Bioquimica de La Cerveza Aleman [PDF]

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Zitiervorschau

Ausgewählte Kapitel der Brauereitechnologie Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Werner Back

Unter Mitarbeit von: Dipl.-Ing. Ingrid Bohak, Dr.-Ing.Torsten Dickel, Dr.-Ing. Oliver Franz, Dr.-Ing. Martina Gastl, Dipl.-Ing. Stefan Hanke, Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Klaus Hartmann, Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Markus Herrmann, Dr.-Ing. Dietmar Kaltner, Dr.-Ing. Matthias Keßler, Dr.-Ing. Stefan Kreisz, PD Dr.-Ing. habil. Martin Krottenthaler, Dr.-Ing. Dipl.-Chem. Florian Kühbeck, Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Ralf Mezger, em. Univ.-Prof. Dr. agr. Ludwig Narziß, Dr.-Ing. Mark Schneeberger, Dr.-Ing. Christina Schönberger, Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Elmar Spieleder, Dr.-Ing. Frithjof Thiele, Dipl.-Ing. Kornel Vetterlein, Dipl.-Ing. Sascha Wunderlich, Dipl.-Ing. Michael Wurzbacher, Dipl.-Ing. (FH) Martin Zarnkow, Dr.-Ing. Achim Zürcher Die Autoren bedanken sich bei der Sekretärin des Lehrstuhls, Frau Daniela Schulte, für die wertvolle Unterstützung.

Impressum Haftungsausschluss Alle Angaben in diesem Buch wurden von den Autoren nach bestem Wissen erstellt und gemeinsam mit dem Verlag mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. Dennoch lassen sich (im Sinne des Produkthaftungsrechts) inhaltliche Fehler nicht vollständig ausschließen. Die Angaben verstehen sich daher ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie seitens der Autoren oder des Verlages. Autoren und Verlag schließen jegliche Haftung für etwaige inhaltliche Unstimmigkeiten sowie für Personen-, Sach- und Vermögensschäden aus.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2008 Fachverlag Hans Carl GmbH, Nürnberg, 2. aktualisierte Auflage Alle Rechte vorbehalten Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme. Titelbild: Dr.-Ing. Christina Schönberger Satz: Verlagsservice Rohner,Tegernheim ISBN 978-3-418-00910-0

Vorwort

Vorwort Die 2. Auflage des Fachbuchs „Ausgewählte Kapitel der Brauereitechnologie“ bietet dem praktizierenden Technologen ein noch umfassenderes Nachschlagewerk als die im Jahr 2005 veröffentlichte Ersterscheinung. So wurden aktuelle Forschungsergebnisse aufgenommen und die Texte auf den neusten Stand gebracht. Insbesondere die Kapitel Hopfen, Würzekochung, Hefetechnologie und Gärung, Filtrierbarkeit, Geschmacksstabilität sowie Bierbereitung mit vermälzten und unvermälzten Zerealien und Pseudozerealien wurden intensiv überarbeitet. Die bewährte Strukturierung nach Themenschwerpunkten, die den Brauereitechnologen tagtäglich beschäftigen, wurde beibehalten. Mit der komplexen Darstellung der einzelnen Themen werden dem Praktiker und dem Studierenden die technologischen Zusammenhänge und das technologische Verständnis eindrucksvoll vermittelt. Besonderer Wert wurde auf eine übersichtliche Darstellung biochemischer und prozesstechnischer Grundlagen gelegt, damit die Erkenntnisse in der Praxis umgesetzt werden können. Bewährt hat sich auch der am Ende der einzelnen Kapitel aufgeführte Überblick, in dem unter anderem auf Probleme, Ursachen und Lösungen eingegangen wird. Neu ist der erweiterte Anhang mit den Standardwerten der Würze- und Bierinhaltsstoffe sowie der Bieraromastoffe und höheren Alkohole. Ich bedanke mich beim Mitarbeiterteam meines Lehrstuhls für die engagierte und fachkundige Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung der einzelnen Themen sowie bei meinem Vorgänger Ludwig Narziß für die wertvollen Hinweise aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz. Mein Dank gilt auch dem Fachverlag Hans Carl für die Bereitschaft, eine überarbeitete Auflage dieses Handbuchs zu veröffentlichen.

Werner Back

Freising, Oktober 2008

Inhaltsverzeichnis Vorwort

3

Malz 1 Einleitung 2 Malzqualitätsmerkmale von Gerste und Weizen 2.1 Qualitätsmerkmale von Gerstenmalz 2.2 Qualitätsmerkmale von Weizenmalz 2.3 Lebensmittelsicherheit 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

9 10 10 10 16 18 18 20 21

Hopfen 1 Einleitung 1.1 Wertgebende Substanzen des Hopfens 1.2 Hopfenprodukte 1.3 Analytik 2 Spezielle Aspekte der Hopfung 2.1 Hopfengabe 2.2 Bitterstoffausbeute 2.3 Schaum 2.4 Mikrobiologie 2.5 Dosage von Downstream-Produkten 2.6 Hopfenlagerung 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

23 24 25 29 30 32 32 42 43 44 44 45 47 48 49

Maischen 1 Einleitung 2 Technologie des Maischens 2.1 Maischparamerter 2.2 Ausgewählte Maischverfahren 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

59 60 60 62 68 71 72 73

Inhaltsverzeichnis Würzekochung,Würzekochsysteme 1 Einleitung 2 Technologische Grundlagen zur Würzekochung 2.1 Heißhaltung 2.2 Verdampfung 2.3 Gegenseitige Beeinflussung der analytischen Eckwerte bei der Würzekochung 2.4 Moderne Kochsysteme 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

75 76 76 76 77 83 85 101 102 106

Biologische Säuerung 1 Einleitung 2 Technologie der Sauergutherstellung 2.1 Milchsäurekulturen 2.2 Vorteile der biologischen Säuerung 2.3 Kultivierung und Herführung der Milchsäurekulturen 2.4 Sauergutgewinnung 2.5 Berechnung der benötigten Milchsäuremenge 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

109 110 111 111 112 115 115 118 119 120 121

Hefetechnologie und Gärung 1 Einleitung 2 Hefezustand, Hefebehandlung und Gärung 2.1 Hefeviabilität und Hefevitalität 2.2 Hefeherführung und Assimilation 2.3 Anstelltechnologie und SO2-Bildung 2.4 Gärung 2.5 Erntehefebehandlung 2.6 Reifung und Lagerung 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

123 124 124 124 127 135 141 144 146 148 150 154

Inhaltsverzeichnis Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik 1 Einleitung 2 Einflussgrößen auf die Filtrierbarkeit von Bier 2.1 Der Einfluss der Malzqualität auf die Filtrierbarkeit von Bier 2.2 Der Einfluss der Sudhausarbeit auf die Filtrierbarkeit von Bier 2.3 Der Einfluss von Gärung und Lagerung auf die Filtrierbarkeit von Bier 2.4 Stufenkontrolle für die Filtrierbarkeit von Würze und Bier 2.5 Der Einfluss der Filtration auf die Trübung von Bier 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

157 158 158 160 160 161 162 164 167 168 171

Bierschaum 1 Einleitung 2 Aspekte des Bierschaums 2.1 Grundlagen der Schaumphysik 2.2 Biochemische und technologische Aspekte des Bierschaums 2.3 Technologischer Einfluss auf den Bierschaum 2.4 Methoden zur Bestimmung der Schaumhaltbarkeit 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

173 174 174 174 175 176 179 179 180 184

Sensorik 1 Einleitung 2 Sensorik in der Brauindustrie 2.1 Sensorische Beurteilung von Bier 2.2 Auswahl und Schulung eines Verkosterpanels 2.3 Statistik in der Sensorik 2.4 Technologische Möglichkeiten zur Beeinflussung der Sensorik 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

187 188 188 189 194 198 201 202 203 207

Geschmacksstabilität 1 Einleitung 2 Aspekte der Geschmacksstabilität 2.1 Grundlagen 2.2 Technologische Möglichkeiten zur Beeinflussbarkeit der Geschmacksstabilität 2.3 Analytische Beurteilung der Geschmacksstabilität

211 212 212 212 218 229

Inhaltsverzeichnis 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

239 240 243

Weizenbier 1 Einleitung 2 Technologie der Weizenbierherstellung 2.1 Grundlagen 2.2 Rohstoff Weizen und Malzschüttung 2.3 Maischen 2.4 Würzekochung 2.5 Gärung 2.6 Reifung 2.7 Alterung des Weißbieres 2.8 Besonderheiten der Weißbierherstellung 2.9 Trübungsstabilität Weizenbier 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

249 250 250 250 254 255 257 257 259 260 260 261 261 262 265

Alkoholfreies Bier 1 Einleitung 2 Verfahren zur Herstellung alkoholfreier Biere 2.1 Physikalische Verfahren 2.2 Biologische Verfahren 2.3 Kombination der Verfahren 2.4 Wirtschaftliche Aspekte 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

267 268 258 268 279 282 282 283 284 286

Prozessbiere 1 Einleitung 2 Verwertung von Prozessbieren 2.1 Bedeutung des Bierschwandes 2.2 Rückgewinnung von Bier aus Überschusshefe 2.3 Vor-, Zwischen- und Nachläufe 2.4 Sonstige Prozessbiere 2.5 Vermeidung von Prozessbieren 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

289 290 290 290 291 294 295 296 297 299 299

Inhaltsverzeichnis Bier und Gesundheit 1 Einleitung 2 Gesundheitliche Bedeutung von Bier 2.1 Ernährungsphysiologisch interessante Bierinhaltsstoffe 2.2 Bier als wertvoller Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung 2.3 Anreicherung bzw.Vermeidung besonderer Inhaltsstoffe im Bier 3 Zusammenfassung 4 Literatur

301 302 302 302 308 312 315 316

Mikrobiologie 1 Einleitung 2 Mikroorganismen 2.1 Kulturhefen 2.2 Fremdhefen 2.3 Bierschädliche Bakterien 2.4 Nachweis von Bierschädlingen 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

319 320 323 324 324 326 329 335 336 341

Bierbereitung mit vermälzten und unvermälzten Zerealien und Pseudozerealien 1 Einleitung 2 Kohlenhydratreiche Körner 2.1 Getreide (Zerealien) 2.2 Pseudogetreide (Pseudozerealien) 3 Zusammenfassung 4 Überblick 5 Literatur

343

Anhang 1 Auszug Vorläufiges Biergesetz 2 Würzeinhaltsstoffe 3 Bierinhaltsstoffe 4 Bieraromastoffe und höhere Alkohole 5 Alterungsindikatoren

371 372 374 378 380 381

Stichwortregister

382

Abkürzungsverzeichnis

392

344 346 348 361 362 363 364

Malz

Malz

9

Malz

1

Einleitung

Die Malzqualität hat einen wesentlichen Einfluss auf den Bierbereitungsprozess und die Qualität des fertigen Bieres. Sowohl einzelne Produktionsschritte wie das Läutern, die Gärung und die Filtration als auch wichtige Merkmale des Bieres wie z. B. Geschmack, Farbe, Schaum und Stabilität werden durch die Malzqualität grundlegend beeinflusst. Braumalz wird hauptsächlich aus Braugerste erzeugt, für Spezialbiere wie z. B.Weizenbier auch aus Weizen und anderen Zerealien wie z. B. Roggen oder Hafer (vgl. Kapitel Zerealien und Pseudozerealien). Die Gerste ist ein Naturprodukt und unterliegt regionalen wie jahrgangsbedingten Qualitätsschwankungen. Es ist die handwerkliche Aufgabe des Mälzers, diese Schwankungen so gut wie möglich zu egalisieren und eine möglichst homogene und konstante Malzqualität für die Brauereien zur Verfügung zu stellen. Der Qualitätsanpassung in der Mälzerei sind aber natürliche wie ökonomische Grenzen gesetzt. Die Erhaltung des hohen Qualitätsniveaus, das Braumalz und die Braugerstenzüchtung in Deutschland erreicht haben, ist Aufgabe der gesamten Verarbeitungskette vom Landwirt bis zum Brauer. Mit der Auswahl der Gerstensorte und der Malzqualität und damit der Angabe von Norm- und Grenzwerten für die analytisch feststellbaren Malzanalysenmerkmale bestimmt der Brauer die für die jeweilige Biersorte notwendige Rohstoffqualität. Es sollten bei der Auswahl der Analysenmerkmale sowohl die Genauigkeit der Analysen als auch Interaktionen verschiedener Merkmale beachtet werden. Bei der Ermittlung der Ergebnisse sollte eine sorgfältige Durchführung gewährleistet sein. Die in Deutschland geläufigen Analysenvorschriften sind von der Mitteleuropäischen Brautechnischen Analysenkommission (MEBAK) bzw. von der European Brewery Convention (EBC) in Methodensammlungen veröffentlicht worden [1, 2]. Bevor auf die einzelnen Analysenmerkmale eingegangen werden kann, soll auch an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Qualität der Malzanalyse und damit die Qualität der Beurteilung einer Malzpartie ganz entscheidend von einer repräsentativen Probenahme abhängt. Dementsprechend sind bei der Probenahme und Probenvorbereitung wichtige, bereits mehrfach veröffentlichte Regeln einzuhalten [1, 3].

2

Malzqualitätsmerkmale von Gerste und Weizen

2.1

Qualitätsmerkmale von Gerstenmalz

Die Gerstenmalzanalytik beschreibt vor allem die drei nach den Hauptbestandteilen des Korns eingeteilten Lösungsvorgänge Cytolyse, Proteolyse und Amylolyse. Der möglichst gleichmäßige und vollständige Abbau der Zellwände und das richtige Maß der Proteinlösung sind durch den Einsatz moderner Brauverfahren mit Einmaischtemperaturen über 60 °C bereits alleinige Aufgabe des Mälzers geworden. Damit steigt die Bedeutung der Malzqualität vor allem für den reibungslosen Ablauf der Produktion. In großen Brauereien mit bis zu zwölf Suden pro Tag ist durch die zeitlichen Vorgaben des Ablaufes im Sudhaus eine Korrektur dieser Lösungsvorgänge durch das individuelle Anpassen der Temperaturen und Rasten an die Malzqualität nicht mehr vorgesehen. In diesen Fällen beschränkt sich die Maischarbeit hauptsächlich auf die Amylolyse und damit auf den Abbau von Amylose und Amylopektin auf das gewünschte Maß (vgl. Kapitel Maischen).

10

Malz 2.1.1

Cytolyse

Die Cytolyse beschreibt den Abbau der Stütz- und Gerüstsubstanzen in der Umhüllung der stärkeführenden Zellen des Mehlkörpers. Abgebaut werden Strukturproteine und Zellwandpolysaccharide, vor allem β-Glucan. Ein weitgehender Abbau der Gerüstsubstanzen beim Mälzen ermöglicht einen leichteren enzymatischen Angriff der Mehlkörperstärke während des Maischens und folglich auch höhere Ausbeuten im Sudhaus. Umgekehrt führt eine knappe Zellwandlösung einerseits zu Ausbeuteverlusten im Sudhaus, andererseits zur Überführung hoher Mengen hochmolekularen β-Glucans in lösliche Form. Ältere Quellen attestieren hochmolekularem β-Glucan eine günstige Wirkung für Schaum und Vollmundigkeit. Solange β-Glucan nicht in Gelform vorliegt, sind Mengen bis ca. 350 mg/l technologisch unproblematisch. Neuere Forschungsarbeiten konnten aber nicht bestätigen, dass β-Glucan in einem technologisch vertretbaren Bereich einen reproduzierbaren Einfluss auf den Bierschaum und die Vollmundigkeit hat [4, 5, 6]. β-Glucangel kann bereits in geringen Mengen von 10–15 mg/l, die nur wenig über der verlässlichen Nachweisgrenze liegen, zu Filtrationsstörungen führen (vgl. Kapitel Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik). Als besonders anfällig haben sich in diesem Zusammenhang Maischverfahren mit hoher Einmaischtemperatur von über 60 °C gezeigt. Bei Maischtemperaturen im Bereich von 60 bis 65 °C beobachtet man eine starke Freisetzung von noch in den Zellwänden gebundenem β-Glucan durch das Enzym β-Glucan-Solubilase. Ein Abbau dieses hochmolekularen Anteils kann jedoch nicht mehr stattfinden, da die dafür verantwortlichen Endo-β-Glucanasen bereits ab 52 °C inaktiviert werden. Somit führen Brauverfahren mit hoher Einmaischtemperatur bei gleicher Malzqualität stets zu höheren Gesamt-β-Glucangehalten in Würze und Bier und erfordern deshalb einen Rohstoff mit besonders starker Zellwandlösung (vgl. Kapitel Maischen). Verschiedene Kennzahlen werden zur Beschreibung des Ausmaßes der Cytolyse herangezogen. Als einfache und schnell zu ermittelnde Kennzahl hat sich der Friabilimeterwert erwiesen. Mit dem Friabilimeter wird die Zellwandlösung über die „Mürbigkeit“ der Malzkörner ermittelt und durch die Anzahl der ganzglasigen Körner kann eine Aussage über die homogene Verarbeitung der Gerste in der Mälzerei gegeben werden. Eingehende Untersuchungen von SACHER [7], in die viele Beobachtungen aus der Praxis einflossen, zeigten, dass entgegen früheren Auffassungen der Friabilimeterwert bei hohen Einmaischtemperaturen mindestens 85 % betragen sollte und nach oben hin nicht beschränkt werden muss. Hohe Mürbigkeitswerte sind kein generelles Kennzeichen einer Überlösung, solange dies nur für die Zellwandlösung nicht aber gleichzeitig für die Eiweißlösung gilt. Als weitere Merkmale für die Beurteilung der Cytolyse gelten die Viskosität der Kongresswürze, die Viskosität der 65-°C-Maische, die β-Glucangehalte der Kongresswürze und der 65-°C-Maische sowie die Homogenität und die Modifikation des Malzes. Dabei ergeben die Werte der 65-°C-Maische eine bessere Aussage als die Werte der Kongressmaische. Das Kongressmaischverfahren beinhaltet durch die 45-°C-Rast einen längeren β-Glucanabbau und durch das sofortige Aufheizen auf 70 °C nur eine unzureichende β-Glucan-Solubilase-Rast. Damit werden Unterschiede in der cytolytischen Lösung von Malzpartien nicht ausreichend erfasst. Die isotherme 65-°C-Maische stellt diese Unterschiede durch die hohe Einmaischtemperatur und die intensive β-Glucan-Solubilase-Rast deutlicher dar. Teilweise wird auch die Differenz zwischen den 11

Malz Ergebnissen der Kongress- und der 65-°C-Maische als Beurteilungskriterium herangezogen. Ausdrücklich sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sowohl die MEBAK als auch die EBC die Mehl-Schrot-Differenz (Extraktdifferenz) wegen der Ungenauigkeit der Analyse gestrichen und durch die oben genannten Analysen ersetzt hat. Auf Basis von statistischen Auswertungen in Kombination mit Praxisversuchen haben sich folgende Analysenmerkmale und Grenzwerte bei hohen Einmaischtemperaturen als sinnvoll erwiesen. Friabilimeter

> 85 %

Ganzglasige Körner

75 %

Tabelle 1: Cytolytische Malzanalysenmerkmale für Maischverfahren mit hohen Einmaischtemperaturen. Für die Praxis hat es sich bewährt, die Bestimmungen der Viskosität der VZ 65 °C und des Friabilimeterwertes (inkl. ganzglasiger Körner) sowie der Homogenität als Routineuntersuchungen durchzuführen und nur im Zweifelsfall (Über- bzw. Unterschreitung der Grenzwerte) die Analyse durch die restlichen Analysen der Tabelle 1 zu erweitern. Die Interpretation der Ergebnisse wird wie folgt empfohlen:Werden die Messwerte der oben aufgeführten Analysen in mindestens zwei Fällen unter- bzw. überschritten, so ist durch den Einsatz dieses Malzes bei hohen Einmaischtemperaturen mit Schwierigkeiten im Bereich Läuterung und Filtration zu rechnen. Werden im Gegensatz dazu die Grenzwerte eingehalten und treten trotzdem Filtrationsstörungen auf, sind diese mit großer Wahrscheinlichkeit auf Fehler in der Brauereitechnologie zurückzuführen (vgl. Kapitel Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik). Überschreitet nur ein Messwert den Grenzwert, so ist die Analyse auf jeden Fall zu wiederholen. Sowohl die Messung der ganzglasigen Körner als auch die der β-Glucane weisen zum Teil sehr schlechte Vergleichbarkeiten auf. Die dazugehörigen statistischen Auswertegrundlagen können der Methodensammlung der MEBAK entnommen werden. Niedrige Homogenitätswerte und ein überproportional starker Anstieg der Viskosität sowie der β-Glucane von der Kongresswürze zur Würze der 65-°C-Maische weisen auf eine Mischung von sehr gut gelösten und zu knapp gelösten Malzen hin [7].

2.1.2

Proteolyse

Die Proteolyse beschreibt den Abbau des Kornproteins und dessen Überführung in eine nieder-, mittel- und hochmolekulare lösliche Form. Während sich hohe Werte der Zellwandlösung der

12

Malz Bierqualität gegenüber neutral verhalten, aber die Verarbeitbarkeit verbessern, sind überhöhte Eiweißlösungen als ebenso nachteilig zu sehen wie zu geringe. Eine zu niedrige Eiweißlösung birgt die Gefahr der Unterversorgung der Hefe mit assimilierbaren Stickstoffverbindungen. Folgen sind eine zu geringe Hefevermehrung und die Bildung von unerwünschten Gärungsnebenprodukten (z. B. Diacetyl). Eine überhöhte Eiweißlösung hingegen ergibt einen zu starken Abbau hochmolekularen Proteins. Das Fehlen hinreichender Mengen hochmolekularen Eiweißes, aber auch ein Überhang mittelmolekularer Verbindungen und bestimmter Aminosäuren (Lysin, Arginin und Histidin) wirken sich negativ auf die Schaumstabilität aus. Diese Malze, Würzen und Biere neigen zu hohen Farben und ein Zuviel bestimmter Aminosäuren kann zu Fehlaromen und einer schlechteren Geschmacksstabilität führen (vgl. Kapitel Geschmacksstabilität). Außerdem sind Biere mit höheren Aminosäurengehalten anfälliger gegenüber Bierschädlingen. Als Kennzahlen der Proteolyse werden die Kolbachzahl, der Gehalt an löslichem Stickstoff und der freie Aminostickstoff (FAN) bestimmt. Die in der betrieblichen Praxis am häufigsten zur Beurteilung der Proteolyse herangezogene Kenngröße ist die Kolbachzahl (Eiweißlösungsgrad). Sie stellt den prozentualen Anteil des bei der Mälzung und beim Kongressmaischverfahren in lösliche Form überführten Rohproteins am gesamten Korneiweiß dar. Der erwünschte Bereich für helle Allmalzbiere liegt zwischen 38 und 42 %. Der Eiweißlösungsgrad begrenzt die aus den absoluten Angaben für den Eiweißgehalt des Malzes (Normwerte 9,5–11 %) und dem löslichen Protein (Normwert 3,9–4,7 %) rechnerisch möglichen Kombinationsmöglichkeiten. Damit soll erreicht werden, dass eine ausgewogene Zusammensetzung des löslichen Eiweißes sowohl im hochmolekularen Bereich (Schaumhaltbarkeit) als auch im niedermolekularen Bereich (Hefeernährung) unabhängig vom Rohproteingehalt des Malzes gewährleistet ist. Das lösliche Eiweiß wird in den meisten Fällen über die Bestimmung des löslichen Stickstoffs ermittelt (Umrechnungsfaktor 6,25). Damit ergeben sich aus den oben gemachten Angaben Werte von 630 bis 750 mg/100 g MTrS löslicher Stickstoff und für den FAN-Gehalt, der ca. 21 % des löslichen Stickstoffs ausmachen sollte, 130–160 mg/100 g MTrS. Bei Anwendung sehr knapper Maischverfahren oder der Gabe von Rohfrucht wie z. B. Reis oder Mais sind höhere Werte anzusetzen (vgl. Kapitel Zerealien und Pseudozerealien).

2.1.3

Amylolyse

Von den amylolytischen Kennzahlen werden im Malz üblicherweise der Extrakt, der Endvergärungsgrad, als Abschätzung der β-Amylaseaktivität die Diastatische Kraft und ferner die Aktivität der α-Amylase erfasst. Der Extraktgehalt gibt an, wie viel Prozent der Malztrockensubstanz durch das Kongressmaischverfahren mit Feinschrot in Lösung gebracht werden kann und gibt einen Hinweis auf die Ausbeute während des Brauprozesses. Bei Gerstenmalz liegen die Werte zwischen 78,0 und 83,5 %. Moderne Sommergerstensorten sollten auch bei höheren Rohproteinwerten Extraktgehalte von über 81,0 % aufweisen. Der Endvergärungsgrad stellt eine summarische Größe zur Beurteilung der (Kongress-)Würzequalität dar und gibt Aufschluss darüber, wie gut der gewonnene Extrakt von der Hefe verarbeitet werden kann. Entscheidend ist dabei die Menge der vergärbaren Zucker und ihr relativer Anteil. Beeinflusst wird der Endvergärungsgrad auch von der Verkleisterungstemperatur der Stärke (vgl. Kapi13

Malz tel Maischen). Zusätzlich spielen auch Spurenelemente und die Stickstoffzusammensetzung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Als Qualitätsmerkmal für die Kongresswürze gilt: Je höher der Endvergärungsgrad desto besser (> 81 %). Vor dem Hintergrund schlecht beherrschbarer zu hoher Vergärungsgrade in der Brauerei wird aber immer wieder diskutiert, ob der anzustrebende Endvergärungsgrad nicht bereits im Malz limitiert werden sollte (vgl. Kapitel Biologische Säuerung). Der Diastatischen Kraft eines Malzes wird überwiegend im Ausland Interesse geschenkt, wo zum Teil hohe Rohfruchtmengen ohne nennenswerte eigene Enzymaktivitäten eingesetzt werden. Für Allmalzbiere dürften Aktivitätswerte von über 200 WK als ausreichend angesehen werden. Eine zu niedrige β-Amylaseaktivität kann in extremen Fällen zu einer Verschiebung des Zuckerspektrums und damit zu atypischen Gärverläufen (Diauxie) führen. Das Schrittmacherenzym des Stärkeabbaus ist die α-Amylase. Sie bildet durch den Abbau von Amylopektin und Amylose Stärkebruchstücke und damit Angriffspunkte für die β-Amylase. Als genügend ist eine α-Amylaseaktivität von über 40 ASBC-Einheiten anzusehen. Findet Maischesäuerung statt, so wird die α-Amylaseaktivität beeinträchtigt. Daraus können erhöhte Iodwerte mit negativen Folgen wie z. B.Trübungen im filtrierten Bier resultieren. Außerdem kann sich ein Mangel an Angriffspunkten für die β-Amylase nachteilig für den Endvergärungsgrad auswirken.

2.1.4

Weitere Malzanalysenmerkmale

2.1.4.1 DMS-Vorläufer Der DMS-Vorläufer (DMS-P) bzw. S-Methylmethionin (SMM) ist eine Aminosäure, die im Malz, jedoch noch nicht in der Gerste in freier Form vorkommt. Aus DMS-P bildet sich ab etwa 70 °C, also bei allen thermischen Behandlungsschritten im Zuge der Malz- und Würzebereitung Dimethylsulfid (DMS). Während des Malzdarrens und Würzekochens sollte das DMS-P weitgehend gespalten und ausgetrieben werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Whirlpool eine Nachbildung von freiem DMS erfolgt (vgl. Kapitel Würzekochung,Würzekochsysteme). Die effektivste Einflussnahme auf die Höhe des DMS-Vorläufers gestatten die Abdarrtemperatur und -zeit. Grundsätzlich gilt: Je höher bzw. länger diese gewählt werden, desto niedrigere DMS-P-Gehalte werden erreicht. Es sprechen jedoch sowohl wirtschaftliche Aspekte als auch eine zu starke Wärmebelastung bei hellem Malz (siehe TBZ) gegen ein zu intensives Ausdarren. DMS kann im fertigen Bier einen Geruchs- und Geschmackseindruck erzeugen, der an gekochten Kohl oder an gekochtes Gemüse erinnert. Die sensorische Schwelle für freies DMS in Bier wird mit etwa 100 µg/l angegeben. Je nach Intensität der Kochung (vgl. Kapitel Würzekochung, Würzekochsysteme) sollte deshalb der DMS-P-Gehalt in Malz 5–7 ppm nicht überschreiten.

2.1.4.2 TBZ (Thiobarbitursäurezahl) Eine summarische Größe für die thermische Belastung des Malzes während des Darrprozesses stellt die TBZ dar. Durch thermische Belastung entstehen vor allem Maillardprodukte, die farberhöhend

14

Malz wirken und die Geschmacksstabilität negativ beeinflussen. In hellem Malz sollte eine TBZ in der Kongresswürze von 18 nicht überschritten werden, wobei die Forderungen mit den Höchstwerten für DMS-P abgestimmt werden müssen. Wie oben bereits beschrieben, muss bei der Intensität des Darrvorgangs, wie so oft in der Mälzungs- und Brautechnologie, ein Kompromiss zwischen der Spaltung von DMS-P bzw. dem Ausdampfen von DMS und einer möglichst niedrigen thermischen Belastung gefunden werden (Abbildung 1).

DMS-P [ppm] bzw. TBZ

25

20 TBZ 82 °C

15

TBZ 84 °C

DMS-P 82 °C

10

DMS-P 84 °C

5

0 0

1

2

3

4

5

6

Abdarrzeit [h]

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Abdarrtemperatur und Dauer mit der TBZ und dem DMS-PGehalt nach FORSTER [8]. Beispiel: 5 ppm DMS-P werden erreicht durch: 3,2 h/84 °C/TBZ 14,5 oder 5,5 h/82 °C/TBZ 18.

2.1.4.3 Farbe und Kochfarbe Die Malzfarbe beeinflusst maßgeblich die Farbe des fertigen Bieres. Ihre Bestimmung erfolgt photometrisch oder visuell aus der Kongresswürze bzw. der gekochten Kongresswürze. Beim Vergleich verschiedener Analysenergebnisse ist darauf zu achten, welche Methode angewandt wurde. Die Farbe sollte bei einem hellen Malz zwischen 2,5 und 3,5 EBC liegen und gibt Auskunft über die typgerechte Herstellung des Malzes. Die Farbe des fertigen Bieres lässt sich anhand der Kochfarbe bei bekannter Brauereitechnologie bedingt vorhersagen. Dabei haben die im Brauprozess stattfindenden thermischen Prozesse in Kombination mit möglichen oxidativen Belastungen (vor allem während des Maischens) und die pH-Wert-Verschiebung während der Gärung einen nicht unerheblichen (von der Malzfarbe unabhängigen) Einfluss auf die Bierfarbe. Auf Grund schonender Kochverfahren und geringer thermischer Belastungen sowohl des Malzes als auch der Würze können zu helle Biere entstehen. Die Einstellung der gewünschten Farbe erfolgt dann mittels verschiedener Spezialmalze [ 7, 9]. 15

Malz 2.1.4.4 pH-Wert Der pH-Wert von Malz wird in der Kongresswürze gemessen. Er liegt bei hellem Gerstenmalz zwischen 5,80 und 5,95. Dunkles Malz weist durch eine größere Menge von Maillardprodukten einen tieferen pH-Wert von 5,50–5,80 auf. Zu niedrige pH-Werte bei hellem Malz deuten auf eine zu starke Lösung bzw. auf eine mögliche zu intensive Schwefelung des Malzes hin. Niedrige pH-Werte lassen auch einen niedrigeren Maische-pH erwarten.

2.2

Qualitätsmerkmale von Weizenmalz

Die Weizenmalzqualitätskriterien wurden direkt von denen des Gerstenmalzes übernommen. Durch die sehr unterschiedlichen technologischen Anforderungen bei der Herstellung von Weizenbieren erscheint eine kritische Überprüfung dieses Transfers aber notwendig. Die Unterschiede von Gerste und Weizen einerseits und von untergärigen Bieren und trüben obergärigen Bieren andererseits erfordern eine grundsätzlich unterschiedliche Betrachtungsweise des Rohstoffes. Weder die Weizenqualität noch die Vermälzbarkeit sowie die Auswirkungen der Malzqualität auf die Weizenbierqualität sind annähernd so gut untersucht wie bei Gerste und Gerstenmalz. Trotzdem sollen im Folgenden die Eigenschaften des Weizenmalzes, in der bei der Gerste praktizierten Reihenfolge, besprochen und auf Parallelen bzw. Unterschiede hingewiesen werden.

2.2.1

Cytolyse

Den stofflichen Hintergrund der cytolytischen Analysenmerkmale bei Gerstenmalz bildet vor allem das Zellwandpolysaccharid β-Glucan. Es ist das viskositätsbestimmende Polysaccharid in Gerstenmalzwürzen. Seine Färbung mit Calcofluor ist die analytische Grundlage für die Homogenitätsbestimmung bzw. der direkten Bestimmung von β-Glucan in Würze und Bier. Der stoffliche Hintergrund für die im Allgemeinen höhere Viskosität von Weizenmalzwürzen (1,6–1,8 mPa s in der Kongresswürze) ist aber nicht das β-Glucan. Beim Weizen sind Pentosane die viskositätsgebenden Polysaccharide. Über ihr Verhalten während der Mälzung und im Brauprozess ist wenig bekannt. Es wird berichtet, dass sie zumindest bei Roggenmalz im Zusammenhang mit Sauerstoffeintrag beim Maischen zu hohen Viskositäten und zu Läuterschwierigkeiten führen können [10]. Eine Gelbildung im Bier wie bei β-Glucan konnte aber noch nicht nachgewiesen werden. In Anbetracht der oben aufgeführten cytolytischen Gerstenmalzanalysenmerkmale ist festzustellen, dass alle auf der β-Glucananalytik basierenden Untersuchungen nicht auf die Weizenmalzanalytik übertragbar sind. Damit sind sowohl die Homogenitätsmessungen als auch die direkte Bestimmung von β-Glucan keine sinnvollen Parameter zur Beurteilung der Weizenmalzqualität. Außerdem ist bei Weizenmalz auf Grund anderer Mürbigkeitsstrukturen der Friabilimetertest nicht aussagekräftig. Damit bleibt zur Beurteilung der cytolytischen Lösung nur die Viskosität. Leider korrelieren auch die Befunde dieser Messung der Weizenmalzkongresswürze nicht in befriedigender Weise mit dem Läuterverhalten von Betriebsmaischen aus Weizenmalz bzw. mit der Filtrierbarkeit von Kristallweizenbieren (vgl. Kapitel Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik). Solange aber keine anderen Parameter zur Beurteilung der Verarbeitbarkeit von Weizenmalz gefunden werden, gibt die Viskosität den einzigen Anhaltspunkt zur Beurteilung der cytolytischen Lösung von Weizenmalz.

16

Malz 2.2.2

Proteolyse

Wie bei der Beurteilung der proteolytischen Lösung von Gerstenmalz werden vor allem der Gesamteiweißgehalt (Umrechnungsfaktor 6,25) sowie der lösliche Teil des Eiweißes, ferner der daraus berechnete Eiweißlösungsgrad und der FAN zur Beurteilung der proteolytischen Lösung von Weizenmalz herangezogen. Die Eiweißlösung von Weizenmalz übt einen erheblichen Einfluss auf das Weizenbieraroma [11] aus. So wurde berichtet, dass hohe Ausprägungen der proteolytischen Kennzahlen zu geringen Gehalten an Estern führen und somit zu eher neutralen Noten. Des Weiteren spielen Proteine für eine konstante Dauertrübung von Weizenbieren eine entscheidende Rolle. Aktuelle Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit dieser für ein trübes Bier wichtigen Eigenschaft. Es konnte von WEIKL bereits gezeigt werden, dass Hefezellen im Allgemeinen zu groß sind und eine zu hohe Sinkgeschwindigkeit besitzen, als dass sie für eine konstante Trübung sorgen könnten [12]. Partikeln, die dazu in der Lage sind, haben eine Größe von 0,1–1,0 µm und konnten als Eiweiß und zum Teil auch als α-Glucan identifiziert werden. Welchen Einfluss die Wahl der Weizensorte und die Mälzungstechnologie auf die Anzahl dieser Partikeln im Bier haben, ist aber noch weitgehend unbekannt und Gegenstand der aktuellen Weizenbierforschung. Im Gegensatz dazu scheint beim Kristallweizen die Filtrierbarkeit sehr viel stärker von Eiweißpartikeln abzuhängen, als dies bei untergärigem Bier der Fall ist [13]. Der Wunsch nach einer stabilen Trübung einerseits und einer guten Filtrierbarkeit andererseits lässt vermuten, dass für Hefeweizen und Kristallweizen zwei verschiedene Malzspezifikationen hinsichtlich ihrer Eiweißlösung erforderlich sind. Insgesamt können die Analysenkennzahlen der Proteolyse vom Gerstenmalz auf das Weizenmalz übertragen werden, wobei anzumerken ist, dass der Rohproteingehalt von Weizen grundsätzlich etwas höher ist oder sogar sein soll. SACHER konnte zeigen, dass Eiweißgehalte um die 12 % und ein moderater Eiweißlösungsgrad für das Bieraroma vorteilhaft sind [11].

2.2.3

Amylolyse

Auf Grund der fehlenden Spelzen hat Weizenmalz auch bei deutlich höheren Proteingehalten eine höhere Extraktausbeute als Gerstenmalz, aber niedrigere Endvergärungsgrade. Dies mag auch daran liegen, dass Weizenmalz über eine wesentlich schwächere α-Amylaseaktivität verfügt.Weizenbiere zeigen im Allgemeinen höhere Iodwerte, was darauf schließen lässt, dass die Verzuckerung bei Weizenbiermaischen weniger weitgehend erfolgt ist. Für eine stabile Trübung werden die für den höheren Iodwert verantwortlichen α-Glucane als überwiegend positiv eingestuft, wobei auch hier gesicherte Erkenntnisse noch fehlen. Im filtrierten Weizenbier sind α-Glucane die Hauptverursacher von hohen Trübungswerten bei der 90°-Streulichtmessung und auf jeden Fall als negative Komponenten zu bewerten. Die α-Amylaseaktivität gibt keine gesicherte Erkenntnis über die Verarbeitbarkeit von Weizenmalz. Es hat sich aber gezeigt, dass mangels geeigneter Alternativen die Enzymtätigkeit ein Hilfsmittel zur Einschätzung der Qualität sein kann. Dabei gilt, dass eine möglichst hohe Aktivität zu bevorzugen ist.

17

Malz 2.3

Lebensmittelsicherheit

Durch die Globalisierung der Lebensmittelmärkte und verschiedene Lebensmittelskandale ist die Sicherheit von Lebensmitteln in den Mittelpunkt des Interesses der Verbraucher, des Handels und des Gesetzgebers gerückt. Bier ist u. a. durch den niedrigen pH-Wert und den Einsatz von Hopfen ein gegenüber pathogenen Keimen geschütztes Produkt (vgl. Kapitel Mikrobiologie). Auch die Rohstoffe Gerste, Weizen und das daraus gewonnene Malz sind Lebensmittel mit einem geringen und überschaubaren Risiko für den Verbraucher. Dennoch wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Sicherungssystemen, gesetzlichen Vorschriften und Grenzwerten national wie EU-weit etabliert bzw. erlassen. Die Grenzwerte und Analyseverfahren sind Gegenstand einer stetigen, sehr politisch geprägten Diskussion. Wegen der negativen Folgen, die falsche positive Befunde in der Öffentlichkeit hervorrufen können, sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass die Rückstandsund Toxinanalytik Sorgfalt und Expertenwissen voraussetzt und eine fachmännische Probenvorbereitung wie bereits erwähnt unabdingbar ist. Die Risiken, die in der Verarbeitungskette von der landwirtschaftlichen Produktion über den Erfassungshandel und die Mälzerei bis zur Malzannahme in der Brauerei entstehen, sind übersehbar. Eine Risikoanalyse und Risikobewertung muss in jedem Unternehmen individuell vorgenommen werden. Im Rahmen dieses Buchs sind in der Tabelle 2 Informationsquellen angegeben, die es ermöglichen, den Überblick über die aktuellen Entwicklungen zu behalten.

3

Zusammenfassung

Malz wird aus dem natürlichen Rohstoff Gerste gewonnen. Die Qualität der Gerste ist demnach sorten-, anbau- und jahrgangsbedingten Schwankungen unterworfen. In der Mälzerei werden diese Schwankungen im Rahmen der technologischen und ökonomisch sinnvollen Möglichkeiten auf die von den Brauereien vorgegebenen Qualitätskriterien angepasst. Die Beurteilung der Malzqualität erfolgt im Allgemeinen über die von der MEBAK bzw. EBC vorgeschriebenen Malzqualitätsmerkmale. Die untersuchten Merkmale beschreiben vor allem die Ausprägung der drei wichtigen Lösungsvorgänge Proteolyse, Cytolyse und Amylolyse, die einen maßgebenden Einfluss auf die Bierqualität haben. Es ist die Aufgabe des Brauers in Abhängigkeit von der in der Brauerei festgelegten Technologie, Grenzwerte für die Malzqualitätsmerkmale festzulegen. Dabei ist darauf zu achten, dass die verschiedenen Parameter nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Des Weiteren können einzelne Merkmale oder Merkmalsgruppen mehrere Produktionsschritte und die Bierqualitätsmerkmale zum Teil auch gegenläufig beeinflussen. Die Malzspezifikation stellt also immer einen Kompromiss dar, der jährlich an die Qualität der Gerstenernte und an die aktuellen Braugerstensorten angepasst werden sollte.

18

Malz Behörden, gesetzliche Grundlagen, Grenzwerte und Vorschriften

Quelle

Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG)

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (StMUGV) ist Herausgeber des Verbraucherschutzinformationssystems VIS. http://www.vis-ernaehrung.bayern.de/de/left/ recht/recht-ix.htm

Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (NLV) Trinkwasserverordnung (TrinkwV)

Auf der oben angegebenen Webseite finden Sie die nebenan aufgeführten Gesetze und Verordnungen und einen Link zur staatlichen Lebensmittelüberwachung.

Gesetz zur Regelung der Gentechnik (GenTG) Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die EFSA bietet unabhängige wissenschaftliche Beratung zu allen Fragen im Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit, einschließlich der Tiergesundheit und des Tierschutzes sowie der Pflanzengesundheit, und im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft auch zu Fragen der Ernährung.

http://www.efsa.eu.int/index_de.html

Auskünfte über malz- und bierspezifische Grenzwerte

Deutscher Brauerbund e.V. http://www.brauer-bund.de/ Bayerischer Brauerbund e.V. http://www.bayrisch-bier.de/ Deutscher Mälzerbund [email protected]

Tabelle 2: Informationsquellen zur Lebensmittelsicherheit.

19

Malz

4

Überblick Gerstenmalz

20

Weizenmalz

Analysenmerkmal

Einheit

Variables Maischverfahren

Hoch-KurzMaischverfahren

Extrakt

%, wfr.

> 81

> 81

> 83

α-Amylase

ASBC, wfr.

> 40

> 40

> 28

Diastatische Kraft

WK

> 200

> 200

Endvergärungsgrad

%, schb.

> 80

> 80

Rohprotein

%, wfr.

9,5–11

9,5–11

11–12,5

Löslicher Stickstoff

mg/100 g MTrS

550–700

650–750

650–780

Eiweißlösungsgrad

%

38–40

39–42

37–40

Freier Aminostickstoff

mg/100 g MTrS

120–150

130–160

Friabilimeter

%

> 80

> 85

Ganzglasigkeit

%

90

Homogenität

%

> 75

> 75

DMS-P

ppm, lftr.

60

6,2

organische und anorganische Substrate

freie Radikale

Phosphatasen

50–53

5,0

organisch gebundenes Phosphat

anorganisches Phosphat

β-Glucan-Solubilase

Weitere wichtige Enzyme

Temperaturoptimum in pH-Optimum Maische [°C] in Maische 62–65

6,8

Endo-1,3-β-Glucanase

< 60

Endo-1,4-β-Glucanase

Tabelle 1: pH- und Temperaturoptimum einiger Gerstenmalzenzyme in Maische. 63

Maischen pH-Sturz bei der Gärung zur Folge hat. Daraus resultieren hellere Farben und eine höhere kolloidale Stabilität. Einen tieferen Einblick in diese Vorgänge gibt das Kapitel Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik. Weiterhin ist die proteolytische Aktivität reduziert, so dass schaumpositive, hochmolekulare Proteine nicht weiter abgebaut werden. Es muss aber gewährleistet sein, dass das eingesetzte Malz den geforderten FAN-Gehalt liefert. Eine besonders interessante Variation ist das HKM mit biologischer Säuerung (pH 5,4–5,5) (vgl. Kapitel Geschmacksstabilität). Mit den Glycoproteiden sind im Malz weitere schaumpositive Substanzen vorhanden. Sie werden während des Mälzens und bei niedrigen Maischtemperaturen zum Teil in Lösung gebracht, dann aber auch zu niedermolekularen Gruppen abgebaut. Eine Rast bei 70 °C fördert die Lösung dieser Glycoproteide. Sie werden jedoch bei diesen Temperaturen nicht mehr weiter abgebaut und sind somit für die Schaumstabilität (vgl. Kapitel Bierschaum) förderlich [2]. Die Hauptaufgabe des Maischens ist der Abbau von Stärke zu vergärbaren Zuckern. Stärke ist mit einem Anteil von 55 bis 65 % an der Trockensubstanz die Hauptkomponente der Gerste und liegt in Form von großen (A-Typ, 10–25 µm) und kleinen (B-Typ, 1–5 µm) Stärkekörnern vor. Die großen Stärkekörner machen zwar nur 10 % der Gesamtanzahl an Stärkekörnern aus, stellen aber 90 % der Stärkemenge dar. Normale Gerstenstärke setzt sich aus 20–30 % Amylose und 70–80 % Amylopektin zusammen. Die für den Brauprozess wichtigste Eigenschaft der Stärke ist die Verkleisterung. Unter der Verkleisterung wird das durch Wasseraufnahme bedingte Quellen der Stärkekörner und der daraus resultierende irreversible Verlust der kristallinen Struktur der Stärke verstanden [3, 4]. Die Temperatur, bei der die Verkleisterung einsetzt, ist die Verkleisterungstemperatur. Sie liegt für die großen Stärkekörner bei 61–62 °C und für die kleinen Körner bei 75–80 °C [5]. Die Verkleisterungstemperatur sowie das Verkleisterungsverhalten von Gerste bzw. Gerstenmalz kann u. a. mittels Rotationsviskosimetrie bestimmt werden [3]. Bei der Bestimmung der Verkleisterungstemperatur ist zu beachten, dass sie sich je nach verwendetem Messprinzip um einige Grad unterscheiden kann [6]. Die Verkleisterungstemperatur von Gerstenmalz unterscheidet sich von der der zugehörigen Gerste und liegt zwischen 58 und 65 °C [7]. Die Höhe der Verkleisterungstemperatur wird von der Sorte, dem Standort und dem Jahrgang (Abbildung 3) beeinflusst [1, 3, 20]. Insbesondere ist eine erhöhte Temperatur während der Reifezeit von Bedeutung. So konnte bei der Ernte 2003, im Vergleich zur Ernte 2004, eine um 2 °C erhöhte Verkleisterungstemperatur gemessen werden. Diese erhöhte Verkleisterungstemperatur bewirkte einen um ca. einen Prozentpunkt niedrigeren Vergärungsgrad. Unterhalb der Verkleisterungstemperatur werden nur die Stärkekörner hydrolysiert, die während der Mälzung enzymatisch angegriffen [8] oder während des Schrotens mechanisch beschädigt wurden [9]. Nur diese Körner nehmen auch unterhalb der Verkleisterungstemperatur Wasser auf und sind dadurch enzymatisch hydrolysierbar [4, 7, 9, 20]. Die Stärkekörner, die noch im nativen Zustand vorliegen, können nur nach Überschreiten der Verkleisterungstemperatur degradiert werden. Der Abbau der Stärke während des Maischens wird folglich von der Angreifbarkeit der Stärke und der Aktivität der amylolytischen Enzyme beeinflusst. Eine zügige Verkleisterung und eine hohe amylolytische Aktivität gewähren eine rasche Verzuckerung und einen hohen Vergärungsgrad.

64

Maischen Nach bisherigen Erkenntnissen kann die Verkleisterungstemperatur in der Mälzerei nur geringfügig beeinflusst werden. Daher sollten in Jahrgängen mit erhöhter Verkleisterungstemperatur (z. B. Ernte 2006) alle technologisch sinnvollen Maßnahmen zur Erhöhung der α-Amylaseaktivität unbedingt beachtet werden. Insbesondere eine Kombination aus hohen Verkleisterungstemperaturen und niedriger α-Amylaseaktivität verlangt eine präzise Steuerung des Maische-pH und der Rasttemperatur. Hohe Verkleisterungstemperaturen und niedrige α-Amylaseaktivität führen zu Schwierigkeiten bei der Hydrolyse der Stärke. Durch eine niedrige α-Amylaseaktivität wird weniger Substrat für eine bereits deutlich geschwächte β-Amylase zur Verfügung gestellt. Abbildung 3 verdeutlicht, dass bei der Temperatur (Verkleisterungstemperatur), ab der die Stärke angreifbar ist, bereits die beginnende Denaturierung zu einer Abnahme der Restaktivität der β-Amylase führt. Für die Anpassung der Maischarbeit müssen daher Informationen über die Verkleisterungstemperatur und die α-Amylaseaktivität vorliegen. Bereits während der β-Amylase-Rast müssen die Maischbedingungen für die α-Amylase (pH 5,6–5,8) optimiert werden. Rasten im Bereich der VKT fördern die Angreifbarkeit der Stärke und verbessern damit die Endvergärung. Die für den Maischprozess relevanten Enzyme sind die α-Amylase und die β-Amylase, beide Enzyme spalten α-(1,4)-D-glycosidische Verbindungen der Stärke [11]. Die β-Amylase spaltet Maltose vom nicht-reduzierenden Ende der Stärkemoleküle ab und ist somit maßgeblich für den Vergärungsgrad der Würze verantwortlich [12]. Sie ist thermolabil und wird bereits nach 10 min bei 65 °C zu 60 % inaktiviert [13]. Somit nimmt bei einer Rast von 62 °C die Maltosekonzentration nach 20 min nur noch geringfügig zu. Eine Ausdehnung der Maltoserast zur Erhöhung des Vergärungsgrades ist daher nur bis zu einem gewissen Grad förderlich. Durch eine niedrigere Guss-

Restaktivität

Einsetzen der Denaturierung

der β-Amylase keine Verkleisterung

Verkleisterung Malz 1

Gerstenmalz 2004 keine Verkleisterung

Verkleisterung Malz 2

Gerstenmalz 2006

• Jahrgang

Angreifbarkeit

• Provenienz

der Stärke

• Sorte

62

65

70

Temperatur [°C]

Abbildung 3: Verkleisterungstemperatur. 65

Maischen führung lässt sich diese Inaktivierung verlangsamen, da die β-Amylase in Gegenwart von Proteinen thermostabiler ist (Abbildung 4) [1]. Dieser Aspekt ist besonders beim High-Gravity-Brewing von Interesse. Die β-Amylase ist im Gegensatz zur α-Amylase nicht in der Lage, Stärkekörner direkt anzugreifen. Somit ist die α-Amylase, wie bereits im Kapitel Malz erwähnt, als Schrittmacherenzym zwingend erforderlich [1, 14]. Die α-Amylase ist weitaus thermostabiler und weist bei 80 °C nach 10 min noch eine Restaktivität von 30 % auf. Da sie als Endoenzym den Anteil an nicht-reduzierenden Enden erhöht, liefert sie das Substrat für die β-Amylase. Dieser Synergieeffekt zwischen α- und β-Amylase ist dann am höchsten, wenn die Verkleisterung so weit fortgeschritten ist, dass die Stärkekörner eine hohe Zugänglichkeit für die α-Amylase aufweisen und gleichzeitig die β-Amylase noch ausreichend aktiv ist. Dieser Effekt tritt oberhalb der Verkleisterungstemperatur auf und ist somit vom eingesetzten Malz (60–65 °C) abhängig. Die Grenzdextrinase spaltet die α-(1,6)-D-glycosidischen Verbindungen des Amylopektins und ist für die vollständige Degradation der Stärke unerlässlich [11, 12, 15]. Bedingt durch die geringe Aktivität und die Inaktivierung bei 65 °C ist der Beitrag der Grenzdextrinase zum Stärkeabbau bei Gerstenmalz allerdings sehr gering. Eine falsch geführte Amylolyse kann zu hohe oder zu niedrige Vergärungsgrade zur Folge haben. Außerdem können durch zu hohe Iodwerte in der Würze, α-Glucantrübungen (Kleistertrübungen)

100

90

Restaktivität [%][%] Restaktivität

80

70

11:2 :2 11:3 :3

60

11:4 :4

50

40

30

20

10

0 0

5

10

15

20

25

30

35

Maischzeitbei bei 65 °C °C [min][min] Maischzeit 65

Abbildung 4: Restaktivität der β-Amylase bei 65 °C in Abhängigkeit des Gussverhältnisses.

66

40

Maischen im Bier auftreten sowie Filtrationsschwierigkeiten, verursacht durch hohe Viskositäten. Auch bei iodnormalen Maischen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die späteren Würzen hohe Iodwerte aufweisen. Dies kann auf Stärkekörner zurückgeführt werden, die während des Maischens nicht verkleistern und in die Pfannevollwürze gelangen [5], wo sie beim weiteren Aufheizen gelöst werden und hochmolekulares α-Glucan freisetzen (vgl. Kapitel Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik). Bei heutigen handelsüblichen Malzen sind die Vergärungsgrade eher zu hoch. Um dem entgegenzuwirken, bietet sich die Möglichkeit, das Temperaturoptimum der β-Amylase zu überspringen oder den Maische-pH durch Maischesäuerung zu senken. Beim Überspringen des Temperaturoptimums der β-Amylase ist das in Abbildung 5 dargestellte Maischverfahren anwendbar. Bei der Umsetzung dieses Verfahrens ist es wichtig, dass die gezogene Teilmaische zügig auf über 70 °C aufgeheizt wird, so dass die β-Amylase nur kurze Zeit wirken kann. Die Temperatur der restlichen Maische sollte nicht über 52 °C liegen. Der Zubrühvorgang sollte möglichst schnell vollzogen werden, damit die in der Hauptmaische befindliche β-Amylase möglichst schnell inaktiviert wird. Das gleiche Ziel wird durch das Springmaischverfahren erreicht (vgl. Abschnitt 2.2.1). Eine Erniedrigung des Endvergärungsgrades kann auch durch eine Absenkung des pH-Wertes auf pH 5,4 mittels Maischesäuerung erreicht werden. Dies ist zwar förderlich für die β-Amylase, die α-Amylase wird jedoch von ihrem pH-Optimum (5,6–5,8) entfernt. Die Verkleisterung verläuft bei niedrigeren pH-Werten langsamer [3], so dass sich die enzymatische Degradation der Stärke durch die α-Amylase ebenfalls verzögert. Dadurch wird die Substratverfügbarkeit für die β-Amylase verringert.

100 95 90

Temperatur [°C] Temperatur [°C]

85 80 75 70 65 60

55 50 45 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Zeit [min] [min] Zeit

Abbildung 5: Maischverfahren zur Reduzierung des Vergärungsgrades. 67

Maischen 2.2

Ausgewählte Maischverfahren

In Abhängigkeit von der Malzqualität und im Hinblick auf bestimmte Biertypen können verschiedene spezielle Maischverfahren angewendet werden. Einige Beispiele sind im Folgenden dargestellt.

2.2.1

Springmaischverfahren

Das Springmaischverfahren (Abbildung 6) eignet sich besonders für die Herstellung alkoholfreier Biere [1, 16]. Das Prinzip dieses Verfahrens basiert darauf, dass die Maische durch das „Einspringen“ in kochendes Wasser in kürzester Zeit von einer Temperatur unter 50 °C auf über 70 °C erhitzt wird. Somit wird eine rasche Inaktivierung der maltosebildenden β-Amylase erreicht. Dadurch werden Würzen mit einem niedrigen Endvergärungsgrad erzielt. Neben der β-Amylase wird auch die α-Amylase geschädigt, so dass diese Würzen oft nicht iodnormal sind [17]. Es ist darauf zu achten, dass die Temperatur nicht unter 73 °C absinkt. Die Einmaischtemperatur und die Rast sind so anzupassen, dass die Würze ausreichend assimilierbaren Stickstoff (20–22 % des Gesamtstickstoff) enthält (vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung). Daher sind Malze zu verwenden, die proteolytisch und cytolytisch gut gelöst sind, aber einen niedrigen EVG aufweisen (vgl. Kapitel Malz). 110

Einspringen der Maische

105 100

Temperatur [°C] Temperatur [°C]

95

kochendes Wasser

90 85

Einspringen der Maische Gussverhältnis 1 : 4,3

80 75 70 65

Maische Schüttungsverhältnis 1 : 2

60 55 50 45 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Zeit [min] [min] Zeit

Abbildung 6: Springmaischverfahren.

2.2.2

β-Glucanabbau mit Teilmaischverfahren

Bei der Verwendung von cytolytisch stark unterlösten Malzen bietet sich ein Verfahren an, bei dem eine dicke Teilmaische bei 35 °C gezogen und auf 65 °C aufgeheizt wird (Abbildung 7). Bei dieser

68

Maischen 80

75

β-GlucanSolubilase-Rast

70

Kaltwasserzugabe

Temperatur [°C] Temperatur [°C]

65

60

55

Dickmaische (~ 75 %)

50

45

Dünnmaische (~ 25 %)

40

35

30 0

20

40

60

80

100

120

140

160

Zeit [min]

Zeit [min] Abbildung 7: β-Glucanabbau mit Teilmaischverfahren. Temperatur wird durch die β-Glucan-Solubilase hochmolekulares β-Glucan aus der Zellwandmatrix gelöst. Durch die Zugabe von kaltem Brauwasser wird die Teilmaische so weit abgekühlt, dass nach dem Aufmaischen die Temperatur der Gesamtmaische 45 °C beträgt. Dies ermöglicht einen nachträglichen Abbau des hochmolekularen β-Glucans der Teilmaische durch die in der Restmaische verbliebenen Endo-β-1,4-Glucanasen. Im anschließenden Infusionsverfahren werden eine Maltosesowie eine Verzuckerungsrast eingehalten. Das in Abbildung 8 dargestellte Maltaseverfahren bietet sich ebenfalls an, um cytolytisch unterlöste Malze zu verarbeiten [18].

2.2.3

Maltaseverfahren

Besonders bei Weizenbieren (vgl. Kapitel Weizenbier), aber auch bei anderen Biersorten können höhere Estergehalte gewünscht sein. Diese können im Bier u. a. durch die Glucosekonzentration eingestellt werden. Hohe Glucosekonzentrationen können durch die Förderung der Maltase erreicht werden. Bei einem Temperaturoptimum von 45 °C spaltet dieses Enzym Maltose in zwei Glucoseeinheiten. Bei herkömmlichen Infusionsverfahren liegt zu diesem Zeitpunkt jedoch nur eine geringe Menge an Maltose vor, da diese größtenteils erst während der Maltoserast bei ca. 62 °C entsteht. Geeignet ist daher ein Verfahren mit Maltaserast [19], das sich aus zwei Abschnitten zusammensetzt (Abbildung 8). Im Ersten werden 60 % der Malzschüttung mit 45 % des Hauptgusses bei 62 °C eingemaischt; nach einer 40-minütigen Rast wird weiter auf 70 °C zur Verzuckerung aufgeheizt. Nach 69

Maischen

α- + β-Amylase

α-Amylase

Maltase

α- + βAmylase

α-Amylase

90

80 Kaltwasserzugabe

80

75 Schüttungsverhältnis 1:3

70

60

65

50

60

40

55 2. Malzgabe Schüttungsverhältnis 1 : 5,5

30

50

Maltaserast

20

45

10

40

Temperatur [°C]

Konzentration [g/l]

70

35

0 0

20

40

60

80

100

120

140

160

Zeit [min] Glucose

Maltose

Temperaturverlauf

Abbildung 8: Maltaseverfahren. der Verzuckerungsrast wird zum Abkühlen kaltes Wasser in die Maische gegeben. Der abgekühlten Maische wird das restliche Malz zugeführt. Die Maltase des zugefügten Malzes hydrolysiert die Maltose der ersten Schüttung zu Glucose. Dieses Verfahren kann auch genutzt werden, um hohe β-Glucanwerte von extrem unterlösten Malzen zu reduzieren (vgl. Abschnitt 2.2.2).

2.2.4

Dunkle Biersorten

Die auffälligsten Kriterien dunkler Biere sind die Farbe (50–80 EBC-Einheiten) und das malzige Aroma. Zum Erreichen dieser Eigenschaften können dunkle Malze, dunkle Karamellmalze (3–5 %), Farbmalze (max. 5 %) oder Röstmalzbiere eingesetzt werden. Farbmalz sollte dabei jedoch so wenig wie möglich verwendet werden, weil dadurch häufig Inhaltsstoffe mit einem brenzligen Aroma eingebracht werden, z. B. Pyrazine (vgl. Kapitel Geschmacksstabilität). Um eine ausreichende Enzymausstattung zu gewährleisten, ist eine Zugabe von 10–20 % hellem Malz von Vorteil. Wird härteres Wasser mit höherer Restalkalität verwendet, entstehen dunklere Bierfarben; weiches Wasser fördert einen malzaromatischen Charakter [1]. Bei der Herstellung dunkler Malze wird der FAN im Zuge der Maillardreaktion zur Bildung von Melanoidinen abgereichert. Daher muss beim Maischen auf eine weitergehende Proteolyse geachtet werden, um eine Mangelversorgung der Hefe mit Aminosäuren bei der späteren Gärung zu verhindern (vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung).

70

Maischen 105 100 95

Temperatur [°C] Temperatur [°C]

90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

Zeit [min] [min] Zeit

Abbildung 9: Dekoktionsverfahren zur Bereitung dunkler Biersorten. Zur Herstellung malzaromatischer, dunkler Biere eignen sich besonders Dekoktionsverfahren, wobei in der Praxis häufig Zwei- (Abbildung 9) und Dreimaischverfahren mit Einmaischtemperaturen von 35 °C angewendet werden. Die zur Herstellung dunkler Malze angewandten intensiven Maischverfahren erfordern zwangsläufig einen höheren Energiebedarf. So ist bei einer Einmaischtemperatur von 50 °C bei einem Zweimaischverfahren, verglichen mit einem Infusionsverfahren derselben Einmaischtemperatur, mit einem 35 % höheren Energiebedarf zu rechnen (Berechnungsgrundlagen: 300 hl Gesamtmaische, Wärmeverluste 5 %, Maischverfahren gemäß Abbildung 9). Entscheidend für den Energiemehraufwand ist dabei die Kochdauer der Teilmaischen.

3

Zusammenfassung

Auf Grund der heute üblichen sehr weit fortgeschrittenen Proteolyse und Cytolyse im Malz kann die Maischarbeit auf die Amylolyse beschränkt werden. Eine Kontrolle der Malzqualität ist bei Einmaischtemperaturen im Bereich von 62 °C zwingend erforderlich, da sonst Läuter-, Gär- und Filtrationsprobleme auftreten können. Durch solche Verarbeitungsschwierigkeiten kann auch die Qualität des fertigen Bieres leiden (z. B. schlechte Schaum- und Geschmacksstabilität). Sortenbedingte Qualitätsunterschiede, aber auch jahrgangs- und provenienzabhängige Einflüsse, erfordern eine fortwährende Anpassung der Maischparameter. Neben der Erhaltung einer gleich bleibenden Qualität können durch Variation der Maischparameter die gewünschten Biersorten in beliebiger Variationsbreite hergestellt werden. 71

72 Verkürzung der Maltoserast, Maischesäuerung Intensivierung der amylolytischen Rasten Temperatur von maximal 78 °C einhalten, Schrotsortierung kontrollieren höhere Einmaischtemperaturen wählen Sauerstoffeintrag vermeiden, keine Vorschrotung, Überprüfen der Schrotung, der Rührwerkseinstellung und der Pumpvorgänge, höhere Einmaischtemperaturen, Maischesäuerung höher gelöstes Malz verwenden, Intensivierung der Cytolyse während des Maischens, Schrotsortierung überprüfen, homogenes Malz verwenden Infusionsmaischverfahren anwenden, thermische Belastung vermindern Einmaischtemperatur oberhalb des Phosphatasenoptimums (> 50 °C), ggf. auf Maischesäuerung verzichten niedrigere Einmaischtemperatur, höher gelöstes Malz verwenden, Intensivierung der amylolytischen Rasten, Schrotsortierung überprüfen

hohe VKT, v. a. bei gleichzeitiger niedrigerer zu hoher Anteil an vergärbaren Zuckern unzureichende Verzuckerung durch die α-Amylase zu hohe Abmaischtemperaturen, zu hohe Temperatur der Nachgüsse, Schrotmühleneinstellung Proteolyse zu intensiv zu hoher Sauerstoffeintrag

zu hohe β-Glucanwerte, zu feine Schrotung

zu hoher Sauerstoffeintrag, zu hohe thermische Belastung zu hohe Pufferung, zu niedriger Maische-pH unterlöstes Malz, zu hoher aufschließbarer Extrakt, unzureichende Verzuckerung durch die α-Amylase, zu grobes Schrot

niedriger EVG

hoher EVG

Trübungen

hoher Iodwert

Schaumprobleme

verminderte Geschmacksstabilität

lange Läuterzeiten

Zufärbungen

zu geringer pH-Sturz

zu geringe Sudhausausbeute

Malz

Biologische Säuerung

Würzekochung

Malz

Geschmacksstabilität

Schaum

Filtration

gute Bedingungen für α-Amylase (pH 5,6–5,8), Rasten im Bereich der VKT

zu geringer Gehalt an vergärbaren Zuckern

niedriger EVG

α-Amylase-Aktivität

Malz

Malz mit mehr FAN verwenden, Intensivierung der proteolytischen Rasten

zu geringer Gehalt an FAN

schleppende Gärung

4

β-Amylase-Rast intensivieren, Einmaischtemperaturen im β-Amylase-Optimum

Malz, Filtration

höher gelöstes Malz verwenden, Intensivierung der Cytolyse während des Maischens, homogenes Malz verwenden

hohe β-Glucangehalte durch unterlöstes Malz, β-Glucangelbildung durch Auftreten von Scherkräften, Homogenität < 70 %

niedrige Filterstandzeiten

Referenzkapitel

Maßnahmen/Lösungsvorschlag

Ursache

Merkmal

Maischen

Überblick

Maischen

5

Literatur

[1]

Narziß, L.: Die Bierbrauerei – Die Technologie der Würzebereitung. 7. Auflage. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1992.

[2]

Narziß, L., Reicheneder, E., und Barth, D.: Untersuchungen über den Einfluss der Glykoproteide auf die Schaumeigenschaften des Bieres. In: Brauwissenschaft 35 (1982), Nr. 11, S. 275–283.

[3]

Tegge, G.: Stärke und Stärkederivate. 3. vollständig überarbeitete Auflage. B. Behr's Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg 2004.

[4]

French, D.: Organization of Starch Granules. In: Paschall, E. F.: Starch: Chemistry and Technology. Academic Press, London 1984, S. 184–247.

[5]

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Würzekochung,Würzekochsysteme

Würzekochung, Würzekochsysteme

75

Würzekochung,Würzekochsysteme

1

Einleitung

Vor etwa 15 Jahren schien das Thema Würzekochung einen allseits befriedigenden Stand erreicht zu haben. Sowohl mit Innen- als auch mit Außenkochern wurden bei Gesamtverdampfungen von 7 bis 8 % und Energierückgewinnungssystemen Würzen hergestellt, die zu einer guten Qualität führten. Dennoch traten immer wieder (oft in Abhängigkeit von Gerstenjahr und Herkunft) Probleme mit Schaum, Geschmack (DMS) und Geschmacksstabilität (thermische Belastung) auf, die eine neuerliche Bearbeitung des Themas Würzekochung/Würzebehandlung erforderten. Durch die Steuerung der einzelnen Parameter, wie Heizmitteltemperatur, Würzetemperatur, Würzeumlauf sowie Koch- und Heißhaltezeiten, und der Ausdampfeffizienz gelingt es nunmehr, die Würzebeschaffenheit für die individuellen Biertypen gezielt herzustellen. Dabei lassen sich die Gesamtverdampfungen ohne Nachteil auf 4–5 % reduzieren.

2

Technologische Grundlagen zur Würzekochung

Die notwendigen Vorgänge bei der Würzekochung lassen sich grob in zwei Prozesse einteilen, die Heißhaltung und die Verdampfung.

2.1

Heißhaltung

Durch die Heißhaltung finden Reaktionen, wie beispielsweise Hopfenisomerisierung, Aromastoffbildung, Farbbildung, Lösungsvorgänge, Enzyminaktivierung und Keimabtötung statt. Die Inaktivierung der Malzenzyme ist notwendig, da sonst atypische Geschmacksprofile (z. B. unkontrolliert übervergorene Biere) die Folge wären. Darüber hinaus müssen während der Würzekochung Eiweißverbindungen bzw. Eiweiß-Gerbstoff-Komplexe (Bruch) ausgeschieden werden, um glanzfeine Würzen zu erzielen. Durch eine zu starke Eiweißkoagulation werden auch schaumpositive hochmolekulare Proteine (10 bzw. 40 kDA) ausgefällt, wodurch sich die Schaumhaltbarkeit verschlechtert. Dies ist besonders von Bedeutung, wenn keine schaumfördernden Additive zugesetzt werden dürfen. Eine zu mangelhafte Eiweißkoagulation führt zu kolloidal instabilen Bieren. Für den Kunden ist ein trübes Bier ein Reklamationsgrund. Trübungsverursachende Substanzen können jedoch vor oder während der Bierfiltration durch Einsatz von Filterhilfsmitteln partiell adsorptiv entfernt werden (vgl. Kapitel Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik). Die ab ca. 80 °C ablaufenden Maillardreaktionen führen zur Neubildung von Aromastoffen. Eine besondere Bedeutung haben dabei die aus Aminosäuren gebildeten Streckeraldehyde, welche die Geschmacksstabilität der Biere beeinträchtigen. Sie sind die Primär- und Sekundärprodukte der Maillardreaktion und können je nach Flüchtigkeit, angewandtem Kochsystem und Verdampfung reduziert werden, das heißt, gekochte Würze enthält weniger dieser Aromakomponenten als ungekochte [1].

76

Würzekochung,Würzekochsysteme 2.2

Verdampfung

Die Verdampfung dient der Austreibung unerwünschter Aromastoffe, wie z. B. dem Myrcen aus dem Hopfen, verschiedener Carbonyle sowie Schwefelverbindungen, insbesondere Dimethylsulfid. Auch Aromastoffe aus dem Lipidstoffwechsel werden bei der Würzekochung durch Verdampfung reduziert. Einige dieser Substanzen können als analytische Indikatoren der Ausdampfeffizienz eines Kochprozesses verfolgt werden, da sie sich während der Kochung nicht nachbilden. Des Weiteren wird der Stammwürzegehalt eingestellt. Dies ist notwendig, um die Produktkonstanz zu gewährleisten, gesetzlichen Anforderungen zu genügen und die Verkehrsfähigkeit des Bieres sicherzustellen. Eine hohe Verdampfung ermöglicht ein effektiveres Auslaugen der Treber und spart somit Malz. Gleichzeitig muss mehr Energie für die Verdampfung eingesetzt werden. Dabei steigt die thermische Belastung der Würze, die sich negativ auf die Geschmacksstabilität des Bieres auswirkt.

