizin beispielsweise Andemngen der Verhaltensweisen eines Patienten postulieren oder aber durch die Gabe von Medikamenten eine Art Immunisiemng des Korpers gegen folgenschwere Erkrankungen erzielen. Zum anderen konnen durch die Veranderung von Rahmenbedingungen gesundheitsgefahrdende Umweltverhaltnisse vermieden werden.^^"^ Prevention wird in der Medizin vor allem als Prophylaxe und Krankheitsvorsorge verstanden, welche das Ziel verfolgt, Beschwerden und Erkrankungen a priori zu begegnen.^is Die Krankheit selbst ist damit letztlich das notwendige Erkenntnisobjekt, an Hand dessen Mittel und Wege erforscht werden, um zukiinftig Schaden oder aber eine emeute Infektion des Korpers zu vermeiden.^^^ Praventionsforschung in der Medizin bedeutet damit aber auch die explizite Auseinandersetzung mit der Wirkungsweise der Krankheit, welcher es vorzubeugen gilt. Nur iiber die genaue Analyse der Art und Weise der Infektion des Korpers bzw. der Klarung der Frage, warum erkrankt der Organismus, bis hin zur Reaktionskette der Verbreitung und Wirkung der Krankheit konnen zum Einen Heilungsmethoden und zugleich auch VorbeugungsmaBnahmen gefunden werden. Was aber kann aus dem Bereich der Medizin durch Analogiebildung an Wissen gewonnen werden und warum soUte man sich hieruber Gedanken machen? Die Frage nach dem Warum beantwortet sich fast von selbst. Denn die Praventionsforschung fragt nicht nach der Heilung, sondern nach der Prophylaxe einer Krankheit.

Man denke hierbei beispielsweise an die VerhUtung von UnfHllen bei Kindem im StraBenverkehr durch Verkehrsberuhigimg, bessere Verkehrserziehung von Kindem im Kindergarten, Kindersicherungen an Steckdosen sowie Abdeckungen von Brunnen und Gruben, effektive Kinderschutzsysteme im Auto. Auch das Einwirken auf Politik und Wirtschaft, Gesetzestexte zu gestalten, welche Krankheiten oder aber UnfHlle vermeiden helfen sollen, fUllt unter den Begriff der Pravention. Vgl. hierzu auch SchneeweiB/ Brunke (1999: 653). Vgl. hierzu http://www.sportmedizin.uni-paderbom.deA^ITAL&AKTIV/bibliothekT)ib/12146.htm, sowie Zapotoczky, Mechtler (1995). Vgl. hierzu auch S. 199.

206

Per inhaltliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel

Und gerade hier sollte auch eine Handhabung von Widerstanden gegen Wandel ansetzen. Die „Heilung" von Problemen ist im VerMndemngsprozess ohne Zweifel wichtig. Doch wichtiger ist es, Ansatze zu finden, Krankheiten im Vorfeld zu vermeiden oder bestimmten Schwachen des Organismus oder der Organisation bewusst zu begegnen. Im Rahmen der Medizin versteht man also unter Pravention im Allgemeinen die Gesamtheit der MaBnahmen zur Verhiitung und Friiherkennung von Krankheiten (oder Schaden im Allgemeinen). Pravention zielt somit auf die Ubemahme von Verhaltensweisen, welche dem Auflreten bestimmter negativer Ereignisse entgegenwirken und diese damit ausschliefien sollen.51'7 Kommt man nun, vor dem Hintergrund dieser Aufgabenstellung der Praventionsmedizin zuriick zu der Ausgangsfragestellung nach einer Methodik, welche im Rahmen eines praventiven Interventionsfensters Krankheiten oder Schwachen zu begegnen oder sie zu verhindem vermag, dann sind hier insbesondere drei Forschungsrichtungen zielfuhrend: • • •

die Genetik, das Anti Aging sowie die Immunforschung.

