Besteuerung, Rechnungslegung und Prufung der Unternehmen: Festschrift fur Professor Dr. Norbert Krawitz 3834917990, 9783834917997 [PDF]


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German Pages 889 [898] Year 2010

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Table of contents :
Cover......Page 1
Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen ......Page 2
Über Norbert Krawitz......Page 8
Inhaltsverzeichnis......Page 12
I. Besteuerung der Unternehmen......Page 16
Inhaltsverzeichnis......Page 18
1 Die vGA nach derzeit herrschender Lehre......Page 20
2.1 Ergebnisneutrale Vorgänge bei der Kapitalgesellschaft......Page 21
2.2 Ungerechtfertigte Einkommensminderungen......Page 23
2.3 Gewinn- und Einkommensminderungen ......Page 24
2.4 Zum Verhältnis von § 8 Abs. 3 Satz 2 zu § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG......Page 25
3.1 Grundsätzlich erfolgsunwirksame Vorgänge beim Gesellschafter......Page 26
3.2 Einkommenswirksame Vorgänge beim Gesellschafter......Page 27
3.3 Divergenzeffekt, Satzungsklauseln und Kapitalerhaltung......Page 28
3.5 Teilwertabschreibung und „vGA“......Page 31
4 Fazit......Page 33
Literatur......Page 34
Inhaltsverzeichnis......Page 36
1 Grundlegung und Problemstellung......Page 38
2.1.1 Der hypothetische Fremdvergleich i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG......Page 39
2.1.2.1 Preisuntergrenzen......Page 40
2.1.2.2 Preisobergrenzen......Page 41
2.2 Krisenbedingte Verluste im Hinblick auf die betriebliche Funktion der einzelnen Konzerngesellschaft......Page 42
a) Definition des Eigenproduzenten......Page 43
c) Verrechnungspreisbestimmung für Lieferungen an verbundene Abnehmer......Page 44
a) Definition des Lohnfertigers......Page 45
b) Cost-plus-Preis bei Routinegesellschaften der Produktion......Page 46
c) Höhe des Gewinnaufschlags in Verlustsituationen......Page 47
b) Residualgewinn/-verlust bei Entrepreneurgesellschaften des Vertriebs......Page 48
c) Verrechnungspreisbestimmung für Leistungen an verbundene Eigenhändler ......Page 49
2.3 Sonderproblem: Anlaufverluste bei Vertriebsgesellschaften......Page 50
2.4.2 Bedeutung von Informationen aus Datenbanken bei den gewinnabhängigen Methoden ......Page 52
2.4.3 Einfluss der Finanzmarktkrise auf die Verwendungsmöglichkeiten von Informationen aus Datenbanken ......Page 53
2.5 Übertragung von Verlustpotenzial bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen......Page 54
2.5.1 Verlagerung von Auslandsfunktionen ins Inland als Instrument des konzerninternen Verlustausgleichs ......Page 55
2.5.2 Verlagerung verlustbringender Inlandsfunktionen ins Ausland......Page 56
3 Fazit......Page 58
Literaturverzeichnis......Page 59
Inhaltsverzeichnis......Page 62
2 Steuerbefreiung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 8b KStG......Page 64
3.1.1 Veräußerungspreis für die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und Anschaffungskosten für die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft ......Page 65
3.1.2.1 Bedeutung und Rechtsfolgen einer solchen gesetzlichen Regelung......Page 66
3.1.2.2 Gesetzliche Regelung......Page 67
3.1.2.3 Keine Übertragbarkeit der Grundsätze zu einbringungsgeborenen Anteilen ......Page 69
3.1.3 Keine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995......Page 70
3.2.1 Wahlrecht zur Buchwertfortführung......Page 71
3.2.2 Ansatz der untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft mit dem gemeinen Wert ......Page 72
4 Zusammenfassung......Page 73
Literaturverzeichnis......Page 75
Inhaltsverzeichnis......Page 76
1 Einleitung......Page 78
2.1 Die Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers......Page 79
3.1 Die Besteuerung des Unternehmenserfolges......Page 81
3.3 Die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgebeiträgen......Page 82
4 Das Modell zur Beschreibung des Finanzierungsgrads......Page 84
5.1 Der Finanzierungsgrad bei ausschließlicher Gewinnsituation......Page 87
5.2.1 Die Wirkung der Erhöhung des Prozentsatzes der Abzugsfähigkeit......Page 90
5.2.2 Die Wirkung des zeitlichen Anfalls von Verlusten......Page 91
6 Fazit......Page 93
Literaturverzeichnis......Page 95
Inhaltsverzeichnis......Page 98
1 Einleitung......Page 100
2 Abgrenzung von Mehrkomponentengeschäften......Page 101
3 Konzeptionen der Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften......Page 103
3.2 Konzeption der Umsatzaufgliederung......Page 104
4.1 Darstellung......Page 105
4.2.1 Grundsätzliche Kritik......Page 106
4.2.2 Verschärfung der Fehlbilanzierung aufgrund unzureichender Rückstellungsbildung ......Page 108
4.2.3 Rückstellungsansatz dem Grunde nach......Page 109
4.2.4 Rückstellungsansatz der Höhe nach......Page 110
4.2.4.1 Ansammlung von Rückstellungen......Page 111
4.2.4.2 Abzinsung von Rückstellungen......Page 112
5 Fazit und Ausblick......Page 113
Literaturverzeichnis......Page 115
Inhaltsverzeichnis......Page 118
1 Vorbemerkung......Page 120
2 Ziel und Zweck der Gewerbesteuer......Page 121
3.1.1 Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg......Page 123
3.1.2.1 Beteiligungsähnliche Genussrechte......Page 124
3.1.2.2 Kein Korrespondenzprinzip für verdeckte Gewinnausschüttungen......Page 125
a) Allgemeines......Page 126
b) Tochtergesellschaft als Landes- und Funktionsholding......Page 127
c) Aktiv tätige Enkelgesellschaften und passiv tätige Tochtergesellschaft......Page 128
3.1.2.4 Tatsächliche und fiktive Betriebsausgaben......Page 131
3.1.2.5 Teilwertabschreibungen......Page 132
3.1.3.1 Holding-, Kredit- und Versicherungsunternehmen......Page 134
3.1.3.2 Hinzurechnungsbesteuerung......Page 135
3.1.3.3 Einkünfte aus Anteilen an Investmentvermögen......Page 137
3.2.1 Mutter-Tochter-Richtlinie......Page 139
3.2.2.1 Spezialregelung in § 9 Nr. 8 GewStG......Page 140
3.2.2.2 Vorrang des DBA-Schachtelprivilegs......Page 141
3.2.2.3 Dividendenbegriff des § 9 Nr. 8 GewStG......Page 142
4 Ausländische Betriebsstätteneinkünfte......Page 143
5 Schlussbetrachtung......Page 145
Literaturverzeichnis......Page 147
Inhaltsverzeichnis......Page 157
1.1 Rechtsentwicklung der Abzugsbeschränkung für Zinsaufwendungen......Page 160
1.2 Temporäres Betriebsausgabenabzugsverbot für Zinsaufwendungen......Page 161
1.3 Betriebswirtschaftliche Folgen der Abzugsbeschränkung......Page 163
2.1 Grundfragen der Sonderregelung......Page 164
2.2 Entsprechende Anwendung des § 8a Abs. 2 KStG bei nicht konzernzugehörigen nachgeordneten Mitunternehmerschaften ......Page 166
2.2.1 Nachgeordnete Mitunternehmerschaft als inländischer konzernzugehöriger Betrieb ......Page 167
2.2.2 Keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung der nachgeordneten Mitunternehmerschaft ......Page 169
2.3 Entsprechende Anwendung des § 8a Abs. 3 KStG für konzernzugehörige nachgeordnete Mitunternehmerschaften ......Page 171
2.3.1 Eigenkapital-Escape bei konzernzugehöriger Mitunternehmerschaft......Page 172
2.3.2 Keine schädliche externe Gesellschafterfremdfinanzierung konzernzugehöriger Mitunternehmerschaften ......Page 176
3.1 Vortrag nicht abgezogener Zinsaufwendungen der Mitunternehmerschaft......Page 178
3.2 Unmittelbarer bzw. mittelbarer Gesellschafterwechsel an einer Mitunternehmerkapitalgesellschaft ......Page 180
4 Ergebnis: Sonderregelung für einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften führt zu einer Einschränkung des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit ......Page 182
Literaturverzeichnis......Page 184
Inhaltsverzeichnis......Page 186
2 Warum eine Einkommensteuersenkung?......Page 188
3 Einkommensteuersenkungen des Maßnahmenpaketes II ein erster Schritt......Page 189
4 Die Hypothek der kalten Progression......Page 190
5 Neuere empirische Studien......Page 193
6 Einkommensteuersenkung – aber wie?......Page 194
7 Gegenfinanzierung......Page 201
8 Fazit......Page 202
Literaturverzeichnis......Page 203
Inhaltsverzeichnis......Page 204
1 Einführung......Page 206
2 Steuerwirkungen der Gewinnermittlung und der Verlustverrechnung im Schrifttum eine subjektive Auswahl......Page 207
3.1 Modell vor Steuern......Page 208
3.2 Gewinnermittlungsregeln......Page 210
3.3 Verlustverrechnungsregeln......Page 211
3.4 Tarif, Überblick über die untersuchten Fälle, Simulationsdaten......Page 213
3.5 Ergebnisse, Analyse und Variationsrechnungen......Page 215
4 Zusammenfassung......Page 221
Literaturverzeichnis......Page 223
Inhaltsverzeichnis......Page 226
1 Einleitung......Page 228
2.1 Rechtsprechung......Page 229
2.2 Verwaltungsauffassung......Page 231
3.1 Entscheidungsrelevanter Sachverhalt......Page 233
3.2 Eckpunkte der Entscheidung......Page 234
3.3 Auffassung der Finanzverwaltung......Page 237
4.1 Die Allgemeinen Entstrickungsnormen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG......Page 238
4.2 Verschärfung oder Identität der Tatbestandsvoraussetzungen......Page 239
4.3 Relevanz der Entscheidung in EU-Fällen......Page 240
4.4 Relevanz der Entscheidung in DBA-Freistellungsfällen......Page 243
4.5 Relevanz der Entscheidung in DBA-Anrechnungsfällen......Page 247
4.6 Relevanz für Nicht-DBA-Fälle......Page 249
5 Zusammenfassung und Ausblick......Page 250
Literaturverzeichnis......Page 252
Inhaltsverzeichnis......Page 256
1 Problemstellung......Page 258
2.1 Das Recht zu fotografieren, zur Verbreitung und Zurschaustellung der Fotografie......Page 260
2.2.1 Gesetzliche Fotografierverbote......Page 261
2.2.2 Umfang und Grenzen des Rechts am eigenen Bild......Page 263
2.3 Das Fotografieren von in fremdem Eigentum stehenden Sachen......Page 268
2.4 Das Fotografieren von Werken......Page 270
2.5.1 Urheberrechtlicher Schutz der Fotografie......Page 275
2.5.2 Einschränkungen zugunsten Dritter......Page 276
3.1 Der Fotograf und die Tätigkeit des Fotografierens im Einkommensteuerrecht......Page 278
3.2 Der Fotograf und das Fotografieren im Umsatzsteuerrecht......Page 283
3.3 Bilanzierung: Fotos als materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter......Page 284
4 Zusammenfassung......Page 285
Literaturverzeichnis......Page 287
Inhaltsverzeichnis......Page 290
1 Der obskure Wortlaut des § 49 Abs. 2 EStG......Page 292
2 Systematische Auslegung......Page 294
3.1 Die Gesetzgebungsgeschichte und die vorausgegangene Rechtsprechung des RFH und des BFH......Page 296
3.2 Die Ideengeschichte......Page 303
4 Teleologische Auslegung......Page 304
Literaturverzeichnis......Page 308
Inhaltsverzeichnis......Page 312
1 Einleitung......Page 316
2.1 Grundsätzliches Misstrauen der Finanzverwaltungen gegenüber konzerninternen Verrechnungspreisen......Page 318
2.3 Internationales Steuersatzgefälle......Page 319
3.1.1 Doppelbesteuerung aufgrund von Formalmängeln in den Aufzeichnungen ......Page 320
3.1.4 Nachzahlungs- und Verzugszinsen......Page 321
3.1.6 Sonstige Risiken......Page 322
3.2 Doppelbesteuerungsabkommen mit Einigungszwang als wirksames Heilmittel?......Page 323
3.3.1 Die wesentlichen Vorzüge von APA......Page 325
3.3.2 Die mit einem APA einhergehenden Nachteile......Page 326
3.4 Anhebung der Beteiligungsquote für die Qualifikation von „nahe stehenden Personen“......Page 327
4.1.1.1 Konzernweit einheitliches Verrechnungspreissystem......Page 330
4.1.1.2 Konzernweit einheitliches Dokumentationssystem......Page 331
4.1.2 Risk Management durch höchstmögliche Standardisierung......Page 332
4.1.3 Transparenz im Konzern: Compliance als „Erfüllungsgehilfe“......Page 333
4.2 „Soviel wie nötig, so wenig wie möglich“: Vermeidung „unnötiger“ konzerninterner, grenzüberschreitender Transaktionen......Page 334
4.3 Risikoaverse Geschäftsmodellwahl: Strategische Überlegungen zur Funktionsund Risikoallokation im Konzern......Page 335
4.3.2 Strukturierung von Investitionen mit großem Risiko- und Chancenpotential am Beispiel der Auftragsentwicklung ......Page 336
4.4.2 Vermeidung provokativer Ausnutzung von Risiko-Bandbreiten......Page 337
5 Zusammenfassung......Page 339
Literaturverzeichnis......Page 340
Inhaltsverzeichnis......Page 342
1 Hintergrund......Page 344
2.1 Fehlende Rechtsformneutralität als Gestaltungselement......Page 345
2.2 Besteuerung von Funktionsverlagerungen......Page 350
2.3 Missbrauchsvermutung bei Geschäftsbeziehungen mit nichtkooperierenden Staaten......Page 356
3 Fazit......Page 361
Literaturverzeichnis......Page 362
Inhaltsverzeichnis......Page 364
1 Einleitung......Page 366
2.1 Branchenprofil......Page 367
2.2 Leistungsspektrum......Page 368
2.3 Vertragliche Besonderheiten......Page 369
3.1 Definition......Page 371
3.3 Abgrenzung Dauerbetriebsstätten / temporäre Betriebsstätten......Page 372
4.1 Grundregel......Page 373
4.2 Methoden......Page 374
4.3 Kostenschlüsselmethode......Page 375
5.1 Grundsätze......Page 376
5.2 Beispiel China......Page 377
6 Fazit......Page 378
Literaturverzeichnis......Page 380
Inhaltsverzeichnis......Page 382
1 Einleitung......Page 384
2.2.1 Abführung des ganzen Gewinns......Page 385
2.2.2 Vorzeitige Beendigung des Ergebnisabführungsvertrags......Page 386
2.2.3 Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter......Page 389
2.2.4 Abwicklungsgewinne......Page 390
2.3 Neuerungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz......Page 392
3.1 Debt push down durch Organschaft......Page 393
3.2 Organschaft und Zinsschranke......Page 396
4 Fazit......Page 397
Literaturverzeichnis......Page 399
Inhaltsverzeichnis......Page 402
2 Problemstellung, aktuelle Entwicklungen......Page 404
3 Gesetzliche Vorgaben in Deutschland zur Umsatzversteuerung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen ......Page 406
4 Leitlinien der Rechtsprechung zur Interpretation der relevanten umsatzsteuerlichen Normen......Page 407
5.1 Vorschläge der EU-Kommission......Page 410
5.3 Deutsche Gesetzesinitiativen......Page 413
6.1 Gesetzliche Grundwertungen des Umsatzsteuerrechts......Page 414
6.2 Zielkonflikte......Page 416
6.3 Diskussion von Lösungsansätzen......Page 418
7 Schlussbemerkung......Page 421
Literaturverzeichnis......Page 422
Inhaltsverzeichnis......Page 424
1 Einleitung......Page 426
2.1 Hannoversche Grundsätze vom 13.12.1957......Page 428
2.2 Wiesbadener Erlass vom 19.2.1970......Page 429
2.3 Auslandserlass vom 17.4.1979......Page 430
2.4 Erlass zu steuerlichen Bilanzierungsfragen vom 20.5.1980......Page 431
2.5 Farm-in Erlass vom 14.9.1981......Page 432
2.6 Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999, Tz. 4.7.......Page 433
3 Grundtypen der ausländischen Fiskalregime für die Erdölund Erdgasgewinnungsindustrie......Page 435
3.1 Konzessionsoder Lizenzverträge (Royalty/Tax Regime)......Page 436
3.2 Produktionsaufteilungsverträge (PSC oder EPSA Regime)......Page 437
3.3 Serviceverträge......Page 438
4.1 Artikel 6 OECD-MA......Page 439
4.3 DBA Iran vom 20.12.1968......Page 440
4.4 DBA Norwegen vom 4.10.1991......Page 441
4.5 DBA Dänemark vom 22.11.1995......Page 442
4.6 DBA Litauen vom 22.7.1997......Page 444
5 Aktuelle Problembereiche und Ausblick......Page 445
Literaturverzeichnis......Page 447
Inhaltsverzeichnis......Page 448
1 Einleitung......Page 450
2 Wirkungen der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen beim Unternehmenskauf......Page 451
3 Empirische Evidenz zum Einfluss von Steuern auf den Unternehmenskauf......Page 454
4 Empirische Evidenz für Steuerplanung beim Unternehmenskauf......Page 456
5 Empirische Evidenz für Steuern als Transaktionshemmnis beim Unternehmenskauf?......Page 459
6 Zusammenfassung......Page 462
Literaturverzeichnis......Page 463
Inhaltsverzeichnis......Page 468
1 Einleitung......Page 470
2 Steuerfreier Fall......Page 472
3.1 Modellierung......Page 475
3.2 Analyse......Page 476
4.1 Modell......Page 479
4.2 Analyse......Page 481
5 Halbeinkünfteverfahren versus Abgeltungssteuer......Page 482
6.1 Veräußerungsgewinnbesteuerung......Page 483
6.2 Ausschüttungspolitik......Page 486
6.3 Veräußerungszeitpunkt......Page 487
7 Schlussbemerkung......Page 489
Literaturverzeichnis......Page 490
Inhaltsverzeichnis......Page 498
2 Rund um die finale Entnahmelehre......Page 500
3 Sachlicher Anwendungsbereich......Page 501
4 Das Konkurrenzverhältnis zwischen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG......Page 502
5 Möglicher erweiterter Anwendungsbereich von § 12 Abs. 1 KStG......Page 504
6.1 Verhältnis zu § 17 EStG und § 6 AStG......Page 505
6.2 Konkurrenzverhältnis von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG zu § 6 Abs. 5 EStG......Page 506
6.4 Konkurrenzverhältnis zwischen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und dem UmwStG......Page 507
6.5 Konkurrenzverhältnis zwischen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und den DBA......Page 508
7.1 Allgemeines......Page 509
7.2 Subjektbezogene Entstrickungen......Page 510
7.3 Objektbezogene Entstrickungen......Page 511
7.4 Einmaloder Dauertatbestand......Page 512
7.5 Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts......Page 513
7.6 Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts......Page 514
7.7 Abstrakte oder konkrete Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts......Page 516
7.8 Deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Nutzung von Wirtschaftsgütern......Page 517
7.9 Mehrfachnutzung......Page 518
9 Schlusswort......Page 519
Literaturverzeichnis......Page 521
II. Rechnungslegung der Unternehmen......Page 524
Inhaltsverzeichnis......Page 526
1 Einleitung......Page 528
2.1 Zweck und Grundsätze der Lageberichterstattung......Page 530
2.2 Der Inhalt des Konzernlageberichts......Page 532
3.1 Der Wettbewerb „Der beste Geschäftsbericht“......Page 537
3.2 Die Bewertungskriterien und die Qualität der Prognoseberichterstattung......Page 538
4.1 Die Berichterstattung über künftige Produkte und Dienstleistungen......Page 542
4.2 Die Berichterstattung über die voraussichtliche Entwicklung der Dividende......Page 543
4.3 Die Berichterstattung über geplante Investitionen......Page 544
4.4 Die Gesamtaussage zur voraussichtlichen Entwicklung des Konzerns......Page 545
5 Zusammenfassung und Ausblick......Page 546
Literaturverzeichnis......Page 548
Inhaltsverzeichnis......Page 554
2 Konzeptionen zur Erfassung latenter Steuern......Page 556
3 Latente Steuern nach IFRS......Page 558
4 Latente Steuern nach HGB......Page 559
5 Entscheidungsnützlichkeit latenter Steuern......Page 562
6 Thesenförmige Zusammenfassung......Page 564
Literaturverzeichnis......Page 566
Inhaltsverzeichnis......Page 570
1.1 Spaltung der Konzernrechnungslegungsvorschriften zwischen kapitalmarktorientierten und anderen Unternehmen......Page 572
1.3 IFRS als Auslegungshilfen für Konzernrechnungslegungsvorschriften des HGB ?......Page 573
1.4 Unterschiedliche Bilanzierungsziele......Page 574
2.1 Unterschiedliche Rechnungslegungspflichten......Page 575
2.3 Zweckgesellschaften......Page 576
3 Umrechnungsmethoden für Fremdwährungsabschlüsse......Page 577
4.1 Neubewertungsmethode......Page 578
4.3 Purchase Price Allocation......Page 579
4.5 Tranchenweiser Erwerb einer zu konsolidierenden Beteiligung......Page 580
4.6 Veränderung des Anteilsbesitzes an bereits und weiterhin konsolidierten Unternehmen......Page 581
5.1 Planmäßige Abschreibung versus Amortisationsverbot......Page 582
5.2 Außerplanmäßige Abschreibung und Impairmenttest......Page 583
5.3 Passiver Unterschiedsbetrag und Excess......Page 584
6 Zusammenfassung......Page 585
Literaturverzeichnis......Page 586
Inhaltsverzeichnis......Page 588
1 Problemstellung......Page 590
2 Änderungen durch den IDW Standard S 1 i. d .F. 2008......Page 592
3 Auswirkungen durch die Unternehmenssteuerreform 2008......Page 594
4.1 Tätigkeitsvergütungen......Page 596
4.2 Abgrenzung des Bewertungsobjektes......Page 597
4.3 Bilanzierungs- und Bewertungsansätze ......Page 598
5 Schlussbemerkung......Page 599
Literaturverzeichnis......Page 600
Inhaltsverzeichnis......Page 602
2 Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Arbeit des IASB......Page 604
3.1 Die Klassifikation von Finanzinstrumenten......Page 609
3.2 Verfügbare Bilanzierungsalternativen......Page 612
3.3 Alternativ diskutierte Modelle......Page 614
3.4 Auswirkungen auf Nicht-Finanzinstitute......Page 615
3.5 Konvergenz mit den US-GAAP?......Page 618
4 Zusammenfassung und Ausblick......Page 620
Literaturverzeichnis......Page 622
Inhaltsverzeichnis......Page 624
1 Einleitung......Page 626
2.1 Die Lageberichterstattung im rein nationalen Recht......Page 627
2.2 Der Lagebericht nach EU-Richtlinien......Page 629
2.3.1 Die grundlegende Überarbeitung durch das Bilanzrechtsreformgesetz......Page 631
2.3.2 Die Erweiterung des Lageberichts um neue Berichtsteile......Page 632
2.3.3 Der Einfluss des DRSC auf die Lageberichterstattung......Page 633
2.3.4 Der Lagebericht als Ergänzung eines IFRS-Abschlusses......Page 634
2.4 Der Lagebericht als Pflichtbestandteil der unterjährigen Finanzberichte......Page 635
3.1 Die Rolle des Lageberichts in der Unternehmenskommunikation......Page 636
3.2.1 Das Verhältnis des Lageberichts zu ausländischen Börsenprospekten......Page 638
3.2.2 Das Verhältnis von Lagebericht und Nachhaltigkeitsbericht......Page 639
3.3 Die Rolle des Lageberichts im Rahmen der Investorund Creditor Relations......Page 640
4 Zusammenfassung und Ausblick......Page 641
Literaturverzeichnis......Page 643
Inhaltsverzeichnis......Page 646
1 Einleitung......Page 648
2 Übergang auf das Temporary-Konzept......Page 649
3 Bilanzieller Charakter und Ausweis latenter Steuern......Page 650
4 Ermittlung und Saldierung latenter Steuern......Page 653
5 Ermittlung und Ausweis latenter Steuern im Jahresabschluss kleiner Kapitalgesellschaften nach § 274a HGB......Page 658
6 Zusammenfassung......Page 659
Literaturverzeichnis......Page 661
Inhaltsverzeichnis......Page 664
1 Einführung......Page 666
2.1 Determinierende Entwicklungen im europäischen Rechtsraum......Page 667
2.2 Entwicklungen auf nationaler Ebene......Page 669
3 Charakteristika des Informationsmarktes kleiner Einzelkaufleute......Page 671
4 Nutzen der Buchführung......Page 672
5 Zusammenfassung und Schlussfolgerung......Page 676
Literatur......Page 677
Inhaltsverzeichnis......Page 682
1 Problemstellung......Page 684
2.1 Grundlagen und Grundsätze der Verbindlichkeitsbewertung......Page 685
2.2 Marktkonform verzinste Verbindlichkeiten......Page 690
2.3 Un(ter)verzinsliche Verbindlichkeiten......Page 693
2.4 Fazit: Verbindlichkeitsbewertung zum Barwert künftiger Belastungen......Page 695
3 Folgerungen für die Abzinsung von Rückstellungen......Page 697
4 Ergebnis......Page 699
Literaturverzeichnis......Page 701
Inhaltsverzeichnis......Page 704
1 Einführung......Page 706
2.1 Grundlagen......Page 707
2.2 Steuerliche Verlustvorträge......Page 710
3 Bewertung latenter Steuern nach § 274 HGB......Page 712
5 Erfolgswirksame oder erfolgsneutrale Bildung und Auflösung......Page 713
7.1 Kleine Kapitalgesellschaften......Page 714
7.2 Nichtkapitalgesellschaften......Page 715
8 Fazit......Page 716
Literaturverzeichnis......Page 717
Inhaltsverzeichnis......Page 720
2 Entstehung der „Maßgeblichkeit“ aus dem Wunsch, Einkünfte aus Gewerbebetrieb gegenüber anderen Einkunftsarten zu begünstigen......Page 722
3 Schutzbehauptungen für eine Maßgeblichkeit bis zur Gegenwart......Page 728
Literaturverzeichnis......Page 734
Inhaltsverzeichnis......Page 738
1.2 Das externe Rechnungswesen im Kontext der Wirtschaftskrise......Page 740
2.1 Das Erfordernis von Transparenz......Page 742
3.1 Der Bürger als „stiller Teilhaber“ am Desaster......Page 743
3.2.1 Transparenz und die Eignung von Fair Values......Page 744
3.2.2 Wahlrechte......Page 746
3.3.2 Behandlung riskanter Hoffnungswerte......Page 747
3.3.3 Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und Zweckgesellschaften......Page 749
3.3.4 Zwischenergebnisse......Page 752
4.1 Kontrollmechanismen......Page 754
4.2 Unterstützung durch die Wissenschaft......Page 755
5 Ergebnisse......Page 757
Literatur......Page 759
Inhaltsverzeichnis......Page 766
1 Problemstellung......Page 768
2.1 Rechtslage vor Verabschiedung des BilMoG......Page 769
2.2 Keine Änderung der Ermittlung von GoB nach BilMoG......Page 771
3.1 Systembegriff......Page 772
3.4 Stärkung der Informationsfunktion durch das BilMoG......Page 773
4.1.1 Rechtslage vor Verabschiedung des BilMoG......Page 775
4.1.2 Rechtslage nach Verabschiedung des BilMoG......Page 776
4.2.2 Rechtslage nach Verabschiedung des BilMoG......Page 779
4.3.1.1 Rechtslage vor Verabschiedung des BilMoG......Page 781
4.3.1.2 Rechtslage nach Verabschiedung des BilMoG......Page 782
4.3.2.2 Rechtslage nach Verabschiedung des BilMoG......Page 783
4.4.1.1 Rechtslage vor Verabschiedung des BilMoG......Page 784
4.4.1.2 Rechtslage nach Verabschiedung des BilMoG......Page 785
4.4.2.1 Rechtslage vor Verabschiedung des BilMoG......Page 786
5 Thesenförmige Zusammenfassung......Page 787
Literaturverzeichnis......Page 790
III. Prüfung der Unternehmen ......Page 796
Inhaltsverzeichnis......Page 798
1 Einleitung......Page 800
2.1 Zielsetzung der Bilanzrechtsmodernisierung......Page 801
2.2 Erhöhung der Aussagekraft bzw. des Informationsgehalts......Page 802
3.1 Begrenzung des rechnungslegungspolitischen Spielraums......Page 804
3.2 Abschaffung von Wahlrechten......Page 806
3.3 Ausweitung der Berichtspflichten......Page 808
4.1 Kalibrierung der Rechnungslegungsqualität......Page 809
4.2 Inhärente Anreize zur Sachverhaltsgestaltung......Page 812
5 Zusammenfassung......Page 813
Literaturverzeichnis......Page 815
Inhaltsverzeichnis......Page 820
1 Einleitung......Page 822
2 Abgrenzung des Anwendungsbereichs des ISA 250......Page 824
3.1.1 Pflichten zur Aufdeckung der Missachtung von Rechtsnormen mit direkten Auswirkungen auf die Rechnungslegung ......Page 828
3.1.2 Pflichten zur Aufdeckung der Missachtung von sonstigen Rechtsnormen mit Auswirkungen auf die Rechnungslegung ......Page 832
3.2 Negativabgrenzung der aktiven Suchverantwortung sowie der Möglichkeiten der Abschlussprüfung......Page 833
4.1 Reaktive Suchverantwortung des Abschlussprüfers......Page 834
4.2 Berichterstattungspflichten......Page 835
5 Anmerkungen zur derzeitigen Umsetzung des ISA 250 durch IDW PS 210......Page 837
6 Schlussbetrachtung......Page 840
Literaturverzeichnis......Page 842
Inhaltsverzeichnis......Page 846
1 Einleitung......Page 848
2 Offenlegung der Honorare......Page 851
3 Bisheriger Forschungsstand......Page 852
4.2 Hypothesenbildung und Definition der verwendeten Variablen......Page 855
4.2.2 Unabhängige Variablen......Page 856
4.3 Durchführung und Ergebnisse der Regressionsanalyse......Page 859
5 Diskussion der Ergebnisse und Fazit......Page 861
Literatur......Page 865
Inhaltsverzeichnis......Page 870
2 Corporate Governance und Unternehmensüberwachung: Status quo......Page 872
2.2.1 Ausgangslage und private Corporate Governance-Initiativen......Page 873
2.2.2 Regierungskommissionen und Deutscher Corporate Governance Kodex......Page 874
2.2.3 Weitere Entwicklung nach Inkrafttreten des Deutschen Corporate Governance Kodex ......Page 876
2.2.3.2 Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (2005)......Page 877
2.3 Unternehmensüberwachung durch den Aufsichtsrat......Page 878
2.3.1.1 Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder......Page 879
2.3.1.2 Zusammensetzung des Aufsichtsrats und Unabhängigkeit......Page 880
2.3.1.3 Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat......Page 881
2.3.2 Effizienzprüfung des Aufsichtsrats......Page 882
2.4 Weiterentwicklung der Unternehmensüberwachung durch BilMoG und VorstAG......Page 884
3.1 Konkretisierung der Anforderungen an die Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern......Page 885
3.2 Regelungen zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern......Page 886
3.3 Cooling-off-Periode beim Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat?......Page 887
3.4 Begrenzung der Zahl gleichzeitig auszuübender Aufsichtsratsmandate......Page 888
3.6 Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer......Page 889
4 Zusammenfassung......Page 890
Literaturverzeichnis......Page 892
Autorenverzeichnis......Page 894
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Besteuerung, Rechnungslegung und Prufung der Unternehmen: Festschrift fur Professor Dr. Norbert Krawitz
 3834917990, 9783834917997 [PDF]