2.2.1

Ausdampfeffizienz [2]

In Praxisversuchen hat sich gezeigt, dass trotz vergleichbarer Gesamtverdampfungen unterschiedliche Konzentrationsabnahmen für einen der Ausdampfindikatoren resultieren können. Diese Konzentrationsabnahmen lassen sich durch eine dimensionslose Kennzahl beschreiben, der Ausdampfeffizienz (AE), die von dem entsprechenden Ausdampfindikator (z. B. Hexanal), der Gesamtverdampfung und vom Würzekochsystem abhängig ist. Die Ausdampfeffizienz wird wie folgt definiert: Konzentrationsabnahme Ausdampfindikator [%] = Ausdampfeffizienz Gesamtverdampfung [%] daraus folgt: (c – c) x 100 % AE = c0 0 x GV

Gleichung 1: Ausdampfeffizienz c0 = Ausgangskonzentration; c = Konzentration zum Messzeitpunkt GV = Gesamtverdampfung [%]

Die in Gleichung 1 definierte Kennzahl gibt den Betrag der prozentualen Abnahme des jeweiligen Stoffes je Prozent Verdampfung an. Das heißt, je größer die Ausdampfeffizienz ist, desto mehr eines bestimmten Stoffes, bezogen auf die Verdampfung, wird ausgedampft – ohne Bewertung, ob dies ein positives oder negatives Merkmal eines Würzekochsystems darstellt. Die Ausdampfeffizienz muss für jeden einzelnen Ausdampfindikator separat bestimmt werden und ihr maximal möglicher Betrag hängt von der Verdampfung ab. Aus rein physikalischer Sicht ist die Ausdampfung nicht vom Würzekochsystem abhängig. Jedoch ist die Matrix Bierwürze sehr komplex und die Durchmischungs- und Strömungsverhältnisse für die verschiedenen Würzekochsysteme sind sehr unterschiedlich. Bei ungünstigen Strömungsverhältnissen kann die Ausdampfeffizienz geringer ausfallen, da Teilmengen der Würze nur partiell gekocht werden. Durch diese Kennzahl kann der Zustand eines Kochsystems anhand der Auswertung praktisch gewonnener Daten erfasst und eine Aussage über die mögliche Ausdampfung bestimmter Stoffe getroffen werden. Das bedeutet in der Praxis, dass in möglichst kurzer Zeit unerwünschte Aromastoffe entfernt werden. Gleichzeitig ist unter diesen Voraussetzungen der Energieverbrauch (gerin77

Würzekochung,Würzekochsysteme gere Gesamtverdampfung) und die thermische Belastung der Würze (Geschmacksstabilität) reduziert sowie der noch koagulierbare Stickstoff (besserer Schaum, mehr Vollmundigkeit) geschont. Bei der Betrachtung und Bewertung eines Systems bzw. einer Kochung mit dieser Kennzahl kann sich ein Fehler durch die Berechnung der Verdampfung bzw. Gesamtverdampfung ergeben. Für die Berechnung können die Extraktzunahme, die Pfannevoll- bzw. Ausschlagvolumina oder die verbrauchte Wärme herangezogen werden. Eine mögliche Bewertung des Kochvorgangs anhand der Ausdampfeffizienz muss für den jeweils betrachteten Aromastoff bzw. Ausdampfindikator durchgeführt werden, da die Flüchtigkeit der Einzelkomponenten des Vielkomponentensystems Würze unterschiedlich ist. Diese Kennzahl kann nur für Stoffe angewandt werden, die sich im Laufe der Würzekochung nicht nachbilden, wie z. B. die Indikatorsubstanzen Hexanal, 1-Hexanol oder 1-Pentanol. Die in Tabelle 1 aufgelisteten Werte bilden die rechnerische Grundlage zur Bestimmung der Ausdampfeffizienz. Aus dieser Tabelle lässt sich Abbildung 1 erstellen. Diese Darstellung dient als Werkzeug zur graphischen Bestimmung eines gesuchten Wertes, wenn zwei von drei Werten bekannt sind (z. B. Gesamtverdampfung, Anfangs- und Endkonzentration der Indikatorsubstanzen). Gesamtverdampfung [%] (c0 – c)/c0 [%]

100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

2,0 50,0 47,5 45,0 42,5 40,0 37,5 35,0 32,5 30,0 27,5 25,0 22,5 20,0 17,5 15,0 12,5 10,0 7,5 5,0 2,5 0,0

2,5 40,0 38,0 36,0 34,0 32,0 30,0 28,0 26,0 24,0 22,0 20,0 18,0 16,0 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0

3,0 33,3 31,7 30,0 28,3 26,7 25,0 23,3 21,7 20,0 18,3 16,7 15,0 13,3 11,7 10,0 8,3 6,8 5,0 3,3 1,7 0,0

3,5 28,6 27,1 25,7 24,3 22,9 21,4 20,0 18,6 17,1 15,7 14,3 12,9 11,4 10,0 8,6 7,1 5,7 4,3 2,9 1,4 0,0

4,0 25,0 23,8 22,5 21,3 20,0 18,8 17,5 16,3 15,0 13,8 12,5 11,3 10,0 8,8 7,5 6,3 5,0 3,8 2,5 1,3 0,0

4,5 22,2 21,1 20,0 18,9 17,8 16,7 15,6 14,4 13,3 12,2 11,1 10,0 8,9 7,8 6,7 5,6 4,4 3,3 2,2 1,1 0,0

5,0 20,0 19,0 18,0 17,0 16,0 15,0 14,0 13,0 12,0 11,0 10,0 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0

5,5 18,2 17,3 16,4 15,5 14,5 13,6 12,7 11,8 10,9 10,0 9,1 8,2 7,3 6,4 5,5 4,5 3,6 2,7 1,8 0,9 0,0

6,0 16,7 15,8 15,0 14,2 13,3 12,5 11,7 10,8 10,0 9,2 8,3 7,5 6,7 5,8 5,0 4,2 3,3 2,5 1,7 0,8 0,0

6,5 15,4 14.6 13,8 13,1 12,3 11,5 10,8 10,0 9,2 8,5 7,7 6,9 6,2 5,4 4,6 3,8 3,1 2,3 1,5 0,8 0,0

7,0 14,3 13,6 12,9 12,1 11,4 10,7 10,0 9,3 8,6 7,9 7,1 6,4 5,7 5,0 4,3 3,6 2,9 2,1 1,4 0,7 0,0

7,5 13,3 12,7 12,0 11,3 10,7 10,0 9,3 8,7 8,0 7,3 6,7 6,0 5,3 4,7 4,0 3,3 2,7 2,0 1,3 0,7 0,0

8,0 12,5 11,9 11,3 10,6 10,0 9,4 8,8 8,1 7,5 6,9 6,3 5,6 5,0 4,4 3,8 3,1 2,5 1,9 1,3 0,6 0,0

Tabelle 1: Wertetabelle zur Bestimmung der Ausdampfeffizienz. Darüber hinaus können typische Bereiche für verschiedene Würzekochsysteme erarbeitet werden. Ergebnisse aus Praxisversuchen für die jeweilige Substanz können in das Schaubild für die Ausdampfeffizienz (Abbildung 2) eingezeichnet werden, um zu überprüfen, ob das entsprechende System innerhalb bekannter und typischer Parameter bezüglich der Aromastoffausdampfung arbeitet.

78

Würzekochung,Würzekochsysteme

Ausdampfeffizienz Ausdampfeffizienz [AE]

[AE]

55

7,0

50 45 40 35 30 25 20

100 %

15 10 5 0 100

95

90

85

80

75

70

65

60

55

50

45

40

(C0 – (cC)/C 0 ct)/c 0 [%] 0 [%] AE bei 2 % Gesamtverdampfung AE bei 5 % Gesamtverdampfung

35

30

25

20

15

10

5

0

~ 35 %

AE bei 3 % Gesamtverdampfung AE bei 8 % Gesamtverdampfung

Abbildung 1: Bestimmung der prozentualen Konzentrationsabnahme eines Stoffes bei einer bestimmten Verdampfung. 55

Ausdampfeffizienz [AE] Ausdampfeffizienz [AE]

50 45 40 35 30 25 20

100 %

15 10 5 0 1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

5

5,5

6

6,5

7

7,5

8

8,5

Gesamtverdampfung nach nach Zeitintervall t [%]t [%] Gesamtverdampfung Zeitintervall 100 % Konzentrationsabnahme 10 % Konzentrationsabnahme Hexanal (B)

50 % Konzentrationsabnahme Hexanal (A) Hexanal (C)

Abbildung 2: Würzekochsystem-spezifische Ausdampfeffizienz für Hexanal. 79

Würzekochung,Würzekochsysteme Die in Abbildung 2 dargestellten durchgezogenen Kurven entsprechen den Werten für die Ausdampfeffizienz bei 100 %, 50 % und 10 % Konzentrationsabnahme zur Ausgangskonzentration. Über der durchgezogenen 100 %-Kurve kann kein Wert liegen, sie definiert die Höchstwerte für die Ausdampfeffizienz in Abhängigkeit von der Verdampfung. Die durch gestrichelte Linien verbundenen Punkte spiegeln die Ausdampfeffizienzen des betrachteten Ausdampfindikators für das jeweilige System wider. Durch Übertragen der Werte aus Abbildung 2 in Abbildung 1 kann die prozentuale Abnahme des Hexanals bei einer bestimmten Verdampfung abgelesen werden. Es wurden hier zum Vergleich Werte für die Ausdampfeffizienz von drei unterschiedlichen Würzekochsystemen A, B, C eingetragen. Am Beispiel der Kurven für Hexanal wird aus Abbildung 2 deutlich, dass jedes System seinen eigenen charakteristischen Verlauf bezüglich der Ausdampfeffizienz bei verschiedenen Verdampfungen aufweist. Eine gute Ausdampfung durch das Kochsystem und damit eine hohe Ausdampfeffizienz führen zu einer guten Qualität, da die grundlegenden analytischen Eckwerte der Kochung (Abbildung 3), wie freies DMS, die Thiobarbitursäurezahl und der koagulierbare Stickstoff, ideal aufeinander abgestimmt werden können. Somit kann bei einem Kochsystem mit guter Ausdampfeffizienz mit geringer Gesamtverdampfung und damit in kurzer Zeit die Ausdampfung unerwünschter Aromastoffe erreicht werden. Dadurch wird die TBZ-Zunahme gering gehalten und der noch koagulierbare Stickstoff kann auf den gewünschten Wert eingestellt werden.

DMS frei (Kühlmitte < 100 mg/l)

Ausdampfeffizienz TBZ-Zunahme

koagulierbarer N

(Kochung ∆ 15)

(~ 2–3 mg/100 ml)

Abbildung 3: Voneinander abhängige analytische Eckwerte der Würzekochung.

Bei klassischen Würzekochsystemen (Abbildung 4), wie beispielsweise dem Innenkocher oder dem Außenkocher, laufen Heißhaltung und Verdampfung gleichzeitig ab. Nach der Kochphase erfolgt die Heißtrubabtrennung, z. B. im Whirlpool.

80

Würzekochung,Würzekochsysteme

Heißhaltung und Verdampfung

Heißhaltung und keine Verdampfung

Kochen

Heißtrubabtrennung z. B. Whirlpool

Kochbeginn

Kochende

Kühlmitte

Abbildung 4: Vorgehensweise bei klassischer Würzekochung [3].

Mit den modernen Kochsystemen ist es heute möglich, Heißhaltung und Verdampfung gleichzeitig oder auch zeitversetzt ablaufen zu lassen. Die moderne Würzekochung (Abbildung 5) bietet mehr Möglichkeiten und eine größere Flexibilität. Flexibilität bedeutet, dass die Zeitabläufe, der Energieeintrag und die Qualitätsmerkmale bewusst gesteuert bzw. aufeinander abgestimmt werden können.

Würzevorkühlung Nachverdampfung

Nachverdampfung

Verdampfung oder keine Verdampfung Kochen/ Heißhalten

Kochbeginn/ Heißhaltebeginn

Heißtrubabtrennung z. B. Whirlpool

Kochende/ Heißhalteende

Kühlmitte

Abbildung 5: Möglichkeiten mit moderner Würzekochung [3]. 81

Würzekochung,Würzekochsysteme Beispielsweise kann die Verdampfung vor oder nach der Heißtrubabtrennung erfolgen. Zusätzlich ist eine Würzevorkühlung vor der Heißtrubabtrennung möglich.

2.2.2

Würzevorkühlung

Durch die Würzevorkühlung wird die Würze vor der Heißtrubabtrennung von 98 bis 99 °C auf Temperaturen unter 90 °C abgekühlt. Diese Abkühlung kann entweder durch einen Wärmetauscher (Abbildung 6) oder durch einen Entspannungsverdampfer (Abbildung 18, S. 95) erreicht werden. Es kann der Würzekühler beim Ausschlagen im Bypass genutzt werden. Alternativ kann man einen separaten Plattenwärmeübertrager installieren. Beim Entspannungsverdampfer wird die Würze nach der Kochung so lange im Kreislauf gepumpt, bis die gewünschte Temperatur durch den entsprechend eingestellten Unterdruck im Entspannungsverdampfer erreicht ist. Durch die Würzevorkühlung ist die thermische Belastung der Würze geringer [4]. Dies wirkt sich positiv auf die Geschmacksstabilität aus und führt zu einer geringeren Nachbildung von freiem DMS aus der Vorläufersubstanz S-Methylmethionin, welche auch als DMSPrecursor bekannt ist.

Abbildung 6: Würzevorkühlung beim Ausschlagen (Quelle: GEA-Huppmann GmbH, Kitzingen/Deutschland).

2.2.3

Nachverdampfung

Die Nachverdampfung kann vor der Heißtrubabtrennung oder direkt vor der Würzekühlung stattfinden, und zwar auf zwei Arten. Einerseits unter atmosphärischen Bedingungen durch ein Nachkochen, andererseits kann im Vakuum nachverdampft werden. 82

Würzekochung,Würzekochsysteme Der grundsätzliche Vorteil einer Nachverdampfung ergibt sich durch eine nach der Kochung und Heißtrubabtrennung stattfindenden Ausdampfung unerwünschter und bis dahin nachgebildeter Würzearomastoffe, die im fertigen Bier zu einer Geschmacksbeeinträchtigung führen können.

2.3

Gegenseitige Beeinflussung der analytischen Eckwerte bei der Würzekochung

In Tabelle 2 werden die Eckwerte für freies Dimethylsulfid, die Thiobarbitursäurezahl und den koagulierbaren Stickstoff für helle Bierwürzen angegeben. Darüber hinaus spielen natürlich für die Geschmacksprofile der Biere weitere Kriterien eine Rolle. Beispielsweise resultieren bei geringer Kochtemperatur oder bei geringer Gesamtverdampfung oft charaktervollere und reichhaltigere Biere.

Würze

TBZ

DMS [µg/l]

Koagulierbarer Stickstoff bezogen auf 12 GG% [mg/l]

Ausschlagwürze

< 45

< 100

15–25 (Praxiserfahrung: 20–35)

Whirlpoolwürze (Auslauf)

< 60

< 100 (freies DMS)



Tabelle 2: Eckwerte der Würzekochung [5].

Die Thiobarbitursäurezahl ist eine dimensionslose Kennzahl und gibt Auskunft über die thermische Belastung der Würze. Es werden hierbei Maillardprodukte erfasst, die während der Kochung aus Aminosäuren und reduzierenden Zuckern entstehen. Bei Sudhausabnahmen dienen häufig Werte aus den Richtlinien für die Sudwerkskontrolle nach der MEBAK [5] oder der DIN 8777 [6] als Grundlage. Diese besagen, dass der Wert für Kühlmittewürzen < 60 sein soll. Eine geringe thermische Belastung äußert sich positiv hinsichtlich der Geschmacksstabilität der Biere, da weniger alterungsrelevante Carbonylverbindungen (Streckeraldehyde) gebildet werden [7]. Diese Werte gelten nicht für dunkle Würzen, da hier wegen des völlig anderen Geschmacksprofils Maillardprodukte und Streckeraldehyde für das Bieraroma sogar erwünscht sind. Die Aminosäure L-Glutamin erfährt eine Konzentrationsabnahme in Abhängigkeit von der Kochtemperatur und Kochdauer und somit in Abhängigkeit von der thermischen Belastung [2]. Ein Einfluss der Gesamtverdampfung auf die Konzentrationsabnahme konnte nicht festgestellt werden. Das heißt, es handelt sich um eine rein chemische Abbaureaktion, da die Aminosäure kein flüchtiger Stoff ist. Um vergleichbare Werte zu erhalten, müssen die gemessenen Konzentrationen nach einer Verdampfung (Aufkonzentrierung) auf einen gemeinsamen Stammwürzewert bezogen werden. 83

Würzekochung,Würzekochsysteme

60 %

Abnahme der Glutaminkonzentration [%]

Abnahme der Glutaminkonzentration [%]

Auf Grund dieser Ergebnisse wurde der Konzentrationsverlauf des L-Glutamins in Abhängigkeit von der thermischen Belastung über die Heißhalte- bzw. Kochzeit genauer betrachtet. Eine Anwendbarkeit dieser Abbaureaktion zur Beurteilung der thermischen Belastung im Verlauf der Würzebereitung erfolgte durch einen Vergleich mit der Zunahme der TBZ (Abbildung 7) [2].

50 % y = 0,035x + 0,054 r2 = 0,850 r = 0,922

40 %

30 %

20 %

10 %

0% 0

2

4

6

8

10

12

14

TBZ-Zunahme TBZ-Zunahme

Abbildung 7: Zusammenhang zwischen der TBZ-Zunahme und der Konzentrationsabnahme des L-Glutamins. Aus den rechnerischen Zusammenhängen lassen sich die in Tabelle 3 aufgeführten Halbwertszeiten für den L-Glutaminabbau berechnen [2]. 80 °C Reaktionstemperatur

90 °C Reaktionstemperatur

100 °C Reaktionstemperatur

192,3 min

113,6 min

64,1 min

Tabelle 3: Halbwertszeiten des L-Glutaminabbaus in Abhängigkeit der Reaktionstemperatur. Die Aminosäure L-Glutamin kann auf Grund der vorgestellten Ergebnisse als weiterer thermischer Indikator neben der TBZ angewendet werden [2]. DMS-P wird im Verlauf der Würzekochung in freies DMS umgewandelt und sollte in Konzentrationen C16) und Zink, die sich im Trub befinden, die Hefevitalität und beschleunigen die Gärung. Trubpartikeln fördern die Entbindung der Kohlensäure während der Gärung und erhöhen so die Gärtätigkeit (CO2-Entlastung der Hefezellen, mehr Hefezellen in der Schwebe, schnellerer Extraktabbau). Die Trubfracht beeinflusst somit die Gärung und den Charakter des Bieres. Langkettige Fettsäuren (C18:2, C16)

TRUB Partikel

Zink

Abbildung 22: Eigenschaften der Trubstoffe.

2.4.12.2 Kühltrub Der Prozessschritt der Kühltrubentfernung bei der Bierwürzebereitung verursacht Kosten und stellt ein mikrobiologisches Risiko dar. In der Literatur ist seine Notwendigkeit umstritten. Versuche in Brauereien, welche die Verfahren der Flotation, Kaltwürzefiltration und Kaltwürzezentrifugation einsetzten, haben gezeigt, dass eine Kühltrubabtrennung nicht nötig ist, wenn folgende Voraussetzungen in der jeweiligen Brauerei erfüllt sind [32, 33]:

98

Würzekochung,Würzekochsysteme • die Heißtrubabtrennung funktioniert einwandfrei • die Biere sind in ihrer Qualität konstant • das Hefemanagement entspricht dem Stand der Technik • das erzeugte Geschmacksprofil im Bier ist von der Brauerei erwünscht Dies ergibt sich daraus, dass zwar der Geschmack der Biere durch unterschiedlichen Kühltrubeintrag beeinflusst werden kann, aber andere Qualitätsparameter, wie Geschmacksstabilität, chemischphysikalische Stabilität, Reduktionsvermögen (Lag-Time) und Schaumhaltbarkeit, keine negative Einwirkung erfahren, sondern sich tendentiell verbessern. Im Einzelnen ändert sich der Biergeschmack brauereispezifisch in Bezug auf Geruch, Bittere und Vollmundigkeit. Die Biere erhalten einen charaktervollen Geschmack durch Kühltrub. Das gealterte Bier wird mit Kühltrub tendentiell bevorzugt. Das reduktive Potential erhöht sich bei Belassen des Kühltrubes in der Würze ebenso wie die chemisch-physikalische Stabilität. Die Schaumhaltbarkeit verändert sich nicht [32, 33].

2.4.13 Brüdenkondensat Um Geruchsemissionen zu vermeiden und Energie zu sparen, wird Brüden aus der Würzekochung meist in Pfannendunstkondensatoren oder nach thermischer oder mechanischer Brüdenverdichtung in Außen- oder Innenkochern kondensiert. Dabei fällt Brüdenkondensat in einer Menge an, die der Gesamtverdampfung entspricht. Im Sinne der Reduzierung der Abwassermenge in der Brauerei und der entsprechenden Kosten wurde nach Möglichkeiten zur Wiederverwertung von Brüdenkondensat mit und ohne Aufbereitung gesucht. Brüdenkondensat besteht zu über 99 % aus Wasser. Es ist salzfrei und enthält ausschließlich organische Inhaltsstoffe aus Hopfen und Malz. Bisher wurden 161 Inhaltsstoffe identifiziert. Diese gehören zu den Gruppen der Aldehyde, Alkane, Alkohole, Ester, Furane, Ketone und Terpene. Die Konzentrationen der einzelnen Stoffe liegen zwischen 5 und 338 µg/l [34, 35]. Ist das Brüdenkondensat gelb gefärbt und wird gleichzeitig Extrakt gefunden, so ist von einer Verschleppung der Würze durch Aerosolbildung auszugehen. Die Inhaltsstoffe von Brüdenkondensat aus der Würzekochung können zwischen den verschiedenen Brauereien stark differieren. Gründe hierfür sind: • der chemische Sauerstoffbedarf (CSB) von Brüdenkondensat wird wesentlich erhöht durch die Zugabe von Farbebier und Sauergut zur Würzekochung • Hopfengaben beeinflussen den CSB in den Brüden nicht signifikant • der mittlere CSB bei hellen Würzen ohne Zugabe von Farbebier oder Sauergut zur Würzekochung liegt unter 300 mg/l • weitere Einflussgrößen sind Würzesorte und Würzefarbe

99

Würzekochung,Würzekochsysteme • abhängig vom Aufbau der jeweiligen Würzekochanlage erreicht der CSB zu Kochbeginn oder bis zu ca. 20 min danach ein Maximum • der pH-Wert von Brüdenkondensat ist niedriger als der pH-Wert der Würze Als Verfahren zur Aufbereitung von Brüdenkondensat wurden bisher Umkehrosmose und Aktivkohlefiltration untersucht. In Brauversuchen wurde ein über eine Umkehrosmose aufbereitetes Brüdenkondensat als Haupt- und Nachguss verwendet. Die Qualität der frischen Biere war sensorisch vergleichbar mit den Bieren aus konventioneller Produktion. Lediglich bei den forciert gealterten Bieren konnte eine Verschlechterung festgestellt werden, wenn aufbereitetes Brüdenkondensat eingesetzt wurde. Aus diesem Grund sollte Brüdenkondensat nicht in großen Mengen in das Produkt übergehen [36]. Durch eine Aktivkohlefiltration kann der CSB des Brüdenkondensats um maximal 40 % reduziert werden. Trink-, Brau- oder Kesselspeisewasserqualität wird damit nicht erreicht, so dass dieses Verfahren nicht zur Aufbereitung von Brüdenkondensat geeignet ist. Es wurden einige Möglichkeiten untersucht, in denen ein Brüdenkondensat ohne Aufbereitung eingesetzt werden kann (Tabelle 5).

Prozess

Verwertbarer Anteil [%]

Ausspritzen des Läuterbottichsenkbodens

33

Letzter Nachguss beim Abläutern

28

Kühlwasser für Verdunstungskondensatoren

100

Ansatz alkalischer Reinigungsmittel – Flaschenreinigung

100

– CIP- und verlorene Reinigung

100

Tabelle 5: Möglichkeiten zur Wiederverwendung von unaufbereitetem Brüdenkondensat

Brüdenkondensat kann noch für weit mehr Anwendungen eingesetzt werden, da es sehr weich ist. Lediglich die Belastung mit organischen Stoffen (CSB) stellt ein Problem dar. Für das Ausspritzen des Läuterbottichs werden nur 33 % der anfallenden Brüdenkondensatmenge benötigt. Durch das Hackwerk und die Kanalbildung im Treberkuchen, passiert das Brüdenkondensat früher als theoretisch erwartet den Treberkuchen. In Praxisversuchen konnten maximal 28 % verwendet werden, bis schließlich Brüdenkondensat im ablaufenden Glattwasser wieder gefunden wurde. Beim Ansatz von alkalischen Reinigungsmitteln kann das komplette Brüdenkondensat untergebracht werden, wenn die Lauge genügend oft neu angesetzt wird. Brüdenkondensat hat einen niedrigeren CSB als die Reinigungslauge, so dass die Reinigungswirkung nicht geschwächt wird.

100

Würzekochung,Würzekochsysteme Normalerweise wird das Brüdenkondensat auf 25–30 °C gekühlt und mit 6 ppm Chlordioxid zur Desinfektion versetzt. Ohne Zusatz eines Desinfektionsmittels kommt es zu Verschleimung und Verschlammung der Verdunstungskondensatoren und eventueller Zwischenstapelgefäße. Außerdem verhindert der Zusatz des Chlordioxids eine Geruchsbelästigung. Der Einsatz von H2O2 hat sich als ungeeignet erwiesen, da H2O2 keine Depotwirkung hat und höhere Kosten verursacht [37]. Die im Zusammenhang mit der Würzekochung stehenden Themengebiete Hopfen und Würzesäuerung werden in den entsprechenden Kapiteln behandelt.

3

Zusammenfassung

Unter den beschriebenen Systemen stellen der Innenkocher und der Außenkocher Basissysteme dar, die in den meisten der beschriebenen modernen Kochsysteme integriert sind. Derzeit werden viele schon bestehende Sudhauseinrichtungen umgebaut und durch Integration zusätzlicher Apparate optimiert. Erklären lässt sich dies vor allem durch den erheblichen Kostendruck und den harten Konkurrenzkampf in der Braubranche. Neuanschaffungen werden sehr genau überdacht. Ein entsprechender Preis muss sich durch technologische oder energietechnische Verbesserungen rechtfertigen lassen. Eine Nachrüstung ist in den meisten Fällen die weitaus günstigste Möglichkeit, ein Sudhaus zu modernisieren. Der Einfluss des Kochsystems auf den Biergeschmack ist schwierig zu bewerten, da die Malzschüttung, die Abfüllung, besonders die Hefe, u. v. a. auch maßgeblich zum Charakter eines Bieres beitragen. Es muss bei der Bewertung des Geschmacks bedacht werden, dass eine gezielt ablaufende Kochung eine notwendige Voraussetzung, aber keine Garantie für ein gutes Bier ist. Sollte beispielsweise die Gärung nicht ideal verlaufen, können die Anstrengungen im Sudhaus zunichte gemacht werden. Ein gut funktionierendes Kochsystem könnte dadurch zu Unrecht schlecht bewertet werden. Durch eine entsprechende Parametrierung moderner Kochverfahren lassen sich Biere herstellen, deren Geschmacksprofil vergleichbar mit konventionell hergestellten Bieren ist. Eine Anpassung der Kochparameter (Kochzeit, Verdampfung, thermische Belastung) sollte bei einem neuen System jedoch vorgenommen werden. Diese Anpassung ist bei den beschriebenen Systemen gut durchführbar, da die Verfahrensparameter sehr flexibel variiert werden können. Da alle vorgestellten Kochsysteme die momentanen technologischen Anforderungen erfüllen, spielen bei der Auswahl des Kochsystems vor allem das Energiemanagement, die Wirtschaftlichkeit und die örtlichen Gegebenheiten eine entscheidende Rolle. Im Bezug auf die Energieeinsparung sollte darauf geachtet werden, welche Gesamtverdampfung nach welcher Kochzeit erreicht wird.

101

Würzekochung,Würzekochsysteme

4

Überblick

Welches Kochsystem kommt in Frage? • abhängig vom Energiekonzept • welche bestehenden Einrichtungen können weiterverwendet werden, ist eine Nachrüstung möglich • bauliche Gegebenheiten, wie viel Platz bzw. Raum steht zur Verfügung • Kostenvergleich bezüglich Anschaffung und Betrieb der Anlage • ein neues System liefert eine etwas veränderte Würzezusammensetzung; durch die hohe Flexibilität bezüglich der Kochparametrierung kann jedoch mit einem modernen Kochsystem gezielt die gewünschte Würzezusammensetzung erreicht werden Eine gute Bierqualität ist mit allen Systemen gewährleistet. Wie wirkt sich eine schlechte Durchmischung der Würze in der Pfanne aus? Welche Vorteile ergeben sich durch eine homogene Würzebehandlung? • Eine schlechte Durchmischung führt zu Totzonen in der Würzepfanne. Dadurch resultieren unterschiedliche Temperaturen in der Pfanne und somit eine ungleichmäßige thermische Behandlung der Würze. Das heißt, ein gewisser Anteil der Würze wird nicht gekocht und unerwünschte Aromastoffe werden nicht ausgedampft. • Findet hingegen eine gute Durchmischung statt, kann die Kochzeit verkürzt werden. Versuche in Brauereien haben gezeigt, das beispielsweise durch eine zusätzliche Umwälzung über einen Verteilerschirm schon nach vergleichsweise kurzen Kochzeiten (beim Innenkocher ungefähr 40 min) und geringen Gesamtverdampfungen (ca. 3 %) bezüglich der analytischen Würzeparameter die Normwerte erreicht werden können. Wie wirkt sich das System auf die Gesamtverdampfung und damit auf das Energiemanagement aus? Oder: Welche Gesamtverdampfung ist sinnvoll unter Berücksichtigung der Energierückgewinnungssysteme? • Brüdenverdichter vorhanden: – besonders sind die Stromkosten zu beachten, die Gesamtverdampfung ist aus „energetischer Sicht“ von untergeordneter Bedeutung, aber die Investition für den BVD ist hoch • Energiespeicher vorhanden für Sudhaus und andere Verbraucher: – es wird ein Pfannendunstkondensator benötigt, gleichzeitig ist der Energiespeicher für andere Verbraucher nutzbar (Läuterwürzevorwärmung, Flaschenkeller)

102

Würzekochung,Würzekochsysteme – die Gesamtverdampfung richtet sich danach, ob Energie sinnvoll außerhalb des Sudhauses genutzt werden kann, sollte jedoch die Gesamtverdampfung zu gering sein (z. B. < 5 %), muss je nach Auslegung des Energiespeichers Heißwasser nachgeheizt werden • Energiespeicher nur für Sudhaus vorhanden: – mit einem Pfaduko sind 4–5 % Gesamtverdampfung optimal, speziell für die Läuterwürzevorwärmung [9] – die Maischeerhitzung über den Energiespeicher ist nur sinnvoll, wenn keine Scherbeanspruchung der Maische entsteht, da die Läuterarbeit (Differenzdruck steigt, Filtrierbarkeit schlechter) sonst schlechter wird • Keine Energierückgewinnung vorhanden: – grundsätzlich sinkt der Energiebedarf mit der Gesamtverdampfung für die Kochung; das Sudhaus ist der größte Verbraucher thermischer Energie Welche Gesamtverdampfung ist unter technologischen Gesichtspunkten sinnvoll? • Sowohl in Praxis- als auch in Pilotversuchen hat sich gezeigt, dass Biere, aus Würzen mit nur 2–3%iger Gesamtverdampfung hergestellt, den sensorischen Anforderungen noch genügen. Eine so geringe Gesamtverdampfung kann jedoch Nachteile mit sich bringen, da die Ausbeute beim Läutern geringer (Glattwassernutzschwelle 2 % [9]) und in vielen Fällen zu wenig Heißwasser zurückgewonnen wird, das schließlich nachgeheizt werden müsste. • Eine optimale Gesamtverdampfung für ein jeweiliges Kochsystem sollte in einem möglichen Bereich (z. B. 4–6 %) ausprobiert werden. Dann zeigt sich vor Ort, ob die analytischen Eckwerte wie freies DMS, Thiobarbitursäurezahl, Stickstofffraktionen und Würzearomastoffe (z. B. Hexanal als Ausdampfindikator) im gewünschten Bereich liegen und wie sich die Kochung auf den Biergeschmack auswirkt. • Die Wärmerückgewinnung durch Brüdenverdichtung ermöglicht bezüglich des Energiebedarfs für den Kochvorgang höhere Gesamtverdampfungen, jedoch muss das restliche benötigte Heißwasser bei mechanischer Brüdenverdichtung in der Brauerei direkt aufgeheizt werden.

Wann kann eine Würzevorkühlung eingesetzt werden? • immer, da kaum Auswirkung auf den Warmwasserhaushalt • grundsätzlich technologische Vorteile durch geringere thermische Belastung der Würze (TBZ), weniger Nachbildung von freiem DMS und positiver Einfluss auf das Hopfenaroma Bei welchem Druck bzw. welcher Temperatur soll gekocht werden? Je höher die Temperatur, desto schneller die chemischen Reaktionen. • HTW hat früher technische Probleme bei hohen Temperaturen in den Erhitzern gezeigt. Starkes „Fouling“ wirkt sich auf den Biergeschmack und die Reinigungsintervalle negativ aus. Heute ist das 103

Würzekochung,Würzekochsysteme Problem gelöst, da die Kochtemperatur auf maximal 135 °C gesenkt wurde und eine Reinigung durch eine doppelte Ausführung der Erhitzerstufe III jederzeit möglich ist. • die normale Niederdruckkochung durch dynamische NDK ersetzen, um die Ausdampfeffizienz zu erhöhen • die atmosphärische Kochung hat ein einfaches Anlagendesign • atmosphärische Verdampfung nicht unbedingt nötig. Kochung kann auch im Vakuum erfolgen [25]. Benötigt wird ein unterdruckstabiles Verdampfungsgefäß, welches konstruktiv relativ einfach und kostengünstig vakuumstabil gestaltet werden kann. Hierbei dient die Pfanne nur als Stapelgefäß, so dass auch alte Pfannen genutzt werden können. Welche Vorteile hat eine Nachverdampfung nach dem Whirlpool? • Freies DMS und andere unerwünschte Aromastoffe können ausgetrieben werden. Dadurch ist eine flexible Parametrierung der Heißhaltung bzw. der Kochung möglich, da direkt vor dem Anstellen eine Korrektur an unerwünschten Aromastoffen möglich ist. • flexibel bezüglich der Malzqualität (z. B. DMS-P) • In der Anstellwürze können aus thermischen Reaktionen (Maillard, DMS-P Spaltung) keine Aromastoffe nachgebildet werden, das bedeutet, dass die Würze diesbezüglich fixiert ist. Das Aromaprofil ändert sich nach der Verdampfung und direkt vor dem Würzekühlen bis zum Anstellen nicht mehr. Welche Vorteile hat eine Läuterwürzevorwärmung? • Zeitersparnis, da die Würze beim Umpumpen vom Vorlaufgefäß zur Würzepfanne mittels eines Wärmetauschers erhitzt wird. Es ergeben sich technologische Vorteile, da eine zu lange dauernde Aufheizphase eine starke Abnahme des noch koagulierbaren Stickstoffs bewirkt. Wenn die Brauerei über einen Pfaduko mit Energiespeicher verfügt, kann und sollte das Heißwasser aus dem Energiespeicher genutzt werden. • Energie, die aus der Verdampfung bei der Würzekochung gewonnen wurde, kann ortsnah im Sudhaus wieder verwendet werden (Energiespeicher). • Die Gefahr des Pulsierens nimmt ab, da zwischen der Würze im Innenkocher selbst und der den Innenkocher umgebenden und somit aufzuheizenden Würze eine geringere Temperaturdifferenz herrscht. Somit resultiert keine Überhitzung der Würze im Innenkocher, dadurch ergibt sich eine geringere thermische Belastung der Würze und eine gleichmäßigere Würzebehandlung.

104

Würzekochung,Würzekochsysteme Problem

Ursache

Maßnahmen

freies DMS in der Anstellwürze zu hoch

• DMS-P-Konzentration im Malz > 5 mg/kg • geringe Ausdampfeffizienz • Nachbildung im Whirlpool • mikrobiologische Kontamination

• Malz auf DMS-P untersuchen, Chargen mit zu hohen Konzentrationen ggf. ablehnen. • Verdampfungsziffer/Gesamtverdampfung erhöhen • Whirlpoolrast verkürzen, Würzevorkühlung, Nachverdampfen/Strippen

schlechter Schaum, schlechte Geschmacksstabilität, dunkle Würzen

• thermische Belastung

• schonender Kochen durch Kochzeitverkürzung (freie DMS-Konzentration beachten!) • geringere Verdampfungsziffer (freie DMS-Konzentration beachten!) • vgl. Kapitel Bierschaum

Innenkocher pulsiert • Temperaturdifferenz zwischen • Zwangsanströmung (z. B. Stromboli) durch Pumpe Würze im Innenkocher und • Läuterwürzevorwärmung über umgebender Würze in der zusätzlichen Wärmetauscher Pfanne zu groß schlechte Bruchbildung (Heißtrub)

• mechanische Belastung der Würze • Würze-pH zu hoch • stickstoff-gerbstoffarme Würze

• z. B. bei Heißhaltung der Würze ohne Verdampfung (SchoKo) das Rührwerk laufen lassen • Würze-pH 5,2 optimal für die Bruchbildung • Zusammensetzung der Würze durch Malzqualität und Maischprogramm bestimmen, entsprechende Hopfung bringt Gerbstoffe zur Bruchbildung ein • Würzesäuerung bei Kochende oder beim Ausschlagen

105

Würzekochung,Würzekochsysteme

106

5

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107

Würzekochung,Würzekochsysteme

108

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Biologische Säuerung

Biologische Säuerung

109

Biologische Säuerung

1

Einleitung

Die biologische Säuerung von Malz, Maischen und Würzen wird seit vielen Jahren zur Einstellung gewünscht niedrigerer pH-Werte angewandt. Dadurch werden technologische und qualitative Vorteile erzielt [1, 2, 3]. Bei der früher weit verbreiteten Verarbeitung von Sauermalz (Milchsäuregehalt 2–4 %) wurden zur Absenkung des pH-Wertes um 0,1 ca. 3 kg Sauermalz pro 100 kg Malz (~ 3–6 % zur Malzschüttung) eingesetzt. Die Gewinnung von Sauermalz erfolgt durch Übersprühen oder Weichen der entsprechenden Malzcharge (Grünmalz oder Darrmalz) mit Delbrueckii inokuliertem Weichwasser (48 °C/24 h) und anschließender schonender Trocknung (ca. 65 °C). Diese etwas umständliche Arbeitsweise wird heute weitgehend durch eine kontinuierliche Sauergutgewinnung aus ungehopfter Würze einhergehend mit der Würzeherstellung im Sudhaus ersetzt. Diese Verfahrensweise geht auf die bereits von JOERGENSEN [4] beschriebene biologische Säuerung von Brennereimaischen zurück, wobei hier der Schutz der Maische vor mikrobiellem Verderb im Vordergrund stand. LEICHMANN [5] benannte 1896 die von ihm aus solchen Substraten isolierten „Kulturmilchsäurebakterien“ Bacillus Delbruecki. Die Beschreibung der Sauergutbakterien in der Brauerei erfolgte durch HENNEBERG [6, 7], wobei in den physiologisch-biochemischen Merkmalen sehr große Ähnlichkeiten mit den Kulturen der Brennereimaischen vorlagen. Danach stammen die säuernden Bakterien natürlicherweise von keimendem Getreide, Grünmalz und Malz. Sie wachsen gut in ungehopfter Würze bei Optimaltemperaturen von 47–48 °C und bilden (D–)-Lactat. Nach den Durchführungsbestimmungen des Vorläufigen Biergesetzes darf zur Herstellung heller Biere biologisch gesäuerte Maische oder Würze verwendet werden. Dazu müssen die ohnehin auf dem Malz vorkommenden Milchsäurebakterien nach besonders genehmigten Verfahren vermehrt werden [8]. Allerdings handelt es sich nach neueren taxonomischen Untersuchungen bei diesen Milchsäurebakterien nicht um Lactobacillus delbrueckii, sondern gewöhnlich um Lactobacillus amylolyticus [9]. In den meisten Brauereien wird die biologische Säuerung mit dieser Art bewerkstelligt, wobei die Kulturstämme TL3 und TL51 wegen ihrer günstigen Merkmalskombinationen besonders gut für die Praxis geeignet sind. Vereinzelt wird auch über andere Arten berichtet (z. B. L. casei, L. amylovorus, L. helveticus, Pediococcus acidilactici, P. pentosaceus, P. dextrinicus), wobei hier aber häufig technologische oder qualitative Mängel auftreten. Auch die gelegentlich erwähnte heterofermentative Art Lactobacillus fermentum ist zur Sauergutherstellung weniger gut geeignet, da nur 50 % Milchsäure aus vergärbaren Zuckern gebildet werden. Außerdem entstehen Alkohol, Essigsäure und CO2, die beim Kochprozess ausgedampft werden und somit Extraktverluste darstellen.

1

110

Bezugsquelle: Lehrstuhl für Technologie der Brauerei I, Weihenstephan

Biologische Säuerung

2

Technologie der Sauergutherstellung

Die Gewinnung von Sauergut erfolgt günstigerweise unter den Sudgefäßen. Dadurch ist das Substrat Vorderwürze für die Maische- und Würzesäuerung stets verfügbar. Auch die hier vorliegenden höheren Raumtemperaturen kommen den Inkubationsbedingungen von ca. 48 °C entgegen, so dass häufig auf eine aufwändige Isolierung der Behälter und auf eine zusätzliche Aufheizung des Substrates verzichtet werden kann.

2.1

Milchsäurekulturen

Die heute meist eingesetzten Stämme von Lactobacillus amylolyticus stammen von der Gerste bzw. vom Malz und weisen sehr günstige Merkmalskombinationen auf. Sie sind grampositiv, katalase- und oxidasenegativ, homofermentativ, thermophil, mikroaerophil und vergären neben Maltose auch Dextrine und Stärke. Diese Milchsäurebakterien wurden von der verwandten Art Lactobacillus amylovorus auf Grund genotypischer Unterschiede abgetrennt und ausführlich beschrieben [9]. Es handelt sich um Langstäbchen, die teilweise Längen von 20–50 µm erreichen können [3]2. Sie liegen einzeln oder in kurzen Ketten vor. Da sie sehr hopfenempfindlich sind, muss die Sauergutgewinnung in Vorderwürze oder Pfannevollwürze erfolgen. Dabei ist darauf zu achten, dass keine Verschleppung von Hopfenbitterstoffen, z. B. über Trubrückführung in den Läuterbottich, stattfindet, da diese Milchsäurebakterien bereits bei einem EBC-Bitterwert von 2–4 beeinträchtigt werden. Diese Eigenschaft hat aber auch den großen Vorteil, dass eine Bierschädlichkeit ausgeschlossen werden kann. In Tabelle 1 sind die wichtigsten Eigenschaften der Lactobacillus-amylolyticus-Stämme der biologischen Säuerung zusammengefasst.

1. Wachstumsdominanz in Bierwürze (schnellwüchsig) 2. hohes Säuerungsvermögen 3. homofermentativ (2 Mol Milchsäure aus 1 Mol Glucose) 4. Wachstum bei hohen Temperaturen (bis 52 °C) 5. Vergärung von Dextrinen und Stärke 6. hoher Anteil an (L+)-Lactat 7. nicht bierschädlich (hopfenempfindlich, kein Wachstum bei Temperaturen < 30 °C) 8. keine Bildung von Aminen (z. B. Histamin) und anderer Toxine 9. keine Bildung von Diacetyl und anderer nachteiliger Substanzen 10. leichte Handhabung der Kulturen Tabelle 1: Technologische Merkmale von Lactobacillus amylolyticus. 2

Abbildungen von Lactobacillus amylolyticus. In: Back, W.: Colour Atlas and Handbook of Beverage Biology, Fachverlag Hans Carl, Nürnberg 2005, S. 43.

111

Biologische Säuerung 2.2

Vorteile der biologischen Säuerung

Die Verwendung von Sauergut zur pH-Einstellung bringt noch eine Reihe weiterer Vorteile mit sich. So werden einerseits durch Maischesäuerung wichtige cytolytische und proteolytische Enzyme aktiviert und andererseits unerwünschte Enzymaktivitäten von Lipasen, Lipoxygenasen, Polyphenoloxidasen, Peroxidasen sowie der β-Glucan-Solubilase abgeschwächt (vgl. Kapitel Maischen und Geschmacksstabilität). Die Würzesäuerung bewirkt eine weitgehende Eiweißausscheidung und führt letztendlich zu einer besseren chemisch-physikalischen Stabilität. Aber auch die anderen Bierstabilitäten (Geschmacksund Schaumstabilität, mikrobiologische Stabilität) werden positiv beeinflusst. Weitere technologische, sensorische und biologische Vorteile sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Neben diesen zahlreichen Verbesserungen muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Isomerisierung der Hopfenbittersäuren bei niedrigeren pH-Werten beeinträchtigt wird. Um geringeren Bitterstoffausbeuten vorzubeugen, sollte das Sauergut am Ende des Kochprozesses dosiert werden. Dies wirkt sich auch positiv auf die DMS-P-Spaltung aus und führt letztlich zu geringeren Werten an freiem DMS in der Anstellwürze. 1. Technologische Verbesserungen • Enzymangebot (bei Maischesäuerung werden alle wichtigen Enzyme aktiviert, ausgenommen α-Amylase) • Wuchsstoffangebot (Zinkangebot wird ebenfalls verbessert) • Eiweißausscheidung (bessere Bruchbildung) • Redoxpotential (geringere O2-Anfälligkeit) • Gärverlauf (schneller pH-Sturz, bessere Trubabscheidung, höherer Gärkellervergärungsgrad) • Filtration (bessere Klärung, bessere Wirtschaftlichkeit durch geringere Belastung der Filter) 2. Sensorische Verbesserungen • Geschmack (Geschmacksbild abgerundet, voller und weicher) • Hopfenbittere (angenehm, nicht nachhängend) • Rezenz (frischer, spritziger Charakter) • Schaum (feinblasig und stabil) • Farbe (heller und frischer) • Chemisch-physikalische Stabilität (geringere Neigung zu Eiweißtrübungen) 3. Physiologische und gesundheitliche Vorteile • Stoffwechsel (Anregung der Stoffwechselaktivität) • Verdauung (positiver Einfluss der Milchsäure) • Abwehrmechanismen (u. U. besserer Schutz vor Krankheiten; pathogene Keime werden u. U. zurückgedrängt) Tabelle 2: Vorteile der biologischen Säuerung.

112

Biologische Säuerung 4. Verringerung der biologischen Anfälligkeit des Bieres • Niedriger pH-Wert: a) Pectinatus und Megasphaera wachsen meist nicht bei pH-Werten unter 4,4 (4,5) b) Potentielle Bierschädlinge wachsen meist nicht bei pH-Werten unter 4,5 c) Obligate Bierschädlinge wachsen um so schwächer an, je niedriger der pH-Wert liegt • Höherer Endvergärungsgrad: Für Bierschädlinge ist dadurch das Angebot an leicht vergärbaren Zuckern ungünstiger. • Größerer Selektionsdruck der Hefe: Durch Wachstumsvorteile der Hefe werden Bierschädlinge als Konkurrenten zurückgedrängt (wichtig bei der Hauptgärung und Hefeführung). Tabelle 2: Vorteile der biologischen Säuerung (Fortsetzung). Tabelle 3 zeigt exemplarisch die Auswirkung einer biologischen Säuerung bei untergärigen Vollbieren im Vergleich zu ungesäuerten Bieren. Während die qualitative Beurteilung im frischen Bier sehr ähnlich ausfiel, wurden die forciert gealterten Biere besser bewertet. Sowohl die Alterungsverkostung (vgl. Kapitel Sensorik) und die Bewertung der Akzeptanz als auch die Alterungskomponenten weisen günstigere Werte auf. Einmaischtemperatur: 62 °C pH Farbe [EBC] Tannoide [mg/l] Polyphenole [mg/l] Polymerisationsindex Schaum nach ROSS und CLARK Warmtage Alterungskomponenten frisch [µg/l] Alterungskomponenten forciert [µg/l] Lag-Time [min] Verkostung DLG frisch Alterungsverkostung forciert Akzeptanz forciert [%]

ohne Säuerung

biologische Milchsäure

4,61 5,8 14,9 177 4,3 117 2 106 266 37

4,55 5,6 28,4 178 3,9 118 4 108 173 43

4,02 2,4 70

4,24 2,0 90

Tabelle 3: Beispiel für den Einfluss der Maischesäuerung auf die Bierqualität.

113

Biologische Säuerung Die Vorteile der biologischen Säuerung gegenüber einer technischen Säuerung sind in Tabelle 4 zusammengefasst.

Biologische Säuerung

Technische Säure

(L. amylolyticus)

(Milchsäure/Phosphorsäure)

Hemmung von Pectinatus, Megasphaera, potentiellen Bierschädlingen, Beeinträchtigung von obligaten Bierschädlingen durch tieferen pH-Wert

+++

+++

bessere Gärung,Vergärungsgrad

+



++



Enzymangebot

++



Enzymaktivierung

++

+

Wuchsstoffangebot

+++

+

Eiweißausscheidung

+

+

Redoxpotential

++

+

Gärverlauf

++

+

+

(+)

+



++

+

Hopfenbittere

+

(+)

Rezenz

+

+

Schaum

+

(+)

Farbe

+

+

++

++

Biologische Vorteile

größerer Selektionsdruck der Hefe

Technologische Vorteile

Filtration

Sensorische Verbesserung Geschmack abgerundet, voll, weich Alterungsverkostung

chemisch-physikalische Stabilität

Tabelle 4: Vergleich von Sauergut und technischer Säure zur pH-Einstellung.

114

Biologische Säuerung 2.3

Kultivierung und Herführung der Milchsäurekulturen

Die Herführung der Sauergutkulturen erfolgt am besten in verdünnter Vorderwürze (10–12 GG%) bei konstanten Temperaturen von 48 °C. Die Kulturen sollen nach Erreichen der logarithmischen Wachstumsphase und bei pH-Werten unter 3,5 nicht bei den hohen Inkubationstemperaturen belassen werden (max. 3 Tage), da sonst ein schnelles Absterben der Zellen erfolgt. Es empfiehlt sich daher über das Wochenende eine Vermischung mit frischer Würze (50–90 %) und ein Absenken der Temperatur unter 30 °C. Für längere Zeiträume (z. B. Sudpause, Stammhaltung) kann eine frisch angewachsene Kultur bei 5–10 °C maximal zwei Monate aufbewahrt werden. Bei den hohen Inkubationstemperaturen und den gewöhnlich sehr niedrigen pH-Werten des zu dosierenden Sauerguts (pH 2,9–3,3) sind Kontaminationen mit Fremdorganismen selten. Lediglich bestimmte Atmungshefen (z. B. Candida kefyr, Candida magnoliae) können bis 47 °C wachsen und verursachen Fehlgärungen (Gasbildung) und Geschmacksfehler (z. B. Ethylacetat). Diese Hefen können aber gut durch vorübergehende Erhöhung der Temperatur auf 50 °C und CO2-Begasung bzw. CO2-Überschichtung zurückgedrängt werden. Eine CO2-Atmosphäre fördert darüber hinaus das Wachstum der Milchsäurekultur und schützt das Sauergut vor Oxidation. In seltenen Fällen wird auch von einer Kontamination mit Buttersäurebakterien (z. B. Clostridium butyricum und Clostridium acetobutylicum) berichtet. Dies ist aber nur bei höheren pH-Werten über 4,5 möglich, wenn z. B. das Wachstum der Milchsäurebakterien nicht in Gang gekommen ist (zu geringe Zellzahl, geschwächte Kultur oder längerfristig Temperaturen über 52 °C [= Temperaturmaximum der Milchsäurekultur]).

2.4

Sauergutgewinnung

Zur Herstellung des Sauergutes kommen verschiedene Verfahren zur Anwendung. So können Fermenter (Anzahl in Abhängigkeit des Sudrhythmus), die in doppelter bis vierfacher Größe der pro Sud benötigten Sauergutmenge ausgelegt sind, mit einem Stapeltank in der Größe des täglichen Sauergutbedarfs kombiniert werden. Es können aber auch z. B. drei Tanks in der Größe des täglichen Sauergutbedarfs verwendet werden, die alternierend die Aufgabe der Milchsäurebakterienvermehrung, der Durchsäuerung und des Stapeltanks übernehmen.

115

Biologische Säuerung Täglicher Sauergutbedarf 32 hl, 8 Sude Variante A: Stapeltank 37 hl (32 hl + ca. 15 % Steigraum), Nachsäuerung im Stapeltank 4 Fermenter à 9 hl (8 hl + ca. 15 % Steigraum), Entnahme des Sauergutes (4 hl) und Befüllung mit frischer Vorderwürze (4 hl) jedes Fermenters im 12-Stunden-Rhythmus Variante B: 3 Tanks à 37 hl (32 hl + ca. 15 % Steigraum) Tag 1: Tank 1: Entnahmetank Tank 2: Vermehrungstank (Aufnahme frischer Würze im Sudrhythmus) Tank 3: Säuerungstank (Durchsäuern des gesamten Sauergutes) Tag 2: Tank 1: wird zum Vermehrungstank Tank 2: wird zum Säuerungstank Tank 3: wird zum Entnahmetank Tabelle 5: Beispiel für die Arbeitsweise bei der Sauergutgewinnung. Wasser (entgast oder karbonisiert) Vorderwürze Kohlendioxid Reinigung

Sudhaus

48 °C

45 hl 25 hl

14 hl 37 hl 200 hl/h

Abbildung 1: Anlage zur biologischen Säuerung mit 2 Fermentern und 1 Stapeltank.

116

Biologische Säuerung Im einfachsten Fall sind auch ein oder zwei Behälter ausreichend. Dies schränkt allerdings die Flexibilität deutlich ein. Es muss auf alle Fälle beachtet werden, dass nach Entnahme von Sauergut aus dem Herführgefäß nach dem Wiederauffüllen mit Vorderwürze der pH-Wert über 4,0 ansteigen muss. Bei pH-Werten unter 4,0 befinden sich die Milchsäurebakterien im Bereich ihres pH-Minimums. Sie können somit nicht mehr weiter wachsen und produzieren auch keine Milchsäure, so dass das Sauergut bezüglich des Säuregehalts verdünnt wird. Das bedeutet, dass entsprechend große Mengen an neuer Vorderwürze zudosiert werden müssen. Bei einer 50%igen Entnahme von Sauergut kann die Wiederbefüllung (1 : 1) im Sudrhythmus erfolgen, sofern dieser 4–6 Stunden beträgt. Bei kürzeren Sudrhythmen muss auf jeden Fall ein zweiter Behälter zur Nachsäuerung oder ein zweiter Fermenter vorgesehen werden. Andernfalls sind ständige Säurewertkontrollen und entsprechend angepasste Sauergutdosagen erforderlich. Die Aufstellung der Sauergutanlage erfolgt gewöhnlich in einem eigenen Raum im Sudhausbereich. Als Gefäße werden vor allem isolierte Edelstahltanks verwendet. Die Beheizung erfolgt meist über einen thermostatisch gesteuerten Heizstab. Ein Rührwerk und eine CO2-Begasung sollten ebenfalls eingeplant werden. Die Wasser- und Würzezuleitung sollte mit einer thermostatisch gesteuerten Mischeinrichtung ausgestattet sein (Mischtemperatur 48 ± 1 °C). Üblicherweise ergeben sich dann in der verdünnten Vorderwürze Extraktwerte von 10–12 GG%, die für die Milchsäurebakterien günstig sind. Bei Extraktwerten über 16 GG% lässt das Wachstum immer deutlicher nach. Zumindest einer der Fermenter muss eine Kühlvorrichtung aufweisen, um die Milchsäurekultur während der Wochenenden und bei Sudpausen geeignet zu lagern. Das Stapelgefäß muss nicht beheizbar sein, da auch bei abfallenden Temperaturen eine ausreichende Nachsäuerung stattfindet. Die Befüllung des Stapelbehälters sollte ohne starke Durchmischung von oben erfolgen. Dadurch ist im angesäuerten Gut noch eine vollständige Nachsäuerung gewährleistet, bis das Sauergut unten angelangt ist und zum Einsatz im Sudhaus zur Verfügung steht. Durch die meist hohen Säuregehalte um 1,5 % und die niedrigen pH-Werte um 2,9 besteht nicht nur ein hoher mikrobiologischer Schutz, sondern auch ein Selbstreinigungseffekt, so dass Behältnisse und Leitungswege problemlos sauber gehalten werden können. Alle Behältnisse sollten einen Kohlensäureanschluss aufweisen. Die Begasung kann über eine Fritte oder eine feinporige Kugel im Tank, während des Umpumpens in die Rohrleitung oder durch Überschichten des Sauergutes erfolgen. Eine gute Voraussetzung bietet auch der Verschnitt der Vorderwürze mit karbonisiertem Wasser. Auch die kontinuierliche Herstellung mit Hilfe immobilisierter Milchsäurebakterien im Bioreaktor wird gelegentlich in der Praxis angewandt [10]. Diese Verfahrensweise erlaubt eine hohe Leistung und eine leichte Prozesskontrolle. Der Reaktor wird im Festbettverfahren betrieben und enthält zur Immobilisierung der Milchsäurebakterien DEAE-Zellulose. Die Anlagen laufen ohne Regenerierung über mehrere Monate. Auch nach einem Stillstand von 1 bis 2 Wochen kann von einer problemlosen Reaktivierung ausgegangen werden.

117

Biologische Säuerung CO2-Gas

CO2-Gas Bioreaktor (48 ±+ – 1 °C) Stapeltank

pH 5,6

Sauerguttank + (48 ± – 1 °C)

pH 3,6

3,6

Zulauf Vorderwürze

3,0

Gabe Sauergut

Abbildung 2: Kontinuierliche Sauergutgewinnung, Prozessdiagramm.

2.5

Berechnung der benötigten Milchsäuremenge

Generell gilt für die pH-Absenkung durch Milchsäure, dass 580 g Milchsäure den pH-Wert von einer Tonne Malzschüttung um etwa 0,1 pH-Einheiten absenken können. Dies entspricht näherungsweise 10 g Milchsäure/hl Maische. In Würze ist der Bedarf an Milchsäure zur pH-Absenkung um die Hälfte reduziert, also 5 g Milchsäure/hl Würze [11]. Beispiel: Maische-pH von 5,9 ➙ 5,6 bei 5 t Schüttung benötigte Milchsäure:

580 g/t Schüttung x 5 t Schüttung x 3 (pro 0,1 pH-Einheiten) = 8.700 g

Milchsäurekonzentration: 1,1 % GV; entspricht 11 g/l Sauergutgabe/Sud:

8.700 g = 790 l 11 g/l

bei 8 Suden/Tag:

8 x 790 l = 63,2 hl

Tabelle 6: Berechnung der benötigten Sauergutmenge für das Maischen.

118

Biologische Säuerung Beispiel: Würze-pH von 5,5 ➙ 5,2 bei 5 t Schüttung benötigte Milchsäure:

290 g/t Schüttung x 5 t Schüttung x 3 (pro 0,1 pH-Einheiten) = 4.350 g

Milchsäurekonzentration: 0,8 % GV; entspricht 8 g/l Sauergutgabe/Sud:

4.350 g = 544 l 8 g/l

bei 6 Suden/Tag:

6 x 544 l = 32,6 hl

Tabelle 7: Berechnung der benötigten Sauergutmenge für die Würze.

3

Zusammenfassung

Die biologische Säuerung erfolgt üblicherweise mit der thermophilen Art Lactobacillus amylolyticus. Diese Mikroorganismen haben eine Reihe von technologischen und qualitativen Vorteilen und sind durch das schnelle Wachstum bei 48 °C und wegen der intensiven Vergärung von Maltose, Dextrinen und Stärke in der Praxis gut zu beherrschen. Die Verwendung von Sauergut hat neben der Einstellung der pH-Werte von Maische und Würze noch zahlreiche weitere Vorteile, wie Aktivierung erwünschter Enzyme, Hemmung unerwünschter Enzyme sowie Verbesserung der Bruchbildung, der Gärung und der Filtration. Auch die Bierqualität profitiert von der biologischen Säuerung. So haben die Biere eine angenehme Rezenz und Bittere sowie ein harmonisches Geschmacksbild. Darüber hinaus sind die biologische Stabilität sowie Geschmacks- und Schaumstabilität der Biere verbessert. Ein Vergleich mit technischer Milchsäure spricht eindeutig für die Verwendung biologischer Milchsäure. Bei der Kultivierung der Milchsäurebakterien muss beachtet werden, dass Standzeiten bei hohen Temperaturen und niedrigen pH-Werten vermieden werden. Fremdorganismen kommen meist bei falscher Handhabung oder niedrigen Temperaturen auf. Die Sauergutgewinnung kann in einfachen Behältnissen durchgeführt werden. Nach Möglichkeit sollte die Entnahme von Sauergut und die Dosage von verdünnter Vorderwürze (ca. 12 GG%) sudrhythmisch im Verhältnis 1 : 1 erfolgen. Wichtig ist, dass bei der Vermischung mit Vorderwürze ein deutlicher pH-Anstieg über 4,0 erfolgt, da bei tieferen pH-Werten das Wachstum schnell zum Erliegen kommt. Die Kultivierung sollte unter CO2-Atmosphäre stattfinden, da sich die mikroaerophilen thermophilen Milchsäurebakterien dann am besten vermehren. Außerdem werden schädliche Candida-Hefen gehemmt und das Sauergut wird vor Oxidation geschützt. Neben verschiedenen „Batch-Verfahren“ kann die Sauergutherstellung auch mittels immobilisierter Milchsäurebakterien im Bioreaktor erfolgen. 119

Biologische Säuerung

4

120

Überblick

Merkmal/Problem

Mögliche Ursache

Technologische Maßnahmen

Abnahme des Säurewertes im Laufe der Produktionswoche

zu geringe Mengen an Vorderwürze zum Sauergut dosiert, kein ausreichender pH-Anstieg (möglichst > 4,0)

Verhältnis Vorderwürze zu Sauergut erhöhen (sollte mindestens 1 : 1 sein)

Gasbildung im Sauergut

Fehlgärung durch Candida-Hefen

Anheben der Temperatur für mehrere Tage auf 50 °C, Begasung mit CO2

Absterben der Kulturen

zu lange Standzeiten (> 4 Tage) ohne Würzedosage bei hohen Temperaturen und niedrigen pH-Werten

an Wochenenden oder bei Sudpausen abkühlen (5–10 °C) und Würze zusetzen

schlechtes Wachstum der Milchsäurebakterien oder Steckenbleiben

Hopfenbitterstoffe in der Würze für die biologische Säuerung, zu hohe Vorderwürzekonzentration (>16 %)

keine frühzeitige Trubrückführung in den Läuterbottich, Rückverdünnung der Vorderwürze

Steckenbleiben der Milchsäuregärung

zu hohe Temperatur (> 51 °C), zu niedriger Anfangs-pH (< 4,0), zu geringe Keimzahl der Milchsäurebakterien oder geschwächte Kultur

Anweisungen für die Sauergutgewinnung beachten

tote Stäbchen beim Mikroskopieren von Erntehefe, Unfiltrat und Flüssiganreicherungen

Verschleppung der toten Sauergutbakterien

keine Nachteile, bei zweifelhaftem Befund einen Tag weiterbebrüten, wenn keine Zunahme: tote Stäbchen

schlechte Verzuckerung

schwache α-Amylaseaktivität durch zu starke Maischesäuerung (pH-Werte < 5,4)

keine Maischesäuerung

Läuterprobleme

schlecht gelöste Malze, hohe Einmaischtemperaturen bei inhomogenen Malzchargen (Wirkung der β-Glucan-Solubilase)

niedrige Einmaischtemperaturen (45 °C) und Maischesäuerung

schlechte Isomerisierung

zu niedriger pH-Wert beim Würzekochen

Sauergut am Kochende dosieren, keine oder moderate Maischesäuerung

Biologische Säuerung Merkmal/Problem

Mögliche Ursache

Technologische Maßnahmen

schlechte Gärung durch Zinkmangel

Defizit im Rohstoff

Maischesäuerung

langsame Gärung, langsamer Diacetylabbau

zu niedriger FAN

Maischesäuerung und Rast bei 48 °C

mangelhafter pHSturz bei der Gärung

zu intensive Maischesäuerung und Rast bei 50 °C, zu starke Phosphataseaktivität und Bildung von Puffersubstanzen

Hoch-Kurz-Maischverfahren (HKM), keine Maischesäuerung, wenn Rast bei 50 °C

zu hoher EVG

zu starke α- und β-Amylase

Überspringen der 62-°C-Rast und Maischesäuerung um α-Amylase zu bremsen

schlechte Geschmacksstabilität

zu starke Proteolyse, starke Wirkung von Lipoxigenasen und Peroxidasen

keine oder moderate Maischesäuerung; HKM, Rohstoffauswahl

schlechter Schaum

zu starke Proteolyse

keine Maischesäuerung, jedoch Würzesäuerung, höhere Eimaischtemperatur (> 60 °C) oder bei 55 °C mit kurzer Rast

Infektionsanfälligkeit

zu hoher Bier-pH

Würzesäuerung (pH 5,0–5,2)

5

Literatur

[1]

Back, W.: Biologische Säuerung. Monatsschrift für Brauwissenschaft 41, 1988. S. 152–155.

[2]

Narziß, L., Back, W., und Leibhard, M.: Optimierung biologischer Verfahren zur Herstellung von alkoholfreiem Bier mittels geeigneter Kulturen. Brauwelt Nr. 45, 1989. S. 2206–2214.

[3]

Back, W: Colour Atlas and Handbook of Beverage Biology. Fachverlag Hans Carl, Nürnberg, 2005.

[4]

Jørgensen, A.: Die Mikroorganismen der Gärungsindustrie. 5. Auflage, Berlin, 1909.

[5]

Leichmann, G.: Über die im Brennereiprozeß bei der Bereitung von Kunsthefe auftretende spontane Milchsäuregärung (Bacillus Delbrücki). In: Zentralbl. Bakteriol. Parasitenk. Abt. II, 20, 1896. S. 281–285. 121

Biologische Säuerung

122

[6]

Henneberg, W.: Zur Kenntnis der Milchsäurebakterien der Brennereimaische, der Milch und des Bieres. (Bacillus Delbrücki (Leichmann), Bacillus delbrückii var. alpha n. sp., Pediococcus lactis acidi (Lindner) – Bacillus lactis acidi (Leichmann) – Saccharobacillus pastorianus (v. Laer) – Saccharobacillus pastorianus var. alpha n. sp., Saccharobacillus pastorianus var. berolinensis n. sp., Bacillus lindneri n. sp.), Wochenschrift für Brauerei 18, 1901. S. 381–384.

[7]

Henneberg, W.: Bakteriologische Untersuchungen an säuernden und gärenden Hefemaischen. (Ein Beitrag zur Kenntnis des Verhaltens des Bacillus delbrückii bei verschiedenen Temperaturen). Zeitschrift für Spirituosenindustrie 28, 1905. S. 26–29.

[8]

BierSTG i. d. F. vom 01.01.1993.

[9]

Bohak I., Back,W., Richter, L., Ehrmann, M., Ludwig,W., und Schleifer K. H.: Lactobacillus amylolyticus sp. nov., Isolated from Beer Malt and Beer Wort. System. Appl. Microbiol. 21, 360–364, 1998.

[10]

Pittner, H., und Back, W.: Continuous Production of Acidified Wort for Alcohol Free Beer using immobilized Lactic Bacteria. In:Technical Quarterly 32 (1995), Nr. 3, S. 163–168.

[11]

Narziß, L., Schuster, K., und Weinfurtner, F.: Die Technologie der Würzebereitung. 7., durchgesehene und erweiterte Auflage, Wiley-VCH, ENKE, 1992.

Hefetechnologie und Gärung

Hefetechnologie und Gärung

123

Hefetechnologie und Gärung

1

Einleitung

Die Hefequalität und die Gärung haben einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität der resultierenden Biere. Ein schlechter physiologischer Zustand der Hefe kann zu folgenden Problemen führen: • Gärungsverzögerungen • erhöhte Diacetylwerte • mangelhafte Reduktion von Diacetyl und von Carbonylen • Filtrationsprobleme und Trübungen • langsamer und ungenügender pH-Sturz • erhöhte pH-Werte im Bier • erhöhtes mikrobiologisches Risiko • mangelhafte Schaumstabilität • mangelhafte Geschmacksstabilität • ein schweflig-hefiger Antrunk sowie eine breite Nachbittere Aber auch in weniger gravierenden Fällen werden die Aromakomponenten durch einen unterschiedlichen Hefezustand beeinflusst und die Gärgeschwindigkeit herabgesetzt. Schwankende Gärzeiten können z. B. Kapazitätsprobleme verursachen. Obwohl sich der physiologische Zustand der Hefe auf die Qualität des Bieres auswirkt, wurde diesem Aspekt in der Vergangenheit oft zu wenig Bedeutung geschenkt. Die Hefewirtschaft beschränkte sich häufig lediglich auf die Bereitstellung der benötigten Hefemenge. Um dem hohen Stellenwert der Betriebshefe gerecht zu werden, sind Beurteilungskriterien für den Hefezustand, eine optimale Hefeherführung und die richtige Behandlung der Erntehefe von ausschlaggebender Bedeutung.

2

Hefezustand, Hefebehandlung und Gärung

2.1

Hefeviabilität und Hefevitalität

Bei der Beurteilung des physiologischen Zustandes der Betriebshefe wird im Allgemeinen von Hefevitalität gesprochen. Darunter wird in erster Linie der Lebend-Tot-Anteil von Zellen verstanden, jedoch wird dieser Begriff auch zur Beurteilung des physiologischen Zustandes lebender Zellen verwendet. Um diese missverständliche Ausdrucksweise zu vermeiden, sollten, wie auch im Englischen üblich, die Begriffe Viabilität und Vitalität verwendet werden. Dabei wird unter Viabilität der Anteil lebender Zellen verstanden. Mit Hefevitalität wird der physiologische Zustand der lebenden Hefezellen beschrieben und somit die Hefeaktivität bzw. die Gärleistung.