Zielfuhrend deshalb, da alle drei Forschungsbereiche mafigeblich praventiv agieren. Die klassische Heilung ist nicht deren primares Ziel. Aber was zeichnet diese Forschungsbereiche aus? Und inwiefem konnen sie eine Handhabung von Widerstanden gegen Wandel bereichem? Betrachtet man die vorliegende Thematik unter einer von dem Forschungsbereich der Genetik gepragten Perspektive, so lassen sich Ahnlichkeiten zwischen dem Erkenntnisobjekt Mensch und dem einer Organisation am Markt feststellen. So hat jede Organisation, gepragt uber die Person des Grunders oder den Kreis der Anteilseigner, am Anfang der Untemehmenshistorie, ahnlich dem genetischen Erbgut/-code (DNS) beim Menschen eine Denkart, einen bestimmten Wirkungskreis und eine zentrale Kultur auferlegt bekommen, die dem jeweiligen Grundverstandnis von Werten und Normen entspricht.^is Es liefie sich hierbei im Sinne Stringers auch von einem „genetic code" einer Organisation sprechen.^^^ Um diese Kultur als Teil oder String des genetischen Codes beispielsweise entwickelt sich die Untemehmung und verfestigt dabei auch ihre Grundsatze und Untemehmensphilosophie. Somit ist das Denken, Handeln und Verhalten der Grunderriege, gleichsam das genetische Erbmaterial, entscheidend fur den Umgang mit Themen wie etwa auch dem Wandel. Ahnlich wie das Umfeld des Menschen sein Verhalten determiniert und beeinflusst, etwa ob die Risikofaktoren fiir einen Herzinfarkt, wie z.B. das Rauchen, das fette Essen oder aber Bewegungsarmut gemieden werden, so entscheidet auch das soziookonomische Umfeld einer ^^^ ^^^ 519

Vgl. hierzu auch http://www.emphysem-info.de/grundlagen/screening.htm#praevention. Vgl. Wetlaufer (1999: 78). Hier spricht Nasser explizit von einer DNA von Organisationen. Vgl. Stringer (2000: 87).

Die professionelle „Change-Arena" - ein System der Prevention

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Organisation (Iber die Art und Weise der Entwicklimg der Untemehmung, ausgehend von den „genetischen Voraussetzungen". Das heifit, dass gewisseraiaBen eine nicht ausgepragte Change-Kultur eines Untemehmens, gepr^gt durch das SelbstverstSndnis des Griinders, erst dann die Keimquelle fiir WiderstSnde gegen Veranderungen darstellt, wenn die Predisposition auf eine Umweltkonstellation (z.B. Wettbewerbsbedingungen) trifft, die den Mangel (nicht ausgeprSgte Change-Kultur) gleichsam „aktiviert". Als Schlussfolgerung hieraus lasst sich formulieren, dass sowohl der Mensch als auch die Organisation eine erbliche Vorbelastung in positiver oder negativer Weise in sich tragen, welche die Anfalligkeit fur die Erkrankung (z.B. der Herzinfarkt beim Menschen) oder im Falle der Unternehmung das Scheitern von Wandelvorhaben, bedingt durch Widerstande gegen Veranderungen, beeinflusst. Eine solche Sichtweise spiegeh sich auch in den Ausf^hrungen von Stringer wider, welcher Organisationen, wie bereits angedeutet, auch mit der Genetik in Verbindung bringt, indem er sagt: „They [large companies; Anm. d.Verf.] seem to be "genetically" incapable of commercializing radical innovation, and they cannot bring themselves to learn by doing. ... Though the world demands more innovative organizations and the largest U.S. companies want to be innovative, most are poorly equipped to implement a growth strategy based on radical innovation because most large companies are genetically programmed to preserve the Status quo." ^^o „Small companies succeed in introducing more radical innovations because of their genetic makeup. [...] Given this picture of the kind of people most likely to commercialize a radical new invention and stick with a "crazy idea" until it either succeeds or fails, how have large companies tried to alter their own genetic code? " ^^^ Transferiert man diesen Gedanken nun in einen wirtschaftswissenschaftlichen Kontext, konnte sich beispielsweise ein Start-Up Untemehmen praventiv iiber einen zu implementierenden „genetic code", etwa im Sinne einer „kunstlichen Kultur" mit dem Zw^eck einer hohen Change-F^higkeit, bevvusst Gedanken machen und sich fragen, welche Werte und Normen, Leitbilder oder Lebensmodelle fiihren in dem jeweiligen Wirtschafts- und Branchenumfeld zu einer widerstandsminimierenden Change-Kultur und wie konnen diese implementiert und gelebt werden. Vielleicht ist dies ein Forschungsfeld zukunftiger Wirtschaftswissenschaft. .J^reventive Genetic Culturing'' im Sinne einer „Genmanipulation" vor dem Entstehungszeitpunkt einer Untemehmung zur Generierung von strategischen Wettbewerbsvorteilen. Diesem Gedanken folgend lieBe sich daim, um nicht lediglich auf Kultur beschrankt zu bleiben, von einem .J^reventive Genetic Engineering'' sprechen, womit dieser Disziplin alle Weg offen stehen zur Beratimg hinsichtlich change-begiinstigender und widerstandsminimierender Rahmenbedingungen. Damit entsteht eine Art „Organisationsgenetik", welche die besagten Rahmenbedingungen ftir eine auBerordentliche 520 521