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Zitiervorschau

Hubertus Baumhoff / Reinhard Dücker / Stefan Köhler (Hrsg.) Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen

GABLER RESEARCH

Hubertus Baumhoff / Reinhard Dücker Stefan Köhler (Hrsg.)

Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen Festschrift für Professor Dr. Norbert Krawitz

RESEARCH

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Anita Wilke Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1799-7

Über Norbert Krawitz Norbert Krawitz vollendet am 20. Februar 2010 sein 65. Lebensjahr. Diesen besonderen Geburtstag nehmen seine Schüler, ehemalige und jetzige Fachkollegen – u.a. aus seiner Münsteraner und Siegener Zeit – sowie viele fachliche Vertreter der Betriebswirtschaftslehre und der Rechtswissenschaften zum Anlass, ihm herzlich zu gratulieren und gleichsam sein wissenschaftliches Werk, seine Tätigkeit an der Universität und in zahlreichen Kommissionen mit dieser Festschrift zu ehren. Geboren und aufgewachsen in Essen, absolvierte Norbert Krawitz nach seiner Schulzeit zunächst eine kaufmännische Lehre in einem Essener Industrieunternehmen. Danach trat er ein dreijähriges Studium an der Höheren Wirtschaftsfachschule in Bochum an, mit welchem er 1967 die Fakultätsreife zum Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften erlangte. Noch im gleichen Jahr begann er das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, welches er 1971 erfolgreich abschloss. Spätestens zu diesem Zeitpunkt stand für Norbert Krawitz fest, dass er sich mit der Betriebswirtschaftslehre eher wissenschaftlich als praktisch auseinandersetzen wollte. Konsequent trat er 1971 eine wissenschaftliche Assistentenstelle am „Institut für Unternehmensrechnung und -besteuerung“ der Universität Münster an (Institutsdirektor war damals Dietrich Börner), wo er 1974 zum Dr. rer. pol. promovierte. 1981 wurde er durch den Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Münster für das Fach Betriebswirtschaftslehre habilitiert. Im Jahr 1982 folgte er einem Ruf an die Universität Osnabrück; seit 1983 lehrt und forscht er an der Universität Siegen. Zwei weitere Rufe an die Universität Bielefeld (1989) und an die Katholische Universität Eichstätt/Ingolstadt (1992) hat er abgelehnt. Die vorstehende Vita von Norbert Krawitz zeigt, dass er seinem Fachgebiet, der Betriebswirtschaftslehre, seit mehr als drei Jahrzehnten intensive Forschungsund Lehrtätigkeit widmet. Betrachtet man das Lehr- und Forschungsspektrum sowie die Veröffentlichungsliste von Norbert Krawitz seit Beginn der 70er Jahre, so zeigt sich eine enorme Spannbreite hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Interessen. Diese reicht von der Rechnungslegung über die Wirtschaftsprüfung bis hin zur Steuerlehre. Angesichts des Ausmaßes und des wissenschaftlichen Niveaus dieser Spannbreite würde man normalerweise erwarten, dass sich Norbert Krawitz nur rudimentär und ohne besonderen Tiefgang mit den drei vorgenannten Themengebieten befassen konnte, stellen doch alle drei höchst eigenständige Disziplinen in der allgemeinen und speziellen Betriebswirtschaftslehre dar.

VIII

Vorwort

Diese Vermutung hat Norbert Krawitz eindrucksvoll widerlegt. Nicht nur, dass das von ihm im Jahr 1995 ins Leben gerufene „Siegener Forum für Rechnungslegung, Prüfungswesen und Steuerlehre e.V.“, dessen Vorsitz er von Beginn an innehat, alle diese drei Themengebiete in seinem Vereinsnamen trägt; vielmehr hat Norbert Krawitz jeden dieser Lehr- und Forschungsbereiche mit besonderem wissenschaftlichen Interesse und fachlicher Hingabe betreut. Daher finden sich diese drei Themenbereiche auch im Titel dieser Festschrift wieder. Norbert Krawitz war sechs Jahre lang (von 1995 – 2001) Mitglied des Forschungsinstituts für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Siegen, im Akademischen Jahr 1997/98 als Geschäftsführender Direktor. Seine aktuellen Forschungsarbeiten konzentrieren sich u.a. auf die Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften und Konzernen unter Berücksichtigung internationaler Entwicklungen, speziell Anhang, Lagebericht und Publizitätspflicht sowie auf Fragen der Besteuerung in der Europäischen Union. Außerdem leitet Norbert Krawitz seit 2002 das Forschungsprojekt “Entwicklungen der Besteuerung, Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung innerhalb der Europäischen Union“. Neben der Beschäftigung mit vielen Themen der nationalen und internationalen Besteuerung hat er sich schon früh auch der Bilanzpolitik und Fragen der Rechnungslegung und Prüfung gewidmet, hier insbesondere Anhang und Lagebericht. Über seine Tätigkeit als Hochschullehrer hinaus ist Norbert Krawitz Mitglied in diversen Forschungsinstituten und Verbänden sowie der Prüfungskommission für Wirtschaftsprüfer. Als bekennender Westfale, dessen Lebensweg Norbert Krawitz von Essen via Münster bis nach Siegen führte, zeichnen ihn, auf der Basis eines im besten Sinne christlichen Weltbildes, besonders seine Verlässlichkeit, Offenheit, Bodenständigkeit und Hilfsbereitschaft aus. Die Herausgeber haben ihn stets als rücksichtsvollen und loyalen Kollegen, scharfsinnigen und intelligenten Ratgeber sowie pflichtbewussten, aber auch fordernden Lehrer erlebt und besonders zu schätzen gelernt. Im Sinne seines fortschrittlichen Denkens stand und steht das Bemühen, sein Ohr am Puls der Zeit zu halten und sich neuen Entwicklungen zu öffnen. Dies gilt nicht nur für seine Wissenschaftsdisziplin „Betriebswirtschaftslehre“, sondern geht weit darüber hinaus. Seine Beiträge in der Zeitschrift der Universität Siegen „Diagonale“, z.B. „Hören auf Gottes Wort“ (zum Thema „Hören“) oder „Licht – Symbol menschlicher Gottes- und Heilserfahrung“ (zum Thema „Licht“) oder „Fälle von Nichts in der Wirtschaft“ (zum Thema „Nichts“) oder „Betriebswirtschaftliche Aspekte des Wetters“ (zum Thema „Wetter“) sind ein beredter Beweis dafür.

Vorwort

IX

In seiner knapp bemessenen Freizeit widmet sich Norbert Krawitz dem Radfahren, dem Bergwandern, dem Skilanglauf, der Astronomie und dem Fotografieren, allesamt Aktivitäten, die er aus privater, persönlicher Neigung ausübt, und bei denen er oft von seiner Ehefrau oder einem seiner drei Kinder begleitet wird. Möge es seine gute Gesundheit und Vitalität zulassen, sich zukünftig noch intensiver mit seinen Hobbies zu befassen, dann sicher auch zusammen mit einem oder mehreren seiner fünf Enkelkinder. Diese Festschrift ehrt Norbert Krawitz zu seinem 65. Geburtstag. Das wäre nicht möglich gewesen ohne die Autoren dieser Festschrift. Den Autoren – das sind Hochschullehrer, Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkollegen, Leiter von Steuerabteilungen großer Unternehmen, Beamte und Richter – bekunden wir deshalb ausdrücklich einen ganz besonderen Dank für ihr Engagement. Auch wenn Festschriftbeiträge gemeinhin nicht im Lichte der Öffentlichkeit stehen, sind wir sicher, dass die Lektüre der Beiträge in dieser Festschrift ihren Entdeckern eine große Freude bereiten wird. Bonn/Dortmund/Frankfurt im März 2010

Hubertus Baumhoff

Reinhard Dücker

Stefan Köhler

Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................... VII I. Besteuerung der Unternehmen Peter Bareis Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen (vGA) - Ein Gegenentwurf zur herrschenden Lehre ...............................................................3 Hubertus Baumhoff Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die Festlegung und Prüfung von internationalen Verrechnungspreisen ................................................................21 Martin Cordes Steuerliche Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Anteilseignerebene / Auswirkungen steuerwirksamer Teilwertabschreibungen in der Vergangenheit ...................................................................47 Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg Der Finanzierungsgrad der privaten Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl ..........................................................................61 Norbert Herzig / Christian Joisten Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften ..................83 Rainer Heurung / Philipp Seidel / Nils Pippart Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer ......................................................................................103 Christian Hick Die einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke ...............................................................................143 Johannes Höfer Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise ..............................................................................................................171 Jochen Hundsdoerfer / Frank Hechtner Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung - ein Simulationsmodell ..................................................189 Stefan Köhler Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten? ............................................................................................... 211

XII

Inhaltsverzeichnis

Franz Jürgen Marx / Erika Simon Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht ............................................................................... 241 Gerd Morgenthaler Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht ................................................................................... 275 Bernd Niess Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken ....................................................................................... 297 Dagmar Pöhland / Jörn Keilhoff Kritische Bestandsaufnahme der steuerlichen Rahmenbedingungen international ausgerichteter Familienunternehmen ........................................ 327 Meinhard Remberg Steuerliche Sonderprobleme des internationalen Maschinen- und Anlagenbaus ................................................................................................... 349 Kai M. Reusch Die ertragsteuerliche Organschaft in M&A Transaktionen............................. 367 Wulff Schlüter Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen ..................................................................................... 387 Niels-Peter Schoss Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen der deutschen Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie ......................................... 409 Ulrich Schreiber / Martin Ruf Die Besteuerung des Unternehmenskaufs - Empirische Evidenz ................... 433 Caren Sureth Beteiligungsveräußerungen und Abgeltungssteuer ......................................... 453 Franz Wassermeyer Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ................................. 483

Inhaltsverzeichnis

XIII

II. Rechnungslegung der Unternehmen Jörg Baetge / Dominic Sommerhoff Die Lageberichterstattung unter besonderer Berücksichtigung von Best Practices bei der Prognoseberichterstattung ........................................... 511 Wolfgang Ballwieser Latente Steuern - Konzeptionen und Entscheidungsnützlichkeit ....................539 Walther Busse von Colbe Konzernabschluss nach HGB und IFRS - Anmerkungen zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten ......................................................................555 Reinhard Dücker Unternehmensbewertung von Familiengesellschaften unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsform der Personengesellschaft ...........................573 Markus Fuchs Das IASB und die Finanzmarktkrise - Reform der Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS - .....................................................................587 Christina Hartmann Die regulatorische Entwicklung des Lageberichts und seine Bedeutung im Rahmen der Unternehmenskommunikation ....................................................609 Holger Karrenbrock Zur Ausweis- und Saldierungsproblematik latenter Steuern im Einzelabschluss nach dem BilMoG...........................................................................631 Kai-Uwe Marten / Daniela Maccari Die Abschaffung der Buchführungspflicht gemäß § 241a HGB: Zur möglichen Wirkung einer Deregulierungsmaßnahme...............................649 Winfried Mellwig Zur Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen im deutschen Bilanzrecht .....................................................................................667 Klaus-Peter Naumann Zweifelsfragen der Bilanzierung latenter Steuern im Einzelabschluss nach den Vorschriften des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes............................689 Dieter Schneider Ein Jahrhundert Unmaßgeblichkeit des Maßgeblichkeitsgrundsatzes ............705 Theodor Siegel Ethische Aspekte des externen Rechnungswesens: Der Steuerzahler als „stiller Teilhaber“ am Desaster ......................................723 Jens Wüstemann / Sonja Wüstemann Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz ................................................................751

XIV

Inhaltsverzeichnis

III. Prüfung der Unternehmen Hans-Joachim Böcking / Andreas Dutzi Verbesserung der Qualität der deutschen Rechnungslegung durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)? ............................................. 783 Stefan Leukel Die Pflichten des Abschlussprüfers zur Aufdeckung von „Non-Compliance“ nach ISA 250 .................................................................. 805 Reiner Quick / Birgit Niemeyer / Matthias Sattler Determinanten des Ausmaßes der vom Abschlussprüfer bezogenen Beratungsleistungen ....................................................................................... 831 Gerd Willi Stürz Gestaltungsperspektiven der Unternehmensüberwachung zur Verbesserung der Corporate Governance ....................................................... 855 Autorenverzeichnis ......................................................................................... 879

I. Besteuerung der Unternehmen

Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen (vGA) Ein Gegenentwurf zur herrschenden Lehre Peter Bareis

Inhaltsverzeichnis 1 Die vGA nach derzeit herrschender Lehre .................................................... 5 2 Zweck des § 8 Abs. 3 KStG aus Sicht der Kapitalgesellschaft ..................... 6 2.1 Ergebnisneutrale Vorgänge bei der Kapitalgesellschaft ................... 6 2.2

Ungerechtfertigte Einkommensminderungen .................................... 8

2.3

Gewinn- und Einkommensminderungen ............................................ 9

2.4

Zum Verhältnis von § 8 Abs. 3 Satz 2 zu § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG ..... 10

2.5

Folgerungen aus aufgedeckten Einkommenserhöhungen ............... 11

3 Steuerfolgen beim Gesellschafter ............................................................... 11 3.1 Grundsätzlich erfolgsunwirksame Vorgänge beim Gesellschafter .. 11 3.2

Einkommenswirksame Vorgänge beim Gesellschafter..................... 12

3.3

Divergenzeffekt, Satzungsklauseln und Kapitalerhaltung ............... 13

3.4

Zur Behandlung überhöhter Pensionsrückstellungen nach h. L. .... 16

3.5

Teilwertabschreibung und „vGA“ ................................................... 16

4 Fazit ............................................................................................................ 18 

Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen

5

Einführung Norbert Krawitz hat sich als Betriebswirt jahrzehntelang intensiv mit Fragen der Rechnungslegung beschäftigt und dabei den Erfahrungsschatz genutzt und weiter entwickelt, der im Laufe vieler Jahrhunderte mit Buchführung und Jahresabschluss gesammelt worden ist1. Ganz im Gegensatz hierzu haben Gesetzgeber, Finanzrechtsprechung und Finanzverwaltung für die Einkommensermittlung nach Steuerrecht eigene Begriffe geschöpft, womit häufig genug die „souveräne“ Missachtung dieses Erfahrungsschatzes verbunden ist. Dies zeigt sich exemplarisch an den körperschaftsteuerlichen Vorschriften zur Einkommensermittlung, vor allem an § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 KStG und der Definition der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA). Diese Missachtung führt zu steuersystematisch nicht hinnehmbaren Folgen2. Der Vorschlag einer Neuorientierung bezieht sich auf das – zutreffend von Norbert Krawitz harsch kritisierte – Halbeinkünfteverfahren3, das inzwischen durch das Teileinkünfteverfahren und die Abgeltungsteuer ersetzt worden ist. 1

Die vGA nach derzeit herrschender Lehre

Ein 2008 ergangenes BFH-Urteil enthält dessen ständige Rechtsprechung. Eine vGA sei bei der Kapitalgesellschaft durch folgende Merkmale zu bestimmen4: (1) Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung; (2) Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis; (3) Auswirkung auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG;

1

2

3 4

Krawitz (1973), (1992), (1994) zu Einzelfragen der Rechnungslegung, Krawitz/Börner (1977), Krawitz (1998) zur Bilanzpolitik. Es ist daher m. E. kein Zufall, dass Krawitz bei den Handlungsempfehlungen für mittelständische Steuerstrategien die steuerlichen Konsequenzen verdeckter Gewinnausschüttungen ausklammert; siehe Krawitz (2003) S. 1927, Fußnote (FN) 25, vgl. dort auch FN 36. Krawitz (2000). BFH (2008) wörtlich in Gliederungspunkt C 1: „Unter einer vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1996 ist eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1996 auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats...)“. In Klammern zitiert das Urteil weitere Urteile als Beleg für die ständige Rspr. des Senats.

6

Peter Bareis

(4) kein Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung. Daneben sollen Besonderheiten zu beachten sein, die hier nicht bzw. nur am Rande behandelt werden können: (5) Ein beherrschender Gesellschafter muss vorausschauend klare und eindeutige Vereinbarungen treffen; (6) Der Sachverhalt muss geeignet sein, dem Gesellschafter einen Vorteil zu verschaffen; (7) Bei Gründung („Erstausstattung“) soll bereits eine vGA vorliegen können. Diese Definitionsversuche gipfeln in der Forderung nach einer „zweistufigen Gewinnermittlung“ 5. Hiernach sei wie folgt vorzugehen: •

In einer „ersten Stufe“ sei der „Unterschiedsbetrag“ zwischen den Eigenkapitalien (Betriebsvermögen) am Ende dieses und dem Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu ermitteln.



In einer „zweiten Stufe“ sei dieser Betrag um „Entnahmen“ im weitesten Sinne zu erhöhen, um Einlagen zu mindern, um nichtabziehbare Betriebsausgaben zu erhöhen und um steuerfreie Erträge zu mindern. Dies habe „außerhalb der Steuerbilanz“ zu geschehen.