124

Hefetechnologie und Gärung 2.1.1

Hefeviabilität

Die Bestimmung des Lebend-Tot-Anteils der Anstellhefe ist eine wichtige Untersuchung, da tote Zellen die gewünschte Anstellzellzahl entsprechend verringern und damit die Gärleistung beeinträchtigen. Außerdem führt dies zu einer Veränderung des Aromaprofils [1, 2]. Durch die toten Hefezellen kommen Autolysesubstanzen in das Gärsubstrat. Auf Grund erhöhter Proteinasenaktivität kommt es zu einer Verschlechterung der Schaumhaltbarkeit (vgl. Kapitel Bierschaum). Außerdem wird die Geschmacksstabilität durch das schlechtere Reduktionsvermögen der Hefe und ein Freisetzen von mittelkettigen Fettsäuren beeinträchtigt [3]. Der pH-Wert des fertigen Bieres kann ebenfalls erhöht sein, was eine größere biologische Anfälligkeit der Biere zur Folge hat. Bei der Bestimmung der Hefeviabilität werden Methoden verwendet, die zum einen auf der Kontrolle des Zellwachstums und zum anderen auf dem Einsatz von Farbstoffen beruhen [4, 5]. Als Referenzmethoden für die Viabilität werden Lebendnachweise (z. B. Plattenkulturen, Objektträgerkulturen) herangezogen. Diese eignen sich jedoch nicht für den Routineeinsatz im Brauereilabor, da längere Inkubationszeiten benötigt werden, bis ein Resultat vorliegt [6]. Bei den Färbemethoden ist zu beachten, dass die Zellzahlen nicht zu hoch sein dürfen (ca. 50 Zellen/Gesichtsfeld) und dass weder zu kurze noch zu lange Einwirkzeiten Anwendung finden. Aus Gründen der statistischen Sicherheit sollen zwischen 200 und 500 Zellen ausgezählt werden. Zu diesem Zweck kann auch eine Thomazählkammer verwendet werden, da sie eine bessere Orientierung ermöglicht. Die Auswertung muss im Hellfeld erfolgen. Bei Verwendung einer Thomazählkammer mit Fluoreszenzfarbstoffen muss der Objektträger zusätzlich zum UV-Licht mit schwachem Durchlicht beaufschlagt werden, damit auch die Messquadrate sowie die nicht fluoreszierenden Zellen erkannt werden. In der Brauindustrie ist die Methylenblaufärbung die gebräuchlichste Methode für den Lebend-TotNachweis, da sie einfach durchzuführen ist und praxistaugliche Ergebnisse liefert. Probleme treten jedoch bei der Anfärbung von hitzeabgetöteten Zellen auf. Aus diesem Grund wird dieser Methode gelegentlich eine mangelhafte Zuverlässigkeit nachgesagt. In der Literatur werden verschiedene Variationen der Methylenblaufärbung beschrieben. Bewährt hat sich eine citratgesäuerte Lösung des Methylenblaus (Herstellung: Vermischen der Lösungen aus 0,02 g Methylblau + 100 ml dest. H2O und 4 g Tri-Natriumcitrat + 100 ml dest. H2O) [6].Vergleichbare Ergebnisse werden auch mit Methylenviolett (Farbstoff: Methylenviolett 3 RAX; Lösungsherstellung wie Methylenblau) erzielt. Außerdem gibt es eine Reihe von Fluoreszenzfarbstoffen für den Lebend-Tot-Nachweis, die auf sehr unterschiedlichen spezifischen Eigenschaften der Farbstoffe beruhen (z. B. Binden an Nukleinsäuren oder Membrandiffusion). Einige dieser Farbstoffe haben sich als zuverlässig für den LebendTot-Nachweis erwiesen. Sie sind auch in der Lage, hitzeabgetötete Zellen nachzuweisen. Ihr Nachteil besteht darin, dass die Farbstoffe selber zum Teil sehr teuer oder giftig sind. Außerdem muss ein Fluoreszenzmikroskop mit dem entsprechenden Filtersatz zur Verfügung stehen. Zuverlässige Farbstoffe sind z. B. Acridinorange [7], Berberine [8] und Oxonol (Farbstoff: DiBAC4(3)) [9].

125

Hefetechnologie und Gärung 2.1.2

Hefevitalität

Die analytische Erfassung und Bewertung der komplexen physiologischen Situation der Hefe ist sehr schwierig. So wird z. B. über die Quantifizierung von bestimmten Hefeinhaltsstoffen versucht, einen Rückschluss auf die Hefevitalität zu gewinnen. Ein Beispiel hierfür ist das Reservekohlenhydrat Glycogen. In der Lag-Phase des Wachstums spielt Glycogen eine wichtige Rolle bei der Synthese von Fettsäuren und Sterolen.Verschiedene Autoren kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen für den Zusammenhang zwischen den absoluten Glycogengehalten und dem Gärverlauf [10, 11, 12, 13, 14]. Daraus kann entnommen werden, dass die Messung von Hefeinhaltsstoffen nicht aussagekräftig für die Beurteilung des physiologischen Zustandes der Zellen ist. Andere Methoden basieren auf der Messung von Stoffwechselaktivitäten der Hefe (z. B. Reduktionsvermögen der Hefe oder CO2-Bildungsvermögen). Es hat sich jedoch gezeigt, dass ein einzelner Hefeinhaltsstoff oder eine spezifische Stoffwechselaktivität kaum den komplexen Zusammenhang des physiologischen Zustandes der Hefe darstellen kann. Dagegen zeigt die ICP-Methode (Messung des intrazellulären pH-Wertes), bei der zahlreiche zentrale Stoffwechselwege erfasst werden, sehr zuverlässige Ergebnisse. Der intrazelluläre pH-Wert hängt in erster Linie mit der Aktivität der Plasma-MembranATPase zusammen, die eine entscheidende Rolle beim Nährstoff- und Spurenelementtransport durch die Zellmembran hat. Außerdem werden die Aktivitäten von Schlüsselenzymen durch den intrazellulären pH-Wert beeinflusst. Somit besteht ein Zusammenhang zwischen dem intrazellulären pH-Wert und dem Zustand der Hefezellen [15, 16, 17]. Der Messbereich bewegt sich zwischen pH 5,2 und pH 6,7, dabei sprechen Werte von über pH 6,0 für eine gute Hefevitalität, während Werte unter pH 6,0 insbesondere unter pH 5,6 auf eine schlechte Vitalität hinweisen. Diese Methode ist allerdings sehr zeit- und arbeitsintensiv und ein Fluoreszenzphotometer ist erforderlich. Es wurde aber inzwischen eine modifizierte Methode mit einem geringeren zeitlichen und arbeitstechnischen Aufwand entwickelt [18]. Da ein Fluoreszenzphotometer in der Regel nicht in der Brauerei vorhanden ist, fand die Methode noch keinen Eingang in die Routineanalytik. Eine einfache, aber ebenfalls zuverlässige Methode ist die Messung der CO2-Entwicklung. Hierbei wird beispielsweise der Druckanstieg einer mit Würze und Hefe gefüllten Flasche mittels eines Flaschenmanometers gemessen (mögliche Bedingungen: 0,33 l Flasche, 100 ml Würze, 10 g abzentrifugierte Hefe, Magnetrührer, Flaschenmanometer und Verfolgung des Druckanstieges über 2 Stunden). Eine Temperaturkontrolle z. B. mittels eines Wasserbades ist wünschenswert, aber nicht absolut notwendig. Bei den genannten Bedingungen ist ein erreichter Druck nach 2 Stunden von ca. 3 bar als sehr gut zu bewerten, Werte unter 2 bar sind als unzureichend einzustufen. Einen direkten Zusammenhang zwischen Viabilität und der Vitalität gibt es nicht. Bei der Lagerung einer Hefe hoher Viabilität und Vitalität bei sehr niedrigen Temperaturen verändert sich der Anteil der toten Zellen über einen langen Zeitraum sehr wenig, dagegen beginnt eine messbare Abnahme der Vitalität (ICP) bereits nach 2–3 Tagen (Abbildung 1). Anders verhält sich der Zusammenhang beispielsweise bei aktiven Populationen, die bei sehr hohen Temperaturen geführt werden. Hier wird häufig ein erheblicher Anteil toter Zellen gefunden (ca. 10–20 %). Trotz dieses hohen Anteils toter Zellen ist die messbare Vitalität der übrigen Zellen sehr hoch, was sich auch in guten Gärleistungen widerspiegelt.

126

6,6

16

6,4

14 12

6,2

10

6

8 5,8

6

5,6

4

5,4

Methylenblautote [%]

ICP-Wert [pH-Einheiten]

Hefetechnologie und Gärung

2

5,2

0 0

4

10

Zeit [Tage] ICP 0 °C

ICP 14 °C

MB 0 °C

MB 14 °C

Abbildung 1: Änderung der Viabilität (MB = Methylenblau) und Vitalität während der Lagerung einer Hefepopulation bei 0 °C und bei 14 °C.

Somit sind sowohl Viabilität, als auch Vitalität wichtige Parameter für die Gärung und sollten regelmäßig kontrolliert werden. In der Praxis ist die Viabilitätsmessung (Methylenblaufärbung) ausreichend. Voraussetzung ist aber, dass die Hefeernte frühzeitig erfolgt und die Hefe nur kurzzeitig bei niedrigen Temperaturen aufbewahrt wird (vgl. Abschnitt 2.5). Auf die Viabilitätsmessung der Anstellhefe sollte aber auf keinen Fall verzichtet werden, da hier rechtzeitig wichtige Informationen über den Gärverlauf bis hin zur Bierqualität gewonnen werden. Schlechte Hefechargen müssen gegebenenfalls aus dem Produktionsprozess entfernt werden.

2.2

Hefeherführung und Assimilation

2.2.1

Allgemeine Angaben zur Hefeassimilation

Die Hefeassimilation unterscheidet sich von den anderen Verfahren der Hefeherführung in erster Linie dadurch, dass in den Vermehrungstanks in jeder Beziehung Idealbedingungen gezielt eingestellt werden. Bei den herkömmlichen Propagationsverfahren und bei der klassischen Hefereinzucht liegen die Zellen in allen physiologischen Wachstumsphasen vor, während sich bei der Assimilationstechnik die Zellen zum Zeitpunkt des Anstellens ausschließlich in der logarithmischen Phase befinden (Abbildung 2). Dazu müssen die drei in Abbildung 3 (S. 129) dargestellten Bereiche aufeinander abgestimmt werden.

127

Hefetechnologie und Gärung

Hefezellzahl

Assimilation 1 Tag

12 °C

18 °C

Assimilation 3 Tage (Wochenende) Zeit Konventionelle Hefereinzucht/Propagation Abbildung 2: Zellzahlentwicklung bei der Hefeherführung in Abhängigkeit von der Temperatur.

Da sich diese Parameter in den Brauereien sehr unterschiedlich darstellen, ist eine spezifische Anpassung an den jeweiligen Betrieb notwendig, um eine optimale Vermehrung mit ausschließlich hochvitalen Zellen zu erzielen. Eine gut funktionierende Assimilationsanlage ist durch eine hohe Vermehrungsrate und gleichzeitig durch eine geringe Extraktabnahme (< 3–3,5 GG% bei Vermehrung von 10 auf 100 Mio. Zellen/ml) gekennzeichnet. Es ist dabei zu beachten, dass keine starke Schaumbildung auftritt, da dadurch die Vermehrung beeinträchtigt und die Funktionsfähigkeit der Anlage limitiert wird. Allerdings kann eine Schaumbildung niemals vollkommen verhindert werden, da eine intensive Durchmischung und Belüftung notwendig ist. Nur unter diesen Voraussetzungen ist eine ausreichende Nährstoff- und Sauerstoffversorgung gewährleistet. Somit muss ein Kompromiss zwischen idealen Ernährungsbedingungen und möglichst geringer Schaumbildung gefunden werden. Ein wichtiger Einflussfaktor für die notwendige Belüftungsintensität ist der Crabtree-Effekt. Dabei kommt es in Gegenwart von hohen Zuckerkonzentrationen im Nährmedium zur Hemmung von verschiedenen Stoffwechselwegen. Dieser Effekt tritt bereits bei sehr niedrigen Zuckerkonzentrationen (> 0,1 g Zucker/l) auf [19]. Das bedeutet, dass bei einer Hefevermehrung trotz gut belüfteter

128

Hefetechnologie und Gärung

Geometrische Verhältnisse (Assimilator)

• Tank • Durchmischung • Pumpenleistung • Belüftungseinrichtung • Rohrquerschnitt •…

Technologie (Einbindung in den Prozess)

• Sudrhythmus • Ausschlagmenge • Anstelltechnologie • Gärtemperatur • Gärverfahren •…

Wachstumsansprüche der Hefe • Würzebeschaffenheit • Assimilationstemperatur • Mischungsverhältnis • Belüftung • Druck •…

Abbildung 3: Drei wichtige Bereiche, die für eine optimale Vermehrung aufeinander abgestimmt werden müssen.

Betriebswürze keine vollständige aerobe Vermehrung stattfindet. Somit reduziert sich die theoretisch notwendige Menge an Sauerstoff für die Herführung erheblich.Aus diesem Grund ist eine sehr intensive Belüftung auch nicht von entscheidender Bedeutung [20]. Die Schaumbildung kann durch eine ausreichende Dimensionierung der Rohrquerschnitte der Umpumpleitung, mittels angepasster Durchflussgeschwindigkeiten (~ ~ 1 m/s) sowie durch abgestimmte Belüftungs- bzw. Umpumprhythmen auf niedrigem Niveau gehalten werden. Durch den Einsatz einer frequenzgesteuerten Pumpe können in Abhängigkeit der Verrohrungen stets ideale Strömungsverhältnisse geschaffen werden. Somit werden Scherkräfte auf Grund falsch ausgelegter Pumpen verhindert. Bei Scher- oder Dehnkräften können deformierte oder lang gestreckte Zellen auftreten. Mit dieser frequenzgesteuerten Pumpe kann natürlich auch die Hefedosage sowie die Reinigung erfolgen. Scherkräfte können auch durch Querschnittsveränderungen und scharfkantige Einbauten auftreten, wie es häufig bei verschiedenen Belüftungsdüsen und statischen Mischern der Fall ist. Bei der Umlaufbelüftung muss die belüftete Hefesuspension mit dem so genannten Mischungswinkel von ca. 23° zum Radius (Abbildung 4) in den Assimilator einströmen, um die Hefe in Schwebe zu halten und um den gesamten Tankinhalt mit Sauerstoff zu versorgen. Bei einer tangentialen Einführung (Whirlpoolwinkel) wird keine vollständige Durchmischung des Tankinhaltes erreicht. Das führt dazu, dass nur der äußere Bereich der Suspension mit Sterilluft versorgt wird und somit keine ausreichende Sauerstoffversorgung für die gesamte Population erfolgen kann [21].

129

Hefetechnologie und Gärung

23–25° α β

α:

Winkel zum Radius

Bsp.: Würzepfanne mit Außenkocher, Assimilationsanlage

β:

23–25°

Winkel zur Tangente

Bsp.: Whirlpool

Abbildung 4: Einmündung einer Umpumpleitung in ein Gefäß.

2.2.2

Verfahrensweise der Hefeassimilation

Wie bei den anderen Verfahren zur Hefegewinnung wird die Hefeassimilation mit einer Reinzuchthefe gestartet, welche im Labor hergezogen wurde. Anschließend wird die Hefe im Betrieb mit normaler Ausschlagwürze (keine erneute Sterilisation!) aufgefüllt, so dass sich eine Hefekonzentration von 10–15 Mio. Zellen/ml ergibt. Je nach Vermehrungstemperatur (ca. 12–18 °C für untergärige Hefe bzw. 20–25 °C für obergärige Hefe) kann die Suspension nach 24 h eine Konzentration von ca. 100 Mio. Zellen/ml aufweisen. Höhere Zellzahlen (bis zu ca. 200 Mio. Zellen/ml) sollten nicht angestrebt werden, da sich die Hefezellen bei diesen Zellkonzentrationen nicht mehr in der logarithmischen Vermehrungsphase befinden, sondern bereits im Übergang zur stationären Phase. Dies führt zu einer Verschlechterung von Vermehrungsrate und Ausbeutefaktor [20]. Die Hefesuspension mit ca. 100 Mio./ml kann nun zum Anstellen verwendet werden, wobei eine Teilmenge im Assimilationstank verbleibt und wieder mit Würze aufgefüllt wird. Mit diesem so genannten „repeated-fedbatch“-Verfahren kann die Hefesuspension beliebig lange in der Log-Phase gehalten werden. So steht in sehr kurzen Abständen frische Assimilationshefe für das Anstellen zur Verfügung [22]. Der Verlauf der Hefeassimilation kann über Temperatur, scheinbaren Extrakt und Zellzahl gesteuert werden. Sinken die Extraktwerte bei Zellzahlen deutlich unter 100 Mio. Zellen/ml von 12,0 Es [GG%] unter 7,0 Es [GG%] (die Abluft ist dann merklich mit CO2 beladen), so ist die Luftversorgung pro Zelle ungenügend (Abbildung 5a). Dieses Problem kann jedoch auch durch eine ungenügende Durchmischung verursacht werden. In diesem Fall geht ein Teil der Population in Gärung über, wodurch die Vitalität der Population abnimmt. Auf Grund der auftretenden Gärerscheinungen nimmt die Schaumbildung zu, so dass auch eine weitere Belüftung wegen der Gefahr des Überschäumens problematisch ist. Abbildung 5b zeigt die Verläufe einer gut eingestellten Assimilationsanlage.

130

220 0

1 00 100

115 5

755 7

110 0

500 5

55

255 2

00

HZZ [Mio. Zellen/ml]

Es/[GG%], Temp./[°C]

Hefetechnologie und Gärung

0 0

0

10

10

20

20 GG%

GG%

30

40

t/[h] 3 0 Temp.

Temp.

40

50

50

HZZ

HZZ

2200

1100 00

1155

7755

1100

5500

5

2255

0

00 00

1100

2200

3300

4400

HZZ [Mio. Zellen/ml]

Es/[GG%], Temp./[°C]

Abbildung 5a: Assimilationsverlauf mit ungünstigen Einstellungen.

5500

t/[h]

GG%

Temp.

HZZ

Abbildung 5b: Assimilationsverlauf mit günstigen Einstellungen.

131

Hefetechnologie und Gärung Kurze Produktionspausen (z. B. Sudpausen,Wochenende u. ä.) können durch eine Verlängerung der logarithmischen Vermehrungsphase überbrückt werden, so dass zum gewünschten Zeitpunkt dennoch eine ausreichende Menge an vitalen Zellen zur Verfügung steht. Dies wird durch eine geringere Ausgangszellzahl oder tiefere Temperaturen erreicht. Sollten längere Pausen notwendig sein (Sudpause), muss die Kultur spätestens am Ende der Vermehrungsphase durch Abstellen der Belüftung und gleichzeitigem Abkühlen auf 0–3 °C stabilisiert werden. Unter diesen Voraussetzungen können bis zu 2 Wochen ohne gravierende Aktivitätsverluste überbrückt werden.

2.2.3

Auslegung einer Assimilationsanlage

Bevor mit der Projektierung des Hefekellers begonnen werden kann, muss die Brauerei ein klares Hefekonzept haben. Bei der Anwendung der Assimilationstechnologie gibt es prinzipiell die Möglichkeiten, ausschließlich mit Assimilationshefe (vor allem für obergärige Biere) oder mit beliebigen Mischungen aus Assimilationshefe und Erntehefe zu arbeiten. Dabei hat sich ein Mischungsverhältnis (bezogen auf Zellzahl bzw. Hefekonzentration) von ca. 20–30 % Assimilationshefe und 70–80 % Erntehefe als günstig erwiesen. Auf Grund dieser ständigen Populationsverjüngung stellt sich bei der Erntehefe ebenfalls ein hohes Niveau bezüglich Viabilität und Vitalität ein. Auf die wichtigen Aspekte der Erntehefebehandlung wird in Abschnitt 2.5 eingegangen. Neben wirtschaftlichen Aspekten (z. B. geringere Investitionskosten) sprechen für die Verwendung einer Mischung aus Assimilations- und Erntehefe auch technologische Gründe, wie z. B. Beschleunigung der Angärphase, konstante, hohe Bierqualität (Sensorik, Schaum) und eine stärkere SO2-Bildung (Geschmacksstabilität). Nach der Entscheidung für eine spezielle Verfahrensweise müssen die betrieblichen Gegebenheiten und der Bedarf an Hefe abgestimmt werden. Dementsprechend werden die Assimilationstanks dimensioniert (Gärverfahren, Steigraum, verbleibende Hefemenge im Tank für Neuansatz etc.) [23]. Anhand einer Brauerei, welche nur untergäriges Bier produziert, soll die Planung und Realisierung einer Assimilationsanlage beispielhaft dargestellt werden. Betriebliche Gegebenheiten Sudgröße: 250 hl Sude/Tank: 3 Gärvolumen: 750 hl Sudabstand: 4 h Verhältnis Hefegaben: 30 % Assimilationshefe + 70 % Erntehefe Zellzahl Assimilation: 100 Mio. Zellen/ml in 24 h Anstellzellzahl der Gärung: 12 Mio. Zellen/ml Verbleibender Hefeanteil im Assimilationstank: 10 % Berechnung der Assimilationstanks Benötigte Menge Assihefen: 12 Mio. Zellen/ml x 0,30 = 3,6 Mio. Zellen/ml Assimilationsvolumen: 750 hl x 3,6 Mio./ml ÷ 100 Mio./ml = 27 hl Gesamtvolumen (+ Sumpf): 27 hl ÷ 0,9 = 30 hl

132

Hefetechnologie und Gärung Benötigte Tankgrößen: Steigraum 40 %: 30 hl ÷ 0,6 = 50 hl Steigraum 50 %: 30 hl ÷ 0,5 = 60 hl Anzahl der benötigten Tanks: 2 Alle 12 Stunden wird eine Assimilation benötigt (3 Sude/Tank x 4 h Sudabstand, gesamte Hefegabe immer zum ersten Sud). Da eine Assimilation 24 Stunden dauert, braucht man zwei Assimilationstanks, um jeden Tank mit 30 % Assimilationshefe zu versorgen. Es ist wichtig, dass die Assimilationsanlage entsprechend groß ausgelegt ist, damit eine Flexibilität gegenüber veränderten Situationen (z. B. veränderter Sudrhythmus, geringere Ausschlagmenge etc.) vorhanden ist. Nachdem der Hefebedarf und die Tankgrößen bestimmt wurden, muss die Ausstattung der Assimilationsanlage geklärt werden, wie z. B. die Art der Belüftung (Innenbelüftung, Belüftung während des Umpumpens, Belüftungseinrichtung), Rohrquerschnitte (Luft-, Umpumpleitung), Pumpenauslegung etc. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage des Automatisierungsgrades (z. B. Regelung der Luftzufuhr) und die Anbindung an bestehende Systeme (Würzeentnahme-, Hefedosage- oder CIP-Leitungen).

Kühlung

Kühlung

In Abbildung 6 ist eine Assimilationsanlage mit den dazugehörigen (erforderlichen/möglichen) Aggregaten schematisch dargestellt.

DN var

TIC

Sterilluft

FI

Sterilluft

DN var

TIC

Sterilluft

FI

Sterilluft

Abbildung 6: Darstellung einer Assimilationsanlage.

133

Hefetechnologie und Gärung Für die Volumenbestimmung, welche auch für die Entnahme der Betriebswürze und für die Hefedosage herangezogen werden kann, eignen sich IDM (induktive Durchflussmesser) oder Leveltransmitter (durch Bestimmung des Differenzdrucks). Durch eine frequenzgesteuerte Pumpe kann die Umpumpleistung entsprechend den Bedingungen (z. B. Strömungsverhältnisse, Fließgeschwindigkeiten etc.) problemlos angepasst werden. Ein Überschäumen bzw. eine Unterversorgung an gelöstem Luftsauerstoff kann verhindert werden, indem die Belüftung an das Wachstum der Hefepopulation angepasst wird. Eine auf die speziellen Betriebsverhältnisse angepasste Assimilationsanlage arbeitet zuverlässig und liefert eine einwandfreie Anstellhefe. Durch die Verwendung dieser Hefe wird eine Vielzahl von Vorteilen für den weiteren Produktionsprozess und die Bierqualität erzielt. Auf Grund der einheitlich hohen Hefevitalität verkürzen sich die Gärzeiten, der pH-Sturz verläuft schneller und weit reichender (Abbildung 7).

5,60 5,40

pH-Wert

5,20 5,00 4,80 4,60 4,40 4,20 4,00 0

1

2

3

4

5

6

7

8

Tage Assimilationshefe 10 Mio./ml

Assimilationshefe 15 Mio./ml

Hefezustand schlecht

Abbildung 7:Verlauf des pH-Wertes im Verlauf der Hauptgärung bei Verwendung unterschiedlicher Hefen. Die Konzentrationen an Diacetyl und anderen unerwünschten Gärungsnebenprodukten sind niedriger. Bei Verwendung assimilierter Hefe nimmt das Risiko einer Kontamination mit Bierschädlingen wegen der hohen Vitalität ab. Die Biere sind durch eine gleichmäßige und besonders gute Bierqualität (Sensorik, Stabilität) gekennzeichnet. Die Kombination aus Assimilations- und Erntehefe (weitgehend erste Führung), z. B. im Verhältnis 20 : 80 (bezogen auf Zellzahl), verringert Investitionskosten, ohne qualitative Einbußen nach sich zu ziehen. Dies setzt allerdings eine richtige Behandlung der Erntehefe voraus (vgl. Abschnitt 2.5).

134

Hefetechnologie und Gärung 2.3

Anstelltechnologie und SO2-Bildung

Die Gärung wird in der Praxis sehr unterschiedlich durchgeführt. Dies hängt mit der technischen Ausstattung, dem technologischen Verfahren und den verfolgten Zielen zusammen. Dabei sind mögliche Zielsetzungen das Erreichen eines bestimmten Aromaprofils oder eine kurze Gärzeit. Nachfolgend soll nicht im Detail auf die verschiedenen Variationsmöglichkeiten eingegangen werden, vielmehr sollen einige wichtige Aspekte erläutert werden. Bei den Maßnahmen, die die Gärung beeinflussen, werden folgende Ziele verfolgt: • einheitliche Gärzeiten • schneller Extraktabbau und pH-Sturz • gewünschter (hoher) Vergärungsgrad • gleichmäßige Bierqualität • hohe Geschmacksstabilität • Einhalten der Analysenwerte Die größten Einflüsse dabei liegen in der Würzezusammensetzung, der Temperatur, der Anstellzellzahl und der Würzebelüftung. Da die Würzezusammensetzung durch die Rohstoffe und die Sudhausarbeit bestimmt wird, sind für die Beeinflussung der Gärung die weiteren Parameter und deren Kombination entscheidend. Bestimmte Stoffe und Stoffgruppen sind wichtig für die Hefe und wirken sich daher positiv auf die Gärung aus. Diese sollten daher in der Würze in ausreichender Menge vorhanden sein (Tabelle 2). Üblicherweise wird der Wert für den freien Aminostickstoff (FAN) als Prozentsatz des Gesamtstickstoffes angegeben (21–22 %). Eine prozentuale Angabe ist jedoch nicht sinnvoll, da eine bestimmte Menge FAN für das Wachstum der Hefe notwendig ist und diese unabhängig von der Ausstattung mit Gesamtstickstoff ist, aber auch weitgehend unabhängig von der Stammwürze. Aus der Herstellung von Bieren mit Rohfruchtanteil ist bekannt, dass ein FAN-Gehalt von 160 mg/l in der Würze ausreichend für die Hefeversorgung ist. Auch deuten neuste Forschungsergebnisse darauf hin, dass sogar noch niedrigere Werte ausreichend sein können.

Stoff

Konzentration

Calcium

10–20 mg/l

Eisen

allgemein positiv/extrem hohe Werte toxisch

FAN

160 mg/l

Magnesium

> 40 mg/l

Zink

0,10–0,15 mg/l

Tabelle 1: Wichtige Stoffe und Stoffgruppen für die Hefe. 135

Hefetechnologie und Gärung 12

10,8

Acetaldehyd [mg/l]

10

8,7

8,2 8

6,9

6,7 5,5

6 4 2 0 8

12

16

Gärtemperatur [°C]

ICP >ICP 6,2 > 6,2

ICP 5,8

ICP 5,8

Abbildung 8a: Der Einfluss von Gärtemperatur und Hefevitalität auf den Acetaldehydgehalt im fertigen Bier.

16

14,9

Acetaldehyd [mg/l]

14

12,8

12 10

8,7

8

6,7

6 4

4,7 2,9

2 0 8

12 Stammwürze [%]

16 ICP 6,2 ICP > > 6,2

ICPICP 5,8

5,8

Abbildung 8b: Der Einfluss von Stammwürze und Hefevitalität auf den Acetaldehydgehalt im fertigen Bier.

136

Hefetechnologie und Gärung Des Weiteren hat der Hefestamm großen Einfluss auf den Gärverlauf und das Aromaprofil. Hefestämme unterscheiden sich zum Teil erheblich in ihren Ansprüchen, z. B. an das Nährmedium und den Sauerstoffbedarf, sowie in der Bildung von Aromakomponenten. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die in der Praxis am meisten verwendeten Hefestämme. Beim Anstellen von nur einem Sud in einem Tank (liegend oder stehend) oder einem Bottich sind die Variationsmöglichkeiten bezüglich der Anstellparameter eingeschränkt. Mit der Temperatur wird direkt die Angärgeschwindigkeit (und damit auch die Gesamtgärzeit) sowie die Entstehung von Gärungsnebenprodukten festgelegt. Der Zusammenhang zwischen höheren Gärtemperaturen und schnelleren Gärzeiten ist darin begründet, dass das Temperaturoptimum von Hefen zwischen 25 und 30 °C liegt. Allerdings werden bei höheren Gärtemperaturen insgesamt mehr Gärungsnebenprodukte gebildet, was zumindest bei untergärigen Bieren nicht unbedingt erwünscht ist. In den Abbildungen 8a und 8b sind Einflussfaktoren auf Gärungsnebenprodukte am Beispiel des Acetaldehyds dargestellt. Dabei ist ebenfalls der Einfluss unterschiedlicher Hefevitalitäten dargestellt (gemessen als ICP-Wert). Nach den üblichen Kriterien in der Praxis handelt es sich aber nicht um direkt schlechte Hefen, da die Methylenblautoten in der vorliegenden Untersuchung lediglich bei 3–7 % lagen. Die Höhe der Hefegabe beeinflusst ebenfalls die Gärgeschwindigkeit und die Bildung von Gärungsnebenprodukten. Eine hohe Hefegabe verringert die Vermehrung, da weniger Nährstoffe und weniger Sauerstoff pro Zelle zur Verfügung stehen. Eine geringere Hefegabe wirkt sich entsprechend positiv auf die Vermehrungsrate aus. Die Esterbildung steht in Zusammenhang mit der Vermehrung. In der Literatur wird dieser Zusammenhang über die Verfügbarkeit des Acetyl-S-CoA dargestellt. Acetyl-S-CoA ist notwendig bei der Fettsäurensynthese und damit wichtig für die Vermehrung. Ist die Vermehrung gehemmt, so steht Acetyl-S-CoA für die Bildung von Estern zur Verfügung [24, 25]. Diese Erklärung beschreibt die komplexen Zusammenhänge, die in der Praxis gefunden werden, jedoch nur unzureichend [26]. Wird die Belüftung wie üblich mit steriler Luft durchgeführt, so ist im Hinblick auf die Hefevermehrung und die Gärgeschwindigkeit eine maximale Belüftung (8–10 mg O2/l je nach Würzetemperatur) zu empfehlen.Wird mit reinem Sauerstoff belüftet, kann eine erheblich höhere Sauerstofflösung erreicht werden (> 20 mg O2/l). Dadurch erfolgt ein übermäßiges Hefewachstum, was ein verändertes Aromaprofil und eine geringe Gärungseffizienz nach sich zieht. Zu hohe Sauerstoffkonzentrationen können darüber hinaus toxisch wirken. Ein großer Teil des Extraktes wird für die Bildung neuer Biomasse verbraucht und steht für die alkoholische Gärung nicht zur Verfügung. Die Würzebelüftung spielt jedoch auch eine wichtige Rolle bei der Bildung von Schwefeldioxid (SO2) durch die Hefe. SO2 ist eine stark antioxidativ wirkende Substanz, die sich positiv auf die Geschmacksstabilität des Bieres auswirkt (vgl. Kapitel Geschmacksstabilität). Hier ist zu beachten, dass Werte von über 10 mg/l kennzeichnungspflichtig sind (Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln, LMKV, Anlage 3 [zu § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 3 und § 6], Zutaten, die allergische oder andere Unverträglichkeitsreaktionen auslösen können). Da die SO2-Bildung stark vom Hefestamm abhängt (Abbildung 9), müssen die betriebsspezifischen Gegebenheiten überprüft werden. 137

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

100 80 60 40 20

Zellzahl [Mio./ml]

SO2 [mg/l]

Hefetechnologie und Gärung

0 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Zeit [d]

Hefe A

Hefe B

Zellzahl

Abbildung 9: SO2-Entwicklung von zwei unterschiedlichen Hefestämmen. Die angegebene Zellzahl stellt die Gesamtzellzahl und nicht die Zellen in Schwebe dar. Während untergärige Hefen unter bestimmten Bedingungen bis über 20 mg/l SO2 bilden, erreichen obergärige Brauereihefen nur sehr geringe SO2-Gehalte (< 2 mg/l). Aber auch mit SO2-Werten von 5–7 mg/l wird eine deutliche Verbesserung der Geschmacksstabilität erreicht. Um diese genannten Werte zur erreichen und auch konstant über alle Chargen halten zu können, müssen die Parameter, die die SO2-Bildung beeinflussen, beachtet werden. Dabei ist prinzipiell festzustellen, dass die SO2-Bildung bei ungünstigen Kultivierungsbedingungen deutlich stärker erfolgt. So führen eine geringe Belüftung, eine hohe Stammwürze und eine geringe Hefevitalität zu höheren SO2-Werten. Auch die Hefegabe ist ein wichtiger Parameter, da viel Extrakt pro Zelle und weniger Sauerstoff pro Zelle das SO2 erhöht. Diese Zusammenhänge lassen sich in einem Funktionsdreieck (Abbildung 10) darstellen.

Zellzahl

O2 pro Zelle

Extrakt pro Zelle

SO2 Sauerstoff Abbildung 10: Einflussfaktoren der SO2-Bildung.

138

Extrakt

Hefetechnologie und Gärung In der Praxis wird ein Gärtank meist mit mehreren Suden befüllt, was zu einer komplexeren Ausgangssituation führt. Hefegabe und Belüftung können zu verschiedenen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Kombinationen erfolgen. Die gesamte Hefegabe sollte möglichst zum ersten Sud erfolgen. Dadurch wird erreicht, dass alle Hefezellen bezüglich Nährstoffangebot und Luft über den gesamten Anstellrhythmus gleiche Bedingungen vorfinden. Zu einem späteren Zeitpunkt gegebene Hefe ist gegenüber der bereits vorhandenen, hochaktiven Hefe in erheblichem Nachteil bezüglich der Konkurrenz um das Nährstoffangebot. Durch diese Nachteile erleidet die nachträglich dosierte Hefe Aktivitätsverluste und zeigt eine frühe Alterung [27]. Um eine zügige Gärung zu gewährleisten, sollte eine möglichst intensive Belüftung sichergestellt werden. Normalerweise werden bei der Drauflasstechnik alle Sude gleichermaßen belüftet. Dies führt zu einer massiven Zellvermehrung bis zum letzten Sud. Nach Aufzehren des Sauerstoffs stellt die Hefe auf Gärungsstoffwechsel um. Bei zu langen Sudintervallen ist ein ständiger Wechsel von Atmungs- und Gärungsstoffwechsel vorhanden, was zu Zeitverzögerungen und zu unkontrollierter Bildung von Gärungsnebenprodukten führt. Da Sauerstoffbedarf und Sauerstoffaufnahmeraten stark vom Hefestamm abhängig sind, müssen die Verhältnisse auf die konkrete Situation abgestimmt werden.

SO relativ SO22 relativ

Bezüglich der SO2-Bildung ist zu beachten, dass neben der stammspezifischen Bildungsfähigkeit ein deutlicher Einfluss darin besteht, zu welchem Zeitpunkt ein weiterer belüfteter Sud draufgelassen wird. Wird ausschließlich der erste Sud belüftet, können sehr hohe SO2-Gehalte erzielt werden. Werden dagegen belüftete Sude nach 2–6 Stunden draufgelassen, ist die SO2-Bildung besonders niedrig (Abbildung 11).

0

2

4

6

8

10

Zeitpunkt des belüfteten Drauflassens [h nach dem Anstellen] Abbildung 11: Zusammenhang zwischen SO2-Bildung und dem Zeitpunkt des Drauflassens belüfteter Sude bei Befüllung eines Tanks mit zwei Suden.

139

Hefetechnologie und Gärung Eine Alternative zur Belüftung lediglich des ersten Sudes ist die schwächere Belüftung aller Sude, was ebenfalls zu einer erhöhten SO2-Bildung führt. Beim Einstellen der Anstellparameter Hefegabe und Belüftung (Intensität und Zeitpunkt) muss ein Kompromiss zwischen der SO2-Bildung und einem zügigen Gärverlauf gefunden werden, da alle Faktoren, die die Gärung positiv beeinflussen, der SO2-Bildung entgegenwirken. Strategie für eine gleichmäßig hohe SO2-Bildung: • gesamte Hefegabe mit dem ersten Sud: Gesamtbelüftung sinnvoll auf die einzelnen Sude verteilen Beispiel: 1. Sud: 50 %, 2. Sud: 50 %, 3. und 4. Sud: unbelüftet (Sudrhythmus 2 Stunden) alternativ: alle Sude nur mäßig belüften (insgesamt höheres Niveau der SO2-Bildung) • Hefegabe auf alle Sude verteilt (nur bei Verwendung von Anstelltanks): alle Sude getrennt anstellen und nach ca. 3 Stunden in den ZKG schlauchen In Abbildung 12a und b sind noch einmal die Einflüsse der Hefegabe, der Belüftung und der Hefevitalität auf die SO2-Bildung dargestellt.

25 19,2

20 SO22 [mg/l] SO [mg/l]

16,8 13,7

15

11,2

10,6 10

7,6

5 0 7

15 Hefegabe [Mio. Zellen/ml]

23 ICP > 6,2

ICP 5,8

Abbildung 12a: Einfluss der Hefegabe und der Hefevitalität auf die SO2-Bildung beim Hefestamm Hebru.

140

Hefetechnologie und Gärung

25 21

SO22 [mg/l] [mg/l] SO

20

18,1 13,7

15

10,9

10,6 10 6,8 5 0 4

6 Belüftung [mg O2/l]

8 ICP > 6,2

ICP > 6,2

ICP 5,8 5,8 ICP

Abbildung 12b: Einfluss der Belüftung und der Hefevitalität auf die SO2-Bildung beim Hefestamm Hebru. Ungünstigerweise bilden aerob hergeführte Hefen auf Grund ihres guten physiologischen Zustandes kaum SO2. Dies betrifft auch die nach optimalen Gesichtspunkten hergeführte Assimilationshefe. Um bei der Verwendung von Assimilationshefe konstant hohe SO2-Werte zu erzielen (im Sinne einer guten Geschmacksstabilität), empfiehlt sich ein Verschnitt von Erntehefe und Assimilationshefe. Der Anteil der Assimilationshefe garantiert eine zügige Gärung, während die Erntehefe für eine gute SO2-Bildung sorgt. Durch die Variation der Belüftung, aber auch der jeweiligen Hefeanteile, können zusätzlich die SO2-Werte einerseits und die Gärzeit andererseits eingestellt werden. Vitale Assimilationshefen tolerieren geringere Belüftungsraten bei gleichen Gärzeiten.

2.4

Gärung

Durch die Anstelltechnologie sind die Gärungsbedingungen weitgehend vorgegeben worden und damit auch viele Einflüsse auf die Gärgeschwindigkeit und die Aromakomponenten des Bieres. Die Faktoren Würzezusammensetzung (inklusive Stammwürze) und Hefestamm sind als gegebene Faktoren anzusehen, Hefegabe (Zellzahl,Viabilität und Vitalität) sowie Belüftung werden beim Anstellen festgelegt. Als Steuerungsparameter bleiben noch die Faktoren Temperatur und Druck. Die Temperatur wird zwar beim Anstellprozess eingestellt, sie kann aber im weiteren Gärungsprozess reguliert bzw. verändert werden.Wie schon erwähnt, haben die meisten Hefestämme ihr Temperaturoptimum bei 25 bis 30 °C, daher resultieren bei höheren Temperaturen schnellere Gärverläufe (Abbildung 13).

141

Hefetechnologie und Gärung

Gärzeit bis E 4 % [h] Gärzeit bis Es s4 % [h]

300 250 200 150 100 50 0 8

10 12 Temperatur Temperatur [°C][°C]

14

16 > 6,2 ICP ICP > 6,2

ICP 5,8

ICP 5,8

Abbildung 13: Gärzeiten bei verschiedenen Temperaturen bis zu einem Es von 4 % bei einer 12%igen Würze unter Verwendung des Hefestammes Hebru in verschiedenen Hefezuständen.

Trotz der Temperaturoptima von Hefen über 20 °C sprechen folgende Gründe gegen die Verwendung von sehr hohen Temperaturen: • verstärkte Schaumbildung • Notwendigkeit eines größeren Steigraumes • erhöhte Drücke • schlecht beherrschbare Gärungen Besonders hohe Gärtemperaturen führen zu einer summarischen Steigerung der höheren Alkohole und Ester, wobei dies nicht für die einzelnen Komponenten zutreffen muss. Über Druck kann zum Teil eine Zunahme von bestimmten Gärungsnebenprodukten verringert oder verhindert werden. Bei den vicinalen Diketonen wirkt sich eine höhere Gärtemperatur auf ein früheres und höheres Maximum aus, wobei jedoch der Abbau ebenfalls schneller verläuft. Besonders nachteilig sind die Auswirkungen höherer Temperaturen auf die Konushefe. Da diese Hefe nicht mehr mit Nährstoffen versorgt werden kann, altern und autolysieren die Zellen bei hoher Temperatur in kurzer Zeit. Da in der sedimentierten Hefe deutlich höhere Temperaturen vorliegen als in gärendem Jungbier, kann das Verschlechtern des Zellzustandes selbst durch eine Konuskühlung nicht aufgehalten werden, da die Hefe selber sehr gut isoliert und damit die Hefe in der Konusmitte kaum gekühlt wird. Aus diesem Grund wird eine frühzeitige Ernte der Hefe empfohlen.

142

Hefetechnologie und Gärung Schließlich beeinflusst auch der Druck den Gärverlauf, wobei drei Druckvarianten unterschieden werden. Dabei handelt es sich um den osmotischen Druck, der aus der Stammwürze resultiert, den hydrostatischen Druck, der durch die geometrischen Gegebenheiten verursacht wird (Flüssigkeitssäule) und den CO2-Partialdruck, der auf das Gärgefäß gegeben wird. Grundsätzlich haben alle genannten Druckarten Einfluss auf die Gärung und die Bildung von Stoffwechselprodukten. Der osmotische Druck beeinflusst sowohl die Hefevermehrung als auch die Bildung von Stoffwechselprodukten. So nehmen Stoffwechselprodukte, wie höhere Alkohole, Ester oder SO2, mit zunehmendem Extraktgehalt zum Teil linear, zum Teil auch überproportional zu. Da die Stammwürze im Sudhaus festgelegt wird, dient sie nicht als Steuerungsparameter der Gärung. Der hydrostatische Druck ist in erster Linie durch die Flüssigkeitshöhe im Gärbehälter gegeben. Unterschiedliche Behälterformen und Tankhöhen führen zu unterschiedlichen Aromaprofilen, wobei hier auch Aspekte der Konvektion und der CO2-Anreicherung eine Rolle spielen. Dagegen wirkt sich der hydrostatische Druck alleine nicht auffällig auf die Hefezellen aus. So werden, z. B. bei der Hochdruckbehandlung von Lebensmitteln, Hefen und andere Mikroorganismen erst bei Drücken von über 1000 bar zuverlässig abgetötet. Der eigentliche Steuerungsparameter für den Druck ist der CO2-Gehalt im Gärsubstrat. Über diesen können auch der Gärverlauf und die Bildung von Stoffwechselprodukten beeinflusst werden [28, 29]. Bei Beginn der Gärung sollte jedoch eine Beaufschlagung mit Druck vermieden werden, da die Hefevermehrung beeinträchtigt wird und dies die zeitlichen Vorteile höherer Gärtemperaturen wieder kompensiert. Hier sollte zunächst ohne Druck oder mit einem geringen Gegendruck von 0,3 bar begonnen werden. Bei einem Vergärungsgrad von etwa 50 % wird der Druck auf 1,3–1,8 bar eingestellt. Dieser Druck wird bis zum Erreichen des Endvergärungsgrades gehalten und dann auf 0,6–0,7 bar abgesenkt, um den gewünschten CO2-Gehalt im Bier einzustellen. Die hohe Gärtemperatur wird so lange eingehalten, bis Diacetylgehaltwerte von 0,12 bis 0,15 mg/l erreicht sind. Danach kann auf Lagerkellertemperatur abgekühlt werden [30, 31]. Ein entsprechendes Gärdiagramm ist in Abbildung 14 dargestellt.

143

Hefetechnologie und Gärung

1,6

14 Diacetyl < 0,15 mg/l

1,4

1,2 10

0,8 6 0,6

Druck [bar]

1 8

Druck [bar]

Gärzeit bis Es 4 % Es [%] und Temperatur [°C][h]

12

4 0,4 2

0,2 1. Hefeernte

0 0

1

2

3

4

2. Hefeernte 5

6

7

8

0 9

Zeit [Tage]

Extrakt Extrakt

Zeit [Tage]

Temperatur

Temperatur

Druck Druck

Abbildung 14: Gärdiagramm einer Druckgärung bei 13 °C. Die Pfeile bezeichnen die Zeitpunkte der Hefeernte.

Der Aspekt der frühen Hefeernte ist besonders bei der Druckgärung von großer Bedeutung. Hier ist die Hefe nicht nur höheren Temperaturen, sondern auch zusätzlichen Drücken ausgesetzt. Durch mehrfaches Ernten und eine sachgemäße Erntehefebehandlung kann einem übermäßigen Hefestress entgegengewirkt werden. Wenn eine hochvitale Anstellhefe verwendet wird, kommt es auch bei den nachfolgenden Führungen zu keinen nennenswerten Aktivitätsverlusten. Dies zeigen die Untersuchungen, die in Abbildung 15 dargestellt sind. Die Hefezustände (ICP-Werte) der Hefen aus der Druckgärung nach den entsprechenden Führungen (0. Führung = Reinzuchtführung) sind mit über 6,2 als sehr gut zu bezeichnen.

2.5

Erntehefebehandlung

Die nach der Hauptgärung abgesetzte Hefe hat, wie beschrieben, keinen Zugang mehr zu Nährstoffen, ist hohen Gehalten an CO2 und Ethanol sowie erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur ausgesetzt. Insbesondere die letzten beiden Punkte sind typisch für zylindrokonische Tanks, so dass eine rechtzeitige Trennung der Hefe vom gärenden Substrat erfolgen muss, um negative Auswirkungen auf den Gärverlauf und die Erntehefe zu vermeiden. Die bereits erwähnte mehrfache Hefe-

144

Hefetechnologie und Gärung

6,8

ICP-Wert [pH-Einheiten]

6,6 6,4 6,2 6,0 5,8 5,6 5,4 5,2 5,0 0. Führung

1. Führung

2. Führung

Abbildung 15: ICP-Werte von Hefen aus einer Druckgärung (3000 hl) nach verschiedenen Führungen bei 14 °C.

ernte, ab dem Zeitpunkt des Erreichens des Endvergärungsgrades bis zum Abkühlen, garantiert eine konstant gute Erntehefe-Qualität. Beim Ernten der Hefe müssen weitere Aspekte beachtet werden. So ist eine schonende Druckentlastung notwendig, damit die gebildete Kohlensäure, der Alkohol und andere unerwünschte Gärungsprodukte aus der Hefezelle ausgeschieden werden können. Die Hefe darf zu diesem Zeitpunkt auf keinen Fall aktiv belüftet werden, da sonst auf Grund eines fehlenden Zuckerangebotes ein Abbau der Reservestoffe und somit eine Schwächung der Zelle erfolgt. Dies führt zu vorzeitigen Autolysevorgängen und einer damit verbundenen Anhäufung von mittelkettigen Fettsäuren, Proteinasen und anderen ungünstigen Hefeinhaltsstoffen im Bier. Außerdem werden eventuell vorhandene gramnegative Keime, insbesondere auch immer vorhandene Essigsäurebakterien, durch die Belüftung aktiviert, was zu Einschränkungen der Filtrierbarkeit (vgl. Kapitel Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik) und zu Gärproblemen führen kann. Dieses Problem ist deshalb nicht zu unterschätzen, weil diese Essigsäurebakterien (z. B. Gluconobacter frateurii) bei sehr niedrigen Temperaturen (bis 5 °C) wachsen können und mit Hefewasser, Ethanol und Sauerstoff beste Ernährungsbedingungen vorfinden. Beim Anstellen muss die Hefe dagegen intensiv belüftet werden, um den Stoffwechsel zu aktivieren. 145

Hefetechnologie und Gärung Es ist von sehr großer Bedeutung, dass die Hefe im Fall einer weiteren Lagerung unbedingt auf Temperaturen von 0 bis 3 °C abgekühlt wird, da ansonsten ebenfalls Reservestoffe verbraucht werden. Wie stark der Vitalitätsverlust bei höheren Lagertemperaturen ist, wurde bereits in Abbildung 1 (S. 127) dargestellt. Bei der Hefeernte (Abbildung 16) hat sich der Einsatz eines Hefesiebes als vorteilhaft erwiesen, da mit diesem, neben der Ausdünnung inaktiver Hefezellen, eine passive Belüftung erfolgt, die eine weitere Abgabe von CO2 und anderer negativer Inhaltsstoffe ermöglicht. Für die Abkühlung der Erntehefe sollte ein externer Hefekühler verwendet werden, da die Tankkühlung erhebliche Zeit zum Herunterkühlen braucht und ein homogenes Abkühlen auf Grund der Hefekonsistenz nicht möglich ist. Eine Lagerung unter 20 bis 50 % Wasser wirkt sich ebenfalls positiv aus, insbesondere wenn die Hefe über mehr als 2 Tage gelagert werden muss. Der Wasserzusatz bewirkt eine flüssigere Konsistenz der Hefe, was das Homogenisieren der Hefe, den Temperaturausgleich und die Bestimmung der Zellzahl vereinfacht. Außerdem werden negative Stoffwechselprodukte verdünnt, insbesondere der Ethanolgehalt (in dichten Hefesuspensionen bis 10 Vol.-%). Ein längerer Einfluss solcher Ethanolgehalte wirkt sich auf alle Fälle negativ aus. Somit hat die Lagerung unter Wasser einen gewissen Vorteil gegenüber der Lagerung unter Bier.

Gärtank

Hefelagertank/ Hefedosiertank PG

PG

➡ P0 Wasservorlage 20–50 % (kalt) Hefesieb

Kühlung 0–3 °C

Anstellen

Abbildung 16: Behandlung und Lagerung der Erntehefe (PG = Druck während der Gärung, P0 = Atmosphärendruck).

2.6

Reifung und Lagerung

In der klassischen Brauereitechnologie werden die Gärungsvorgänge in die Abschnitte Hauptgärung, Reifung und Lagerung aufgeteilt. Nach NARZISS wird die Reifung dabei als „eine Abrundung und Veredelung des Geschmacks, eine Verbesserung des Geruchs sowie eine Hebung der Bekömmlichkeit

146

Hefetechnologie und Gärung verstanden“ [31]. Bei gezielten Gärverfahren, wie dem unter 2.4 beschriebenen Druckgärverfahren, ist der Vorgang der Reifung schon in die Hauptgärung integriert. Nach dem Erreichen des Endvergärungsgrades wird die Temperatur so lange weitergehalten bis der Diacetylgehalt auf Werte unterhalb des Geschmacksschwellenwertes abgebaut ist. Die durch anschließendes Abkühlen eingeleitete Lagerphase dient insbesondere der Klärung und damit der Verbesserung der kolloidalen Stabilität des Bieres. Hierzu ist z. B. bei –1 °C eine Mindestlagerdauer von etwa einer Woche einzuhalten, um die gewünschten Ausfällungs- und Absetzungsvorgänge zu garantieren. Positiv wirkt sich ein Schlauchen über einen Kühler aus, da hier schnell und definiert eine entsprechend tiefe Temperatur erreicht und eine Schichtenbildung vermieden wird. Vorteilhaft ist auch der Einsatz einer Jungbierzentrifuge, da hier die Hefezellzahl (0,5–1 Mio. Zellen/ml) definiert eingestellt werden kann; dadurch werden Autolysesubstanzen reduziert und die spätere Filtration deutlich entlastet. Gelegentlich ist jedoch eine höhere Zellzahl günstig, da besonders feine Kältetrübungspartikel und Eiweiß-Gerbstoff-Komplexe von der sich absetzenden Hefe adsorbiert werden und auf diese Art und Weise ausgeschieden werden. Diese Situation wurde jahrgangsbedingt beobachtet, so dass von Fall zu Fall, wenn z. B. eine schlechte Filtrierbarkeit auffällt, die Hefezellzahl im Lagertank erhöht werden sollte. Bei den klassischen Verfahren der Untergärung wird mit Restextrakt geschlaucht, so dass noch weitere Vorgänge ablaufen können. Neben der Klärung und der geschmacklichen Reifung wird der Restextrakt vergoren und der gewünschte Spundungsdruck erreicht. In diesem Fall sollte die Temperatur nicht zu niedrig liegen, da sonst die Nachgärung schnell zum Erliegen kommt und der gewünschte Ausstoßvergärungsgrad sowie der notwendige Abbau von Diacetyl nicht erreicht wird. Der erwünschte Temperaturbereich der gesamten Reifung und Lagerung bewegt sich zwischen +3 °C und –2 °C, wobei ein stufenweises Absenken der Temperatur über den Prozess notwendig ist. Ebenso wichtig wie die Temperatur sind die Menge und der Zustand der Hefe, die aus der Hauptgärung mit in die Reifung überführt wird. Bei zu hohen Zellzahlen wird der Restextrakt zu schnell vergoren, ohne dass die eigentlichen Reifungsvorgänge abgeschlossen sind. Zu wenig Hefe oder ein schlechter Hefezustand führt zu einer sehr trägen Nachgärung, was ebenfalls eine ungenügende Reifung zur Folge hat (z. B. zu hohe Diacetylwerte und Es-Endwerte) [31]. Ein mangelhafter Diacetylabbau trotz Anwendung hoher Reifungstemperaturen ist meist mit einer zu niedrigen Zellzahl in Schwebe am Ende der Gärung begründet. Die Zellen in Schwebe nehmen das Diacetyl auf, das außerhalb der Zelle aus 2-Acetolactat gebildet wurde, und bauen es weiter ab (Abbildung 17). Auf der anderen Seite ist aber beim Anstellen eine niedrige Zellzahl (z. B. 10 Mio./ml hochvitaler Hefe) für einen schnellen Diacetylabbau günstiger im Vergleich zu hohen Ausgangszellzahlen (z. B. 25 Mio./ml). Gleiches gilt auch für das 2,3-Pentandion, welches allerdings einen wesentlich höheren Geschmacksschwellenwert hat und deshalb eine geringere Bedeutung für die Bierqualität.

147

Hefetechnologie und Gärung

Pyruvat

Hefezelle

2-Acetolactat

2-Acetolactat

2,3-Dihydroxy-isovalerat 2-Keto-isovalerat

Diacetyl

Acetoin

Valin

2,3-Butandiol

2,3-Butandiol

Abbildung 17: Bildungs- und Abbauschema von Diacetyl.

3

Zusammenfassung

Die Gärung ist ein wichtiger Schritt im Prozess der Bierbereitung. Sie ist entscheidend für den endgültigen Charakter, aber auch für die Bekömmlichkeit des Bieres. Besondere Bedeutung hat dabei die Hefequalität, da eine weniger vitale Hefe Gärverzögerungen, Trübungen, Filtrationsprobleme, nachhängende Bittere sowie eine mangelhafte Schaum- und Geschmacksstabilität zur Folge haben kann. Somit kommt der Hefegewinnung, der Hefeernte und der Hefelagerung eine wesentliche Bedeutung zu. Zur Gewinnung einer guten Ausgangshefe ist eine kontrollierte Hefeherführung notwendige Voraussetzung. Bei der Technik der Hefeassimilation werden die Wachstumsbedingungen (z. B. Temperatur oder Würzezusammensetzung), die betriebsspezifischen Aspekte (z. B. Sudrhythmus, Ausschlagmenge oder Gärverfahren) sowie geometrische Verhältnisse (Tank mit Peripherie) optimal aufeinander abgestimmt. Somit steht eine Betriebshefe aus der logarithmischen Wachstumsphase mit höchster Vitalität zur Verfügung. Bei der Durchführung der Gärung spielen neben dem Hefezustand weitere Bedingungen wie die Hefegabe, die Belüftung, die Belüftungszeitpunkte und die Temperatur eine wichtige Rolle für den Gärverlauf und bei der Bildung von Stoffwechselprodukten. Das bedeutet, dass z. B. die Bildung von Estern und höheren Alkoholen, aber auch die Bildung von SO2, welches wichtig für die Geschmacksstabilität der Biere ist, entsprechend beeinflusst werden kann. Nach dem Abschluss der Gärung wird die Hefe gewonnen. Dabei muss darauf geachtet werden, den Hefezustand nicht negativ zu beeinflussen. Dazu ist es notwendig, Erntezeitpunkte, Erntehefe-

148

Hefetechnologie und Gärung behandlung, Lagerdauer und insbesondere die Lagertemperatur der Hefe bestmöglichst einzuhalten. Ein guter Hefezustand wirkt sich in allen Prozessschritten vorteilhaft aus. Somit ist es auch wichtig, den Hefezustand beurteilen zu können. Hierzu dienen zwei unabhängige Parameter, nämlich die Hefeviabilität (Anteil toter Zellen) und die Vitalität (physiologischer Zustand der lebenden Zellen). Die Bestimmung beider Parameter ist eine wichtige Voraussetzung für ein gezieltes Hefemanagement. Um eine gute und gleichmäßige Qualität zu gewährleisten, müssen mangelhafte Hefechargen unbedingt aus dem Prozess entfernt werden.

149

Hefetechnologie und Gärung

4

150

Überblick

Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

unterschiedliche Anteile an toten Zellen bei einer Hefecharge mit ein- und derselben Färbemethode

ungenügende Durchmischung der Hefecharge, zu dichtes Hefepräparat (dadurch ungenügende Verteilung des Farbstoffes), zu geringe Anzahl an gezählten Zellen, zu kurze oder zu lange Einwirkzeiten der Farbstoffe

Durchmischung verbessern/Probe gut schütteln, Präparat mit ca. 50 Zellen/Gesichtsfeld anlegen, mindestens 200 Zellen auszählen, Einwirkzeit bei Methylenblau sollte zwischen 2 und 5 Minuten liegen; gilt für viele Farbstoffe

viele leicht blaue Zellen oder ungefärbte Zellen bei der Methylenblaufärbung von kurzzeiterhitzter Hefesuspensionen

Methylenblau ist ungeeignet für die Bestimmung von hitzeabgetöteten Zellen

alternativ sollten Fluoreszenzfarbstoffe verwendet werden

Erreichen von zu geringen Hefezellzahlen (< 100 Mio./ml) bei der Assimilation oder Propagation trotz hohem Extraktverbrauch

Die Zellen sind nicht komplett in der Log-Phase; Ursachen sind zu geringe Versorgung mit Sauerstoff (eher selten) und/oder schlechte Durchmischung des Vermehrungsgefäßes (Nährstoff und Sauerstoff sind nicht homogen verteilt, ein Teil der Population ist in Gärung)

Verbesserung der Durchmischung und/oder Sauerstoffversorgung notwendig, Erhöhung der Umpumpleistung, Überprüfen, ob Pumpe oder Rührer vollständige Durchmischung ermöglichen

sehr lange Lag-Phase bei der Hefevermehrung

zu geringe Anfangszellzahl, zu geringe Vermehrungstemperatur, schlechte Ausgangshefe

Anfangszellzahlen von 10 bis 20 Mio. Zellen/ml verwenden, Assimilationstemperaturen liegen zwischen 10 und 18 °C (Wochenende 6–10 °C), Verwendung einer frischen Hefe

Hefetechnologie und Gärung Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

starke Flokkulation am Ende der Hefevermehrung (nach Abstellen des Umpumpens oder Rührens fällt die Hefe in dicken Flocken schnell zu Boden)

Endvergärungsgrad fast oder ganz erreicht, Vermehrung zu weit getrieben oder nicht in der Log-Phase, zu weit geführte Vermehrungen sind ungünstig für den Hefezustand

Extraktabnahme sollte nicht mehr als 3 % betragen bei einer Zellzunahme von 20 Mio./ml auf 100 Mio. Zellen/ml

verformte Zellen bei der Hefevermehrung

Scher- und Dehnkräfte durch ungeeignete Rührer, Umpumpeinrichtung, Belüftungseinrichtung oder ungünstige Einstellungen

Verringerung der Drehzahlen des Rührers oder der Pumpen, überprüfen der Pumpen (Verwendung am Arbeitspunkt)

hoher Anteil toter Zellen (> 5 %) am Ende der Hefevermehrung

ungünstige Vermehrungsbedingungen oder zu weit geführte Vermehrung (über 110 Mio. Zellen/ml), Ausgangshefe in schlechtem Zustand bzw. zu wenig Zellneubildung wegen zu hoher Ausgangszellzahl

Bedingungen optimieren, z. B. bei sehr hohen Vermehrungstemperaturen erfolgt der Übergang von vital zu tot schnell; Extraktabbau auf 3 % reduzieren, tote Zellen der Ausgangshefe finden sich nach der Vermehrung weiterhin (Ausgangshefe verbessern; Anfangszellzahl verringern, um wenige tote Zellen in die Vermehrung zu bringen)

sehr geringe Vermehrung der Hefe während der Gärung (Anstellmenge entspricht in etwa Erntemenge)

Zu hohe Hefegabe und/oder schlechter Hefezustand. Sehr hohe Hefegaben führen zwar zu schnellen Gärungen aber der Zustand der Population verschlechtert sich schnell, da kaum Vermehrung stattfindet (ebenfalls anderes Aromaprofil, da GNP oft abhängig von der Vermehrung). Ein schlechter Hefezustand verstärkt diese Effekte.

Verbesserung der Ausgangshefe (Einführen einer frischen Hefe), Verringerung der Hefegabe, Verstärkung der Belüftung

151

Hefetechnologie und Gärung

152

Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

schlechte Schaumwerte, breite Nachbittere

Verwendung einer mangelhaften Hefe oder zu hohe Hefegaben. Dadurch Einbringen von Autolysesubstanzen und Proteinasen etc.

Verbesserung der Ausgangshefe (einführen einer frischen Hefe),Verringerung der Hefegabe,Verstärkung der Belüftung

Steckenbleiben der Gärung

zu geringe Hefegabe (kaum Zellen in einer genommenen Probe, zu geringe Belüftung (ausreichend Hefe aber kaum Zellteilung nach 24 Stunden), schlechter Hefezustand, defizitäre Würzezusammensetzung, Kontaminationen, Kombinationen der Faktoren

frühzeitig entdeckte Probleme (zu geringe Hefegabe, schlechter Hefezustand bzw. zu wenig Belüftung) können zwar durch zusätzliche Hefegabe und Belüften behoben werden, dies wirkt sich jedoch meistens ungünstig auf die Qualität der Biere aus

schwankende Gärleistungen, schwankendes Bieraroma, schwankende SO2-Werte

ungleichmäßige Hefegabe, ungleichmäßige Belüftung, ungleichmäßiger Hefezustand

Verbesserung der Hefegabe durch Bestimmung der Zellzahlen im Hefetank und entsprechende Gabe (korrektere Zahlen durch Verdünnen im Hefetank durch H2O und Homogenisieren), Verbesserung des Hefezustandes durch Kontrolle der Viabilität und Verwerfen von schlechten Hefechargen

hohe Anteile an toten Zellen in der Erntehefe

schlechter Zustand der Ausgangshefe, zu späte Hefeernte (frühe Hefeernte besonders wichtig bei hohen Gärtemperaturen und der Anwendung von Druck)

Verwendung einer besseren Hefe/Einführung einer frischen Hefe in den Betrieb, rechtzeitige Hefeernte

Hefetechnologie und Gärung Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

lange Dauer der Abkühlung der Hefe auf Lagertemperatur im Hefetank

zu hohe Temperaturen der Erntehefe und/oder unvollständige Homogenisierung der Hefe (evtl. in Verbindung mit geringen Kühlkapazitäten)

Die Homogenisierung kann durch bessere Mischer und das Verdünnen mit Wasser verbessert werden. Durch Vorlage von kaltem Wasser kann die Hefe schneller abgekühlt werden. Optimale Lösung ist das Ernten über einen Hefekühler.

langsame Vergärung nach längerer Lagerung der Hefe trotz weniger toten Zellen

Bei niedrigen Temperaturen nimmt auch über Wochen der Anteil toter Zellen bei der Lagerung der Hefe kaum zu. Die Vitalität beginnt sich jedoch auch bei sehr kalten Temperaturen nach einigen Tagen zu verschlechtern.

eine Hefelagerung über 4 Tage (im Notfall über eine Woche) vermeiden

153

Hefetechnologie und Gärung

154

5

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155

Hefetechnologie und Gärung

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Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

157

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

1

Einleitung

Der Biertrinker erwartet, abgesehen von Weizenbieren und einigen Spezialitäten, wie z. B. Kellerbier, ein glanzfeines, ungetrübtes Bier, das diese Eigenschaft auch nach längerer Lagerzeit nicht verliert. Die Filtrationstechnik entwickelte sich von Massefiltern hin zur Anschwemmfiltration. Die Kieselguranschwemmfiltration mittels Kerzenfilter, Horizontalfilter oder Rahmenfilter ist heutzutage Stand der Technik. Die Kieselgur und ihre Entsorgung sind allerdings in die Kritik geraten. Deshalb wird seit längerer Zeit versucht, die Kieselgur durch organische Filterhilfsmittel, z. B. Zellulose, zu ersetzen oder eine filterhilfsmittelfreie Filtration, wie z. B. die Membranfiltration, für Bier zu etablieren. Eine große Herausforderung bei der Entwicklung neuer Filtrationstechniken, aber auch für die tägliche Produktion, ist die Filtrierbarkeit des Bieres. Die Filtrierbarkeit von Bier kann innerhalb einer Charge aber vor allem von Charge zu Charge stark schwanken. Probleme, die durch eine unzureichende Filtrierbarkeit hervorgerufen werden, verursachen durch vermehrten Einsatz von Personal und Filterhilfsmittel einen starken Anstieg der Filtrationskosten und können in extremen Fällen sogar die Lieferfähigkeit der Brauerei in Frage stellen. Folgerichtig beschäftigt sich die Forschung schon seit längerer Zeit mit dem Thema. Daraus ergaben sich allein im deutschsprachigen Raum zahlreiche Fachveröffentlichungen [1, 2, 3, 4, 5] und Dissertationen [6, 7, 8, 9, 10, 11]. Eine schlechte Filtrierbarkeit wird in den meisten Veröffentlichungen mit einem zu schnellen Druckanstieg am Filtereinlauf und geringen Filterstandzeiten verknüpft. Seltener gehen die Autoren auf das eigentliche Ziel der Filtration, nämlich die Klärung des Bieres und deren Erfolg ein. Eine objektive Beurteilung der Filtration von Bier ist aber nur dann möglich, wenn sowohl der Druckanstieg am Filtereinlauf (bezogen auf das Filtrationsvolumen, die Filtrationsfläche und die Filtrationsdauer) als auch die Klärwirkung der Filtration gemessen in EBC-Trübungseinheiten betrachtet werden. Dies führt für die Filtrierbarkeit von Bier zu folgender Definition: Die Filtrierbarkeit von Bier ist die Eigenschaft des Bieres, auf Grund seiner stofflichen Zusammensetzung die Qualität der Filtration zu beeinflussen. Als Qualitätsparameter gelten dabei der Druckanstieg am Filtereinlauf sowie die Trübung am Filterauslauf.

2

Einflussgrößen auf die Filtrierbarkeit von Bier

In oben erwähnten Forschungsarbeiten wird der Einfluss einzelner Stoffgruppen und Mikroorganismen sowie der Brauereitechnologie auf die Filtrierbarkeit von Bier beschrieben. Genannt werden Polysaccharide, Proteine, Polyphenole, Melanoidine, Mineralstoffe, Hefen und Bakterien sowie alle technologischen Schritte von der Schrotmühle bis zum Filterkeller. Die Angaben können in zwei Abbildungen zusammengefasst werden. Abbildung 1 zeigt die stofflichen Einflussgrößen. Sie lassen sich nach ihrer Herkunft einteilen.

158

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

Hefe

Rohstoffe Polysaccharide Proteine Polyphenole Mineralstoffe

Filtrierbarkeit

Hefezellzahl Hefeautolyseprodukte Hefepolysaccharide

Polysaccharide Schleimsubstanzen (Acetan, Dextran)

Mikroorganismen

Abbildung 1: Stoffliche Einflussgrößen auf die Filtrierbarkeit von Bier. Abbildung 2 zeigt den Einfluss der technologischen Schritte in der Reihenfolge, in der das Produkt die Brauerei durchläuft.

Malzqualität Malzqualität

Zerkleinerungstechnik Zerkleinerungstechnik Partikelgrößenverteilung Partikelgrößenverteilung

Ausfällung Ausfällung Scherbeanspruchung Scherbeanspruchung

Hefetechnologie, Gärung Hefetechnologie Gärung Hefetechnologie, Scherbeanspruchung Scherbeanspruchung Mikrobiologie Mikrobiologie

Lösung Sedimentationsfiltration Lösung SedimentationsScherbeanspruchung Scherbeanspruchung filtration

Abtrennung Abtrennung Scherbeanspruchung Scherbeanspruchung

Abtrennung Abtrennung Scherbeanspruchung Scherbeanspruchung Mikrobiologie Mikrobiologie

Lagerzeit/-temperatur Lagerzeit-/temperatur Scherbeanspruchung Scherbeanspruchung Mikrobiologie Mikrobiologie

Abbildung 2: Einfluss der Technologie auf die Filtrierbarkeit von Bier (Bildmaterial: Deutscher Brauerbund). 159

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik 2.1

Der Einfluss der Malzqualität auf die Filtrierbarkeit von Bier

Die Malzqualität hat einen zentralen Einfluss auf die Filtrierbarkeit von Bier. Die Lösungseigenschaften des Malzes entscheiden bei vorgegebenem Maischverfahren, wie viel hochmolekulare Polysaccharide und Proteine in Lösung gehen. Damit ist das Gefahrenpotential für eine mangelnde Filtrierbarkeit festgelegt.Trotzdem ist es nicht möglich, allein die Malzqualität für Filtrationsstörungen verantwortlich zu machen. Diese ergeben sich immer aus der Kombination der Rohstoffqualität und der Brauereitechnologie. Der Abschnitt Malzqualitätsmerkmale von Gerste und Weizen (vgl. Kapitel Malz) stellt Vorschläge für an die Brauereitechnologie angepasste Malzspezifikationen und deren Interpretation hinsichtlich der Filtrierbarkeit vor.