Vgl. Stringer (2000: 71). Vgl. Stringer (2000: 74). Stringer vertieft jedoch den Begriff des „genetic codes" in seinen Ausflihrungen nicht weiter.

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Per inhaltliche Aspekt einer professionellen Handhabimg von WiderstMnden gegen Wandel

WandelfMhigkeit schaffen imd damit die Gefahr von negativen WiderstSnden gegen Change bereits vor einer GrUndung der Untemehmung, minimieren soil. Die bewusste Genese eines genetischen Codes einer zuktinftigen Organisation wird damit zum zentralen Thema vor der Griindung von Unternehmen. 1st die Organisation dann nach alien Richtlinien einer idealen ChangefMhigkeit gegrundet, vergeht die Zeit. Das Umfeld wandelt sich stetig, schnell und oftmals auch unbemerkt in der Hektik des operativen Geschafts. Die bewoisst geformten Rahmenbedingungen werden obsolet, da sie sich nicht mit dem Umfeld, oder sogar kontrSr zu diesem, gewandelt haben bzw. angepasst wurden. Sie veralten und werden damit der Intention einer extremen Wandelfahigkeit nicht mehr gerecht. Die Gefahr eines darwinistischen Selektionsprozesses durch den Markt wachst damit fur die Untemehmung. Das heifit: die Rahmenbedingungen altern. Demnach veraltet auch die Organisation. Wie der Mensch unterliegen sie einer Art „biologischem Zerfall". Die Zeitspanne des Alterungsprozesses und damit deren Uherleben am Markt wird lediglich determiniert durch deren genetische Ausstattung sowie von der richtigen „ Lebensstrategie ". Die Statik der Genetik, welche am Anfang der Untemehmung die Rahmenbedingungen fur ein Agieren am Markt gestaltet hat, aber danach den Prozess nicht mehr begleitet, gilt es aufzubrechen durch ein die Systeme in Bezug auf Selbstanpassung stimulierendes Tool. Ein Instrument, welches ein Veralten der genetischen Disposition, also von Werten, Normen, Strukturen und Ablaufen, verhindert. Die Medizin beschaftigt sich mit diesen Fragen im Rahmen der Anti-Aging Forschung. Der Organismus wird geboren und altert von dem ersten Moment an. Mit der Grundung einer Organisation beginnt auch diese bereits zu altem. Strukturen, Ablaufe und Regeln formieren und festigen sich. Erfolge und Misserfolge stellen sich ein, die ein Lemen generieren und Erfahrung aufbauen. Diese konnen der erste Schritt in die Verfestigung von Strukturen bedeuten. Die Organisation beginnt unweigerlich eine Tragheit zu entwickeln. Sicherlich ist diese oben beschriebene Entwicklung der Geburt eines Organismus primar nicht negativ zu sehen, zumal die Entwicklung des menschlichen Korpers in den ersten 20 Jahren den Organismus starkt. Abnutzungen des Bewegungsapparates stellen sich jedoch in Folge der Alterung ein. Damit oft verbunden sind Schmerzen. Ein Anti-Aging soil, wie der Name bereits sagt, ein Veralten des Organismus bedeutend verlangsamen und die Phase der Kraft und Ausdauer verlangem. Damit kann diese Forschungsrichtung der Medizin auch fiir Organisationen von hoher Bedeutung sein. Nun sind die Rahmenbedingungen bewusst auf Wandelfahigkeit abgestimmt und deren Anpassung im Laufe der Zeit an Umfeldveranderungen sichergestellt. Das heifit, dass eine optimale Change-Arena geschaffen ist, in welcher sich aber dennoch Widerstande gegen Wandel ergeben. Die Rahmenbedingungen existieren, werden aber dessen ungeachtet nicht ausgefullt. Die Organisation ist statisch ahnlich einem Organismus, welcher in perfekten Lebensbedingungen trotzdem erkrankt. Jedoch soil damit nicht der Eindmck entstehen, dass eine Erkrankung das System nicht auch starken kann, zumal damit ein Lemen in Gang gesetzt