Als Folge dieser Begrifflichkeit kommt ein BFH-Urteil zu dem Ergebnis, eine überhöhte Pensionsrückstellung sei in der Steuerbilanz in unveränderter Höhe zu passivieren, auch wenn die Zuführung teilweise als vGA zu werten sei6. Weder diese viel zu weit gefassten Merkmale noch die daraus gezogenen Folgerungen halten einer steuersystematischen Kritik stand. Es ist ein radikales Umdenken erforderlich. Dazu müssen Sinn und Zweck des § 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KStG präziser, als dies von Finanzrechtsprechung und -verwaltung geschieht, herausgearbeitet werden. 2

Zweck des § 8 Abs. 3 KStG aus Sicht der Kapitalgesellschaft

2.1

Ergebnisneutrale Vorgänge bei der Kapitalgesellschaft

Dreh- und Angelpunkt der Auslegung des KStG ist das Trennprinzip. Es verlangt, das „Einkommen“ der Kapitalgesellschaft7 aus deren erwerbswirtschaftlicher 5

6

7

Dies geht auf den früheren Vorsitzenden des I. Senats des BFH zurück. Vgl. dazu u. a. Wassermeyer (2002a), (2002b), (2006). BFH (1994); zur Kritik vgl. m. w. N. Siegel (1995), Reiß (2003), Bareis (2005), (2008), (2009b); zur Verteidigung vgl. u.a. Wassermeyer (2006), der jedoch wesentliche Kritikpunkte nicht diskutiert. Von anderen Körperschaftsteuerpflichtigen ist hier abgesehen.

Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen

7

(gewerblicher) Tätigkeit so zu ermitteln, als sei sie völlig eigenständig und unabhängig von ihren Gesellschaftern. Maßnahmen der Gesellschafter, die diese aufgrund ihrer Gesellschafterstellung ergreifen können, dürfen nicht zum Verdecken (Vermindern) von Einkommen aus nicht erwerbswirtschaftlicher Veranlassung führen8. Wohl aber dürfen die Gesellschafter z. B. schuld- und arbeitsrechtliche Vereinbarungen mit „ihrer“ Gesellschaft treffen, sofern diese angemessen sind, also dem Fremdvergleich standhalten bzw. von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter aus Sicht der Kapitalgesellschaft als erwerbswirtschaftlich veranlasst anerkannt würden. Sind diese Geschäftsvorfälle nicht angemessen, findet eine „Einkommensverteilung“ im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG statt, die korrigiert werden muss. Dabei ist – im Gegensatz zu den Formulierungen der h. L. – nicht vorausgesetzt, dass zugleich „Ausschüttungen“ erfolgen; das kann, braucht aber nicht der Fall zu sein. Es reicht für die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG aus, dass das Einkommen der Kapitalgesellschaft ohne Korrektur zu gering ermittelt würde. Somit sind aber erfolgsneutrale Vorgänge bei der Prüfung des § 8 Abs. 3 KStG für den Zweck der Einkommensermittlung bei der Kapitalgesellschaft bedeutungslos. Das wird durch die Begrifflichkeit der h. L. nicht ausgeschlossen, denn diese trennt nicht zwischen den zwei grundlegend unterschiedlichen „Vermögensminderungen“ oder „verhinderten Vermögensmehrungen“. Wer § 4 Abs. 1 EStG richtig liest und die Verbindung zur Buchführung herstellt, erkennt leicht, dass die folgenden Vorfälle nichts mit der Anwendung des § 8 Abs. 3 KStG zu tun haben, also bei präziser Definition aus dem Begriff der „vGA“ ausgeschlossen sein müssen9: 1. Ordentliche Kapitalherabsetzungen, 2. Ordentliche Kapitalherabsetzungen aus dem Sonderausweis, 3. Zahlungen (Übertragungen) aus der Kapitalrücklage, 4. Zahlungen (Übertragungen) aus der Gewinnrücklage aus Vorjahren10, 5. Zahlungen (Übertragungen) aus dem Gewinnvortrag.

8

9

10

Eine Erhöhung ist nach h. L. z. B. durch unentgeltliche Dienstleistungen für die Gesellschaft zulässig. Wenn vom Gesellschafter die Rede ist, ist zugleich an die „nahestehende Person“ zu denken, doch ist beides hier nicht zu vertiefen. Formal ist das leicht darzustellen. „Gewinn“ ist buchtechnisch die Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen. Folglich gilt, wenn die Gewinngleichung umgestellt wird: EKt – EKt-1 = ERt – AUt + EIt - ENt, d.h. der „Unterschiedsbetrag“ (Eigenkapital am Ende der Periode abzüglich Eigenkapital am Ende der Vorperiode) ergibt sich aus der Ertrags-Aufwands-Differenz (Gewinn) einerseits, dem Saldo der Einlagen und Entnahmen (im weitesten Sinne) andererseits. Vorabausschüttungen sind hier nicht weiter untersucht.

8

Peter Bareis

Diese Vorgänge sind in einem ordnungsmäßigen handelsrechtlichen Jahresabschluss ergebnisneutral gebucht. Sie können in der Buchung zusammengefasst werden: per Eigenkapital an Kasse (Verbindlichkeit, Rückstellung). Damit ist nichts über die Behandlung beim Gesellschafter ausgesagt. Der Hinweis auf das Gegenkonto Verbindlichkeit bzw. Rückstellung verdeutlicht, dass noch keine Auszahlung an die Gesellschafter erfolgt sein muss. Da alle diese Vorgänge im Begriff „vGA“ nach h. L. enthalten sind, entspricht diese Definition nicht dem Zweck des § 8 Abs. 3 KStG. Anders gewendet: Eigenkapitaländerungen ohne Einfluss auf die Gewinn- und Verlustrechnung sind vom Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KStG nicht betroffen. 2.2

Ungerechtfertigte Einkommensminderungen

Zweck des § 8 Abs. 3 KStG ist die Verhinderung ungerechtfertigter Einkommensminderungen der Kapitalgesellschaft. Nicht erwerbswirtschaftlich bedingter Aufwand ist für steuerliche Zwecke zu stornieren bzw. aus nicht erwerbswirtschaftlichen Gründen verhinderter oder verminderter Ertrag muss gebucht werden. Beides wirkt dann gewinnerhöhend. Das sind folgende Fälle aus gesellschaftsrechtlichem Anlass: 1. Überhöhter Aufwand mit Gegenkonto 1.1 Rückstellung, also noch keine Auszahlung an Gesellschafter, 1.2 Geld, also Auszahlung an Gesellschafter11; 2. Verminderter (nicht aufgedeckter bzw. verhinderter) Ertrag, also (teilweise) fehlende Ertragsbuchung12. 11

12

Ggf. auch Gegenkonto „Verbindlichkeit“, wenn bereits ein Vermögenszugang (Entstehung einer Forderung) beim Gesellschafter vorliegt. Wassermeyer (2006, S. 572) führt dazu aus, die beiden Fälle (bei ihm: „Grundkonstellationen“) seien vom BFH nicht als gleichwertig angesehen worden. Der verminderte Ertrag könne nicht mit der „Fiktionstheorie“ als vGA betrachtet werden. Dies übersehe Bareis (2005), weshalb er „das Problem nicht in seiner vollen Breite erkannt habe.“ Dieser Vorwurf geht ins Leere. Denn sowohl ein überhöhtes Entgelt für eine Gesellschafterleistung an die Kapitalgesellschaft wie deren Verzicht auf Ertrag aus gesellschaftsrechtlicher (nicht erwerbswirtschaftlicher) Veranlassung zugunsten des Gesellschafters sind ganz reale und keineswegs bloß fiktive Minderungen des Gewinns und damit des Einkommens der Kapitalgesellschaft: der Gesellschafter ist in beiden Fällen zu Lasten der Gesellschaft bereichert. Denn in beiden Fällen erfolgt in Höhe des unangemessenen Betrages eine Wertübertragung von der Gesellschaft an den Gesellschafter. Beide „Grundkonstellationen“ verdecken im wörtlichen Sinne Gewinn der Kapitalgesellschaft und müssen deshalb gleich behandelt werden: der verdeckte Gewinn bzw. das verdeckte Einkommen müssen aufgedeckt und hieraus müssen die weiteren steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Wassermeyers Differenzierung ergibt sich weder aus einer wörtlichen noch einer systematischen Auslegung des Gesetzes und ist erst recht ökonomisch unnötig; das heißt natürlich nicht, dass es

Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen

9

Beispiele: (1a) Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH hat für sich zu hohen Pensionsaufwand gebucht, der bei ihm selbst nicht als Zufluss gilt (Anwartschaft). (2a) Er hat eine zu hohe Gehaltszahlung bekommen und als Aufwand gebucht. In beiden Fällen (1a) und (2a) ist der unangemessene Betrag für steuerliche Zwecke bei der Gewinn- und Einkommensermittlung nicht abziehbar, also aus dem Aufwand (Betriebsausgabe) zu streichen. Damit ist zwingend eine Eigenkapitalerhöhung verbunden und es sind zusätzliche Unternehmensteuern zu buchen; die Folgen beim Gesellschafter sind unterschiedlich13. (3) Der Gesellschafter-Geschäftsführer darf vertraglich nur für die GmbH tätig sein, hat jedoch ein Geschäft, das in den Aufgabenbereich der GmbH fällt, im eigenen Namen mit Gewinn abgeschlossen und diesen privat vereinnahmt. Der Gewinn (bzw. Ertrag und Aufwand) aus diesem Geschäft steht der GmbH zu und erhöht deren Einkommen, damit das Eigenkapital und die Unternehmensteuern14. 2.3

Gewinn- und Einkommensminderungen

Da steuerlich zusätzlich nichtabziehbare Aufwendungen und steuerfreie Erträge bei der Einkommensermittlung auszusondern sind, ist weiter zu präzisieren, ob ggf. anschließend diese steuerlichen Korrekturen erfolgen müssen. Beispiele: (4) Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH hat zu hohen Bewirtungsaufwand gebucht, der steuerlich ohnehin nicht abziehbar ist und daher das ermittelte Einkommen nicht gemindert hat15.

13 14

15

keine Unterschiede bei der Feststellung derartiger Sachverhalte geben kann. Es ist schließlich nach KStG gleichgültig, ob darin eine „Ausschüttung“ oder lediglich eine „Verteilung“ (Rückstellung) liegt, weshalb es für die Gleichbehandlung weder einer Fiktion noch einer „Zweistufigkeit“ bedarf. Siehe unten S. 11 die fortgeführten Beispiele (1b) und (2b) aus Gesellschaftersicht. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Wassermeyer (2006), S. 568 seinen Kritikern vorwirft, diese Würdigung des Sachverhalts benötige eine „Fiktion“, da hier kein Entgelt geflossen sei, das „umqualifiziert“ werden könne. Das Fließen eines Entgelts zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist für die Beurteilung, ob verdecktes Einkommen oder eine vGA vorliegt, eine nirgends im KStG zu findende Tatbestandsvoraussetzung. Das KStG fragt stattdessen danach, ob aus nicht erwerbswirtschaftlicher Veranlassung im Interesse des Gesellschafters Gewinn bzw. Einkommen „verteilt“ bzw. „ausgeschüttet“ bzw. „verdeckt“ worden ist - was in diesem Fall von niemandem bestritten werden kann. Daher muss dieses Einkommen bzw. nach Abzug der Unternehmensteuern der Gewinn - steuerlich betrachtet - bei der Kapitalgesellschaft vorhanden gewesen sein, also das Eigenkapital erhöht haben und - ggf. uno actu - als Ausschüttung dieses wieder gemindert haben. Daher geht auch die Kritik Wassermeyers (2006), S. 572 an dieser buchmäßigen Behandlung durch Briese (2005) fehl. Ob der handelsrechtliche Jahresabschluss korrigiert werden muss, kann hier dahinstehen.

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Peter Bareis

(5) Er hat eine Investitionszulage für eine von der GmbH angeschaffte Maschine auf sein Privatkonto überweisen lassen. Dann fehlt handelsrechtlich ein Ertrag, steuerlich ist diese Gewinnerhöhung aber wieder rückgängig zu machen, da die Investitionszulage steuerfrei ist, also das Einkommen nicht erhöht16. 2.4

Zum Verhältnis von § 8 Abs. 3 Satz 2 zu § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG

Bereits sprachlich bringt in § 8 Abs. 3 das in Satz 2 vorangestellte „Auch“ zum Ausdruck, dass Satz 1 die generelle Norm darstellen soll: das von der Kapitalgesellschaft zu ermittelnde Einkommen darf nicht dadurch gemindert werden, dass es an die Gesellschafter „verteilt“ wird: Einkommensverteilung stellt keinen Aufwand bzw. keine abziehbare Betriebsausgabe dar. Das gilt selbstverständlich „auch“, wenn diese Verteilung verdeckt wird und – zusätzlich – als „Ausschüttung“ zu qualifizieren ist. Daher werden alle oben als „ungerechtfertigte Einkommensminderungen“ bezeichneten Fälle von Satz 1 erfasst: es sind „Einkommensverteilungen“, die sich nicht einkommensmindernd auswirken dürfen. Satz 2 bekräftigt dies für diejenigen Fälle, in denen eine Vermögensübertragung („Ausschüttung“) zum Gesellschafter erfolgt, die als „Gewinn“-Übertragung interpretiert werden muss, also aus der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Kapitalgesellschaft resultiert17. Da eine Gewinnübertragung, wie oben gezeigt, grundsätzlich erfolgsneutral gebucht wird, muss Satz 2 so verstanden werden, dass damit gleichzeitig ein Gewinn verdeckt wird. Dies ist mit der hier empfohlenen Begriffsfassung des überhöhten Aufwandes bzw. verminderten (verhinderten) Ertrags bereits erfasst. Für die Einkommensermittlung der Kapitalgesellschaft ist damit die zentrale Botschaft dieser Bestimmung nicht die Tatsache einer „Ausschüttung“, sondern eines „verdeckten Gewinns“. Dieser muss für die Einkommensermittlung aufgedeckt werden. Das ist mit dem hier vertretenen Begriffsverständnis einfach zu beschreiben. Beispiel: (6a) Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH kauft von der GmbH einen PKW, der noch einen Buchwert von 50 hat, zahlt 50 und bucht: Kasse an Fahrzeuge 50. Der (Teil- bzw. gemeine) Wert des PKW möge jedoch 150 betragen. Dann liegt ein verminderter (nicht aufgedeckter) Ertrag von 100 vor, um den das Einkommen der GmbH erhöht werden muss.

16 17

Fragwürdig ist, dass die Weiterleitung an den Gesellschafter als „Bezug“ nach § 20 EStG gilt. Das von der h. L. verwendete Zusatzmerkmal der „Geeignetheit, Bezüge im Sinne des § 20 EStG darzustellen“ (oben Nr. 6) verschiebt die Prüfung, die allein bei der Kapitalgesellschaft erfolgen muss, fälschlich auf die Ebene des Gesellschafters.

Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen

2.5

11

Folgerungen aus aufgedeckten Einkommenserhöhungen

Die nach § 8 Abs. 3 KStG aufgedeckten Einkommenserhöhungen führen zu einer erhöhten GewSt und KSt der Kapitalgesellschaft18. Bei isolierter Betrachtung der wegen § 8 Abs. 3 KStG aufgedeckten Beträge (gestrichene Aufwendungen bzw. erhöhte Erträge) muss diesen die erhöhte Belastung mit Unternehmensteuern zugerechnet werden. Beträgt der kombinierte GewSt- und KSt-Satz z. B. 30 %, so ist das letzte Beispiel um diese Belastung zu ergänzen und der „Gewinn“ entsprechend zu mindern: Weitergeführtes letztes Beispiel: (6b) Der ursprünglich verminderte, jetzt aufgedeckte Ertrag von 100 führt zu einer entsprechenden Einkommenserhöhung, worauf 30 GewSt und KSt entfallen. Beide Steuern sind zweifelsfrei betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG) 19. Daher ermäßigt sich der zusätzlich entstandene Gewinn auf 70. Das Einkommen beträgt unverändert 100, denn zum Gewinn von 70 sind die nichtabziehbaren Betriebsausgaben von 30 zu addieren. Abwandlung: (6c) Wäre der Verkauf zum Wert von 150 an einen fremden Dritten erfolgt, so resultierte hieraus dasselbe Ergebnis: Einkommen 100, GewSt und KSt 30, daraus entstünde eine Gewinnrücklage von 70. 3

Steuerfolgen beim Gesellschafter

3.1

Grundsätzlich erfolgsunwirksame Vorgänge beim Gesellschafter

Einfachstes Beispiel für einen grundsätzlich erfolgsneutralen Vorgang ist die Gewährung eines Darlehens der Gesellschaft an den Gesellschafter, das mit Sicherheit vom Gesellschafter vertragsgemäß und fristgerecht zurückgezahlt wird20. Der erste Buchungssatz bei der Gesellschaft ist ein völlig unproblematischer erfolgsneutraler Aktivtausch: per Forderung an Kasse. Höchst problematisch jedoch wird dieser Fall nach h. L., wenn es sich hierbei um eine Forderung der Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter aufgrund einer 18

19

20

Verluste bleiben außer Betracht; vgl. zur problematischen „Mindestbesteuerung“ Krawitz (2005). Die gesetzliche Fiktion der Nichtabziehbarkeit der KSt (§ 10 KStG) bzw. die unglückliche Formulierung zur GewSt in § 4 Abs. 5b EStG ändern nichts daran, dass es sich um Aufwand handelt, der den Gewinn mindert, jedoch steuerlich bei der Einkommensermittlung nicht abziehbar ist. Die angemessene Verzinsung in den Folgejahren ist natürlich erfolgswirksam; hier geht es zunächst nur um die Ausreichung der Valuta.

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Peter Bareis

Satzungsklausel handelt21. Auch der Fall einer Forderung aufgrund nicht eingehaltenen Mindestvermögens ist steuerlich nach der h. L. eine „vGA“. Ist zu erwarten, dass auch derartige Forderungen mit Sicherheit erfüllt werden, dann ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Fälle anders als die Darlehensgewährung behandelt werden sollten. Grundsätzlich22 bleibt die Einkommenssituation beim Gesellschafter in folgenden Fällen unverändert: 1. Ordentliche Kapitalherabsetzungen, 2. Zahlungen (Übertragungen) aus der Kapitalrücklage, 3. Rückstellungsbuchungen bei der Kapitalgesellschaft, die lediglich zu einer Anwartschaft beim Gesellschafter führen (Beispiel Pensionsrückstellung). Sie sind von der herrschenden Definition nicht aus der „vGA“ ausgeklammert23. In diesen Fällen ist die Subsumtion unter „vGA“ in mehrfacher Hinsicht unzutreffend, denn die Vorgänge sind weder verdeckt, noch liegen Gewinne vor, noch sollte bei Einlagenrückgewähr von einer „Ausschüttung“ gesprochen werden. In den beiden ersten Fällen liegen auch bei der Kapitalgesellschaft gewinn- und einkommensneutrale Vorgänge vor, im dritten Fall kann eine Gewinn- bzw. Einkommenswirkung bei der Gesellschaft gegeben sein, wenn die Bedingung der Angemessenheit verletzt wird (z. B. zu hohe Pensionsrückstellung für den Gesellschafter-Geschäftsführer). 3.2

Einkommenswirksame Vorgänge beim Gesellschafter

Dagegen wirken sich beim Gesellschafter folgende Vorfälle einkommenswirksam – als „Bezüge“ nach § 20 EStG – aus:

21

22

23

Sie kann nur die Unternehmensteuer fordern, aber auch generell eine vGA verbieten. Wassermeyer (2006), S. 571 schreibt demgegenüber: „Handelsrechtlich begründet jedoch die zinslose Darlehensgewährung durch die Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter selbst dann keine aktivierungsfähige Zinsforderung bzw. keine den Jahresüberschuss erhöhenden Zinserlöse, wenn der Vorgang auch gesellschaftsrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen sein sollte.“ Das ist gesellschaftsrechtlich umstritten und vermutlich nicht h. L.; vgl. den Hinweis bei Bareis (2009b), S. 816, Fußnote 14 sowie ausführlicher Siegel (2009); er tritt in seinem Beispiel (3) mit guten Gründen für die volle Einbuchung einer Forderung zur Verhinderung des Divergenzeffektes ein. Wassermeyers weitere Behauptung unter Hinweis auf das BFH-U 1994, bei der zweiten „Grundkonstellation“ sei eine Abbildung in der Steuerbilanz „ausgeschlossen“, ist schon mehrfach widerlegt worden, siehe nur die in Fußnote 6 zitierte Literatur. Es wird vorausgesetzt, dass keine steuerrelevanten Wertänderungen bei den Anteilen vorgekommen sind. Es handelt sich um „Vermögensminderungen“. Selbst eine nicht durchgeführte Kapitalerhöhung müsste eigentlich nach h. L. als „verhinderte Vermögensmehrung“ eingestuft werden - ein wenig einsichtiges Ergebnis.

Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen

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1. Ordentliche Kapitalherabsetzungen aus dem Sonderausweis, 2. Zahlungen (Übertragungen) aus der Gewinnrücklage aus Vorjahren (ebenso wie aus dem laufenden Jahr), 3. Zahlungen (Übertragungen) aus dem Gewinnvortrag. Aber auch insoweit handelt es sich bei der Kapitalgesellschaft nicht um gewinnbzw. einkommenswirksame Vorfälle. Durch die „Schedulerei“ des geltenden Steuerrechts kann allerdings die unterschiedliche Zuordnung zu Einkunftsarten zu unterschiedlichen Besteuerungsfolgen führen. Anders liegen die Dinge in den Fällen, in denen im jeweiligen Geschäftsjahr sowohl bei der Kapitalgesellschaft Einkommen verdeckt wurde als auch zugunsten des Gesellschafters eine Vermögensübertragung stattgefunden hat. Dann unterstellt die h. L., dass diese Übertragung in Höhe des verdeckten Einkommens statt in Höhe des verdeckten Gewinns erfolgt sei. Fortführung des Beispiels (6a): (6d) Der oben ermittelte Gewinn beträgt 70, das verdeckte Einkommen 100, weil zum Gewinn die nichtabziehbaren Betriebsausgaben von 30 hinzuzählen sind. Schon sprachlich ist erstaunlich, dass die h. L. hier eine „Gewinn“-Ausschüttung in Höhe von 100 erblickt. Denn das Gesetz spricht nicht von Einkommens-, sondern von Gewinnausschüttungen. Die h. L. verstößt damit – isoliert betrachtet – auch gegen Handelsrecht, denn ausschüttungsfähig ist nicht das Einkommen, sondern höchstens der Gewinn. Dies ist eine altbekannte Erscheinung, für die Herzig den Namen „Divergenz24 effekt“ geprägt hat . Die Finanzrechtsprechung will selbst bei Rückgewähr der auf der vGA lastenden Steuer bzw. der gesamten „vGA“ eine Ausschüttung in Höhe des Einkommens unterstellen und betrachtet die Rückgewähr als „Einlage“. Das führt bei mehrgliedrigen Gesellschaften, bei denen nicht alle Gesellschafter dieselbe „vGA“ bekommen, zu unberechtigten Teilenteignungen der nicht begünstigten Gesellschafter25. Dies ist steuersystematisch nicht hinnehmbar. Erst recht gilt dies, wenn Satzungsklauseln existieren bzw. wegen Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften gar keine Vermögensübertragungen an den Gesellschafter zulässig sind. 3.3

Divergenzeffekt, Satzungsklauseln und Kapitalerhaltung

Der Divergenzeffekt ist schon gesellschaftsrechtlich problematisch. Sind nicht begünstigte Gesellschafter vorhanden, so werden sie teilenteignet, denn die Gesellschaft wird mit dem Bruttobetrag der „Ausschüttung“ und mit den darauf 24 25

Herzig (1985). Bareis (2009a).

14

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entfallenden Unternehmensteuern belastet. Dies führt im Regelfall zur Verminderung vorhandener Gewinnrücklagen26. Dies muss m. E. durch Satzungsklauseln verhindert werden können. Sind keine Gewinnrücklagen vorhanden, sind die Auszahlungen nach BGH unzulässig27. Zumindest in den letzten beiden Fällen hat die Gesellschaft Forderungen an den Gesellschafter, die gleichzeitig mit der Ausschüttung entstehen, auf jeden Fall bezüglich der den „vGA“ zuzurechnenden Unternehmensteuern, bei der verbotenen Auszahlung ist der Gesamtbetrag eine Forderung und keine vGA. Das müsste auch steuerrechtlich so gesehen werden. Wenn dem begünstigten Gesellschafter der Bruttobetrag verbleibt, fehlt hierauf mindestens die Steuervorbelastung auf Unternehmensebene. Da das Teileinkünfteverfahren eine solche Steuervorbelastung voraussetzt, müsste sie auch aus dieser Sicht hergestellt werden, denn die Umqualifikation z. B. von Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit zu „Ausschüttungen“ bewirkt ja die Minderung der ursprünglich vollen ESt-Belastung auf das Niveau der „Teileinkünfte“ bzw. die Abgeltungsteuer (Bezüge nach § 20 EStG). Erst recht gilt dieses Argument, wenn aus Gründen des Gläubigerschutzes gar keine Auszahlung erfolgen darf. Dann muss steuerlich entweder eine Forderung in Höhe der anteiligen Unternehmensteuern oder in Höhe des Bruttobetrages der Ausschüttung erfolgen. Eine „vGA“ kann bei voller Rückzahlungspflicht nicht vorliegen, da uno actu mit der Auszahlung die Rückforderung entsteht und insoweit eine Forderung der Gesellschaft an den Gesellschafter gebucht werden muss. Dies gilt uneingeschränkt für die AG, da bei ihr auch handelsrechtlich vGA verboten sind und muss auch analog für die GmbH gelten. Die h. L., die dies über eine „Einlage“ lösen will, ist somit sowohl gesellschafts- als auch steuerrechtlich verfehlt; die Kritik lautet zusammengefasst: •

Wenn gesellschaftsrechtlich ein Verbot besteht, ist nicht zu erkennen, weshalb der Begünstigte einen Vermögensvorteil erhalten haben sollte wegen „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“, denn das Gesellschaftsverhältnis verbietet dies gerade;



hat die Gesellschaft einen Anspruch auf volle Rückgabe des Vermögensvorteils, liegt bei ihr bei korrekter Buchung gar keine „Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung“, also weder eine Gewinnnoch eine Einkommensminderung vor;



folglich darf sich der Vorgang überhaupt nicht auf die „Höhe des Unterschiedsbetrags“ und damit auch nicht auf den Gewinn bzw. das Einkommen auswirken.