2.2

Der Einfluss der Sudhausarbeit auf die Filtrierbarkeit von Bier

Jeder Verarbeitungsschritt im Sudhaus nimmt Einfluss auf die Lösung bzw. Ausfällung von Polysacchariden und Proteinen und damit auf die Filtrierbarkeit von Bier. Dabei können abhängig von der Substanz erhöhte Druckanstiege oder Trübungswerte resultieren. Bei allen Verarbeitungsschritten können technologische Mängel, die die Verkleisterung und Verzuckerung der Stärke beeinflussen, zu einem erhöhten photometrischen Iodwert (hochmolekulare α-Glucane) und damit zur Gefahr erhöhter Trübungswerte führen. Als besonders empfindliche Schritte gelten hier die Schrotsortierung, der Maische-pH-Wert, die Maischtemperaturen und Rastzeiten im Bereich der Verzuckerung, die Temperaturen der Anschwänzwässer und der Zeitpunkt der Gabe von Heißtrub zum Anschwänzen [12]. Die Kontrolle der einzelnen Arbeitsschritte kann mit Ausnahme der Schrotsortierung über eine Stufenkontrolle mittels photometrischer Iodprobe erfolgen. Die Probenahmestellen sind folgende: Vorderwürze, nach dem ersten Anschwänzen, Pfannevollwürze, Ausschlagwürze und Heißtrub, falls er zum Anschwänzen auf den Läuterbottich gegeben wird. Einen großen Anteil an Filtrierbarkeitsstörungen durch zu starken Druckanstieg am Filtereinlauf hat das β-Glucan. Die für die Würze- und Bierherstellung entscheidenden Eigenschaften von β-Glucan sind die Erhöhung der Viskosität von Würze und Bier sowie das Gelbildungsvermögen. Beide Eigenschaften hängen von der Konzentration und dem Molekulargewicht des β-Glucans sowie von Scher- und Dehnbeanspruchungen während des Produktionsprozesses ab. Die so genannte β-Glucangelbildung ist ein komplizierter Prozess, der sich analytisch sehr viel schwieriger als die freigesetzten β-Glucane erfassen lässt. Das β-Glucangel ist im wissenschaftlichen Sinne kein Gel. Ein solches würde eine Vernetzung aller β-Glucanmoleküle und eine spontan messbare Veränderung des rheologischen Verhaltens bei Scherbeanspruchung der Würze bzw. des Bieres voraussetzen. Ein solches Verhalten zeigt β-Glucan erst ab einer Konzentration von 4 % also 40 g/l [13]. Die Konzentrationen liegen in der Praxis, selbst bei unzureichender cytolytischer Lösung, aber selten über 500 mg/l. Dadurch scheidet eine spontane Gelbildung und damit eine direkte Erfassung über eine Stufenkontrolle aus. Eine indirekte Methode stellt der modifizierte Filtertest für Würze und Bier

160

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik nach RAIBLE dar. Mit einer Stufenkontrolle (vgl. Abschnitt 2.4) ist es möglich, unter Einbeziehung der Einflussgrößen Zeit, Scherbeanspruchung und Ethanolgehalt, die Entwicklung des Einflusses von β-Glucan auf die Filtrierbarkeit über den gesamten Brauprozess zu detektieren. Erhöhte Trübungswerte sind durch β-Glucane normalerweise nicht zu erwarten. Im Sudhaus wird der Proteingehalt durch die Maischtemperaturen, Rastdauern und die Intensität der Kochung entscheidend beeinflusst. Es existiert aber keine aussagekräftige Eiweißanalytik in der Würze, die den Einfluss von Proteinen auf den Druckanstieg oder die Trübung des Bieres vorhersagen könnte. Nach der Kochung wird im Gegensatz zu den Polysacchariden der Gehalt an hochmolekularen Proteinen durch die Veränderung des pH-Wertes während der Gärung, durch die Hefebeschaffenheit, die Lagerbedingungen und durch Stabilisierungsmaßnahmen im Kaltbereich stark verändert.

2.3

Der Einfluss von Gärung und Lagerung auf die Filtrierbarkeit von Bier

Die Hefebeschaffenheit spielt für die Filtrierbarkeit eine wichtige Rolle. Unter Stressbedingungen (High-Gravity, hohe Gärtemperaturen und abhängig vom Hefestamm) kann die Hefe den Speicherstoff Glycogen aus der Zelle ausschleusen [14]. Das Glycogen ist ähnlich aufgebaut wie Amylopektin, hat aber mehr Verzweigungen in der Molekülstruktur und kann dadurch mit der photometrischen Iodprobe nur schwer erfasst werden. Das Glycogen kann nicht herausfiltriert werden und verursacht Trübungen bis zu 1 EBC (Messwinkel 90°, MEBAK II 2.15.21). Die Hefe hat eine wichtige Funktion bei der Klärung des Bieres. Entscheidende Einflussfaktoren sind die Oberfläche der Hefezelle, der Zeitpunkt einer eventuellen Jungbierseparation, die Hefezellzahl und die Lagerzeit. Analytisch kann der Einfluss auf die Filtrierbarkeit bisher nicht erfasst werden. Zudem gibt es in der Literatur widersprüchliche Aussagen, vor allem bezüglich der Lagerzeit, des Separationszeitpunktes und der Hefezellzahl. In diesem Bereich besteht besonders im Zusammenhang mit Eiweißpartikeln noch Forschungsbedarf. Negative Auswirkungen auf die Filtrierbarkeit können auch Hefeautolyseprodukte bzw. mikrobielle Kontaminanten (z. B. schleimkapselbildende Enterobacter-Arten oder Essigsäurebakterien) haben. Es konnte nachgewiesen werden, dass die von diesen Mikroorganismen gebildeten Polysaccharide, wie z. B. Acetan oder Dextran, in bereits sehr viel geringeren Konzentrationen als β-Glucan zu einem starken Druckanstieg führen können [15]. Eine Kontamination mit z. B. Gluconobacter frateurii kann bereits bei einer Keimzahl von 105 bis 106 Keimen/ml (wenige Keime pro Gesichtsfeld bei einer 400-fachen Vergrößerung) eine deutliche Verschlechterung der Filtrierbarkeit erzeugen. Ursächlich sind dafür die in Abbildung 3 dargestellten Schleimkapseln (Acetan) dieser Mikroorganismen, die ein Vielfaches der Zellgröße erreichen können.

161

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

Hefezellen Essigsäurebakterien Schleimkapseln

Abbildung 3:Typische Begleitflora im Unfiltrat. Essigsäurebakterien mit Schleimkapseln. Die Bakterien liegen meist als kokkoide Stäbchen in typischen Achterformen vor.

2.4

Stufenkontrolle für die Filtrierbarkeit von Würze und Bier

Wie bereits erwähnt, ist die Filtrierbarkeit nicht allein durch die aus dem Malz in Lösung gegangenen Polysaccharide bedingt. Sie kann sich während des Produktionsprozesses durch starke Scherung von Würze und Bier sowie durch den Einfluss von Hefe und Bakterien im Kaltbereich noch entscheidend verändern. Die Auswirkungen dieses Problems zeigen sich aber erst am Filtereinlauf bzw. -auslauf. Mit einer Stufenkontrolle [11] im Würze- und Jungbierbereich ist es möglich, die Filtrierbarkeit über den Produktionsprozess zu verfolgen. Erstmals kann der Einfluss der drei Polysaccharidquellen (Malz, Hefe und bakterielle Kontaminationen) sowie der Einfluss einzelner technologischer Schritte gemessen werden. Abbildung 4 zeigt die möglichen Probenahmestellen einer solchen Stufenkontrolle.

162

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

Abbildung 4: Stufenkontrollplan für die Probenahme bei Filtrierbarkeitsproblemen (Bildmaterial: Deutscher Brauerbund).

163

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik Fspez [hl/m2h]

Biersorte

Brauerei A

Export

Brauerei A

helles Vollbier

Brauerei B

Pils

5,6

6,1

Brauerei C

helles Vollbier

5,1

5,9

Brauerei D

helles Vollbier

5,9

3,9

3,3

Brauerei E

Bockbier

3,1

3,0

3,2

Ausschlagnach nach Platten- Jungbier Unwürze Whirlpool kühler filtrat 4,9

4,9

4,8

5,9

5,7

5,6 6,1

5,9 7,0

3,2

3,7

Tabelle 1: Ergebnisse der Stufenkontrollen in fünf Brauereien. Brauerei A und B waren die Referenzbrauereien für gut filtrierbare Biere (Tabelle 1). Das Export in Brauerei A zeigt bei den Würzewerten eine etwas niedrigere Filtrierbarkeit als das helle Vollbier. Der Unterschied bei den spezifischen Filtratvolumen im Bier ist aber gering. Brauerei C war eine Brauerei mit akutem Filtrationsproblem. Auffällig ist, dass sich die schlechte Filtrierbarkeit erst im Bier darstellt. Auf Grund der Würzewerte waren keine Filtrationsprobleme zu erwarten. In dieser Brauerei konnten im Bereich der Würzebelüftung Kontaminationen der Würze mit gramnegativen Bakterien und starke Scherbeanspruchungen festgestellt werden. In Brauerei D konnte eine Verschlechterung des spezifischen Filtratvolumens bereits bei den Würzewerten nach dem Whirlpool festgestellt werden. Hier wurde eine kavitierende Heißwürzepumpe identifiziert. Das Bockbier aus Brauerei E ist ein Beispiel für malzbedingte Filtrationsschwierigkeiten. Obwohl andere, leichter eingebraute Biere in dieser Brauerei keine Filtrationsprobleme verursachten, kam es bei dem stärker eingebrauten Bockbier wegen der höheren Würzekonzentrationen und der verwendeten Malzqualität zu Störungen der Filtrierbarkeit. Die Stufenkontrolle ermöglichte es, die unterschiedlichen Ursachen für schlechte Filtrierbarkeiten zu identifizieren, und zeigt auf, dass die Gründe für eine schlechte Filtrierbarkeit nicht unbedingt in der Malzqualität zu suchen sind.

2.5

Der Einfluss der Filtration auf die Trübung von Bier

Die Filtration ist der letzte Produktionsschritt, bei dem positiv Einfluss auf die Bierqualität genommen werden kann. Die nachfolgenden Schritte (eventuelle Kurzzeiterhitzung und Abfüllung) müssen so beschaffen sein, dass sich die Bierqualität nicht verschlechtert. Dies bedeutet, dass alle Veränderungen (z. B. Einstellung der Stammwürze, Farbe), die nach der Filtration stattfinden, kritisch betrachtet werden müssen, damit die eingestellten Gleichgewichte (wie z. B. Kalziumoxalatkristallbildung) nicht gestört werden. Die Klärwirkung kann mit der Kombination verschiedener Filter- und Filterhilfsmittel beeinflusst werden. Sie wird in den meisten Brauereien mit der Zweiwinkel-Streulichtmessung kontrolliert. Die Interpretation der Ergebnisse der Streulichtmessung ist sehr komplex. Vereinfacht kann angenom-

164

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik men werden, dass mit der 90°-Messung Partikeln kleiner als 1 µm und mit der Vorwärtsstreulichtmessung mit einem Messwinkel von z. B. 25° bzw. 11° Partikeln größer als 1 µm erfasst werden. Die 90°-Trübung wird durch die Qualität des Unfiltrates bzw. durch die Kombination der Filterhilfsmittel beeinflusst. Der Grenzwert wird von der Brauerei festgelegt und liegt meist zwischen 0,5 und 1,0 EBC. Bierinhaltsstoffe, die einen erhöhten Trübungswert verursachen, können mit einer enzymatischen Trübungsidentifizierung (Abbildung 5) nachgewiesen werden [17]. Die 25°-Messung erfasst hauptsächlich Feststoffteilchen. Aus diesem Grund wird sie für die Erkennung von Kieselgurdurchbrüchen verwendet. Der Trübungswert muss deswegen so klein wie möglich gehalten werden. Dennoch lässt es sich nicht vermeiden, dass geringste Mengen an Kieselgur während der gesamten Filtration an das Bier abgegeben werden. Dieselbe Problematik tritt auch bei PVPP-Filtern auf. Hier wird der Effekt noch dadurch verstärkt, da das PVPP durch die Regeneration mechanisch zerkleinert wird. Die kleinen Partikeln gehen dann fast ungehindert durch die Stützschicht hindurch. Es ist also empfehlenswert, geeignete Nachfilter in die Filterlinie zu integrieren. Da die durchgehenden Teilchen meist nur einen Durchmesser zwischen 5 und 10 µm haben, müssen die Nachfilter entsprechende Abtrenneffizienzen aufweisen. Als sichere Filter haben sich der Schichtenfilter, Filterkerzen mit absoluten Abscheidegrenzen von 5 µm oder eine zweistufige Filterkerzenfiltration erwiesen [18]. Werden die Abscheidegrenzen zu groß gewählt, gelangen die Filterhilfsmittel in die abgefüllten Flaschen. Dort verursachen sie nicht nur Bodensatz, sondern können auch unter bestimmten Bedingungen Gushing auslösen. Die Gushingproblematik ist ein multikausales Problem. Gushing wurde in den letzten Jahren in primäres, d. h. malzverursachtes Gushing (z. B. Fusarienbefall), und sekundäres Gushing, verursacht durch technische und technologische Parameter, unterteilt. Nach umfangreichen Rohstoffuntersuchungen über viele Jahre sind aber nach wie vor keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen der Stärke des Fusarienbefalls einer Malzpartie und dem Gushingverhalten der resultierenden Biere nachgewiesen worden. Aktuelle Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit verschiedenen Stoffgruppen (Proteine und Hydrophobine), deren Anreicherung im Korn mit Fusarienbefall in Verbindung gebracht wird [19]. Zunächst ist der CO2-Gehalt und dessen Bindungsvermögen ein wesentliches Kriterium. Aber auch das Vorliegen von Partikeln und anderen Kondensationskeimen, an denen sich CO2 entbinden kann, ist eine erforderliche Voraussetzung. Schließlich beeinflussen materielle oder geometrische Gegebenheiten einen physikalischen Beschleunigungseffekt beim Öffnen eines Gebindes. In reproduzierbaren Versuchen und in Praxisbieren konnte nachgewiesen werden, dass poröse oder scharfkantige Teilchen (Durchmesser ca. 1–10 µm), wie Kalziumoxalat-, Kalziumkarbonat- und Dextrinkristalle sowie Filterhilfsmittel (Kieselgur, Perlite, Aktivkohle), in bestimmten Konzentrationen eindeutig Gushing auslösen [20]. Auch eine schlechte Flaschenqualität (Innenrauigkeit) kann sich nachteilig auswirken. Eine wichtige Bedeutung haben der Kohlendioxidgehalt, die Art der Kohlensäurebindung sowie die Durchmesser der Gasbläschen [21]. Die prinzipielle Zusammensetzung des Bieres (Viskosität, Oberflächenspannung, Hydrophobizität, Eisengehalt, spezielle Proteine wie Protein Z und LTP 1 [19]) spielt im Vergleich zu den physikalischen Kriterien nach heu165

166

Kristalle Fremdpartikeln

Kontrolle von Flachenwaschmaschine, Bierweg und KZE

Filterhilfsmittel

Kontrolle der einzelnen Filtrationsschritte

Partikeln

Abbildung 5: Fließschema zur Trübungsidentifizierung [16].

Technologische Beratung

Rohstoffe und Technologie überprüfen

(bes. Kalziumoxalat)

Mikroskopische Identifizierung

Technologische Beratung

Hefe und Hefetechnologie überprüfen

positiv Glycogenbestimmung

α-Glucan

Visuelle Begutachtung bzw. Unterscheidung 90°/25° bzw. 11° Trübung

Trübungsproblem

β-Glucan

Stufenkontrolle der Läuterwürze über Jodwert

Protein

Malz

Technologische Beratung

Rohstoffe und Technologie überprüfen

Überprüfung Hefetechnologie

Hefe

Enzymatische Identifizierung

Malzspezifikation mit Maischprogramm abstimmen

Stärke aus dem Malz

negativ

Opaleszenz

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik tiger Einschätzung eine eher untergeordnete Rolle. Das Gushingphänomen lässt sich nur ausreichend unter der Annahme erklären, dass mehrere Faktoren zusammenkommen müssen und somit eine Schwelle überschritten wird, ab der Gushing ausgelöst wird. Somit kann ein kritisches Potential für die Gushingneigung angenommen werden. In Abbildung 6 ist einerseits das maximale und andererseits das minimale Potential von gushingauslösenden Faktoren dargestellt.

Gushingpotential Gushingpotential

Filterhilfsmittel

Partikeln

Druckentlastung und Bewegung beim Öffnen, CO2-Entbindung

angenommenes kritisches Potential für die Gushingneigung

prinzipielle Zusammensetzung: pH-Wert, Hopfenprodukte, Viskosität, Oberflächenspannung, Hydrophobizität Eintrag von Trub: kolloidal gelöste Partikeln, div. Proteine, Eiweiß-PP-Komplexe, Eiweiß-Lipid-Komplexe Fusarien: LTP, Hydrophobine, …

Kalziumoxalat, Kristalle, Fe-Gehalt Anzahl Blasen mit Økrit CO2-Gehalt, CO2-Bindungsvermögen maximales Potential

Filterhilfsmittel, Partikeln Druckentlastung beim Öffnen prinzipielle Zusammensetzung Eintrag von Trub

Anzahl Blasen mit Økrit

CO2 minimales Potential

einzelne Flaschen

Abbildung 6: Darstellung des Gushingpotentials in Bierflaschen (Erfahrungswerte) [2, 3, 23]. Ob ein Bier übergeht oder nicht, hängt jedoch vom bierspezifischen Potential ab und davon, ob dieses sich über dem kritischen Potential befindet. Somit wäre es für den Praktiker wichtig, die verschiedenen Gushingfaktoren niedrig zu halten, um ein möglichst minimales Potential anzustreben. Das bekannte Gushingphänomen, dass die Flaschen eines Kastens häufig eine völlig unterschiedliche Gushingneigung zeigen, kann mit dieser Darstellung ebenfalls erklärt werden.Während die Gushingfaktoren üblicherweise homogen im Getränk vorliegen, können aber Partikeln (z. B. Oxalatkristalle, Filterhilfsmittel) bedingt durch Druck und Strömungsverhältnisse beim Abfüllen in unterschiedlichen Mengen in die einzelnen Flaschen gelangen, so dass in einzelnen Flaschen trotz sonst minimalem Potential die kritische Schwelle überschritten wird [23].

3

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird die Filtrierbarkeit mit den Merkmalen Druckanstieg am Filtereinlauf und als Trübung am Filterauslauf definiert. Eine gute Filtrierbarkeit des Bieres ist für die Brauerei ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Zum einen werden durch zu schnellen Druckanstieg die Produktionskosten erhöht, zum anderen wird durch Trübungsprobleme die Qualität des Bieres gemindert. Druckanstiegsprobleme am Filter können durch die Malzqualität, das Maischprogramm, die Scherbeanspruchung der Würze, die Hefebeschaffenheit und mikrobielle Kontaminationen verursacht werden. Nicht filtrierbare Trübungen werden hauptsächlich durch α-Glucane und Proteine verursacht. Eine weitere Quelle sind Filterhilfsmittel, wenn sie nicht durch geeignete Filter zurückgehalten werden. 167

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

4

Überblick Probleme mit überhöhten Trübungswerten

Analysen:Trübungsidentifizierung mit enzymatischer Methode (90°-Trübung), Partikelnidentifizierung mit Membranfiltration und mikroskopischer Begutachtung (25°-Trübung), photometrischer Iodwert Problem erhöhte Trübungswerte nach der Filtration verursacht durch α-Glucane

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung Stufenkontrolle der Würze mit dem photometrischen Iodwert

α-Amylaseaktivität des Malzes

Malzspezifikation überprüfen,

< 40 ASBC

α-Amylaserast verlängern

Schrotsortierung zu grob, ganze Körner bei Nassschrotung

Walzeneinstellung überprüfen

falsche Rasttemperaturen, Hemmung der α-Amylaseaktivität, zu niedriger Maische-pH (< 5,4)

Temperaturen und pH-Wert überprüfen

Überspringen der Rasttemperatur Hemmung der α-Amylase

Maischprogramm überprüfen

Abmaischtemperatur > 78 °C

niedrigere Abmaischtemperatur wählen

Anschwänzwassertemperatur > 78 °C

Wassermischer überprüfen

Hefeglycogen (High-Gravity, hohe Gärtemperaturen, abhängig vom Hefestamm) erhöhte Trübungswerte nach der Filtration verursacht durch Proteine

Malzlösung

Malzspezifikation überprüfen

zu hoher Maische-pH > 5,8

Maischesäuerung erwägen

schlechte Hefequalität

Hefetechnologie überprüfen

tote Hefezellen in der Anstellhefe schlechtes Absetzen der Hefe in der Lagerung. Zu wenig Hefezellen in der Lagerung und dadurch keine Abscheidung von Trubstoffen

168

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik Problem

erhöhte Trübungswerte nach der Filtration verursacht durch Filterhilfsmittel

erhöhte Trübungswerte nach der Filtration verursacht durch Kalziumoxalatkristalle

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

ungenügende Eiweißstabilisierung

Stabilisierungsmitteldosage überprüfen

schlechte Voranschwemmung

Voranschwemmung und Dosage auf den Filter und das Bier abstimmen

defekte Stützschichten

Stützschichten austauschen

Druckstöße

Einsatz eines Pulsationsdämpfers [21]

mangelnde Nachfiltration

schärfere Abtrenngrenze der Filter wählen

zu hohe Lagertemperaturen

im Lagertank sollten 0–1 °C erreicht werden

zu kurze Lagerzeiten

die Kristalle benötigen Zeit, um eine filtrierbare Größe zu erreichen (ca. 10 Tage)

Kalziumeintrag während und nach der Filtration

Kieselgur mit einem niedrigeren Kalziumgehalt verwenden, Einstellen der Stammwürze und der Farbe vor der Filtration vornehmen

169

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik Probleme mit Druckanstieg Analysen: Filtertest, β-Glucangel,Viskosität, photometrischer Iodwert Problem

Ursache

bei schlechtem Filtertest des unfiltrierten Bieres mögliche Fehlerquellen bei der Würzebereitung

schlechter Filtertest des Unfiltrates, die Filtrierbarkeit der Würze ist aber in Ordnung

Stufenkontrolle der Würze

β-Glucan, Malzqualität

Spezifikationen überprüfen

Maische-pH zu hoch, Hemmung der β-Glucanasen bei Einmaischtemperaturen < 50 °C

Maischesäuerung überprüfen

falsche Rasttemperatur, Hemmung der β-Glucanasen

Überprüfung der Temperaturfühler

Überspringen der Rasttemperatur, Hemmung der β-Glucanasen

Maischprogramm mit Malzqualität abstimmen

Bildung von β-Glucangel, Scherung der Würze

Überprüfung der Rührflügel, Pumpen

Bildung von β-Glucangel, Scherung der Hefe

Überprüfung der Hefepumpe, Jungbierzentrifuge

Hefeautolyse mikrobielle Kontamination im Unfiltrat (Gluconobacter, Acetobacter, Enterobacter)

mikrobiologische Stufenkontrolle

Hefestöße

Druckstöße vermeiden, Puffertank vor Filter, Abschießen der Hefe überprüfen

schlechtes Absetzen der Hefe in der Lagerung, zu wenig Hefezellen in der Lagerung und dadurch keine Abscheidung von Trubstoffen Verschleppung von Kieselsol

170

Maßnahmen/Vermeidung

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

5

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171

Filtrierbarkeit – Trübungsproblematik

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Bierschaum

Bierschaum

173

Bierschaum

1

Einleitung

Der Schaum eines Bieres zählt zu den wichtigsten Kriterien bei der Beurteilung der Bierqualität. Es gehört daher zu den Hauptaufgaben der Brauer, einen exzellenten Schaum in ihren Bieren zu erreichen. Der Bierschaum hat nicht nur eine sensorische, sondern auch eine technologische Bedeutung. Als immobilisiertes Gaspolster verhindert er, dass gebundenes Kohlendioxid (CO2) ungehindert aus dem Bier diffundieren kann. Somit bleibt die Rezenz des Bieres über einen längeren Zeitraum erhalten.

2

Aspekte des Bierschaums

2.1

Grundlagen der Schaumphysik

Um zu verstehen, wie die unterschiedlichen Bierinhaltsstoffe die Schaumbildung und die Schaumstabilität beeinflussen, ist es hilfreich, kurz auf die grundlegenden physikalischen Vorgänge des Bierschaums einzugehen. Im Wesentlichen werden vier Vorgänge für die Schaumcharakteristiken verantwortlich gemacht [1]: • Schaumbildung • Drainage • Koaleszenz • Disproportionierung Schaum ist als ein disperses System grundsätzlich durch ein Dispergens (Bier) bestimmt, in dem eine disperse Phase (CO2) fein verteilt ist. Durch das Unterschreiten des Lösungsgleichgewichtes von CO2 beim Einschenken wird gebundenes CO2 freigesetzt. Dieses reißt Umgebungsluft mit, so dass schließlich der Schaum sowohl aus CO2 als auch aus Luft besteht. Zwischen den Schaumlamellen befindet sich ein Bierfilm. Bei der Drainage fließen die im Bierschaum enthaltenen Flüssigkeitsanteile der Schaumlamellen auf Grund der Schwerkraft zurück ins Bier. Der Prozess der Drainage wird im Wesentlichen durch die Temperatur und die Viskosität des Bieres beeinflusst. Dieses Abfließen von Bier führt zu einer Verminderung der Schichtdicke der Schaumlamellen und begünstigt somit die Prozesse der Koaleszenz und der Disproportionierung. Mit Koaleszenz ist die Zerstörung des Flüssigkeitsfilms der Schaumlamellen gemeint. Die Zerstörung wird einerseits durch fortlaufende Drainage hervorgerufen. Andererseits können auch durch Bierinhaltsstoffe (hydrophobe Aminosäuren, Detergentien) die Effekte der Koaleszenz verstärkt werden [1, 2]. Als Folge davon kommt es zu einer Vergröberung des Bierschaums bzw. auch zum Platzen der Schaumblasen. Bei der Disproportionierung kommt es zu einer Diffusion von Gasen zwischen unterschiedlich großen Schaumblasen. Diese Gasdiffusion wird auf Grund unterschiedlicher Innendrücke in den Schaumblasen ermöglicht. Als Folge davon verschwinden kleinere Blasen, während die großen ungünstigen zunehmen. Demnach begünstigt vor allem eine inhomogene Blasengrößenverteilung die Effekte der Disproportionierung. Aber auch das im Bier enthaltene Gasgemisch (CO2, N2, CO2/N2) beeinflusst die 174

Bierschaum Gasdiffusion, da die Gase bzw. Gasgemische unterschiedliche Lösungseigenschaften in der Flüssigkeit zwischen den Schaumlamellen besitzen und es somit zu beschleunigten bzw. verzögerten Diffusionen kommt.

2.2

Biochemische und technologische Aspekte des Bierschaums

2.2.1

Schaumpositive Bierinhaltsstoffe

Neben diesen physikalischen Effekten der Schaumbildung und des Schaumzerfalls beeinflusst eine Reihe von endogenen Inhaltsstoffen den Bierschaum. Im Allgemeinen stellen die Wechselwirkungen von hydrophoben Polypeptiden und Hopfenbittersäuren die Basis für die Schaumstabilität des Bieres dar. SIMPSON und HUGHES [3] erklären dies als Folge einer Quervernetzung über hydrophobe und Dipolwechselwirkungen. Die Polypeptide können entsprechend ihrer Molekülgröße in hochmolekulare Proteine (35–50 kDa) und niedermolekulare Proteine (5–15 kDa) aufgeteilt werden [4]. Zu den hochmolekularen Fraktionen zählt das Protein Z („40 kDa-Protein“), welches noch weiter unterteilt werden kann in die beiden Isoformen Protein Z4 und Z7. Die Gruppe der niedermolekularen Proteine wird im Wesentlichen von den Lipid-Transfer-Proteinen (LTP-1) und den noch nicht näher untersuchten Lipid-Binding-Proteinen bestimmt [5]. Darüber hinaus wird auch der Gruppe der Glycoproteide mit ihren oberflächenaktiven Eigenschaften eine schaumstabilisierende Wirkung zugeschrieben [6]. Zu den Hopfenbittersäuren zählen vor allem die α-Säuren und die Isoα-Säuren. Aber auch weitere Hopfeninhaltsstoffe können die Schaumstabilität fördern. Dazu zählen z. B. das Tr-Isoadprehumulon [7] und die außerhalb des Vorläufigen Biergesetzes eingesetzten reduzierten Iso-α-Säuren (Tetra-hydro-iso-α-Säure) [8]. Auch Maillardprodukte wie die Melanoidine spielen eine unterstützende Rolle bei der Schaumstabilität [9]. Ähnlich wie die α- bzw. Iso-α-Säuren können sie mit den Proteinen polare Komplexe ausbilden und/oder den negativen Effekten von Lipiden entgegenwirken. Metallionen, wie Kupfer, Zink, Calcium, Magnesium, Aluminium und Eisen, wird ebenfalls eine unterstützende Funktion bei der Schaumstabilität nachgesagt. Durch unzureichende Versorgung der Würze mit Metallionen bzw. durch schlechte Hefevitalität erfolgt nur eine schleppende Gärung und damit möglicherweise eine Exkretion von schaumnegativen Proteinasen in das Bier. Außerhalb der deutschen Rechtsprechung sind ferner Zusätze auf Basis von Alginaten erlaubt, um die Schaumstabilität zu verbessern.

2.2.2

Schaumnegative Bierinhaltsstoffe

Eindeutig negativ wirken sich vor allem die Lipide auf die Stabilität des Bierschaums aus. Lipide können entweder endogen durch eine mangelhafte Technologie in erhöhten Konzentrationen auftreten oder durch die verwendeten Biergläser bei ungenügender Reinigung (Lippenstift o. ä.) in das Bier gelangen [10, 11]. Ein weiterer negativer Effekt einer mangelhaften Technologie ist die Exkretion des Enzyms Proteinase A aus den Hefezellen in das Bier [12, 13, 14, 15, 16, 17]. Als Substrat für Proteinase A wurde das Lipid-Transfer-Protein-1 identifiziert [18]. Dieses wird durch die Wirkung der Proteinase A abgebaut und steht damit für die Schaumstabilisierung nicht mehr zur Verfügung. Ungünstig für den Bierschaum ist die Wirkung von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, die bei unzureichenden Spülprozessen während der CIP-Programme in das Bier gelangen können [19]. Rück175

Bierschaum stände dieser Mittel können die Oberflächenspannung des Bieres herabsetzen und dadurch schaumzerstörend wirken. Auch der Einsatz von Filterhilfsmitteln zur eiweißseitigen Stabilisierung (Kieselgele) von Bier ist in Bezug auf den Bierschaum kritisch zu betrachten [20]. Gelegentlich wird auch bei Bieren mit höheren Ethanolgehalten (Starkbiere) von Problemen mit der Schaumstabilität berichtet [21]. Ethanol bewirkt eine beschleunigte Drainage von Bier und damit auch eine beschleunigte Unterbrechung des Flüssigkeitsfilms der Schaumlamellen. Dadurch werden die Effekte der Koaleszenz und auch der Disproportionierung verstärkt.

2.3

Technologischer Einfluss auf den Bierschaum

Im Folgenden werden einige ausgewählte Bereiche des Bierherstellungsprozesses in Bezug auf deren Einfluss für den Bierschaum näher betrachtet. Es hat sich gezeigt, dass ein Rohproteingehalt im Malz zwischen 9,5 und 11 % für helle Biere anzustreben ist (vgl. Kapitel Malz). Bei einem Gehalt an löslichem Stickstoff von 650 bis 750 mg/100 g MTrS entspricht dies einem Eiweißlösungsgrad von 38 bis 42 %. Zu hohe Kolbachzahlen führen zu schlechteren Schäumen. Dabei nimmt nicht etwa der Gehalt an Protein Z ab, sondern vielmehr werden andere schaumpositive Proteine, wie z. B. Hordeine, oder nicht-stärkeartige Polysaccharide, wie β-Glucan oder Arabinoxylan, entfernt [22]. Für den FAN-Gehalt können Werte im Bereich von 135 bis 155 mg/100 g MTrS (entspricht 20–22 % des Gesamt-N) als günstig angesehen werden (Hefeernährung). Beim Maischen sind höhere Einmaischtemperaturen (> 60 °C) für die Schaumhaltbarkeit förderlich, da hier das Wirkungsoptimum der proteolytischen Enzyme überschritten ist. Durch die höhere Einmaischtemperatur wird auch die Aktivität der Lipoxygenasen (LOX) gesenkt. LOX katalysieren den Einbau von Sauerstoff in mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu den entsprechenden ungesättigten, konjugierten Hydroperoxysäuren. Dies stellt den ersten Schritt des oxidativen Fettabbaus dar, dessen Abbauprodukte (Trihydroxyfettsäuren) die Schaumhaltbarkeit negativ beeinflussen [23]. Ferner hat sich eine ausgedehnte Rast bei 72 °C als positiv herausgestellt, da hier verstärkt Glycoproteide in Lösung gehen, aber nicht mehr abgebaut werden [6]. Der Kochprozess wirkt sich entscheidend auf die Schaumstabilität aus. So werden bei einer schonenden Kochung (kurze Kochzeiten, moderate Temperaturen, wenig Scherkräfte, niedrige Heizmitteltemperaturen) die schaumpositiven Proteine besser erhalten. Hier ist der koagulierbare Stickstoff ein wichtiger Eckwert, der im Bereich von 2 bis 3 (Lagerbiere) und 3,5 bis 4 (Weizenbiere) mg/100 ml liegen sollte. Allerdings muss dabei auf eine ausreichende Ausdampfung von freiem DMS (< 100 µg/l) geachtet werden. Eine biologische Würzesäuerung führt gewöhnlich zu besseren Schaumwerten (bessere Gärung, mehr unisomerisierte α-Säuren), obwohl nahe des isoelektrischen Punktes eine stärkere Koagulation und Ausscheidung erfolgt. Ferner sind auch die Art und der Zeitpunkt der Hopfengabe entscheidend. Gerbstofffreie Hopfenextrakte, wie z. B. CO2-Extrakt, sind vorteilhaft, wohingegen die Polyphenole aus den Dolden oder Pellets zu einer verstärkten Eiweißausscheidung führen.

176

Bierschaum

Schaumnach nachROSS ROSS und und CLARK CLARK Schaum

Entscheidend für die Schaumstabilität ist auch der physiologische Zustand der Anstellhefe (Hefevitalität) (vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung). Den Einfluss der Hefevitalität auf die Schaumstabilität im fertigen Bier zeigt Abbildung 1.

120 115 110 105 100 95 90 85 80 5,20

5,30

5,40

5,50

wenig vital

5,60

5,70

5,80

durchschnittlich durchschnittlich

5,90

6,00 vital

[pH-Einheiten] ICPICP [pH-Einheiten] Abbildung 1: Einfluss der Hefevitalität auf die Schaumstabilität [24].

Eine schlechte Hefevitalität äußert sich vor allem in höher resultierenden pH-Werten und einer verstärkten Exkretion von Proteinase A in das Bier. Ein höherer pH-Wert im fertigen Bier führt zudem zu einer erhöhten Gefahr der mikrobiologischen Anfälligkeit. Ferner werden vermehrt unerwünschte Gärungsnebenprodukte gebildet, wie z. B. mittelkettige Fettsäuren oder auch Fettsäureester. Diese Fettsäuren und ihre korrespondierenden Ester beeinflussen das Aroma des fertigen Bieres.Vor allem höhere Fettsäureester, wie z. B. Ethyldecanoat, führen im fertigen Bier zu einer schweißigen Note. Dies muss bei der Hefebierrückgewinnung aus Überschusshefe besonders beachtet werden (vgl. Kapitel Prozessbiere) [25]. Zu lange Reifungs- und Lagerungszeiten wirken sich negativ auf die Schaumhaltbarkeit aus (Hefeautolyse, Aktivität der Proteinase A). Ebenso sind zu hohe Reifungstemperaturen schaumnegativ, da auch mittelkettige Fettsäuren exkretiert werden, ebenso wie basische Aminosäuren, von denen besonders Arginin ungünstig ist [26]. Auch bei der Filtration wird die Schaumstabilität deutlich beeinflusst. Insgesamt sollte nicht zu scharf filtriert werden, da dadurch auch mehr schaumpositives Eiweiß entfernt wird. Dies gilt vor allem für eine eiweißseitige Stabilisierung mit Kieselgelen und/oder Bentonit, wobei Bentonite mehr schaum177

Bierschaum positives Eiweiß entfernen als Kieselgele. Um dennoch eine gute kolloidale Stabilität zu erreichen, wäre eine polyphenolseitige Stabilisierung günstiger. Die Abgabe von Metallionen, wie z. B. Eisen oder Aluminium, muss vor allem im Hinblick auf die Geschmacksstabilität kritisch betrachtet werden. Es wird gerade den Eisenionen eine schaumstabilisierende Wirkung nachgesagt. Die Desinfektion von Lager- und Drucktanks mit oberflächenaktiven Substanzen kann bei mangelhafter Nachspülung (Wasserersparnis!) zu einer Verringerung der Oberflächenspannung von Spülwasserresten führen. Diese sollten eine Oberflächenspannung von ~ 70 mN/m haben (Normwert für Wasser: 72 mN/m). Schließlich ist auch bei der Abfüllung unbedingt auf saubere und intakte Flaschen zu achten. Die Flaschen müssen unbedingt frei von Rückständen von Detergenzien sein. Bei Verwendung von Neuglas kann ein Problem auftreten, da eine Kaltvergütung von Neuglas teilweise mit Tensiden erfolgt, um die Festigkeit der Flaschen zu erhöhen. Die Tenside werden vom abgefüllten Bier in Lösung gebracht. Dadurch wird die Oberflächenspannung des Bieres herabgesetzt und die Schaumhaltbarkeit negativ beeinflusst. Außerhalb der deutschen Rechtsgültigkeit kann die Schaumhaltbarkeit durch die Zugabe von Stabilisatoren verbessert werden. Weit verbreitet ist hier der Einsatz von Propylenglycolalginaten. Durch die Zugabe von diesen Alginaten kann die Schaumhaltbarkeit um rund 15 % verbessert werden (Abbildung 2).

Schaum nach NIBEM [s]

Schaum nach NIBEM [s]

270

250

230

210

190

170

150 0

10

20

40

80

PGA [mg/l] [mg/l] PGA

Abbildung 2: Beziehung zwischen Schaumhaltbarkeit und Konzentration an dosierten Alginaten (KI auf P = 0,95). Der Zusatz sollte jedoch nur in den vom Hersteller angegebenen Grenzen erfolgen, da PGA eine unerwünschte Trübung im fertigen Bier hervorrufen kann.

178

Bierschaum 2.4

Methoden zur Bestimmung der Schaumhaltbarkeit

Zur Bestimmung der Schaumstabilität wird eine Vielzahl von Messmethoden eingesetzt. In Deutschland sind die Methoden nach ROSS und CLARK sowie KLOPPER (NIBEM) weit verbreitet. Ferner wird mit der Methode nach C ARLSBERG LG (lg-Foamtester) die Schaumstabilität bestimmt [27, 28]. Die Messung mit dem lg-Foamtester wird heute als offizielle Bestimmung der Schaumstabilität bei den DLG-Prüfungen für Bier eingesetzt. Teilweise werden diese Messmethoden auch im Ausland angewandt, jedoch mit geringerer Anerkennung. Momentan gibt es weltweit kein einheitlich anerkanntes Verfahren zur Charakterisierung der Schaumstabilität. Dies drückt sich in einer Vielzahl von z.T. länderspezifischen Messmethoden aus. Durch diese Diversifikation an Messmethoden ist die Erforschung von Einflussfaktoren auf die Schaumhaltbarkeit nicht gegeben. Eine der ältesten und einfachsten Methoden zur Bestimmung der Schaumhaltbarkeit stellt der Einschenktest dar [29]. Dies ist auch das Schaumbild, welches der Konsument vor Augen hat. Nachteilig ist hier jedoch die mangelhafte Reproduzierbarkeit. Der Einschenktest kann aber bei definierten Bedingungen zur Bestätigung der Schaumanalysen oder zum „Einfangen von Ausreißern“ gut angewandt werden. Die heute üblicherweise durchgeführten Messmethoden beurteilen den Schaumzerfall. Dabei wird entweder das kumulierte Rücklaufbier oder das Niveau eines künstlich erzeugten Schaumes bewertet. In diese Gruppe fallen die Methoden nach ROSS und CLARK [30], KLOPPER [31] und RASMUSSEN [27]. Einen Einfluss auf die Messung der Schaumstabilität haben bei ROSS und CLARK sowie KLOPPER die Umgebungsbedingungen, wie Luftdruck, Raumtemperatur, Biertemperatur und teilweise relative Luftfeuchte. Beim lg-Foamtester handelt es sich um ein geschlossenes System, so dass Luftdruck, relative Luftfeuchte und Luftbewegung keinen Einfluss auf das Messergebnis haben.

3

Zusammenfassung

Der Bierschaum vermittelt dem Konsumenten einen ersten Eindruck von der Qualität seines Bieres. Es ist daher Aufgabe des Brauers, diesem Kriterium gebührend Aufmerksamkeit zu schenken. Einzelne Teilprozesse, die den Bierschaum betreffen, dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Es ist vielmehr erforderlich, alle den Bierschaum betreffenden Teilaspekte vom Malz bis hin zur Gastronomie in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Um einen guten Bierschaum zu erhalten, sollten Malze mit ausreichenden Gehalten an schaumfördernden Inhaltsstoffen und optimal eingestellten Lösungseigenschaften verwendet werden. Als Proteinfraktionen im Malz, die die Schaumqualität steigern, werden das Protein Z und LTP-1 angesehen. Niedrigere Gehalte an Polyphenolen können ebenfalls förderlich sein, da weniger schaumpositive Proteine während des Würzekochens verloren gehen. Besondere Aufmerksamkeit sollte der 179

Bierschaum Hefetechnologie gewidmet werden. Durch die Verwendung von Hefepopulationen mit einer schlechten Vitalität können äußerst schaumnegative Substanzen ans Bier abgegeben werden (Proteinase A, mittelkettige Fettsäuren, basische Aminosäuren). Wichtig ist, dass die Schaumqualität bis hinein in den Abfüllbereich beeinflusst werden kann (oberflächenaktive Substanzen). Darüber hinaus sollte die Brauerei dafür sorgen, dass auch im Ausschank optimale Bedingungen (Temperatur des Bieres, Gläserhygiene) herrschen, um den Konsumenten ein einwandfreies Produkt mit einer perfekten Schaumkrone anbieten zu können.

4

180

Überblick

Problemstellung ungünstige Malzqualität

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

Rohproteingehalt zu niedrig (< 9,0 %)

jahrgangs- und/oder sortenbedingt

alternative Malzchargen, SW 9,5–11 %

Eiweißlösungsgrad zu hoch (> 45 %) bzw. zu niedrig (< 38 %)

Sorte/Jahrgang/Keimungsparameter

ELG zu hoch: knappes Maischverfahren ELG zu niedrig: intensiveres Maischverfahren (Einmaischtemperatur: 50 °C)

FAN zu gering (< 130 mg/100 g MTrS)

Keimungsparameter

intensiveres Maischverfahren, Einmaischtemperatur < 50 °C, um genügend FAN für die Hefeernährung zu bilden, SW 135–155 mg/100 g MTrS

Problemstellung Maischen

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

Einmaischtemperatur zu niedrig (< 60 °C)

vor allem bei hoch gelösten Malzen werden zu viele schaumpositive Proteine durch die proteolytischen Enzyme abgebaut

Erhöhung der Einmaischtemperatur (> 60 °C)

Zinkgehalt zu gering (schleppende Gärung)

zu hoher Maische-pH

biologische Maischesäuerung

Bierschaum Problemstellung Läutern

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

Läutertrübung zu hoch (> 40 EBC)

technologische Läutertrübung durch das verwendete Braumalz

Verwendung alternativer Malzsorten

technische Läutertrübung durch ungünstige Hackwerkstellung und/oder Tiefschnitte

optimierte Abläuterung durch Korrektur der Hackwerkeinstellungen

Problemstellung Würzekochung

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

Würzekochung zu intensiv (Zeit,Temperatur)

Umwandlung von Vorläufern (DMS-P) in ausdampfbare Verbindungen (DMS)

Intensität reduzieren

Austauscherflächen der Wärmeüberträger mit schaumpositiven Proteinen belegt

zu hohe Heizmitteltemperatur

Heizmitteltemperatur senken

Problemstellung Würzebehandlung

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

Verschmieren der Hefezellen

Heißtrubfracht zu hoch

auf möglichst vollständige Abtrennung des Heißtrubs achten SW < 0,5 g/l (Membranfiltermethode)

SW freies DMS < 100 µg/l koag. N 2–4 mg/100 ml

181

Bierschaum Problemstellung Hefe/Gärung/ Reifung/Lagerung

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

schlechter physiologischer Zustand der Hefepopulation

ungünstige Aufbewahrungsbedingungen (Zeit,Temperatur, Wochenende, Sudpause), mangelhafte Hefeherführung

Aufbewahrungsbedingungen verbessern (T < 4 °C, t < 1 Woche, Aufbewahrung unter entgastem Wasser), Optimierung der Hefereinzuchtanlage

schleppende Gärung

Zinkgehalt zu gering (< 0,15 mg/l), FAN-Gehalt zu niedrig (< 200 mg/l), Verschmierung der Hefezellen durch Heißtrub, schlechter physiologischer Zustand der Hefepopulation

biologische Maischesäuerung (pH 5,5), Einmaischtemperatur (siehe oben), möglichst vollständige Abtrennung des Heißtrubs (siehe oben), Verbesserung des physiologischen Zustandes der Hefepopulation (SW Hefevitalität: ICP > 6,0) Reduzierung der Anstellzellzahl, Verbesserung des physiologischen Zustandes der Hefepopulation

zu hohe Anstellzellzahl bei schlechter Hefevitalität

zu hohe Aktivität der Proteinase A (> 50 units x 10-5/ml)

182

schlechter physiologischer Zustand der Hefepopulation, zu intensive Reifungsphase (Zeit, Temperatur), zu lange Lagerung auf der Hefe (vor allem bei liegenden Lagertanks)

Verbesserung des physiologischen Zustandes der Hefepopulation, Verkürzung der Reifungsphase (SW Diacetyl < 0,1 mg/l), Verkürzung der Lagerzeit, Bier nach der Filtration kurzzeiterhitzen (> 40 PE)

Bierschaum Problemstellung Filtration

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

Aktivität der Proteinase A (> 50 units x 10-5/ml)

siehe vorheriger Punkt

Bier nach der Filtration kurzzeiterhitzen (> 40 PE)

zu wenig schaumpositives Eiweiß

zu hohe Dosage an eiweißseitigen Stabilisierungsmitteln

Reduzierung des Einsatzes an eiweißseitigen Stabilisierungsmitteln

Problemstellung Abfüllung

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

Verminderte Oberflächenspannung im Haftwasser nach der Waschmaschine

Kaltvergütung von Neuglas mit Tensiden, unzureichendes Klarspülen der gereinigten Flaschen

beim Kauf der Flasche auf Art der Vergütung achten, Optimierung des Reinigungsprozesses in der Waschmaschine

Sonstige Problemstellungen

Ursache

Lösungsvorschlag/ Sollwerte (SW)

Oberflächenspannung des Haftwassers nach den CIP-Reinigungen zu gering

unzureichendes Nachspülen mit Frischwasser nach dem Reinigen bzw. Desinfizieren

auf ausreichendes Nachspülen nach dem Reinigen und Desinfizieren achten (SW Haftwasser ~ 70 mN/m)

183

Bierschaum

184

5

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Bierschaum [31]

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Sensorik

Sensorik

187

Sensorik

1

Einleitung

Hohe Qualitätsansprüche, weite Distributionswege und ein umfangreiches Angebot an Biersorten erfordern es, der Sensorik entsprechend Beachtung zu schenken. Im Rahmen der Sensorik einsetzbare Verfahren lassen sich in drei Kategorien einteilen: Methoden zur Unterscheidung, Methoden zur Beschreibung und Methoden zur Bevorzugung [1]. Die Bedeutung der Sensorik als Hilfsmittel zur Qualitätssicherung und Produktinnovation ist in den letzten Jahren gestiegen. Inzwischen ist die angewandte Sensorik in der Braubranche weitgehend etabliert, so dass viele wichtige Informationen durch sensorische Beobachtungen zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zum Wein gibt es bei Bier noch keine Differenzierung sensorischer Eindrücke durch den Konsumenten. Dabei bietet dieses mit mehr als 800 geschmacks- bzw. geruchsaktiven Substanzen ungefähr doppelt so viele sensorische Eindrücke wie Wein [2]. Auch wenn Bier üblicherweise durch verschiedene Analysenmerkmale charakterisiert wird, ist die Sensorik die einzige Möglichkeit charakteristische Geschmacks- und Geruchseindrücke zu erfassen. Neben der Kontrolle der Rohstoffe und der einzelnen Prozessschritte findet die Sensorik vor allem bei der Endproduktprüfung und Qualitätsüberwachung Anwendung. Darüber hinaus ist sie ein wichtiges Instrument zur Überprüfung der Geschmacksstabilität, Produktentwicklung und Produktoptimierung sowie zur korrekten Beurteilung von Reklamationen.

2

Sensorik in der Brauindustrie

Eine sensorische Bewertung erfolgt anhand von visuellen, olfaktorischen, gustatorischen und haptischen Eindrücken. Unter olfaktorischen Eindrücken werden alle durch die Nase wahrnehmbaren Geruchseindrücke verstanden. Alle mit Zunge und Mundhöhle wahrnehmbaren Merkmale, zu denen neben den fünf Geschmackseindrücken süß, sauer, salzig, umami und bitter auch das Temperaturempfinden gehört, werden als gustatorische Wahrnehmungen bezeichnet. Zu den haptischen Eigenschaften eines Lebensmittels gehören Konsistenz, Struktur und Textur [3]. Abbildung 1 veranschaulicht, wie sich ein „Flavourgramm“ eines Lebensmittels zusammensetzen kann. Ein besonderes Merkmal des Bieres ist der CO2-Gehalt. Dieser überdeckt im ersten Moment nach dem Einschenken sämtliche Geruchsstoffe. Erst wenn sich die Schaumbläschen entsprechend zurückgebildet haben und ein Teil des CO2 entwichen ist, können geruchsaktive Substanzen wahrgenommen werden. Der CO2-Gehalt beeinflusst ebenfalls die Wahrnehmung der Grundgeschmacksarten in verschiedener Weise [4]. Über die Geschmacksknospen werden die Sinnesreizungen nicht-flüchtiger Geschmacksstoffe wahrgenommen und durch die sich weiter entbindende Kohlensäure beeinflusst. Beim Schlucken erfolgt dann eine retronasale Wahrnehmung der geruchsaktiven Substanzen, die über den Rachenraum zum Riechfeld aufsteigen. Die hierbei wahrgenommenen Geruchsreize sind wegen der höheren Temperatur im Rachenraum intensiver als bei der direkten Wahrnehmung über die Nase [3].

188

Adstringierend

Sauer Fett Ethanol

Brennend Süß

Kühl Salzig

}

Phenole

S-Verbindungen

Pyrazine

C=O-Verbind.

Ester-Lactone

Alkohole

Säuren

Sensorik Gehirn

Ge

ruc

h

Nase

Umami Bitter

Stärke

Protein

Wasser

Gas

}

Geschmack

}

Zunge

isns z o K ten

Abbildung 1: Beispiel für ein „Flavourgramm“ [3].

2.1

Sensorische Beurteilung von Bier

Geeignete sensorische Prüfmethoden sind in den verschiedenen Methodensammlungen von MEBAK [5], ASBC [6], EBC [7] sowie dem Deutschen Institut für Normung (DIN) [8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19] u. v. m. beschrieben [20].

2.1.1

Gestaltung der sensorischen Prüf- und Vorbereitungsräume

Für eine bestmögliche sensorische Prüfung ist es wichtig, dass der Prüfer von der Umgebung und dem eigenen Befinden weitestgehend nicht beeinflusst wird, um objektive Beurteilungen treffen zu können. Die Mindestanforderungen an die Prüfräume sind in der DIN-Norm 10962 enthalten [21]. Der Prüfraum sollte mindestens 10 gleichartige Prüfplätze vorweisen. Die Tischbreite sollte 80 cm, die Tiefe mindestens 50 cm je Prüfplatz betragen. Besser ist die Einrichtung von Prüfkabinen. Hier handelt es sich um dreiseitig abgegrenzte Kabinen, die mit einer verschließbaren Beschickungsvorrichtungen für die Prüfproben ausgestattet sind [3]. Das Prüflabor sollte vom Vorbereitungsraum getrennt sein und lärmgeschützt liegen, so dass die Prüfer nicht beeinflusst werden. Neben dem Prüflaboratorium sollte auch ein Gruppenprüftisch vorgesehen werden, an dem die Prüfer die Ergebnisse diskutieren und interpretieren können. Der Vorbereitungsraum sollte so gestaltet sein, dass eine schnelle Vorbereitung der Proben erfolgen kann. Die Arbeitsflächen, Prüfflächen und Böden müssen leicht zu reinigen sein und sollten farb- und geruchsneutral sein, so dass eine störungsfreie Prüfatmosphäre für alle Prüfpersonen gewährleistet werden kann. Weiterhin ist für eine einwandfreie Raumbelüftung zu sorgen. Bei der Auslegung der Räume sollte Klarheit über die Häufigkeit und den Umfang der Verkostungen herrschen. Bei den Einrichtungen dieser Räume sollte die Möglichkeit einer elektronischen Datenerfassung berücksichtigt werden, da dadurch die Auswertungen erleichtert werden [22]. 189

Sensorik 2.1.2

Unterschiedsprüfungen

Bei Unterschiedsprüfungen werden Proben miteinander verglichen. Diese Methode ist auch dafür geeignet, sehr ähnliche Bierproben auf einen Unterschied oder auf ihre Gleichheit zu untersuchen. Hier ist zu beachten, dass ein nicht signifikanter Unterschied nicht gleichbedeutend mit einer Gleichheit der Proben ist. Zu den Unterschiedsprüfungen zählen u. a. Dreieckstest, 2 aus 5 Test, Rangordnungsprüfung u. v. a. [5, 6, 7].

Abbildung 2: „Flavourrad“ mit Klassen und Oberbegriffen [23].

190

Sensorik 2.1.3

Beschreibende Prüfungen

Beschreibende Prüfungen dienen dazu, Proben qualitativ nach Aussehen, Geruch, Geschmack und Textur zu beschreiben. Hier ist es wichtig, dass die Prüfer in der Lage sind, die empfundenen Eindrücke adäquat zu beschreiben. Für eine beschreibende Prüfung bei einer Bierverkostung wird meist auf das „Flavourrad“ (Abbildung 2) zurückgegriffen. Es umfasst 14 Begriffsklassen mit 44 Oberbegriffen und 78 untergeordneten Begriffen. Die Klassen 1–8 beziehen sich auf den Geruch, die Klassen 9–14 auf den Geschmack [24]. 1982 wurden zu den 122 Flavourqualitäten von MEILGAARD 27 Referenzsubstanzen angegeben [25]. Das „Flavourrad“ gibt Hilfestellung in der Auswahl der Terminologie für weitere sensorische Methoden. Hiermit kann auch festgestellt werden, welche verschiedenen Flavoureindrücke der gleichen Substanz zugeschrieben werden können.

2.1.4

Bewertende Prüfungen

Bei einer bewertenden Prüfung werden die qualitativen Eindrücke, also Eindrücke, wie z. B. malzig, hopfig, blumig, Vollmundigkeit, Rezenz, Bittere, quantitativ eingestuft und mit Intensitätswerten versehen. Dies geschieht meist mittels einer Skala, die undefiniert von schwach bis stark reicht oder mit Zahlenwerten versehen ist. Zu den etablierten bierspezifischen, bewertenden Prüfungen gehören die DLG-Prüfung [5] und die Alterungsverkostung nach EICHHORN [26]. Neuere Forschungsarbeiten haben weitere bewertende Prüfungen für Bier hervorgebracht [27, 28].

2.1.4.1 Alterungsverkostung nach EICHHORN EICHHORN entwarf ein Verkostungsschema zur sensorischen Beurteilung gealterter Biere. Bei diesem Schema wird ausschließlich die Frische bzw. der Alterungsgrad eines Bieres beurteilt. Die Kriterien orientieren sich dabei an denen des DLG-Schemas, wobei nur Geruch, Geschmack und die Qualität der Bittere bewertet werden. Als Skala zur Bewertung des Alterungsgeschmacks können Noten zwischen 1 und 4 gegeben werden. Dabei steht die Note 1 für uneingeschränkt frisch und 4 für extrem gealtert. Weiterhin wird durch die Verkoster die Akzeptanz in Prozent beurteilt (Tabelle 1). Beispielsweise bedeutet ein Akzeptanzwert von 20 %, dass nur jeder 5.Verkoster dieses Bier akzeptieren würde (vgl. Kapitel Geschmacksstabilität). Im Vorfeld ist es unerlässlich, das Verkosterpanel auf Alterungsgeschmack zu trainieren [26]. A

B

frisch

forciert

frisch

forciert

Geruch

1,0

1,7

1,0

2,0

Geschmack

1,0

1,9

1,0

2,3

Bittere

1,0

1,5

1,0

1,8

gewichtete Note

1,0

1,7

1,0

2,1

(

2 x Geruch + 2 x Trunk + Bittere 5

Akzeptanz [%]

) 100

68

100

63

Tabelle 1: Beispiel einer Auswertung einer Alterungsverkostung für zwei Biere. 191

192 2

unangenehm

Spur

3

etwas

etwas

4

5

6

wahrnehmbar

wahrnehmbar

0

1 Spur

2

3 etwas

4

5

6

wahrnehmbar

1 mild

2

3

4

5

6

8

8

7

8

deutlich

7

deutlich

deutlich

7

Abbildung 3: Verkostungsschema für hopfenbetonte Biere.

Harmonie beschreibt den persönlichen Gesamteindruck für diesen Biertyp. 0 = überhaupt nicht, 10 = entspricht voll

Harmonie

Gesamtintensität Antrunk Trunk Nachtrunk

0

Wenn kein Aromaeindruck festgestellt werden kann, ist zwingend 0 anzukreuzen

sonstige

hopfenwürzig/krautig

fruchtig blumig citrus grün-grasig

sonstige

hopfenwürzig/krautig

fruchtig blumig citrus grün-grasig

Wahrnehmung der Bittere

Trunk

Geruch

Spur unangenehm

1

Verkoster:

Diese Eindrücke beziehen sich ausschließlich auf das Hopfenaroma

Qualität

Intensität

Qualität

Intensität

0

Beschreibung des Hopfenaromas

Trunk

Geruch

Hopfenaroma

Datum:

Probe:

Hopfenverkostungsschema nach Kaltner

10

10

9

kräftig

10

intensiv

9

angenehm

intensiv

angenehm

intensiv

9

Bemerkungen:

harmonisch, aber lang im Nachtrunk

hart

kratzig

normal (harmonisch)

Bitterprofil

Antrunk abgerundet, aber nachhängend

hart und breit

schwach

Sensorik

2.1.4.2 Verkostungsschema nach KALTNER

Dieses Verkostungsschema (Abbildung 3) wurde von KALTNER speziell für hopfenbetonte Biere entwickelt. Mittels Skalen werden Intensität und Güte des Hopfenaromas sowie die Hopfenbittere getrennt nach Geruch und Geschmack bewertet [29].

Sensorik 2.1.4.3 EBC Description Analysis Mit trainierten Verkostern kann mittels dieser Methode eine systematische Geschmacks- und Geruchsbeschreibung der Proben erhalten werden. Im Vorfeld werden die geeigneten Attribute bestimmt und wenn möglich,das Panel mit den entsprechenden Referenzsubstanzen unter Einbeziehung des „Flavourrades“ geschult. Die Verkoster ordnen den Attributen der Proben Intensitätswerte zu. Für die einzelnen Attribute werden die mittleren Intensitätswerte berechnet. Eine Darstellung kann als Diagramm oder Spinnennetzdiagramm erfolgen. Diese Methode ist für interne Qualitätskontrollen ebenso geeignet wie für Produktvergleiche [7].

2.1.4.4 Verkostungsschema für Weißbiere Weißbiere lassen sich in vier Hauptaromen einteilen: estrig, phenolisch, hefig, neutral. Zur Beschreibung dieser Kriterien wurde ein spezifisches Verkostungsschema entwickelt (Abbildung 4). Dabei werden sowohl die Intensitäten als auch die Qualitäten der einzelnen Hauptaromen zusätzlich zum DLG-Schema beurteilt. Die Note 1 steht in der Intensität für einen nicht wahrnehmbaren Eindruck, während die Note 5 einen deutlich wahrnehmbaren Eindruck darstellt. In der Qualität bedeutet die Prüfer: Datum: Geruch

Probe: Trunk

Estrige Note

Vollmundigkeit

Rezenz

Phenolische Note Intensität

Intensität

1

2

1

2

3

4

5

1

2

4

5

1

2

Qualität

3

3

4

2

5

3

4

5

4

5

4

5

Intensität

5

1

2

Qualität

1

4

Malzige Note

Intensität

2

3 Qualität

Hefige Note 1

Bittere

3

3 Qualität

4

5

1

2

3

Beschreibung: ........................................................................................... .................................................................................................................... .................................................................................................................... Abbildung 4: Weißbierverkostungsschema nach HERRMANN-SACHER. 193

Sensorik Note 1 eine unangenehme, die Note 3 eine neutrale und die Note 5 eine positive Beurteilung.Typische Vertreter der estrigen Note sind das 3-Methylbutylacetat (fruchtig, bananiges Aroma) und das Ethylacetat (lösungsmittelartiger Off-Flavour). Die phenolische Note wird primär durch das 4Vinylguajakol geprägt. Althefige Eindrücke gehen oft mit erhöhten Konzentrationen an kurzkettigen Fettsäuren und verschiedenen höheren Alkoholen einher. Neutrale Weißbiere zeichnen sich durch moderate Konzentrationen der relevanten Aromastoffe aus, was sich auch in geringen Intensitätswerten widerspiegelt [30].

2.1.4.5 Modifiziertes „Trueness-of-type“-Schema SCHÖNBERGER hat auf Grundlage des „Trueness-of-type“-Schemas des Institute of Brewing ein modifiziertes Verkostungsschema erstellt. Dieses Schema kann spezifisch ausgestaltet werden. Daher ist es wichtig, im Vorfeld die sensorischen Ziele zu definieren und die geeigneten positiven und negativen Attribute, beispielsweise anhand eines „Flavourrads“ auszuwählen (vgl. Abschnitt 2.1.2). Dabei ist festzulegen, welche Attribute für das eigene Projekt erfüllt werden sollen und welche Attribute Fehleindrücke darstellen. Zu den positiven Attributen können z. B. süss, bitter, hopfig, malzig, blumig, fruchtig und zu den negativen z. B. Diacetyl, DMS, sauer und oxidiert zählen. Jedes ausgewählte positive Attribut wird mit einer Skala von 0 bis 3 bis 0 bewertet. Dabei beschreibt der Wert 3 die optimale Intensität des positven Attributes, der Wert 1 kann eine zu geringe, aber auch eine zu stark ausgeprägte Intensität beschreiben. Die negativen Attribute werden mit einer Skala von 0 bis 3 bewertet und zu einem Gesamtwert addiert, der so gering wie möglich sein sollte. Die endgültige Bewertung ergibt sich aus der Differenz der Gesamtwerte der positiven Punkte und der negativen Punkte. [28, 31] Die Beurteilungskriterien können je nach Produkt, Anzahl der gewählten Attribute bzw. Anwendungsweise des Schemas (z. B. Verkostung frisch-forciert, Beurteilung von Fehlaromen) individuell festgelegt werden. Eine geeignete Auswertung kann auch mit Spinnennetzdiagrammen erfolgen.

2.2

Auswahl und Schulung eines Verkosterpanels

Prüfpersonen, die als Verkoster für sensorische Prüfungen in Frage kommen, sind: • ungeschulte Laien (= Konsument) • geschulte Prüfer mit nachgewiesener Eignung • Sachverständige/Experten mit produktspezifischen Kenntnissen • Prüfungsleiter

2.2.1

Prüferauswahl

Bei der Erstellung eines festen Verkosterpanels stellt sich grundsätzlich die Frage, ob auf interne oder externe Verkoster zurückgegriffen werden soll. Vorteile eines externen Verkosterpanels sind die Unabhängigkeit der Verkoster und die Motivation. Als Nachteil sind die höheren Kosten und ein intensiveres Training zu erwähnen [26]. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Panelgröße. Sie ist wichtig für die notwendige statistische Absicherung. Es empfiehlt sich eine Größe von mindestens 10–14 Verkostern; weniger als 7 lassen 194

Sensorik keine statistische Aussage zu. Um die notwendige Anzahl an Verkostern sicherzustellen, muss mindestens die doppelte bis dreifache Anzahl an Prüfpersonen geschult werden. Voraussetzung für einen Prüfer ist die Fähigkeit, die geschmacklichen und geruchlichen Eindrücke verständlich und eindeutig zu beschreiben. Ein Vorteil ist hierbei, wenn der Verkoster einen umfassenden sensorischen Erfahrungsschatz besitzt, um sensorische Eindrücke mit bekannten Wahrnehmungen zu assoziieren und diese zu formulieren. Die Verkoster müssen gesund sein, dürfen nicht unter Allergien leiden und keine ausgeprägte Abneigung gegen Lebensmittelinhaltsstoffe haben. Weiterhin spielt das Alter bei der Besetzung des Panels eine Rolle. So reduziert sich bei Menschen, die über 50 Jahre alt sind, insbesondere die Geruchsempfindung. Auch die Bitter- und Salzempfindung sowie lokale Empfindungen für bestimmte Substanzen nehmen mit zunehmenden Alter ab. Sensorische Studien belegen, dass ältere Verkoster im Vergleich zu jüngeren 2- bis 9-mal höhere individuelle Geschmacksschwellenwerte haben [32, 33, 34]. Das Geschmacksempfinden wird auch durch Medikamente oder eine Schwangerschaft stark beeinflusst [35, 36]. Die Zielsetzung der Verkostung gibt vor, inwieweit das Panel geschult werden muss bzw. ob hochsensible Verkoster benötigt werden. Üblicherweise sind aber durchschnittliche sensorische Fähigkeiten ausreichend. Wichtige Fähigkeiten für eine Mitarbeit in einem Verkosterpanel sind: Urteilsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Zuverlässigkeit, sensorisches Gedächtnis, Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

2.2.2

Schulung der Grundgeschmacksarten

Zu den Grundgeschmacksarten gehören sauer, salzig, süß, bitter und umami (glutamatartig). Tabelle 1 zeigt, in welchen Konzentrationen die Referenzsubstanzen zu Schulungszwecken verwendet werden sollten. Die Lösungen sollten erst am Tag der Verkostung angesetzt werden. Referenzsubstanzen des „Flavourrades“ für die geschmacksspezifischen Klassen sind: Essigsäure (sauer), Saccharose (süß),Vanillin (süß), Natriumchlorid (salzig), Isohumulone (bitter), Eisensulfat (metallisch), γ-Aminobuttersäure (adstringierend) [7]. Es empfiehlt sich den Sauergeschmack auch mit Zitronensäure zu schulen. Die Grundgeschmacksart umami ist erst seit kurzem als eigene Geschmacksart anerkannt, da gezeigt werden konnten, dass hier ein eigener Weg der Geschmacksempfindung stattfindet und sie Geschmacksqualität

Referenzsubstanz

Konzentration in g/l [8]

süß sauer salzig bitter umami (glutamatartig) adstringierend

Saccharose Zitronensäure Natriumchlorid Isohumulone Mononatriumglutamat γ-Aminobuttersäure

6,0 0,4 1,3 0,012 0,5 0,051

Tabelle 2: Referenzsubstanzen für Grundgeschmacksarten und empfohlene Konzentrationen in Wasser für Schulungsverkostungen. 195

Sensorik unabhängig von den weiteren vier Grundgeschmacksarten ist [37]. Als Referenzsubstanz dient Mononatriumglutamat, welches vielfach als Geschmacksverstärker in Lebensmitteln eingesetzt wird. Dagegen ist „adstringierend“ nicht als eigene Grundgeschmacksart anerkannt. Die Behandlung als eigene Grundgeschmacksart wird jedoch empfohlen. Bei den Schulungen sollten neben den 6 Referenzsubstanzen zusätzlich eine Wasserprobe (Leitungswasser) mitgeführt und als Probe deklariert werden. Zu Testzwecken sollten 10 Proben vorbereitet werden, darunter eine Wasserprobe sowie 3 der Referenzsubstanzen doppelt (Tabelle 3). Prüfanleitung: Auf dem Prüfplatz stehen wässrige Lösungen, die Saccharose, Natriumchlorid, Essigsäure, Isohumulone, Mononatriumglutamat und γ-Aminobuttersäure enthalten. Die Proben sind durch Schmecken von links nach rechts zu prüfen und in der Spalte durch ein Kreuz zu kennzeichnen. Bitte nicht Rückverkosten. Probe A B C D E F G H I J

nicht süß salzig sauer bitter umami adstringierend richtig falsch erkennbar X X X X X X X X X X

X X X X X X X X X X

Tabelle 3: Beispiel eines Prüfschemas für Grundgeschmacksarten. Die Probanden sollten 8 von 10 Proben richtig erkennen. Dieser Test sollte mehrmals wiederholt werden, um die Kontinuität der Prüfer einschätzen zu können. In der Praxis zeigte sich, dass gerade bittere und saure Proben schwerer zu erkennen sind als süße. Die Konzentrationen der Substanzen können verändert und die einzelnen Geschmacksschwellenwerte der Prüfer ermittelt werden.

2.2.3

Schulung mit Referenzsubstanzen

Neben Schulung der Grundgeschmacksarten ist auch die Schulung mit aromatischen Referenzsubstanzen besonders wichtig. Nach wie vor besteht eine Diskrepanz zwischen den Geschmacks- und Geruchseindrücken, die im „Flavourrad“ aufgenommen sind, und verfügbaren Referenzsubstanzen zur gezielten Schulung dieser Eindrücke.Tabelle 4 gibt einen Überblick, welche Referenzsubstanzen zu welchen Eindrücken erhältlich sind und wie hoch deren Schwellenwert als Einzelsubstanz in Bier ist.

196

Sensorik „Flavourrad“ Bezeichnung nach Nr. EBC/ASBC

Referenzsubstanz

Schwellenwert Quelle in Bier

0131

Isoamylacetat (Banane, estrig)

Isoamylacetat

1,6 mg/l

[40]

0132

Ethylhexanoat (Apfel, Anis, fruchtig)

Ethylhexanoat

0,23 mg/l

[40]

0150

Acetaldehyd (grüner Apfel)

Acetaldehyd

10–25 mg/l

[40]

0161

blumig, rosenartig

2-Phenylethanol

40–125 mg/l

[40]

0162

rosenartig

Geraniol

29 µg/l

[41]

hopfig, citrusartig

R-Linalool

5 µg/l

[29]

0224

mandelartig

Benzaldehyd

2 mg/l

[40]

0231

frisches Gras

Hexanal

33 µg/l

0320

malzig

2-Methylbutanal

200 µg/l

3-Methylbutanal

89 µg/l

4-Vinylguajakol

0,7 mg/l

0500

karbolartig (phenolisch,

[40]

nelkenartig) 0504

Apothekengeschmack

Chlorphenol

k. A.

0611

Caprylsäure („Ziegenbock“)

Caprylsäure

15 mg/l

[40]

0613

käsig (alter Hopfen)

Isovaleriansäure

1,3 mg/l

[42]

0620

Diacetyl (butterartig, ranzig)

Diacetyl

0,15 mg/l

[40]

0721

H2S (faule Eier)

Schwefelwasserstoff

4 µg/l

0722

Mercaptan (Kanalgeruch)

Ethanthiol

1,7 µg/l

0724

Lichtgeschmack („skunky“)

3-Methyl-2-buten-1-thiol 4,4–35 µg/l

[43]

0732

DMS (gekochter Kohl)

Dimethylsulfid

50–100 µg/l

[40]

0810

katzig, „ribes“ (Schwarze Johannisbeere)

p-Menthan-8-thiol-3-on

50 ng/l

0820

papierartig

5-Methylfurfural

20 mg/l

[7] [40]

[40]

Tabelle 4: Verfügbare Referenzsubstanzen zu bestimmten Bieraromen. Es ist zu beachten, dass sich die Aromaeindrücke verschiedener Substanzen in ihrem Eindruck addieren können. So wurde für 2-Methylbutanal ein Schwellenwert in Bier von 200 µg/l gefunden, für 3-Methylbutanal von 89 µg/l. Wurden diese beiden alterungsrelevanten Aromastoffe gleichzeitig einem Bier zugesetzt, ergaben sich Schwellenwerte von 39 µg/l für 3-Methylbutanal und 18 µg/l für 2-Methylbutanal. Diese additiven Effekte sind in der Aromaforschung bekannt [38, 39] und sollten bei der Verkosterschulung berücksichtigt bzw. die Dosagen auf das Ausgangsbier angepasst werden. 197

Sensorik Bei flüchtigen Substanzen sollten die Probelösungen unmittelbar vor der Verkostung angesetzt werden und eine Temperatur von etwa 20 °C aufweisen. Dabei können die Substanzen als reine Riechproben oder als Degustationsproben (in Wasser oder Bier) präsentiert werden. Durch fehlende maskierende Effekte sind bei der Darbietung von wässrigen Degustationsproben die einzusetzenden Konzentrationen um ein Vielfaches niedriger als in Bier. In Tabelle 4 sind die Schwellenwerte für Bier angegeben, wobei diese je nach Panel schwanken können. Bei der Verkosterschulung sollte auch darauf geachtet werden, dass sich die Aromaeindrücke mit steigender Konzentration stark ändern können (z. B. von fruchtig in lösungsmittelartig) [30]. Zunächst werden die Substanzen beschrieben und der Referenzsubstanz zugeordnet. Sollte die Verkostung auf bestimmte Schlüsselaromastoffe ausgerichtet sein, z. B. bestimmte Fehlaromen, können auch Erkennungsschwellenwerte der Prüfer ermittelt werden. Somit können besonders sensitive Prüfpersonen für spezielle sensorische Eindrücke ausgewählt werden [7].