Die professionelle „Change-Arena" - ein System der Pravention

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und eine Wissensbasis generiert wird, die helfen kann, ahnliche Fehler zukiinftig zu vermeiden. Das Prinzip der Immunisiemng arbeitet letztlich nach diesem Muster, indem dem Korper nicht virulente Erreger gespritzt werden, auf welche sich das System dann einzustellen vermag, indem es Antigene produziert. Jedoch komien viele Krankheiten das System iShmen und zu sehr mit der Heilung beschaftigen. Der Forschungsbereich der Medizin bedient sich in dieser Situation der eben angedeuteten Immunisierung. Sie bereitet den Organismus ohne Schaden praventiv auf den Befall einer Krankheit vor. Der K6rper erkennt die Gefahr im Falle einer Infektion und kann sich dagegen wehren. Dieses Prinzip der Immunisierung kann Organisationen dahingehend bereichem, dass sie sich Gedanken machen, welche Systeme sie benotigen, um eine Changefahigkeit zu leben und in das operative Tagesgeschaft zu integrieren. Der Illusion einer detaillierten Steuerbarkeit von Wandel sich hinzugeben, ist Selbstbetrug. „Dieser unbeirrbare Glaube an die Gestaltbarkeit uberrascht, wird uns doch taglich die begrenzte Steuerbarkeit von Systemen vor Augen geftlhrt." ^^^ Systeme mussen institutionalisiert werden, welche als Katalysatoren fur Wandel dienen. Die Rede ist hierbei von selbstregulierenden Systemen, welche die Eigendynamik der Betroffenen untersttitzt und diese zur Selbststeuerung ermutigt. Eine Immunisierung soil solche Systeme im Untemehmen bewusst einfugen und damit die Organisation in ihren Einheiten mit einer Wandelfahigkeit erfullen. Fasst man die drei angesprochenen Methoden Organisationsgenetik, Anti-Aging und Immunisierung zusammen, ergibt sich zunachst folgendes, vereinfachtes Bild eines Systems der Pravention von Widerstanden gegen Wandel.

522

vgl. WUthrich, Winter, Philipp (2001:85).

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Der inhaltliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel Organisationsgenetik kreiert optimale Changebedingungen

Anti-Aging (versucht die Rahmenbedingugen dem sich wandelnden Umfeld anzupassen)

Abbildung 35:

Immunisierung gegen Widerstflnde (katalysiert solbstregullerende Systeme die den Wandel perpetuieren, da Change nicht unmittelbar zu managen ist)