26 27

Siehe den Nachweis ebd. BGH (2003) spricht von „verbotenen Auszahlungen“.

Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen

15

Wer also mit der h. L. bei Rückgewähransprüchen der Kapitalgesellschaft überhaupt eine vGA annimmt, müsste konsequent sein und dies auch bei Darlehensgewährung an den Gesellschafter gegen angemessenes Entgelt (Zins) annehmen: Es ist nicht zulässig, nur eine Seite eines Vertrags zugrundezulegen (Vermögensübertragung an Gesellschafter), die andere Seite (dessen Verpflichtung zur Rückzahlung, verbunden mit dem jährlichen Entgelt des Gesellschafters für die Kapitalüberlassung) aber zu negieren. Buchtechnisch ausgedrückt: Es ist kein Anlass vorhanden, eine Darlehensgewährung als Aufwand zu buchen, der dann mit Hilfe der vGA zu stornieren ist. Entsprechend ist beim Gesellschafter auch kein „Bezug im Sinne des § 20 EStG“ zu verzeichnen. Exakt dieses Ergebnis muss in all jenen Fällen eintreten, in denen die Gesellschaft, somit die übrigen Gesellschafter28 einen Rückzahlungsanspruch geltend machen können. Fortführung der Beispiele: (1b) Die Buchung einer zu hohen Pensionsanwartschaft bei der Kapitalgesellschaft hat für den Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH im Jahr der Buchung keine Folgen, denn er hat keinen Vermögensvorteil erhalten, muss also auch nichts zurückzahlen. Bei einem Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen muss dann m. E. zwingend aus der Handelsbilanz der überhöhte Aufwand und die überhöhte Rückstellung storniert werden. Erfolgt dies nicht, bekommt er im Pensionsfall dennoch die zu hohe Pension, dann muss beachtet werden, dass ihm insoweit „Bezüge“ nach § 20 EStG zufließen. Sie müssen nach den obigen Ableitungen um die zugehörigen Unternehmensteuern gekürzt werden, d.h. ihm steht nur der Nettobetrag zu. Bei Auszahlung des Bruttobetrages entsteht eine Forderung der Gesellschaft auf Rückzahlung der Unternehmensteuern. Denn der Gesellschafter kommt ja insoweit in den Genuss des Teileinkünfteverfahrens (bzw. der Abgeltungsteuer). (2b) Hat der Gesellschafter-Geschäftsführer eine Gehaltszahlung von 150 bekommen, die nur zu 50 angemessen ist, so bleibt es bei der Besteuerung von 50 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Als Einkünfte im Sinne des § 20 EStG sind ihm jedoch nicht 100, sondern lediglich 70 zuzurechnen, weil ihm die anteiligen Unternehmensteuern (30 % von 100) angelastet werden müssen. Seine einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage muss um diesen Betrag gemindert werden; das Teileinkünfteverfahren bzw. die Abgeltungsteuer darf sich nur auf 70 beziehen. Nur so ist sichergestellt, dass keine un28

M. E. muss dies wegen des auch hier zu beachtenden Trennprinzips auch für die EinmannGesellschaft gelten. Hier ist allerdings zuzugeben, dass evtl. strengere Maßstäbe angelegt werden können, um Manipulationen vorzubeugen. Eindeutig dagegen ist der Tatbestand, wenn keine Gewinnrücklagen vorhanden sind und Nominalkapital angegriffen würde: hier ist schon wegen des Gläubigerschutzes der Rückgewähranspruch zwingend zu beachten.

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Peter Bareis

systematischen Verwerfungen durch eine „vGA“ entstehen. Die ursprüngliche Buchung lautete: Aufwand an Kasse 150. Bei Aufdeckung der „vGA“ müssen demnach 100 aus dem Aufwand herausgenommen werden. Da der Gesellschafter das Geld erhalten hat, ist an ihn eine Forderung in Höhe von 30 (Unternehmensteuern) entstanden, die restlichen 70 sind zusätzlicher Gewinn, der aber „ausgeschüttet“ worden ist und somit jetzt als Minderung der Gewinnrücklagen erscheint: Forderung an Gesellschafter

30

Gewinnrücklagen

70

an Aufwand 3.4

100.

Zur Behandlung überhöhter Pensionsrückstellungen nach h. L.

Im Gegensatz zu den obigen Lösungen behaupten BFH und – nach anfänglichem Zögern – auch die Finanzverwaltung, im Fall der überhöhten Pensionsrückstellung sei die Streichung des zu hohen Aufwandes wie die Streichung einer steuerlich nichtabziehbaren Aufwendung zu behandeln. Das aber ist grundverkehrt. Denn nichtabziehbare Aufwendungen sind zweifelsfrei Aufwendungen und damit Betriebsausgaben, jedoch aus – wenn auch manchmal fragwürdigen – steuerlichen Gründen bei der Einkommensermittlung der Gesellschaft nicht abziehbar. Das ändert an ihrer Gewinnwirkung nichts: sie mindern sowohl den Handels- wie den Steuerbilanzgewinn und somit auch das Eigenkapital und können daher niemals ausgeschüttet werden. Demgegenüber führt die Aufdeckung der überhöhten Zuführung zur Pensionsrückstellung zu steuerlichem Gewinn und damit zu Einkommen. Daher fallen in einem solchen Falle – wenn also die Handelsbilanz die überhöhte Rückstellung beibehält – zwingend die Steuerbilanz und die Handelsbilanz auseinander29. Denn es ist logisch (und buchtechnisch) unmöglich, aus dem Aufwand einen Betrag zu streichen, der steuerlich als Einkommen gewertet wird, der nach Abzug der Unternehmensteuern den Gesellschaftern zur Verfügung gestellt werden kann, diesen Betrag aber in der Steuerbilanz als Rückstellung, also als Fremdkapital auszuweisen: es handelt sich steuerlich eindeutig um Eigenkapital und muss auch so bilanziert werden. 3.5

Teilwertabschreibung und „vGA“

Zu welchen Irrtümern die verfehlte Auslegung des § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 KStG durch die h. L. veranlasst, verdeutlicht ein Beitrag über „Teilwertabschreibung auf eine unverzinsliche Darlehensforderung gegen den Gesellschafter im Kontext 29

Zum Verhältnis beider Bilanzen zueinander siehe Krawitz (1994), (1998).

Irrungen und Wirrungen bei verdecktem Einkommen

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der vGA-Grundsätze“30. Der Verf. jenes Beitrags wundert sich, dass das Thema Teilwertabschreibung in der Handelsbilanz bei Vergabe einer unverzinslichen Darlehensforderung an den Gesellschafter (einer GmbH31) steuerrechtlich „wenig beleuchtet“ worden sei. Es werde eine vGA in Höhe der entgangenen Zinsen konstatiert, ohne über die Bewertung der Forderung nachzudenken. Dem Verf. ist insoweit recht zu geben, als nach der hergebrachten Auslegung des § 8 Abs. 3 KStG diese Frage gestellt werden muss. Dies zeigt erneut, dass die Fundamente dieser „vGA-Grundsätze“ der h. L. brüchig sind. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Darlehensforderung mit dem Nominalbetrag auszuweisen. Bereits bei Darlehenshingabe eine vGA anzunehmen, ist verfehlt, wenn die Rückzahlung des Darlehens zu erwarten ist. Erst danach geht es um die Feststellung verhinderter Erträge, die aus dem Zinsverzicht der GmbH resultieren32. Diese sind – da steuerlich das Einkommen eines Wirtschafts- bzw. Kalenderjahres zu ermitteln ist – zeitraumbezogen zu bestimmen und daher aus den Grundsätzen für die GuV-Rechnung abzuleiten. Es ist einfach zu fragen, welche Zinsbeträge in einer Periode mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht als Erträge erschienen sind, also durch die Vereinbarung der Unverzinslichkeit „verhindert“ oder „vermindert“ worden sind. Wer so fragt, wird bei unverzinslicher Ausleihung eines Betrages von 100 GE als Fälligkeitsdarlehen bei einem Marktzins von 5 % – zur Vereinfachung über die Laufzeit unverändert – schnell zu dem Ergebnis kommen, dass steuerlich wegen der Notwendigkeit der Abschnittsbesteuerung jährlich 5 GE als Einkommen verdeckt werden und diese der KSt zu unterwerfen sind. Weitere Überlegungen zur handels- oder steuerbilanziellen Bewertung der Forderung erübrigen sich insoweit: es muss dieses Ergebnis erreicht werden. Wer dagegen mit der h. L. und dem „Unterschiedsbetrag“ nach § 4 Abs. 1 EStG, der angeblichen „Zweistufigkeit“ der Gewinn- bzw. Einkommensermittlung und Fragen der „Vorteilsgeeignetheit“ und „außerbilanziellen“ Rechenwerken argumentiert, muss sich nicht wundern, wenn eine Fülle ungeklärter Fragen verbleiben: sie rühren von der verfehlten Begrifflichkeit der h. L. und deren Verzicht auf die Beschäftigung mit elementaren buchtechnischen Zusammenhängen her.

30 31

32

Bohne (2008). Dies ist m. E. vorauszusetzen, da aktienrechtlich derartige Vergünstigungen an Gesellschafter unzulässig sind. Erst am Ende des Wirtschaftsjahres fehlt ein Ertrag in Höhe des angemessenen Zinssatzes, multipliziert mit dem Nominalbetrag des Darlehens.

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4

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Fazit

Eine Kapitalgesellschaft muss dem Finanzamt für steuerliche Zwecke ihren vollständigen Jahresabschluss (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, ggf. auch Anhang) einreichen (§ 60 EStDV). Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn die Fälle, welche § 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KStG regelt, mit den Begriffen „überhöhte Aufwendungen (bzw. ‫ޜ‬Betriebsausgaben‫ “)ޗ‬sowie „verhinderte oder verminderte Erträge (bzw. ‫ޜ‬Betriebseinnahmen‫ “)ޗ‬belegt werden, also auch die GuVRechnung für steuerliche Zwecke genutzt wird. Bei der Interpretation des § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 KStG ist strikt auf die Trennung zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter zu achten und nur derjenige Betrag als ausschüttungsfähig anzusehen, der nach Abzug der zugehörigen Unternehmensteuern auf den stornierten Aufwand bzw. auf den ergänzten Ertrag entfällt. Für die übrigen, in der bisherigen Definition enthaltenen Sachverhalte, die nichts mit § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 KStG zu tun haben, ist an die handelsrechtliche Begrifflichkeit anzuknüpfen und diese mit den steuerlichen Termini abzustimmen. Soweit es notwendig ist, aus steuerlichen Gründen den handelsrechtlichen Jahresabschluss zu korrigieren, sollte dies streng nach den Regeln der Doppik geschehen. An die Stelle von Kladden sollte also der handelsrechtliche durch einen steuerlichen Jahresabschluss ergänzt werden, damit die Kontrollfunktion der doppelten Buchführung genutzt wird.

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Krawitz (1998) = Norbert Krawitz, Steuerliche Determinierung der Handelsbilanzpolitik. Ein Beitrag zur umgekehrten Maßgeblichkeit, in: Unternehmensrechnung und -besteuerung. Grundfragen und Entwicklungen, Festschrift für Dietrich Börner, Hrsg. Heribert Meffert u. Norbert Krawitz, Wiesbaden 1998, S. 197 - 230. Krawitz (2000) = Norbert Krawitz, Betriebswirtschaftliche Anmerkungen zum Halbeinkünfteverfahren, in: DB, 53. Jg., 2000, S. 1721 – 1727. Krawitz (2003) = Norbert Krawitz, Reicher Gesellschafter – Arme Gesellschaft. Neue Steuerstrategien für den Mittelstand – „Klassische“ Empfehlungen gelten nicht mehr, in: BB, 58. Jg., 2003, S. 1925 - 1930. Krawitz (2005) = Norbert Krawitz, Kritische Betrachtung der neuen Formen einer Mindestbesteuerung, in: Steuertheorie, Steuerpolitik und Steuerpraxis, Festschrift für Peter Bareis, Hrsg. Theodor Siegel u.a., Stuttgart 2005, S. 153 - 170. Reiß (2003) = Wolfram Reiß, Verdeckte Gewinnausschüttung und Steuerbilanzgewinn – zur nachträglichen Korrektur nicht erfasster verdeckter Gewinnausschüttungen, in: StuW, 80. Jg., 2003, S. 21 - 39. Siegel (1995) = Theodor Siegel, Verwandlung von Gewinn in Aufwand. Anmerkungen zur Divergenz zwischen Fiedler und Hartung, in: BB, 50. Jg., 1995, S. 2207 - 2208. Siegel (2009) = Theodor Siegel, Die aufgedeckte verdeckte „Gewinn-“ Ausschüttung als Darlehensgewährung – Zur Beseitigung einer fundamentalen Fehlanwendung des Körperschaftsteuerrechts und zur Abhilfe beim Divergenzeffekt, in: DB, 62. Jg., 2009, S. 2116-2124. Wassermeyer (2002a) = Franz Wassermeyer, Neues zur Definition der verdeckten Gewinnausschüttung – Anmerkung zu dem BFH-Urteil vom 7.8.2002 I R 2/02 und zugleich Stellungnahme zu Frotscher, FR 2002 S. 859, in: DB, 55. Jg., 2002, S. 2668 - 2671. Wassermeyer (2002b) = Franz Wassermeyer, Korrektur verdeckter Gewinnausschüttungen außerhalb der Steuerbilanz, in: GmbHR, 93. Jg., 2002, S. 617 619. Wassermeyer (2006) = Franz Wassermeyer, Das System der zweistufigen Gewinnermittlung in der Rechtsprechung des BFH, in: Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, Festschrift für Arndt Raupach zum 70. Geburtstag, hrsg. v. Paul Kirchhof, Karsten Schmidt, Wolfgang Schön, Klaus Vogel, Köln 2006, S. 565-576.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die Festlegung und Prüfung von internationalen Verrechnungspreisen Hubertus Baumhoff

Inhaltsverzeichnis 1 Grundlegung und Problemstellung ............................................................. 23 2 Ausgewählte Problembereiche des Einflusses krisenbedingter Verluste auf die internationalen Verrechnungspreise .................................. 24 2.1 Der Einfluss krisenbedingter Verluste auf die neue Einigungsbereichsbetrachtung des § 1 Abs. 3 AStG........................ 24 2.1.1 Der hypothetische Fremdvergleich i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG .......................................................................... 24 2.1.2 Die Bestimmung von Preisgrenzen aus betriebswirtschaftlicher Sicht ............................................... 25 2.1.2.1 Preisuntergrenzen ................................................... 25 2.1.2.2 Preisobergrenzen .................................................... 26 2.1.2.3 Konsequenzen für die steuerliche Einigungsbereichsbetrachtung................................ 27 2.2

Krisenbedingte Verluste im Hinblick auf die betriebliche Funktion der einzelnen Konzerngesellschaft ................................... 27 2.2.1 Verluste bei verbundenen Produktionsgesellschaften ........... 28 2.2.1.1 Produktionsgesellschaft als Eigenproduzent .......... 28 a) Definition des Eigenproduzenten ..................... 28 b) Residualgewinn/-verlust bei Entrepreneurgesellschaften der Produktion ........................... 29 c) Verrechnungspreisbestimmung für Lieferungen an verbundene Abnehmer ............. 29 2.2.1.2 Produktionsgesellschaft als Lohnfertiger ............... 30 a) Definition des Lohnfertigers ............................. 30

22

Hubertus Baumhoff

b) Cost-plus-Preis bei Routinegesellschaften der Produktion ........................................................ 31 c) Höhe des Gewinnaufschlags in Verlustsituationen ........................................................ 32 2.2.2 Verluste bei verbundenen Vertriebsgesellschaften................ 33 2.2.2.1 Vertriebsgesellschaft als Eigenhändler ................... 33 a) Definition des Eigenhändlers ............................ 33 b) Residualgewinn/-verlust bei Entrepreneurgesellschaften des Vertriebs .............................. 33 c) Verrechnungspreisbestimmung für Leistungen an verbundene Eigenhändler............................. 34 2.2.2.2 Vertriebsgesellschaft als "low-risk-distributor" ...... 35 a) Definition des "low-risk-distributors"............... 35 b) Angemessene Nettomarge bei Routinegesellschaften des Vertriebs .............................. 35 c) Höhe der Nettomarge in Verlustsituationen ...... 35 2.3

Sonderproblem: Anlaufverluste bei Vertriebsgesellschaften ........... 35

2.4

Relevanz von Informationen aus Datenbanken für die Verrechnungspreisbestimmung in krisenbedingten Verlustsituationen ........ 37 2.4.1 Zulässigkeit der Verwendung von Informationen aus Datenbanken......................................................................... 37 2.4.2 Bedeutung von Informationen aus Datenbanken bei den gewinnabhängigen Methoden ............................................... 37 2.4.3 Einfluss der Finanzmarktkrise auf die Verwendungsmöglichkeiten von Informationen aus Datenbanken......................................................................... 38

2.5

Übertragung von Verlustpotenzial bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen.................................................................. 39 2.5.1 Verlagerung von Auslandsfunktionen ins Inland als Instrument des konzerninternen Verlustausgleichs ............... 40 2.5.2 Verlagerung verlustbringender Inlandsfunktionen ins Ausland ................................................................................ 41

3 Fazit ............................................................................................................ 43 

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

1

23

Grundlegung und Problemstellung

Die aktuelle weltweite Finanzmarktkrise hat in Deutschland zu der schwersten Rezession der Nachkriegszeit geführt. Der dadurch bedingte Konjunktur- und Nachfragerückgang führt bei vielen, auch international verbundenen Unternehmen zu einem deutlichen Rückgang der Ergebnisse und damit der gewinnabhängigen Steuerzahlungen. In dieser, für die Volkswirtschaften schwierigen Situation und der damit einhergehenden zusätzlichen deutlichen Neuverschuldung der öffentlichen Hand werden die nationalen Fisci davon absehen müssen, den Unternehmen, die vielfach um ihre Existenz kämpfen, zusätzliches Steuervolumen abzuverlangen, etwa durch Anhebung der Steuersätze oder Reduktion der Abschreibungssätze. Vielmehr werden die nationalen Finanzbehörden geneigt sein, die durch die Wirtschaftskrise entstehenden Steuerausfälle u.a. durch Verrechnungspreiskorrekturen zu Lasten anderer Fisci zu kompensieren1. Das hat wiederum für die steuerpflichtigen international agierenden Unternehmen zur Konsequenz, dass sie ihre Verrechnungspreissysteme noch stärker als bisher in Betriebsprüfungen verteidigen müssen. Das bedeutet zugleich, dass auch die Verrechnungspreisdokumentationen diesen neuen Anforderungen entsprechen müssen. Betrachtet man das Lehr- und Forschungsspektrum von Norbert Krawitz seit Beginn der 70er Jahre, beginnend am Institut für Unternehmensrechnung- und -besteuerung an der Universität Münster, so zeigt sich eine bemerkenswerte Spannbreite hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Interessen. Diese Spannweite reicht von der Rechnungslegung über die Wirtschaftsprüfung bis hin zur Besteuerung. Angesichts des Ausmaßes dieser Spannbreite würde man normalerweise erwarten, dass sich Norbert Krawitz nur rudimentär und ohne besonderen Tiefgang mit den drei vorgenannten Themengebieten befassen konnte, stellen sie doch alle drei höchst eigenständige Disziplinen in der allgemeinen und speziellen Betriebswirtschaftslehre dar. Diese Vermutung hat Norbert Krawitz eindrucksvoll widerlegt. Nicht nur, dass das von ihm im Jahr 1995 ins Leben gerufene „Siegener Forum für Rechnungslegung, Prüfungswesen und Steuerlehre e.V.“ all diese drei Themengebiete in seinem Vereinsnamen trägt; vielmehr hat Norbert Krawitz jeden dieser Lehr- und Forschungsbereiche mit besonderem wissenschaftlichen Interesse und fachlicher Hingabe betreut. Analysiert man einmal näher das Gebiet der Besteuerung, so zeigt sich sein besonderer Hang zu Fragestellungen aus dem Bereich der internationalen Besteuerung, sei es in von ihm verfassten Publikationen, vergebenen Diplomarbeitsthe-

1

Vgl. FAZ Nr. 237 v. 13.10.2009, Seite 14 „Krise macht Steuerprüfer strenger“.

24

Hubertus Baumhoff

men oder erfolgreich realisierten Dissertationsprojekten. Innerhalb dieser Projekte kommt – selbstverständlich – auch der Bereich der internationalen Einkünfteabgrenzung nicht zu kurz. So hat Norbert Krawitz sowohl diverse Diplomarbeiten als auch drei Dissertationsprojekte2 zu dieser Thematik wissenschaftlich begleitet. Im Folgenden soll diese Thematik unter einem aktuellen Bezug, nämlich der gegenwärtigen internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise, behandelt werden. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie sich die Finanzmarktkrise und die daraus resultierenden krisenbedingten Verluste auf die Ermittlung und Prüfung internationaler Verrechnungspreise auswirken. 2

Ausgewählte Problembereiche des Einflusses krisenbedingter Verluste auf die internationalen Verrechnungspreise

2.1

Der Einfluss krisenbedingter Verluste auf die neue Einigungsbereichsbetrachtung des § 1 Abs. 3 AStG

2.1.1

Der hypothetische Fremdvergleich i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG

In der Verrechnungspreispraxis ist der idealerweise vorzunehmende tatsächliche Fremdvergleich häufig die Ausnahme. Mit der Neufassung des Außensteuergesetzes durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20083 ist nunmehr ausdrücklich geregelt, wie Verrechnungspreise zu ermitteln sind, wenn keine durch einen tatsächlichen Fremdvergleich ermittelten Werte vorliegen. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG hat dann „der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich ... durchzuführen.“ Dabei handelt es sich um eine Simulation des Preisbildungsprozesses. Zur Durchführung einer solchen Simulation bedarf es allerdings eines objektiven Bezugspunktes. Dieser ist in der Rechtsfigur des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ gegeben4. Um einen Preisbildungsprozess zu simulieren, ist es allerdings nicht ausreichend, nur auf einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter Bezug zu nehmen. Der Prozess der Preisbildung vollzieht sich vielmehr in der Weise, dass sich ein Anbieter und ein Nachfrager über den Preis für ein Gut bzw. Leistung einigen. Es stehen sich also bei jedem zu Stande kommenden Geschäft – und damit bei je-

2

3 4

Vgl. Hick, Die steuerliche Behandlung von Arbeitnehmerentsendungen deutscher internationaler Unternehmen in das Ausland auf der Unternehmens- und Arbeitnehmerebene, Lohmar/Köln 2004; Wassermeyer, Analyse der steuerlichen Einflussfaktoren grenzüberschreitender Vertriebsalternativen inländischer Kapitalgesellschaften, Diss. Uni Siegen 2005; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, Düsseldorf 2009. UntStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 1986, S. 110 f.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

25

dem vereinbarten Preis – zwei Verhandlungspartner gegenüber, die auf Grund ihrer unternehmerischen Zielsetzungen bestrebt sind, die für sie jeweils günstigsten Bedingungen zu vereinbaren. Daher ist der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter zu „verdoppeln“, will man dem Preisbildungsprozess Rechnung tragen. Diese nun ins Gesetz aufgenommene Überlegung ist allerdings nicht neu. Sie wurde bereits seit langem durch die Literatur5 gefordert. Zudem hat der „doppelte“ ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter seit dem BFH-Urteil vom 17.5.1995 auch Eingang in die steuerliche Rechtsprechung gefunden6. Was nun den Preisbildungsprozess im Einzelnen anbelangt, so schreibt § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG vor, dass der Steuerpflichtige „auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu ermitteln [hat] (Einigungsbereich)“. 2.1.2

Die Bestimmung von Preisgrenzen aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedeutet das, dass zur Bestimmung dieses Einigungsbereichs aus Sicht des Liefernden oder Leistenden eine Preisuntergrenze und aus Sicht des Belieferten oder Leistungsempfängers eine Preisobergrenze zu ermitteln ist. Dabei kann ein Einigungsbereich nur dann vorliegen, wenn die Preisobergrenze des Empfängers über der Preisuntergrenze des Leistenden liegt. Nur in diesem Fall kommt es bei rationalem Verhalten unabhängiger Verhandlungspartner zu einer Einigung. Würde dagegen die Preisobergrenze des Empfängers unter der Preisuntergrenze des Leistenden liegen, käme zwischen unabhängigen Verhandlungspartnern kein Geschäft zustande, weil mindestens einer der Beteiligten einen – unter Fremden nicht akzeptablen – Gewinnentgang oder gar Verlust in Kauf nehmen müsste. Dies ist allerdings mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar. Demzufolge wäre in diesem Fall der Fremdvergleich weder in seiner tatsächlichen noch in seiner hypothetischen Form durchführbar7. 2.1.2.1 Preisuntergrenzen Betrachtet man die Preisuntergrenze des Liefernden oder des Leistenden, so kann – betriebswirtschaftlich – zwischen der lang- und der kurzfristigen Preisuntergrenze unterschieden werden. 5

6 7

Vgl. hierzu Baumhoff, DStR 1987, S. 499; Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 308a ff.; Waldens, PIStB 2004, 73, 78. Vgl. BFH v. 17.5.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204. Vgl. hierzu im Einzelnen Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 1986, S. 238 ff.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, S. 1464.