2.2.4

Konsumententest – Expertentest

2.2.4.1 Konsumenten als Verkoster Um Konsumentenwünsche bei Markterhebungen erfassen zu können bzw. die eigenen Produkte gegen die der Wettbewerber zu testen, werden in großem Umfang (n > 50) ungeschulte Laien nach ihrem Urteil befragt. Dabei muss beachtet werden, dass hier nur einfache Fragestellungen sinnvoll sind. Konsumenten sollten nur entscheiden, ob sie einen Unterschied zwischen Produkten feststellen, bzw. welches Produkt sie bevorzugen. Hierbei handelt es sich um spontane Aussagen, die lediglich eine Momentaufnahme darstellen. Bei der Auswahl der Probanden ist auf einen repräsentativen Durchschnitt der Bevölkerung zu achten, es sei denn, das entsprechende Produkt ist auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet. Mit einem entsprechend hohen Stichprobenumfang sollte Einflüssen auf Grund der Umgebung und der unterschiedlichen Situationen, in denen sich die Konsumenten befinden, entgegengewirkt werden.

2.2.4.2 Experten als Verkoster Experten zeichnen sich durch eine nachgewiesene Schulung und darüber hinaus durch produktspezifische Kenntnisse aus. Auf Grund ihrer Erfahrung sind Experten in der Lage, die von ihnen zu verkostenden Produkte sehr detailliert zu beschreiben (z. B. Alterung). Die Ergebnisse dieser Verkostungen haben ihre Bedeutung nicht nur in der Qualitätssicherung, sondern darüber hinaus auch bei Rezepturänderungen oder Investitionsentscheidungen. Der Einsatz von Experten bei Verkostungen setzt eine dauerhafte Bereitschaft für anstehende Verkostungen voraus. Diese Bereitschaft kann durch ein entsprechendes Motivationskonzept erhalten werden.

2.3

Statistik in der Sensorik

Sensorische Analysenergebnisse müssen auf ihre Vertrauenswürdigkeit hin überprüft werden. Aussagen einzelner Prüfpersonen bleiben subjektive Feststellungen, wenn sie nicht kritisch bewertet werden. Hierzu sind mathematisch-statistische Methoden notwendig. Im Vordergrund steht dabei die Objektivierung der Daten, die Beurteilung von Ausreißern und die statistische Vertrauenswürdigkeit. Für die meisten sensorischen Methoden ist deren spezifische Auswertung (z. B. anhand von

198

Sensorik Prüfverfahren

Statistische Auswertung

Erläuterung

paarweise Vergleichsprüfung (gerichtet, affektiv)

Wahrscheinlichkeitsrechnung, Binomial-Theorem (BERNOULLI), χ2-Methode, Signifikanztabellen für ein- und zweiseitigen Test, Varianzanalyse

Beschreibung, welche Probe höher konzentriert an einer zudosierten Substanz ist, Beschreibung, welche Probe bevorzugt wird

Dreieckstest, 2 aus 5 Test, Duo-Trio-Test, Sequenztest

Wahrscheinlichkeitsrechnung, Binomial-Theorem (BERNOULLI), χ2-Methode, Signifikanztabellen für ein- und zweiseitigen Test

Bestimmung, ob ein Unterschied zwischen 2 Proben besteht

Unterschiedsprüfung

Sequenzanalyse, Verfahren zur Überprüfung einer statistischen Hypothese

Bestimmung von Schwellenwerten

Rangordnungsprüfung

Ranganalysenmethode, Multinominalverteilung, Rangsumme nach KRAMER, Rangkorrelations-KoeffizientenMethode nach SPEARMAN

Einordnung von Proben entsprechend einem bestimmten Merkmal (Attribut oder Bevorzugung)

bewertende Prüfung

Häufigkeitsanalyse, Varianzanalyse, Mittelwert, Standardabweichung, Vertrauensbereich, Wiederholbarkeit, Vergleichbarkeit,Varianzen, Erstellen von Häufigkeitsverteilungen aus den einzelnen Feststellungen

Bewertung mehrerer Proben entsprechend einem bestimmten Merkmal

bewertende Prüfung mit Skale

Häufigkeitsanalyse, Varianzanalyse, Mittelwert, Standardabweichung, Vertrauensbereich, Wiederholbarkeit, Vergleichbarkeit,Varianzen, Erstellen von Häufigkeitsverteilungen aus den einzelnen Feststellungen

Bewertung einer oder mehrerer Proben entsprechend einem bestimmten Merkmal

einfach beschreibende Prüfung, Profilprüfung

Häufigkeitsverteilung, Erstellen von Häufigkeitsverteilungen aus den einzelnen Feststellungen, Hauptkomponentenanalyse, Clusteranalyse, Diskriminanzanalyse

Beschreibung einer Probe

Tabelle 5: Prüfverfahren und deren statistische Auswertung. 199

Sensorik Tabellen) angegeben. Bestimmte statistische Kennzahlen sind hier oft nicht vorgesehen, sollten aber immer mitberechnet werden, um die Daten besser interpretieren zu können. Mit dem Computer stellt die Berechnung statistischer Kennzahlen keinen Aufwand dar. Es gibt eine Vielzahl an Softwares, die die Auswertung übernehmen können.

2.3.1

Univariate Auswertemethoden

Für die sensorische Betrachtung von Bier sind u. a. folgende Parameter von Interesse: • Mittelwert • Standardabweichung • Varianz • Variationskoeffizient Die Standardabweichung ist ein Maß für die Streuung der Einzelergebnisse, z. B. Intensitätswerte o. Ä. Die Varianz ist ein Maß für die Streuung um den Mittelwert. Durch die Varianz können somit zwei Stichproben mit demselben Umfang und demselben Mittelwert voneinander unterschieden werden. Der Variationskoeffizient gibt die relative Streuung der Messwerte um den Mittelwert an. Er sollte ausschließlich zum Vergleich von Streuungen bei unterschiedlichen Mittelwerten herangezogen werden. Die Häufigkeitsverteilung einer begrenzten Anzahl von Einzelwerten (n ≤ 30) entspricht der Verteilung nach STUDENT (t-Verteilung). Aus einer entsprechenden Tabelle und unter Berücksichtigung der Freiheitsgrade (f = n – 1) kann der Faktor t ermittelt werden, der durch Multiplikation mit der Standardabweichung s und unter Einbeziehung der Anzahl der Verkoster den Streubereich des Mittelwertes T (= Konfidenzintervall) liefert, in dem z. B. 95 % der Werte liegen [22].

2.3.2

Multivariate Auswertemethoden

Die bei sensorischen Prüfungen auflaufenden Ergebnisse können durch univariate statistische Methoden teilweise nur unzureichend beschrieben werden. Ein häufig auftretender Fall, gerade bei z. B. Rezepturänderungen oder Änderungen in der Verfahrenstechnik, ist die Kombination von sensorischen mit chemisch-technischen Analysendaten. Dabei gilt es, herauszufinden, ob bestimmte chemisch-technische Daten (z. B. DMS-Gehalt) mit einem entsprechenden sensorischen Eindruck korrelieren (z. B. gemüseartig). Für diese Anwendungen kommen multivariate Auswerteverfahren zum Einsatz. Die Variable wird nicht isoliert betrachtet, sondern das Zusammenwirken mehrerer Variablen zugleich. Häufig verwendete multivariate Verfahren sind: • Hauptkomponentenanalyse [44, 45, 46] • Clusteranalyse [47] • Diskriminanzanalyse [48] Ein weiteres Anwendungsgebiet multivariater Auswertemethoden ist die Datenreduktion. So lassen sich z. B. durch die Hauptkomponentenanalysen eine Menge miteinander korrelierter Messvariablen 200

Sensorik auf eine kleinere Menge an Faktoren zurückführen, so dass für weiterführende Analysen die Messwerte der Variablen durch die geringere Anzahl an dahinter stehenden Faktoren ersetzt werden.

2.4

Technologische Möglichkeiten zur Beeinflussung der Sensorik

Die sensorischen Eigenschaften des Bieres sind das komplexe Ergebnis aus dem Zusammenspiel von Rohstoffen und Brautechnologie. Bereits durch die Auswahl der Rohstoffe wird auf die spätere Bierqualität Einfluss genommen. Das Maischverfahren muss auf die vorhandene Malzqualität abgestimmt werden, um den zukünftigen Biercharakter zu unterstreichen. Bei gut gelösten, homogenen Malzen ist ein Hoch-Kurz-Maischverfahren zu empfehlen, da dieses zu charaktervollen Bieren mit besseren sensorischen Eigenschaften und verbesserter Geschmacksstabilität führt. Eine pH-Einstellung mittels biologischer Maischesäuerung trägt ebenfalls positiv zur Sensorik bei, da durch tiefere pH-Werte Oxidasen (Polyphenoloxidase, Peroxidase, Lipoxygenase) in ihrer Wirkung gehemmt werden. Auf Grund der Vielzahl von ablaufenden Vorgängen ist das Maischen als ein wichtiger Prozess hinsichtlich der sensorischen Beeinflussung des Bieres zu betrachten. Beim Maischen wird die Würzezusammensetzung festgelegt, welche später einen großen Einfluss auf den Ablauf der Gärung hat. Moderne Würzekochsysteme zeichnen sich durch eine hohe Ausdampfeffizienz aus. Dabei werden unter Schonung des koagulierbaren Stickstoffes und bei gleichzeitig moderater TBZ-Zunahme unerwünschte Aromastoffe (z. B. DMS) ausgedampft, die das Bieraroma beeinträchtigen. Wird im späteren Bier ein Hopfenaroma gewünscht, ist eine späte Aromahopfendosage ratsam. Eine sehr späte Aromahopfenzugabe führt zu einem vermehrten Eintrag von Linalool ins Bier. Während der Alterung können so beispielsweise geringfügige geruchliche Verschlechterungen durch die vorhandene angenehme Hopfenblume maskiert werden. Über eine Variation der Hopfengabe zu Kochbeginn, z. B. Mischung aus Aroma- und Bitterhopfen, sind Biere mit einer feinen abgerundeten Bittere möglich. Eine weitere wichtige Einflussmöglichkeit ist die Art und Weise der Gärung sowie die Anstelltechnik. Auswirkungen auf die spätere Geschmacksstabilität der Biere hat unter anderem die SO2-Bildung durch die Hefe. SO2 wirkt im abgefüllten Bier als Sauerstofffänger und verzögert somit oxidative Vorgänge, die sensorische Veränderungen hervorrufen. Die Bildung von SO2 ist vom Hefestamm sowie dem Verhältnis von Extrakt und Sauerstoff pro Zelle beim Anstellen abhängig. Ebenfalls durch den Hefestamm wird die Bildung von Gärungsnebenprodukten (höhere aliphatische Alkohole und Ester) beeinflusst. Neben dem Hefestamm spielen bei der Bildung von Gärungsnebenprodukten auch die Würzezusammensetzung (Zucker- und FAN-Spektrum) sowie die Gärtemperatur eine große Rolle. Die Hefe nimmt eine Schlüsselstellung ein, da sie die Sensorik entscheidend beeinflusst. Es sollte immer Augenmerk auf eine vitale Hefe gelegt werden, da bei einer schlechten Hefequalität die Zellen autolysieren können. Autolyseprodukte (z. B. Purinderivate, mittelkettige Fettsäuren) verursachen ein unangenehmes Aroma sowie eine breite Bittere. Um eine entsprechende Geschmacksstabilität auch im abgefüllten Bier möglichst lange gewährleisten zu können, muss die Abfüllung strengen Anforderungen hinsichtlich der Sauerstoffaufnahme

201

Sensorik genügen. So kommt der Einstellung der Hochdruckeinspritzung (HDE) eine große Bedeutung zu. Durch den eingespritzten Wasserstrahl wird ein Teil des im Flaschenhals vorhandenen Sauerstoffs durch das Überschäumen ausgetrieben. Eine optimale HDE-Einstellung in Bezug auf Druck und anschließender Überschäumstrecke ist wichtig für eine anhaltende sensorische Qualität des Bieres.

3

Zusammenfassung

Die sensorische Analyse hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sensorische Tests kommen vor allem zum Einsatz bei Produktneuentwicklungen, Wareneingangskontrollen, Prozessoptimierung und Kontrolle der Verbraucherakzeptanz. Als Messinstrument dient dabei der Mensch mit seinen sensorischen Fähigkeiten. Damit der Mensch als sensorisches Messinstrument eingesetzt werden kann, muss er mindestens durchschnittliche sensorische Fähigkeiten besitzen.Wichtig ist ebenfalls, dass der Tester entsprechend den Anforderungen des Unternehmens ausgebildet und dabei mit den notwendigen sensorischen Tests vertraut gemacht wird. Als Prüfer können sowohl betriebsinterne als auch betriebsexterne Personen für sensorische Tests herangezogen werden. Die Panelgröße hängt von den Anforderungen ab, mindestens sollten jedoch 7 Prüfpersonen an den Tests teilnehmen, um eine statistische Auswertung zu ermöglichen. Im Rahmen der sensorischen Prüfungen werden verschiedene Prüftypen angewandt. Eine Übersicht über mögliche Prüfverfahren und deren statistische Auswertung gibt Tabelle 5 (S. 199). Die sensorischen Verfahren stellen neben den chemisch-technischen Untersuchungen ein weiteres wirkungsvolles Instrument zur Beurteilung der Rohstoffe sowie der Zwischen- und Endprodukte dar.

202

Sensorik

4

Überblick

Sensorischer Eindruck

Substanz

Mögliche Ursache

bananenartig, estrig

Isoamylacetat

Stoffwechselprodukt der Hefe

apfelartig, fruchtig

Ethylhexanoat

bei häufiger Führung im ZKG

süßlich, malzig

höhere Alkohole

Stoffwechselprodukte der Hefe

lösungsmittelartig, estrig

Ethylacetat (unangenehm bei hoher Konzentration)

Stoffwechselprodukt der Hefe, wird auch von wilden Hefen gebildet

karbolartig (phenolisch)

4-Vinylguajakol

in Weizenbieren erwünscht, kann auch durch wilde Hefen gebildet werden

alkoholisch

Ethanol

Stoffwechselprodukt der Hefe

rosenartig

2-Phenylethanol

Stoffwechselprodukt der Hefe (Indikator für Gärtemperatur)

Sensorischer Eindruck (Fehlgeschmack)

Substanz

Mögliche Ursache

Apothekengeschmack

Chlorphenol/Kresol

durch Chlorverbindungen, insbesondere überchloriertes Wasser, fehlerhafte Verpackungsmaterialien, Chlorphenole, Desinfektionsmittelrückstände, aber auch Hefeautolyse

„Ziegenbock“

Octansäure

mittelkettige Fettsäuren entstehen bei der Gärung, werden bei zu langer Reifung oder„Überlagerung“ des Bieres aus den Hefezellen exkretiert und sind besonders in alkoholfreien Bieren wahrzunehmen

stechend, apfelartig

Acetaldehyd

Stoffwechselprodukt der Hefe (schlechte Vitalität), Jungbukettsubstanz bei ungenügender Reifung, kann auch durch Kontamination entstehen

203

Sensorik Fehlgeschmack (Fortsetzung)

Substanz

abhängig von Würzekochung und Fermentation (stark ausgeprägt bei alkoholfreien Bieren bzw. gestoppter Gärung)

würzeartig

karamellartig

Furaneol

verbrannt

204

Mögliche Ursache

Maillardprodukt, zu hohe Karamellmalzgabe bei hellen und Pilsner Bieren, bei Würzekochung: Überhitzung an den Heizflächen, zu lange Pasteurisierung, Lagerung, kann auch bei der Bieralterung auftreten zu viel oder schlechtes Röstmalz, Anbrennen von Maischeteilen, abhängig von dunkler oder gerösteter Malzsorte

gekochter Kohl, gemüseartig

Dimethylsulfid (DMS)

Würzekochung: ungenügender Abbau von DMS-P, ungenügende Ausdampfung des freien DMS, zu hoher DMS-PGehalt im Rohstoff, Kontamination mit Würzebakterien

unangenehm säuerlich, ranzig

Buttersäure

Kontamination mit Mikroorganismen während der Würzebereitung, insbesondere Kontamination bei der Extraktrückführung durch Trub und Glattwasser, auch im abgefüllten Bier als Sekundärkontamination (Megasphaera cerevisiae) möglich, Hefeautolyse

butterartig, ranzig

Diacetyl

zu kurze Reifung, schlechte Hefevitalität, Kontamination mit Pediococcus damnosus, Lactobacillus casei, Lactobacillus coryniformis und Enterobacteriaceen

schwefelartig, nach Streichholz

Sulfit (SO2)

zu starke SO2-Bildung bei der Gärung, Einsatz zur Konservierung und Erhöhung der Geschmacksstabilität, Entstehung während der Gärung

faule Eier

Schwefelwasserstoff (H2S) während der Gärung (schlechte Hefevitalität) oder durch Kontamination

Sensorik Fehlgeschmack (Fortsetzung)

Substanz

Mögliche Ursache

Lichtgeschmack

3-Methyl-2-buten-I-thiol

Lichteinwirkung abhängig von Verpackungsmaterial und Glasfarbe bei Einsatz konventioneller Hopfenprodukte

Kanalgeruch

Mercaptan

während der Gärung oder durch Autolyse der Hefe

zwiebelartig

durch schwefelhaltige Aminosäuren während der Würzekochung (Scherkräfte), Heißwürzezentrifuge, Kavitationen auf der Heißwürzeseite

modrig

Kontamination oder ungünstige Lagerbedingungen, geschädigte Kieselgur und Stabilisierungsmittel, selten gebrauchte und mangelhaft gespülte Filterschichten

sauer

metallisch

Säuren

Kontamination durch Milchsäure- oder Essigsäurebakterien oder wilde Hefen (Brettanomyces spp.) Korrosion der Metallgefäße und Leitungen, eisenhaltiges Wasser, Lipidoxidation

205

Sensorik Sensorischer Eindruck (Hopfen)

Substanz

mögliche Ursache

blumig

Geraniol

Zeitpunkt und Menge der Hopfengabe, Hopfensorte

hopfenaromatisch, citrusartig

Linalool

Zeitpunkt und Menge der Hopfengabe, Hopfensorte

bitter

Isohumulone u. a.

Art, Menge und Einsatz des Hopfens, bei Bitterhopfen kann durch Alterung von leichtflüchtigen Aromakomponenten nachträglich eine härtere Bittere auftreten Verschlechterung der Bittere bei Lagerung in der Flasche

schweißig, käsig

Isovaleriansäure

alter Hopfen, Hefeautolyse

Sensorischer Eindruck (Alterung)

Substanz

mögliche Ursache

malzig

2-Methylpropanal, 2-, 3-Methylbutanal

Alterung, unsachgemäße Aufbewahrung des fertigen Bieres, Sauerstoffbelastung

Pappe (cardboard)

(E)-2-Nonenal

Alterung, unsachgemäße Aufbewahrung des fertigen Bieres

mandelartig

Benzaldehyd

Sauerstoffeintrag, Alterung, unsachgemäße Aufbewahrung des fertigen Bieres

kartoffelartig

Methional

Alterung, unsachgemäße Aufbewahrung des fertigen Bieres

nach Honig

Phenylacetaldehyd

Sauerstoffeintrag, Alterung, unsachgemäße Aufbewahrung des fertigen Bieres

„ribes“ (Schwarze Johan- 3-Methyl-3-mercaptobutylformiat nisbeere), katzenartig,

206

Alterung, unsachgemäße Aufbewahrung des fertigen Bieres, Sauerstoffbelastung

Sensorik

5

Literatur

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207

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210

Geschmacksstabilität

Geschmacksstabilität

211

Geschmacksstabilität

1

Einleitung

Der Geschmack und das Aroma des Bieres sind nicht stabil. Der Alterungseindruck entsteht einerseits durch den Verlust an positiven Geschmacks- und Aromastoffen, andererseits durch entstehende Alterungsaromen. Die Ausbildung des Alterungsgeschmacks wird vor allem durch Oxidationsreaktionen verursacht. Dabei genügen bereits kleinste Mengen an Sauerstoff, wie sie auch bei einer optimalen Abfüllung unvermeidbar sind. Folgerichtig ist daher auch nicht von einer Stabilität, sondern einer geschmacklichen Instabilität zu sprechen [1]. Den Oxidationsreaktionen wirken reduzierende Bierinhaltsstoffe entgegen, die die Ausbildung des Alterungsaromas verzögern können. Die Geschmacksstabilität stellt ein wesentliches Qualitätsmerkmal des Bieres dar. Die Geschmacksstabilität kann durch technologische Maßnahmen oder Zusätze antioxidativer Substanzen erhöht werden, wobei Letzteres in Deutschland auf Grund des Reinheitsgebotes nicht möglich ist. Unter den technologischen Maßnahmen spielen die Auswahl der Rohstoffe und der Brauprozess, insbesondere die Gärung, eine wichtige Rolle.

2

Aspekte der Geschmacksstabilität

2.1

Grundlagen

2.1.1

Alterungsprozess

Nach der Abfüllung unterliegt das Bier einem natürlichen Alterungsprozess. Hierbei handelt es sich um einen dynamischen Prozess, der durch Bildung und Abbau von Bierinhaltsstoffen zu einer fortwährenden Veränderung des Aromaprofils führt. Abbildung 1 zeigt die sensorischen Veränderungen des Bieres während der Alterung. Entstehende Geschmackseindrücke („Off-Flavour“) können aber bei längerer Lagerung wieder an Intensität verlieren, wodurch sich das Geschmacksprofil über die Lagerzeit fortwährend verändert.

2.1.2 Reaktionswege zu alterungsrelevanten Verbindungen LUSTIG beschreibt die Bieralterung als einen dynamischen Prozess, der durch Bildung und Abbau von Bierinhaltsstoffen zu einer Veränderung des Aromaprofils führt. Für die Entstehung der beteiligten Substanzen können mehrere Reaktionsmechanismen verantwortlich gemacht werden. Diese wirken einerseits isoliert, andererseits kombiniert mit anderen Entstehungswegen [3]. Die Ausbildung der Alterungsaromen wird vor allem auf Oxidationsreaktionen zurückgeführt. Ihre Bildung kann durch einen geringen Sauerstoffgehalt und einen hohen Gehalt an reduzierend wirkenden Substanzen verzögert werden. Abbildung 2 zeigt die wichtigsten Reaktionswege, die zur Entstehung von Alterungsaromen führen können.

212

Geschmacksstabilität – Verlust an Vollmundigkeit – Zunahme der Bittere – Veränderung des Aromaprofils • Verlust des Hopfencharakters (z. B. Hopfenblume bei Pilsbieren) • Verminderung des Esteraromas • Verminderung der phenolischen Note bei Weizenbieren • Verlust des Malzaromas bei dunklen Bieren • Ausbildung eines Alterungsgeschmacks



Anfangsstadium (nach einigen Tagen bis Wochen) beerenartiges Aroma („ribes flavour“) Pappdeckelgeschmack („cardboard flavour“) brotartig, crackerartig karamellartig, honigartig, süßlich sherryartig, whiskeyartig Endstadium (nach mehreren Monaten bis Jahren)

Abbildung 1: Sensorische Veränderungen während der Alterung [1, 2].

• Maillardreaktion

➝ Furane, Pyranone, heterocyclische Verbindungen

• Streckerabbau von Aminosäuren

➝ Streckeraldehyde

• Oxidativer Abbau von Isohumulonen

➝ Aldehyde, Ketone

• Fettabbau – enzymatische Oxidation freier Fettsäuren

➝ Hydroxysäuren, Oxosäuren, Aldehyde

– thermisch-oxidativer Abbau

➝ Aldehyde, Ketone, Lactone, Säuren, Ester

– Fotooxygenierung freier Fettsäuren

➝ Hydroperoxide, Aldehyde

• Beteiligung nicht-flüchtiger Bierbestandteile – metallkatalysierte Reaktionen

➝ radikalischer Mechanismus, Fe2+/3+, Cu+/2+

– Melanoidine als H+-Donatoren bzw. Akzeptoren

➝ Verschiebung des Redoxpotentials (positive Werte)

– Carbonyl-Sulfit-Komplexe

➝ Aldehyde, Ketone

Abbildung 2: Reaktionsmechanismen bei der Bieralterung [3, 4]. 213

Geschmacksstabilität Streckeraldehyde sind Substanzen mit niedrigen Geruchs- und Geschmacksschwellenwerten, deren Konzentrationen mit zunehmender Alterung des Bieres signifikant ansteigen und die somit als Indikatorsubstanzen dienen. Zahlreiche dieser Alterungscarbonyle stammen in erster Linie aus Maillardreaktionen, speziell aus dem Streckerabbau von Aminosäuren. Durch die Reduktionskraft der Hefe werden die Aldehyde zu den korrespondierenden Alkoholen reduziert (Abbildung 3) [3].

Aminosäure

Aldehyd

Alkohol

Valin

2-Methylpropanal

2-Methylpropanol

Isoleucin Leucin Phenylalanin



2-Methylbutanal 3-Methylbutanal



2-Phenylethanal

2-Methylbutanol 3-Methylbutanol 2-Phenylethanol

Abbildung 3: Aminosäuren und ihre Folgeprodukte aus dem Streckerabbau. Weitere alterungsrelevante Substanzen entstehen beim Lipidabbau. Der Abbau langkettiger Fettsäuren (C16, C18:1 bis C18:3) kann enzymatisch, aut- oder photooxidativ erfolgen. Er verläuft über verschiedene Zwischenprodukte, wie Hydroxy- und Trihydroxyfettsäuren, und führt letztlich zu einer Mehrzahl von Alterungskomponenten, wie Hexanal, (E)-2-Nonenal und Isomeren von 2,4-Decadienal [3, 5]. Neben den freien Fettsäuren können auch Ethylester der ungesättigten Fettsäuren eine Quelle für Alterungscarbonyle sein [3]. Ein bekannter Vertreter ist das (E)-2-Nonenal, das für das „cardboard flavour“ verantwortlich gemacht wird (Tabelle 1).

Ölsäure (C18:1)

Linolsäure (C18:2)

Linolensäure (C18:3)

Heptanal

Pentanal

(E,Z)-2,4-Heptadienal

(E)-2-Nonenal

Hexanal

(E,E)-2,4-Heptadienal

Octanal

(E)-2-Octenal

(Z)-3-Hexenal

Decanal

(E)-2-Nonenal

(E)-2-Decenal

(E,Z)-2,4-Decadienal (E,E)-2,4-Decadienal

Tabelle 1: Alterungscarbonyle aus dem Abbau langkettiger ungesättigter Fettsäuren [6]. Des Weiteren können Carbonyle durch Lichteinfluss und in Anwesenheit von Photosensibilisatoren (z. B. Riboflavin) gebildet werden. Das bekannteste Reaktionsprodukt ist das 3-Methyl-2-buten-1thiol (Lichtgeschmack). Es entsteht unter Beteiligung der Iso-α-Säure bei Wellenlängen zwischen

214

Geschmacksstabilität 250 und 500 nm (besonders in Weiß- bzw. Grünglas!) und hat in Bier einen äußerst geringen Geruchsschwellenwert von 30 ng/l [7, 8]. Reaktive Formen des Sauerstoffs beeinflussen die Geschmacksstabilität ebenfalls deutlich. Molekularer Sauerstoff ist zwar reaktionsträge, jedoch entstehen durch thermische und chemische Einflüsse reaktive Sauerstoffspezies (ROS), wie Singulettsauerstoff oder Superoxidradikalanion bis hin zum Wasserstoffperoxid (H2O2). Letzteres reagiert metallkatalysiert weiter zum äußerst reaktiven Hydroxylradikal (Abbildung 4).

HABER-WEISS-Reaktion (Kupfer):

Summe:

Cu2+ + ·O2–



Cu+ + O2

Cu+ + H2O2



Cu2+ + ·OH + OH–

·O – + H O 2 2 2

➝ Cu

O2 + ·OH + OH–

Fe2+ + H2O2



Fe3+ + ·OH + OH–

Fe3+ + H2O2



Fe2+ + O2– + 2H+

FENTON-Reaktion (Eisen):

Fe

Summe:

2H2O2



·OH + OH– + O – + 2H+ 2

Abbildung 4: Metallkatalysierte Radikalentstehung in Bier [3, 9].

Schon aus diesem Grund sind oxidative Desinfektionsmittel (besonders H2O2 und Peressigsäure) im Sinne der Geschmacksstabilität problematisch und müssen möglichst rückstandsfrei aus Leitungswegen und Tanks entfernt werden. Da bei der Radikalentstehung Metallionen katalytisch wirken, ist deren Eintrag in den Produktionsprozess möglichst zu vermeiden. Daher ist auf eine niedrige Konzentration an Schwermetallionen (Eisen- und Kupfergehalt) in Stabilisierungs- und Filterhilfsmitteln (z. B. Kieselgur) zu achten [10, 11].

215

Geschmacksstabilität 2.1.3

Wirkungsweise von Antioxidantien

Unter Antioxidantien werden Inhaltsstoffe verstanden, die im Vergleich zu den oxidierbaren Substanzen in deutlich geringerer Konzentration vorliegen, die Oxidation jedoch signifikant verzögern oder verhindern [12]. Zu den typischen Reaktionsmechanismen gehören: • direktes Abfangen des Sauerstoffs • Chelatbildung: Binden von Metallionen (z. B. Fe2+) • Verhinderung von Kettenreaktionen durch Abfangen des Starterradikals • Unterbinden von Radikalkettenreaktionen durch Abfangen eines Intermediärradikals Zahlreiche Substanzen, wie z. B. Schwefeldioxid, phenolische Substanzen, Maillardprodukte und Vitamine, die bereits im Rohstoff vorhanden sind bzw. während des Mälzungsprozesses oder Bierbereitungsprozesses entstehen, besitzen eine antioxidative Wirkung und können die oben genannten Reaktionen bewirken. Schwefeldioxid (Sulfit, SO2) ist ein starkes Reduktionsmittel. Im Bier liegt es überwiegend an Carbonyle (v. a. Acetaldehyd) gebunden vor. Das gebundene SO2 zeigt auf Grund der reversiblen Bindung dieselbe antioxidative Eigenschaft wie freies SO2 [13, 14, 44]. Bei seiner Oxidation durch Sauerstoff entsteht Sulfat. Die antioxidative Wirkung ist v. a. auf eine Hemmung der Radikalgenerierung zurückzuführen. Dabei reagiert SO2 mit organischen und anorganischen Peroxiden und verhindert so die Bildung von Radikalen [14, 15]. Während der Lagerung von Flaschenbier werden monatlich in Abhängigkeit von der Temperatur bis zu 3 mg/l SO2 aufgezehrt. Solange im Bier noch

6

SO2 [mg/l]

5

y = 0,1257x – 2,4794 R2 = 0,8408

4 3 2 1 0 30

40

50

60

70

Lag-Time [min]

Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Lag-Time und dem Gehalt an Schwefeldioxid in Bier.

216

Geschmacksstabilität ausreichend SO2 (nach unseren Erfahrungen über 3 mg/l) vorhanden ist, werden Oxidationsreaktionen unterdrückt. Zwischen der Lag-Time und dem Gehalt an Schwefeldioxid besteht in Bier ein signifikanter Zusammenhang (Abbildung 5). Phenolische Substanzen sind bekannt für ihre reduzierende und antioxidative Wirkung. Folgende strukturelle Kriterien haben sich als besonders positiv herauskristallisiert. Abbildung 6 stellt die antioxidativ wirksamen Gruppen einer phenolischen Substanz dar [16]: • 5-OH-Gruppe am A-Ring ➝ Chelatbildung mit Metallionen • Ortho-dihydroxy-Struktur am B-Ring • 2,3-Doppelbindung und 4-oxo-Gruppe am C-Ring

OH HO

C

O A

B

OH

O

OH

Abbildung 6: Antioxidativ wirksame strukturelle Kriterien am Beispiel eines Flavonoids. Abbildung 7 zeigt anhand eines Schemas zur Entstehung von reaktiven Sauerstoffformen [17], wie Antioxidantien in Bier wirken könnten. 3

.

O2

Triplettsauerstoff

1

O2

-

Superoxid

O2

O2 2

-

Peroxid

HO 2

-

Polyphenole

Singulettsauerstoff Fe2+

Sulfit H 2O 2 Wasserstoffperoxid

.

OH

Hydroxylradikal

Abbildung 7: Antioxidativer Einfluss von Sulfit und Polyphenolen auf die ROS [14, 15, 17, 18, 19]. 217

Geschmacksstabilität Die Maillardreaktion (nicht-enzymatische Bräunung) führt zu braunen Pigmenten, die als Melanoidine bezeichnet werden. Sie enthalten diverse Stickstoffverbindungen und besitzen unterschiedliche Molekulargewichte sowie Lösungseigenschaften in Wasser [6]. Melanoidine entstehen größtenteils beim Darrprozess (vgl. Abschnitt 2.2.1). Im Brauprozess wirken Melanoidine als Antioxidantien und unterdrücken beispielsweise den oxidativen Abbau von Isohumulonen, aber auch die Autoxidation der Linolsäure [20]. Substanzen (z. B. Maillardprodukte) besitzen reduzierende Eigenschaften und werden daher als Reduktone bezeichnet, wenn die in Abbildung 8 dargestellte Struktur vorliegt:

C O C OH C OH

C O C O C O

Abbildung 8: Redukton und seine Dehydroxyverbindung [6].

2.2

Technologische Möglichkeiten zur Beeinflussbarkeit der Geschmacksstabilität

2.2.1

Gerste und Mälzung

Bezüglich der Geschmacksstabilität spielen sowohl prooxidative als auch antioxidative Abläufe eine Rolle. Tabelle 2 zeigt eine Zusammenstellung der wichtigsten pro- und antioxidativen Inhaltsstoffe aus Gerste und Malz [21, 22].

Prooxidative Substanzen • oxygenierte Fettsäuren • Aldehyde des Fettabbaus • prooxidative Enzyme (Lipoxygenase, Polyphenoloxidase) • Schwermetalle • aktiver Sauerstoff (z. B. aus enzymatischen Reaktionen) Antioxidative Substanzen • phenolische Substanzen • Melanoidine und andere Maillardprodukte Tabelle 2: Pro- und antioxidative Substanzen aus Gerste und Malz.

218

Geschmacksstabilität Auf den Gehalt an pro- und antioxidativen Substanzen in Malz, Würze und Bier und somit auf die Geschmacksstabilität, kann durch die Rohstoffauswahl und die Steuerung der Prozessschritte bei der Malzbereitung Einfluss genommen werden. Einige antioxidative Substanzen (z. B. Melanoidine), die bei der Malzbereitung entstehen, prägen das Aroma- und Geschmacksprofil des Bieres und können als Reduktone die Geschmacksstabilität des Bieres positiv beeinflussen. Andererseits können sich zahlreiche Produkte aus der Maillardreaktion (z. B. Streckeraldehyde) sowie prooxidative Substanzen (z. B. oxygenierte Fettsäuren) negativ auf die Geschmacksstabilität auswirken. Gersten aus feuchten und milden Provenienzen (z. B. maritime Gebiete) zeigen einen höheren Gehalt an phenolischen Substanzen im Malz sowie einen niedrigeren Polymerisationsindex in der Maische. In der Praxis führte der Einsatz derartiger Malze zu geschmacksstabileren Bieren [10]. Analytisch lässt sich bereits im Malz anhand der Malz-/Würzearomastoffe aus einem Kaltauszug bzw. einer Kongresswürze eine Aussage über die zu erwartende Geschmacksstabilität treffen. So haben sowohl die Sorte und der Jahrgang, aber besonders auch das Anbaugebiet Einfluss [3, 23]. Die Konzentration an Alterungskomponenten in Bier korreliert sehr gut mit dem Eiweißlösungsgrad des Malzes, da ein höherer Gehalt an niedermolekularem Stickstoff zu einer vermehrten Bildung von Streckeraldehyden führt. Deshalb kann sich jegliche technologische Maßnahme, die zu einer gesteigerten Proteolyse führt, wie z. B. eine gesteigerte Keimgutfeuchte oder intensive Lösungsvorgänge während der Keimung, negativ auf die Geschmacksstabilität auswirken. Auf ähnliche Weise fördert eine lange Eiweißrast beim Maischen die proteolytischen Abbauvorgänge (vgl. Kapitel Maischen). Während der Mälzung kommt dem Abbau der Lipide eine große Bedeutung zu, da entstehende Zwischen- und Endprodukte dieses Abbaus den Geschmack, die Geschmacksstabilität und den Schaum des Bieres beeinflussen. Die Bildung von Aromastoffen aus den ungesättigten Fettsäuren der Gerste erfolgt einerseits durch enzymatische Oxidation, insbesondere durch Lipoxygenasen (LOX), andererseits durch Autoxidation (vgl. Abschnitt 2.1.2, S. 214). Die LOX-Aktivität von Malz ist sowohl sorten- als auch standortabhängig [24, 26]. Die gebildeten Fettsäurehydroperoxide sind instabil und werden zu kurzkettigen Carbonylen und Säuren abgebaut. Einige dieser Abbauprodukte, wie z. B. das (E)-2-Nonenal, sind an der Entstehung des Alterungsgeschmacks beteiligt [5, 24, 25]. Das Schwelkverfahren hat ebenfalls Einfluss auf die Geschmacksstabilität. Thermisch gebildete Aromastoffe, wie Streckeraldehyde, Furane und N-Heterocyclen, nehmen entsprechend der thermischen Belastung beim Schwelken zu. Anfänglich hohe Temperaturen (> 60 °C) und die damit verbundene höhere thermische Belastung, wirken sich negativ auf die Malz- und Bierqualität sowie die Geschmacksstabilität aus. Dagegen führen niedrige Anfangstemperaturen (35–50 °C) und über eine längere Zeitspanne ausgedehnte Schwelkverfahren zu geschmacksstabileren Bieren (Abbildung 9) [27, 28]. Für die Bildung von Maillardreaktionsprodukten beim Abdarren ist nicht die Höhe der Abdarrtemperatur ausschlaggebend, sondern die thermische Belastung. Mit höheren Abdarrtemperaturen bei verkürzter Abdarrzeit kann eine niedrigere thermische Belastung als bei niedrigerer Abdarrtemperatur und verlängerter Abdarrzeit erzielt werden. Dabei hat die Aufheizrate zur Abdarrtem-

219

Geschmacksstabilität peratur keinen Einfluss, solange die thermische Belastung gleich bleibt [27]. Eine hohe thermische Belastung während des Abdarrens führt zu einem Anstieg der Alterungskomponenten im forciert gealterten Bier (Abbildung 10). Um beim Darren sowohl niedrige DMS-Precursorwerte als auch eine niedrige thermische Belastung (TBZ) gleichermaßen sicherzustellen, ist es notwendig, in einem bestimmten Temperatur-/Zeitfenster zu arbeiten. Die beschriebenen Zusammenhänge sind im Kapitel Malz dargestellt. Bier frisch Bier Bierforciert forciert Bier frisch

250 200 150 100 50 0 20h 50 °C °C 20 h 50

44h h 35 °C, 44h h 50 °C, 44h h 65 65 °C °C

44hh 55 55 °C, 44hh 60 60 °C, 44h h 65 °C

Parameterder der Schwelkversuche Schwelkversuche Parameter

Abbildung 9: Alterungskomponenten in Bier in Abhängigkeit von der Schwelkphase [27].

TBZ inTBZ Malz

in Malz

600

35

500

30 25

400 20 300

TBZ

Bier forciert

Alterungskomponenten [µg/l]

Alterungskomponenten [mg/l] Alterungskomponenten [µg/l]

Bier frisch

15 200 10 100

5

0

0 70

75

80

83

85

88

90

95

Abdarrtemperatur [°C]

Abbildung 10: Alterungskomponenten in Bier in Abhängigkeit von der Abdarrtemperatur [28].

Durch die Darrtechnologie dunkler Malze können gezielt süßliche, karamellartige, nussige oder röstige Aromanoten in dunklen Bieren erzielt werden. Aus dunklen Malzen, die mit intensiverer Schwelkarbeit (langsamerer Wasserentzug) hergestellt werden, resultieren bei einem hohen Schüttungsanteil von 75 % äußerst geschmacksstabile Biere, da hier die in hellen Bieren negativ empfundenen Streckeraldehyde eher als sortentypisch und vorteilhaft bewertet werden [29, 30]. Aber auch die während des Darrprozesses zahlreich entstehenden Reduktone spielen eine wichtige Rolle für das Farb- und Aromaprofil des Bieres und erhöhen gleichzeitig die antioxidativen Eigenschaften des Malzes [31]. Zur Farbeinstellung heller Biere empfiehlt sich der Einsatz verschiedener Farbmalze (z. B. Karamellmalze) oder von Röstmalzbier anstelle dunkler Malze (vgl. Kapitel Maischen). Die Verwendung solcher Farbmalze führt zu einem geringeren Eintrag von Streckeraldehyden und somit von Alterungskomponenten. Dagegen sind mit Farbmalz hergestellte, dunkle Biere weniger malzaromatisch und sie besitzen im Vergleich zu Bieren aus dunklem Malz eine niedrigere Geschmacksstabilität. Zudem weisen sie oftmals ein unerwünschtes brenzliges Aroma auf, das auf die im Farbmalz in sehr hohen Konzentrationen vorliegenden Pyrazine und andere Heterocyclen zurückgeführt werden kann [27, 29].

220

Geschmacksstabilität 2.2.2

Schrotung und Einmaischen

Die Lipide des Malzes neigen unter bestimmten Lagerbedingungen zu einem messbaren autoxidativen Abbau. Insbesondere nach der Schrotung wird die Anfälligkeit der ungesättigten Fettsäuren gegenüber einer Peroxidation stark erhöht [26]. Jedoch auch zahlreiche andere Substanzen, wie z. B. Polyphenole oder Maillardprodukte, werden durch Sauerstoff beeinträchtigt. Die Steuerung der Sudabläufe sollte daher so erfolgen, dass die Dauer der Schrotlagerung so kurz wie möglich ist. Die Geschwindigkeit der enzymatischen Lipidoxidation durch LOX ist unmittelbar nach dem Einmaischen am höchsten. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Reaktionsbedingungen für LOX bereits beim ersten Kontakt des Schrotes mit Wasser weitgehend zu unterbinden. Einige interessante Einmaischsysteme (z. B. Nassschrotungssysteme, Einteigschnecke, etc.) ermöglichen ein rasches, klumpenfreies und nahezu sauerstofffreies Einmaischen. Über die Schrotfeinheit und die dadurch bedingte Feinheit des Blattkeims kann die Lösung und damit die Wirkung von LOX beim Maischen beeinflusst werden. Schrotungssysteme (z. B. Nassschrotung, Weichkonditionierung), die eine Schonung des Blattkeims erreichen, führen zu einer unvollständigen Extraktion der Blattkeiminhaltsstoffe beim Maischen und damit auch zu einer Minimierung des oxidativen Lipidabbaus im Brauprozess [26]. Eine Absenkung des Maische-pH sowie hohe Einmaischtemperaturen (> 60 °C) bewirken eine deutliche Verringerung der LOX-Aktivität (vgl. Abschnitt 2.2.3). Die Weichkonditionierung von Malz mit heißem Wasser (> 80 °C; Heißkonditionierung) stellt eine spezielle Anwendung der Nassschrotung dar, mit der eine weitgehende Inaktivierung der LOX noch vor dem Schroten erreicht werden kann. Die Technologie kann dort problemlos eingesetzt werden, wo bereits bei Temperaturen über 60 °C eingemaischt wird. Die dabei zu erzielende Minimierung des enzymatischen Lipidabbaus beim Maischen lässt eine Verbesserung der Schaumhaltbarkeit und der Geschmacksstabilität des Bieres erwarten [26]. Eine Sauerstoffaufnahme während des Einmaischens führt bereits zu deutlichen Oxidationsreaktionen. Die Sauerstoffbelastung geht mit einem erhöhten Polymerisationsindex der Würze einher. Darüber hinaus sind Zufärbungen sowie schlechte Läutereigenschaften zu beobachten [28, 32]. Die Oxidationsvorgänge beim Maischen, insbesondere beim Einmaischen, können mittels Chemilumineszenzdetektion (Abbildung 11) nachvollzogen werden. Selbst beim Einsatz von entgastem Wasser stellt der im Schrot vorhandene Sauerstoff ein Problem dar. Eine zusätzliche CO2- bzw. N2-Begasung des Schrotes vor dem Einmaischen wäre daher von Vorteil.

221

Geschmacksstabilität

16000 E

14000

CL Signal CL-Signal

12000 A B C D E

10000 8000 A 6000

B

4000 C 2000 D 0 0

600

1200

1800

2400

3000

3600

Zeit [s]

Abbildung 11: Chemilumineszenzsignal während des Einmaischvorganges (60 °C, 1 h) [33]. Legende: A: Normale Bedingungen B: Verwendung von entgastem Wasser (N2) C: Malzschrot unter Inertgasatmosphäre (N2) vor dem Einmaischen D: Malzschrot unter Inertgasatmosphäre (N2) vor dem Einmaischen und Verwendung von entgastem Wasser E: Malzschrot unter Sauerstoffatmosphäre vor dem Einmaischen

2.2.3

Maischen

Um die Sauerstoffaufnahme beim Maischen zu minimieren, sind u. a. folgende technologische Maßnahmen vorteilhaft: • frequenzgesteuertes Rührwerk • frequenzgesteuerte Pumpen • Einsatz von entgastem Wasser • Nassschrotung • Ein- und Abmaischen von unten

222

Geschmacksstabilität Während der Maischarbeit bieten sich unter Berücksichtigung der rohstoffbedingten Malzeigenschaften (Malzqualität, Enzymausstattung des Malzes) zahlreiche technologische Möglichkeiten (z. B. Vermeidung von Sauerstoffeintrag beim Einmaischen, hohe Einmaischtemperatur, biologische Säuerung), um eine verbesserte Geschmacksstabilität zu erhalten. Abbildung 12 gibt eine Übersicht über positive und negative Einflussfaktoren auf die Geschmacksstabilität während des Maischprozesses und zeigt Möglichkeiten zur technologischen Einflussnahme.

hohe Einmaischtemperatur

Abdarrtemperaturen „Precursor“

Proteolyse

rasches Einmaischen von unten Sauerstoffeintrag

Malzqualität

Einmaischen polyphenolreiche Malze

Maischesäuerung

proteolytische Rast

Schrotlagerdauer Schrotungstemperatur

pH

Rasten Schroten

Sauerstoffeintrag

Maischen

Nassschrotung

Lipase 50–65 °C, pH 6,8–7,0

LOX 45–55 °C, pH 5,0–7,0 Peroxidase > 60 °C, pH 6,2

Enzyme Polyphenoloxidase 65 °C, pH 6,5–7,0

Abbildung 12: Technologische und rohstoffbedingte Einflussfaktoren auf die Geschmacksstabilität während des Maischens. Wenn das verwendete Malz entsprechende Lösungseigenschaften aufweist, empfiehlt es sich bei Temperaturen über 60 °C einzumaischen, um eine gesteigerte Proteolyse wirksam zu unterbinden (vgl. Kapitel Maischen und Malz). Dies führt zu Würzen mit einem niedrigeren Gehalt an niedermolekularem Stickstoff (FAN) und somit zu weniger Alterungskomponenten (Streckeraldehyde) im Bier. Eine höhere Einmaischtemperatur reduziert auch die LOX-Aktivität. Bei einer Maischtemperatur von 55 °C ist eine Halbierung der Aktivität nach knapp 15 Minuten, bei 60 °C sogar schon nach 5 Minuten erreicht. Bereits nach 30 Minuten liegt eine vollständige Inaktivierung der LOX-Aktivität vor. Hohe Einmaischtemperaturen tragen daher dazu bei, die enzymatische Bildung von Fettsäurehydroperoxiden zu minimieren [26]. 223

Geschmacksstabilität Die biologische Maischesäuerung hat einen positiven Einfluss auf die Geschmacksstabilität. So führt die Einstellung des Maische-pH auf 5,2 zu niedrigeren Konzentrationen an Alterungskomponenten in Bier (Abbildung 13). Die Maischesäuerung sollte bei gut gelösten Malzen nur bei Temperaturen über 60 °C angewendet werden bzw. sollte moderat durchgeführt werden, da durch eine Absenkung des Maische-pH proteolytische Lösungsvorgänge während des Maischens gefördert werden (vgl. Kapitel Biologische Säuerung).

Σ Alterungskomponenten [µg/l]

Bier frisch Bier frisch

Bier forciert Bier forciert

250 200 150 100 50 0 5,2

5,5

5,8

Maische-pH Maische-pH Abbildung 13: Alterungskomponenten in Bier bei unterschiedlichem Maische-pH [28, 34]. Ein besonders interessantes Verfahren ist ein Hoch-Kurz-Maischverfahren mit biologischer Maischsäuerung (pH 5,4–5,5). Hierbei werden für die Geschmacksstabilität negative Enzymwirkungen eingeschränkt: LOX, Lipase, Peroxidase, Polyphenoloxidase und proteolytische Enzyme. Dadurch sind weniger Fettabbauprodukte, mehr niedermolekulare Polyphenole und weniger Eiweißabbauprodukte (Maillardreaktion, Streckeraldehyde) vorhanden. Außerdem wird die Phosphatase gebremst (besserer pH-Sturz) und die β-Glucan-Solubilase eingeschränkt (geringere Viskosität, bessere Filtrierbarkeit).

2.2.4

Würzegewinnung und Würzebehandlung

Wie bei der Maischarbeit, ist während des Läuter- und Kochprozesses eine Sauerstoffaufnahme zu vermeiden. Dazu sollte das Abmaischen von unten in den Läuterbottich erfolgen, der Würzespiegel

224

Geschmacksstabilität nicht unter das Niveau der Treber absinken und entgastes Anschwänzwasser verwendet werden. Mit Hilfe dieser Maßnahmen können Oxidationsreaktionen verhindert werden, die zu einem erhöhten Polymerisationsindex, einer Farbzunahme von Würze und Bier sowie zu gesteigerten Gehalten an Alterungskomponenten führen. Geschmacksstabile Biere erfordern eine ausreichend geklärte Würze bei gleichzeitig geringer Spelzenauslaugung. Dabei sind sowohl die in der Läutertrübung als auch die im Heißtrub auftretenden Lipide kritisch zu bewerten, da sie zur Entstehung von Alterungskomponenten, insbesondere von Carbonylen, beitragen (vgl. Abschnitt 2.1.2, S. 214) [3, 5, 36]. Jedoch ist zu beachten, dass betriebsbedingte unterschiedliche Läutertrübungen hinsichtlich technischer, technologischer und rohstoffbedingter Kriterien unterschieden und bewertet werden müssen. Die Läutertrübung sollte gemäß DIN 8777 [35] während mehr als 60 % der Läuterzeit unter 40 EBC liegen. Kurze Kochzeiten und eine geringe thermische Belastung der Würze führen zu einer verbesserten Geschmacksstabilität (vgl. Kapitel Würzekochung, Würzekochsysteme). Dies gilt auch für die Dauer der Whirlpoolrast. So zeigen sich im Praxisversuch bei einer Verkürzung der Whirlpoolrast deutliche Unterschiede im Gehalt der Alterungskomponenten. Abbildung 14 bestätigt, dass eine Reduzierung der Heißhaltezeit im Whirlpool um 20 Minuten durch eine Verringerung der Kühlzeit von 50 auf 30 Minuten zu einer Reduzierung des Gehaltes an Alterungskomponenten im forciert gealterten Bier führt [3].

Σ Alterungskomponenten [µg/l]

Bier frisch

Bier forciert

300 250 200 150 100 50 0 30

50

Kühlzeit [min] Abbildung 14: Alterungskomponenten in Bier in Abhängigkeit von der Whirlpoolrast [3, 28]. 225

Geschmacksstabilität Daneben äußert sich eine Verminderung der thermischen Belastung in einer geringeren TBZ der Anstellwürze sowie einer helleren Bierfarbe. Neben der beschriebenen Zeitverkürzung können durch eine Würzevorkühlung ähnlich positive Resultate erzielt werden (vgl. Kapitel Würzekochung, Würzekochsysteme).

2.2.5

Gärung

Bei der Würzebereitung spielen Polyphenole, Melanoidine und andere Reduktone aus den Rohstoffen eine wichtige Rolle für die Geschmacksstabilität. Dagegen ist während der Gärung das durch die Hefe gebildete SO2 sowie das Reduktionsvermögen der Hefe entscheidend für die Geschmacksstabilität (vgl. Abschnitt 2.1.3, S. 216). Sulfit (SO2) wird während der Hauptgärung gebildet und ist ein Zwischenprodukt der Biosynthese schwefelhaltiger Aminosäuren [37]. Sobald die Zelle ihren Bedarf an schwefelhaltigen Aminosäuren durch die eigenen Vorräte oder die Aufnahme aus der Würze nicht mehr decken kann (Mangelzustand), wird deren Synthese aktiviert. Infolgedessen beginnt die Zelle Sulfat aus der Würze aufzunehmen, dieses in eine aktivierte Form zu überführen und zu Sulfit zu reduzieren. Das Sulfit wird weiter zu Sulfid reduziert und zur Synthese schwefelhaltiger Aminosäuren verwendet. Gegen Ende der Wachstumsphase geht der Aminosäurenbedarf der Hefezellen stark zurück. Das nun nicht mehr benötigte Sulfit wird an Acetaldehyd gebunden aus der Zelle ausgeschleust und reichert sich im Jungbier an (Abbildung 15) [37, 38, 39, 40].

Sulfat (Würze)

ATP-Sulfurylase aktiviertes Sulfat (Zelle)

Sulfit (SO2)

+ Acetaldehyd

gebundenes Sulfit (Jungbier)

Sulfitreduktase Sulfid (H2S)

Homocystein

Methionin und schwefelhaltige Aminosäuren

Abbildung 15: Sulfit als Zwischenprodukt der Synthese schwefelhaltiger Aminosäuren.

226

Geschmacksstabilität Außerdem ist es wichtig, dass die Betriebshefe eine hohe Vitalität aufweist und damit ein hohes Reduktionsvermögen bereitstellt. Damit ist nicht nur eine Diacetylreduktion, sondern auch eine Reduktion der Carbonylverbindungen der Würze gewährleistet. Diese Zusammenhänge werden im Kapitel Hefetechnologie und Gärung ausführlich behandelt. Zum Erreichen einer hohen Geschmacksstabilität sind SO2-Werte bis 10 mg/l wünschenswert. SO2-Werte über 10 mg/l müssen in Deutschland nach der Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln [41] deklariert werden.

2.2.6

Lagerung und Filtration

Wie in Abschnitt 2.1.2 beschrieben, beeinträchtigen Sauerstoff, Schwermetallionen und Reinigungsmittelrückstände die Geschmacksstabilität deutlich. Auch während der Lagerung und Filtration ist daher auf die weitgehende Vermeidung eines Sauerstoffeintrags zu achten. Sauerstoffbelastete Lager- und Drucktanks, Luftrückstände in Leitungen, Lufteintrag bei Umstellvorgängen oder Druckschwankungen am Filter (Überdruck sicherstellen!) sind jedoch häufig die Ursache für eine hohe Sauerstoffbelastung während der Lagerung und Filtration. Sauerstofffreie Tanks und Leitungswege sind daher soweit wie möglich sicherzustellen. Durch Leerdrücken und Vorspannen der Tanks (Lager-, Druck- und Puffertanks) mit CO2 oder N2 und durch eine CO2-Begasung der Dosagegefäße von Filterhilfs- und Stabilisierungsmitteln kann einer Sauerstoffbelastung entgegen gewirkt werden [11, 42]. Bei Umstellvorgängen (z. B.Wasser auf Bier) mittels Schwenkbogentechnik bewirkt die im Schwenkbogen enthaltene Luft einen kurzfristigen Sauerstoffanstieg im Bier. Durch Entlüftungshähne (z. B. am Verschneidbock oder Filtereinlauf) kann eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Insbesondere ist bei Filtrationsbeginn (Anfahren des Filters, Anschwemmung) der Einsatz von entgastem, karbonisiertem Wasser erforderlich. Die Verwendung von entgastem, karbonisiertem Wasser im Produktionsprozess ist zur Verminderung der Sauerstoffbelastung grundsätzlich zu empfehlen. Ebenso sollte eine Schwermetallionenkontamination durch Anlagen oder eingesetzte Roh- und Hilfsmittel (z. B. Kieselgur, PVPP) vermieden werden. Des Weiteren sollten Gefäße (Tanks), Leitungen, Pumpen und Ventile frei von Reinigungs- und Desinfektionsmittelrückständen sein (vgl. Abschnitt 2.1.2).

2.2.7

Abfüllung

Eine Sauerstoffbelastung bei der Abfüllung wirkt sich besonders negativ auf die Geschmacksstabilität aus. Daher kann die während des Brauprozesses erreichte Geschmacksstabilität und Produktqualität durch Fehler in der Abfüllung leicht zunichte gemacht werden. Ein Sauerstoffeintrag ist mittels GC-Analytik über eine Erhöhung der Sauerstoffindikatoren nachweisbar (vgl. Abschnitt 2.3.2). Außerdem ist bei starker Belastung bereits nach sehr kurzer Zeit (1–2 Wochen) ein deutlicher Oxidationsgeschmack wahrnehmbar [3, 43]. Üblicherweise wird durch eine doppelte Vorevakuierung und CO2-Vorspannung der Flaschen diesem Problem entgegengewirkt. Ein vollständiges Entfernen des Sauerstoffs aus der Flasche sowie

227

Geschmacksstabilität die weitere Verhinderung eines Sauerstoffeintrags im Verlauf des Abfüll- und Verschließvorgangs ist jedoch nicht gewährleistet. Deshalb ist zusätzlich eine Hochdruckeinspritzung notwendig, die zwischen Füller und Verschließer für ein kontrolliertes Überschäumen und eine Verdrängung der Luft aus dem Flaschenhals sorgt. Hierbei kommt es aber auf eine richtige Abstimmung bezüglich Positionierung, Druck,Temperatur (mikrobiologische Sicherheit) und Überschäumstrecke an, so dass einerseits ein ausreichendes Überschäumen gewährleistet ist und andererseits Fehlfüllungen durch Bierverluste vermieden werden. Eine Unterspülung des Kronenkorkens mit CO2 oder N2 ist ebenfalls von Vorteil. Auch die Compoundmasse des Kronenkorkens hat eine Bedeutung für die Sauerstoffaufnahme des Bieres. Durch Permeation des Sauerstoffs durch die Compoundmasse kommt es je nach Barriereeigenschaft oder Sättigungszustand zu unterschiedlich schneller Alterung [10].

VERKOSTUNGSSCHEMA Datum: Versuchsreihe: Verkoster:

Verkostung nach DLG: Bewertung in Halbnotenschritten von 1 bis 5 Bitte Aromaeindruck angeben!

Nr. A B C D E F

Vollm.

Rezenz

Bittere

A frisch A forciert

Probe 4,0 3,0

Geruch 4,5 3,0

Trunk

4,0 4,0

4,0 4,0

4,0 3,5

B frisch B forciert

4,0 2,5

4,0 2,5

4,0 3,5

4,0 4,0

4,0 3,5

Alterungsverkostung: Die Akzeptanz bezieht sich nur auf die Alterung des Bieres!

1 = frisch 2 = leicht gealtert 3 = stark gealtert 4 = extrem gealtert

Nr.

Probe

Geruch

Trunk

Bittere

Akzeptanz [%] 100 80

A B C D E F

A frisch A forciert

1,0 2,0

1,0 2,5

1,0 2,0

x

B frisch B forciert

1,0 3,0

1,0 3,0

1,0 2,5

x

60

40

20

0

x

x

Abbildung 16: Beispielhaftes Schema für eine Verkostung nach DLG und Alterungsverkostung nach EICHHORN [43, 45].

228

Geschmacksstabilität 2.3

Analytische Beurteilung der Geschmacksstabilität

2.3.1

Sensorik

Die maßgebende Analyse zur Beurteilung der Geschmacksstabilität ist die Sensorik (vgl. Kapitel Sensorik). Zur Vorhersage der Geschmacksstabilität werden die Biere forciert gealtert. Die Proben werden hierzu 24 Stunden geschüttelt, um den Vertriebsweg zu simulieren und danach 4 Tage bei 40 °C dunkel gelagert. Die Verkostung erfolgt frisch gegen forciert. Zur sensorischen Beurteilung der Geschmacksstabilität wird nach dem 5-Punkte-Schema der DLG [45] verkostet. Zusätzlich wird der Alterungszustand [43] mit einer 4-Punkte-Skalierung bewertet. Die Akzeptanz des Bieres bezüglich der Alterung wird in Prozent angegeben, um die Benotung durch den subjektiven Eindruck des Alterungszustands zu unterstützen (Abbildung 16).

2.3.2 Bestimmung der Alterungsindikatoren mittels Gaschromatographie Die Alterungsindikatoren bzw. Alterungskomponenten sind Bierinhaltsstoffe, die während der Lagerung des abgefüllten Bieres entstehen. Sie sind meist keine direkten Geschmacksträger, sondern als Indikatoren zu verstehen, die sehr gut mit der Alterungsverkostung korrelieren (Abbildung 17). Die analysierten Komponenten nehmen signifikant während der forcierten Alterung zu. Die Alterungskomponenten werden nach vorausgegangener Wasserdampfdestillation und Abtrennung der organischen Phase über eine Flüssigextraktion mittels GC-FID bestimmt [3, 43].

Σ Alterungskomponenten [µg/l] Σ Alterungskomponenten [µg/l]

400

R2 = 0,9935 300

200

100

0 1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

NoteNote derder Alterungsverkostung Alterungsverkostung Abbildung 17: Korrelation zwischen Alterungskomponenten und der Note der Alterungsverkostung nach EICHHORN. 229

Geschmacksstabilität Tabelle 3 zeigt die relevanten Alterungskomponenten. Einige dieser Substanzen deuten auf thermische (Wärmeindikatoren) oder oxidative (Sauerstoffindikatoren) Einflüsse hin.

Alterungskomponenten 3-Methylbutanal (S) 2-Methylbutanal (S) 2-Furfural (W) 5-Methylfurfural Benzaldehyd (S) 2-Phenylethanal (S) Bernsteinsäurediethylester 2-Phenylessigsäureethylester Nicotinsäureethylester 2-Acetylfuran 2-Propionylfuran γ-Nonalacton (W) (S) Sauerstoffindikatoren (W) Wärmeindikatoren

Tabelle 3: Einteilung der Alterungsindikatoren [3, 43]. Wärmeindikatoren lassen auf die thermische Belastung während des Produktionsprozesses bzw. während der Lagerung des abgefüllten Bieres schließen. Sauerstoffindikatoren werden in erster Linie durch die Sauerstoffaufnahme bei der Abfüllung induziert, aber auch durch eine Sauerstoffbelastung während des Sudprozesses. Eine Sauerstoffaufnahme bei der Abfüllung ist jedoch analytisch erst im forcierten Bier nachweisbar. Dagegen ist eine Sauerstoffbelastung während der Würzebereitung bereits im frischen Bier an einem erhöhten Gehalt der Sauerstoffindikatoren erkennbar [3, 43].

2.3.3 Analytische Beurteilung der antioxidativen Aktivität Der Begriff der antioxidativen Aktivität wird in der Brauereitechnologie im Allgemeinen mit dem Merkmal der chemischen und sensorischen Stabilität gleichgesetzt. Diese Auslegung ist nicht ganz korrekt, da sich beide Begriffe in ihrer Bedeutung nicht vollständig decken. Der Begriff „Antioxidative Aktivität“ beschreibt die Fähigkeit eines Stoffes Oxidationsreaktionen in Modelllösungen (in vitro), im Lebensmittel oder in vivo, d. h. in einem (anderen) System zu unterdrücken und diesem Stabilität zu geben [46]. Dies geschieht in der Regel durch die Fähigkeit, freie Radikale abzufangen, und vor allem durch die Fähigkeit, reduzierend zu wirken. Reduzierende Inhaltsstoffe können andere (oxi-

230

Geschmacksstabilität dative) Substanzen reduzieren und werden dabei selbst, anstelle von wertgebenden Inhaltsstoffen, oxidiert. Ein hohes Reduktionsvermögen ist also gleichbedeutend mit einer hohen Oxidierbarkeit bzw. Reaktivität, sprich Instabilität. Ein Stoff oder ein Produkt mit einer hohen Reduktionskraft kann also ein anderes System vor der Oxidation bewahren, ist selbst allerdings keinesfalls stabil. Darauf beruht die Wirkung zahlloser Konservierungsstoffe, die unsere Lebensmittel vor der Oxidation bewahren können, aber gerade aus diesem Grund eben selbst leicht oxidierbar und damit instabil sind. Für das Bier bedeutet das, dass die Stabilität durch die Reduktionskraft eines einzelnen, nicht wertgebenden (d. h. sensorisch, optisch und ernährungs-physiologisch irrelevanten) Inhaltsstoff gesteigert werden kann. Diese Eigenschaft trifft im Bier noch am ehesten auf das Schwefeldioxid zu. Die analytisch feststellbare Reduktionskraft des Bieres als Summengröße (bedingt durch Melanoidine, Polyphenole und Proteine) muss allerdings nicht zwangsläufig eine entsprechende Stabilität zur Folge haben. Die Reduktionskraft des Bieres ist weniger ein Schutzmechanismus, als vielmehr eine zu schützende und nach Möglichkeit zu erhaltende Eigenschaft bzw. ein Qualitätsmerkmal. Bei der analytischen Beurteilung der antioxidativen Aktivität und der chemischen Stabilität muss folglich zwischen zwei grundlegenden Vorgehensweisen unterschieden werden: der Messung des Reduktionsvermögens des Produktes gegenüber einem Testsystem (in vitro) und der Messung der Stabilität des Produktes im Produkt selbst (Stabilitätstest, im Lebensmittel) [47, 48]. Die Wirkung einzelner Inhaltsstoffe lässt sich zudem durch Zugabeversuche (Messung des Reduktionsvermögens im Lebensmittel) bestimmen.

2.3.4 Bestimmung des Reduktionsvermögens Ein hohes Reduktionsvermögen muss nicht unbedingt eine hohe Bierstabilität zur Folge haben (vgl. Abschnitt 2.3.3). Die Bestimmung des Reduktionsvermögens erfolgt üblicherweise in vitro. Dabei kann die Messung der Reduktionskraft der Probe direkt in einem Redoxindikator oder in einem standardisierten Messsystem (z. B. Fentonsystem, standardisierte Lebensmittelprobe) durchgeführt werden. In beiden Fällen können die Ergebnisse in Prozent angegeben werden oder auf die Wirkung einer Referenzsubstanz (z. B. Trolox oder Gallussäure) bezogen werden [47, 49]. Gängige Redoxindikatoren sind DPI (2,6-Dichlorphenol-Indophenol), DPPH (1,1-Diphenyl-2-picrylhydrazyl) und ABTS (2,2’azino-bis-[3-ethylbenzthiazolin-6-sulfonsäure]). Die Aussage der Messung variiert dabei je nach dem Messzeitraum (Reaktionskinetik), den Affinitäten des gewählten Redoxindikators und dem gewählten Messsystem (Milieu). In der Brauereitechnologie haben sich vor allem die beiden folgenden Methoden mittels DPI und DPPH eingebürgert: Die Bestimmung des Reduktionsvermögens mittels DPI erfolgt spektralphotometrisch nach MEBAK [45]. Dabei wird die Reduktion des DPI nach 60 s gemessen und prozentual auf den Ausgangswert bezogen (Abbildung 18). Es ist zu beachten, dass die Kalibrierung mit einem PhosphatCitrat-Puffer (pH 4,3) durchgeführt wird, welcher dem durchschnittlichen Bier-pH entspricht.

231

Geschmacksstabilität Ext.

2,0 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0

66,3 %

0,8 0,6 0,4 0,2 0 0

15

30

45

60

75

90 Zeit [s]

Abbildung 18: Ausdruck des Tannometers1 zur Bestimmung des Reduktionsvermögens in Bier.

Als reduzierende Substanzen, die hierbei im Bier erfasst werden, sind vor allem Melanoidine und Polyphenole (die so genannten Reduktone), Sulfhydrylverbindungen und Hopfenharze bekannt [50, 51]. Auf Grund des dominierenden Einflusses der Melanoidine (Endiolstruktur) stellt das Reduktionsvermögen bei hellen, untergärigen Bieren erfahrungsgemäß ein Maß für die Fähigkeit dar, Sauerstoff zu reduzieren (aktivieren), was sich aber letztlich prooxidativ auswirkt (Abbildung 19) [52].

Sauerstoffaktivierung

H2O2 stabil

Geschwindigkeitsbestimmender Reaktionsschritt

Unspezifische Oxidation von Bierinhaltsstoffen

HO

Fe2+/Cu+



Fe3+/Cu2+

E°‘ = 2,31 V

Abbildung 19: Beeinflussung der Sauerstoffaktivierung durch Reduktone.

1Bezugsquelle: Fa. Pfeuffer GmbH/Kitzingen

232

Keton ‚ox. Melanoidin‘ Chinone Semichinone Semihydroasc.sr. Cystin (Disulfit)

Endiol (Redukton) Melanoidine Semichinone einige Polyphenole Ascorbinsäure Cystein

Geschmacksstabilität Die Bestimmung des Reduktionsvermögens mittels DPPH erfolgt am Elektronenspinresonanzspektrometer oder am Spektralphotometer nach der Methode des „Antiradikalischen Potentials“ (ARP, modifizierte Methode, ursprünglich nach Blois [53], Anwendung für Bier nach Kaneda [54]). Dabei wird die Reduktion des stabilen Radikals DPPH durch die Bierinhaltsstoffe über den Verlauf von 10 min gemessen. Zur Auswertung wird die Fläche über der Kurve prozentual berechnet (Abbildung 20). 100 90 80

DPPH [%][%] DPPH

70

ARP = 82 %

60 50 40 30 20 10 0 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Zeit [min] Zeit [min]

Abbildung 20: Auswertung des antiradikalischen Potentials [10, 46]. Die Methode ist auf Würze, Bier und sonstige Getränke anwendbar und spricht auf Schwefeldioxid kaum an. Unterschiede des mittels DPPH messbaren Reduktionsvermögens heller Biere werden (bei vergleichbarer thermischer Belastung) in hohem Maße durch den positiven Einfluss ihrer Polyphenolausstattung geprägt [54, 10]. Da deren antioxidative Wirkung allerdings vor allem im Sudhaus stattfindet [55], der Gehalt im Bier jedoch durch die Stabilisierungsmaßnahmen beeinflusst wird, ist eine Vergleichbarkeit abgefüllter Biere unterschiedlicher Brauereien eingeschränkt. Bereits das Malz kann mittels DPPH bezüglich seiner Reduktionskraft charakterisiert werden, wobei zur Messung wässrige Kaltauszüge hergestellt werden [56].