Das System der PrSvention

Optimale Rahmenbedingimgen werden geschaffen und gemSB dem sich wandelnden Umfeld der Organisation stetig angepasst. Gleichzeitig werden Systeme institutionalisiert, die garantieren sollen, dass die Organisation von innen heraus, also mittels der Mitarbeiter selbst, den Wandel standig lebt. Eine Immunisierung und ein „Anti-Aging^' Programm miissen demnach direkt an eine „Organisationsgenetik^' anschlieBen und sich im Sinne einer WiderstandsprMvention erganzen. Das fiihrt znr Schlussfolgerung, dass eine Prevention von Widerstanden gegen Wandel sich viel mehr mit den Gebieten einer „Organisationsgenetik^S eines „Anti-Aging", sowie mit dem Forschungsfeld der Immunologie auseinandersetzen muss, um neue Erkenntnisse filr eine wandelfahige, das heiBt, nicht widerstandsbelastete, Organisation zu finden. Im Folgenden soil nun aufgezeigt werden, was man unter „Organisationsgenetik", „AntiAging" Oder, besser ausgedriickt, „Organizational-Anti-Aging" sowie einer Immunisierung im Kontext von Widerstanden gegen Wandel verstehen kann.

Die professionelle „Change-Arena" - ein System der PrSvention 5.2.2.

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Praventive Methodik - Analogien aus der Medizin

An dieser Stelle der Arbeit angelangt, sollte man sich noch einmal der eigentlichen Intention der Arbeit bewusst werden.^^s Die Intention der Arbeit ist das Schaffen eines Bewusstseins, welches es erlaubt, Probleme im Zusammenhang mit notwendigen Verandemngen a priori zu begegnen. Damit verbunden ist die Intention der Kreation einer „optimalen Change-Arena". Diese soil die optimalen Kriterien oder Rahmenbedingungen bezuglich Wandelfahigkeit, bezogen auf eine spezifische Organisation, in einem bestimmten Markt, mit einer gewissen, angestrebten Leistimg liefem imd so deren langfristige Evolution gestalten. Dem Leser gilt es nun die Machbarkeit dieser Intention zu zeigen, indem drei mogliche, ineinandergreifende Methoden einer praventiven Handhabung von WiderstSnden gegen Wandel aufgezeigt werden.524 Wichtig zu verstehen ist, dass die Genese einer „optimalen Change-Arena" nicht einen detaillierten Plan einer Wandelepisode liefem soil, sondem das Spielfeld fur eine gute Partie. Niemand v ^ d e auch nur im Traum daran denken, ein FuBballspiel derart zu planen, dass tatsachlich festgelegt wird, wer warm den Ball an wen abspielen soil und wer wann den Ball verlieren muss, so dass anschliefiend der Gegner mit einem Fallruckzieher ein spektakul^res Tor schieBen kann. WSre FuBball derart geplant, ware dieser Sport morgen vergessen. Stattdessen werden die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass, zumindest meist, sich ein spannendes Spiel entwickeln kann. In Organisationen tendiert man jedoch genau dazu, nicht die Rahmenbedingungen fiir das Spiel zu gestalten, sondem den Spielverlauf zu planen. Die Analogien der Genetik, des Anti-Aging und der Immunologic bewegen sich bewusst auf einer abstrakten Ebene, da man nur damit der Mannigfaltigkeit der zu fmdenden Situationen gerecht werden kann. Die Analogien dienen der Veranschaulichung der Methode, der Anregung, sein eigenes Umfeld zu analysieren und Selbstverstandlichkeiten neu zu hinterfragen. ^Preventive Genetic Engineering^' - Organisationsgenetik als Instrument eines strategischen Change-Managements Der hier verfolgte Gedanke entspringt dem Forschungsfeld der Genetik, insbescndere auch der Praimplantationsdiagnostik.525 Warum aber der Genetik, mag man sich an dieser Stelle fragen. Die Antwort hierauf ist in zweierlei Hinsicht einfach.

^23 524

525

Siehe hierzu auch S. 55f. der Arbeit. Die Handhabung von Widerstanden gegen Wandel vor diesem Hintergrund ist immer im Sinne einer PraventivmaBnahme zu sehen, womit letztlich nicht die Auseinandersetzung mit der Situation des Widerstands selbst verbunden ist, wie auch in dieser Arbeit vertreten wird, sondem die grundsatzliche, vorzeitige Abwehr dieser Lage. Zukllnftig soil die FID es ermOglichen, im Reagenzglas befruchtete Eizellen vor dem EinspUlen in die Gebarmutter auf genetische Defekte hin zu untersuchen. Vgl. Spiegel, Nr. 20/14.05.01, S. 241.