26

Hubertus Baumhoff

Langfristige Preisuntergrenzen stellen Preis-Mindesthöhen dar, die selbst dann die Existenz eines Unternehmens nicht gefährden, wenn diese Preise auf Dauer beibehalten werden (müssen)8. Da langfristig ein marktwirtschaftlich geführtes Unternehmen nur funktionsfähig sein kann, wenn mindestens die gesamten Kosten (Vollkosten) und ein Mindestgewinn für die Verzinsung des eingesetzten Kapitals durch die Erlöse gedeckt werden, bilden die gesamten Durchschnittskosten pro Leistungseinheit (Einzelkosten plus anteilige Gemeinkosten) die langfristige Preisuntergrenze, wobei die Normalverzinsung des Kapitals als Kostenbestandteil anzusehen ist (sog. kalkulatorische Eigenkapitalzinsen)9. Ein zu Vollkosten kalkulierter Selbstkostenpreis wird zuweilen auch als „natürliche“ Preisuntergrenze bezeichnet. Der langfristigen Preisuntergrenze steht die kurzfristige Preisuntergrenze gegenüber, die nur für eine begrenzte Zeit und nur in Ausnahmefällen, z.B. bei einer konjunkturell bedingten (vorübergehenden) Unterbeschäftigung, realisierbar ist. Demnach kann es für ein leistungserbringendes Unternehmen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, vorübergehend (z.B. in Krisensituationen) eine Preiskalkulation auf Teilkostenbasis zu realisieren, also auf die Deckung der gesamten Selbstkosten zu verzichten. Dabei müssen jedoch die variablen Kosten einer Lieferung oder Leistung die absolute Preisuntergrenze darstellen, deren Unterschreiten im Normalfall betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen ist10. Anderenfalls wäre in Folge des Verzehrs an Ressourcen das Überleben der jeweiligen Unternehmung nicht gewährleistet. 2.1.2.2 Preisobergrenzen Als Preisobergrenze wird betriebswirtschaftlich jene Entgelthöhe bezeichnet, die eine Unternehmung unter Berücksichtigung ihrer Zielsetzung maximal für eine bestimmte Lieferung oder Leistung zu zahlen bereit ist, bei deren Unterschreiten sie die Lieferung/Leistung kauft, bei deren Überschreiten sie auf einen Kauf verzichtet11. Die Höhe einer Preisobergrenze kann nur unter konkreter Bezugnahme auf die einem unabhängigen Entscheidungsträger alternativ zur Verfügung stehenden Beschaffungsmöglichkeiten bestimmt werden. Dabei lässt sich grundsätzlich unterscheiden zwischen -

dem (internen) Bezug der Lieferung/Leistung bei einem verbundenen Unternehmen,

8

Vgl. Schmalen, Preispolitik, Stuttgart/New York 1982, S. 171. Vgl. Scherrer, FS Scherpf, Wiesbaden 1983, S. 355. Vgl. Heinen, Kosteninformation und Preispolitik, KRP 1975, S. 59. Reichmann, Kosten und Preisgrenzen, Wiesbaden 1973, S. 109; Männel, Preisobergrenzen im Einkauf, Opladen 1975, S. 10.

9 10 11

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

27

-

der Eigenerstellung des Gutes/der Leistung, sowie

-

dem (externen) Bezug des Gutes/der Leistung bei einem unabhängigen Unternehmen.

Welche dieser drei Alternativen im Einzelfall realisierbar ist, hängt von der Art der betreffenden Lieferung/Leistung sowie den damit einhergehenden Eigenerstellungs- und Fremdbezugsmöglichkeiten des Empfängers ab. Sind mehrere der genannten Alternativen realisierbar, so ergeben sich daraus verschiedene Ansatzpunkte der Preisobergrenzen-Bestimmung, wobei ein ordentlicher Geschäftsleiter die Festsetzung seiner Preisobergrenze an der Alternative orientieren wird, die seiner Zielsetzung am ehesten entspricht. 2.1.2.3 Konsequenzen für die steuerliche Einigungsbereichsbetrachtung Bezogen auf die hier vorliegende Verrechnungspreisproblematik bedeutet dies, dass es auch zwischen fremden Dritten – und demnach auch betriebswirtschaftlich – sinnvoll und zulässig sein kann, in konjunkturellen bzw. betrieblichen Sondersituationen aus Sicht des Liefernden oder Leistenden kostenträger- bzw. kostenstellenbezogene Verluste hinzunehmen. Dies ergibt sich zwingend (auch) aus der neuen Einigungsbereichsbetrachtung des § 1 Abs. 3 AStG, zumal die krisenbedingten Verluste sowohl Einfluss auf die Preisuntergrenze des liefernden/leistenden Unternehmens als auch auf die Preisobergrenze des Lieferungs/Leistungsempfängers haben. Eine solche Vorgehensweise wäre also mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar. In Fällen der Verlagerung von verlustbringenden Funktionen wäre es sogar denkbar, dass das verlagernde Unternehmen eine Ausgleichszahlung für die Übernahme der Verlustquelle leistet, da ansonsten das übernehmende Unternehmen im Rahmen seiner Preisobergrenzenbetrachtung auf die verbundinterne Übernahme der Funktion verzichten würde und eine der anderen o.g. Alternativen realisiert würde12. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es dem Steuerpflichtigen gelingt, diese konjunkturelle bzw. betriebliche Sondersituation im Sinne der Vorschriften des § 90 Abs. 3 AO sowie der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung13 plausibel zu dokumentieren. 2.2

Krisenbedingte Verluste im Hinblick auf die betriebliche Funktion der einzelnen Konzerngesellschaft

Krisenbedingte Verlustursachen im internationalen Konzern und die Frage ihrer steuerlichen Anerkennung bei den einzelnen Konzerngesellschaften hängen auch und insbesondere von der betrieblichen Funktion der jeweiligen Konzerngesell-

12

13

So ausdrücklich § 7 Abs. 3 FVerlV vom 12.8.2008, BStBl. I 2009, S. 34 sowie hierzu im Einzelnen Gliederungspunkt 2.5. GAufzV v. 13. November 2003, BStBl. I 2003, S. 739.

28

Hubertus Baumhoff

schaft im gesamten Unternehmensverbund ab. Dabei soll hier exemplarisch zwischen Produktions- und Vertriebsgesellschaften einerseits und zwischen Routineund Entrepreneurgesellschaften andererseits unterschieden werden. Von der betrieblichen Funktion der jeweiligen Konzerngesellschaft wird letztlich auch die Methode der Verrechnungspreisermittlung bestimmt14. So wird z.B. bei Produktionsgesellschaften, zumindest wenn sie als Lohnfertiger agieren, die Kostenaufschlagsmethode15, und bei Vertriebsgesellschaften die Wiederverkaufspreismethode oder TNMM zur Anwendung kommen16. Es stellt sich dabei auch die Frage, ob und inwieweit durch Anwendung dieser Methoden ein – unterstellter – Finanzmarktkrisen bedingter Gesamtkonzernverlust, z.B. in Form eines sog. „Loss Split“ auf diese einzelnen Konzerneinheiten zu verteilen ist. 2.2.1

Verluste bei verbundenen Produktionsgesellschaften

Werden Güter bzw. Waren von konzerninternen Produktionsgesellschaften geliefert, so stellt sich zunächst die Frage nach der Charakterisierung dieser Produktionsgesellschaft innerhalb des Unternehmensverbundes. Das bedeutet, dass vorab zu klären ist, in welcher Eigenschaft ein verbundenes Produktionsunternehmen seine Produktionsfunktionen ausübt, z.B. als Eigenproduzent mit der Übernahme des Produzentenrisikos oder als weniger risikobehafteter Lohnfertiger des Auftraggebers17. Im ersten Fall (Eigenproduzent) würde das Produktionsunternehmen eine quasi „Entrepreneurfunktion“ und im zweiten Fall (Lohnfertiger) die 18 Funktion eines Routineunternehmens wahrnehmen . 2.2.1.1 Produktionsgesellschaft als Eigenproduzent a)

Definition des Eigenproduzenten

Der Eigenproduzent hat die volle Dispositionsbefugnis über die Produktion inne. Angesprochen ist dabei sowohl das gesamte Produzenten- als auch das Vermarktungsrisiko19. Der Eigenproduzent hat die Möglichkeit, Marktchancen zu ergreifen und zu nutzen; ihm steht die Dispositionsbefugnis darüber zu, sein Produktionsprogramm geänderten Markt- und Konjunkturbedingungen anzupassen. Er kann auf Grund von marktlichen Veränderungen die Produktion ganz oder vorü14 15 16 17 18

19

Vgl. Tz. 3.4.10.2 VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, S. 570 ff. Vgl. TZ 3.1.3 Bsp. 3 der Verwaltungsgrundsätze vom 23.2.1983, BStBl. I 1983, S. 218 ff. Vgl. TZ 3.1.3 Bsp. 1 der Verwaltungsgrundsätze vom 23.2.1983 (a.a.O.). Vgl. TZ 2.1.3. der Verwaltungsgrundsätze vom 23.2.1983 (a.a.O.). Vgl. insoweit die Unterscheidung in Tz. 3.4.10.2 VWG-Verfahren sowie zum Entrepreneurkonzept Baumhoff, IStR 2003, S. 6. Vgl. Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 1 AStG, Anm. 589.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

29

bergehend einstellen, reduzieren oder diversifizieren. Der Eigenproduzent stellt sozusagen den „Gegenpol“ zum Lohnfertiger dar. Ein so verstandener Eigenproduzent übt letztlich auch sog. „Entrepreneurfunktionen“ aus, da er wesentliche Unternehmensrisiken trägt. Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung20 steht einem Unternehmen, das über die zur Durchführung von Geschäften wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter verfügt, die wesentlichen, für den Unternehmenserfolg entscheidende Funktionen ausübt und die wesentlichen Risiken übernimmt („Entrepreneur“ oder „Strategieträger“), regelmäßig (ggf. zusammen mit anderen Unternehmen, die ebenfalls eine Entrepreneurfunktion ausüben) das betreffende Konzernergebnis zu, das nach Abgeltung von Funktionen anderer nahestehender Unternehmen verbleibt. b)

Residualgewinn/-verlust bei Entrepreneurgesellschaften der Produktion

Diese sog. „Residualgröße“ kann sowohl ein Residualgewinn als auch ein Residualverlust sein. Das hat für Unternehmen, die sich konjunkturell und betriebswirtschaftlich in einer Krise befinden und daher zumindest temporär Verluste erwirtschaften zur Folge, dass ein solcher Eigenproduzent mit Entrepreneureigenschaft die aus seiner Produktionstätigkeit entstehenden Verluste im Wesentlichen allein zu tragen hat. Dies entspricht absolut fremdüblichem Verhalten, da fremde Produktionsunternehmen in einer vergleichbaren wirtschaftlichen Situation ebenfalls solche Verluste zu übernehmen bzw. zu tragen hätten. c)

Verrechnungspreisbestimmung für Lieferungen an verbundene Abnehmer

Was die Verrechnungspreisgestaltung für die Lieferungen des Produzenten an verbundene (Vertriebs-)Unternehmen angeht, die lediglich bestimmte Routinefunktionen ausüben (bspw. Kommissionäre oder „Low-Risk-Distributors“), so kann ein Eigenproduzent in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs gezwungen sein, auf eine Vollkostendeckung zu verzichten und stattdessen nur Teilkosten zu verrechnen. Dies deshalb, als die deutsche Finanzverwaltung in Tz. 2.2.4. VWG ausdrücklich fordert, die der Kostenermittlung zu Grunde zu legenden Kalkulationsmethoden an der Preispolitik gegenüber Fremden bzw. an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu orientieren. Damit wird grundsätzlich auch die Teilkostenrechnung für all jene Fälle zugelassen, in denen es für einen ordentlichen Geschäftsleiter eines Produktionsunternehmens aus betriebswirtschaftlicher Sicht (i.S.d. Festlegung einer kurzfristigen Preisuntergrenze)21 sinnvoll sein kann bzw. zwingend sein kann, auf die Deckung der vollen Selbstkosten einer Liefe-

20 21

Vgl. Tz. 3.4.10.2. Buchst. b) der VWG-Verfahren vom 12. April 2005, BStBl. I 2005, S. 570. Vgl. hierzu Punkt 2.1.2.1.

30

Hubertus Baumhoff

rung/Leistung zu verzichten und sich stattdessen nur mit einem „Cost Less“-Preis zu begnügen. Das bedeutet aus Sicht der Kostenrechnung, dass die auf Teilkostenbasis ermittelten Verrechnungspreise die Vollkosten eben nicht decken und stattdessen zu temporären Verlusten führen, da z.B. nur ein Deckungsbeitrag und eben nicht alle Fixkosten über die Verrechnungspreise abgedeckt werden. Für den vorübergehenden Verzicht auf Vollkostendeckung in bestimmten Marktsituationen besteht somit explizit die Möglichkeit, auf eine Teilkostenrechnung überzugehen, sofern eine Vollkostendeckung (z.B. wegen schlechter Absatzmarktpreise oder Überbeständen) nicht möglich ist22. Gleichwohl ist die Vollkostenverrechnung immer noch als der Normalfall anzusehen, so dass für die Anwendung der Deckungsbeitragsrechnung gute wirtschaftliche Gründe vorliegen müssen, die über die Verrechnungspreisdokumentation abzubilden sind. Dass die derzeitige Finanzmarktkrise eine solche außergewöhnliche Marktsituation hervorruft, steht wohl außer Zweifel. Denn es entspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Geschäftsführung bspw. zur Überbrückung vorübergehender Unterbeschäftigung oder zur Ausnutzung freier Kapazitäten kurzfristig auch Preise zu akzeptieren, die nur über den Einzelkosten liegen, oder die einen Beitrag zur Deckung der Fixkosten eines Unternehmens liefern. Somit ist diese Art der Verrechnungspreispolitik im Konzern auch bei Liquiditätsengpässen betriebswirtschaftlich sinnvoll und daher fremdüblich. 2.2.1.2 Produktionsgesellschaft als Lohnfertiger a)

Definition des Lohnfertigers

Eine reine Lohnfertigung wird grundsätzlich als Dienstleistung angesehen, für die ein kostenorientiertes Entgelt verrechnet wird23. Normalerweise hat ein Lohnfertiger das herzustellende Produkt nicht selbst entwickelt. Das Produktmanagement, die Entwicklungskompetenz für neue Produkte sowie das Fertigungsverfahren verbleiben beim Auftraggeber. In der Regel werden dem Lohnfertiger die Vorprodukte oder Rohstoffe vom Auftraggeber beigestellt bzw. kommissionsweise überlassen. Auch übernimmt ein Lohnfertiger nur einen speziellen Teil der Fertigung. Da dem Lohnfertiger regelmäßig die Abnahme seiner Leistungen vom Auftraggeber garantiert wird, muss er kaum Vertriebsanstrengungen unterneh-

22 23

Ebenso Tz. 2.44 der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze. Vgl. Tz. 7.40 der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze sowie Tz. 2.1.3 und 3.1.3 Bsp. 3 der Verwaltungsgrundsätze vom 23.2.1983 (a.a.O.).

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

31

men. Auch seine Verwaltung dürfte auf Grund des regelmäßig nur geringen Funktionsumfangs keinen großen Stellenwert annehmen24. Letztlich ist der Lohnfertiger durch folgende Merkmale gekennzeichnet: -

Der Auftraggeber nimmt langfristig den Großteil der Produktion ab, der Lohnfertiger trägt nur ein geringes Absatzrisiko,

-

der Auftraggeber hat das Produkt selbst entwickelt und behält das Eigentum an den wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgütern,

-

der Auftraggeber hat die Disposition über das Produkt inne und bestimmt, welche Fertigungsschritte der Lohnfertiger wie auszuführen hat,

-

und der Lohnfertiger ist nur relativ geringen unternehmerischen Risiken ausgesetzt und setzt nur relativ geringe finanzielle Mittel ein.

b)

Cost-plus-Preis bei Routinegesellschaften der Produktion

Ist eine konzerninterne Produktionsgesellschaft nach den zuvor diskutierten Merkmalen als „Lohnfertiger“ anzusehen, so übt sie „nur“ Routinefunktionen aus25. Für die Verrechnung der entsprechenden Güter und Waren wird in der Regel ein kostenorientiertes Entgelt, ermittelt nach der Kostenaufschlagsmethode, vereinbart. Was den Sachumfang der Kosten angeht, so kommt bei Lohnfertigungsverhältnissen nur die Verrechnung von Vollkosten in Frage26. Bei Lohnfertigungsverhältnissen ist ausschließlich der Auftraggeber für die Kapazitätsauslastung des Lohnfertigers verantwortlich, der die gesamte bzw. nahezu gesamte Produktion des Lohnfertigers auf Grund eines Dauerabnahmevertrages langfristig übernimmt. Da der Auftraggeber alle wirtschaftlichen Risiken der Produktion übernommen hat, trägt er auch das gesamte Kostenrisiko einschließlich des Auslastungsrisikos. Damit kann auch ein krisenbedingtes Auslastungsrisiko grundsätzlich nicht zu Lasten des Lohnfertigers gehen. Das Kostenrisiko – auch das Leerkostenrisiko – liegt allein in der Sphäre des Auftraggebers27. Gleiches gilt für die sog. Anlaufkosten bzw. Anlaufverluste des Lohnfertigers, die ebenfalls der Auftraggeber zu übernehmen hat. Eine Übernahme der Anlaufkosten durch den Auftraggeber entspricht in Fällen der Lohnfertigung auch der Verteilung von Chancen und Risiken. Risiken übernimmt nur, wer sich entsprechende Chancen erhofft. Ein Lohnfertiger erwirbt jedoch keine eigene Geschäfts-

24

25 26 27

Vgl. Baumhoff, Eigenproduzent versus Lohnveredler, in: Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Köln 2000, S. 53 ff., Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 1 AStG Anm. 586. Vgl. Tz. 3.4.10.2 Buchst. a) VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, S. 570 ff. Vgl. Baumhoff, in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 1 AStG, Anm. 587. Vgl. ebenda, Anm. 588.1.

32

Hubertus Baumhoff

chance, sondern ihm werden im Regelfall lediglich seine Vollkosten zzgl. eines (geringen aber relativ stabilen)28 Gewinnaufschlages gewährt. c)

Höhe des Gewinnaufschlags in Verlustsituationen

Was die Höhe des Gewinnaufschlages angeht, so kann es hinsichtlich der Forderung nach einem angemessenen, d.h. „kleinen“ Gewinn29 beim Lohnfertiger in Krisenzeiten jedoch zu Einschränkungen kommen. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen der Gesamtkonzern aus der Vermarktung seiner Produkte temporär nur noch Verluste erwirtschaftet. Generell gehen die Verwaltungsgrundsätze aus 1983 in Tz. 2.2.4. bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode von betriebs- oder branchenüblichen Gewinnaufschlägen aus. Dabei soll auch der Gewinnaufschlag einem Fremdvergleich standhalten, so dass zum einen auf eine unternehmensübliche (interner Fremdvergleich), zum anderen auf eine branchenübliche Gewinnspanne (externer Fremdvergleich) abgestellt wird30. Sofern in Krisenzeiten jedoch die unternehmens- bzw. branchenüblichen Gewinnspannen konzernweit nicht dargestellt werden können, sondern man stattdessen bestrebt ist, die Verluste in Grenzen zu halten, ist zu fragen, ob in einer solchen Situation auch ein Lohnfertiger, der letztlich ein Routineunternehmen darstellt, dennoch einen Anspruch auf einen betriebs- oder branchenüblichen Gewinn haben kann31. An dieser Stelle wird ein wesentlicher Nachteil der Kostenaufschlagsmethode deutlich. Dieser besteht darin, dass dem liefernden/leistenden Unternehmen auf Grund der Verwendung von Gewinnaufschlägen ein sicherer Gewinn zugeordnet wird. Hierbei wird allerdings verkannt, dass der einer Leistung oder Lieferung zuzuordnende Gewinn durch den am Markt erzielbaren Preis determiniert wird. Sofern ein konjunktureller Nachfrage- oder Preisrückgang zu verzeichnen ist, der dem gesamten Konzern oder der gesamten Branche keine Gewinnerzielung mehr ermöglicht, ist es durchaus denkbar, dass kein bzw. allenfalls ein nur sehr geringer Gewinnaufschlag gegenüber dem Lohnfertiger verrechnet wird. So ist auch die Formulierung der VWG-Verfahren32 zu verstehen, die einem Routineunternehmen „regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne“ zugesteht. Die Finanzmarktkrise ist aber nicht der „Regelfall“, sondern der Ausnahmefall, so dass

28 29 30

31 32

So die Formulierung in Tz. 3.4.10.2 Buchst. a) VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, S. 570 ff. So - für den Normalfall zutreffend - Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, S. 327. Zur Frage der Festlegung des Gewinnaufschlags bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode vgl. Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 1 AStG, Anm. 521 ff. Ebenso Engler, IStR 2009, S. 686 und 690. Vgl. Tz. 3.4.10.2. Buchst. a) VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, S. 570 ff.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

33

ein temporärer Verzicht auf das Gewinnelement durch die Finanzverwaltung m.E. anzuerkennen ist33. 2.2.2

Verluste bei verbundenen Vertriebsgesellschaften

Vertriebsgesellschaften im Konzern besitzen diverse Erscheinungsformen, wobei insbesondere die Vertriebsformen -

Eigenhändler (Tätigkeit im eigenen Namen auf eigene Rechnung),

-

Kommissionär (Tätigkeit im eigenen Namen auf fremde Rechnung) und

-

Handelsvertreter (Tätigkeit im fremden Namen auf fremde Rechnung)

in Betracht kommen. Auch im Vertriebsbereich kann daher zwischen Entrepreneur- und Routinefunktionen unterschieden werden. 2.2.2.1 Vertriebsgesellschaft als Eigenhändler a)

Definition des Eigenhändlers

Der Entrepreneur im Vertriebsbereich ist der typische Eigenhändler, der die volle Vertriebsfunktion ausübt und darüber hinaus auch die Produktion beeinflusst und alle wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter besitzt. Ansonsten kann ein Eigenhändler auch als „Mischunternehmen“34 fungieren. Er erwirbt von der konzerninternen Produktionsgesellschaft das Eigentum an der Ware und verkauft diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an seine Kunden. Dabei trägt er sowohl die Lager- als auch die Absatzrisiken des Vertriebs und verfügt über weitgehende Dispositionsbefugnisse hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Vertriebspolitik (inkl. Preispolitik). Die durch den Eigenhändler wahrgenommenen Risiken korrespondieren in der Regel mit den durch ihn ausgeübten Funktionen. Es ist davon auszugehen, dass er neben den Vorrats-, Gewährleistungs- und Auslastungsrisiken des Vertriebs auch das Inkassorisiko sowie das Risiko fehlgeschlagener Geschäftsstrategien zu verantworten hat. b)

Residualgewinn/-verlust bei Entrepreneurgesellschaften des Vertriebs

Bezieht ein Eigenhändler Güter und Waren von konzerninternen Produktionsgesellschaften, werden die dafür zu zahlenden Verrechnungspreise i.d.R. nach der Kostenaufschlagsmethode ermittelt, wobei, wie oben dargestellt, ggf. auf einen

33

34

Scholz hält in dieser Situation sogar die Vereinbarung eines Preises unterhalb der Selbstkosten für gerechtfertigt. Vgl. Scholz, BNA, 04/a, S. 8. Vgl. Tz. 3.4.10.2. lit. c) VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, S. 570.