2.3.5 Stabilitätstest Die Stabilitätstests werden üblicherweise im Produkt selbst (im Lebensmittel) durchgeführt. Dabei wird das Bier über einen bestimmten Zeitraum mit oder ohne Sauerstoffzutritt bei erhöhter Temperatur gelagert. Man kann den oxidativen Stress auch durch Zusatz oxidativer Reagenzien induzieren und/oder die Messung in einem Messsystem (z. B. Fentonsystem, in vitro) durchführen [47]. Die ablaufenden Oxidationsreaktionen können durch die Messung von Endprodukten aus Lipidoxidation und Streckerabbau quantifiziert werden, wie es bei der GC-Analyse von Hexanal und 233

Geschmacksstabilität anderen repräsentativen Aldehyden oder bei der spektralphotometrischen Bestimmung von Aldehyden mittels Thiobarbitursäure geschieht (vgl. Abschnitt 2.3.2 und 2.3.7) [47]. Eine frische Probe dient jeweils als Vergleich. Eine andere Möglichkeit zur Erfassung der Oxidationsreaktionen im Stabilitätstest besteht in der direkten Messung der zu Beginn der Reaktion auftretenden reaktiven Sauerstoffspezies (ROS, freie Radikale) mittels Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR) oder Chemilumineszenz. Die gängigste ESR-Methode ist in der Brauereitechnologie die Messung der so genannten LagTime (bzw. der „Endogenen Antioxidativen Aktivität“) des Bieres im oxidativen Forciertest (Stabilitätstest, im Lebensmittel), bei der die Induktionsphase der ablaufenden Radikalkettenreaktion bestimmt wird [14, 57, 58]. Sie gilt als Maß für den Widerstand, den das Bier der oxidativen Einwirkung entgegensetzt und wird besonders durch den Schwefeldioxidgehalt beeinflusst. Im Stabilitätstest wird das Bier unter Luftzutritt bei 60 °C temperiert und die einsetzenden Oxidationsreaktionen werden mithilfe des Spin-Trap-Reagenz N-tert-Butyl-α-phenylnitron (PBN), das die gebildeten Radikale stabilisiert, am ESR gemessen. Selbstverständlich ist auch die Verwendung anderer Reaktionsbedingungen (Milieu,Temperatur) und anderer Spin-Trap-Reagenzien möglich und sinnvoll. Bei der Verwendung von PBN muss die Besonderheit beachtet werden, dass der Forciertest durch den verursachten pH-Wert-Anstieg nochmals beschleunigt wird [10, 59], was sich aber bei Biermessungen nicht nachteilig auswirkt. Bei der Bestimmung der Lag-Time kann als zweites Merkmal der Radikalkettenreaktion zusätzlich die Radikalgenerierung erfasst werden [60]. Korrekt ausgedrückt wird dabei die Trap-Rate, d. h. der Anteil der Radikale gemessen, der mit dem Spin-Trap-Reagenz reagiert (vor allem Hydroxyethylradikale). Zur Auswertung wird die Kurve ab der Lag-Time über 60 min integriert, wie in Abbildung 21 dargestellt ist. Diese Auswertungsmöglichkeit hat die frühere, weniger sensitive Methode des „Antiradikalischen Verhaltens“, kurz ARV (vgl. 1. Auflage) abgelöst.

{

{

Zeit [min]

Abbildung 21: Lag-Time und Trap-Rate als Charakteristika der Radikalkettenreaktion im oxidativen Forciertest von Bier.

234

Geschmacksstabilität Da sich in der Würze keine Lag-Time ausbildet, wird hier das Integral von 0 bis 120 min ermittelt. Sämtliche Proben werden vor der Messung auf einen Ethanolgehalt von 5 Vol.-% eingestellt. Entsprechend der neuen Erkenntnisse und Analysenmethoden wurde auch der Stabilitätsindex [61] überarbeitet [60]. Die Messgröße „Reduktionsvermögen“ wurde hierbei aus oben genannten Gründen gestrichen. In den neuen Index gehen nur noch die Lag-Time und die Radikalgenerierung ein. Der Stabilitätsindex soll eine einfache Kennzahl darstellen, anhand derer der Praktiker die Stabilität seines Produktes beurteilen kann, ohne sich in die komplexe Materie der Sauerstoffaktivierung und der antioxidativen Aktivität einarbeiten zu müssen. Bei der Berechnung des Index gehen natürlich Informationen verloren, die sich z. B. aus den Kurvenverläufen ableiten ließen. Ziel ist es aber, eine einfache Möglichkeit zur Klassifizierung zu erhalten: schlecht – mäßig – gut – sehr gut. Der Index berechnet sich nach der folgenden empirisch ermittelten Formel: SI =

LT2 – 4500 x F + 45000 500

LT: Lag-Time F: Radikalgenerierung (Fläche)

gut: 40–60; (dimensionslos) Die Faktoren in der Formel sorgen für eine sinnvolle Gewichtung zwischen den beiden Parametern Lag-Time und Radikalgenerierung und normieren das Ergebnis auf anschauliche Werte im Bereich zwischen 0 und 100. Das Quadrat der Lag-Time soll dabei näherungsweise die Beschleunigung des Forciertests durch den Anstieg des pH-Wertes berücksichtigen [60]. Wie in Abbildung 22 veranschaulicht wird, ist die neue Größe hervorragend dazu geeignet, auch Biere mit vergleichbarer Lag-Time analytisch eindeutig zu differenzieren. Die Werte des neuen Stabilitätsindex (der frischen Biere) spiegeln dabei die sensorischen Beurteilungen (Akzeptanz [%]) dieser Biere nach erfolgter natürlicher Alterung wider.

Bier A: Lag-Time: 48 min Fläche: 6,2 Index: 39 Akzeptanz: 73 %

Bier B: Lag-Time: 57 min Fläche: 3,9 Index: 61 Akzeptanz: 83 %

Abbildung 22: Stabilitätsindex und sensorische Beurteilung zweier heller Vollbiere derselben Brauerei (jeweils Doppelbestimmung).

235

Geschmacksstabilität Unter Umständen kann aber auch bei durchschnittlichen Werten für den Stabilitätsindex im abgefüllten Bier eine gute Geschmacksstabilität vorhanden sein. Der Grund hierfür ist das Vorliegen von höheren Konzentrationen an maskierenden Substanzen, wie Estern (vgl. Kapitel Prozessbiere und Sensorik) oder Hopfenaromastoffen (z. B. Linalool). Auch eine sehr gute Hefevitalität (vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung) kann zu sehr geschmacksstabilen Bieren führen, obwohl hier die SO2Werte und damit antioxidative Aktivität gewöhnlich niedriger liegen (Abbildung 23).

Analytik

Sensorik

Stabilitätsindex [%]

Geschmacksstabilität sehr gut

sehr gut

antioxidatives Potential Einflussfaktoren

60 60

‡ 40 50

schlecht

Würzebereitung • Polyphenole • Melanoidine • Reduktone

mögliche maskierende Effekte keine maskierenden Effekte

‡

Gärung • Hefevitalität • Reduktionskraft • SO2-Bildung möglichst geringe Sauerstoffbelastung

analytische Vorhersage der Geschmacksstabilität

schlecht tatsächliche Geschmacksstabilität

Abbildung 23: Zusammenhang zwischen Stabilitätsindex und Geschmacksstabilität. Die Berechnung des Stabilitätsindex ist nur für frisch abgefüllte Biere ohne übermäßige Sauerstoffbelastung sinnvoll. Die Beeinflussung der Analytik durch die Vorgänge im Alterungsverlauf ist zu komplex, als dass sie durch eine einfache Kennzahl beschrieben werden könnte. Der Vollständigkeit halber ist hier noch die Auswertungsmöglichkeit nach der so genannten T150 zu erwähnen, bei der im Forciertest einfach die Signalhöhe nach 150 min gemessen wird. Die T150 ist vor allem im englischsprachigen Raum weitverbreitet [62]. Diese Methode versucht ebenfalls, die Radikalgenerierung als Qualitätsmerkmal in die Auswertung einzubeziehen, wobei allerdings die Gewichtung zwischen Lag-Time und Trap-Rate mehr zufällig zustande kommt.

236

Geschmacksstabilität Bei tieferer Einarbeitung in die Thematik kann die ESR-Spektroskopie in der Brauerei auch erfolgreich zur Prozesskontrolle eingesetzt werden. Hierbei sind auch Rückschlüsse auf die Ursache einer verminderten antioxidativen Aktivität möglich [60]. Lag-Time [min] frisch (2 Tage nach Probennahme)

Lag-Time [min] nach Wärmebehandlung

Bier, sauerstoffbelastet

77

57

Bier, unbelastet (Vergleich)

82

79

Tabelle 4: Einfluss einer Wärmebehandlung auf eine sauerstoffbelastete Bierprobe.

2.3.6 Hinweise zur Probennahme und Aufbewahrung bei Stabilitätsuntersuchungen Bei allen Analysen zur antioxidativen Aktivität ist es von entscheidender Bedeutung, einen Sauerstoffeintrag bei der Probennahme und Veränderungen während der Aufbewahrung der Proben weitgehend zu vermeiden. Abgefülltes Bier sollte bis zur Analyse bei 0 °C gelagert werden. Zwickelproben aus dem Kaltbereich sollten möglichst bald nach der Probennahme analysiert und bis zur Durchführung der Analyse auf 0 °C gekühlt werden. Die Probenflaschen sollten vor der Probennahme mit Stickstoff oder CO2 gespült werden. Zusätzlich ist bei der Probennahme darauf zu achten, dass die Flaschen vor dem Verschließen für kurze Zeit überlaufen und dass beim Verschließen kein luftgefüllter Kopfraum in der Flasche verbleibt. Würzeproben werden nach demselben Prinzip heiß in Aluflaschen abgefüllt und sofort nach der Probennahme mit kaltem Wasser abgekühlt. Der Deckel sollte eine intakte Einlage aus Aluminiumfolie haben. Die Würzeproben können bei 0 °C mehrere Tage oder eingefroren wenige Wochen aufbewahrt werden. Um den temperaturbedingten Volumenveränderungen gerecht zu werden und einen luftdichten Verschluss zu gewährleisten, empfiehlt es sich, die Flaschen vor der Befüllung leicht einzudellen. Es ist besonders darauf zu achten, dass die Würze während des Auftauens nicht mit Luft in Kontakt kommt (Flasche verschlossen lassen) und dass die Verarbeitung nach dem Öffnen zügig erfolgt [60]. *Es besteht auch die Möglichkeit die Sauerstoffempfindlichkeit im sogenannten „Doppelten Stabilitätstest“ zu bestimmen. Dazu wird die Probe mit Luftsauerstoff versetzt (öffnen, schütteln) und über einen bestimmten Zeitraum (z. B. eine Woche) bei Raumtemperatur oder über 24 h bei 40 °C gelagert. Jeweils in der frischen und in der leicht forcierten Probe werden daraufhin Lag-Time und Radikalgenerierung sowie das Reduktionsvermögen mittels DPPH bestimmt. Falls Oxidationsreaktionen stattgefunden haben, werden sich alle drei Werte vermindern („Abreagieren von Inhaltsstoffen“) [17, 60]. Das Maß der Veränderung der Analysenmerkmale ist ein Maß für die Sauerstoffanfälligkeit der Probe. Diese Anwendung ist besonders auch für den AfG-Bereich geeignet. Des Weiteren bietet diese Methode eine Möglichkeit, Sauerstoffeinträge im Produktionsprozess aufzuspüren, was allerdings eine sauerstofffreie Probennahme voraussetzt [60]. Der Belüftungsschritt wird hierzu einfach weggelassen.Tritt dennoch eine Veränderung auf, deutet das darauf hin, dass die Probe bereits mit Sauerstoff belastet war (Tabelle 4).

237

Geschmacksstabilität 2.3.7

Thiobarbitursäurezahl (TBZ) und Anilinzahl (AZ)

Die TBZ gilt als summarische Kenngröße für die thermische Belastung von Malz, Würze und Bier. Sie ist eine Kennzahl, die außer 5-Hydroxymethylfurfural (HMF) eine Vielzahl von Produkten der Maillardreaktion und andere organische Verbindungen erfasst. Die Bestimmung der TBZ wird v. a. im Malz- und Würzebereich als Routineanalytik nach der MEBAK [45] durchgeführt. Normwerte nach der MEBAK [45]:

Normwerte für „Moderne Würzekochsysteme“:

helle Ausschlagwürze < 45

helle Ausschlagwürze < 35

helle Kaltwürze (nach Würzekühlen) < 60

helle Kaltwürze < 50

Zur Beurteilung der thermischen Belastung in Bier ist die Anilinzahl aussagekräftiger. Die Ermittlung der Anilinzahl basiert auf der quantitativen Bestimmung von 2-Furfural als typischen Wärme- und Alterungsindikator bei untergärigen hellen Bieren [63, 64, 65, 66]. Zur Bestimmung wird die Bierprobe am Rotationsverdampfer destilliert, das Destillat mit einem Reaktionsgemisch (Anilin/Eisessig als Reaktionskomponente) versetzt und die entstehende Rotfärbung spektralphotometrisch bei 518 nm bestimmt [66]. Abbildung 24 zeigt die Zunahme der Anilinzahl in Abhängigkeit von Lagerzeit und Lagertemperatur.

90

80

70

60

50 20 °C 12 °C 3 °C

40

30

20

10

0 Frisch

4 Wochen

8 Wochen

12 Wochen 16 Wochen 20 Wochen 24 Wochen 28 Wochen 32 Wochen 36 Wochen 40 Wochen

Abbildung 24: Pilsbier – Zunahme der AZ in Abhängigkeit von Lagerzeit und Lagertemperatur [63].

238

Geschmacksstabilität 2.3.8

Absorptionsintegral (AI)

Neben der Bestimmung der Anilinzahl wird das Absorptionsintegral als weitere Schnellbestimmungsmethode zur Beurteilung der Geschmacksstabilität eingesetzt. Das Absorptionsintegral wird in erster Linie von Indikatoren für thermischen Stress beeinflusst, wie z. B. dem 2-Furfural. Zur Bestimmung des Absorptionsintegrals werden 200 ml Bier einer Wasserdampfdestillation unterzogen. Von den ersten 100 ml Destillat wird das UV-Spektrum gemessen und die Fläche zwischen 240 und 310 nm berechnet [65, 66, 67, 68]. Die Beurteilung erfolgt nach folgender Einteilung [54]: < 4,5 sehr stabil

3

4,5–5,5 stabil

5,5–6,5 mäßig stabil

> 6,5 instabil

Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden verschiedene Aspekte der Geschmacksstabilität dargestellt. Das Kapitel gibt einen Überblick über die grundlegenden Reaktionswege zur Entstehung von alterungsrelevanten Aromastoffen, zeigt für die Geschmacksstabilität positive sowie negative Einflussfaktoren auf und stellt technologische Möglichkeiten zur Verbesserung der Geschmacksstabilität vor. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Bieralterung um einen dynamischen Prozess handelt, der durch Bildung und Abbau von Aromastoffen geprägt ist. Somit unterliegen die sensorischen Eigenschaften des Bieres ständigen Veränderungen. Ziel der Brautechnologie sollte es sein, die Geschmacksstabilität zu erhöhen, um sensorische Veränderungen innerhalb der Mindesthaltbarkeit des Produktes zu minimieren. Wahrnehmbare Verbesserungen in Bezug auf die Geschmacksstabilität können nur dann erzielt werden, wenn die Einflussfaktoren auf die Geschmacksstabilität über den gesamten Produktionsprozess konsequent Beachtung finden. Hierzu können die beispielhaft genannten Maßnahmen beitragen: 1. Minimierung der Aufnahme von Sauerstoff beim Maischen und Läutern sowie bei den nachfolgenden Prozessschritten 2. Gewinnung ausreichend geklärter Würzen bei gleichzeitig geringer Spelzenauslaugung 3. Minimierung negativer Enzymaktivitäten und autoxidativer Vorgänge 4. Intensive, aber schonende Ausdampfung unerwünschter Würzearomastoffe 5. Einsatz vitaler Hefen mit hohem Reduktionsvermögen 6. Maßnahmen zur Anhebung des SO2-Gehalts im Bier (Deklarationspflicht bei > 10 mg/l!) 7. Vermeidung des Sauerstoffeintrags bei der Abfüllung 8. Produktschonende Verarbeitung und Abfüllung

239

Geschmacksstabilität

4

Überblick

Sensorik

240

Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

frühzeitiger Oxidationseindruck nach der Abfüllung (ca. 2 Wochen)

• sehr starke Sauerstoffbelastung im Drucktank bzw. bei der Filtration • Probleme bei der Abfüllung bzw. am Verschließer: sehr hoher Sauerstoffeintrag am Füller, HDE, Luft im Flaschenhals • technische Probleme: Auswirkungen auf KZE oder Pasteur ➝ Bier bleibt zu lange im Heißbereich stehen (z. B. Störungen am Füller, Tunnelpasteur) • hoher Gehalt an Prooxidantien (Cu, Fe), geringer Gehalt an Antioxidantien

• überprüfen der HDE: Druck, Positionierung, Überschäumstrecke • überprüfen der Vorevakuierung, evtl. defekte Füllorgane oder -ventile; vorspannen mit CO2 • Überprüfung der Reinheit des verwendeten CO2 • bei Problemen in der Abfüllung (lange Standzeiten, Stau) ➝ evtl. Bier in Restbiertank ausschieben, Anschaffung eines Puffertanks nach KZE, Pasteur nach Möglichkeit leerfahren • entgastes Wasser verwenden, v. a. bei Filtration

Oxidationseindruck nach natürlicher Lagerung (> 6 Wochen)

• geringer Gehalt an Antioxidantien • Leitungen bzw. Stabilisierungsmittel nicht entgast • Sauerstoffbelastung am Füller • Probleme bei der Karbonisierung, CO2 für die Vorspannung unrein • Qualität der Compoundmasse im Kronkorken (Permeation) • Wahl des Gebindes: grüne oder weiße Flaschen, Öffnung und Art des Gebindes, Material (Glas, PET), Art des Verschlusses (Schraubverschluss)

• Rohstoffauswahl • Stufenkontrolle im Sudhaus bzgl. Sauerstoffeintrag • CO2-Begasung bei Kieselgurbzw. Stabilisierungsmitteldosage • sauerstofffreie Leitungen und Tanks gewährleisten; Lager-, Druck- und Puffertanks mit CO2 vorspannen • überprüfen der Verschlüsse und Gebinde • s. o.

Fehlgeschmack „cardboard“

• hoher Gehalt an Lipidoxidationsprodukten, wie z. B. (E)-2-Nonenal

• im gesamten Produktionsprozess Sauerstoffeintrag vermeiden •Gewinnung feststoffarmer Läuterwürzen (15–40 EBC-Einheiten), trubarme Anstellwürzen

Geschmacksstabilität Sensorik Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

Fehlgeschmack „brot- und würzeartige Note“

• Malze mit zu hohem ELG, starke thermische Belastung auf Grund von Darrfehlern oder Malzverschnitt • zu intensiver Eiweißabbau beim Maischen • zu hohe thermische Belastung beim Kochen bzw. zu intensive Kochung ➝ hoher Gehalt an Streckeraldehyden, Gärprobleme auf Grund von zu hohem oder zu niedrigem FAN-Gehalt der Anstellwürze • schlechte Lagerbedingungen

• Rohstoffkontrolle bzw. -auswahl (TBZ, Farbe) • vermeiden einer zu hohen thermischen Belastung ➝ Stufenkontrolle (TBZ, Farbe) in Pfannevollwürze, Ausschlagwürze, Kaltwürze, evtl. Jungbier • überprüfen der Gärung, Hefewirtschaft

Fehlgeschmack „Lichtgeschmack“

• Flaschenfarbe: braun < grün < weiß • weiße oder grüne Flaschen und gleichzeitig zu hohe Hopfengaben

• Einsatz reduzierter Iso-α-Säuren (nicht reinheitsgebotskonform) • weniger lichtdurchlässige Gebinde (z. B. 6-Packs, Kartonverpackung), Flaschen mit UV-Schutz

Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

hoher Gehalt an Wärmeindikatoren im frischen Bier

• rohstoffbedingt (z. B. hohe thermische Belastung beim Darrprozess) • hohe thermische Belastung im Brauprozess: zu lange und intensive Kochung, lange Whirlpoolstandzeiten, Whirlpooltemperatur/isolierter Whirlpool • überprüfen der KZE/Pasteurisation • schlechte Reduktionskraft der Hefe

• Vermeidung einer zu hohen thermischen Belastung im Heißbereich • überprüfen der Pasteurisationseinheiten • Einsatz von vitaler, gärkräftiger Hefe

Analytik

241

Geschmacksstabilität Analytik Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

hoher Gehalt an Sauerstoffindikatoren im frischen Bier

• Sauerstoffbelastung während der Würzebereitung: Schroten, Maischen, Würzekochung (z. B. Außenkocher) • Sauerstoffbelastung während der Lagerung, im Drucktank, bei der Filtration bzw. Abfüllung

• keine Vorschrotung, CO2-Begasung des Schrotes • einmaischen und abmaischen von unten • Einsatz von entgastem Wasser • überprüfen der Rührwerkeinstellungen und Pumpen (z. B. Dimensionierung) • vermeiden von Sauerstoffeintrag während der Lagerung, bei der Filtration und Abfüllung • s. o. Oxidationseindruck

hoher Gehalt an Wärmeindikatoren im forcierten Bier (forcierte Alterung)

• rohstoffbedingt (z. B. hohe thermische Belastung beim Darrprozess) • hohe thermische Belastung im Brauprozess: zu lange und intensive Kochung, mangelhafte Ausdampfung beim Würzekochen, lange Whirlpoolstandzeiten

• Vermeidung einer zu hohen thermischen Belastung im Heißbereich, überprüfen der Ausdampfeffizienz • s. o.

hoher Gehalt an • Probleme bei der Abfüllung: SauerstoffindikaSauerstoffbelastung am Füller, HDE, toren im forcierten Luft im Flaschenhals Bier (forcierte Alterung) hoher Gehalt an Sauerstoffindikatoren im natürlich gealterten Bier

242

• Probleme bei der Abfüllung bzw. am Verschließer: Sauerstoffbelastung am Füller, HDE, Luft im Flaschenhals • Qualität der Compoundmasse im Kronkorken (Permeation) • Wahl des Gebindes bzw.Verschlusses: Flaschenform, Material, Art des Verschlusses • hoher Gehalt an Prooxidantien (Cu, Fe), geringer Gehalt an Antioxidantien

• überprüfen der HDE: Druck, Positionierung, Überschäumstrecke • überprüfen der Vorevakuierung, vorspannen mit CO2 • überprüfen der HDE: Druck, Positionierung, Überschäumstrecke (Feinabstimmung Füller–Verschließer) • überprüfen der Vorevakuierung • vorspannen mit CO2 • Wahl des Gebindes (bei evtl. Neuanschaffungen) • überprüfen der Filterhilfsmittel auf Schwermetallionenbelastung, zu massive PVPP-Behandlung, Schonung der Reduktone • s. o. Oxidationseindruck

Geschmacksstabilität Analytik Problem

Ursache

Maßnahmen/Vermeidung

Abnahme des Schwefeldioxidgehalts im Lagerkeller

• Oxidationsreaktionen, z. B. durch O2- oder H2O2-Belastung aus Desinfektionsmittelrückständen • vorspannen der Tanks mit Luft

• Vermeidung von Reinigungsmittelrückständen in Gefäßen, Leitungen,Ventilen und Pumpen (überprüfen der eingesetzten Reinigungsmittelkonzentrationen, der CIP-Anlage, der Spritzköpfe bzw. Intensivierung der Spülschritte) • CO2-Vorspannung der Tanks

sehr niedriger Schwefeldioxidgehalt im frischen Bier, niedrige Lag-Time

• Hefestamm • Probleme bei Hefe- bzw. Anstelltechnologie • ungeeignete Drauflasstechnik • zu intensive Belüftung

• Einsatz von gärkräftiger Assimilationshefe (20 %) im Gemisch mit vitaler Erntehefe (80 %) • anderer Hefestamm • überprüfen des Drauflasszeitpunktes, evtl. Hefestamm tauschen

rasche Abnahme des Schwefeldioxidgehalts während der Lagerung bzw. natürlichen Alterung des Bieres

• Probleme bei der Abfüllung: Sauerstoffbelastung am Füller, falsch eingestellte HDE, zu viel Luft im Flaschenhals • Qualität der Compoundmasse im Kronkorken (Permeation) • Wahl des Gebindes: Flaschenform, Material (PET) • hoher Gehalt an Prooxidantien

• überprüfen der HDE: Druck, Positionierung, Überschäumstrecke (Feinabstimmung Füller–Verschließer) • Überprüfen der Vorevakuierung • vorspannen mit CO2 • s. o. Oxidationseindruck

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Weizenbier

Weizenbier

249

Weizenbier

1

Einleitung

Anfang der 60er-Jahre lag der bayerische Weizenbierausstoß nicht einmal bei 500.000 hl. Während sich in Norddeutschland eine Trendwende vom Export zum Pils vollzog, konnte in Bayern Weizenbier stetige Ausstoßsteigerungen verbuchen und erreichte im Jahr 2003 erneut einen Rekordausstoß von 8,67 Mio. hl. Weizenbier ist demzufolge mit 36,9 % die Biersorte mit dem größten Ausstoßanteil in Bayern [1]. Der Ausstoßzuwachs ist in den letzten Jahren vor allem in der wachsenden Beliebtheit in den anderen Bundesländern und im Ausland begründet.

2

Technologie der Weizenbierherstellung

2.1

Grundlagen

Zur Herstellung obergäriger Biere sind gemäß des Vorläufigen Biergesetzes Malze aus allen Getreidearten mit Ausnahme von Reis, Mais und Dari zulässig, während für untergärige Biere bekanntlich nur Gerstenmalz verwendet werden darf. Bei der Herstellung von obergärigen Bieren dürfen zusätzlich technisch reiner Rohr-, Rüben- oder Invertzucker sowie Stärkezucker und aus Zucker der bezeichneten Art hergestellte Farbmittel verwendet werden. Bei obergärigen Einfachbieren darf nach Maßgabe der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung Süßstoff zugesetzt werden [2]. Solche Zusätze sind in Bayern und Baden-Württemberg jedoch nicht zulässig. Für Weißbiere ist die Verwendung von Weizenmalz statthaft, der Anteil an der Schüttung muss mindestens 50 % betragen [3]. Mehr als 1000 Weizenbiersorten sind allein in Deutschland auf dem Markt vertreten [4]. Die Vielfalt, der bei Weißbier angewandten Verfahren, trägt zu dieser reichen Bierlandschaft bei. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Verfahren, wobei sich die Zahlen auf die Brauereien und nicht auf die Ausstoßmenge beziehen. So arbeiten viele der ausstoßstärksten Brauereien mit zylindrokonischen Gär- und/oder Lagertanks.

250

Weizenbier Einflussgröße:

Bereich/Verteilung/Häufigkeit der Nennung

Schüttungsanteil (Weizen)

50–100 %

Malzlösung (Kolbachzahl)

35–43 %

Einmaischtemperatur

30–57 °C

Intensität der Eiweißrast

45–58 °C

10–26 min

Intensität der Maltoserast

59–69 °C

10–120 min

Infusion/Dekoktion

bei 60 % Infusion

Maischesäuerung

bei 18 % Maischesäuerung

Trüblauf der Vorderwürze

bei 23 % kein blankes Abläutern

Kochzeit

50–210 min

Kühltrubabtrennung

25 % trennen Kühltrub nicht ab

Gärgefäß

bei bei bei bei

Gärtemperatur

18–25,5 °C

Gärdauer

2,0–7,5 Tage

Speisegabe

bei bei bei bei

Flaschen- bzw.Tankreifung

bei 75 % Flaschengärung bei 25 % Tankreifung

Warmlagerungsphase

16–22 °C

3–7 Tage

Kaltlagerungsphase

4–10 °C

6–18 Tage

Hefegabe zur Nachreifung

bei bei bei bei

KZE

47 % mit KZE 53 % ohne KZE

25 19 25 31

% % % %

Bottich liegender Tank stehender Tank ZKG

42 % als Ausschlagwürze 8 % als Vorderwürze 23 % als untergärige Kräusen 7 % Gemisch aus ober- und untergärigen Kräusen

40 % keine erneute Hefegabe 7 % obergärige Hefe 25 % untergärige Hefe 7 % Gemisch aus ober- und untergäriger Hefe

Tabelle 1: Variation der Herstellungsverfahren bei der Herstellung bayerischer Weizenbiere.

251

Weizenbier Die Auswirkungen dieser sehr unterschiedlichen Verfahrensweisen zeigen sich auch an der Ausstattung mit Aromastoffen. So verfügen Weißbiere nicht nur über höhere Konzentrationen an Aromastoffen, v. a. im Bereich der Gärungsnebenprodukte, sondern auch über größere Schwankungsbreiten. Bieraromastoffe/ höhere Alkohole Propanol-1 2-Methylpropanol-1 2-Methylbutanol-1 3-Methylbutanol-1 Hexanol-1 Heptanol-1 Octanol-1 Decanol-1 2-Phenylethanol Ethylacetat Essigsäure-Isobutylester 3-Methylbutylacetat Essigsäure-Hexylester Essigsäure-Heptylester Essigsäure-Octylester Essigsäure-Furfurylester Essigsäure-2-Phenylethylester Buttersäureethylester Hexansäureethylester Octansäureethylester Decansäureethylester Dodecansäureethylester Isovaleriansäure Hexansäure Octansäure Nonansäure Decansäure 9-Decensäure Dodecansäure γ-Nonalacton 4-Vinylguajakol

Konz. Weißbier mg/l mg/l mg/l mg/l µg/l µg/l µg/l µg/l mg/l mg/l mg/l mg/l µg/l µg/l µg/l µg/l mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l µg/l mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l mg/l µg/l mg/l

15–30 20–60 15–30 40–100 15–50 10–50 10–40 5–20 15–45 10–50 0,05–0,80 0,5–8,0 3,0–15,0 2,0–10,0 1,5–5,0 3,0–20,0 0,2–2,0 0,05–0,20 0,05–0,30 0,10–0,40 0,01–0,05 1,0–5,0 0,20–1,00 1,0–4 2,0–10,0 0,01–0,05 0,10–2,00 0,05–0,30 0,01–0,10 20,0–50,0 0,5–4,0

Tabelle 2: Aromastoffe in Weißbieren und hellen Vollbieren.

252

Durchschnitt Weißbier 21 40 18 61 27 32 15 7,5 31 29 0,25 3,6 6,5 9,4 2,6 8,0 1,0 0,18 0,14 0,21 0,01 2,4 0,35 1,7 4,0 0,01 0,65 0,20 0,04 36,0 2,0

Konz. helles Vollbier 5–20 10–20 10–20 30–50 10–30 10–30 20–40 5–20 10–30 5–20 0,05–0,10 0,5–2,0 3,0–15,0 2,0–6,0 1,0–5,0 10,0–30,0 0,1–0,3 0,05–0,15 0,05–0,30 0,10–0,50 0,01–0,05 2,0–10,0 0,20–1,00 0,5–2,0 2,0–10,0 0,01–0,07 0,10–2,00 0,05–0,20 0,01–0,07 20,0–40,0 0,1–1,0

Durchschnitt helles Vollbier 10 8,8 15 41 24 12 20 3,8 20 9,7 0,05 0,7 3,3 2,2 1,5 10,0 0,25 0,05 0,06 0,15 0,01 2,1 0,30 1,5 4,0 0,01 0,46 0,09 0,03 13,0 0,3

Weizenbier Auf Grund der Ausstattung an Aromastoffen können die Weißbiere in vier Haupttypen eingeteilt werden [5]: estrig, phenolisch, hefig und neutral. Der estrige Typ Weißbier hat eine dominant fruchtige Note, wobei Isoamylacetat (3-Methylbutylacetat) mit seinem bananenartigen Charakter wohl am prägnantesten ist. Weitere positive Eindrücke liefert das 2-Methylbutylacetat, während Hexansäureethylester mit seinem apfelartigen Aroma und das lösungsmittelartige Ethylacetat eher negativ bewertet werden. Der phenolische Typ lässt sich mit einem gewürznelkenartigen Geruch beschreiben. 4-Vinylguajakol ist hierbei der entscheidende Aromastoff, 4-Vinylphenol kann ebenfalls einen positiven Beitrag liefern. Konzentrationen des 4-Vinylguajakols über 4 mg/l werden jedoch oft als unangenehm medizinisch oder apothekenartig bezeichnet. Das hefige Aroma ist eine angenehme Abstimmung einer Vielzahl von Gärungsnebenprodukten, wobei die genaue Zusammensetzung bzw. die Mengenverhältnisse nicht bekannt sind. Auf jeden Fall handelt es sich hierbei um verschiedene Ester und Schwefelverbindungen. Zu den Hauptaromakomponenten der althefigen Note zählen sowohl mittelkettige Fettsäuren (ranzig, Ziegenbock) und kurzkettige Fettsäuren (käsig, schweißig), als auch bestimmte höhere Alkohole (z. B. Heptanol, erdig). Als neutraler Typ werden Weißbiere bezeichnet, die allgemein niedrigere Aromastoffkonzentrationen aufweisen und keine dominierende Aromakomponente besitzen [5, 6, 7, 8].

Additive und synergistische Effekte der Ester Sensorische Bewertung 4,0

Isoamylacetat ~ 4,0 mg/l Ethylacetat < 45 mg/l 3,6

3,5

3,1

3,3

3,3

3,0 2,7

Intensität und Qualität

2,5 2,5 2,3 2,1 2,1

2,0

25 1,5 2,0

45 4,0 Isoamylacetat [mg/l]

Ethylacetat [mg/l]

65 6,0

Abbildung 1: Einfluss von 3-Methylbutylacetat und Ethylacetat auf die Sensorik. 253

Weizenbier Es ist zu beachten, dass höhere Konzentrationen an Aromastoffen nicht zwangsweise zu einer Verstärkung des Aromaeindrucks führen.Vor allem im Bereich der Ester wird Isoamylacetat ab 4,5 bis 6,0 mg/l nicht mehr als angenehm fruchtig empfunden. Ethylacetat kann mit seinem lösungsmittelartigen Charakter die angenehmen Noten ab 45 mg/l unterdrücken und darüber hinaus sogar zu einem leeren Geschmackseindruck führen [9]. Ester und phenolische Komponenten können sich gegenseitig unterdrücken und beeinflussen. Höhere Alkohole ab einer Gesamtkonzentration von über 100 mg/l können ebenfalls einen negativen Einfluss auf den Biercharakter ausüben.

2.2

Rohstoff Weizen und Malzschüttung

Brauweizen im Sinne einer Begriffsgleichheit mit Braugerste existiert nicht, da bisher noch keine züchterischen Anstrengungen erfolgt sind, um die Qualität des Weizens hinsichtlich seiner Braueigenschaften auszurichten. Momentan werden vor allem Weizenchargen mit geringer Backqualität als Rohstoffe zur Weizenmalzerzeugung bevorzugt. Die Einteilung zur Verarbeitbarkeit der Weizenmalze basiert auf der Arbeit von SACHER [10].

Lösungsgruppe

Sorte Extrakt Viskosität EVG Rohprotein Eiweißlösung Technologie Herrmann ++ (+) (+) + prinzipiell jedes (+) Verfahren möglich Dekan + (+) (+) + (–) Skater (+) (+) + + 0 Anthus +++ (+) 0 ++ ++ Gruppe 2: niedrige bis mittlere steigend bei niedViskosität bei hoher Eiweißlösung Maltop +++ + 0 + rigem Weichgrad + Boheme 0 – 0 – + Gruppe 3: hohe Viskosität bei fallend bei hohem Piko + –– ++ 0 0 niedriger bis mittlerer EiweißWeichgrad lösung Greif ++ –– 0 0 0 Ephoros + (-) (-) + ++ Gruppe 4: hohe Viskosität bei keine sinnvolle KomToronto – – 0 + +++ hoher Eiweißlösung pensation möglich Gruppe 1: niedrige bis mittlere Viskosität bei niedriger bis mittlerer Eiweißlösung

Tabelle 3: Einteilung der Weizenmalze in Gruppen je nach Verarbeitbarkeit. Auch die Erkenntnisse zur Analytik des Weizenmalzes (vgl. Kapitel Malz) bedürfen weiterer Forschungsanstrengungen. So werden immer noch die Qualitätsparameter zur Beurteilung von Gerstenmalz herangezogen, auch wenn diese mitunter einem völlig anderen stofflichen Hintergrund entspringen. Viele Kennzahlen der cytolytischen Lösung beziehen sich auf das β-Glucan, während im Weizen die Pentosane eine größere Bedeutung haben. Bei den amyloytischen Kennzahlen ist zu bedenken, dass die fehlende Spelze beim Weizen höhere Extrakte zur Folge hat, während der Endvergärungsgrad im Allgemeinen wegen geringerer α-Amylasenaktivität niedriger ist. Lediglich die proteolytischen Kennzahlen können weitgehend unverändert für die Beurteilung von Weizenmalzen herangezogen werden [11]. Generell ist bei Weizenmalzen der Anteil an hochmolekularem Stickstoff (35–40 %) besonders ausgeprägt. Dies geht auf Kosten der niedermolekularen, assimilierbaren Fraktion.

254

Weizenbier Der Einfluss der Weizenpartie auf die Ester und andere Gärungsnebenprodukte und damit auf das Weizenbieraroma ist nur gering [10]. Einen weitaus größeren Einfluss hat die proteolytische Lösung. Dabei führen niedrige proteolytische Kennzahlen vielfach zu lebhafteren, estrigen Bieren [5]. Der 4-Vinylguajakolgehalt kann jedoch stark durch das Weizenmalz beeinflusst werden, das mitunter sehr hohe Gehalte an Ferulasäure aufweist, der Vorläuferverbindung des 4-Vinylguajakols. Meist finden sich jedoch höhere Konzentrationen an Ferulasäure in Gerstenmalzen. Die Intensität der phenolischen Note kann somit durch den Anteil an Weizenmalzen, insbesondere aber durch das Maischverfahren, eingestellt werden (vgl. Abschnitt 2.3) [9, 13]. Zur Erhöhung der Vollmundigkeit empfiehlt sich ein Zusatz von 3 bis 5 % hellem Karamellmalz oder 0,5 bis 1,0 % dunklem Karamellmalz. In Weißbieren finden sich auch ausgeprägte Dunkelmalznoten, die durch Zusatz der jeweiligen Spezialmalze erzeugt werden [3,12].

2.3

Maischen

Bei der Herstellung hefehaltiger Weizenbiere wird sowohl weiches wie auch mittelhartes bis hartes (10–12 °dH) Brauwasser verwendet [3,12]. Die Verwendung harter Wässer kann aber bei flaschenvergorenen Bieren oder Bieren mit nicht ausreichender Kaltphase vor einer Separation auf Grund der langsamen Ausfällung des Kalziumoxalats die Gushingproblematik verstärken (vgl. Abschnitt 2.8). Das Verhältnis Schüttung zu Hauptguss liegt bei 1 : 3 bis 1 : 4. Die 45-°C-Rast in Kombination mit dem Gersten-/Weizenmalzverhältnis prägt die Ferulasäurefreisetzung und somit die phenolische Note des Bieres. Eine Rast von mindestens 10–15 Minuten ist einzuhalten, um eine deutliche phenolische Note zu erzielen. Das pH-Optimum der Ferulasäurehydrolase beträgt 5,9 bis 6,1. Eine Maischesäuerung unterdrückt daher die Ferulasäurefreisetzung [5, 13, 14].

Dauer der 45-°C-Rast [min] Aromaeindruck

0

10

> 25

phenolisch

1,2

2,1

3,3

estrig

4,1

3,4

2,6

hefig

1,8

2,6

2,8

Tabelle 4: Einfluss der 45-°C-Rast auf die Intensität der Hauptaromanoten. Auf der anderen Seite senkt eine verlängerte 45-°C-Rast die Ausprägung der estrigen Note und steigert die Ausprägung der hefigen Note. Bei Einmaischtemperaturen von 50 °C und anschließender Eiweißrast wird die Ferulasäurefreisetzung unterdrückt. Auch bei Temperaturen unter 40 °C ist die Aktivität der Ferulasäurehydrolase geringer. Nachdem Weizenmalze einen niedrigeren Gehalt an FAN aufweisen (vgl. Abschnitt 2.2) bedarf es jedoch oftmals eines intensiveren Eiweißabbaus, der 255

Weizenbier meist von der Rast für die Freisetzung der Ferulasäure abgedeckt wird. Ein Anteil von ca. 18 % FAN am Gesamtstickstoff ist wünschenswert. Bei knapper Proteolyse des Malzes kann eine gestaffelte Eiweißrast (45/48/52 °C) notwendig sein. Der Einfluss der amylolytischen Rasten ist im Hinblick auf die Gärungsnebenprodukte eher gering, so dass übliche Rasten bei 60–62 °C und 70–74 °C anwendbar sind (vgl. Kapitel Maischen). Wie auch bei untergärigen Bieren kann durch eine 65-°C-Rast eine synergistische Wirkung der α- und β-Amylase erzielt werden. Ein Vergleich von Infusions- mit Dekoktionsverfahren führte zu keiner signifikanten Veränderung des Geschmackes. Als Vorteil des Dekoktionsverfahren ist die tendenziell bessere Kältestabilität der Biere zu sehen [9, 15], auch wurde eine bessere Iodnormalität bei Zweimaischverfahren festgestellt. Maische- und auch Würzesäuerung sind bei Weißbieren eher unüblich, da im Allgemeinen die Intensität der estrigen, phenolischen und hefigen Note unterdrückt wird [5]. Die biologische Säuerung führt zwar zu einer Erhöhung des Estergehalts, wegen der gleichzeitigen stärkeren Bildung von höheren Alkoholen und Ethylacetat kommt es jedoch zu einer Maskierung der positiven Aromen. Maische- und Würzesäuerung führen daher meist zum neutralen Weißbiertyp [9]. Sie können bei sehr hellen, filtrierten Weizenbieren bis zu einem bestimmten Maße wünschenswert sein.

3,4 3,2

3,2

3,2

3,2

3,1

Aromaakzeptanz

3,0

2,8

2,9

2,7

2,9 2,8

2,8

2,7 ohne MS mit MS

2,6 2,4

2,4

2,3

2,2

2,0 phenolischer Geruch

estriger Geruch

hefiger Geruch phenolischer Geschmack

estriger Geschmack

hefiger Geschmack

Sensorische Ausprägung

Abbildung 2: Einfluss der Maischesäuerung auf sensorische Eigenschaften (MS = Maischesäuerung).

256

Weizenbier Dagegen ist die Esterbildung beim Brauen mit hoher Stammwürze intensiver [5]. Auch mit dem speziellen Maltaseverfahren (vgl. Kapitel Maischen), bei dem die Glucosekonzentration auf Kosten der Maltosekonzentration erhöht wird, kommt es zu einer deutlich höheren Esterbildung. Dabei ist die Anreicherung des 3-Methylbutylacetats gegenüber dem Ethylacetat als besonders positiv zu vermerken.Vor allem Hefen mit geringer Esterbildung sprechen typischerweise mehr auf die Veränderung des Zuckerspektrums an [16]. Diese etwas aufwändigeren Verfahren sind für Brauereien mit klassischen Gärbottichen und bis zu einem gewissen Grad auch für Brauereien mit Flaschengärung nicht notwendig, da eine Erhöhung der estrigen Note auch mit den klassischen Parametern der Gärung und Reifung zu erreichen ist (vgl. Abschnitt 2.5 und 2.6).

2.4

Würzekochung

Bei der Herstellung trüber Weizenbiere wird eine moderate Kochung empfohlen, um ausreichende Mengen trübungsrelevanter Eiweißstoffe zu behalten. Andererseits ist bei Kristallweißbieren jedoch aus Gründen der Klärung eine längere Kochung anzuraten [3,12]. Die Dosage der α-Säuren in Höhe von 30–40 mg/l erfolgt im Normalfall zu Beginn der Kochung. Lediglich in einigen Weißbierspezialitäten wird durch eine späte Aromahopfengabe (z. B. 50 % des EBC-Bitterwertes) auf ein Hopfenaroma Wert gelegt (vgl. Kapitel Hopfen). Die Hopfung der Weißbiere spielt aber eher eine untergeordnete Rolle, die EBC-Bitterwerte bewegen sich in der Regel zwischen 8 und 15. Wegen der intensiven Aromaausstattung der Weißbiere ist ein Hopfenaroma nicht üblich.

2.5

Gärung

Die Hefegabe beträgt üblicherweise 2–4 Mio. Zellen/ml. Die Gärtemperatur der Hauptgärung bewegt sich im Bereich von 15 bis 22 °C, bei einer Anstelltemperatur von 15 °C werden Temperaturen von 18 bis 22 °C erreicht [3]. Höhere Gärtemperaturen fördern die Ausbildung eines estrigen Aromas [17]. Allerdings kann auch hier eine zu hohe Konzentration an Estern mit den bereits erwähnten negativen synergistischen Effekten erreicht werden.Temperaturen über 24 °C sind allerdings zu vermeiden, da dies die Hefeautolyse verstärkt. Eine höhere Anstellzellzahl führt oftmals zu erhöhter Esterproduktion. Niedrige und sehr hohe Belüftungsraten können zur Erhöhung der Esterproduktion führen. Auch der Hefestamm spielt eine Rolle [5, 8]. Die phenolische Note wird durch die Wahl des Hefestammes und durch den Ferulasäuregehalt der Würze beeinflusst, jedoch kaum durch Variation der Gärparameter [5, 8]. Die Auswahl des Hefestammes (Abbildung 3) ist also mitbestimmend für die Ausprägung des Aromas, allerdings haben die Hefetechnologie und der Hefezustand (Viabilität und Vitalität) einen ebenfalls großen Einfluss (vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung). 257

Weizenbier Hefestamm undAromabildung Aromabildung Hefestamm und 50 43

3,5 3,0

40

37

2,9

2,9 2,5

35 30

26

2,3 2,0

25 1,5

20

1,5

15

1,0

10

Konzentration [mg/l] Konzentration [mg/l]

Konzentration [mg/l] Konzentration [mg/l]

45

45

0,5

5 0

0,0 68

127

149

175

Hefestamm Hefestamm

Essigsäureester

4-Vinylguaiakol

Abbildung 3: Hefestamm und Aromabildung [8].

Die Tankgeometrie und die unterschiedlichen Höhen der Gärgefäße haben einen starken Einfluss auf die Aromabildung. So ist die Aromabildung in Gärbottichen am intensivsten und fällt bei liegenden, stehenden und insbesondere bei zylindrokonischen Tanks immer stärker ab (Abbildung 4). Für die Verminderung der Aromastoffe ist vermutlich der erhöhte CO2-Partialdruck in den tieferen Schichten hoher Tanks verantwortlich. CO2 inhibiert direkt die Pyruvatdecarboxylase und hat somit geringere Acetyl-S-CoA-Konzentrationen und daher weniger Acetatester zur Folge. Indirekt kann es aber über die Hemmung des Fettsäurestoffwechsels die Bildung der Alkoholacetyltransferasen und somit auch von Acetatester verringern. Auch die phenolische Note wird in zylindrokonischen Gärtanks, wenn auch in geringerem Maße, reduziert [18, 19, 20, 21]. Bei Einsatz von Assimilationshefe in einer ZK-Gärung erbringt die erste Führung günstige Gehalte an höheren Alkoholen und Estern sowie auch an 4-Vinylguajakol. Bei der zweiten Führung tritt bereits eine Verringerung der Werte an diesen Substanzen ein; bei der dritten und den folgenden Führungen verlieren die Biere an Charakter, sie werden leer und hart, das Aroma wird durch Apfelester bestimmt. Die Hefeernte erfolgt bei klassischen Gärbottichen durch ein meist mehrfaches Abheben der Gärdecke oder einen seitlichen Ablauf, während in zylindrokonischen Gärtanks die Ernte aus dem Konus erfolgt [3]. Die für die Reifung benötigte Hefemenge wird über eine Jungbierzentrifuge (z.T. Bypass), gelegentlich durch partielle Filtration, eingestellt.

258

Weizenbier

5,5 5,1 5,0

Konzentration [mg/l] Konzentration [mg/l]

4,5 4,0

3,7 3,5

Isoamylacetat 4-Vinylguajakol

3,5 3,0 2,5 2,5

2,4

2,3

2,0 1,6

1,7

1,5 1,0 Bottich

Tank liegend

Tank stehend

ZKG

Gärgefäß Gärgefäß

Abbildung 4: Einfluss des Gärgefäßes auf den 4-Vinylguajakol- und Isoamylacetatgehalt.

2.6

Reifung

Bei klassischen Flaschengärverfahren erfolgt die Reifung zunächst bei hohen Temperaturen (15–20 °C, 1 Woche). Daran schließt sich eine Kaltphase von etwa 2 Wochen bei Temperaturen von 10 bis 12 °C oder darunter an. Bei Tankreifungsverfahren kommt eine ähnliche Prozessführung zur Anwendung, die Kaltreifung erfolgt aber bei deutlich niedrigeren Temperaturen (bis –1 °C). Um die benötigte CO2-Menge einzustellen, wird entsprechend Extrakt durch Speisegabe, Kräusengabe oder durch eine erhöhte Extraktdifferenz zugeführt. Die für die Reifung verwendete Hefe entstammt entweder der Hauptgärung (Einstellung durch Zentrifugation und Bypass) oder wird nachträglich durch Zusatz von Reinzuchthefe oder Kräusen zugeführt [3]. Gelegentlich werden auch untergärige Hefen oder Hefegemische dosiert, wobei die Aromabildung meist nicht so intensiv ist. Wie auch bei der Gärung führen höhere Temperaturen bei der Warmphase der Reifung zu einer Erhöhung der Estergehalte. Auch die Dauer der Warmphase fördert die Ausprägung des Aromas [5]. Allerdings ist bei hohen Temperaturen auch die Gefahr einer stärkeren Hefeautolyse gegeben, eine mehr als 7 Tage andauernde Warmphase ist daher zu vermeiden. Generell führt die Reifung in der Flasche zu einer höheren Aromastoffausbeute als im Tank, allerdings können durch geeignete Wahl von Temperatur und Hefemenge auch bei Tankreifung noch hohe Werte erreicht werden [5]. 259

Weizenbier Die Form der Extraktzuführung für die Nachreifung hat nur einen geringen Einfluss auf die Ausbildung der estrigen Note. Durch Zugabe von Speise kann jedoch die Konzentration des 4-Vinylguajakols nochmals leicht erhöht werden, da hierdurch noch nicht umgesetzte Ferulasäure zugeführt wird [9].

2.7

Alterung des Weißbieres

Die Alterung des Weißbieres ist durch drei prinzipielle Vorgänge gekennzeichnet: Abbau aromapositiver Substanzen: Die Ester [22], die phenolischen Komponenten und das frische Hefearoma, aber auch das Malzaroma können auftretende Alterungsaromen maskieren. Je höher die Konzentration der aromapositiven Substanzen ist, desto länger kann ein Weißbier frisch erscheinen. Der Abbau bzw. die Umsetzung dieser Substanzen wird durch Sauerstoff,Temperatur, lebende Hefe und vor allem geschädigte Hefe forciert. Hefeautolyse/Althefegeschmack: Die Alterung der Hefe ist der am häufigsten beanstandete Fehler bei Weißbieren [23]. Hierbei entsteht zuerst ein dumpfer, schweißig-käsiger bis erdiger „Off-Flavour“ (kurzkettige Fettsäuren wie 3-Methylbuttersäure, aber auch höhere Alkohole wie Heptanol), der je nach Ausgangssituation bereits nach drei Monaten sein Maximum erreichen kann [24]. Der Autolysegeruch nimmt im weiteren Verlauf meistens wieder ab, stattdessen tritt ein unangenehmer Geschmack (Hefebittere) immer stärker in Erscheinung. Um diesem Fehler entgegenzuwirken, sind folgende Maßnahmen zu ergreifen: Einsatz von hochvitalen Hefen bei der Tank- und Flaschengärung, maximal 1 Mio. Zellen/ml in der Flasche, Einsatz von KZE (unbedingt in Kombination mit vitaler Hefe!),Vermeidung eines Sauerstoffeintrags (HDE auch bei Flaschengärung). Entstehung alterungstypischer Aromen: Die Oxidations-, Cardboard-, Schwarze-Johannisbeere- und Sherrynoten, wie sie aus untergärigen Bieren bekannt sind, entstehen auch in Weißbieren. Allerdings sind sie in Weißbieren weniger auffällig, da sie zumeist von aromapositiven Substanzen maskiert werden oder der Althefe-/Autolysegeschmack dominiert. Im neutralen Typ können sie jedoch eher in Erscheinung treten. Die Bestimmung der Alterungskomponenten ist aber in Weißbieren dennoch ein wichtiges Kriterium zur Einschätzung des Alterungszustandes. Allerdings erfolgt bei der Flaschengärung zunächst in Folge der lebenden Hefe eine Reduktion der Alterungscarbonyle, bevor nach etwa 1–2 Monaten der übliche Anstieg der Alterungskomponenten einsetzt (vgl. Kapitel Geschmacksstabilität).

2.8

Besonderheiten der Weißbierherstellung

Aufhärtung: Zur Gushingprophylaxe werden die Wässer häufig mit Kalziumchlorid (meist ca. 50 g/hl) aufgehärtet, um überschüssige Oxalsäure im Produktionsprozess als Kalziumoxalat auszufällen. Dies ist aber nur sinnvoll, wenn eine ausreichende Kaltphase vor der Separation vorhanden ist. Andernfalls erfolgt die Ausfällung und damit eine Erhöhung des Gushingproblems bei kühlgelagerten Flaschenbieren zu einem späteren Zeitpunkt.

260

Weizenbier Kurzzeiterhitzung: Die Kurzzeiterhitzung wirkt sich stabilisierend auf die Geschmacks- und Schaumstabilität aus, da sowohl Autolyseenzyme als auch Proteasen inaktiviert werden. Voraussetzung ist aber der Einsatz von vitalen Hefezellen, da ältere Hefezellen u. U. den Belastungen der KZE nicht gewachsen sind, aufplatzen und somit die Zellinhaltsstoffe an das Medium abgeben.

2.9

Trübungsstabilität Weizenbier

Die Trübung spielt bei Weizenbieren als visuelles Qualitätsmerkmal eine besondere Rolle, wobei insbesondere schwankende Trübungsintensitäten bei Fassbier immer wieder zu Problemen führen. Die Trübungsstabilität hängt in hohem Maße von der Partikelgrößenverteilung, insbesondere der Partikel < 1 µm, ab. Dabei sollte der Anteil der Partikel < 1 µm Werte von 1,2 µl/100 ml, besser 2 µl/100 ml, im fertigen Bier erreichen, um auch nach einem Zeitraum von mehr als drei Monaten eine ausreichende Trübung (> 30 EBC) gewährleisten zu können [25]. Im laufenden Betrieb kann die Beurteilung der Trübungsstabilität durch eine Streulichtmessung (90°/25°) im hefefreien Bier (Kontrolle durch Mikroskop) durchgeführt werden. Trübungsstabile Weizenbiere zeigen eine starke Annäherung des 90°- und des 25°-Wertes [26], wobei in diesem Zusammenhang hohe Werte der Streulichtmessung (> 60 EBC bei 12 °C) auch eine gute Trübungsstabilität zur Folge haben. Ein Verhältnis von 1 : 2 (90°/25°-Wert) in der Streulichtmessung weist dagegen auf ein schnelles Ausklaren und auf eine niedrige Trübungsstabilität hin. Technologisch kann die Trübungsstabilität durch eine KZE (gleichzeitig Abnahme des koagulierbaren Stickstoffs!) und durch die Zugabe von Hefebier positiv beeinflusst werden. Der Anteil von Hefebier bei einer Zugabe im Kaltbereich kann bis zu 10 Vol.-% betragen, ohne dass die sensorischen Eigenschaften signifikant beeinflusst werden [27]. Lange Lagerzeiten der Weizenbiere bei niedrigen Temperaturen sowie der Einsatz von Hochleistungsseparatoren neuerer Bauart zur Hefeabtrennung begünstigen das Ausklaren der Biere bzw. die Entfernung von trübungsrelevanten Partikeln und haben damit einen negativen Einfluss auf die Trübungsstabilität.

3

Zusammenfassung

Weizenbiere werden auf Grund ihrer Aromaausstattung in vier Haupttypen eingeteilt: estrig, phenolisch, hefig und neutral. Die Esterbildung wird hauptsächlich durch die Gärparameter, das Gärgefäß und den Hefestamm bestimmt. Dabei werden höhere Estergehalte u. a. mit höheren Gärtemperaturen erzielt, während die Höhe der Gärtanks (zylindrokonische Gärtanks) einen dämpfenden Einfluss ausübt. Auch die Sudhausarbeit kann zur Steuerung der Estergehalte beitragen. Für die phenolische Note erweisen sich der Weizenmalzanteil an der Schüttung, die Dauer der 45-°C-Rast, der Hefestamm und in geringerem Umfang die Geometrie der Gärgefäße als ausschlaggebend. Die hefige Note wird vor allem durch die Anzahl der Zellen in der Flasche, den Hefestamm und die

261

Weizenbier Temperatur während der Hauptgärung bestimmt. Neutrale Weizenbiere zeichnen sich durch eine moderate Aromastoffausstattung aus. Die Alterung des Weizenbieres ist durch drei prinzipielle Vorgänge gekennzeichnet: den Abbau positiver Aromakomponenten, die Ausbildung eines Althefe-/Autolysegeschmacks und die Entstehung alterungsrelevanter Aromastoffe. Vor allem durch die konsequente Vermeidung der Sauerstoffaufnahme im gesamten Produktionsprozess, die Verwendung vitaler Hefen, die Anwendung von KZE und durch geringe Zellzahlen in der Flasche kann den sensorisch wahrnehmbaren Veränderungen während der Alterung wirksam begegnet werden.

4

Überblick

Abbildung 5 gibt einen Überblick zu den Haupteinflussfaktoren der Weißbieraromabildung.

Weißbieraroma – Haupteinflussfaktoren proteolytische Verhälnisse

Maische-/Würzesäuerung

40- bis 45-°C-Rast, pH 5,9–6,1

Stammwürze1

Rohstoffauswahl

Säuerung!

Nachreifung: Restextrakt/Speise

Zuckerzusammensetzung2 Aromen beeinflussen sich

estrig Hefestamm

Zellzahl

Vitalität

Temperatur

Viabilität

Belüftung

phenolisch

gegenseitig Gärgefäße

Gärgefäße

Hefestamm

neutral, moderat in allen Aromen

Zellzahl in der Flasche! Gärgefäße Hefestamm Vitalität 1

High-Gravity

2

Maltaseverfahren

hefig

Viabilität

Abbildung 5: Haupteinflussfaktoren der Weißbieraromen.

262

Zellzahl Temperatur Belüftung

Weizen-/Gersteverhältnis

Weizenbier Die Tabellen 5–7 erläutern Abbildung 5.

Estrige Note Parameter

Ursache

Wirkung

proteolytische Verhältnisse

Beeinflussung des Hefestoffwechsels durch FAN

bis zu ca. 20–22 mg/100 ml FAN Senkung der estrigen Note

Maische-/ Zuführung von Wuchsstoffen überproportionale Bildung von Ethylacetat Würzesäuerung (z. B. Zink) und höheren Alkoholen, dadurch Senkung der estrigen Note Stammwürze

Beeinflussung des Hefestoffwechsels

überproportionale Esterbildung bei erhöhter Stammwürze

Zuckerzusammensetzung

Verschiebung des diauxischen Punktes

verstärkte Esterbildung mit erhöhtem Glucoseanteil

Gärgefäße

Beeinflussung des Hefestoffwechsels

Unterdrückung der Esterbildung mit zunehmender Tankhöhe und mehrfacher Verwendung der Hefe

Zellzahl

Veränderung des Faktors Sauerstoff/Zelle

häufig erhöhte Esterbildung mit erhöhter Anstellzellzahl

Temperatur

Beeinflussung des Hefestoffwechsels

erhöhte Esterbildung mit erhöhter Gärtemperatur

Belüftung

Veränderung des Faktors Sauerstoff/Zelle

häufig erhöhte Esterbildung mit niedriger und sehr hoher Belüftung

Viabilität und Vitalität

Beeinflussung des Hefestoffwechsels, Veränderung des Faktors Sauerstoff/Zelle

Veränderung der tatsächlichen Anstellzellzahl (s. o.) durch niedrige Viabilität, oft erhöhtes Esterbildungsvermögen mit späteren Führungen

Hefestamm

unterschiedliche Reaktion auf Gärungsparameter

erhöhte oder verringerte Esterbildung je nach Stamm

Tabelle 5: Estrige Note.

263

Weizenbier Phenolische Note Merkmal

Ursache

Wirkung

40- bis 45-°CRast, pH 5,9–6,1

Beeinflussung der Ferulasäurehydrolase

lange Rasten beim pH-/Temperaturoptimum der Ferulasäurehydrolase erhöhen den Ferulasäure- und somit den 4-Vinylguajakolgehalt

Rohstoffauswahl/ unterschiedliche Gehalte der Weizen-/ Rohstoffe an Ferulasäure Gersteverhältnis

meistens führt die Erhöhung des Gerstenmalzanteils zur Erhöhung des 4-Vinylguajakolgehalts

Gärgefäße

Beeinflussung des Hefestoffwechsels

geringe Senkung der 4-Vinylguajakolbildung mit zunehmender Tankhöhe und mehrfacher Verwendung der Hefe

Hefestamm

Beeinflussung des Hefestoffwechsels

erhöhte oder verringerte 4-Vinylguajakolbildung je nach Stamm

Tabelle 6: Phenolische Note.

Hefige Note Merkmal

Ursache

Wirkung

Zellzahl in der Flasche

Anzahl der Zellen

je größer die Zellzahl in der Flasche, desto größer die Ausprägung des hefigen Aromas

Hefestamm, Vitalität, Viabilität

Auswahl des Hefestammes, Zustand der Hefe

Unterschiedlich starke Ausprägung des hefigen Aromas in Abhängigkeit von Stamm, Vitalität und Viabilität. Geringe Vitalität verstärkt die Autolyseproblematik.

Gärgefäße

Beeinflussung des Hefestoffwechsels

geringe Senkung der hefigen Note mit zunehmender Tankhöhe

Dauer der Reifung

überlange Reifungszeiten bei zögerlichem Abbau des 2-Acetolactats

unangenehm hefige oder sogar seifige Note

Temperatur und Belüftung

Beeinflussung des Hefestoffwechsels

je höher/mehr, desto intensiver ist die Gärung und die Ausprägung des hefigen Aromas

Tabelle 7: Hefige Note. 264

Weizenbier

5

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Alkoholfreies Bier

Alkoholfreies Bier

267

Alkoholfreies Bier

1

Einleitung

Alkoholfreie Biere erfreuen sich auf Grund ihrer biertypischen Eigenschaften und ihres geringen Alkoholgehalts als Genuss- und Lebensmittel einer großen, weltweit sogar noch wachsenden Beliebtheit. Ihr Anteil am Bierausstoß in Deutschland lag 2006 bei etwa 2,6 % [1]. In Deutschland dürfen Biere mit einem Alkoholgehalt von weniger als 0,5 Vol.-% als alkoholfrei bezeichnet werden. In anderen Ländern, insbesondere im arabischen Raum, besteht die Forderung nach einem Alkoholgehalt von unter 0,05 Vol.-%. Alkoholfreie Biere sind in Deutschland von der Biersteuer befreit. Zudem sind die Vorgaben zur Kennzeichnung dieser Biere in vielen Ländern deutlich großzügiger geregelt als bei alkoholhaltigem Bier [2, 3]. Das Konsumenteninteresse an alkoholfreiem Bier beruht hauptsächlich auf dem Kalorienbewusstsein, der restriktiven Verkehrsgesetzgebung und dem auch in den Arbeitsschutzbestimmungen begründeten Alkoholverbot am Arbeitsplatz. Dem Restalkoholgehalt alkoholfreier Biere konnte in einer Reihe von Untersuchungen keinerlei abträgliche physiologische oder pharmakologische Wirkung nachgewiesen werden [4]. Alkoholfreies Bier, das nach dem Verfahren der gestoppten Gärung hergestellt wurde, ist gewöhnlich isotonisch oder leicht hypotonisch und kann somit als funktionelles Getränk, z. B. für Sportler1, bezeichnet werden [5, 6, 7, 8]. Für die Herstellung von alkoholfreiem Bier haben sich verschiedene technologische Verfahren etabliert. Das Grundproblem aller Anwendungen ist, dass Alkohol wesentlich zum Geschmack des Bieres beiträgt. Ein alkoholfreies Bier wird daher keine vollständige Äquivalenz zum Ausgangsbier erreichen können. Aus diesem Grund ist es bei dessen Herstellung von Vorteil, eine andere Rezeptur als für das Stammbier zu verwenden und weitere technologische Anpassungen vorzunehmen. Die nachstehend beschriebenen Verfahren kommen auch bei der Herstellung so genannter alkoholarmer Biere und teilweise auch bei der Herstellung von Diätbier zum Einsatz.

2

Verfahren zur Herstellung alkoholfreier Biere

Die Herstellungsverfahren für alkoholfreie Biere können in zwei Hauptgruppen unterteilt werden: die physikalischen und die biologischen Verfahren. Während bei den physikalischen Verfahren der Gärungsalkohol dem abgegorenen Bier nachträglich entzogen werden muss, ist man bei den biologischen Verfahren bestrebt, die Entstehung des Alkohols in bestimmten Grenzen zu halten bzw. zu unterdrücken. Das angewandte Verfahren hat dazu großen Einfluss auf die Produkteigenschaften und die Herstellungskosten [9, 10].

2.1

Physikalische Verfahren

Zur Reduktion des Alkohols aus vergorenem Bier kommen hauptsächlich thermische Verfahren, wie z. B. die Vakuumdestillation, oder Membrantrennverfahren, wie z. B. die Umkehrosmose oder Dia1

268

Alkoholfreies Bier ist offizielles Getränk der deutschen Fußballnationalmannschaft und deutscher Auswahlmannschaften.

Alkoholfreies Bier lyse, zur Anwendung. Das Betreiben einer Destillationsanlage bringt die Brauerei in die Rechtsstellung einer Brennerei ohne Brennrechte. Die Errichtung und der Betrieb dieser Anlagen sind vom Betreiber beim zuständigen Hauptzollamt anzumelden [11].

2.1.1

Thermische Entalkoholisierung

Die Destillation und die Rektifikation von Alkohol-Wasser-Mischungen sind thermische Trennverfahren mit den Grundoperationen Verdampfen und Kondensieren. Dabei reichern sich leichter siedende Komponenten im Gasraum und schwerer siedende Komponenten in der Flüssigkeit an. Die Anwendung von Unterdruck erniedrigt den Siedepunkt des Flüssigkeitsgemisches (Abbildung 1). Die thermische Belastung des Bieres wird dadurch stark vermindert. Für die thermische Entalkoholisierung von Bier werden fast ausschließlich Vakuumdestillationsanlagen eingesetzt, die bei 60–200 mbar absolutem Druck im Bereich von 37 bis 60 °C arbeiten [12, 13].

100

Temperatur Temperatur [°C] [°C]

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0

50

100

150

200

250

300

Dampfdruck [mbar] Dampfdruck [mbar]

Abbildung 1: Dampfdruckkurve von Wasser. Der Restalkoholgehalt ist umso geringer, je stärker das Bier eingedampft wird. Die Stofftrennung ist aber nicht nur abhängig vom Siedegleichgewicht, sondern auch von der Kinetik des Stofftransports zur Phasengrenzfläche. Für die Vakuumverdampfung werden hauptsächlich Dünnschichtverdampfer mit mechanisch erzeugten Dünnfilmen oder Fallstromverdampfer eingesetzt. Die Konstruktion des Verdampfers beeinflusst die Zusammensetzung des entstehenden Brüdens und somit auch die notwendige Abdampfrate [12, 14]. Bei der einfachen Destillation mittels Dünnschicht- oder Fallstromverdampfer werden üblicherweise Abdampfraten zwischen 40 und 60 % benötigt, um den Alkoholgehalt des Bieres auf unter 0,5 Vol.-% abzusenken. Wird der Verdampfer mit einer Rektifikationskolonne kombiniert, können bei Abdampfraten zwischen 6 und 10 % Alkoholgehalte von unter 269

Alkoholfreies Bier 0,05 Vol.-% im Endprodukt erreicht werden. Die gegenüber der einfachen Destillation deutlich höhere Trennleistung der Rektifikation resultiert aus dem so genannten Verstärkerprinzip (mehrfacher Phasenübergang im Gegenstrom mit Dampf-Flüssigkeits-Gemisch) [14, 15].

Rel.Konzentration Konzentration [% [% vom vom Ausgangsbier] Ausgangsbier] rel.

Im Bier liegt neben den Hauptgärungsprodukten Ethanol und CO2 eine Vielzahl anderer flüchtiger Verbindungen vor, die mit in das Destillat überführt werden oder über die Vakuumpumpe austreten. Obwohl die meisten flüchtigen Aromastoffe einen höheren Siedepunkt als Ethanol aufweisen, haben sie bei den durch Gärung erzielten Ethanolgehalten einen Rektifikationsquotienten größer als 1, das heißt, sie reichern sich stärker in der Gasphase an als Ethanol [13, 14, 17, 18]. Das Abdampfverhalten einiger wichtiger Bieraromastoffe bei der Vakuumdestillation (einfache Destillation) ist in nachstehender Abbildung 2 dargestellt. 120 Ethanol Propanol Ethylacetat 3-Methylbutanol 2-Methylbutanol 3-Methylbutylacetat 2-Methylbutylacetat

100 80 60 40 20 0 0

5

10

15

Zeit [min] [min] Zeit

Abbildung 2: Aromastoffe bei der Vakuumverdampfung von Bier. Aus dem Verhalten der Aromastoffe lässt sich ableiten, dass die höchsten Gehalte an Aromastoffen in vakuumverdampften Bieren dadurch erreicht werden, dass die Entalkoholisierung sehr weitgehend erfolgt und ein nachfolgender Verschnitt mit Ausgangsbier bis 0,5 Vol.-% vorgenommen wird. Eine moderne Entalkoholisierungsanlage mit Fallstromverdampfer und Rektifikationskolonne zeigt Abbildung 3. Das Bier wird zunächst in einem Plattenwärmetauscher (W1) auf eine Temperatur nahe seinem Siedepunkt (bei Betriebsdruck) erhitzt und in einem Entgaser (E) von einem Großteil des CO2 befreit. Anschließend wird das Bier auf die Abtriebssäule einer Rektifikationskolonne (R) geführt. Bei einer Temperatur von 40 bis 50 °C fließt das Produkt von Boden zu Boden, wobei entgegenströmende Brüden unter ständiger Verdampfung und Kondensation zu einer selektiven

270

Abbildung 3: Verfahrensschema zur SIGMATEC-Entalkoholisierungsanlage (Quelle: API Schmidt-Bretten GmbH & Co KG, Bretten/Deutschland [19]).