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Der inhaltliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel

Zum Einen intendiert die Genetik, die Zusammensetzung der elementaren Bausteine des Lebens derart zu verandem, dass Krankheiten, beispielsweise beim Menschen, im Vorfeld eliminiert werden.^^e gig setzt somit ganz klar die Pravention und nicht die Heilung in den Vordergnmd ihrer Forschimg. Postuliert man eine intelligente Handhabung von Widerstanden gegen Wandel, so kann letztlich auch nur deren Pravention als „h6chste Stufe der Kunst" gelten. Denn Pravention von Widerstanden impliziert das Verstandnis des Gesamtprozesses, beginnend bei der Erkenntnis der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit Widerstanden, den Grunden ihrer Entstehimg und den Wirkungsweisen in sozialen Systemen. Ahnlich wie in der Genetik, verlangt es auch hier nach einem tiefen Verstandnis der die WiderstSnde auslosenden Faktoren. Denn an diesen muss ein PrSventionsansatz wirken. Zum Zweiten impliziert die Genforschung ein Denken der Machbarkeit.^^? D^S soil heifien: Die primare Aufgabe und der Reiz bestehen in der Schaffung von „Neuem", nicht Existentem. Die Genforschung ist demnach verbunden mit einem schopferischen Akt, welcher die Gegenwart von tradierten Pramissen a priori negiert. Die Faszination liegt darin, dass es einem „genetic engineering" moglich ist, aus einem Pool von Genen jene Kombination zu wahlen, die seinem Ziel der Pravention am besten dient, und dabei etwas Neues zu kreieren. Die Genforschung versucht uber die Analyse der Informationen in den Genen des Menschen, die Basiselemente der DNS zu rekombinieren, um darin enthaltene ungiinstige oder etwa lebensbedrohliche Informationen positiv zu verandem. Ein weiteres Ziel kann aber auch sein, vorhandenes defektes Genmaterial so zu reparieren, dass eine verbesserte Bedingung einer spezifischen Umweltkonstellation geschaffen wird. Das entscheidende Novum der Analogic zur Genetik, aus welchem man fiir die Handhabimg bzw. Prevention von Widerstanden gegen Wandel oder aber fUr die gesamte Betriebswirtschaftslehre lemen kann, ist die Tatsache der bewussten Schaffung eines zieloptimalen Organismus. Zieloptimal in Bezug auf Widerstande gegen Wandel heifit: die Schaffung einer Untemehmung, die eine Wandelfahigkeit als Basiselement in alien seinen Facetten, in seiner Struktur, Kultur, in seinem sozio-okonomischen Umfeld, in seinem Change-Modus sowie in der Mentalitat der Organisationsmitglieder integriert und umsetzt. Der Untemehmer wird damit zu einem betriebswirtschaftlichen Organisationsgenetiker. Gleichzeitig hat dieser preventive Ansatz der Organisationsgenetik auch eine Verbindung zu einem strategischen Management, da auch hier der Gedanke einer geplanten Evolution des Untemehmens verfolgt wird.^^s Ublicherweise steht am Anfang eines jeden Untemehmens die Marktidee. Businessplane werden ersteUt. Finanzielle Ressourcen werden tiberpruft. Mitarbeiter werden engagiert. Dies insbesondere hinsichtlich deren Fahigkeit, Teilaufgaben erfolgreich bewaltigen zu konnen. 526 527

528

Vgl. hierzu auch Hennig (2002). Machbarkeit heifit der tiefe Glaube an die MOglichkeit einer nutzenstiftenden Manipulation von Erbinformationen zur Prevention von menschlichem Leid durch Krankheit. Freilich soil vor diesem Hintergrund nicht einer Naivitat verfallen werden, welche wirtschaftliche Hintergrtinde unberUcksichtigt lasst. Jedoch soil jegliche ethische Diskussion der Thematik „Gentechnik" hier nicht weiter vertieft werden. Vgl. Kirsch (1990).