34

Hubertus Baumhoff

Gewinnaufschlag seitens der konzerninternen Lieferanten in Krisenzeiten verzichtet werden kann. Agiert ein Eigenhändler auf Grund der bei ihm angesiedelten Funktions- und Risikobündelung als Entrepreneur bzw. Strategieträger, so steht ihm nach der Definition der VWG-Verfahren35 das betreffende Konzernergebnis zu, das nach Abgeltung von Funktionen anderer nahestehender Unternehmen (z.B. Produktionsunternehmen/Lohnfertiger) verbleibt. Dieses Konzernergebnis ist eine Residualgröße, das, wie bei sonstigen Entrepreneurgesellschaften im Konzern auch, sowohl gewinn- als auch verlustbringend sein kann. Da in Krisenzeiten die Absatzpreise für Güter und Waren in der Regel sinken bzw. die Unternehmen bemüht sind, ihre Lagerbestände zu Gunsten der Freisetzung von Finanzmitteln zu reduzieren, wird i.d.R. der Eigenhändler hier einen Verlust hinnehmen müssen, der auch unter Fremdvergleichsgesichtspunkten so anfallen würde. Insofern ist zu konstatieren, dass ein konzerninterner Eigenhändler in Krisenzeiten i.d.R. keinen Residualgewinn, sondern einen Residualverlust auszuweisen hat, der nach Abgeltung der übrigen konzerninternen Funktionen verbleibt. Dieser Residualgewinn oder -verlust bestimmt sich als Differenz zwischen dem Einkaufs- und Verkaufspreis der vertriebenen Produkte. c)

Verrechnungspreisbestimmung für Leistungen an verbundene Eigenhändler

Grundsätzlich sind nach der Rechtsprechung des BFH36 Verrechnungspreise gegenüber Vertriebsgesellschaften regelmäßig nach der Wiederverkaufspreismethode zu ermitteln. Dabei ist die Handelsspanne idealerweise durch einen tatsächlichen Fremdvergleich zu bestimmen, wobei man sich auch auf einen externen Fremdvergleich oder eine Datenbankanalyse stützen könnte. Die Handelsspanne enthält dabei zwei Komponenten. Einerseits hat der Vertreiber durch die ihm eingeräumte Handelsspanne seine Aufwendungen für den Vertrieb des Produktes (einschließlich der allgemeinen Verwaltungskosten) zu decken. Andererseits enthält sie ein Gewinnelement, welches es dem Vertriebsunternehmen ermöglicht, einen seinen ausgeübten Funktionen und getragenen Risiken entsprechenden Gewinn zu erwirtschaften („Nettomarge“)37. Im Rahmen der Anwendung der Wiederverkaufspreismethode ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die nationalen Fisci bei Vertriebsgesellschaften grundsätzlich keine nachhaltigen Verluste akzeptieren. Ob dieser Grundsatz in der

35 36 37

Vgl. Tz. 3.4.10.2 VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, S. 570. Vgl. Urteil v. 17.10.2001, BStBl. II 2004, S. 171. Zur Besteuerung der „marktüblichen Handelsspanne“ bei Anwendung der Wiederverkaufspreismethode vgl. Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 1 AStG, Anm. 425 ff.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

35

derzeitigen Finanzmarktkrise auch noch gilt, ist indessen zweifelhaft. Handelt es sich bei einem Vertriebsunternehmen um einen Eigenhändler, der über die wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter (Kundenstamm, Marken, Vertriebsnetz, Außendienst etc.) verfügt, und ist dieser zudem als „Entrepreneur“ bzw. Strategieträger“ anzusehen, der das volle Vermarktungsrisiko trägt („Residualverlust“), dann hat er die übrigen konzernverbundenen Unternehmen, die ihm gegenüber Lieferungen und Leistungen erbringen und als Routine- bzw. Mischunternehmen agieren auf Grund der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode zumindest „verlustfrei“ zu stellen. Letztlich hat also ein Eigenhändler als „Entrepreneur“ keinen Anspruch auf eine sichere Vertreibermarge. Im Verlustfall ist es vielmehr umgekehrt; er hat nämlich den gesamten „Residualverlust“ allein zu tragen. 2.2.2.2 Vertriebsgesellschaft als "low-risk-distributor" a)

Definition des "low-risk-distributors"

Anders verhält es sich jedoch bei Unternehmen mit Routinefunktionen im Vertriebsbereich. Dies sind solche Vertreiber, die keine oder nur geringe unternehmerische Risiken (z.B. hinsichtlich Marktentwicklung, Bestandsrisiken und Forderungsausfälle) tragen und einfache Vertriebsfunktionen ausüben (Kommissionäre, Handelsvertreter). b)

Angemessene Nettomarge bei Routinegesellschaften des Vertriebs

Hier verhält es sich analog zur steuerlichen Behandlung von Lohnfertigern. Diese Unternehmen haben zwar auch in Krisenzeiten Anspruch auf Ersatz der vollen Kosten (einschl. der Verwaltungskosten) und in Normalfällen auch auf eine angemessene, d.h. regelmäßig geringe, dafür aber relativ stabile Nettomarge. c)

Höhe der Nettomarge in Verlustsituationen

Allerdings kann auch hier in Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs – vorübergehend – auf eine Nettovertreibermarge verzichtet werden, wenn dem gesamten Unternehmen oder der gesamten Branche keine Gewinnerzielung mehr möglich ist. 2.3

Sonderproblem: Anlaufverluste bei Vertriebsgesellschaften

Unabhängig von der Frage der Verlustbehandlung in Krisenzeiten ist die Frage zu beantworten, ob eine verbundene Vertriebsgesellschaft auch Anlaufverluste

36

Hubertus Baumhoff

ausweisen darf. Nach den Urteilen des BFH vom 17.2.199338 und 17.10.200139 soll eine mögliche Verlustphase der Vertriebsgesellschaft – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – bei neu eingeführten Produkten drei Jahre nicht überschreiten, „erst recht“ nicht beim Weitervertrieb von bereits vorher auf dem Markt eingeführten Produkten. Die in der Literatur kritisierte starre 3Jahres-Frist ist allerdings als widerlegbare Vermutung zu verstehen, so dass es dem Steuerpflichtigen freisteht darzulegen, dass die Verlustursachen nicht in unangemessenen Verrechnungspreisen, sondern vielmehr in sonstigen betrieblichen Gründen (z.B. Fehlmaßnahmen, nicht vorhersehbaren Ereignissen) zu suchen sind und rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen ergriffen wurden. Insofern ist hier eine Analyse der Verlustursachen erforderlich. Die Anerkennung von Anlaufverlusten wird zudem von der Erzielung eines „angemessenen“ Totalgewinns innerhalb eines – vom BFH nicht näher quantifizierten – überschaubaren Kalkulationszeitraums abhängig gemacht. Das heißt, die nach der Anlaufphase entstehenden Gewinne müssen die Anlaufverluste mehr als kompensieren. Die Höhe dieser „Überkompensation“ soll mindestens der angemessenen Verzinsung des zugeführten Eigenkapitals (einschließlich Zinseszins und Risikozuschlag) entsprechen. Letztlich ist sie davon abhängig, welche Funktionen und Risiken die Vertriebsgesellschaft übernimmt, wobei die Spanne vom Eigenhändler über den Kommissionär bis zum einfachen „low-risk-distributor“ reicht. Wassermeyer40 hält die Zeitspanne von „etwa fünf Jahren“ in diesem Zeitraum für einen überschaubaren Kalkulationszeitraum. Allerdings muss zu Beginn der Markteinführungsphase eine realistische Gewinnerwartung vorliegen, die durch betriebswirtschaftliche Prognoserechnung zu plausibilisieren ist. Das schließt nicht aus, dass in bestimmten Fällen auch eine Fehlmaßnahme vorliegen kann, so dass sich die prognostizierte Gewinnerwartung ex post nicht einstellt. Entscheidend ist also nur, ob eine Markterschließungsstrategie zum Zeitpunkt ihres Beginns plausible Erfolgsaussichten hatte. Da die Finanzmarktkrise in dieser Form und Auswirkung nicht voraussehbar war, muss der Frage nachgegangen werden, ob dieser überschaubare Prognosezeitraum bzw. die Verlustphase zeitlich nicht verlängert werden muss. Dies ist damit begründbar, dass die tatsächliche Ergebnisentwicklung auf Gründen beruhte, die nicht vorhergesehen werden konnten mit der Folge, dass über einen längeren Zeitraum als erwartet Anlaufverluste hingenommen werden müssen. Somit kann sich der Zeitraum, innerhalb dessen ein Totalgewinn erzielt werden kann, krisenbedingt verlängern, da der „überschaubare Kalkulationszeitraum“ nur für norma38 39 40

BStBl. II 1993, S. 457. BStBl. II 2004, S. 171. Vgl. WPg 2002, S. 16.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

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le, d.h. planbare Konjunktur- und Absatzsituationen gelten kann. Diese Situation darf allerdings nicht zu Dauerverlusten führen, da im Sinne einer langfristigen Preisuntergrenze41 jedes Unternehmen nur dann überlebensfähig ist, wenn mindestens die Vollkosten und ein Mindestgewinn für die Verzinsung des eingesetzten Kapitals durch die Erlöse gedeckt werden. Letztlich kommt es auch hierbei auf eine Analyse der Verlustursachen an, wobei die Verlustursachen, sind sie konjunkturell bzw. durch die Finanzmarktkrise bedingt, im Interesse einer vernünftigen Beweisvorsorge angemessen dokumentiert werden sollten. 2.4

Relevanz von Informationen aus Datenbanken für die Verrechnungspreisbestimmung in krisenbedingten Verlustsituationen

2.4.1

Zulässigkeit der Verwendung von Informationen aus Datenbanken

Der Grundsatz des Fremdvergleichs verlangt eine Ermittlung von Preisen und Gewinnspannen, die im Verhältnis zu (interner Vergleich) oder zwischen (externer Vergleich) fremden Dritten verrechnet werden. Kann der Preis oder die Gewinnspanne nicht mit Hilfe eines direkten tatsächlichen Fremdvergleichs ermittelt werden, zeigt die Praxis zunehmendes Interesse an einer Ermittlung von Renditekennziffern, Profitabilitätskennzahlen und sonstigen Gewinnspannen, die mit Hilfe von Unternehmensdatenbanken abgeleitet werden. Diese Datenbanken beruhen auf einer Analyse der Bruttogewinnspannen o.ä. unabhängiger Vergleichsunternehmen42. Während der BFH grundsätzlich keine Bedenken hat, solche mit Hilfe von Datenbanken ermittelte Vergleichsdaten zu verwenden43 will die Finanzverwaltung Informationen aus Datenbanken nur in Ausnahmefällen anerkennen44. 2.4.2

Bedeutung von Informationen aus Datenbanken bei den gewinnabhängigen Methoden

Besondere Rolle spielen in der Praxis Datenbankinformationen bei Anwendung gewinnabhängiger Methoden45 sowie bei der Festlegung von Gewinnaufschlägen

41 42

43 44

Vgl. Gliederungspunkt 2.1.2.1. Zur Eignung von Datenbanken bei der Verrechnungspreisanalyse vgl. Rehkugler/Voegele, BB 2002, S. 1937 ff.; Oestreicher, StuW 2006, S. 243 ff.; ders., IStR 2005, S. 134 ff.; Oestreicher/Vormoor, IStR 2004, S. 95 ff.; Scholz/Crüger, RIW 2005, S. 34 ff.; Wahl/Preisser, IStR 2008, S. 51 ff.; BFH-Urteil vom 17.10.2001, BStBl. II 2004, S. 171. Zu den Voraussetzungen vgl. Baumhoff, IStR 2003, S. 3. Vgl. hierzu Schreiber, in: Kroppen, a.a.O., VerwGrVerf. Anm. 214 ff.; zu TZ 3.4.12.4. Kolb, IWB (2009), Fach 3, Gruppe 1, S. 2391 ff.; Tz. 3.4.12.4. VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, S. 570 ff.

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Hubertus Baumhoff

bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode oder der Festlegung von Vertreibermargen bzw. Bruttomargen bei Anwendung der Wiederverkaufspreismethode. 2.4.3

Einfluss der Finanzmarktkrise auf die Verwendungsmöglichkeiten von Informationen aus Datenbanken

Verwendet man solche Datenbankinformationen („comparables“) für die verrechnungspreisbedingte Analyse der Ergebnisse solcher Wirtschaftsjahre, die von der Finanzmarktkrise beeinflusst sind (2008 ff.), so stellt sich die Frage, ob die Informationen aus Datenbanken unter vergleichbaren Verhältnissen zustande gekommen sind und daher überhaupt verwendbar bzw. verwertbar sind. Dies gilt umso mehr, als nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist, ob Verlustunternehmen überhaupt in eine Datenbankanalyse einbezogen werden dürfen46. Jetzt können m.E. früher akzeptierte und unter anderen (d.h. „normalen“) Verhältnissen zustande gekommene „comparables“ nicht mehr verwendet werden, da sie ansonsten verzerrte, d.h. zu hohe Ergebnisse generieren würden. So werden für eine Datenbankanalyse typischerweise 3- bis 5-jährige Beobachtungszeiträume zu Grunde gelegt. Wegen des erheblichen Zeitraums bis zur Publizierung von Unternehmensergebnissen kommen bei einer aktuellen Datenbankanalyse die Geschäftsjahre 2005 bis 2007 zur Anwendung. In diesem Zeitraum herrschten jedoch völlig andere (d.h. günstigere) Markt- und Wettbewerbsverhältnisse als heute. Somit sind die international tätigen Unternehmen gezwungen, neue „comparables“, die die aktuelle Wirtschaftslage widerspiegeln, in ihren Verrechnungspreissystemen zu verwenden. Letztlich muss also eine neue Suche nach Vergleichsdaten auf aktueller Basis gestartet werden, was in Ansehung der bisher noch nicht in ausreichendem Umfang vorliegenden bzw. veröffentlichten Ertragssituationen schwierig sein wird. Deswegen kann es auch in der heutigen Situation sinnvoll sein, ggf. von der Anwendung der „profit-split“-Methoden oder der TNMM-Methode abzusehen oder – sofern vorhanden – aktualisierte Kennzahlen zu verwenden. Gelingt dies nicht, könnte auf andere Methoden übergegangen werden, die nicht auf solchen Kennzahlen basieren. Eine der größten Herausforderungen bei der Ermittlung von Vergleichdaten wird in Zukunft daher die Dokumentation der Volatilität dieser Vergleichsdaten sein, insbesondere wenn es um die profit-split-Methode oder die TNMM-Methode geht. 45

46

Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode - TNMM - 3.4.10.3. lit. b) VWG-Verfahren, BStBl. I 2005 geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode - „profit split“ - 3.4.10.3. lit. c) VWG-Verfahren, BStBl. I 2005. Ebenso Greinecker/Dozsa, SWI 2009, S. 449, Kolb, IWB (2009), Fach 3, Gruppe 1, S. 2402 sowie Engler, DStR 2009, S. 688.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

39

Auf der anderen Seite kann nicht ausgeschlossen werden, dass solche Unternehmen, die künftig jahrelang Verluste ausweisen, nicht als Vergleichsunternehmen für Datenbanken herangezogen werden dürfen bzw. dies abgelehnt wird mit dem Argument, dass diese temporären Verluste nicht die normale Situation eines Unternehmens widerspiegeln bzw. die Konjunktur- und Wettbewerbssituation nicht vergleichbar sei. Sofern man jedoch solche Unternehmen mit zeitweiligen Verlustsituationen in die Vergleichsdatensammlung aufnimmt, erfordert dies erhöhte Dokumentationsanstrengungen, um die Finanzbehörden davon zu überzeugen, dass auch diese „comparables“ letztlich in die Betrachtung mit eingehen müssen und auch die temporäre Hinnahme von Verlusten mit dem Fremdvergleichsgrundsatz im Einklang steht. Letztlich führt diese Situation zu einer deutlichen Erhöhung der Beweislast zu Lasten der Unternehmen, sofern sich diese auf solche vergleichbaren Verlustsituationen bei der Festsetzung und Verteidigung ihrer Verrechnungspreise berufen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Verwendung von Daten aus Verlustsituationen zu einer mangelnden Vergleichbarkeit und damit zur Unverwertbarkeit der Datenbankanalyse führt47. 2.5

Übertragung von Verlustpotenzial bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen

Die Konzeptionierung des neuen § 1 Abs. 3 AStG und insbesondere die Formulierung der Regelungen zur Funktionsverlagerung (Sätze 9 und 10) haben im Wesentlichen in den Jahren 2006 und 2007 stattgefunden, also zu einer Zeit, in der von der Finanzmarktkrise noch nichts zu spüren war. Dieser Umstand erklärt auch, dass der Gesetz- wie auch der Verordnungsgeber hierbei – wie selbstverständlich – von Gewinnerwartungen und Gewinnpotenzialen ausgehen. Diese Vokabeln finden sich mehrfach sowohl in der Gesetzesformulierung48 wie auch in der FVerlV49 wieder. Der Verlustfall existiert in der Vorstellungswelt von Gesetz- und Verordnungsgeber – wenn überhaupt – also nur am Rande (s.u.). Nunmehr werden allerdings vermehrt Fälle in der Praxis auftreten, in denen es nicht in erster Linie um die Verlagerung von Gewinnpotenzial geht, sondern eher von Verlustpotenzial. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich daher die Frage, wie die Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen in Zeiten der Finanzmarktkrise und einer deutlichen Ertragsschwächung der inländischen (Konzern-)Unternehmen zu behandeln sind.

47 48 49

Vgl. hierzu Tz. 3.4.19. lit. c) VWG-Verfahren vom 12.04.2005, BStBl. I 2005, S. 592. So z.B. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG.. § 1 Abs. 4 FVerlV, § 3 Abs. 2 FVerlV, § 7 Abs. 1 FVerlV.

40

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Möglicherweise bietet sich in diesen ertragsschwachen Zeiten im Rahmen der Konzernsteuerplanung auch die seltene Möglichkeit, ohne bzw. ohne gravierende steuerliche Konsequenzen Umstrukturierungen oder Funktionsverlagerungen jetzt vorzunehmen, um in späteren Aufschwungzeiten steuerlich richtig aufgestellt zu sein50. 2.5.1

Verlagerung von Auslandsfunktionen ins Inland als Instrument des konzerninternen Verlustausgleichs

Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die steuerliche Behandlung des Falles, bei dem ein Transferpaket nach Deutschland übertragen und dafür kein Entgelt verrechnet wurde. Da dann keine inländische Einkünfteminderung vorliegt, kommt § 1 AStG als Korrekturnorm nicht in Betracht. Es verbleiben dann nur die anderen Korrekturnormen, wobei insbesondere die Vorschriften zur verdeckten Einlage einschlägig sind, die jedoch an die Wirtschaftsguteigenschaft eines Transferpakets anknüpfen. In diesem Fall ist es allerdings fraglich, ob eine Korrektur nur im Hinblick auf die übertragenen (immateriellen) Wirtschaftgüter oder im Hinblick auf das gesamte Transferpaket vorgenommen werden kann. Vor diesem Hintergrund wäre eine entsprechende Stellungnahme der Finanzverwaltung mehr als wünschenswert. Es sollte nämlich sichergestellt werden, dass – wie auch im Outbound-Fall – das gesamte Transferpaket und nicht nur die dabei übertragenen Wirtschaftsgüter zu aktivieren und in der Folge abzuschreiben sind. Beispiel: Ein verbundenes Konzernunternehmen in Frankreich im Bereich der Maschinenbauindustrie verfügt über drei Geschäfts- bzw. Funktionsbereiche. Zwei dieser Funktionsbereiche erwirtschaften Verluste. Ein Funktionsbereich erwirtschaftet Gewinn. Da das verbundene französische Unternehmen insgesamt einen hohen Verlustvortrag ausweist, und dieser Verlustvortrag steuerlich bedroht ist, entschließt man sich, eine Verlagerung der gewinnbringenden Funktion auf die deutsche Schwestergesellschaft vorzunehmen. Diese arbeitet in einem ähnlichen Segment und wird sowohl wirtschaftlich als auch technisch in der Lage sein, diese Funktion künftig von Deutschland aus weiterhin gewinnbringend auszuüben. In diesem Fall erfolgt eine Funktionsverlagerung vom Ausland ins Inland mit der Folge, dass das Transferpaket (nach ertragswertorientierten Verfahren bewertet), sofern es aus materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern besteht, über seine Nutzungsdauer in Deutschland steuermindernd abzuschreiben ist oder, wenn das

50

Ebenso Engler, DStR 2009, S. 688.

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

41

Transferpaket nicht bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter enthält, diese sofort in Deutschland steuerlichen Aufwand darstellen. 2.5.2

Verlagerung verlustbringender Inlandsfunktionen ins Ausland

Verlagert man eine verlustbringende Inlandsfunktion ins Ausland, so ist auch für diesen Fall eine Einigungsbereichsbetrachtung vorgesehen, da für den ausländischen Funktionsübernehmer diese Funktion durchaus gewinnbringend sein kann (z.B. auf Grund niedrigerer Lohnkosten oder anderem Konsumentenverhalten). Aus inländischer Sicht spielen hierbei sowohl die zu kapitalisierenden Verluste, etwaige Liquidationserlöse (insbes. materielle Wirtschaftsgüter) sowie die Schließungskosten eine Rolle, die in eine entsprechende Preisuntergrenzenermittlung einzubeziehen sind. Im Rahmen der Einigungsbereichsbetrachtung ergibt sich der Mindestpreis des Einigungsbereichs für das funktionsabgebende Unternehmen aus dem Ausgleich für den Wegfall oder der Minderung des Gewinnpotenzials oder Verlustpotenzials zzgl. der ggf. anfallenden Schließungskosten (§ 7 Abs. 1 FVerlV). Hierbei sind die tatsächlich bestehenden Handlungsmöglichkeiten, die das verlagernde Unternehmen hätte realisieren können (wie z.B. die Einschaltung eines Lohnfertigers), zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 FVerlV). In Fällen, in denen das verlagernde Unternehmen aus rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage ist, die Funktion mit eigenen Mitteln selbst auszuüben, entspricht der Mindestpreis dem Liquidationswert (§ 7 Abs. 2 FVerlV). Der Liquidationswert der übergehenden Wirtschaftsgüter umfasst auch die Schließungskosten und kann daher kleiner Null, d.h. negativ sein. Ungeklärt ist hierbei die Frage, was unter Schließungskosten zu verstehen ist und ob Schließungskosten auch Steuern auf entstehende Veräußerungsgewinne einschließen. § 7 Abs. 3 FVerlV beschäftigt sich mit dem Fall, dass das funktionsabgebende Unternehmen aus der Ausübung der Funktion dauerhaft Verluste zu erwarten hat. In diesen Fällen wird die Untergrenze des Einigungsbereichs durch die zu erwartenden Verluste oder Schließungskosten begrenzt, denn auch ein unabhängiges Unternehmen stünde vor der Alternative, die Funktion entweder mit laufenden Verlusten fortzuführen oder sie einzustellen und die Schließungskosten hinzunehmen. Im Rahmen dieser alternativen Betrachtung ist der für das verlagernde Unternehmen weniger belastende Betrag als Untergrenze des Einigungsbereichs anzunehmen. § 7 Abs. 3 Satz 2 der FVerlV regelt den Bereich der Verlagerung von verlustbringenden Funktionen, wobei zwischen zwei denkbaren Szenarien unterschie-

42

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den wird. Der erste Fall bezieht sich auf die Situation, dass das zu vereinbarende Entgelt die beim funktionsabgebenden Unternehmen entstehenden Schließungskosten nur teilweise ausgleicht, weil der Vorteil des übernehmenden Unternehmens geringer ist als die Schließungskosten des verlagernden Unternehmens; in diesem Fall würde aus der Sicht des verlagernden Unternehmens durch das zu vereinbarende Entgelt zumindest teilweise ein Ausgleich für die Schließungskosten erreicht, wenngleich nicht sämtliche Schließungskosten hierüber abgedeckt würden. Der zweite Fall ist der aus Sicht eines deutschen funktionsabgebenden Unternehmens der interessantere. In diesem Fall bekommt das funktionsabgebende Unternehmen bei der Übertragung einer verlustbringenden Funktion nicht nur kein Entgelt mehr für den Transfer dieser Funktion; vielmehr wird steuerlich die Möglichkeit eingeräumt, dass das funktionsabgebende Unternehmen zusätzlich noch eine Ausgleichszahlung an das übernehmende Unternehmen zahlt, und zwar für die Befreiung von dieser Verlustquelle51. In dieses Kalkül sind dann auch noch die Schließungskosten einzubeziehen, so dass die Ausgleichszahlung den Schließungskosten sowie den zu erwartenden zukünftigen Verlusten aus der verlagerten Funktion gegenüber gestellt werden muss. Für das aufnehmende Unternehmen ergibt sich der Höchstpreis des Einigungsbereichs aus dem Gewinnpotenzial, das dieses Unternehmen erzielen kann, wenn es die Funktion übernimmt52. Damit die Einigungsbereichsbetrachtung auch bei der Übertragung von funktionsbedingten Verlusten funktioniert, sind der Höchstpreis des aufnehmenden Unternehmens und der Einigungsbereich auch dann zu bestimmen, wenn das abgebende Unternehmen aus der Funktion dauerhafte Verluste erzielt. Ist nämlich die Funktion für ein anderes Unternehmen wertvoll, wäre auch in dieser Situation „ein unabhängiger Dritter als verlagerndes Unternehmen grundsätzlich nicht dazu bereit, das Transferpaket unentgeltlich zur Verfügung zu stellen“53. Je nach dem wie hoch der Verlust und die Schließungskosten des abgebenden Unternehmens und das erwartete Gewinnpotenzial des aufnehmenden Unternehmens ist, kann dies dazu führen, dass entweder -

ein Null-Wert,

-

ein positiver Wert für die verlagerte Funktion oder

-

eine Ausgleichszahlung für die verlagerte Funktion durch das abgebende Unternehmen

51

So auch Dahnke, Forum der Internationalen Besteuerung, in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, S. 188. § 7 Abs. 4 FVerlV. Begründung zu § 7 Abs. 5 FVerlV.