SIGMATEC-Entalkoholisierungsanlage

Alkoholfreies Bier

271

Alkoholfreies Bier Abtrennung des Alkohols führen.Vom Kolonnensumpf wird das alkoholreduzierte Produkt in einen Fallstromverdampfer (F) geleitet. Dort werden die für den Rektifikationsprozess erforderlichen Brüden erzeugt und in die Kolonne zurückgeführt. Das entalkoholisierte Bier wird im Plattenwärmetauscher (W1 + W2) abgekühlt und aus der Anlage gepumpt. Die alkoholreichen Brüden gelangen nach Durchströmen der Abtriebssäule in eine Verstärkersäule (R). Dort können sie auf einen Alkoholgehalt von über 80 Vol.-% aufkonzentriert werden. Die über die Vakuumpumpe austretenden Gase werden in einer Aromarückgewinnungsanlage mit Brauwasser gewaschen. Der alkoholarme Aromaextrakt kann zum nachträglichen Rückverdünnen und Aromatisieren des entalkoholisierten Bieres eingesetzt werden. Eine Dünnfilmverdampfung kann mittels Fallstromverdampfer, durch eine Zentrifuge (CentriTherm) oder durch eine rotierende Kegelsäule (Spinning Cone Column) dargestellt werden. Alle Systeme arbeiten im Vakuum. Bei einer sehr weitgehenden Entalkoholisierung (> 99 %) werden dem Bier viele seiner Aromastoffe praktisch vollständig entzogen. So werden die meisten Ester und leichtflüchtigen höheren Alkohole, aber auch DMS bis unter die Nachweisgrenze reduziert (Tabelle 1).Wenig verändert zeigen sich schwerer flüchtige Substanzen, wie z. B. Diacetyl, mittelkettige Fettsäuren sowie die höheren Alkohole Phenylethanol und Furfurylalkohol. Auch wenn von einer gewissen Nachbildung der Alterungskomponenten auszugehen ist, tritt bei der Vakuumverdampfung eine teilweise Reduktion der Alterungscarbonyle auf. Die vakuumverdampften Biere weisen gegenüber dem Ausgangsbier eine leichte Farbzunahme (0,5–1,5 EBC) und eine nur geringe Abnahme an Bitterstoffen (1–2 EBC) auf. Der wirkliche Extrakt nimmt entsprechend der Abdampfrate (etwa 7 %) leicht zu. Der pH-Wert des entalkoholisierten Bieres liegt um etwa 0,1–0,2 Einheiten höher als das Ausgangsbier, was auf den Verlust von flüchtigen organischen Säuren und CO2 zurückzuführen ist. Die Schaumeigenschaften des Bieres verändern sich kaum. Die Trübungszunahme liegt in der Regel unter 1 EBC. Dazu bedarf es aber gut stabilisierter Ausgangsbiere und einer sehr sauerstoffarmen Arbeitsweise. Problematisch können Biere sein, die aus einer Mischung von vergorenem und unvergorenem Bier hergestellt wurden und vor der Entalkoholisierung verschnitten werden. Durch den Entkarbonisierungsschritt wird das Bier stark aufgeschäumt. In den Schaumblasen lagern sich dabei vermehrt Eiweiß- und Polyphenolverbindungen an, die zu trübungsbildenden Partikeln reagieren. Besser ist es, nur das vergorene Bier zu entalkoholisieren und die Mischung danach herzustellen oder die Entalkoholisierung mit Unfiltrat durchzuführen und dann das Bier zu filtrieren. Die sensorischen Eigenschaften des Bieres ändern sich bei der thermischen Entalkoholisierung deutlich. Gegenüber dem Ausgangsbier ist ein starker Verlust an Aroma,Vollmundigkeit und Rezenz festzustellen. Auch das Aromaprofil ist verändert und es treten weniger erwünschte Aromaeindrücke, wie z. B. brot-, würze- und karamellartig, in den Vordergrund. Bemerkt wird mitunter auch das Auftreten eines Fettsäurengeschmacks (z. B. „Ziegenbock“-Geschmack). Die sensorische Qualität vakuumverdampfter Biere genügt in der Regel aber den normalen Ansprüchen an ein alkoholfreies Bier [20].

272

Alkoholfreies Bier Aromastoffe

Nullbier

Konzentrat

AfB

Vol.-%

5,5

0,03

0,45

Acetaldehyd

mg/l

10,2

2,1

3,3

Propanol-1

mg/l

25,5

Sp.

3,6

Ethylacetat

mg/l

21,7

Sp.

1,7

Isobutanol

mg/l

25,5

Sp.

3,6

Isoamylacetat

mg/l

2,7

n. n.

0,2

3-Methylbutanol

mg/l

82,3

0,3

12,1

2-Methylbutanol

mg/l

25,7

0,1

3,2

Phenylethanol

mg/l

39,7

42,0

40,1

Furfurylalkohol

mg/l

3,5

2,8

3,0

Diacetyl

mg/l

0,1

0,1

0,09

DMS

µg/l

86

n. n.

10

Hexansäure

µg/l

1089

812

835

Octansäure

µg/l

2578

1987

2086

Decansäure

µg/l

423

173

186

Dodecansäure

µg/l

21

16

18

Alterungskomponenten

µg/l

67

32

36

Alkohol

Tabelle 1: Aromastoffe bei der Entalkoholisierung von Bier mit einer SIGMATEC-Entalkoholisierungsanlage (API Schmidt-Bretten GmbH & Co KG, Bretten/Deutschland).

Merkliche sensorische Verbesserungen ergeben sich, wenn diese Biere mit einem Teil des unbehandelten Bieres bis zum maximal zulässigen Alkoholgehalt von 0,5 Vol.-% verschnitten werden. In einigen Brauereien wird hierzu auch der gewonnene Aromaextrakt der Entalkoholisierungsanlage verwendet. Weitere Nachbehandlungsverfahren sehen vor, dem entalkoholisierten Bier ein separat vergorenes aromatisches Bier zuzugeben. Auch die Zugabe von frischer Hefe (Hefekontakt) und insbesondere ein Aufkräusen des entalkoholisierten Bieres machen sich positiv in Geruch und Geschmack der alkoholfreien Biere bemerkbar. Weitere Qualitätsverbesserungen lassen sich durch Anpassung der Rezeptur des Stammbieres erreichen. Neben dem Einsatz von Spezialmalzen bietet sich auch hier der Einsatz eines Maischverfahrens zur Reduzierung des Vergärungsgrades an.Weitere Vorteile ergeben sich durch eine CO2-Wäsche des entalkoholisierten Bieres.

273

Alkoholfreies Bier 2.1.2 Extraktion mit CO2 Eine Extraktion mittels Kohlendioxid wird meist in zwei Stufen durchgeführt [22]. In der ersten Stufe wird mittels flüssigem CO2 bei 125 bar ein Aromaextrakt genommen. In der zweiten Stufe erfolgt mittels überkritischem CO2 bei 250 bar die Extraktion des Ethanols. Bei einer kontinuierlichen Extraktion muss das Ethanol aus dem gasförmigen CO2 separat entfernt werden. Dieses Verfahren ist besonders bei der Entalkoholisierung von Wein in Verwendung.

2.1.3

Membrantrennverfahren

Zur Entalkoholisierung von Bier hat sich die Diffusion durch geeignete Membranen weitgehend durchsetzen können.Von besonderer Bedeutung sind dabei die Umkehrosmose und die Dialyse. Bei der Umkehrosmose wird die treibende Kraft der Stofftrennung durch Überschreitung des osmotischen Druckes erzeugt. Bei der Dialyse findet die Stofftrennung auf Grund eines Konzentrationsgefälles statt (Diffusion). Die Zusammensetzung des entalkoholisierten Bieres ist abhängig von der Zusammensetzung des Ausgangsbieres, von der Selektivität der Membran gegenüber bestimmten Bierinhaltsstoffen (Permeabilität) und von den verfahrenstechnischen Parametern. Membrantrennverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass das Produkt frei von thermischer Belastung ist. Auf Grund der Verblockungsneigung und der begrenzten Stabilität von Membranen werden besondere Anforderungen an die Reinigung und Sterilisation der Anlage gestellt (eigene CIP) [21, 23, 24].

2.1.3.1 Umkehrosmose Die Umkehrosmose nutzt den Effekt, dass eine semipermeable Membran zwei Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Stoffkonzentrationen trennt. Dabei findet ein Transport des Lösungsmittels (hier Wasser) durch die Membran in die Lösung mit höherer Stoffkonzentration statt (Osmose). Die Transportrichtung des Wassers lässt sich umkehren, wenn auf der Seite mit höherer Stoffkonzentration ein hinreichend großer hydrostatischer Druck wirkt (Umkehrosmose). Dabei wandern Teile des im Bier enthaltenen Wassers, des Alkohols und anderer Bierinhaltsstoffe durch die Membran in das Permeat [25]. Eine Umkehrosmoseanlage besteht im Wesentlichen aus einer Hochdruckpumpe und einem Membranmodulblock. Bei Drücken von 20 bis 60 bar erfolgt die Auftrennung in ein alkoholhaltiges Permeat und ein alkoholreduziertes Konzentrat (Retentat). Das Retentat reichert sich mit nicht-diffusionsfähigen Extraktstoffen an und muss durch Verschnitt mit aufbereitetem Brauwasser wieder auf seinen ursprünglichen Extraktgehalt verdünnt werden. Zum Erreichen eines Alkoholgehalts von unter 0,5 Vol.-% ist mit einem gegenüber der Ausgangsbiermenge 2- bis 3-mal höheren Permeatablauf zu rechnen. In Abbildung 4 ist das Fließschema einer kontinuierlich arbeitenden Umkehrosmoseanlage dargestellt. Optional kann nach dem Eindicken des Bieres durch kontinuierliche Zugabe von Brauwasser eine Diafiltration durchgeführt werden, wodurch sich der Flux durch die Membran auf einem hohen Wert stabilisieren lässt.

274

Alkoholfreies Bier

Bier

Permeat

Permeate

Feed

Retentat

Retentate

Wasser Diafiltration water Abbildung 4: Fließschema einer Umkehrosmoseanlage.

Die verschiedenen am Markt erhältlichen Membranen werden aus Zellulosederivaten, Polysulfon, Polymethylsiloxan oder anderen Kunststoffen hergestellt. Die Membranen unterscheiden sich in ihrer Trennleistung, die anhand ihres Rückhaltevermögens für bestimmte Substanzen (z. B. Saccharose, NaCl) charakterisiert wird. Zur Beschreibung der Selektivität von Membranen werden zwei unterschiedliche Trennmodelle verwendet: Bei der idealen Löslichkeitsmembran findet die Stofftrennung durch Permeation (Diffusionsquotient ~ ∆p) statt, bei der idealen Porenmembran in Abhängigkeit der Molekülgröße (Diffusionsquotient ~ r -1). Zu den weiteren Parametern, die die Leistung einer Umkehrosmoseanlage bestimmen, gehören der Arbeitsdruck, das Verhältnis von Retentat- und Permeatvolumen, die Temperatur sowie der Gehalt an gelösten und ungelösten Stoffen [26]. An das Verdünnungswasser werden hinsichtlich Sauerstoffgehalt, pH-Wert und Salzkonzentration hohe Ansprüche gestellt. Während die beiden letztgenannten Merkmale denen des Bieres entsprechen sollten, muss der Sauerstoffgehalt so niedrig wie möglich sein. Das Verhalten der Aromastoffe bei der Umkehrosmose von Bier zeigt Tabelle 2. Im Vergleich zu den thermischen Verfahren lassen sich einige Bieraromastoffe in etwas höheren Konzentrationen nachweisen. Bezogen auf den Restalkoholgehalt werden viele Ester und höhere Alkohole sogar in überproportionalen Konzentrationen wieder gefunden. Die mittelkettigen Fettsäuren zeigen in Abhängigkeit der Wasserlöslichkeit mäßige bis starke Reduktionen.Von den Alterungskomponenten nehmen hauptsächlich die Wärmeindikatoren ab. In der Summe beträgt deren Abnahme 42 %. Das mittels Umkehrosmose entalkoholisierte Bier weist einen etwas volleren Geschmack gegenüber thermisch entalkoholisierten Bieren auf. Auch hier treten brot- und würzeartige Aromen in den Vordergrund. Gelegentlich ist auch ein Fettsäurengeschmack vorhanden. Verglichen mit dem Ausgangsbier vermitteln die Biere nicht selten einen leicht säuerlicher Eindruck. Wurde das zu entalkoholisierende Bier mit einer vitalen Hefe vergoren, ist die Konzentration mittelkettiger Fettsäuren geringer 275

Alkoholfreies Bier Aromastoffe (siehe Anhang)

Ausgangsbier

Entalkoholisiertes Bier (Retentat)

[%] bezogen auf Ausgangsbier

4,7 64

0,46 n. n.

10 n. b.

23 3,7 192 69 122 253 62

4,2 0,7 24 11 15 24 3

18 19 13 16 12 9 5

14 10 46 12 28

1,9 2,2 9,9 2,6 4,1

14 22 22 22 15

2593 5630 27 1070 25

273 871 6,7 316 22

11 15 25 30 87

28 31 84

3,8 30 49

14 97 58

Ethanol [Vol.-%] DMS [µg/l] Ester [µg/l] Essigsäure-Isobutylester Essigsäure-Hexylester Essigsäure-2-Phenylethylester Buttersäureethylester Hexansäureethylester Octansäureethylester Decansäureethylester Höhere Alkohole [mg/l] Propanol 2-Methylpropanol 3-Methylbutanol 2-Methylbutanol 2-Phenylethanol Fettsäuren [µg/l] Hexansäure Octansäure Nonansäure Decansäure Dodecansäure Alterungskomponenten [µg/l] Wärmeindikatoren Sauerstoffindikatoren Σ Alterungskomponenten Tabelle 2: Aromastoffe bei der Umkehrosmose.

und somit die Qualität des alkoholfreien Bieres höher. Die Bitterstoffverluste fallen etwas höher aus als bei thermischen Verfahren. Die Trübungszunahme des Retentats liegt im Allgemeinen unter 1 EBC.

2.1.3.2 Dialyse Bei der Dialyse wird im Gegensatz zur Umkehrosmose kein Druck angewandt, da der Stofftransport als spontane Diffusion abläuft. Die treibende Kraft ist der Konzentrationsunterschied der Stoffe

276

Alkoholfreies Bier in Retentat und Dialysat. Im Falle der Dialyse von Bier gegen Wasser haben alle Bierinhaltsstoffe außer Wasser das Bestreben in das Dialysat zu diffundieren. Der Molekülausschluss erfolgt durch die Porenstruktur der Membran (Permeabilität). Das Fließschema einer Dialyse ist in Abbildung 5 dargestellt. Das zu entalkoholisierende Bier wird dem Dialysemodul kontinuierlich zugeführt. An den Membranen erfolgt die Abtrennung des Alkohols aus dem Retentat in das im Gegenstrom geführte Dialysat. Durch Variation der Strömungsgeschwindigkeiten der beiden Flüssigkeiten ist der gewünschte Endalkoholgehalt einstellbar. Das alkoholhaltige Dialysat wird auf einer Abtriebssäule schonend von seinem Alkohol befreit und im Kreislauf geführt. Bei der Dialyse werden in ähnlicher Weise wie bei der Umkehrosmose Bierinhaltsstoffe mit ähnlicher Molekülgröße und Polarität wie Ethanol durch die Membran abgetrennt. Obwohl die Dialyse prinzipiell ein druckloses Verfahren ist, muss sowohl auf der Bier- als auch auf der Dialysatseite ein gewisser Überdruck aufrecht erhalten werden, da eine Entbindung von CO2 den Diffusionsvorgang behindern würde. Auf Grund der kleinen Konzentrationsunterschiede ist auch die Dialysetechnik weniger gut geeignet, sehr niedrige Alkoholgehalte < 0,2 Vol.-% zu erreichen. Ihr Einsatzfeld ist hauptsächlich die Alkoholreduktion von Diätbier oder schwächer eingebrauter bzw. schwächer vergorener Biere [21, 23, 24]. Zwar sind auch bei der Dialyse die Aromastoffverluste beträchtlich, bezogen auf die Alkoholreduktion sind sie aber geringer als bei der Vakuumverdampfung. Als weiterer Vorteil ist zu sehen, dass keine Aufkonzentrierung des Retentates erfolgt, da die Wasserkonzentration im Dialysat höher ist als im Retentat. Das Retentat enthält noch den Großteil der echt gelösten Extraktstoffe (Kohlenhydrate, löslicher Stickstoff, Säuren, Mineralstoffe, Bitterstoffe etc.). Um den Verlust von Kohlensäure im Retentat zu vermeiden, ist es vorteilhaft, das Dialysat mit einer geringen Menge an Kohlendioxid zu imprägnieren. Dies verringert auch die Gefahr, dass das Bier Sauerstoff aufnimmt. Wird anstelle von Wasser entalkoholisiertes Bier im Dialysatkreislauf eingesetzt, kann der Konzentrationsunterschied vieler nichtflüchtiger Bierinhaltsstoffe bereits zu Beginn des Prozesses ausgeglichen werden. Zur Vermeidung von Grenzflächenkonzentrierung muss mitunter mit hohen Strömungsgeschwindigkeiten gearbeitet werden, was zum Aufheizen des Bieres führt und eine Rückkühlung des Bieres erforderlich machen kann [24]. Die Qualität der alkoholfreien Dialysebiere ist im Allgemeinen sehr gut, reicht aber an die des Ausgangsbieres keinesfalls heran. Das Aromaprofil verliert deutlich an Harmonie und es kann ein säuerlicher Geschmack auftreten. Insbesondere lässt die Vollmundigkeit zu wünschen übrig. Zur Verbesserung dieser Situation wenden einige Brauereien für das Ausgangsbier eine besondere Rezeptur an. Zum Teil werden hierzu Würzen mit erhöhtem Gehalt an unvergärbaren Stoffen hergestellt und oft zusätzlich nur unvollständig vergoren. Diese Biere haben zwar nach der Entalkoholisierung eine größere Vollmundigkeit, lassen aber Frische und Rezenz vermissen. Manchmal werden zur Verbesserung der Vollmundigkeit und zur geschmacklichen Abrundung der Biere Spezialmalze (z. B. Karamelloder Röstmalz) eingesetzt. Zur Verstärkung des Bieraromas kann die Vergärung mit höheren Temperaturen und größeren Stammwürzekonzentrationen erfolgen. Weiterhin bietet die Dialyse die Möglichkeit, dem entalkoholisierten Bier ein rektifiziertes Aromakonzentrat zuzugeben.

277

278

Dialyse-Membranmodul 1 Dialyse-Membranmodul Plattenwärmetauscher/Tiefkühler 2 Plattenwärmetauscher/Tiefkühler Abtriebskolonne 3 Abtriebskolonne

Abbildung 5: Schema der Dialyse mit Rektifikationsanlage.

1 2 3

44 Verdampfer/Kondensator Verdampfer/Kondensator 55 Vakuumpumpe Vakuumpumpe 66 Dialysatpumpe Dialysatpumpe

Alkoholfreies Bier

Alkoholfreies Bier 2.2

Biologische Verfahren

Bei den biologischen Verfahren wird der niedrige Alkoholgehalt meist durch ein Abfangen der Gärung vor Erreichen des maximal zulässigen Alkoholgehalts erreicht.Wird das Verfahren der gestoppten Gärung bei besonders niedrigen Temperaturen (z. B. 0 °C) durchgeführt, wird vom Kältekontaktverfahren gesprochen. Die Herstellung erfolgt meist im Chargenbetrieb, vereinzelt werden aber auch kontinuierliche Systeme eingesetzt. Neuerdings kommen zudem Verfahren zum Einsatz, bei denen spezielle Mikroorganismen einen Teil des vergärbaren Extraktes selektiv vergären. Der Vorteil der biologischen Verfahren liegt hauptsächlich darin, dass kein zusätzlicher Aufwand zur Entfernung des Alkohols notwendig ist. Auf Grund der unvollständigen Vergärung des Würzeextraktes resultieren meist Biere mit einem etwas süßlichen und würzeartigen Charakter mit höherer Vollmundigkeit.

2.2.1

Gestoppte Gärung

Für die Herstellung alkoholfreier Biere nach dem Verfahren der gestoppten Gärung kommt eine Reihe besonderer technologischer Maßnahmen zum Einsatz, mit denen die biertypischen Eigenschaften gezielt gefördert werden können. Eine Möglichkeit stellt die Anwendung spezieller Maischverfahren dar, von denen das Springmaischverfahren (vgl. Kapitel Maischen) eine besondere Bedeutung hat. Mit diesem Dekoktionsverfahren lassen sich durch Überspringen der Maltosebildungstemperatur (60–65 °C) Würzen mit einem niedrigen Endvergärungsgrad (Es unter 70 %) herstellen. Als Folge der geringeren Differenz von Endvergärungsgrad und Ausstoßvergärungsgrad tritt der süßliche und würzeartige Geschmack weniger stark in Erscheinung als bei Verwendung herkömmlicher Bierwürzen. Auf Grund der immer noch hohen Anteile an vergärbaren Zuckern ist es von Vorteil, die Stammwürze auf etwa 5–8 % zu reduzieren. Damit ist es auch möglich, den Vergärungsgrad bei gleichem Alkoholgehalt zu erhöhen, was zu deutlichen Verbesserungen der sensorischen Eigenschaften führt [27, 28]. Bei der Kochung und der Nachbehandlung der Würze erweisen sich alle Maßnahmen als günstig, die zu einer weitgehenden Austreibung und geringen Nachbildung unerwünschter Würzearomastoffe, wie DMS, Streckeraldehyde und anderen Carbonyle, führen. Erreicht wird dies mit schonenden Kochverfahren, die eine intensive Ausdampfung der Würzearomastoffe bei gleichzeitig geringer thermischer Belastung der Würzeinhaltsstoffe ermöglichen (vgl. Kapitel Würzekochung, Würzekochsysteme). Auch eine Temperaturabsenkung der Würze im Whirlpool sowie eine Nachverdampfung der Würze führen zu geschmacklichen Vorteilen. Die Biere vertragen auf Grund ihres hohen Gehaltes an Restextrakt etwas höhere Bitterstoffgehalte. Günstig ist die Verwendung von Aromahopfen, mit dem durch späte Gaben dem Bier eine angenehme hopfige Note vermittelt werden kann [29]. Auf Grund der nur geringen Gärtätigkeit der Hefe ist eine zusätzliche (biologische) Säuerung der Würze notwendig. Diese hat so zu erfolgen, dass im fertigen Bier ein pH-Wert von 4,2 bis 4,5 erreicht wird. Die pH-Absenkung ist vor allem aus geschmacklicher Sicht, aber auch aus Gründen der mikrobiologischen und chemisch-physikalischen Stabilität erforderlich (vgl. Kapitel Biologische Säuerung). Das Sauergut wird vorzugsweise erst am Ende der Würzekochung zugegeben, um die 279

Alkoholfreies Bier gewünschten chemischen Umsetzungen (Spaltung des DMS-Precursors, Isomerisierung der Hopfenbittersäuren) nicht zu behindern und eine zu weitgehende Ausscheidung von Eiweiß zu vermeiden. Falls der niedrige pH-Wert die Funktion des Whirlpools beeinträchtigen sollte, ist ein Sauergutzusatz zwischen Whirlpool und Plattenkühler ratsam. Ein eventuelles Brauen mit erhöhter Stammwürze sollte vor der Gärung wieder ausgeglichen werden [29]. Die Gärung wird im Allgemeinen so geführt, dass ein langer und intensiver Kontakt der Hefe mit der Würze erfolgen kann (Kältekontaktverfahren). Die Hefe zeigt dabei sowohl adsorptive Eigenschaften, indem sie über ihre Oberfläche klärend wirkt, als auch reduzierende Eigenschaften, indem sie Würzecarbonyle zu den korrespondierenden Alkoholen umsetzt. Auffällige Abnahmen der Streckeraldehyde zeigen sich bereits nach kurzer Kontaktzeit (Abbildung 6). Die niedrigsten Konzentrationen werden erreicht, wenn die Gärung bis zum maximal zulässigen Alkoholgehalt geführt wird.

500 Konz. [µg/l] [µg/l] Konz. 400

S Σ Streckeraldehyde Streckeraldehyde 2-Methylbutanal 2-Methylbutanal 3-Methylbutanal 3-Methylbutanal 2-Phenylethanal 2-Phenylethanal Methional Methional Benzaldehyd x 10 Benzaldehyd 10

300

200

100

0

Gärdauer [h] Alkoholgehalt Alkoholgehalt [Vol.-%] [Vol.-%]

00 0 0

24 24

0,21 0,21

48 48 0,32 0,32

72 72

0,50

0,50

Abbildung 6: Würzearomastoffe bei der gestoppten Gärung (Gärtemperatur: 0 °C, Hefegabe: 25 Mio. Zellen/ml).

Die Kontaktzeit der Hefe kann durch die Anwendung niedriger Gärtemperaturen deutlich verlängert werden (Abbildung 7). Damit verbunden treten bei gleicher Alkoholbildung auch stärkere Abnahmen der Streckeraldehyde auf. Trotz der niedrigeren Gehalte an höheren Alkoholen werden die Biere der kalten Gärung als biertypischer und ausgewogener beurteilt als die der warmen Gärung. Allgemein ist der Einsatz einer relativ großen Menge vitaler (!) Hefen von Vorteil. Damit kann die Belüftung der Würze reduziert und die Bildung von Diacetyl unterdrückt werden. Ein Waschen der Hefe vor dem Anstellen reduziert den Eintrag an Alkohol (Hefebier) und macht längere Kontaktzeiten der Hefe möglich. Günstig in diesem Zusammenhang ist auch eine CO2-Wäsche des Jungbieres, mit welcher der Hefekontakt intensiviert und das Würze- und Jungbieraroma teilweise entfernt werden kann.

280

Alkoholfreies Bier

600

12 12 Konz. Konz. [mg/l] (mg/l)

500 500

10 10

400 400

88

300 300

66

200 200

44

100 100

22

00

00

Konz. [µg/l] 600

Konz. (µg/l)

°C

höhere Alkohole Höhere Alkohole

0

°C

4

°C

7

°C

10

W

ür z

e

Würze 10 °C 7 °C 4 °C 0 °C Gärdauer [h] 0 16 24 36 70 Alkoholgehalt [Vol.-%] 0 0,62 Gärdauer (h): 0 0,48 0,45 16 0,47

Streckeraldehyde Streckeraldehyde

24

36

70

Abbildung 7: Würzearomastoffe bei der gestoppten Gärung (Hefegabe: 25 Mio. Zellen/ml). Zum Abstoppen der Gärung wird die Hefe vor Erreichen des maximalen Alkoholgehalts aus dem Jungbier abgetrennt. Hierzu kommen in der Regel Zentrifugen zum Einsatz, mit denen die Hefezellzahl auf unter 0,1 Mio. Zellen/ml reduziert werden kann. Alternativ kann durch eine Filtration oder aus organisatorischen Gründen, z. B. am Wochenende, durch eine Kurzzeiterhitzung (KZE) die Gärung gestoppt werden. Bei Anwendung einer KZE muss die Hefe nachträglich entfernt werden. Mit dem vorgeklärten Jungbier kann eine ausgedehnte Lagerung bei z. B. 0 °C über ein bis 3 Wochen erfolgen, was auf Grund der schlechten kolloidalen Stabilität und der Gushingneigung dieser Biere zu empfehlen ist (unzureichende Calcium-Oxalat-Ausscheidung). Verbesserungen in der Sensorik und der kolloidalen Stabilität werden durch zusätzliche CO2-Wäsche während der Lagerung erreicht. Bei der Filtration sollte eine Stabilisierung der Biere mit Kieselgel und PVPP erfolgen und auf die Vermeidung von Calcium-Eintrag geachtet werden [27]. Da die Biere nach dem Verfahren der gestoppten Gärung noch ein hohes Angebot an Nährstoffen für mögliche Bierverderber aufweisen, bedürfen sie einer großen mikrobiologischen Aufmerksamkeit. Die biologische Sicherheit des abgefüllten Bieres kann derzeit nur durch Vollpasteurisation mit mehr als 30 PE bzw. Kaltsterilisation gewährleistet werden. Für die Herstellung alkoholfreier Biere werden neben der Kulturhefe auch spezielle Mikroorganismen eingesetzt. Hierzu eignen sich erstens Hefen, die nicht in der Lage sind, Maltose oder Maltotriose zu Ethanol umzusetzen. Zweitens können Hefemutanten eingesetzt werden, die z. B. einen Defekt im Citratcyclus besitzen und damit große Mengen organischer Säuren produzieren. Drittens können zu diesem Zweck auch Laktobazillenkulturen verwendet werden [9].

2.2.2

Bioreaktor

Bioreaktoren mit trägerfixierter Hefe ermöglichen eine kontinuierliche Vergärung und/oder Reifung im Brauprozess. Bei der Herstellung alkoholfreier Biere kann der Vergärungsgrad über die Para-

281

Alkoholfreies Bier meter Durchflussgeschwindigkeit,Temperatur, Substratzusammensetzung und Beladung des Trägermaterials gesteuert werden. Die Immobilisierung von Hefe oder anderen Mikroorganismen (vgl. Abschnitt 2.2.1, S. 279) erbringt hierbei den Effekt einer größeren Biomasse pro Einheit Reaktorvolumen. Die damit erzielte höhere Gärleistung führt zu deutlich kürzeren Aufenthaltszeiten im System, was niedrigere Investitions- und Betriebskosten zur Folge hat [30, 31, 32, 33]. Als Trägermaterial zur Immobilisierung von Hefe dienen hauptsächlich DEAE-Cellulose, Calciumalginat, Calciumpectat oder Sinterglas. Zum Einsatz kommen die immobilisierten Hefen überwiegend in Festbettreaktoren, bei denen das Substrat mit einer relativ langsamen Geschwindigkeit das Trägermaterialbett von unten nach oben durchströmt. Auf Grund der Entstehung von Gärungskohlensäure kann es zu einer Ansammlung von Gastaschen im Festbettreaktor kommen. Als weitere Nachteile sind die geringe Durchmischung und die Verblockungsneigung zu nennen. Bessere Homogenitäten und einen höheren Stoffumsatz erreichen Reaktoren, die mit einer Zwangsströmung arbeiten (Wirbelschichtreaktor, Gasliftreaktor, Modulschleifenreaktor) [33, 34]. Um die Vitalität der immobilisierten Hefen aufrechtzuerhalten, kann in periodischen Abständen eine Revitalisierung durch Pumpen im Kreislauf unter besonderen Verhältnissen (z. B. Sauerstoffzufuhr) erfolgen. Zur Regelung der Verfahrensführung im Bioreaktor sind folgende Punkte zu beachten [35]: • Definierte Sauerstoffversorgung der Hefe • Einsatz eines möglichst homogenen Reaktorsystems • flexible Reaktion bei auftretenden Veränderungen

2.3

Kombination der Verfahren

Eine Kombination der verschiedenen Verfahren bietet interessante Möglichkeiten zur geschmacklichen Verbesserung der Produkte. Durch Verschnitt von alkoholfreiem Bier der gestoppten Gärung und einem entalkoholisierten Bier kann sowol die Ausbildung des für die gestoppte Gärung typischen Würzecharakters als auch das Auftreten des für die Entalkoholisierung typischen leeren und säuerlichen Geschmacks vermieden werden. Als weitere technologische Möglichkeit bietet sich an, Würzen mit niedrigem Vergärungsgrad herzustellen und diese mittels Kulturhefe zu vergären. Das vergorene Bier wird anschließend im Vakuum entalkoholisisert und mit einem Vollbier auf den maximal zulässigen Alkoholgehalt ausgemischt. Lebensmittelzusätze, wie z. B. (rückgewonnenes) Bieraroma, Hopfenauszüge, Farbstoffe, Zuckercouleur oder Zucker, erlauben ebenfalls eine Anpassung der geruchlichen und geschmacklichen Eigenschaften des Bieres und kommen außerhalb des Reinheitsgebotes zur Anwendung. Die Nachteile der kombinierten Verfahren sind im höheren Aufwand und den höheren Anlagekosten zu sehen.

2.4

Wirtschaftliche Aspekte

Die wirtschaftlichste Variante zur Herstellung alkoholfreier Biere stellt das Verfahren der gestoppten Gärung dar. Es erfordert den geringsten apparativen Aufwand und benötigt zudem einen gerin-

282

Alkoholfreies Bier geren Malzeinsatz.Voraussetzung für eine mikrobiologische Stabilität ist aber eine Pasteurisation der abgefüllten Biere. Kontinuierliche Verfahren bieten hierbei weitere wirtschaftliche Vorteile, verursachen aber auf Grund ihrer unterschiedlichen Reaktorstandzeiten meist höhere Kosten in der Betriebs- und Qualitätskontrolle. Zur nachträglichen Entalkoholisierung von Bier ist die Vakuumverdampfung derzeit das wirtschaftlichste Verfahren. Die Vakuumverdampfung ist jedoch nicht gleichermaßen gut für alle Erfordernisse geeignet. Bis zu einer Leistung von 5 hl/h sind Membrantrennverfahren im Allgemeinen die wirtschaftlichere Lösung. Für eine sehr weitgehende Entalkoholisierung (unter 0,05 Vol.-%) sind Membrananlagen aber ungeeignet [9, 24].

3

Zusammenfassung

Mit allen gezeigten Verfahren lassen sich Biere mit einem Alkoholgehalt unter 0,5 Vol.-% herstellen, wobei die Bierqualität den normalen Ansprüchen an ein alkoholfreies Bier genügt. Es sind deutliche sensorische und analytische Unterschiede der beiden Herstellungsverfahren, gestoppte Gärung und entalkoholisiertes Bier, festzustellen. Produktspezifisch für die alkoholfreien Biere nach dem Verfahren der gestoppten Gärung ist ein etwas süßlicher und würzeartiger Charakter sowie ein nur geringes biertypisches Aroma. Darüber hinaus neigen sie zur Ausbildung eines leichten Bodensatzes in der Flasche. Kontinuierliche Verfahren bieten zwar eine Reihe potentieller Vorteile gegenüber Chargenprozessen, sie leiden aber oft an einer stetigen Veränderung der Bierqualität [31, 32, 35]. Alkoholfreie Biere, die durch nachträgliche Entalkoholisierung üblicher Biere hergestellt werden, zeichnen sich durch einen vergleichsweise leeren Geschmack aus. Durch das Fehlen einiger wichtiger Bieraromastoffe treten weniger angenehme Eindrücke, wie brot- und würzeartig oder säuerlich, in den Vordergrund. Die Eignung von Membrantrennverfahren beschränkt sich auf eine Alkoholreduktion bis maximal 0,5 Vol.-% [10, 20, 24, 29]. Welche alkoholfreien Biere der beiden prinzipiellen Verfahren bevorzugt werden, bleibt Geschmackssache des Verbrauchers. Die diskutierten Geschmacksfehler der Biere werden offenbar am Markt akzeptiert. Dennoch sind geschmackliche Verbesserungen nötig. Hierzu werden verschiedene technologische Maßnahmen aufgezeigt, mit denen die Qualität alkoholfreier Biere verbessert werden kann. Die Nachteile der einzelnen Verfahren können durch eine Kombination der Verfahren teilweise kompensiert werden. Die Entscheidung für ein spezielles Verfahren muss jeder Betrieb durch eine entsprechende Kosten-Nutzen-Rechnung treffen. Auch wenn alkoholfreie Biere kaum die hohe sensorische Qualität normal vergorener Vollbiere erreichen, so sind die mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden erzeugten Biere dennoch eigenständige, qualitativ hochwertige Produkte, die auch in Zukunft ihren Markt finden werden.

283

Alkoholfreies Bier

4

Überblick

Gestoppte Gärung Merkmal

Mögliche Ursache

Technologische Maßnahmen

süßlicher Geschmack

hoher Gehalt an Restextrakt (Zucker)

Springmaischverfahren, Stammwürze absenken, Spezialmalzeinsatz, Hopfenbittere anpassen

würzeartiger Geruch

hohe Konzentration an Würzearomastoffen

Intensivierung der Kochung, Entspannungsverdampfung,Temperaturabsenkung im Whirlpool, hohe Gabe einer vitalen Hefe, CO2-Wäsche, sauerstoffarme Arbeitsweise

untypisches Bieraroma wenig Gärungsneben- möglichst genaues Erreichen des maximalen Alkoholgehalts, Spezialmalzeinsatz, Hopfenprodukte blume, Überpasteurisierung vermeiden

284

ungenügende Frische, breiter Geschmack

zu hoher pH-Wert, zu biologische Säuerung bis auf einen pH-Wert niedriger CO2-Gehalt, < 4,5, Hefevitalität überprüfen, ausreichende zu hoher Restextrakt Karbonisierung, Stammwürze absenken, thermische Belastung und Sauerstoffaufnahme reduzieren

Bodensatz

unzureichende Klärwirkung durch geringe Gärtätigkeit

längere Kochzeit, frühzeitige und ausreichende Würzesäuerung, längere Kaltlagerung, CO2-Wäsche, eiweiß- und gerbstoffseitige Stabilisierung, calcium- und eisenarme Filterhilfsmittel, produktschonende Abfüllung und Pasteurisation

Alkoholfreies Bier Vakuumverdampfung Merkmal

Mögliche Ursache

Aromadefizit

Mangel an Bieraroma- möglichst genaues Erreichen des maximalen stoffen (Ester, höhere Alkoholgehalts durch Verschnitt mit AusAlkohole) gangsbier, aromareichem Bier oder Kräusen, Rückführen von gewonnenem Bieraroma

ungenügende Vollmundigkeit

geringer Extraktgehalt, höhere Stammwürze, niedriger Vergärungswenig Geruchs- und grad, Spezialmalzeinsatz, biologische SäueGeschmacksstoffe rung, zusätzlicher Hefekontakt, Würze- oder Zuckerzugabe

Technologische Maßnahmen

brot-, würze-, karamell- Fehlen leichtflüchtiger Bieraromastoffe, hoher artiger Geschmack Gehalt an Streckeraldehyden u. a. Alterungskomponenten

hohe Qualität und Geschmacksstabilität des Ausgangsbieres, Herstellung carbonylarmer Würzen, Absenkung der Verdampfungstemperatur (Vakuum), Ausschluss von Sauerstoff, CO2-Wäsche und Hefekontakt des entalkoholisierten Bieres

untypischer Fettsäurengeschmack

hoher Gehalt an mittelkettigen Fettsäuren und Alterungskomponenten

hohe Qualität des Ausgangsbieres, Einsatz einer hochvitalen Hefe, Spezialmalzeinsatz, temperaturschonende und sauerstoffarme Arbeitsweise, CO2-Wäsche des entalkoholisierten Bieres

Trübung

Maßnahmen zur Stabilisierung des Ausgangsnachträgliche, therbieres (Kochzeit, Würzesäuerung, Kaltlagemisch bedingte Eiweißausscheidungen rung, CO2-Wäsche, Stabilisierung, Calciumund Eiseneintrag durch Filterhilfsmittel), Hefekontakt des entalkoholisierten Bieres, thermische Belastung und Sauerstoffaufnahme reduzieren

285

Alkoholfreies Bier Membrantrennverfahren

286

Merkmal

Mögliche Ursache

Aromadefizit

Mangel an Bieraroma- möglichst genaues Erreichen des maximalen stoffen (Ester, höhere Alkoholgehalts, Selektivität der Membran, Alkohole) Membranstandzeit, aromareiches Ausgangsbier, niedrige Temperaturen

ungenügende Vollmundigkeit

geringer Extraktgehalt, höhere Stammwürze, wärmere Vergärung, niedriger Vergärungsgrad, Spezialmalzeinsatz, wenig Geruchs- und biologische Säuerung, zusätzlicher HefeGeschmacksstoffe kontakt

brot-, würzeartiger Geschmack

Fehlen leichtflüchtiger hohe Qualität des Ausgangsbieres, AusBieraromastoffe, schluss von Sauerstoff, Hefekontakt und hoher Gehalt an Alte- CO2-Wäsche des entalkoholisierten Bieres rungskomponenten

Technologische Maßnahmen

säuerlicher Geschmack, Mangel an BieraromaFettsäuregeschmack stoffen, hoher Gehalt an Fettsäuren und Streckeraldehyden

Herstellung carbonylarmer Würzen, Spezialmalzeinsatz, Einsatz hochvitaler Hefe, CO2-Wäsche des entalkoholisierten Bieres, sauerstoffarme Arbeitsweise, Zuckergabe

Trübung

Maßnahmen zur Stabilisierung des Ausgangsbieres (Kochzeit, Würzesäuerung, Kaltlagerung, Stabilisierungsmittel, Calcium- und Eiseneintrag durch Filterhilfsmittel), Hefekontakt und Filtration des entalkoholisierten Bieres, Minimierung der Sauerstoffaufnahme

schlechte Stabilisierung des Ausgangsbieres

5

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Prozessbiere

Prozessbiere

289

Prozessbiere

1

Einleitung

Durch die Wiederverwertung von Prozessbieren (Rest- und Rückbiere) im Brauprozess haben Brauereien die Möglichkeit, den internen Bierschwand zu minimieren. Darüber hinaus werden Ressourcen geschont und die Kosten für Abwasser gesenkt. Die mengenmäßig bedeutsamsten Prozessbiertypen in der Brauerei sind Hefebiere sowie Vor-, Zwischen- und Nachläufe aus der Filtration mit einem jährlichen Volumen von > 5 % des Gesamtausstoßes. Die Verwertung dieser Prozessbiere setzt allerdings voraus, dass die Qualität des Originalbieres durch die Verschnitte nicht negativ beeinflusst wird.

2

Verwertung von Prozessbieren

2.1

Bedeutung des Bierschwandes

Um einen Überblick über die auftretenden Würze- und Bierverluste zu erhalten, werden die Volumenverluste von der heißen Ausschlagwürze bis zum fertig abgefüllten Bier erfasst. Diese Kennzahl ist nicht nur für die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit des Brauverfahrens von Bedeutung, vielmehr stellt sie auch die Grundlage für das steuerpflichtige Biervolumen dar. Nach §10 Abs. 2 BierStG i. d. F. vom 01.01.1993 entsteht für nachweislich untergegangenes Bier keine Biersteuer. Der Bierschwand ist dabei dem Untergang gleichzusetzen [1]. Mit der Bestimmung des Volumenverlustes kann allerdings der wirkliche Extraktverlust nicht berechnet werden. Zu dessen Berechnung werden die Extraktgehalte der heißen Ausschlagwürze bzw. der Malzschüttung und des fertig abgefüllten Bieres miteinander verglichen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Formeln zur Berechnung des Bierschwandes. Der Bierschwand wird, getrennt nach Biersorten, üblicherweise am Ende eines Monats ermittelt. EI = VAW, heiß (hl) x 0,96 x ρ (GV – %)

Gleichung 1: Extrakt der Ausschlagmenge

EII = VBier, gesamt x ρ (GV – %)

Gleichung 2: Extrakt der Gesamtbiermenge

EIII = Schüttung gesamt (kg) x SA (%)

Gleichung 3: Extrakt der eingesetzten Malzmenge

Schwandab Ausschlagwürze = Schwandab Malzschüttung =

EI – EII x 100 % EI

EI – EIII x 100 % EIII

Gleichung 4: Extraktschwand ab Ausschlagwürze Gleichung 5: Extraktschwand ab Malzschüttung

V = Volumen, SA = Sudhausausbeute, ρ = Dichte

Tabelle 1: Berechnung des Extraktschwandes ab Ausschlagwürze bzw. Malzschüttung [2].

290

Prozessbiere 2.2

Rückgewinnung von Bier aus Überschusshefe

Die Hefesuspension kann im Wesentlichen durch die beiden mechanischen Verfahrenstechniken der Zentrifugation und der Filtration in ihre beiden Bestandteile Hefe und Bier getrennt werden. Im Bereich der Zentrifugation werden heutzutage vor allem Teller- und Dekantierzentrifugen eingesetzt. Bei den Filtrationstechniken wurde neben den etablierten Techniken der Cross-Flow-Mikrofiltration in neuerer Zeit die so genannte Vibrationsmikrofiltration eingeführt. Filterpressen werden heutzutage aus qualitativen und mikrobiologischen Gesichtspunkten nicht mehr zur Hefebierrückgewinnung eingesetzt. Die Funktionsweisen der Anlagen sind in der einschlägigen Literatur beschrieben [3, 4, 5, 6, 7, 8]. Der nachteilige Einfluss der Rückgewinnungssysteme auf die Qualität der Hefebiere konnte durch eine konsequente Entwicklungsarbeit minimiert werden, so dass heute vor allem die Qualität der zur Aufbereitung gelangenden Hefesuspension im Vordergrund der Betrachtung steht. Dabei führen die physikalischen Stressfaktoren Zeit und Temperatur, aber auch chemische Faktoren zu einer Verschlechterung des physiologischen Zustandes der Hefezellen. Zu Letzteren gehören neben Ethanol auch andere toxisch wirkende Metabolite (z. B. Acetaldehyd, Essigsäure) [9] und mittelkettige Fettsäuren [10]. Durch das Absterben der Hefezellen kommt es zur Autolyse und damit zur Exkretion von Zellinhaltsstoffen (z. B. Polysaccharide, Nucleinsäuren und Lipide) an das Medium [11]. Besonders zu beachten ist die Aktivität der schaumnegativen Proteinase A (PrA). Als Hauptsubstrat der PrA wurde das im Bier enthaltene Lipid-Transfer-Protein 1 identifiziert [12] (vgl. Kapitel Bierschaum). PrA ist normalerweise in den Vakuolen der Zelle lokalisiert und wird stressbedingt in einer inaktiven Vorform aus der Zelle ausgeschleust. Diese inaktive Vorform wird autokatalytisch in die aktive Form umgewandelt und führt somit zu einer Degradation der schaumpositiven Proteine [13]. Abbildung 1 zeigt einen schematischen Überblick über die notwendige apparative Ausstattung zur Hefebierrückgewinnung.

ZKG

pZKG

Überschußhefe pZKG è p0

Hefesieb

Hefekühler

Hefebier

Puffertank

Separation Hefe ó Bier

KZE

Dickhefe

Abbildung 1: Schema zur Hefebierrückgewinnung. 291

Prozessbiere Im Folgenden werden die einzelnen Teilanlagen im Detail beschrieben.

2.2.1

Entspannungstank

Nach der Hefeernte muss eine schonende Druckentlastung erfolgen, um das gebildete CO2 aus den Hefezellen zu entfernen.

2.2.2

Hefesieb

Als vorteilhaft hat sich die Installation eines Hefesiebes erwiesen, da dadurch unerwünschte Trubstoffe abgetrennt werden. Durch diese passive Belüftung wird auch ein weiteres Austreiben von CO2 erreicht. Eine aktive Belüftung der Hefe ist dabei allerdings unbedingt zu vermeiden, da sonst auf Grund eines fehlenden Zuckerangebotes ein Abbau der Reservestoffe und somit eine Schwächung der Zellen erfolgt (vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung).

2.2.3

Hefekühler

Da vor allem höhere Temperaturen zu einer Verschlechterung des physiologischen Zustandes der Hefesuspension und damit auch zu einer Verschlechterung der Qualität des wiedergewinnbaren Hefebieres führen, muss die Erntehefe unbedingt über einen Hefekühler auf eine Temperatur < 4 °C heruntergekühlt werden. Dies gilt insbesondere für die Verwertung von obergärigen Überschusshefen. Als Hefekühler sollten Röhrenkühler oder Freistromapparate mit ausreichend dimensionierten Plattenspalten eingesetzt werden, um eine schonende Behandlung der Erntehefe zu gewährleisten.

2.2.4

Hefesammeltank (Überschusshefe)

Der Hefesammeltank sollte in zylindrokonischer Bauweise ausgeführt werden. Diese Tanks müssen kühlbar sein und über eine Homogenisiereinrichtung verfügen. Die Homogenisierung kann über ein Rührwerk oder besser über eine Umpumpleitung erfolgen. Bei der Umpumpleitung ist darauf zu achten, dass die Rücklaufleitung im Mischungswinkel von ca. 23° zum Radius angebracht ist, um die gewünschte Durchmischung zu erreichen. Eine gute Durchmischung ist insofern von Bedeutung, als beim Einsatz von Zentrifugentechniken zur Hefebierrückgewinnung deren Funktionsweise beeinträchtigt werden kann.

2.2.5

System zur Hefebierrückgewinnung

Eine Empfehlung für Rückgewinnungssysteme soll an dieser Stelle nicht ausgesprochen werden, da die Entscheidung einer Brauerei für ein bestimmtes System von vielen Faktoren abhängt (Kosten, Mikrobiologie, Verarbeitbarkeit der Hefesuspensionen, Brauereiphilosophie). Allgemein kann jedoch festgestellt werden, dass sich alle auf dem Markt verfügbaren, neueren Hefebierrückgewinnungssysteme qualitativ nicht negativ auf das rückgewonnene Hefebier auswirken. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass das System dem physiologischen Zustand der Verkaufshefe nicht schadet. Der physiologische Zustand wird teilweise bei der Verkaufshefe von den Hefeverwertern berücksichtigt.

292

Prozessbiere 2.2.6

Kurzzeiterhitzung

Die rückgewonnenen Hefebiere müssen zur Erzielung einer mikrobiologischen Sicherheit kurzzeiterhitzt werden. Außerdem soll dadurch eine mögliche Aktivität der schaumnegativen Proteinase A ausgeschlossen werden. Um sowohl mikrobiologisch als auch enzymatisch auf der sicheren Seite zu sein, müssen ca. 40–100 Pasteureinheiten auf das Bier aufgebracht werden (vgl. Kapitel Mikrobiologie). Der Einsatz eines Kurzzeiterhitzers kann die Installation eines kleinen Puffertanks vor der KZE erforderlich machen. Der Puffertank dient der Druck- und Leistungsentkopplung der KZE vom Rückgewinnungssystem.

2.2.7

Hefebiersammeltank

Der Hefebiersammeltank muss ebenfalls kühlbar sein, wobei die Geometrie des Tanks nur eine untergeordnete Bedeutung hat.

2.2.8

Verkaufshefetank

Der Verkaufshefetank sollte idealerweise ebenfalls in zylindrokonischer Bauweise ausgeführt sein und über eine Homogenisiereinrichtung verfügen (Rührwerk, externe Hefeumwälzung). Durch diese Durchmischung wird eine Sedimentation der Verkaufshefe und eine Beeinträchtigung der Pumpfähigkeit verhindert.

2.2.9

Qualitative Gesichtspunkte der Hefebierrückgewinnung

Vor allem bei höheren Aufbewahrungstemperaturen und längeren Aufbewahrungszeiträumen verschlechtert sich der physiologische Zustand der Hefesuspension. Damit geht eine deutliche Abnahme der angenehmen Esteraromen (Hexansäureethylester, 3-Methylbutylacetat), eine Zunahme der Gehalte an unerwünschten kurzen und mittelkettigen Fettsäuren (Buttersäure, 3-Methylbuttersäure, Decansäure, Dodecansäure) sowie eine deutliche Steigerung der Aktivität der schaumnegativen Proteinase A einher. Es empfiehlt sich daher, die Hefesuspensionen bei Temperaturen zwischen 0 und 3 °C nur über einen möglichst kurzen Zeitraum aufzubewahren. Das gewonnene Hefebier sollte zur Inaktivierung der Proteinase A kurzzeiterhitzt und anschließend zu einer Anstellwürze dosiert werden.

2.2.10 Wirtschaftliche Aspekte der Hefebierrückgewinnung In einer Brauerei fallen 2 l Hefe pro hl Verkaufsbier an. Dies bedeutet z. B. für eine Brauerei mit einem Jahresausstoß von 500.000 hl eine Hefemenge von 10.000 hl. Abhängig vom Rückgewinnungssystem können Bierausbeuten von bis zu 75 % erreicht werden. Einen Überblick über die erreichbaren Ausbeuten gibt Tabelle 2.

293

Prozessbiere Parameter

Dekantierzentrifuge

Tellerzentrifuge

natürliche Sedimentation

Cross-FlowVibrationsMikrofiltration mikrofiltration

Wirkungsgrad [%]

~ 100

~ 100







Ausbeute [%]

~ 75

~ 75

~ 60

~ 60

~ 60

Tabelle 2: Wirkungsgrad und Hefebierausbeute unterschiedlicher Rückgewinnungssysteme.

Um den Wirkungsgrad W bzw. die Ausbeute A an Hefebier zu berechnen, werden folgende Formeln verwendet.

W = 100 x

( ) c 1 – cv, ab v,ein

Cv, ab = Feststoffvolumen im Ablauf [Vol.-%] Cv, ein = Feststoffvolumen im Einlauf [Vol.-%]

Gleichung 6: Wirkungsgrad

Die Bestimmung des Wirkungsgrades erfolgt nur bei Zentrifugentechniken, da bei Membrananlagen im Ablauf kein Feststoff enthalten ist.

A=

(

TSDS – TSein TSDS – EW

)

TSDS = Trockensubstanz im Dickstoff [GG%] TSein = Trockensubstanz im Einlauf [GG%] Ew = wirklicher Extrakt des Bieres [GG%]

Gleichung 7: Ausbeute

2.3

Vor-, Zwischen- und Nachläufe

Die Vor-, Zwischen- und Nachläufe (VNL) fallen in einer Größenordnung von ca. 6 % der Filtrationscharge an. Die Mengen können sich noch erhöhen, wenn ein häufiger Biersortenwechsel vollzogen wird. Die VNL sind insofern problematisch, als es sich um verdünntes Bier handelt (Stammwürze ~ 4 GG%) und demzufolge auch die Selektivmerkmale des Bieres (Hopfenbitterstoffe, pH, Alkohol etc.) reduziert sind [14]. Daher könnten sich nicht nur obligate, sondern auch potentielle Bierschädlinge in diesen Bieren vermehren und auch auf andere Produktionsbereiche ausdehnen. Auch die Standzeit des Filters ist entscheidend für das Anfallen von VNL. Es ist daher notwendig, durch Rohstoffauswahl und angepasste Technologie diese Standzeiten zu verlängern. Um den Bierfilter zusätzlich zu entlasten, kann zudem eine Zentrifuge vorgeschaltet werden, um störende Hefefrachten zu entfernen [15] (vgl. Abschnitt 2.5, S. 296).

294

Prozessbiere Es empfiehlt sich, diese Biere möglichst sofort zur laufenden Filtration zu dosieren. Diese Verfahrensweise bedingt ein leicht höheres Einbrauen im Sudhaus, um durch die Dosage von VNL nicht den gewünschten Stammwürzegehalt zu unterschreiten.

2.3.1

Notwendige apparative Einrichtungen

2.3.1.1 Vor- und Nachlauftank Die Tanks müssen kühlbar bzw. in einem gekühlten Raum aufgestellt sein, wobei die Geometrie der Tanks von untergeordneter Bedeutung ist. 2.3.1.2 Dosage Die Dosage kann volumenabhängig oder über eine Stammwürzeregelung erfolgen. Für größere Brauereien bietet sich zusätzlich eine Vorrichtung zur Dosage von entgastem Wasser an, um einerseits eine exakte Einstellung der Stammwürze zu erreichen und andererseits die erforderliche Verdünnung des Bieres zu gewährleisten, falls keine Vor- und Nachläufe dosiert werden können.

2.4

Sonstige Prozessbiere

Sonstige Prozessbiere sollten auf Grund mikrobiologischer Sicherheit im Heißbereich der Brauerei verschnitten werden, wobei Prozessbiere von Splitterbiersorten anderer Farbtiefe (z. B. dunkle Biere) zu verwerfen sind. Die Dosage zur Würzekochung ist vor allem wegen zu hoher Verdampfungsverluste (Aromastoffe, Ethanol) und damit einer schlechteren wirtschaftlichen Effizienz nicht zu empfehlen. Besser ist die Dosage in den Whirlpool. Allerdings sind auch bei dieser Verfahrensweise noch Verluste an Ethanol durch Nachverdampfung bzw. Entfernung über den Heißtrub von ungefähr 30 % zu verzeichnen. Zu berücksichtigen ist, dass durch die Dosage die Temperatur der Heißwürze gesenkt wird. Günstiger ist eine Dosage der Prozessbiere zwischen Whirlpool und Plattenkühler. Die Dosagepumpe wird dann automatisch abgeschaltet, wenn die Temperatur unter 85–87 °C abfällt, was allerdings bei einer mengenproportionalen Dosierung von ca. 1–2 % nicht der Fall sein dürfte. Um dennoch eine ausreichende mikrobiologische Sicherheit zu gewährleisten, ist darauf zu achten, dass die notwendigen Pasteureinheiten entsprechend über eine ausreichende Heißhaltezeit erreicht werden. Diese Verfahrensweise hat den Vorteil, dass durch die druckseitige Dosage der Restbiere keine flüchtigen Verbindungen entweichen können und somit auch keine diesbezüglichen Verluste auftreten (Abbildung 2). Durch die Zugabe von Prozessbieren in den Whirlpool kann die Würzetemperatur gesenkt werden. Die Effekte der Würzevorkühlung wurden auch schon an anderer Stelle beschrieben [16]. Dieses „Precooling“ ist mit einer Absenkung der thermischen Belastung der Würze verbunden, was sich in wesentlich günstigeren Werten bei den thermischen Alterungsindikatoren (2-Furfural, 2-Acetylfuran) und damit verbunden mit einer niedrigeren TBZ im Bier äußert. Eindeutig negativ wirkt sich die Dosage von rückgewonnenen Hefebieren im Heißbereich aus. Dies äußert sich vor allem in einer deutlich schlechteren Alterungsstabilität der fertigen Biere.

295

Prozessbiere

CIP Whirlpool

möglicherweise muss die Leitung verlängert werden (Einwirkungsdauer > 15 s)

CIP-Leitung

Würzekühler

Heißwürzepumpe Heisswürzepumpe

FR FFC

Rückschlagventil

TIA

Regelventil

CO2 FR

Prozessbiertank

Probenahmeventil

Dosierpumpe

Prozessbier

Abbildung 2: Schematische Ansicht der Prozessbierdosage in die Heißwürzeleitung.

2.5

Vermeidung von Prozessbieren

„Vermeiden ist besser als Verwerten.“ Dieser Aspekt steht bei der Betrachtung der Problematik der Prozessbiere sicherlich an oberster Stelle. Im Wesentlichen betrifft dies die Bereiche Gärung/Lagerung und Filtration, da die dort anfallenden Prozessbiere mengenmäßig am bedeutsamsten sind. So können durch den Einsatz einer Jungbierzentrifuge die anfallenden Hefemengen im Lagerkeller so weit reduziert werden, dass zwar ausreichend Hefezellen für die Nachgärung vorhanden sind, sich die Mengen an Hefesediment jedoch stark reduzieren. Ferner besteht die Möglichkeit, die unmittelbar vorher geerntete Hefe aus der Gärung aus einem Sammeltank zur Jungbierzentrifuge zu dosieren, um das darin enthaltene Hefebier zu gewinnen. Dabei ist allerdings auf eine konstante Dosage der Hefe zu achten (Homogenität der Hefesuspension im Sammeltank!), so dass die Zentrifuge entsprechend gleichmäßig mit Feststoff beaufschlagt wird. Der Einsatz einer Jungbierzentrifuge könnte auch technologische Vorteile mit sich bringen. Zum einen werden die Bierfilter durch geringere Frachten an Trubstoffen entlastet, was sich positiv auf die Filterstandzeiten auswirkt. Dadurch wird auch das Verhältnis von anfallenden Vor- bzw. Nachläufen zu filtrierter Biermenge entsprechend

296

Prozessbiere verbessert. Zum anderen können durch die geringere Hefemenge bei Reifung und Nachgärung die unter Umständen ins Bier gelangenden Autolyseprodukte (mittelkettige Fettsäuren, Proteinase A, alkalische Aminosäuren) ebenfalls minimiert werden. Die anfallenden Vor-, Zwischen- und Nachläufe können idealerweise direkt zur laufenden Filtration dosiert werden (vgl. Abschnitt 2.3, S. 294). Der Anfall an Zwischenläufen kann durch entsprechende Planung der Filtrationschargen minimiert werden. Bei Neuplanungen von Filterkellern sollte zudem über den Einsatz kieselgurfreier Filtration auf der Basis von Membranfilteranlagen nachgedacht werden. Die dort anfallenden Mengen an Vor-, Zwischen- und Nachläufen sind zu vernachlässigen. Die mikrobiologische Sicherheit und Wirtschaftlichkeit entsprechen inzwischen weitgehend den Anforderungen der Praxis, wobei bei den bestehenden Anlagen eine Vorklärung mittels Zentrifuge erfolgt [17].

3

Zusammenfassung

Die Verwertung von Prozessbieren ermöglicht es einer Brauerei, den internen Extraktschwand zu senken. Dabei ist einerseits auf Qualitätskriterien und auf mikrobiologische Sicherheit zu achten. Besonders hinsichtlich der Geschmacks- und Schaumstabilität können negative Einflüsse auftreten. Andererseits muss die Wirtschaftlichkeit bei der Verarbeitung von Prozessbieren überprüft werden. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die empfohlenen Zugabezeitpunkte der unterschiedlichen Prozessbiere.

Prozessbier

Zugabezeitpunkt

Begründung

Hefebier

Anstellwürze

Reduktion kurz- und mittelkettiger Fettsäuren

Vor-, Zwischen- und Nachlauf

laufende Filtration (alternativ: Whirlpool)

Verfahrenstechnik, Mikrobiologie

sonstige Prozessbiere

Ausschlagleitung (alternativ: Whirlpool)

Mikrobiologie

Rückbier

Ausschlagleitung (alternativ: Whirlpool)

Mikrobiologie

verdorbene Rückbiere

Entsorgung außerhalb der Produktionsabteilungen

Mikrobiologie

Tabelle 3: Prozessbiermanagement in einer Brauerei.

297

Prozessbiere

298

Problemstellung Hefe- Ursache bierrückgewinnung

Lösungsvorschläge/ Sollwerte (SW)

schlechte Qualitätskriterien des Hefebieres

mangelhafte Grundvitalität der Hefepopulation, ungeeignete Aufbewahrungsbedingungen der Hefesuspension vor der Aufbereitung

Verbesserung der Hefevitalität, Optimierung der Aufbewahrungsbedingungen (kürzere Lagerungszeiten, niedrige Temperaturen [0–3 °C])

zu hohe Aktivität der Proteinase A im Hefebier (> 50 units x 10-5/ml)

schlechter physiologischer Zustand der Hefepopulation, Kurzzeiterhitzer arbeitet nicht korrekt

Verbesserung des physiologischen Zustandes, Kontrolle des KZE (SW : PE > 40)

atypisch hohe Messwerte während der Aufbewahrung beim Stammwürzegehalt der Hefesuspension wird intrazelluläres Glycogen zu Alkohol verstoffwechselt

Aufbewahrungszeitraum verkürzen

zu hohe Trübung im Hefebier (Zentrifugen)

Durchbruch bei schwankenden Feststoffgehalten im Zulauf (Hefezellen)

auf konstanten Feststoffgehalt im Zulauf achten

Schaumstabilität im fertigen Bier beeinträchtigt

zu hohe Aktivität der Proteinase A im Hefebier

Hefebier frühzeitig kurzzeiterhitzen (> 40 PE)

Geschmacks- und Aromaprofil des Verschnittbieres negativ (breite, nachhängende Bittere, käsiges Aroma)

mangelhafte Qualität des Hefebieres

Zustand der Hefepopulation verbessern

Pumpfähigkeit der abgetrennten Hefe im Verkaufshefetank nicht gegeben

zu hoher Trockensubstanzgehalt im Verkaufshefetank

Rückverdünnung mit Wasser, geeignete Geometrie des Verkaufshefetanks beachten (konisch!)

Prozessbiere

4

Überblick

Problemstellung Prozessbiere allgemein

Ursache

Lösungsvorschläge/ Sollwerte (SW)

Beeinträchtigung des Geschmacks- und Aromaprofils des Verschnittbieres

mangelhafte Qualität des Prozessbieres Verschnittanteil zu hoch, mikrobiologische Kontamination, Oxidation

Kontrolle der Qualität des Prozessbieres,Verschnittanteil reduzieren, bei mikrobiologischer Belastung: Entsorgung der Prozessbiere außerhalb des Produktionsbereiches, CO2-Wäsche

Beeinträchtigung der Alterungsstabilität des Verschnittbieres

Verschnitt von Hefebier im Heißbereich

Hefebier zusammen mit Anstellwürze verschneiden

Beeinträchtigung der Schaumstabilität des Verschnittbieres

Aktivität der Proteinase A im Hefebier,Verschnittanteil zu hoch (> 10 %), evtl. zu viele mittelkettige Fettsäuren

Hefebier kurzzeiterhitzen Verschnittanteil reduzieren (< 5 %)

Zerlaufen des Trubkegels im Whirlpool

Anteil an dosiertem Prozessbier im Whirlpool zu hoch (zu starke Abkühlung der Heißwürze)

Anteil an dosiertem Prozessbier verringern oder Dosage des Prozessbieres direkt in die Heißwürzeleitung vor dem Würzekühler

5

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Bier und Gesundheit

Bier und Gesundheit

301

Bier und Gesundheit

1

Einleitung

Bier ist ein reines, bekömmliches und natürliches Lebensmittel, das sich vorteilhaft auf das Wohlbefinden und die Gesundheit auswirkt, wenn es maßvoll genossen wird. Insbesondere die Rohstoffe Malz, Hopfen, Hefe und Wasser sowie das Brauverfahren nach den Grundsätzen des Reinheitsgebotes sind verantwortlich für die positive gesundheitliche Wirkung des Bieres. Der Maisch-, Läuter- und Kochprozess, die Gärung und die Filtration stellen einen Reinigungsprozess dar, bei dem evtl. eingetragene unerwünschte Substanzen, wie z. B. Pflanzenschutzmittelrückstände, Mykotoxine und Krankheitserreger, entfernt werden.

2

Gesundheitliche Bedeutung von Bier

Die Rohstoffe Malz, Hopfen, Hefe und Wasser liefern eine Reihe ernährungsphysiologisch wichtiger Substanzen, die meist auch in relevanten Konzentrationen vorliegen. So werden vor allem durch das Malz, aber auch durch den Hopfen zahlreiche Polyphenole in das Bier eingebracht. Verschiedene Vitamine stammen ebenfalls hauptsächlich aus dem Malz. Weitere Vitamine werden von der Hefe produziert. Malz und Wasser sind für die Ausstattung des Bieres mit Mineralstoffen verantwortlich. Die Ballaststoffe im Bier kommen ausschließlich vom Malz. Die Maillardprodukte werden ebenfalls aus dem Malz eingebracht und zusätzlich beim Kochprozess gebildet. Aus dem Hopfen stammen interessante Hopfenöle und wertvolle Hopfenbitterstoffe.

2.1

Ernährungsphysiologisch interessante Bierinhaltsstoffe

Bier enthält eine Vielzahl an gesundheitlich relevanten Inhaltsstoffen. Im vorliegenden Kapitel werden ernährungsphysiologisch und gesundheitlich interessante Inhaltsstoffe beschrieben. In der modernen Brauereitechnologie wird immer stärker darauf geachtet, dass die wertvollen Inhaltsstoffe aus den Rohstoffen bis ins Bier erhalten werden, um ein auch ernährungsphysiologisch hochwertiges Produkt zu erzielen.

2.1.1

Polyphenole

Zu den Polyphenolen, die auch den sekundären Pflanzenstoffen zugeordnet werden, gehören Phenolcarbonsäuren, beispielsweise Ferulasäure und Gallussäure, sowie Flavonoide, wie Quercetin und Xanthohumol (XN). Diese Substanzen sind in ihrer Zusammensetzung und ihren Wirkungen auf den Organismus sehr unterschiedlich. Besonders interessant sind ihre antioxidativen Eigenschaften, die z. B. vor freien Radikalen und damit u. a. vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen [1, 2, 3]. Weiter wirken sie entzündungshemmend, antithrombotisch und antimikrobiell [4, 5]. Auch antivirale Wirkungen konnten gezeigt werden [6, 7]. Einigen Polyphenolen werden antikanzerogene Eigenschaften zugeschrieben [8, 9]. Dabei greifen sie in die unterschiedlichen Stadien der Krebsentstehung ein. Letztlich zählen auch östrogen (z. B. 8-Prenylnaringenin) und antiöstrogen (z. B. Xanthohumol) wirkende Substanzen zu den Polyphenolen [10, 11, 12].

302

Bier und Gesundheit Bei der Zusammensetzung der Polyphenole kommt es nicht auf die Gesamtmenge, sondern auf die vielfältigen Wirkungen bestimmter Polyphenole an [13]. In Tabelle 1 sind einige aus gesundheitlicher Sicht besonders bedeutende Polyphenole, die auch im Bier gefunden werden können, und ihre Wirkungen zusammengefasst. Polyphenol

Wirkung

Quercetin

antimikrobiell antioxidativ gegen Osteoporose antikanzerogen während der Promotions- und Progressionsphase der Karzinogenese

Xanthohumol

antimikrobiell entzündungshemmend antiviral antikanzerogen in allen Phase der Karzinogenese antioxidativ gegen Osteoporose Diabetes vorbeugend antiöstrogen

Isoxanthohumol

antimikrobiell antioxidativ östrogen

Gallussäure

antimikrobiell antioxidativ

Ferulasäure

antioxidativ entzündungshemmend

Tabelle 1: Ausgewählte Polyphenole und ihre Wirkungen [3, 9, 14].

2.1.2

Vitamine

Vitamine werden zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen im Körper benötigt. Da sie nicht oder nur unzureichend vom Körper produziert werden, müssen sie durch die Nahrung aufgenommen werden. Bier enthält v. a. wasserlösliche Vitamine der B-Gruppe [14]. Diese wirken sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus, regen den Stoffwechsel an, unterstützen die Bildung roter Blutkörperchen und verbessern die Konzentrationsfähigkeit [15]. Einige der Vitamine sind in der durchschnittlichen Ernährung häufig unterbilanziert, wie z. B. die Folsäure. Ein Folsäuremangel beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit und kann zu Verdauungsstörungen sowie zu Blutarmut führen [15, 16, 17].

303

Bier und Gesundheit Vitamin

Funktion

Niacin (B3)

wichtig für den Kohlenhydrat-, Fettsäuren- und Proteinstoffwechsel erforderlich für Wachstum und Aufrechterhaltung von Zellen Bestandteil von Coenzymen vom Körper selbst herstellbar aus Tryptophan

Pyridoxin (B6)

Auf-, Um- und Abbau von Aminosäuren und Neurotransmittern unterstützt das Nervengewebe wichtig für die Bildung von Hämoglobin unterstützt die Infektabwehr

Cobalamin (B12)

aktiv im Protein- und Fettsäuremetabolismus und als Coenzym in der Zelle unterstützt die Blutbildung B12 ist nötig, um Folsäure in eine physiologisch aktive Form umzuwandeln Zellteilung, nötig für die DNS-Synthese

Pantothensäure (B5)

zentrale Stellung im Energiemetabolismus der Zelle, Bestandteil des Coenzyms A Protein- und Fettsynthese erforderlich für die Bildung von Cholesterin und einiger Hormone

Folsäure (B9)

Proteinmetabolismus, Synthese von Struktur- und Funktionsproteinen, Umwandlung von Homocystein etc. am Zellwachstum und an der Zellneubildung beteiligt an der Blutbildung beteiligt unterstützt das Nervengewebe

Riboflavin (B2)

zählt zu den Coenzymen; wichtige Funktion im Protein-, Kohlenhydratund Fettstoffwechsel Energieproduktion aus Kohlenhydraten und Fetten für Wachstum und Versorgung der Zelle erforderlich

Biotin (H)

Auf- und Abbau von Fettsäuren Synthese von Glucose Aufbau von Aminosäuren an der DNS-Synthese beteiligt Coenzym

Vitamin D (Calciferol)

wichtig für gesunde Zähne und Knochen erhöht die Kalziumaufnahme und Speicherung im Körper regelt den Phosphatstoffwechsel stärkt das Immunsystem

Thiamin (B1)

wichtig für den Energie- und Kohlenhydratstoffwechsel Nervengewebe, Bedeutung für den Metabolismus mehrerer Neurotransmitter unterstützt die Herz- und Muskelfunktion

Tabelle 2: Ausgewählte Vitamine im Bier und ihre Wirkung [14, 15, 16, 17].

304

Bier und Gesundheit 2.1.3

Alkohol

Alkohol ist die einzige ernährungsphysiologisch problematische Substanz im Bier. Um Alkoholmissbrauch vorzubeugen, ist auch beim Biergenuss die Eigenverantwortung von großer Bedeutung. Andererseits wird ein moderater Alkoholkonsum aus medizinischer Sicht auch positiv diskutiert. So wirkt er sich günstig auf die Prävention von Nervenerkrankungen und Angstzuständen aus. Er schafft befreiende und entspannte Atmosphären [18]. Der Alkohol beeinflusst den Fettstoffwechsel und kann in gewisser Weise Diabetes vorbeugen [23, 24]. Zudem wirkt er sich positiv auf die Nierentätigkeit aus, so dass mit dem Harn vermehrt evtl. unerwünschte Substanzen ausgeschieden werden [25, 26]. Durch Alkoholkonsum wird u. a. auf Grund der Wirkung des Alkohols auf die Blutgerinnungsfaktoren (antithrombotische Wirkung) das Risiko eines Infarkts bzw. einer Herzkranzgefäß-Erkrankung um 25–55 % reduziert (L-förmige Kurve, Abbildung 1). Gleichzeitig steigt ab 30 mg Alkohol pro Liter das Risiko der Krebserkrankungen (J-förmige Kurve, Abbildung 1). Daraus ergibt sich ein Zusammenhang, der ein Maß für den moderaten Alkoholkonsum darstellt (Scheitelpunkt der U-förmigen Kurve, Abbildung 1) [19, 20, 21]. Je nach Geschlecht und Konstitution unterscheidet sich dieses Maß. In einer Studie von KEIL [22] haben sich 30 g Alkohol/Tag für den Mann und 25 g Alkohol/Tag für die Frau als günstig herausgestellt. Die DGE empfiehlt etwas niedrigere Alkoholmengen von 10 g/Tag für die Frau und 20 g/Tag für den Mann.