Die professionelle „Change-Arena" - ein System der Pravention

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Aber sicherlich auch beziiglich deren Fahigkeit, sich in ein Team integrieren zu konnen. Wer aber denkt in dieser turbulenten Phase einer Untemehmensgriindung schon daran, bewusst eine Untemehmenskultur und Organisationsstruktur des Wandels zu kreieren im Sinne eines bewussten schopferischen Aktes und Mitarbeiter gemSB einer optimalen Change-Mentalitat nur einzustellen? Wer stellt sich in diesem Stadium die Frage nach einem bestmOglichen sozio-okonomischen Feld fur sein Vorhaben? Organisationsgenetik schafft diese konzeptionelle Gesamtsicht einer zukunftigen Untemehmung. Das heifit, die preventive Abstimmung der Geschaftsidee mit den entscheidenden, im Bezugsrahmen dieser Arbeit diskutierten Determinanten des Wandels unter der MaBgabe der Zielvorgaben der Untemehmensgriinder bzw. -fuhrer.529' 530.531 ^iel ist es, die Evolution eines zukunftigen Untemehmens langfristig in einem vom Wandel stark gepragten Umfeld zu planen und zu steuem.532 Wie kSnnte man sich einen solchen Prozess vorstellen? Am Beginn des Prozesses steht die Geschaftsidee, welche den Wirkungskreis und auch den Zweck der zukunftigen Organisation beschreibt. Bereits die Geschaftsidee legt fest, wie stark diese zukiinftige Untemehmung in ihrem Umfeld mit Wandel konfi-ontiert werden wird. Man denke hier beispielsweise an den Markt der Computertechnik, welcher eine extreme Wandelfahigkeit impliziert und hohe Innovationszyklen mit sich bringt, im Gegensatz zu dem Markt der Hochdruckkompressorentechnik in etwa, in welchem, aufl)auend auf der Basistechnologie, uber die letzten 55 Jahre nur in kleineren Schritten Entwicklung stattgeftmden hat.533 Die Geschaftsidee beschreibt also den Markt und dessen Veranderungsgeschwindigkeit. Genau dieser Veranderungsgeschwdndigkeit des Marktes muss eine Organisationsgenetik im Vorfeld Rechnung tragen. Die Gene bzw. die Parameter der Untemehmung sind dabei die unterschiedlichen AusprSgungsformen der Determinanten des Wandels:

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531 532 533

Die entscheidenden Faktoren unter der MaBgabe optimaler ChangefUhigkeit zur Verhinderung von Widerstanden gegen Wandel kOnnten vor dem Hintergrund des in dieser Arbeit vorgestellten Bezugsrahmens beispielsweise die Einflussfaktoren des Wandels sein. Vgl. hierzu die AusfUhrungen auf Seite 60ff, Setzt man den Begriff praventive Organisationsgenetik gleich mit der Abstimmung aller denkbaren und gewtlnschten Faktoren einer Untemehmung gleichsam als schopferischen Akt vor die GrUndung einer Untemehmung selbst, so kann dem Terminus der prftventiven Organisationsdiagnostik die Analyse und Handhabung von Problemen in bestehenden Unternehmen i.S. auch einer Frtihaufklamng zu Teil werden. Im weiteren soil zwischen diesen beiden Begriffen jedoch nicht weiter unterschieden werden. Vgl. auch zur konzeptionellen Gesamtsicht der Untemehmensentwicklung S. 16f. Vgl. Kirsch (1990: 243). Freilich spielt hierfUr eine Unzahl an Faktoren eine entscheidende Rolle. Jedoch soil die Aussage Uber eine schnelle oder langsame technische Entwicklung des Marktes in keinem Fall eine qualitative Wertung Uber den Markt als solchen darstellen.

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Per inhaltliche Aspekt einer professionellen Handhabung von Widerstanden gegen Wandel CHANGE IVANAGEMENr • DIE HANPHABUNG VON WIDERSTANE)EN Z Bsene: Detemninanten des Change 2 IM«