52 53

Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die internationalen Verrechnungspreise

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in Frage kommt. Dies eröffnet aus Sicht der Konzernsteuerplanung neue Gestaltungsmöglichkeiten, zumal zu hoffen ist, dass viele aktuelle Verlustsituationen nur temporärer Natur sind. Allerdings müssten dann bei der Vertragsgestaltung kürzere Preisanpassungsklauseln i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG vereinbart werden. 3

Fazit

Die Finanzmarktkrise beeinflusst – wie viele andere steuerliche Bereiche auch – selbstverständlich auch die Festlegung und Prüfung von internationalen Verrechnungspreisen. Wer früher dachte, mit der Installierung von Entrepreneurstrukturen im Ausland inländisches Gewinnsubstrat reduzieren zu können, wird nunmehr mit der „Kehrseite der Medaille“ konfrontiert. Die deutsche Finanzverwaltung fordert (zu Recht) für die im Inland zurückgebliebenen „Routinefunktionen“ einen geringen aber stabilen Gewinn, und zwar auch bei „Schlechtwettersituationen“, wenngleich auch hier – vergleichsweise bescheidene – Konzessionen hinsichtlich der Gewinnaufschläge und Nettomargen von der Finanzverwaltung erwartet werden dürfen. Datenbankanalysen aus „Schönwetterzeiten“ können grundsätzlich nicht in „Schlechtwetterzeiten“ verwendet werden und umgekehrt, da es insoweit an einer Vergleichbarkeit der Verhältnisse, insbesondere der Gleichartigkeit der Märkte und der Wettbewerbssituation mangelt. Was die Problematik der Funktionsverlagerungen angeht, so können solche vom Ausland ins Inland die Chance einer im Inland steuerlich wirksamen Verlustvortragstransfers über die Grenze bieten. Für Funktionsverlagerungen ins Ausland könnte bei nachhaltigen Krisensituationen vorübergehend ein „steuerliches Fenster offen stehen“, wenn es auf Grund dieser Verlustsituation gelingt, den Wert des Transferpakets niedrig zu halten und die Preisanpassungsklausel zeitlich möglichst kurz zu vereinbaren. Insofern bietet die Finanzmarktkrise, auch im Hinblick auf die Gestaltung von Verrechnungspreissystemen nicht nur Risiken, sondern auch Chancen.

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Hubertus Baumhoff

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Steuerliche Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Anteilseignerebene Auswirkungen steuerwirksamer Teilwertabschreibungen in der Vergangenheit

Martin Cordes

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ....................................................................................................49 2 Steuerbefreiung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 8b KStG ........................................................49 3 Verschmelzung als Veräußerung (= entgeltlicher Anteilstausch) auf Ebene des Gesellschafters der übertragenden Körperschaft ........................50 3.1 Rechtslage nach dem UmwStG 1995 ...............................................50 3.1.1 Veräußerungspreis für die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und Anschaffungskosten für die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft ..............50 3.1.2 Kein Eintreten der neuen Anteile in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile an der übertragenden Körperschaft .........................................................................51 3.1.3 Keine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 ......................................................................................55 3.2

Rechtslage nach dem UmwStG i.d.F. des SEStEG ...........................56 3.2.1 Wahlrecht zur Buchwertfortführung .....................................56 3.2.2 Ansatz der untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft mit dem gemeinen Wert ..................................57 3.2.3 Ansatz der untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft mit dem Buchwert ...........................................58

4 Zusammenfassung .......................................................................................58

Steuerliche Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Anteilseignerebene

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Einleitung

Die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften führt sowohl zivilrechtlich als auch steuerlich zu Auswirkungen auf der Ebene der Anteilseigner. Wird eine Kapitalgesellschaft zur Aufnahme auf eine andere Kapitalgesellschaft verschmolzen, erhalten die Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft (§ 2 Nr. 1 UmwG). Die Anteilsgewährung an die Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft dient als Ausgleich für den verschmelzungsbedingt eintretenden Untergang ihrer Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft. Die Einzelheiten zur Gewährung der Anteile sind im Verschmelzungsvertrag zu regeln (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG). Der verschmelzungsbedingte Untergang der Anteile an der übertragenden Körperschaft und der Erhalt von Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft sind auf Ebene des betroffenen Anteilseigners steuerlich zu würdigen. Insofern ist von Interesse, ob die Verschmelzung auf Ebene des Anteilseigners der übertragenden Kapitalgesellschaft zu einem Veräußerungsvorgang mit unmittelbar anschließender Anschaffung der Neuanteile führt, oder ob die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft im Wege einer Sukzession in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile eintreten. Die steuerliche Behandlung der Verschmelzung auf Ebene des Anteilseigners ist u.a. dann von Bedeutung, wenn eine Kapitalgesellschaft als Anteilseignerin zu Zeiten des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens eine Teilwertabschreibung auf die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft vorgenommen hat und sich die Teilwertabschreibung steuermindernd ausgewirkt hat. Hier ist zu klären, ob bei einer Veräußerung der aus der Verschmelzung hervorgegangenen Anteile die Veräußerungsgewinnbefreiung nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG vollumfänglich greift oder ob die Befreiung durch die Sonderregelung für Teilwertabschreibungen in der Vergangenheit nach § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG eingeschränkt wird. Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Dabei soll danach differenziert werden, ob die Verschmelzung im Geltungsbereich des UmwStG 1995 (für vor dem 13.12.2006 zum Handelsregister angemeldete Verschmelzungen) oder im Geltungsbereich des UmwStG i.d.F. des SEStEG (für nach dem 12.12.2006 zum Handelsregister angemeldete Verschmelzungen) erfolgte. 2

Steuerbefreiung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 8b KStG

Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer Kapitalgesellschaft Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körper-

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schaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG gehören, außer Ansatz. Veräußerungsgewinn ist nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG beinhaltet jedoch eine Ausnahme von der Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinns. Danach ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben und die Gewinnminderung nicht durch den Ansatz eines höheren Werts ausgeglichen worden ist. Anteil i.S.v. § 8b Abs. 2 KStG ist in den hier zu besprechenden Fallkonstellationen der aus der Verschmelzung hervorgegangene Anteil an der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Der Anteil an der übertragenden Kapitalgesellschaft, auf den in der Vergangenheit eine steuerwirksame Teilwertabschreibung erfolgte, ist im Rahmen der Verschmelzung untergegangen. Klärungsbedürftig ist insoweit, ob mit der Verschmelzung das „Merkmal“ der früheren steuerwirksamen Teilwertabschreibung auf die neuen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft übergegangen ist und nunmehr diesen anhaftet, oder ob dieses Merkmal – wie bei einer Veräußerung eines Anteils – untergeht. 3

Verschmelzung als Veräußerung (= entgeltlicher Anteilstausch) auf Ebene des Gesellschafters der übertragenden Körperschaft

3.1

Rechtslage nach dem UmwStG 1995

3.1.1

Veräußerungspreis für die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und Anschaffungskosten für die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft

Bei einer Verschmelzung handelt es sich aus der Sicht des Anteilseigners um eine Anteilsveräußerung in der Form des Tausches der Anteile an der übertragenden Körperschaft gegen die Anteile an der übernehmenden Körperschaft. Entsprechend ist von einer Veräußerung der Anteile an der übertragenden Körperschaft und einem entgeltlichen Erwerb der Anteile an der übernehmenden Körperschaft auszugehen1.

1

Vgl. BFH v. 19.8.2008, IX R 71/07, BStBl. II 2009, S. 13, Abschnitt II.2. b) aa) (2) der Gründe, zum Neubeginn der einjährigen Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1999 - 2008; Trossen (2008), § 13 UmwStG, Tz. 2.

Steuerliche Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Anteilseignerebene

51

§ 13 Abs. 1 UmwStG 1995 fingiert nur die Anschaffungskosten der mit der Verschmelzung neu ausgegebenen Anteile2. Die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft gelten als zum Buchwert veräußert und die neu ausgegebenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft als mit diesem Wert angeschafft. Mit diesem Buchwertansatz wird die Steuerneutralität der Verschmelzung auf Ebene des Anteilseigners ermöglicht3. Die Anschaffungskosten der vom Anteilseigner neu erworbenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft sind nach zwingender gesetzlicher Regelung mit dem Buchwert der untergegangenen Anteile an der übertragenden Körperschaft identisch. Sie stellen die steuerliche Bewertungsobergrenze gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG dar4. Der Gesetzeswortlaut stellt auf den Buchwert als fiktive Anschaffungskosten für die erworbenen Anteile ab und zwar unabhängig davon, ob dieser Buchwert unter den ursprünglichen Anschaffungskosten – z.B. auf Grund einer Teilwertabschreibung – der untergegangenen Anteile an der übertragenden Körperschaft liegt. Eine Sonderregelung für Teilwertabschreibungen beinhaltet das Gesetz nicht. 3.1.2

Kein Eintreten der neuen Anteile in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile an der übertragenden Körperschaft

3.1.2.1 Bedeutung und Rechtsfolgen einer solchen gesetzlichen Regelung Die Verschmelzung ist auf Anteilseignerebene als Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und gleichzeitige Anschaffung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu qualifizieren. Dies impliziert, dass grds. keine Besteuerungsmerkmale von den Altanteilen auf die neuen Anteile übergehen können (s.o.). Etwas anderes gilt nur Kraft besonderer gesetzlicher Anordnung. So kann das Gesetz vorsehen, dass die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft in die Rechtsstellung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft eintreten (sog. „Fußstapfentheorie“). Dies bedeutet, dass durch die gesetzliche Fiktion Besteuerungsmerkmale der untergehenden Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft (wie z.B. Zeitpunkt der Anschaffung für die Fristberechnung nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1999 – 2008; historische Anschaffungskosten; frühere

2

3 4

Vgl. BFH v. 19.8.2008, IX R 71/07, BStBl. II 2009, S. 13, unter Abschnitt II.2. b) aa) (2) der Gründe. Vgl. Bärwaldt (2000), § 13 UmwStG, Tz. 2. Vgl. Glanegger (2009), § 6 EStG, Tz. 51; Bärwaldt (2000), § 13 UmwStG, Tz. 23; Rödder, DStR 1999, S. 1020; Schmitt (2006), § 13 UmwStG, Tz. 21, zweiter Spiegelstrich; Schaumburg/Schumacher (2004), Anhang zu § 122 UmwG, Tz. 113; Widmann (2004), § 13 UmwStG, Tz. 28; Moszka/Haritz (2003), Anhang zu § 325 UmwG, Tz. 148.

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Teilwertabschreibungen) auf die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft übergehen. 3.1.2.2 Gesetzliche Regelung Klärungsbedürftig ist zunächst, ob sich ein Eintreten in die Rechtsstellung der untergegangenen (veräußerten) Anteile an der übertragenden Körperschaft und damit ein Übergang der steuerlichen Merkmale unmittelbar aus § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 ergibt. Dies wird im Schrifttum allerdings abgelehnt, da § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 eine solche Regelung eben nicht enthält5. So wäre z.B. die in § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 enthaltene Regelung zum Übergang eines Sperrbetrags nach § 50c EStG überflüssig, wenn schon § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 ein allgemeines Eintreten der neuen Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile an dem übertragenden Rechtsträger (wie mit § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG in 2006 für den Fall des Buchwertansatzes geschaffen; siehe dazu unten) vorsehen würde6. Der Gesetzeswortlaut in § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 stellt ausdrücklich nur auf den Buchwert der Altanteile als fiktive Anschaffungskosten ab. Das gilt unabhängig davon, ob dieser Buchwert – z.B. auf Grund einer Teilwertabschreibung – unter den ursprünglichen Anschaffungskosten liegt. Die steuerlichen Rechtsfolgen der Verschmelzung auf Anteilseignerebene sind ferner von den Rechtsfolgen auf Ebene der bei der Verschmelzung beteiligten Kapitalgesellschaften abzugrenzen. Für die beteiligten Kapitalgesellschaften gilt § 12 Abs. 3 UmwStG, wonach die übernehmende Kapitalgesellschaft in die Rechtsstellung der übertragenden Kapitalgesellschaft, insbesondere im Hinblick auf die Bewertung der übernommenen Wirtschaftsgüter, der Absetzungen für Abnutzung und der den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklagen eintritt. Insoweit wird ein Übergang der Besteuerungsmerkmale von der übertragenden auf die übernehmende Kapitalgesellschaft bewusst angeordnet. Allerdings ist die Ebene der verschmolzenen Rechtsträger streng von der Ebene des Anteilseigners zu trennen. Aus einer auf der Ebene der verschmolzenen Rechtsträger angeordneten Gesamtrechtsnachfolge kann nicht geschlossen werden, dass auf Ebene des Anteilseigners die neu erhaltenen Anteile in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile am übertragenden Rechtsträger eintreten. Auf Gesellschafterebene besteht – im Gegensatz zur Gesellschaftsebene – zivilrechtlich keine Gesamtrechtsnachfolge. So sind Anzahl der neu erhaltenen Anteile und deren Ausgestaltung (z.B. als stimmrechtslose Vorzugsaktien) nach § 5 UmwG im Ver5

6

Vgl. nur Schmitt (2006), § 13 UmwStG, Tz. 21; Schumacher, DStR 2004, S. 591; Trossen (2008), § 13 UmwStG, Tz. 23 Fn. 1. Vgl. Schumacher, DStR 2004, S. 591.

Steuerliche Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Anteilseignerebene

53

schmelzungsvertrag zu regeln. Die dort vereinbarten Regelungen sind maßgeblich für die Ausgestaltung der neu entstehenden Anteile. Dies macht deutlich, dass keine Gesamtrechtsnachfolge bezogen auf den Anteil eintritt. Das UmwStG geht dementsprechend von einer Veräußerung und von einer Anschaffung von Anteilen aus. So zeigt auch der unterschiedliche Wortlaut von § 12 Abs. 3 UmwStG 1995 („Die übernehmende Körperschaft tritt in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein, …“) einerseits und von § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 („Die Anteile an der übertragenden Körperschaft, … , gelten als zum Buchwert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als mit diesem Wert angeschafft“) andererseits, dass der Gesetzgeber eine Differenzierung vornimmt und in § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 eben kein Eintreten der erworbenen Anteile in die Rechtsstellung der veräußerten Anteile im Sinne einer Fußstapfentheorie vorsieht. Hierzu hätte es einer eigenen Rechtsgrundlage bedurft, die nach dem UmwStG 1995 nicht bestand7. Dass es zu keinem Eintreten der neuen Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile an dem übertragenden Rechtsträger im Sinne einer Fußstapfentheorie kommt, wird schließlich auch durch das BFH-Urteil vom 19.8.20088 bestätigt. In dem Urteilsfall ging es um die Frage, ob Anteile, die aus einer Verschmelzung hervorgegangen sind, beim Anteilseigner erneut der einjährigen Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 – 2008 unterliegen. Würde man von einem Eintreten der neuen Anteile in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile im Sinne einer Fußstapfentheorie ausgehen, dürfte keine neue Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 – 2008 ausgelöst werden. Für den Fristbeginn müsste die Anschaffung der untergegangenen Anteile an dem übertragenden Rechtsträger maßgeblich sein (siehe im Einzelnen unten unter Abschnitt 3.2.3.). Gerade dies ist nach der BFH-Entscheidung vom 19.8.2008 jedoch nicht der Fall. Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass im Schrifttum die Anwendung der Fußstapfentheorie in Fällen des § 13 Abs. 1 UmwStG auf Grund der vorstehenden Überlegungen abgelehnt wird9.

7

8 9

Die Rechtsgrundlage wurde erst mit § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG für die Zeit nach dem 12.12.2006 und den Fall eines Buchwertansatzes geschaffen und wirkt konstitutiv (siehe im Einzelnen unten unter Abschnitt 3.2.3). Vgl. BFH v. 19.8.2008, IX R 71/07, BStBl. II 2009, 13. Vgl. nur Schaumburg/Schumacher (2004), Anhang zu § 122 UmwG, Tz. 113; Schmitt (2006), § 13 UmwStG, Tz. 21; Schumacher, DStR 2004, S. 591; Trossen (2008), § 13 UmwStG, Tz. 23, Fn. 1; Dötsch (2007), § 13 UmwStG vor SEStEG, Tz. 5a. Vgl. ferner Abschnitt 3.2.2 und die dort zitierten die Quellen zu § 13 Abs. 1 UmwStG i.d.F. des SEStEG, wenn kein Antrag auf Buchwertverknüpfung gestellt wird.

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3.1.2.3 Keine Übertragbarkeit der Grundsätze zu einbringungsgeborenen Anteilen Es könnte ferner überlegt werden, ob sich ein Eintreten der erhaltenen Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile an dem übertragenden Rechtsträger („Fußstapfentheorie“) aus den Regelungen zu einbringungsgeborenen Anteilen in § 13 Abs. 3 UmwStG 1995 sowie der zu einbringungsgeborenen Anteilen ergangenen Rechtsprechung ergibt. § 13 Abs. 3 UmwStG 1995 regelt ein Eintreten in die Rechtstellung der untergegangenen Anteile für sog. „einbringungsgeborene“ Anteile nach § 21 UmwStG 1995. Der Anwendungsbereich von § 13 Abs. 3 UmwStG 1995 einschließlich der Rechtsfolgen der Vorschrift ist damit auf den Sonderfall einbringungsgeborene Anteile beschränkt und kann nicht allgemein auf alle Verschmelzungsvorgänge ausgedehnt werden. Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung zum Urteil des FG Baden-Württemberg v. 2.4.200810. Hierzu wurde in der Praxis vereinzelt von der Finanzverwaltung angeführt, dass FG Baden-Württemberg habe in dieser Entscheidung herausgestellt, dass nach allgemeinen Verschmelzungsregelungen bei einer Verschmelzung ein Eintreten der erhaltenen Anteile in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile erfolge. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. In der Entscheidung des FG Baden-Württemberg v. 2.4.2008 sowie in der dort zitierten Entscheidung des FG Düsseldorf v. 24.8.200711 ging es um die Frage, ob bei einem Anteilsaustausch im Rahmen einer Verschmelzung nach dem UmwStG 1977 die Qualifikation der Anteile an dem übertragenen Rechtsträger als einbringungsgeborene Anteile auf die erhaltenen Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger übergehe, da die in § 13 Abs. 3 UmwStG 1995 enthaltene Spezialregelung zu einbringungsgeborenen Anteilen im UmwStG 1977 noch nicht enthalten war. Die FG Baden-Württemberg und Düsseldorf haben diese Frage bejaht. Die Entscheidungen basieren jedoch nicht auf der Anwendung „allgemeiner Verschmelzungsgrundsätze“, auf deren Basis man ggf. eine Fußstapfentheorie begründen könnte. Vielmehr basieren sie auf § 16 Abs. 2 UmwStG 1977 (zur Besteuerung der Gesellschafter der übertragenden Kapitalgesellschaft bei einer Verschmelzung) und § 21 Abs. 1 Satz 4 UmwStG 1977 (zu einbringungsgeborenen Anteilen), d.h. auf gesetzlichen Grundlagen. So bestimmt § 16 Abs. 2 UmwStG 1977, dass eine steuerliche Verhaftung der untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft nach § 17 EStG (damals lag die Grenze für eine steuerliche Verhaftung nach § 17 EStG bei 25 %) auf die neu erhaltenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft übergeht. War der Anteilsinhaber an der übertragenden Körperschaft zu mehr als 25 % beteiligt 10 11

Vgl. FG Baden-Württemberg v. 2.4.2008, 7 K 74/04, EFG 2008, S. 1339. Vgl. FG Düsseldorf v. 24.8.2007, 12 K 6215/04 E, veröffentlicht unter juris.

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und war er nach der Verschmelzung zu weniger als 25 % an der übernehmenden Körperschaft beteiligt (z.B. auf Grund eines Verwässerungseffekts), so blieben die Anteile nach § 16 Abs. 2 UmwStG 1977 steuerverhaftet im Sinne von § 17 EStG. Eine ähnliche Regelung enthält § 21 Abs. 1 Satz 4 UmwStG 1977 zu einbringungsgeborenen Anteilen nach dem UmwStG 1977. Führt der Tausch von Anteilen zu keiner Gewinnrealisierung, so setzt sich danach das Merkmal der „Einbringungsgeborenheit“ an den erhaltenen Anteilen fort. Beide Vorschriften erlauben, dass sich auch vor Einführung von § 13 Abs. 3 UmwStG 1995 die „Einbringungsgeborenheit“ von Anteilen an den im Rahmen einer Verschmelzung erhaltenen Anteilen fortsetzt. Ein allgemeiner, nicht kodifizierter Grundsatz, dass bei einer Verschmelzung die erhaltenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile an der übertragenden Körperschaft im Sinne einer „Fußstapfentheorie“ eintreten, kann den Entscheidungen der FG BadenWürttemberg und Düsseldorf daher nicht entnommen werden. 3.1.3

Keine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995

Schließlich existiert im Zusammenhang mit der hier erörterten Fragestellung eine Verwaltungsanweisung zum UmwStG 199512. Danach soll in den hier diskutierten Sachverhalten nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 ein Gewinn in Höhe der steuerwirksamen Teilwertabschreibung auf die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zu versteuern sein. § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 beinhaltet Regelungen zur Ermittlung eines Übernahmegewinns, wenn der übernehmende Rechtsträger an dem übertragenden Rechtsträger beteiligt ist. In diesem Fall bleibt die Differenz zwischen dem Buchwert der übergegangenen Wirtschaftsgüter und dem Buchwert der untergegangenen Anteile (sog. Übernahmegewinn) außer Ansatz (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995). Übersteigen die „tatsächlichen“ Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Gesellschaft den Buchwert im Zeitpunkt der Verschmelzung (z.B. auf Grund einer früheren Teilwertabschreibung), so ist der Übernahmegewinn in Höhe dieses Differenzbetrags nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 steuerpflichtig. § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 ist nach seinem Wortlaut nur auf den Fall der Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft (sog. upstream-merger) zugeschnitten13. Im Falle der Verschmelzung einer Gesellschaft auf eine Schwestergesellschaft bestimmen sich dagegen die Besteuerungsfolgen auf Ebene der gemeinsamen 12

13

Vgl. BMF v. 16.12.2003, BStBl. I 2003, S. 786, Tz. 19, i.V.m. BMF v. 25.3.1998, BStBl. I 1998, S. 268, Tz. 12.08. Vgl. nur Dötsch (2005), § 12 UmwStG vor SEStEG, Tz. 31; Rödder (2008), § 12 UmwStG, Tz. 52; Schmitt (2006), § 12 UmwStG, Tz. 46.