1,7

Sterblichkeit durch koronare Herzkrankheiten (L-förmige Kurve)

Relatives Sterblichkeitsrisiko

1,5

1,3

Sterblichkeit durch Krebskrankheiten (J-förmige Kurve)

1,1

0,9

Sterblichkeit gesamt (U-förmige Kurve)

0,7

0,5 0

1–21

22–32

33–54

55–76

77–128

>128

Alkoholverzehr [g/Tag]

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Alkoholverzehr und Sterblichkeit [20, 22]. 305

Bier und Gesundheit 2.1.4

Kohlendioxid

Bei Genuss karbonisierter Getränke wird durch die Entbindung des Kohlendioxids im Mundraum die Durchblutung angeregt, so dass ein erfrischender Eindruck entsteht. Je länger das CO2 auf die Schleimhäute wirken kann, desto größer ist auch der verdauungsfördernde Effekt [24].

2.1.5

Wasser

Zur Aufrechterhaltung des Wasserhaushalts empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine tägliche Wasserzufuhr von 2,5 l oder mehr, je nach Umgebungstemperatur und körperlicher Belastung. Im Bier nimmt das Wasser mit rund 93 % den größten Anteil in der Zusammensetzung ein. Die enthaltenen Mineralstoffe, das günstige Verhältnis Kalium zu Natrium und die geringen Mengen an Restzucker führen zu einer schnellen Resorption der Flüssigkeit [27]. In manchen alkoholfreien Bieren liegen sogar isotonische Verhältnisse vor.

2.1.6

Mineralstoffe

Mineralstoffe sind für den Stoffwechsel und die Aufrechterhaltung der Gesundheit unerlässlich. Sie entfalten ihre Wirkung nicht von allein, sondern im Zusammenspiel mit den Vitaminen und anderen Nährstoffen. Silizium fördert die Elastizität der Knochen, hemmt ihren Abbau und ist für Knochenwachstum und -entwicklung von entscheidender Bedeutung. Bier zählt zu den besten Quellen für bioverfügbares Silizium, da es bei längerem Kontakt mit Wasser zur Bildung der besonders gut resorbierbaren Orthokieselsäure kommt. Dagegen ist Silizium in festen Lebensmitteln (Weizen, Gerste, Hafer, Bananen etc.) trotz höherer Konzentrationen wesentlich schlechter bioverfügbar [4, 17]. Natrium ist ein Hauptfaktor des Säure-Basen-Gleichgewichts und für viele weitere Funktionen im Körper wichtig (Tabelle 3). Dennoch wird Natrium in der durchschnittlichen Ernährung, mit hohen Anteilen an industriell verarbeiteten Lebensmitteln, wie Fleisch, Käse, Suppen usw., im Übermaß konsumiert [15]. Dies kann bei salzempfindlichen Menschen zu Bluthochdruck und bei gesunden Menschen zu Anstauung von Wasser führen [15, 17]. In der Regel gelten Biere als streng natriumarm (< 40 mg Na/l). Eine Auswahl an ernährungsphysiologisch bedeutenden Mineralstoffen und Spurenelementen, die auch im Bier vorhanden sind, und ihre Wirkungen sind in Tabelle 3 beschrieben.

306

Bier und Gesundheit Mineralstoff

Funktion

Phosphor

Aufbau von Knochen und Zähnen reguliert die Muskelkontraktion Energiegewinnung in der Zelle Blutgerinnung Nervenimpulse Gehirntätigkeit körperliche Ausdauer

Kalium

reguliert den Wasserhaushalt (Antagonist zu Natrium) senkt das Risiko für Bluthochdruck beteiligt am Säure-Basen-Haushalt stimuliert Nervenimpulse und Muskelarbeit beteiligt an der Eiweißproduktion

Magnesium

körperliche und geistige Leistungsfähigkeit Energiestoffwechsel Sauerstofftransport Durchblutung beteiligt am Aufbau von Knochen und Zähnen

Chlorid

beteiligt am Säure-Basen-Haushalt Bestandteil von Knochen Bildung von Magensäure Hormontransport

Fluor

Verminderung von Zahnkaries Erhalt der Skelettstruktur bei Erwachsenen

Natrium

Säure-Basen-Gleichgewicht (ein Hauptfaktor), reguliert den osmotischen Druck im Körper Nerven- und Muskelfunktion, ein Zentralfaktor bei der Übertragung und Weiterleitung von Nervenimpulsen und bei der Muskelentspannung für die Glucoseresorption und den Transport anderer Nährstoffe erforderlich

Chrom

im Kohlenhydrat-, Protein- und Lipidstoffwechsel Zellteilung, insbesondere die Bildung der RNA

Tabelle 3: Ausgewählte Mineralstoffe und ihre Funktionen im Körper [14, 15, 17].

307

Bier und Gesundheit 2.1.7

Maillardprodukte

Die Maillardprodukte oder Melanoidine entstehen durch den Mälzungs- bzw. Kochprozess. Ihre Bedeutung für die Gesundheit wird unterschiedlich bewertet.Viele dieser Substanzen wirken antioxidativ, können Radikale abfangen und die Lipidperoxidasen hemmen [28]. Pronyl-Lysin ist eine wertvolle Substanz unter den Maillardprodukten und wirkt ebenfalls antioxidativ [29]. Diese Substanz kommt vor allem in der Brotkruste und im Bier vor.

2.1.8

Ballaststoffe

Bei den Ballaststoffen handelt es sich um weitgehend unverdauliche Bestandteile pflanzlicher Herkunft, die die Darmfunktion regeln. Weiterhin können sie das Herzinfarktrisiko senken, indem sie Substanzen, wie z. B. Cholesterin, aufnehmen und abtransportieren. Zellwandbestandteile, unter anderem β-Glucan, stellen einen wesentlichen Anteil der löslichen, im Bier vorhandenen Ballaststoffe dar. Untersuchungen zu diesen Ballaststoffen haben gezeigt, dass sie regelnd in den Insulinspiegel eingreifen und blutdrucksenkende Effekte auslösen.Tierversuche haben darüber hinaus belegt, dass sie die Widerstandsfähigkeit gegen Infektionen erhöhen [30, 31].

2.1.9

Hopfenbittersäuren und Hopfenöle

Die Hopfenbitterstoffe weisen verdauungsfördende, antiseptische Eigenschaften auf und wirken sich deshalb heilsam auf den Magen-Darm-Trakt aus. Die Bittersäure Humulon wirkt zusätzlich antimikrobiell, antioxidativ, gegen Osteoporose und gegen die Bildung von Nierensteinen [32, 33]. Dem Isohumulon konnte eine antivirale und Diabetes vorbeugende Wirkung durch Beeinflussung des Blutzuckerspiegels und des Fettsäurenabbaus nachgewiesen werden. Hopfen gilt auch als altbekanntes Beruhigungsmittel. Diese auch schlaffördernde und stressmildernde Eigenschaft wird u. a. den Hopfenölen zugeschrieben [34, 35].

2.2

Bier als wertvoller Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung

Auch wenn nicht alle zuvor beschriebenen Inhaltsstoffe des Bieres in wirksamer Konzentration vorliegen, zeigen sich dennoch viele gesundheitlich positive Wirkungen. Dies kann unter anderem durch synergistische Effekte der Einzelsubstanzen erklärt werden. Beispielsweise gilt das für Xanthohumol (XN), das in üblichen Bieren praktisch nicht vorhanden ist. So erzielte im Tierversuch das nach der „XAN“-Technologie angereicherte XN (vgl. Abschnitt 2.3.1, S. 312) im Bier dieselbe chemopräventive Wirkung wie eine wässrige XN-Lösung 10-facher Konzentration. Möglicherweise sind auch weitere Antioxidantien und Alkohol im Bier dafür verantwortlich [36]. Silizium ist eine Substanz, die in der Biermatrix ihre volle Wirkung entfaltet. Das aus dem Malz gelöste Silizium liegt im Bier als Orthokieselsäure vor und ist so besonders gut bioverfügbar. Dies konnte in Untersuchungen am Menschen durch Resorption und Nachweis im Blutplasma festgestellt werden [4, 37]. Auch das Verhältnis der vorliegenden Mineralstoffe spielt eine Rolle für den Körper. Bier zählt üblicherweise zu den streng natriumarmen Lebensmitteln (< 40 mg Na/l) und

308

Bier und Gesundheit verfügt über ein günstiges Natrium-Kalium-Verhältnis, so dass es auch bei Bluthochdruck und bei Nierenerkrankungen lindernd wirken kann [14]. In Abbildung 2 sind einige bislang in vivo nachgewiesene Risikofaktoren zusammengefasst, die durch moderaten Biergenuss gesenkt werden könnten.

Mögliche Senkung von gesundheitlichen Risikofaktoren durch Bier Magengeschwüre

Gallen- und Nierensteine

– Schutz vor Helicobacter pylori

– wenig Kalzium, viel Magnesium – Alkohol

Arteriosklerose Osteoporose

Inhaltsstoffe des Bieres

– Silizium

– Flavonoide – Alkohol – Folsäure (B9)

Herz-Kreislauf-Erkrankungen – Verhältnis Kalium zu Natrium

Entzündungsprozesse (Hemmung pathogener Keime)

– Polyphenole

– Flavonoide

– Alkohol

– Hopfenbitterstoffe

Voraussetzung: maßvoller und verantwortungsbewusster Bierkonsum Abbildung 2: Mögliche Senkung von gesundheitlichen Risikofaktoren durch Bier [2, 4, 21, 22, 31]. Spezielle Biersorten können auch bei besonderen Ernährungssituationen unterschiedliche Wirkungen zeigen. So ist einerseits bei erhöhten Harnsäurewerten der Genuss von hefetrüben Bieren oder alkoholfreien Bieren (gestoppte Gärer) wegen erhöhter Purinwerte nicht zu empfehlen, während Kristallweißbier sehr niedrige Purinwerte aufweist. Andererseits sind die alkoholfreien Biere mit gestoppter Gärung meist isotonisch und als Sportlergetränk geeignet. Der Biergenuss wird häufig mit einer hohen Kalorienaufnahme in Zusammenhang gebracht. Tatsächlich sind 250 ml Bier mit 108 kcal im Vergleich zur selben Menge Apfelsaft (118 kcal), Milch (165 kcal) oder Rotwein (192 kcal) am kalorienärmsten [14]. Es ist medizinisch erwiesen, dass der so genannte Bierbauch nicht dem Bierkonsum zuzuschreiben ist, sondern den gleichzeitig verzehr309

Bier und Gesundheit Ø empfohlene Vorkommen in 1 l Bedarfsdeckung durch Tagesdosis1 Pilsener Lagerbier 1 l Pilsener Lagerbier (%) Energie

2400 kcal

434 kcal

18,1

Wasser aus Getränken

2600 ml

919,6 g

35,4

Fett

80 g

Spuren

n. b.

Protein

56 g

5,0 g

8,9

Kohlenhydrate

300 g

28,0 g

9,3

Ballaststoffe

30 g

1,529 g

5,1

Phosphor

700 mg

319 mg

45,6

Kalium

2000 mg

554 mg

27,7

Magnesium

350 mg

96 mg

27,4

Chlorid

830 mg

174 mg

21,0

Fluor

3,8 mg

0,49 mg

12,9

Natrium

550 mg

44 mg

8,0

Chrom

100 µg

6,8 µg

6,8

Mangan

5 mg

0,16 mg

3,2

Zink

10 mg

0,06 mg

0,6

Niacin (B3)

17 mg

7,733 mg

45,4

Pyridoxin (B6)

1,5 mg

0,619 mg

41,3

Cobalamin (B12)

3,0 µg

0,82 µg

27,3

Pantothensäure (B5)

6 mg

1,49 mg

24,8

Folsäure (B9)

400 µg

86 µg

21,5

Riboflavin (B2)

1,5 mg

0,335 mg

20,9

Biotin (H)

60 µg

12 µg

20

Vitamin D

5 µg

0,9 µg

18,0

1,3 mg

0,029 mg

2,3

Thiamin (B1) 1

Mann, 19–65 Jahre, 70 kg Körpergewicht

Tabelle 4:Tagesbedarf ausgewählter gesundheitsfördernder Substanzen und deren Bedarfsdeckung durch Bier [14, 15].

310

Bier und Gesundheit ten, meist deftigen Speisen [39]. Dies hängt damit zusammen, dass Bier appetitanregend und verdauungsfördernd ist. Im Übermaß konsumiert wirkt sich selbstverständlich auch Bier negativ auf die Gesundheit aus (z. B. Steigerung des Krebsrisikos [38]). Für einige gesundheitsfördernde Substanzen sind in Tabelle 4 durchschnittliche Tagesdosisempfehlungen für Männer zwischen 19 und 65 Jahren angegeben, erstellt von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) [15]. Wegen des Alkohols sollten die von der DGE empfohlenen Mengen (10 g/Tag für die Frau und 20 g/Tag für den Mann) eingehalten werden. Allerdings gibt es auch medizinische Empfehlungen, wonach für die Frau 20 g/Tag und für den Mann 40 g/Tag akzeptabel sind [42]. Ein Liter Pilsener enthält ca. 40 g Alkohol. Ein moderater Biergenuss ist also geboten. Oder man greift auf alkoholfreie Varianten zurück. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Begriff „alkoholfrei“ weltweit uneinheitlich verwendet wird (vgl. Kapitel Alkoholfreies Bier). So darf ein alkoholfreies Bier beispielsweise in Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, den USA oder in Kanada bis zu 0,5 Vol.-%, in den Niederlanden bis zu 0,1 Vol.-% und in Großbritannien bis zu 0,05 Vol.-% aufweisen. In Frankreich dagegen liegt die maiximal erlaubte Alkoholmenge in einem alkoholfreien Bier bei 1,0 Vol.-%. Da alle gesundheitlich wertvollen Eigenschaften des Bieres weitestgehend auch im alkoholfreien Bier erhalten bleiben, kann auch das alkoholfreie Bier durchaus zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen. Die Inhaltsstoffe liegen in natürlicher Form vor. Die enthaltenen Vitamine, Antioxidantien und leicht verdaulichenh Kohlenhydrate sind gute Argumente für eine gesundheitsbewusste Ernährung. Prolaktin aus dem Malz und die beruhigende Wirkung der Hopfenöle machen es für stillende Mütter zusätzlich interessant. Letztlich stellen die alkoholfreien Biere mit den bereits erwähnten isotonischen und leicht hypotonischen Eigenschaften (Abbildung 3) auch ideale Sportlergetränke dar. Die Tonizität bezeichnet den osmotischen Druck (angegeben durch die Osmolalität in mmol/kg) von Flüssigkeiten im Vergleich zum osmotischen Druck von Blut. Flüssigkeiten und darin gelöste Inhaltsstoffe werden am schnellsten aus dem Darm in das Blut aufgenommen, wenn die gleichen osmotischen Bedingungen vorliegen, d. h. Isotonie herrscht. Bei körperlicher Anstrengung ist die Zufuhr isotonischer Flüssigkeiten günstig, da dem Körper somit schnell verfügbare Energie, insbesondere in Form von Kohlenhydraten, bereitgestellt wird. Zudem kann der durch das Schwitzen bedingte Verlust von Wasser und Mineralstoffen schneller ausgeglichen werden. Die durchschnittliche Osmolalität im Blut beträgt 290 mmol/kg. Somit gelten Flüssigkeiten mit 245 bis 335 mmol/kg als isoton. Werden geringere Werte erreicht, ist die Flüssigkeit hypoton, bei höheren Werten hyperton. Zur Aufnahme von Elektrolyten aus hypertonen Flüssigkeiten wird dem Blut Wasser entzogen, um die Flüssigkeit im Darm zu verdünnen und somit Isotonie zu erreichen. Da dem Blut bei körperlicher Anstrengung Wasser zugeführt werden sollte, wäre der Genuss eines solchen Getränks eher kontraproduktiv. Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, ist die Tonizität der alkoholfreien Biere je nach Entalkoholisierungsprozess (vgl. Kapitel Alkoholfreies Bier) unterschiedlich. Thermisch entalkoholisierte Biere liegen meist im hypotonischen Bereich, während gestoppte Gärer häufig im isotonischen Bereich liegen. Kombinierte Verfahren könnten neben einer verbesserten Sensorik auch zum Ausgleich von

311

Bier und Gesundheit Defiziten in der Tonizität dienen. Im Übrigen liegt die Osmolalität konventioneller und auch leichter Biere in Abhängigkeit von Stammwürze-, Alkohol- und Extraktgehalt bei 550 mmol/kg und mehr. Hypertonie

Osmolalität [mmol/kg]

0,35 0,3

Isotonie

0,25 Hypotonie

0,2 0,15 0,1 0,05 0 < 0,5 Vol.-% Alkohol

0,5–1,0 Vol.-% Alkohol

Gestoppter Gärer

Thermische Entalkoholisierung

Kombi- bzw. unbekannte Verfahren

Abbildung 3: Osmolalität in alkoholfreien Handelsbieren

2.3

Anreicherung bzw. Vermeidung besonderer Inhaltsstoffe im Bier

Bestimmte gesundheitsfördernde Substanzen können im Bier angereichert werden, wie es die „XAN“-Technologie und die Folsäuretechnologie zeigen. Ebenso ist es möglich, unerwünschte Substanzen (z. B. Gluten) abzureichern. Im Folgenden werden die Technologien bzw. Strategien zur An- und Abreicherung besonderer Inhaltsstoffe näher beschrieben.

2.3.1

Anreicherung von Xanthohumol

Normalerweise sind im Bier nur sehr geringe Gehalte (< 0,2 mg/l) an Xanthohumol vorhanden, da XN im üblichen Produktionsprozess weitgehend ausgeschieden wird. Nach dem Reinheitsgebot ist es nur über die Hopfengabe möglich, XN mit xanthohumolreichen Produkten und Variationen des Brauprozesses anzureichern. XN ist eine unpolare Substanz, die sich in polaren Medien nur in geringen Mengen löst und während der Kochung zu Isoxanthohumol isomerisiert. Bei Anwendung der „XAN“-Technologie werden die so entstehenden Verluste v. a. durch das Einbrauen mit höherer Stammwürze, durch eine erhöhte und späte Hopfengabe sowie durch die Zugabe von kaltem Brauwasser verringert (Abbildung 4). Einen wichtigen Einflussfaktor stellt das rasche Abkühlen der Würze am Kochende auf 80 °C dar, um eine Isomerisierung des XN weitgehend zu verhindern. Die Hopfengabe zur XN-Anreicherung kann mit handelsüblichen Ethanolextrakten oder XN-angereicherten Produkten erfolgen und richtet sich nach dem angestrebten XN-Gehalt im Bier.

312

Bier und Gesundheit Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Verwendung von Röstmalzen. Mit steigendem Röstmalzanteil wird die XN-Wiederfindung deutlich gesteigert. Hierfür werden Röstsubstanzen verantwortlich gemacht, die im weiteren Verlauf der Bierbereitung XN stabil in Lösung halten. Bei der Herstellung heller Biere kann Röstmalz nur in begrenzter Menge verwendet werden. Dieses Defizit kann aber durch Hefewiederverwendung oder den Verzicht auf Stabilisierungsmittel verringert werden. Unter Beachtung des Vorläufigen Biergesetzes ist es möglich, in unfiltrierten Bieren ohne Röstprodukte XN-Gehalte von 1 bis 3 mg/l zu realisieren. Bei einer Kombination von Röstmalzeinsatz und „XAN“-Technologie können Gehalte von über 10 mg XN/l im filtrierten Bier erreicht werden [40].

Einbrauen mit höherer Stammwürze (+ 25 %) Verwendung von Röstmalz Reduzierung der Kochzeit (< 1 h)

Würzebereitung

Zugabe des Hopfenproduktes 5 min vor Kochende rasches Abkühlen der Ausschlagwürze auf 80 °C durch Zugabe kalten Brauwassers

Gärung

reduzierte Hefegabe Wiederverwendung von Hefe

Reifung/Lagerung Filtration/Stabilisierung

kein Aufkräusen schonende Filtration (KG) KZE bzw. Pasteurisierung

Abbildung 4: Schema der „XAN“-Technologie.

2.3.2

Anreicherung von Folsäure

Der Gehalt der Folsäure (Vitamin B9) im Bier wird v. a. durch die Folsäuregehalte im Malz bestimmt. Aber auch der Maischprozess und der Hefestamm spielen eine große Rolle. Malz enthält max. 4,0 mg Folsäure/kg. Durch dünne Maischen (z. B. 1 : 5) und niedrige Einmaischtemperaturen können sehr gute Ausbeuten durch die Förderung der Proteinasen und die damit verbundene Freisetzung von B9 erreicht werden. Unter Verwendung eines geeigneten Hefestammes und gleichzeitiger Vermeidung von Luft während der Reifung und Lagerung sind nochmals Steigerungen im Folsäuregehalt zu erwarten. Die Hefe selbst nimmt keine Folsäure während der Gärung und Lagerung auf, sondern gibt eigenständig synthetisierte Folsäure an das umgebende Medium ab. Dabei reichen allerdings die üblichen Gärungs-, Reifungs- bzw. Lagertemperaturen bei untergärigen Bieren für eine Freisetzung der 313

Bier und Gesundheit Folsäure aus der Hefe nicht aus. In Pilsener Bieren können Gehalte von ca. 80 bis 120 µg Folsäure/l Bier erreicht werden (übliche Gehalte an B9 in Pilsener Bieren 60 bis selten 100 µg/l). In obergärigen Bieren ist es dagegen möglich, auf Folsäuregehalte von ca. 180 bis 220 µg/l Bier zu kommen (in handelsüblichen Weißbieren sind max. 100–140 µg Folsäure/l enthalten). Ein wesentlicher Unterschied liegt dabei in den hohen Reifungstemperaturen und in einer längeren Reifungszeit, die zu einer Erhöhung der Folsäuregehalte im obergärigen Bier führen. Zwischen Tank- und Flaschengärung konnte kein Unterschied festgestellt werden. In Abbildung 5 sind die technologischen Einflussfaktoren auf den Folsäuregehalt im Bier zusammenfassend dargestellt [41]. Folsäure ist ein temperaturempfindliches Vitamin, es sollte daher auf eine Pasteurisation der Biere verzichtet werden.

ausgewähltes Malz

Würzebereitung

dünne Maischen niedrige Einmaischtemperaturen

Gärung

ausgewählter Hefestamm hohe Gärtemperatur geringe Belüftung hohe Reifungstemperatur

Reifung/Lagerung erhöhte Hefegabe zur Reifung angereicherte Hefe zur Nachgärung ausreichend lange Reifezeit

Thermische Stabilisierung

keine KZE bzw. Flaschenpasteurisation

Abbildung 5: Schema der Folsäuretechnologie [41].

2.3.3

Vermeidung von Gluten

Inzwischen stehen vielfältige Technologien und Verfahren zur Verfügung, glutenfreie Biere herzustellen. Damit wird auch Menschen, die an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit, wie Zöliakie, oder an der Hauterkrankung Dermatitis herpetiformis (= Morbus Duhring) leiden, der Biergenuss ermöglicht. Zöliakie ist eine nahrungsmittelinduzierte, immunologische Erkrankung, die auf eine Intoleranz gegenüber bestimmten Aminosäuresequenzen der Prolaminfraktion von Weizengluten (Gliadin) und korrespondierender Fraktionen verwandter Getreide (Gerste, Roggen, Triticale) zurückzu-

314

Bier und Gesundheit führen ist. Konventionell hergestellte Biere können somit die Gesundheit Betroffener beeinträchtigen. Zur Herstellung glutenfreier Biere können verschiedene Strategien verfolgt werden (Tabelle 5).

Strategie

Bemerkung

Anwendung züchterisch veränderter Rohstoffe (ohne Gluten)

stehen zur Zeit nicht zur Verfügung Auswirkung auf die Bierqualität unbekannt

Entzug des Glutens in normalen Bieren durch Enzyme (u. a.Transglutaminasen)

weitestgehende Erhaltung der Biereigenschaften

Fermentation zuckerhaltiger Rohstoffe aus glutenfreien Quellen (z. B. Honig, Zucker, Sirup etc.)

kein bierähnliches Produkt aus Honig hergestelltes Produkt fällt in Deutschland unter das Weinrecht

Verwendung glutenfreier, kohlenhydratreicher Körner

unvermälzte Körner (z. B. Amarant, Buchweizen, Hirse, Mais, Reis, Quinoa, siehe auch oben) Zusatz von Enzymen, Alginaten etc.

Verwendung vermälzter, glutenfreier, kohlenhydratreicher Körner

Amarant (z. B. Amaranthus hypochondriacus), Buchweizen (Fagopyrum esculentum), Hirse (z. B. Sorghum bicolor), Sorghum (z. B. Panicum miliaceum, Setaria italica), Mais (Zea mays), Reis (Oryza sativa), Quinoa (Chenopodium quionoa) eigene Geschmacksnoten,Technologieoptimierung erforderlich

Tabelle 5: Strategien zur Herstellung glutenfreier Biere [43].

3

Zusammenfassung

Bier verfügt über eine Vielzahl ernährungsphysiologisch bedeutender Inhaltsstoffe, die z. B. bei HerzKreislauf-Erkrankungen sowie Gallen- und Nierensteinen helfen können. Dabei zeigen die einzelnen Substanzen nicht nur eigene, sondern auch synergistische Wirkungen mit anderen Inhaltsstoffen. Verschiedene Biersorten haben auch ganz spezifische Wirkungen (z. B. Isotonie mancher alkoholfreier Biere). Technologien zur Anreicherung bzw. Vermeidung besonderer Inhaltsstoffe, wie Xanthohumol, Folsäure und Gluten stehen bereits zur Verfügung und werden auch weiter erforscht. Wenn auch eine Vielzahl von wertvollen Inhaltsstoffen im Bier vorhanden ist, so muss doch wegen des Alkoholgehalts von ca. 5 Vol.-% zu einem moderaten Biergenuss geraten werden. 315

Bier und Gesundheit

316

4

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Mikrobiologie

Mikrobiologie

319

Mikrobiologie

1

Einleitung

In der Brauerei kommen zwar zahlreiche Mikroorganismen vor, jedoch können sich nur wenige im Bier vermehren und Schäden verursachen. Dies liegt an folgenden selektiven Eigenschaften des Bieres [1, 2, 3]: • niedriger pH-Wert um 4,5 • CO2-Gehalt (anaerobe Atmosphäre) • Alkoholgehalt um 5 Vol.-% • Hopfenbitterstoffe • Mangel an leicht verwertbaren Zuckern und Aminosäuren • niedrige Temperaturen im Produktionsbereich Deshalb können sich auch keine Krankheitserreger und keine hitzeresistenten Keime entwickeln. Somit können bei der Pasteurisation moderate Temperaturen (62–72 °C) angewandt werden (Abbildung 16, S. 336), um eine mikrobiologische Sicherheit zu erreichen [4]. Von den in Abbildung 1 dargestellten Mikroorganismen sind vor allem die Betriebskulturen (unterund obergärige Hefen sowie Sauergutkulturen) und die Schadorganismen von Bedeutung. Da Letztere bereits im Spurenbereich gefunden werden müssen, sind für die biologische Betriebskontrolle

Mikroflora in der Brauerei

Kulturstämme

Milchsäurekulturen

untergärige Kulturhefen

in der Brauerei gewöhnlich keine Bedeutung

obergärige Kulturhefen

pathogene Keime verursachen Infektionen

pathogene Keime verursachen Infektionen und Intoxikationen

Begleitflora

Schadorganismen

Indikatorkeime

Bierschädlinge

Bierverderber Ekelerregung

Sporen

zufällig vorhandene Keime

Schmutzindikatoren

Fäkalindikatoren

Indikatoren für Bierschädlinge

Abbildung 1: Mikroflora in der Brauerei.

320

pathogene Keime verursachen Intoxikationen

Kontaminationen (Verunreinigung mit Schadorganismen)

Verkeimungen

Ubiquisten

Krankheitserreger

indirekte Bierschädlinge

potentielle Bierschädlinge

obligate Bierschädlinge

obligate Bierschädlinge

Ungenießbarkeit

obligate Bierschädlinge

Mikrobiologie auch spezielle Indikatorkeime von Bedeutung. Hier spielen besonders die Schleimkapsel bildenden Essigsäurebakterien Gluconobacter frateurii und Acetobacter pasteurianus eine wichtige Rolle, da sie vorzugsweise wie die Bierschädlinge im Biermilieu wachsen. Allerdings benötigen sie Sauerstoff, so dass sie im abgefüllten, nahezu sauerstofffreien Bier keine Wachstumschancen haben. Diese Schleimbildner bilden in diversen Nischen mit Bierkontakt Biofilme, in die sich auch typische Bierschädlinge einnisten, die sich vermehren und schließlich an das Biermilieu adaptieren können (Abbildung 2).

nach 3 Tagen

Abbildung 2: Entwicklung von Getränkeschädlingen. Biofilme können auch an bierfreien Feuchtstellen entstehen. Hier sind aber meist andere schleimbildende Mikroorganismen beteiligt, z. B. typische Wasserbakterien (Pseudomonas, Enterobacter u. a.), ubiquitäre Hefen (Rhodotorula, Cryptococcus u. a.) und Schimmelpilze (Dematium, Aureobasidium u. a.). Bei den Bierschädlingen werden drei Schädlingskategorien unterschieden: obligate, potentielle und indirekte Bierschädlinge. Am gefährlichsten sind die obligaten Bierschädlinge. Sie tolerieren die bierspezifischen Selektivmerkmale und können meist ohne Adaptation im Bier wachsen und Qualitätsmängel verursachen. 321

Mikrobiologie Potentielle Bierschädlinge können Probleme in Bieren mit verminderter Selektivität hervorrufen. Sie können sich auch bei längerem Bierkontakt in der Brauerei mit der Zeit adaptieren und obligat bierschädlichen Charakter annehmen. Indirekte Bierschädlinge können sich nicht im abgefüllten Bier vermehren. Sie sind aber in der Lage, im Produktionsbereich zu wachsen und Vorschädigungen in der Würze, in der Hefe oder im Jungbier zu verursachen. Derartige Fehler können bis ins abgefüllte Bier verschleppt werden und ebenfalls zu Reklamationen führen. Neben dieser Unterscheidung nach Schädlichkeitskategorien ist für die biologische Betriebskontrolle auch eine Einteilung in Primär- und Sekundärkontaminanten sehr hilfreich. Erstere kommen im Produktionsbereich vor (Pediococcus damnosus, Lactobacillus lindneri u. a.) und können u. U. durch die Filtration bis ins abgefüllte Bier gelangen. Meist findet durch die Filter eine starke Ausdünnung statt, so dass die Untersuchungsergebnisse oft o. B. sind und dennoch in einzelnen Gebinden nach längeren Inkubationszeiten (z. B. 4 Wochen) Trübungen auftreten. Bei Primärkontaminationen ist das Auffinden der Kontaminationsquelle sehr schwierig, da sich beim Auftreten von Reklamationen die Keime meist bereits im gesamten Produktionsbereich ausgebreitet haben. Sekundärkontaminationen treten im Abfüllbereich auf [5], vor allem am Füller oder Verschließer. Hier können sich durch ständigen Bierkontakt bevorzugt Biofilme mit Bierschädlingen ausbilden. 1. Phase:

Eintrag in den Betrieb über Luftströmungen oder schmutziges Leergut u. a.

2. Phase:

Einnistung in verschiedenen schlecht zugänglichen Schlupfwinkeln oder Schmutznischen im Füller-/Verschließerbereich, an Transportbändern oder in defekten Fußböden

3. Phase:

In diesen Schmutznischen befindet sich immer ein Organismengemisch (aerobe nicht bierschädliche Begleitorganismen und oft Laktobazillen)

Infolge Verbrauchs von Sauerstoff durch Aerobier (z. B. Essigsäurebakterien) entstehen sauerstofffreie ökologische Nischen, Nährstoffanreicherungen (z. B. Milchsäure) und Verschleimungen (Biofilme)

optimale Wachstumsgegebenheiten für Pectinatus und Megasphaera: anaerob, Milchsäure als bevorzugte Kohlenstoffquelle, ansteigende pH-Werte durch Autolyse absterbender Keime

4. Phase:

Bei der Abfüllung gelangen Keime und Biofilme durch Rotation der Anlagen und Verspritzungen bzw. Aerosole in einzelne Flaschen: „Streukontamination“

5. Phase:

Reklamationen und evtl. Anzeigen

Abbildung 3: Entwicklung von Pectinatus und Megasphaera in der Brauerei.

322

Mikrobiologie Durch Rotation der Maschinen und nasses Milieu können Keime oder auch ganze Biofilme versprüht werden und in offene Flaschen gelangen. Dadurch entstehen mehr oder weniger ausgeprägte Streukontaminationen in einzelnen Flaschen. Bei den Sekundärkontaminanten handelt es sich meist um Lactobacillus brevis und L. casei sowie um Pectinatus sp. und Megasphaera sp. (Abbildung 3). Bei derartigen Problemen kann durch gezielte Reinigung und Heißwasserüberschwallung im Bereich des Füllers ein einwandfreier Zustand hergestellt werden.

2

Mikroorganismen

Besondere Bedeutung kommt den unter- und obergärigen Betriebshefen zu. Oberstes Gebot der Betriebskontrolle ist die Erhaltung der Reinheit und der Vitalität dieser Kulturstämme, da sich der Zustand der Hefe entscheidend auf die Bierqualität auswirkt. Eine vitale Anstellhefe garantiert eine flotte Gärung, einen schnellen und weitgehenden Diacetylabbau, ein angenehmes Geschmacksprofil sowie eine gute Geschmacks- und Schaumstabilität. Derartige gärkräftige Betriebshefen sind auch konkurrenzfähig gegenüber Bierschädlingen (vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung). Die morphologischen und physiologisch-biochemischen Eigenschaften sowie taxonomische Kriterien der unter- und obergärigen Brauereihefen (Saccharomyces pastorianus var. carlsbergensis, S. cerevisiae) werden im „Farbatlas und Handbuch der Getränkebiologie“, Teil 1 [2, 3] ausführlich behandelt. Stoffwechseleigenschaften sowie Technologie der Unter- und Obergärung können in „Mikrobiologie der Lebensmittel. Getränke“ [6] nachgelesen werden. Die Sauergutkulturen (meist Lactobacillus amylolyticus) [7] haben in den letzten Jahren eine große Bedeutung erlangt, da sie nicht nur die Einstellung eines gewünschten pH-Wertes in der Maische und Würze erlauben, sondern auch noch zahlreiche weitere technologische und qualitative Vorteile bringen (vgl. Kapitel Biologische Säuerung). Um Störungen im Gärverlauf und Probleme im Bier zu verhindern, muss ständig besonderes Augenmerk auf bierschädliche Kontaminanten im Betrieb gerichtet werden. Zu diesen Bierschädlingen gehören neben verschiedenen Fremdhefen in erster Linie einige Milchsäurebakterien, aber auch bestimmte gramnegative Arten, vor allem Pectinatus sp. und Megasphaera sp. Schimmelpilze [8] werden in der Brauerei ganz allgemein als harmlose Kontaminanten angesehen, lediglich das unschöne Wachstum der so genannten Kellerschimmel (Aureobasidium, Cladosporium, Moniliella u. a.) an feuchten Wänden und Behältnissen macht gelegentlich besondere Reinigungsmaßnahmen erforderlich. Als indirekte Bierschädlinge können die auf Gerste und Weizen bzw. im Malz vorkommenden Fusarien (v. a. Fusarium graminearum, F. culmorum) eingestuft werden, da sie Toxine und andere unerwünschte Substanzen bilden, die in den Produktionsprozess und teilweise bis ins Bier verschleppt werden.

323

Mikrobiologie 2.1

Kulturhefen

Unter Brauereikulturhefen werden bestimmte Betriebsstämme oder Zuchtformen von Saccharomyces cerevisiae bzw. S. pastorianus var. carlsbergensis verstanden, die auf Grund ihrer Gäreigenschaften für die Bierherstellung besonders gut geeignet sind. Die untergärigen Hefen vergären die Anstellwürze bei niedrigen Temperaturen von 5 bis 15 °C und setzen sich am Ende der Gärung mehr oder weniger stark am Boden ab. Nach ihrem Sedimentationsverhalten werden Bruch- und Staubhefen unterschieden, wobei aber alle Übergänge vorkommen. Bruchhefen sedimentieren im Laufe der Gärung in ziemlich kompakter Form. Dadurch werden die Hefeernte und nach der Lagerung die Filtration erleichtert. Die mehr in Schwebe verbleibende Staubhefe hat zwar häufig bessere Gärbilanzen, ist aber schwieriger zu ernten und verursacht u. U. auch Probleme bei der Filtration. Die obergärige Hefe gärt gewöhnlich bei höheren Temperaturen von 15 bis 25 °C und steigt während der intensiven Gärung nach oben, wodurch eine kräftige Decke entsteht. Bei obergärigen Hefen werden je nach Biertyp ebenfalls verschiedene Rassen verwendet. So unterscheidet man z. B. spezielle Weißbier- und Altbierhefen. Für viele obergärige Stämme ist im Gegensatz zu untergärigen Hefen eine ausgeprägte Sprossverbandsbildung charakteristisch. Untergärige und obergärige Brauereihefen bilden gewöhnlich rundliche bis ovale Zellen mit Größen von (5–10) x (5–12) µm aus; teilweise kommen elliptische bis zylindrische (3,5–9,5) x (5,0–20,0) µm, selten auch lang gestreckte (bis 40 µm) oder schlauchförmige Zellen vor. Die durchschnittliche Zellgröße variiert bei den verschiedenen Stämmen oft sehr deutlich. Im Zellinnern sind häufig Lipidtropfen und besonders bei älteren Zellen Vakuolen zu erkennen. Andere auffällige oder taxonomisch bedeutungsvolle Zellstrukturen sind nicht vorhanden. Die Sprossung ist multilateral. Die untergärigen Hefen liegen vorwiegend in Einzelzellen und Zellpaaren vor. Größere Zellverbände treten nur vereinzelt auf. Dagegen sind Agglomerate (mehr zufällige Zellanlagerungen) häufig zu beobachten. Untergärige und obergärige Hefen wachsen nicht auf Kristallviolett-, Lysin- oder Kupfersulfatagar und können Nitrat nicht assimilieren. S. pastorianus var. carlsbergensis unterscheidet sich von S. cerevisiae durch die Melibiose- und die komplette Raffinosevergärung (S. cerevisiae vergärt nur ein Drittel), durch fehlendes Wachstum bei 37 °C und fehlende oder sehr seltene Ascosporenbildung.

2.2

Fremdhefen

Bestimmte Fremdhefen können sich gelegentlich im abgefüllten Bier vermehren und verursachen Geschmacks- oder Geruchsfehler, so dass sie als Bierschädlinge angesehen werden müssen. Es handelt sich meist um verschiedene Wildstämme von S. cerevisiae und andere Arten der Gattung Saccharomyces sowie Brettanomyces-Arten [2, 3]. Abbildung 4 zeigt die Einteilung der Hefen nach brauereitechnologischen Gesichtspunkten. Dabei kommt vor allem den gärkräftigen Arten eine große Bedeutung zu, da sie nicht selten als obligate Bierschädlinge unangenehm in Erscheinung treten.

324

Mikrobiologie Hefen in der Brauerei

Fremdhefen

Kulturhefen

untergärige Bierhefe (Saccharomyces pastorianus var. carlsbergensis)

zahlreiche Rassen

obergärige Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae)

gärkräftige Arten

gärschwache Arten

Atmungshefen

zahlreiche Rassen

Wildstämme und Varietäten von Saccharomyces cerevisiae, andere SaccharomycesArten

Brettanomyces sp., Candida sp., Kluyveromyces sp., Saccharomycodes ludwigii

Debaryomyces sp., Kloeckera sp., Rhodotorula sp., Kahmhefen Candida sp., Pichia sp.

Abbildung 4: Einteilung der Hefen nach brauereitechnologischen Gesichtspunkten. Diese Fremdhefen unterscheiden sich häufig auch morphologisch von den Kulturhefen. Meist werden kleinere längliche Zellen gebildet, die in mehr oder weniger großen Sprossverbänden vorliegen. Z. B. bildet S. c. var. diastaticus vorwiegend kleinere ovale, elliptische bis zylindrische Zellen, die auch lang gestreckt sein können. Die Sprossverbände sind mehr geradlinig und werden oft nur von wenigen Zellen gebildet. Im Gärspektrum besteht große Ähnlichkeit mit der obergärigen Hefe, jedoch werden mit Hilfe von Amylasen und Amyloglucosidasen zusätzlich Dextrine und Stärke vergoren. Infolgedessen werden bei Kontaminationen im abgefüllten Bier Übervergärungen hervorgerufen, die zu Nachtrübungen, Bodensatzbildung und häufig auch zu Geschmacks- und Geruchsfehlern führen. Durch die gleichzeitige Extraktverringerung kommt es außerdem zu einem etwas leeren Geschmack mit herber Bitternote. Diese Hefen kommen vor allem im Unfiltrat vor und können wegen ihrer oft sehr kleinen Zellen die Filter leichter passieren. Gelegentlich treten sie auch als Sekundärkontaminationen bei der Abfüllung auf. Weitere sehr gefürchtete Wildhefen sind S. c. var. bayanus und Wildstämme von S. c. var. pastorianus. Die Zellen sind hier meist zylindrisch oder unregelmäßig keulen- oder wurstförmig. Sprossverbände werden kaum gebildet. Die Zellen kommen vorwiegend in Paaren vor, wobei häufig charakteristische Wegweiserformen vorliegen. Die Hefen haben gewöhnlich einen untergärigen Charakter, vergären jedoch wie die obergärige Hefe keine Melibiose und Raffinose nur zu einem Drittel. Häufig können aber Maltotriose und Maltotetraose verwertet werden. Besonders Biere mit niedrigem Ausstoßvergärungsgrad sind gefährdet, weshalb bei Kontaminationen Nachtrübungen und kratzig325

Mikrobiologie bittere Geschmacksabweichungen hervorgerufen werden können. Diese Hefe tritt vorwiegend im Unfiltratbereich und als Verunreinigung der Kulturhefe auf. Nicht-Saccharomyces-Hefen treten als Bierschädlinge seltener in Erscheinung. Probleme können aber durch Brettanomyces-Arten (z. B. B. anomalus) ausgelöst werden. Diese langsamen Gärer kommen häufig in belgischen Geuze- und Lambicbieren, in Ale- und Porterbieren sowie in Berliner Weiße vor und sind hier für ein erwünschtes charakteristisches Esteraroma verantwortlich. In üblichen Bieren können sie durch die starke Essigsäure- und Essigesterbildung massive Geruchs- und Geschmacksfehler verursachen. Die Zellen sind oval, elliptisch, zylindrisch oder lang gestreckt mit häufig ogivaler Sprossung (Schultersprossung an der Breitseite der Mutterzelle). Außerdem wird öfter auch Pseudomyzel mit z.T. einzeln oder quirlig angeordneten Blastosporen gebildet. Die grobe Differenzierung der in der Brauerei vorkommenden Hefen ist in Abbildung 5 dargestellt. Obwohl hier lediglich fünf Testmedien verwendet werden, ist eine für den Brauereibiologen hohe Aussagekraft über die Bedeutung der entsprechend angewachsenen Hefen gegeben. Für eine genaue Identifizierung sind jedoch zahlreiche physiologisch-biochemische Tests erforderlich [2, 3, 4, 9, 10]. Membranfiltration Würzeagar

Wachstum auf Lysinagar oder Kupfersulfatagar 2 bzw. 5 Tage bei 28 °C

Wachstum auf Kristallviolettagar 2 Tage bei 28 °C

Nicht-Saccharomyces-Fremdhefen

SaccharomycesFremdhefen

Wachstum auf Würzeagar 2 Tage bei 37 °C

obergärige Kulturhefen, SaccharomycesFremdhefen, Nicht-Saccharomyces-Fremdhefen

Wachstum in endvergorenem Bier (anaerob) 3–4 Tage bei 28 °C

übervergärende Hefen (Saccharomyces c. diastaticus)

Abbildung 5: Grobe Differenzierung von Hefen.

2.3

Bierschädliche Bakterien

Bei den bierschädlichen Bakterien handelt es sich meist um Laktobazillen und Pediokokken, es kommen aber auch gefährliche gramnegative Arten wie Pectinatus und Megasphaera vor (Abbildung 6). Die wichtigsten Lactobacillus-Arten sind L. brevis und L. lindneri, seltener sind L. brevisimilis, L. brevis ssp. frigidus, L. backii [11], L. coryniformis, L. casei und L. plantarum [12].

326

Mikrobiologie Morphologie

Kokken

Stäbchen

gram

gram

+

Lactobacillus

L. brevis (I, 35 %) L. lindneri (I, 25 %) L. brevisimilis (I, 3 %) L. rossiae (I, 2 %)

+

Katalase

Katalase

+

Gasbildung

+

-

-

+

-

Alkoholische Gärung

L. backii (I, 2 %) L. coryniformis (I, 1 %) L. casei (I, 2 %) L. plantarum (II, 1 %)

+ Zymomonas mobilis (II, < 1 %)

-

Lactatkonfiguration

Pantoea agglomerans (III, < 1 %) Obesumbacterium proteus (III, < 1 %)

Pectinaus cerevisiiphilus und P. frisingensis (I, 4 %)

Micrococcus kristinae (II, < 1 %)

DL

L (+)

D (-)

Pediococcus damnosus (I, 17 %) P. claussenii (II, 1 %) P. inopinatus (II, 1 %)

Lactococcus lactis und L. raffinolactis (II, 1 %)

Leuconostoc mesenteroides und L. paramesenteroides (II, < 1 %)

Megasphaera cerevisiae (I, 2 %)

I = obligat bierschädlich; II = potentiell bierschädlich; III = indirekt bierschädlich Die Prozentzahlen geben die Häufigkeit der Arten bei Reklamationen im Bier an (Erfassungszeitraum 1980–2004).

Abbildung 6: Einteilung der bierschädlichen Bakterien [1, 2]. L. brevis bildet meist längere parallelwandige Stäbchen mit runden Enden (0,7 x 4,0 µm), die einzeln oder in Paaren vorliegen. Die Doppelstäbchen sind häufig abgewinkelt (Wegweiserform). Zellketten werden nicht gebildet. Im Bier treten gelegentlich extrem lange Stäbchen (bis 50 µm) auf. Charakteristisch für L. brevis sind die Gasbildung (heterofermentativ), die Vergärung von Pentosen und Melibiose sowie die Argininspaltung. Dieser häufige Bierschädling verursacht im Bier Trübungen und Bodensätze sowie eine deutliche pH-Absenkung, so dass das Bier säuerlich schmeckt. Diacetyl wird aber nicht gebildet. Häufig handelt es sich hier um Sekundärkontaminanten. Bei L. lindneri liegen die kurzen, etwas unregelmäßigen oder kokkoiden Zellen meist in längeren Ketten vor. Gelegentlich werden, besonders in Bierproben, auch Langstäbchen gebildet. Die heterofermentative Art vergärt meist nur Glucose und Maltose und spaltet nicht Arginin. Im Bier werden leichte Bodensätze und Trübungen gebildet, jedoch gewöhnlich keine Geschmacksfehler. Dieser typische Primärkontaminant kommt nicht selten im Hefe-, Gär- und Lagerkeller vor und kann wegen seiner oft sehr kleinen Zellen auch durch die Filter verschleppt werden. Ähnliche Eigenschaften hat auch L. brevisimilis. In letzter Zeit treten gelegentlich Reklamationen besonders in Weizenbieren mit L. rossiae auf. Diese obligat heterofermentative Art produziert – ähnlich wie L. brevis ssp. frigidus – Schleim. 327

Mikrobiologie Die fakultativ heterofermentativen Arten L. backii, L. casei, L. coryniformis und L. plantarum bilden meist kürzere Stäbchen, die oft in Ketten vorliegen. Die Arten treten mehr in schwächer gehopften Bieren auf (Weißbiere) und verursachen infolge von Diacetylbildung deutliche Geschmacksfehler. Meist handelt es sich um Sekundärkontaminanten. Bei Pediococcus damnosus ist die Tetradenbildung charakteristisch. Es handelt sich um typische Primärkontaminanten, die häufig in der Kulturhefe und im Unfiltrat sowie im Hefeweißbier vorkommen. Die Zellen können ebenfalls durch die Filter bis ins abgefüllte Bier verschleppt werden. Im Bier erfolgen eine starke Diacetylbildung (Butteraroma) und eine pH-Absenkung. Außerdem zeigen die Biere meist leichte Trübungen und deutliche Bodensätze. Ähnlich verhalten sich auch zwei weitere bierschädliche Pediococcus-Arten, P. inopinatus und P. claussenii. Letztere Art bildet im Bier Schleim. Beide Arten sind aber wesentlich seltener [13, 14]. Die gramnegative, katalasenegative, streng anaerobe Art Megasphaera cerevisiae bildet große ovale oder runde Zellen (1,2–1,6 µm), die als Diplokokken oder kurze Ketten vorliegen. Vergoren werden vor allem Fructose, Brenztraubensäure und Milchsäure. Hauptstoffwechselprodukte sind Buttersäure, Capronsäure, Essigsäure, Propionsäure,Valeriansäure sowie CO2 und H2. Außerdem wird H2S produziert. Im Bier werden meist nur leichte Trübungen gebildet, aber dennoch kommt es zu massiven Geruchs- und Geschmacksfehler (Kloakengeruch) infolge der oben genannten Stoffwechselprodukte. Die Art ist etwas alkoholempfindlich (< 5 Vol.-%) und bevorzugt auch erhöhte pH-Werte (> 4,4). Es handelt sich um einen typischen Sekundärkontaminanten, der vorzugsweise im Bereich Füller/Verschließer auftritt. BM-System

gelegentliche Kontrollen Würze

Wasser

Stufenkontrolle Bier- bzw. Spülwasserproben

Luft

Sonderproben: Zeitvers. Kontr. auf Schwachst. (Indikatork.) Umfeldanalyse Flaschenkeller (Sekundärkontaminationen) Schnellnachweis (VIT, PCR)

CO2

Gärkeller

Lagerkeller

Drucktankkeller

Filterkeller

Abfüllung

Hefekeller Sonderproben (Abstriche) Schwachstellenanalyse in einer Abteilung oder in Bereichen einer Abteilung → Probenahmestellen definieren → Abstriche mit NBB-B-AM, 3 Tage, 25–28 °C, aerob (Gelbfärbung = Befund = Schwachstelle = Biofilm) → Probenahme alle 2–3 Monate wiederholen, in der Abfüllung wöchentlich

BM-System ist eine kontinuierliche Probenahme nach der Filtration oder vor dem Füller [15] VIT: Molekularbiologischer Schnellnachweis [16]

Abbildung 7: Konzept für die biologische Probenahme.

328

Mikrobiologie Pectinatus cerevisiiphilus und P. frisingensis sind ebenfalls streng anaerob, gramnegativ und katalasenegativ und haben ähnlich negative Auswirkungen wie die vorige Art. Die Zellen sind schlank (0,8 x 4,0 µm), parallelwandig mit spitzen Enden, leicht gekrümmt oder schlangen- bzw. korkenzieherförmig und monolateral begeißelt. Ähnlich wie bei M. cerevisiae findet Wachstum im Bereich zwischen 15 und 40 °C (Optimum 28–32 °C) statt.Vergoren werden verschiedene Zucker, Zuckeralkohole und organische Säuren (bes. Pyruvat und Lactat). Die Hauptstoffwechselprodukte sind Propionsäure, Essigsäure, Bernsteinsäure, Acetoin und CO2. Die kontaminierten Biere (pH-Werte > 4,3, Alkoholgehalt < 5,5 Vol.-%) weisen nicht nur starke Bodensätze und Trübungen oder Klümpchenbildung auf, sondern auch unangenehme Geruchs- und Geschmacksfehler (Kloakengeruch).Wie bei M. cerevisiae handelt es sich um typische Sekundärkontaminanten, die vorzugsweise im Flaschenkeller auftreten.

2.4

Nachweis von Bierschädlingen

Voraussetzung für eine hohe mikrobiologische Sicherheit ist ein betriebsspezifischer Kontrollplan (Abbildung 7). Der Nachweis von bierschädlichen Bakterien erfolgt mit NBB [1], die international evaluiert sind und von Fachgremien wegen der hohen Nachweissicherheit, der Schnelligkeit und der hohen bierspezifischen Selektivität empfohlen werden [12, S. 1216].Wichtig sind aber auch die unkomplizierte Verarbeitung sowie die einfache und eindeutige Auswertung der Proben. Dies ist einerseits durch das starke Anwachsen der Bierschädlinge und anderseits durch die weitgehende Hemmung von Betriebshefen und harmlosen Begleitorganismen möglich. Die bierspezifische Selektivität ist bei NBB so eingestellt, dass alle unter vorschriftsmäßigen Kultivierungsbedingungen angewachsenen Keime eine Bedeutung für die biologische Betriebskontrolle haben. Um einen Spurennachweis (möglichst große Probevolumen) zu ermöglichen, werden die unterschiedlichen Probetypen mit probespezifischen Nachweisverfahren untersucht. So werden klare

50-ml-Bügelverschlussprobeflasche (50-ml-BVPF)

ca. 25 ml NBB-B + 1–4 ml Hefeprobe (Bügelverschluss anfangs locker aufsetzen)

Steriler Abstrichtupfer

ca. 15 ml NBB-B + 0,5–1 ml Hefeprobe

ca. 5 ml NBB-C ca. 90 ml past. Bier ca. 10 ml Hefeprobe

Schüttelapparat

Abbildung 8a und 8b: Nachweis von bierschädlichen Bakterien in Hefeproben. 329

Mikrobiologie Bierproben und Spülwasserproben membranfiltriert und auf NBB-Agar im Anaerobiosetopf bei 27 °C ca. 5 Tage inkubiert. Hefeproben werden meist in NBB-Bouillon untersucht. Man gibt gewöhnlich ca. 0,5 ml Hefe zu 10 ml Bouillon und bebrütet wie oben, jedoch ist keine anaerobe Atmosphäre erforderlich (Abbildung 8a). Meist zeigt bereits nach 2–3 Tagen ein gelber Farbumschlag das Vorliegen von Bierschädlingen an. Für Unfiltrat und Hefebiere wird üblicherweise NBB-Konzentrat eingesetzt. Man gibt zur Bierprobe 5 % NBB-C (z. B. randvoll gefüllte 180-ml-Bügelverschlussprobeflaschen) und inkubiert ca. 7 Tage bei 27 °C. Der Nachweis ist sehr selektiv auf obligate Bierschädlinge. Bei der Auswertung sollten die Proben mikroskopisch kontrolliert werden, da gelegentlich Eiweißtrübungen auftreten und kein Indikator wie bei NBB-A oder NBB-B vorhanden ist. Durch Wasserzusatz (10–50 %) können auch potentielle und indirekte Bierschädlinge nachgewiesen werden (Abbildung 9).

Abbildung 9: Selektiver Nachweis von Bierschädlingen entsprechend ihrer Schädlichkeitskategorie.

Schwachstellen im Produktions- und Abfüllbereich werden mit Steriltupfern überprüft. Da hier neben Bierschädlingen vor allem Indikatorkeime (besonders Essigsäurebakterien und Fremdhefen) nachgewiesen werden sollen, wird eine aerobe Bebrütung mit der weniger selektiven NBB-AMBouillon empfohlen. Die Bebrütung erfolgt maximal 3 Tage bei 27 °C. Bei der Auswertung werden nur Teströhrchen mit Indikatorumschlag von Rot nach Gelb berücksichtigt. Ein solcher Befund deu-

330

Mikrobiologie tet auf einen Biofilm hin und damit auf eine Schwachstelle, in der sich früher oder später auch Bierschädlinge entwickeln können (Abbildung 2, S. 321). Als Schwachstellen im Produktionsbereich haben sich vor allem Blindkappen, Blindrohre, Leitungssäcke, CO2-Leitungen, Pumpen, Bypässe, Karbonisier- und Messeinrichtungen sowie Dichtungen erwiesen. Die beschriebene Abstrichmethode mit NBB-B-AM hat sich im Abfüllbereich der Getränkeindustrie (auch in Mineralbrunnen und AfG-Betrieben) inzwischen weltweit bewährt, da sie einfach zu handhaben ist und bei der Auswertung eine hohe Aussagekraft hat (Abbildung 10). Hier werden besonders an direkten und indirekten Kontaktstellen mit Bier Abstriche genommen (z. B. Sterne,Ventile, Hubelemente,Verschraubungen, Stehbolzen, Hohlräume). Aus statistischen Gründen ist es sinnvoll, dass ca. 20–30 solcher Schwachstellen erfasst werden. Besonders gefährlich sind Nischen am Füller und Verschließer, da sich in diesen Biofilmen wegen ständigem Bierkontakt auch ideale Verhältnisse für Bierschädlinge bieten. Aber auch bei der Waschmaschine (Flaschenausschub), am Flascheninspektor und an den Flaschentransportbändern können sich persistente Schleimbeläge ausbilden, in die sich unter Umständen ebenfalls Bierschädlinge einnisten können [5]. Der Vorteil dieser Methode liegt auch darin, dass bei regelmäßiger Probennahme durch den Nachweis von Indikatorkeimen Schwachstellen entdeckt werden, bevor sich Bierschädlinge eingefunden und adaptiert haben. Deshalb sollten die Abstriche möglichst wöchentlich während des üblichen Abfüllbetriebs (z. B. Dienstag, Auswertung Freitag) genommen werden, um die wirklichen biologischen Verhältnisse zu erfassen. Hier sollten die Befunde (gelbe Röhrchen) über mehrere Wochen durchschnittlich unter 30 % oder sogar unter 20 % (Sicherheitslinie) liegen. Gelegentlich kann auch die Reinigungswirkung an den Anlagen kontrolliert werden. Bei den Abstrichen nach der Reinigung sollten die gelb gewordenen Röhrchen unter 10 % liegen. Eine mikroskopische Kontrolle dieser Abstrichproben ist nicht unbedingt erforderlich, da bei Anwendung von NBB-B-AM ein Farbumschlag nach Gelb innerhalb von drei Tagen („Ampelprinzip“) prinzipiell als relevanter Biofilm gewertet werden kann (Abbildung 11).Welche Keime an der Belagbildung beteiligt sind, ist zunächst zweitrangig. An direkten Kontaktstellen sollten aber möglichst nur Indikatorkeime und noch keine Bier- bzw. Getränkeschädlinge vorhanden sein. Die wöchentlichen Abstrichbefunde können sehr übersichtlich und eindrucksvoll in Kurvendiagrammen dargestellt werden. Hier kann sofort erkannt werden, wenn die Sicherheitslinie von 30 % mit ansteigender Tendenz überschritten wird. Dies deutet auf das Vorliegen persistenter Beläge und die Gefahr von Sekundärkontaminationen hin. Einmalige Ausreißer sind dagegen unproblematisch, wenn bei den nachfolgenden Kontrollen wieder einwandfreie Verhältnisse unter 30 % vorliegen (Abbildung 12, S. 333). Die graphische Darstellung hat auch den Vorteil, dass negative Einflüsse (z. B. Baumaßnahmen), aber auch die Effizienz von Reinigungsmaßnahmen unmittelbar nachvollzogen werden können. Auf diese Art und Weise lässt sich der Hygienezustand im Abfüllbereich jederzeit beurteilen. Außerdem können rechtzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Der Nachweis und die Kultivierung von Hefen erfolgt gewöhnlich mit Würzeagar bei 25–28 °C und aerober Bebrütung. Um gärkräftige Hefen von Atmungshefen zu unterscheiden, wird auch in parallelen Tests aerob und anaerob inkubiert. 331

Mikrobiologie Probenahmevolumen 20–30 Abstriche

Probenahmestellen an Schwachstellen Waschmaschine – Flaschenabgabe

Sommer 1- bis 2-mal wöchentlich Bottle-Inspector

Inkubation/Auswertung 3 Tage in NBB-B-AM bei 25–28 °C Standard nach Reinigung max. 10 % mit Befund (Gelbfärbung)

Füller

Winter 1-mal wöchentlich

Standard während Produktion max. 20–30 % mit Befund (Gelbfärbung)

Verschließer indirekte Kontaktstellen: Umfeld Füller/Verschließer Fassabfüllung

Abbildung 10: Bewertung von Wischproben.

➞ ➞

➞ ➞





Zur Beurteilung der Filtrationseffizienz ist der Nachweis von Kulturhefen nach den Filtern von Bedeutung. Des Weiteren ist gelegentlich der Nachweis von Fremdhefen in der Kulturhefe (Reinzucht, Erntehefe, Geläger) erforderlich. Dabei macht man sich z. B. das unterschiedliche Temperaturmaximum von untergäriger Hefe (ca. 32 °C) und den meisten Fremdhefen (37–45 °C) zunutze. Somit können Fremdhefen bei Bebrütungstemperaturen von 37 °C selektiv in der untergärigen Hefeprobe angereichert werden. Um einen sicheren Spurennachweis zu führen, empfiehlt sich eine mehrstufige Anreicherung. Anschließend wird zur Differenzierung zwischen Saccharomyces-Fremd-

Gelbfärbung

3 Tage aerobe Bebrütung bei 25–28 °C in NBB-B-AM (6 von 24 Proben mit Befund = 25 %) Abbildung 11: Biologischer Zustand im Flaschenkeller dargestellt anhand von Abstrichproben.

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Mikrobiologie

% Befunde Befunde [%]

80 70

stetiger Anstieg ⇒ gefährlich

60 50 40 Sicherheitslinie

30 20 10

Generalreinigung

0 0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

22

24

26

28 Wochen

Abbildung 12: Grafische Darstellung der wöchentlichen Befundlage im Flaschenkeller. hefen und Nicht-Saccharomyces-Fremdhefen 1–2 Tage auf Kristallviolett- und Lysinagar bebrütet (Abbildung 13). Eine weitere Möglichkeit zum Nachweis von Fremdhefe in untergäriger Hefe ist in Abbildung 14 dargestellt. Beim Nachweis von Fremdhefe in obergäriger Betriebshefe (Abbildung 15) wird zusätz-

Lysinagar

Hefeprobe 1 ml

1 ml

1 ml

1 ml Ausgussplatte (Drigalskispatel) Kristallviolettagar

50 ml Würze

1 Tag bei 37 °C

50 ml Würze

1 Tag bei 37 °C

50 ml Würze

1 Tag bei 37 °C

1–2 Tage bei 28–37 °C

Abbildung 13: Spurennachweis von Fremdhefen in untergäriger Kulturhefe. 333

Mikrobiologie

2– 3

fen Trop 2–3

Tr op fe n

Probe der untergärigen Hefe (Anstellhefe, Erntehefe, Gelägerhefe) 0,5 ml der Probe in 10 ml sterilem Wasser suspendieren

2– 3

Tr op fe n

2–3 Trop fen

Wachstum auf Kristallviolettagar 2–3 Tage bei 28 °C

Wachstum auf Kupfersulfatagar 5 Tage bei 28 °C

Wachstum auf Würzeagar 2 Tage bei 37 °C

Wachstum in endvergorenem Bier (anaerob) 3–4 Tage bei 28 °C

SaccharomycesFremdhefen

Nicht-Saccharomyces-Fremdhefen

obergärige Bierhefe und andere Fremdhefen

übervergärende Hefen (Sacch. c. diastaticus)

Abbildung 14: Nachweis und Differenzierung von Fremdhefen in der untergärigen Hefe.

2– 3

Tr op fe n

Probe der obergärigen Hefe (Anstellhefe, Erntehefe, Gelägerhefe), 0,5 ml der Probe in 10 ml sterilem Wasser suspendieren

Wachstum auf Kristallviolettagar 2–3 Tage bei 28 °C

SaccharomycesFremdhefen

1. Zentrifugieren 2. 2-mal waschen (in jeweils 10 ml sterilem Wasser 2– suspendieren und ab3 Tr zentrifugieren) op fe 3. Suspension in 10 ml n Wasser 2–3 Tropfen 2–3 Tropfen Wachstum auf Wachstum auf Wachstum in Lysinagar Pantothenatagar endvergorenem 2–3 Tage bei 28 °C 2–4 Tage bei 28 °C Bier (anaerob) 3–4 Tage bei 28 °C Nicht-Saccharomyces-Fremdhefen

untergärige Bierhefe und andere Fremdhefen

übervergärende Hefen (Sacch. c. diastaticus)

Abbildung 15: Nachweis und Differenzierung von Fremdhefen in der obergärigen Hefe.

334

Mikrobiologie lich Pantothenatagar verwendet, der keine Pantothensäure enthält. Da Pantothensäure für obergärige Hefe essentiell ist, kann sich bei einer Kontamination mit untergäriger Hefe diese ohne Konkurrenz vermehren. Die hier empfohlenen Testmedien sind im „Farbatlas und Handbuch der Getränkebiologie“,Teil II [4, S. 175ff] beschrieben.

3

Zusammenfassung

Im Bier sind wegen der hohen Selektivität nur Laktobazillen, Pediokokken sowie Pectinatus sp. und Megasphaera sp. als Schädlinge von Bedeutung. Krankheitserreger und hitzeresistente Sporenbildner können sich nicht vermehren. Für die Betriebskontrolle ist eine Einteilung in obligate, potentielle und indirekte Bierschädlinge sowie in Primär- und Sekundärkontaminanten hilfreich. Wichtig sind auch die schleimbildenden Essigsäurebakterien als Indikatoren für Bierschädlinge. Diese sind auch oft im Gemisch mit anderen Schleimbildnern primär verantwortlich für die Biofilmbildung in direkten und indirekten Kontaktstellen mit Bier und spielen somit bei der Schwachstellenanalyse eine wichtige Rolle. Voraussetzung für eine erfolgreiche biologische Betriebskontrolle ist die Kenntnis der relevanten brauereispezifischen Keimarten. So werden die wichtigsten Merkmale der Kulturhefen, der Fremdhefen und der bierschädlichen Bakterien beschrieben. Schließlich werden für den Nachweis von bierschädlichen Bakterien besonders praktikable NBB-Methoden empfohlen. Für den Nachweis von Fremdhefen wird auf gängige Differenzierungsmedien verwiesen.

335

Mikrobiologie PE-Einheit

Einwirkungszeit [min]

Malzbier pH < 5,0 Hefeweißbier (< 15 Mio. Hefezellen [ml] alkoholfreies Bier (gestoppte Gärung) Flaschenpasteurisation

Ascosporen bierschädlicher Hefen, Micrococcus kristinae

Kurzzeiterhitzung Lactobacillus frigidus Lactobacillus lindneri übliche Bierschädlinge/Megasphaera Pediococcus damnosus Lactobacillus brevis

L. casei

L. coryniformis

Kulturhefen (vegetative Zellen/gramnegative Bakterien (Pectinatus)

Temperatur [°C]

Beispiel: 68 °C und 1 Minute = 14 PE (Abtötung von ca. 95 % der Bierschädlinge) Kurzzeiterhitzung (KZE): Mindesttemperatur 66,4 °C; Mindesteinwirkungszeit 15 s. Flaschenpasteurisation (FP): Mindesttemperatur 61 °C; Mindesteinwirkungszeit 4,5 min.

Abbildung 16: Pasteurisationseinheiten zur Abtötung von Bierschädlingen [3]. PE = Z x 1,393(T – 60) [Z = Zeit in Minuten; T = Temperatur in °C]

4

Überblick Merkmal/Problem

Mögliche Ursache

Maßnahmen

Diacetyl im Bier

• schlechte Vitalität der Hefe, Hefe zu alt, zu hohe Führung, zu warme und zu lange Hefelagerung

• junge vitale Hefe zum Anstellen

• Kontamination mit Pediokok• Hefe erneuern und Schwachken,Verschleppung durch Filter stellenanalyse im Unfiltratbereich • Kontamination mit Laktobazillen (L. casei, L. coryniformis). Sekundärkontamination am Füller oder bei Hefeweißbier Dosierhefe kontaminiert

336

• Füller-/Verschließerbereich reinigen, Dosierhefe austauschen

Mikrobiologie Merkmal/Problem

Mögliche Ursache

Maßnahmen

Diacetyl im Bier

• gramnegative Enterobacteriaceen in der Betriebshefe, zu warme und zu lange Hefelagerung, Belüftung der Hefe bei der Ernte

• Hefe erneuern, kühle Lagerung (Hefekühler), Belüftung erst beim Anstellen

Diacetylreduktion langsam

Hefe überaltert, schlechte Vitalität, zu hohe Führung, zu warme und zu lange Lagerung der Hefe

junge, vitale Hefe einsetzen, Erntehefe kühl (0–3 °C) aufbewahren

DMS im Bier

Bei einwandfreier Sudhaustechnologie: meist Kontamination der Würze (Belüftung!) oder der Hefe mit Enterobacteriaceen. Würzefilter und Flotationstank sind besondere Schwachstellen.

Würzeweg kontrollieren, Würzebelüftung und andere Einbauten, Bypässe usw. im Würzeweg überprüfen, beim Flotationstank Dom und Füllstandsanzeige reinigen

breite Nachbittere, leere Biere

Kontamination mit übervergärender Hefe (z. B. S. c. diastaticus)

Schwachstellen am Füller beseitigen, evtl. auch im Bierweg ab Filter

insgesamt schlechte Gärung

Zinkmangel

Zinkgehalt der Würze prüfen (> 0,15 mg/l), gegebenenfalls Maßnahmen (biologische Maischesäuerung)

gewünschter Es wird nicht erreicht

Hefe gealtert oder gestresst, mangelhafte Vitalität der Hefe (ICP < 6, vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung)

Hefetechnologie verbessern (Methylenblautote bei der Anstellhefe < 4 %)

Angärung flott, anschließend deutliche Abschwächung der Gäraktivität

Diauxie: Mangel an Zink, Aminosäuren, Biotin, leicht verwertbaren Zuckern (Glucose-/Maltoseverhältnis)

Zink überprüfen (Soll: > 0,15 mg/l in Anstellwürze), FAN anheben (z. B. Maischerast 48 °C

schlechte Hefeernte, meist auch mit längerer Gärzeit verknüpft

schlechte Hefevitalität, untergärige Hefe bleibt wegen langsamer Gärung bzw. mäßiger CO2-Produktion lange in Schwebe

Hefemanagement verbessern (vgl. Kapitel Hefetechnologie und Gärung)

337

Mikrobiologie

338

Merkmal/Problem

Mögliche Ursache

Maßnahmen

schlechte Filtrierbarkeit

schlechte Hefequalität, autolysierte Zellen, ungeeignete Hefepumpe oder Zentrifuge (Scherung, Kavitation)

Hefevitalität überprüfen, Umpumpvorgang beim Assimilieren oder Propagieren kontrollieren (Belüftung nach der Pumpe!), keine über- oder unterdimensionierten Pumpen

schlechte Geschmacksstabilität, meist auch schlechtere Schaumstabilität, nachhängende Eiweißbittere, beim Antrunk Schwefelgeschmack im frischen Bier

schlechte Hefequalität, autolysierende Zellen, Proteine und mittelkettige Fettsäuren sowie Proteinasen werden freigesetzt

Hefequalität verbessern, Methylenblautote der Anstellhefe