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Muttergesellschaft ausschließlich nach dem oben angesprochenen § 13 UmwStG 1995. Soweit nach dem BMF-Schreiben v. 16.12.2003 (BStBl. I 2003, S. 786, Tz. 19) auch bei einer Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Schwestergesellschaft ein Korrekturbetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 entstehen und sich dieser bei einer späteren Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft steuerlich auswirken soll, besteht hierfür nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut keine Rechtsgrundlage. Die Regelungssystematik in §§ 12, 13 UmwStG lässt eine solche Auslegung nicht zu14. Die Regelung im BMF-Schreiben v. 16.12.2003 (BStBl. I 2003, S. 786, Tz. 19), nach der § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 auch auf die Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft angewendet werden soll, ist daher abzulehnen15. 3.2

Rechtslage nach dem UmwStG i.d.F. des SEStEG

3.2.1

Wahlrecht zur Buchwertfortführung

Teilweise geändert hat sich die Rechtslage mit der Neufassung von § 13 UmwStG durch das SEStEG (anzuwenden für nach dem 12.12.2006 zum Handelsregister angemeldete Verschmelzungen). Die bisher geltende steuerliche Interpretation der Verschmelzung als Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und gleichzeitiger Erwerb der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft bleibt erhalten. Geändert hat sich jedoch, dass die in § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 bisher als Regelfall enthaltene Buchwertfiktion aufgegeben wurde. Stattdessen wird nach § 13 Abs. 1 UmwStG i.d.F. des SEStEG nunmehr vorgeschrieben, dass die Anteile an der übertragenden Körperschaft grds. als zum gemeinen Wert veräußert gelten und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Körperschaft als mit diesem Wert angeschafft gelten. Im Grundsatz vollzieht sich daher 14

15

Vgl. nur Neu, GmbHR 1996, S. 898; Schaumburg/Schumacher (2004), Anhang zu § 122 UmwG Tz. 100 f.; Schmitt (2006), § 12 UmwStG, Tz. 46; Trossen (2008), § 13 UmwStG, Tz. 23. Auch Vertrauensschutzgründe können - neben der materiellen Unbegründetheit der Auffassung der Finanzverwaltung - einer Anwendung von Tz. 19 des BMF-Schreibens vom 16.12.2003 (BStBl. I 2003, S. 786) entgegenstehen. So wurde mit diesem BMF-Schreiben entgegen der Rechtslage nach dem BMF-Schreiben v. 25.3.1998 (BStBl. I 1998, S. 268, Tz. 12.08) erstmals von der Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass bei einer Verschmelzung zwischen Schwestergesellschaften und einer anschließenden Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 Anwendung finden und eine Steuerbelastung auslösen kann (vgl. Schumacher, DStR 2004, S. 592). Auch mit dem Hinweis in Tz. 19 des BMF-Schreibens vom 16.12.2003 (BStBl. I 2003, S. 786), dass es sich um eine „ergänzende“ Regelung handele, kann eine Rückwirkung auf bereits abgeschlossene Sachverhalte nicht begründet werden.

Steuerliche Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Anteilseignerebene

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eine Verschmelzung auf Ebene der Anteilseigner nicht mehr steuerneutral. Dies gilt unabhängig von der steuerlichen Behandlung auf Ebene der betroffenen Kapitalgesellschaften. Eine steuerneutrale Verschmelzung ist nach § 13 Abs. 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG allerdings auf Antrag möglich16. Wird das Wahlrecht zur Buchwertfortführung ausgeübt, sieht § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG vor, dass die Anteile an der übernehmenden Körperschaft in die Rechtsstellung der untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft eintreten. 3.2.2

Ansatz der untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft mit dem gemeinen Wert

Vollzieht sich die Verschmelzung auf Ebene des Anteilseigners zum gemeinen Wert, weil das Wahlrecht nach § 13 Abs. 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG auf Buchwertfortführung nicht ausgeübt wird oder die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen, ergeben sich die steuerlichen Rechtsfolgen der Verschmelzung für den Anteilseigner aus § 13 Abs. 1 UmwStG i.d.F. des SEStEG. Die Formulierung der Vorschrift ist – bis auf den Ansatz des gemeinen Werts statt des Buchwerts und dem Wegfall des Einschubs „die zu einem Betriebsvermögen gehören“ – mit der Formulierung in § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 identisch. Für die Frage, ob in den unter § 13 Abs. 1 UmwStG i.d.F. des SEStEG fallenden Sachverhalten (keine Ausübung des Wahlrechts zum Buchwertansatz) die steuerlichen Merkmale der untergegangenen (veräußerten) Anteile an der übertragenden Körperschaft – wie z.B. Besitzzeiten oder latente Wertaufholungsgebote – auf die angeschafften Anteile an der übernehmenden Körperschaft übergehen, kann daher nichts anderes gelten als oben zu § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 erläutert. Es liegt eine Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und eine korrespondierende Anschaffung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft vor. Für einen Übergang von Besteuerungsmerkmalen der untergegangenen (veräußerten) Anteile an der übertragenden Körperschaft – wie z.B. Besitzzeiten oder latente Wertaufholungsgebote – besteht keine Grundlage17.

16

17

Voraussetzung für die Buchwertfortführung auf Anteilseignerebene ist, dass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland an den Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG i.d.F. des SEStEG) oder die Verschmelzung unter die EU-Fusionsrichtlinie fällt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG). Vgl. hierzu im Einzelnen Schmitt/Schlossmacher, DB 2009, S. 1426 f. Vgl. Trossen (2008), § 13 UmwStG, Tz. 23; Schmitt (2009), § 13 UmwStG, Tz. 23; Dötsch (2007), § 13 UmwStG SEStEG, Tz. 18.

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3.2.3

Ansatz der untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft mit dem Buchwert

Anders verhält es sich, wenn auf Anteilseignerebene der Antrag auf Buchwertansatz nach § 13 Abs. 1 UmwStG i.d.F. des SEStEG gestellt wird. Dann gilt die spezielle Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG, nach der die Anteile an der übernehmenden Körperschaft in die Rechtsstellung der untergehenden Anteile an der übertragenden Körperschaft eintreten. Die Besteuerungsmerkmale der untergegangenen Anteile an der übertragenden Körperschaft bleiben erhalten18. Dies bedeutet u.a., dass -

für die Berechnung der einjährigen Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 – 2008 die ursprüngliche Anschaffung der untergegangenen Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft maßgeblich ist und nicht der Erwerb der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft durch die Verschmelzung,

-

die ursprünglichen Anschaffungskosten der untergegangenen Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft (ggf. zzgl. nachträglicher Anschaffungskosten) die Bewertungsobergrenze für Wertaufholungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG darstellen und

-

frühere steuerwirksame Teilwertabschreibungen auf die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft bei Ermittlung des steuerfreien/steuerpflichtigen Gewinns aus einer späteren Veräußerung nach § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG zu berücksichtigen sind19.

Die Einführung dieser Regelung wirkt konstitutiv. Sie kann nicht auf eine Klarstellung einer bereits vorher bestehenden Rechtslage reduziert werden20. 4

Zusammenfassung

Im Anwendungsbereich des UmwStG 1995 führt eine Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Anteilseignerebene zu einer Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und einer korrespondierenden Anschaffung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Die Besteuerungsmerkmale der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft wie z.B. frühere Teilwertabschreibungen gehen mit dem Anteilstausch – wie bei einer „normalen“ Veräußerung – unter. Zu einem Eintreten in die Rechtsstellung der untergegan-

18 19

20

Vgl. BT-Drs. 16/2710, S. 41. Vgl. Schmitt (2009), § 13 UmwStG, Tz. 48; Dötsch (2007), § 13 UmwStG SEStEG, Tz. 27 f.; Schmitt/Schlossmacher, DB 2009, S. 1428. Vgl. Dötsch (2007), § 13 UmwStG SEStEG, Tz. 27.

Steuerliche Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Anteilseignerebene

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genen Anteile im Sinne einer „Fußstapfentheorie“ oder Gesamtrechtnachfolge kommt es nicht. Folglich kann bei einer Veräußerung der aus der Verschmelzung hervorgegangenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG auf frühere Wertberichtigungen auf die untergegangenen Anteile an der übertragenden Körperschaft keine Anwendung finden21. Teilweise anders ist die Rechtslage indes im Anwendungsbereich des UmwStG i.d.F. des SEStEG. Zwar wurde die steuerliche Interpretation der Verschmelzung als Veräußerung der Altanteile und gleichzeitiger Erwerb der Neuanteile beibehalten. Allerdings sieht § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG ein Eintreten der erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft in die Rechtsstellung der untergegangenen Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft vor, wenn der Anteilseigner die Fortführung des Buchwerts auf Anteilseignerebene beantragt. Dann gehen auch Besteuerungsmerkmale wie Teilwertabschreibungen über. Verzichtet der Anteilseigner auf die Ausübung des Wahlrechts zur Buchwertfortführung auf Anteilseignerebene bzw. ist eine Buchwertfortführung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG i.d.F. des SEStEG nicht möglich, greift die Sonderregelung des § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG i.d.F. des SEStEG nicht. Dann gehen mit der Verschmelzung – wie in der Rechtslage nach dem UmwStG 1995 – Besteuerungsmerkmale der Altanteile wie z.B. frühere Teilwertabschreibungen unter.

21

Vgl. Gosch (2009), § 8b KStG, Tz. 239.

60

Martin Cordes

Literaturverzeichnis Bärwaldt, R., Kommentierung zu § 13 UmwStG, in: Haritz/Benkert, Umwandlungsteuergesetz, München 2000. Dötsch, E., Kommentierung zu § 12 UmwStG vor SEStEG Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Stuttgart 2005.

in:

Dötsch, E., Kommentierung zu § 13 UmwStG vor SEStEG und § 13 UmwStG SEStEG, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Stuttgart 2007. Glanegger, P., Kommentierung zu § 6 EStG, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, München 2009. Gosch, D., Kommentierung zu § 8b KStG, in: Gosch, 2. Auflage, München 2009. Moszka, F./Haritz, D., Anhang zur Kommentierung des § 325 UmwG, in: Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 1. Auflage, München 2003. Neu, N.: Übernahmeerfolg und Beteiligungskorrekturgewinn nach § 12 Abs. 2 UmwStG bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften – Rechtslage und Beratungsperspektiven, Die GmbH-Rundschau 1996, S. 896-905. Rödder, T.: Wertaufholungsgebot betreffend Beteiligungen und Umstrukturierungen, Deutsches Steuerrecht 1999, S. 1019-1021. Rödder, T., Kommentierung zu § 12 UmwStG, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, Köln 2008. Schaumburg, H./Schumacher, A., Anhang zur Kommentierung des § 122 UmwStG in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 3. Auflage, Köln 2004. Schmitt, J., Kommentierung zu § 12 UmwStG, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz, 4. Auflage, München 2006. Schmitt, J., Kommentierung zu § 13 UmwStG, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz, 5. Auflage, München 2009. Schmitt, J./Schlossmacher, S.: Antrag auf Buchwertansatz nach § 13 Abs. 2 UmwStG, Deutsches Steuerrecht 2009, S. 1425-1430. Schumacher, A.: Aktuelles Beratungs-Know-How Umwandlungssteuerrecht, Deutsches Steuerrecht 2004, S. 589-593. Trossen, N., Kommentierung zu § 13 UmwStG, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, Köln 2008. Widmann, S., Kommentierung zu § 13 UmwStG, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Bonn 2004.

Der Finanzierungsgrad der privaten Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................... 63 2 Relevante Sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen ........................... 64 2.1 Die Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers .......... 64 2.2

Die Sozialversicherungspflicht des Einzelunternehmers ................. 66

3 Relevante steuerrechtliche Regelungen ...................................................... 66 3.1 Die Besteuerung des Unternehmenserfolges ................................... 66 3.2

Der Verlustabzug nach § 10d EStG ................................................. 67

3.3

Die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgebeiträgen .............. 67

4 Das Modell zur Beschreibung des Finanzierungsgrads .............................. 69 5 Analyse des Finanzierungsgrads ................................................................. 72 5.1 Der Finanzierungsgrad bei ausschließlicher Gewinnsituation ....... 72 5.2

Der Finanzierungsgrad unter Berücksichtigung von Verlusten ...... 75 5.2.1 Die Wirkung der Erhöhung des Prozentsatzes der Abzugsfähigkeit ................................................................... 75 5.2.2 Die Wirkung des zeitlichen Anfalls von Verlusten ............... 76

6 Fazit ............................................................................................................ 78 

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

1

63

Einleitung

Jede unternehmerische Tätigkeit muss im Rahmen einer Rechtsform ausgeübt werden. Für kleinere Unternehmen bieten sich dem Unternehmer üblicherweise die Rechtsformen eines Einzelunternehmens oder einer Kapitalgesellschaft in der Form einer GmbH an1. Die Wahl der Rechtsform wird von vielen Faktoren beeinflusst. Neben Aspekten wie der Finanzierung, der Haftungsbeschränkung und Kreditwürdigkeit spielen steuerliche Gesichtspunkte eine große Rolle2. In diesem Beitrag soll ein bisher kaum beachteter Aspekt untersucht werden. Mit dem ab 01.01.2005 gültigen Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) hat der Gesetzgeber eine Neuregelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeaufwendungen geschaffen3. Durch die schrittweise Einführung der nachgelagerten Besteuerung werden zunächst in der Einzahlungsphase die Vorsorgeaufwendungen von der Besteuerung bis zu einem Betrag von 20.000 € im Rahmen der Sonderausgaben ausgenommen4. Insbesondere unternehmerisch tätige Steuerpflichtige, die nicht in die gesetzliche Pflichtversicherung eingebunden sind und für ihre Altersvorsorge selbst vorsorgen müssen, sind von dieser Regelung betroffen. Sie können im Rahmen der Höchstbetragsrechnung des § 10 Abs. 3 EStG Sonderausgaben geltend machen. Diese gilt grundsätzlich auch für GmbH – Gesellschaftergeschäftsführer, die über mehr als die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen5. Aufgrund ihrer „gesellschaftsrechtlichen“ Stellung unterliegen sie ebenfalls nicht der gesetzlichen Versicherungspflicht6. Damit ist aus der Sicht der Altersvorsorge der Säule 1 – sofern man andere der GmbH mögliche Vorsorgearten wie bspw. Pensionsrückstellungen außer Ansatz lässt – eine Gleichstellung zwischen (Einzel)Unternehmer und GmbH – Geschäftsführer erreicht. Es stellt sich aber die Frage, ob diese sozialversicherungs- und anscheinend auch steuerrechtliche Gleichstellung unter allen Bedingungen gilt oder ob Szenarien denkbar und realistisch sind, die bei gleich bleibendem Ergebnis 1

2

3

4

5 6

Vgl. Stehle, Heinz/Leuz, Norbert, Die GmbH als Unternehmungsform, 12. Aufl., Stuttgart 2007, S. 38; Jacobs, Otto H., Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 4. Aufl., München 2009, S. 5. Vgl. Teufel, Tobias, Steuerliche Rechtsformoptimierung, Frankfurt [u.a.] : Lang 2002, S. 14 ff.; Jacobs, Otto H., Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 4. Aufl., München 2009, S. 5-7. Vgl. Gesetz zur Neuordnung zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz-AltEinkG) v. 04.07.2004, BGBl. 2004 I, S. 1427. Vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG; Preißer, Michael/Sieben, Stefan, Alterseinkünftegesetz, 3. Auflage 2006, S. 39. Vgl. BSG v. 18.04.1991- 7 RAr 32/90 (USK 9115), in: GmbHR 1992, S. 172 m.w.N. Masuch, Andreas/Meyer, Gerhard, ABC- des GmbH Geschäftsführers 2008, 2. Aufl., Bonn 2008, S. 438.

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Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

(Höhe der Rente) in Abhängigkeit von der Rechtsform zu unterschiedlichen Nettovorsorgebelastungen führen. Es ist also die Frage zu beantworten, ob und unter welchen Bedingungen der Finanzierungseffekt der steuerlichen Absetzbarkeit von privaten Vorsorgeleistungen von der Rechtsform abhängt. Im Folgenden werden nach einem kurzen Überblick über die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen betreffend einen GmbH-Gesellschaftergeschäftsführer und einen Einzelunternehmer die für die Erörterung wesentlichen Unterschiede in der Besteuerung von einer Einzelunternehmung und einer GmbH skizziert. Besonderer Wert wird auf die Regelungen des Verlustausgleichs und des Verlustabzugs nach § 10d EStG gelegt, wobei in vorliegendem Zusammenhang die Behandlung der Sonderausgaben von besonderen Interesse ist. Anhand eines Modells soll abschließend berechnet werden, ob die gewählte Rechtsform Auswirkungen auf die Vorteilhaftigkeit der Finanzierung der Altersvorsorgeaufwendungen haben kann. 2

Relevante Sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen

2.1

Die Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers

Die Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers einer GmbH hängt grundsätzlich davon ab, ob seine Arbeit als abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit gewertet wird7. Eine abhängige Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn liegt nach § 7 Abs. 1 SGB IV dann vor, wenn der GmbH- Geschäftsführer Weisungen unterworfen und in die Arbeitsorganisation eingegliedert ist. Relevant sind sowohl die gesellschaftsrechtliche und als auch die dienstvertragliche Gestaltung8. Spiegelt sich die so rechtlich definierte Stellung nicht in den tatsächlichen Verhältnissen wieder, sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend9. Gesellschafter-Geschäftsführer, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und damit einen maßgeblichen Einfluss auf deren Entscheidungen besitzen, sind von der Sozialversicherungspflicht ausgenom7

8

9

Vgl. Tillmann, Bert/Schiffers Joachim/Wälzholz, Eckard, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 5. Aufl., Köln 2009, S. 6. Vgl. Freckmann, Anke, Der GmbH- Geschäftsführer im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht; Ein Überblick unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung, in: DStR, 1-2/08, S. 52; Masuch, Andreas/Meyer, Gerhard, ABC- des GmbH Geschäftsführers 2008, 2. Aufl., Bonn 2008, S. 438. Vgl. Freckmann, Anke, Der GmbH- Geschäftsführer im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht; Ein Überblick unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung, in: DStR 1-2/08, S. 52; Masuch, Andreas/Meyer, Gerhard, ABC- des GmbH Geschäftsführers 2008, 2. Aufl., Bonn 2008, S. 438.

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

65

men10. In Einzelfällen kann jedoch auch die Versicherungspflicht für Gesellschafter-Geschäftsführer entfallen, die einen geringeren Kapitalanteil halten, wenn sie in der Lage sind, ihnen nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern. Dies ist der Fall, wenn ihnen bspw. aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Sperrminorität gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten eingeräumt sind11. Geschäftsführer ohne Beteiligung am Stammkapital sind in der Regel als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte anzusehen12. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kann aber nur dann bejaht werden, wenn das die abhängige Beschäftigung prägende Merkmal der Unterordnung unter das Weisungsrecht eines Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung gegeben ist13. In vielen Fällen enthalten Geschäftsführerdienstverträge umfassende Bestimmungen über Geschäfte und Handlungen, deren Vornahme einen Gesellschafterbeschluss erfordern14. Wenn darüber hinaus die Gesellschafterversammlung berechtigt ist dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen, liegen starke Indizien für die Annahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung vor15. Maßgeblich ist jedoch die tatsächliche Durchführung der gesellschaftsrechtlichen und dienstvertraglichen Bestimmungen. Aufgrund der in vielen Bereichen wertungsabhängigen Einordnung kann die Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers einer GmbH nicht immer im Vorfeld abschließend beurteilt werden16. Sofern ein GmbH-Gesellschafter nach dem 31.12.2004 eine Beschäftigung bei einer GmbH aufgenommen hat, ist deshalb ein Statusfeststellungsverfahren zwingend von Amts wegen durchzuführen (§ 7a SGB IV).

10

11

12

13 14

15 16

Vgl. BSG v. 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R, in: GmbHR 2000, S. 618; Bormann, Michael/Kauka, Ralf/Ockelmann, Jan, Handbuch GmbH- Recht; Das neue Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Gestaltungspraxis, Rechtsgrundlagen, Steuern, 1. Aufl., Münster 2009, S. 312. Vgl. BSG v. 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R, in: ZIP 2007, S. 2185 (2187), BSG v. 18.04.1991 7 RAr 32/ 90, in: NZA, 8. Jg., 1991, S. 869; Bormann, Michael/Kauka, Ralf/Ockelmann, Jan, Handbuch GmbH- Recht; Das neue Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Gestaltungspraxis, Rechtsgrundlagen, Steuern, 1. Aufl., Münster 2009, S. 312. Vgl. BSG v. 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R, in: NZG 2002, S. 431; BSG vom 04.12.1999 - B 2 U 48/98 R, in: GmbHR 2000, S. 618. Vgl. BSG v. 18.04.1991 - 7 RAr 32/90, in: GmbHR 1992, S. 172. Vgl. Masuch, Andreas/Meyer, Gerhard, ABC- des GmbH Geschäftsführers 2008, 2. Aufl., Bonn 2008, S. 438. Vgl. BSG v. 09.08.1990 - 11 Rar 119/88, in: NJW, Jg. 43, 1991, S. 582. Vgl. Masuch, Andreas/Meyer, Gerhard, ABC- des GmbH Geschäftsführers 2008, 2. Aufl., Bonn 2008, S. 440.

66

2.2

Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

Die Sozialversicherungspflicht des Einzelunternehmers

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV führt im Grunde jede entgeltliche Beschäftigung zu einer Sozialversicherungspflicht. Jede nichtselbständige Arbeit gilt als Beschäftigung gemäß § 7 SGB IV, wobei das Kriterium der Weisungsgebundenheit das wichtigste Indiz für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses bildet. Dieses Kriterium der Weisungsgebundenheit ist bei selbständig Tätigen regelmäßig nicht erfüllt. Damit sind selbständig Tätige, bspw. Einzelunternehmer, nicht sozialversicherungspflichtig und müssen privat für ihr Alter vorsorgen17. 3

Relevante steuerrechtliche Regelungen

3.1

Die Besteuerung des Unternehmenserfolges

Bei der GmbH als juristischer Person (§ 13 Abs. 1 GmbHG) ist zwischen der Rechtsphäre der Kapitalgesellschaft und der Rechtssphäre ihrer Anteilseigner zu unterscheiden18. Zwischen der Körperschaft und ihren Gesellschaftern können schuldrechtliche Leistungsbeziehungen wie Dienstverhältnisse bestehen, die grundsätzlich steuerrechtlich anerkannt werden19. Die Gewinne der Kapitalgesellschaft werden auf Gesellschaftsebene, unabhängig von einer Thesaurierung oder Ausschüttung, mit Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer belastet. Die Einkünfte eines Gesellschafters setzen sich aus Gewinnausschüttungen und evtl. seinen aufgrund schuldrechtlicher Verträge bezogenen Vergütungen zusammen. Nach § 32d EStG werden Kapitaleinkünfte, die dem Privatvermögen zufließen, grundsätzlich einer Kapitalertragsteuer i.H.v. 25% unterworfen (= Abgeltungssteuer). Ist ein Gesellschafter zu mindestens 25% an der Kapitalgesellschaft beteiligt, oder zu mindestens 1% beteiligt und beruflich für die Kapitalgesellschaft tätig, steht ihm ein Wahlrecht zu, Gewinnausschüttungen nicht der Abgeltungsteuer zu unterwerfen, sondern sie unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zusammen mit seinen übrigen Einkünften zu veranlagen20. Im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften findet bei Einzelunternehmen weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich eine Trennung zwischen Unternehmens- und 17

18

19

20

Vgl. zur Rentenversicherungspflicht von Selbstständigen ausführlich: Fuchs, Maximilian/Preis, Ulrich, Sozialversicherungspflicht, 2. Aufl., Köln 2009, S. 754. Vgl. Djanani, Christiana/Brähler, Gernot/Lösel, Christian, Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2008, S. 241; Brähler, Gernot; Umwandlungssteuerrecht, 5. Aufl., Wiesbaden 2009, S. 6. Vgl. Birle, Jürgen, Praxishandbuch der GmbH: Gesellschafts- und Steuerrecht, 1. Aufl., (Herne; Berlin) 2007, S. 505. Vgl. § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 1 EStG.

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

67

Unternehmerebene statt. Einkommensteuerpflichtig ist nach § 1 Abs. 1 EStG der Einzelunternehmer, der je nach Tätigkeit einkommensteuerrechtlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus Einkünften aus selbständiger Arbeit erwirtschaftet. Allerdings hängt die tatsächliche Steuerbelastung des betrieblichen Erfolges letzten Endes von der nach einkommensteuerrechtlichen Gegebenheiten beurteilten Situation des Steuerpflichtigen ab (bspw. Familienstand oder Höhe der abzugsfähigen Sonderausgaben). 3.2

Der Verlustabzug nach § 10d EStG

Können Verluste nicht im selben Jahr ausgeglichen werden, dürfen sie von positiven Ergebnissen anderer Veranlagungszeiträumen abgezogen werden. Der Verlustabzug weist mit dem Verlustrücktrag und dem Verlustvortrag zwei Unterformen auf. § 10d Abs. 1 EStG normiert den Verlustrücktrag. In den Berechnungen wird der Verlustrücktrag nicht berücksichtigt. Nach § 10d Abs. 2 EStG sind Verluste, die nicht nach Absatz 1 abgezogen wurden, in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million Euro pro Veranlagungszeitraum unbeschränkt abzugsfähig. Darüber hinaus gehende Beträge sind bis zu 60% des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrages der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen. Damit können sich Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und sonstige Abzugsbeträge nicht auswirken21. Der Verlustabzug im Körperschaftsteuerrecht folgt grundsätzlich einkommensteuerlichen Verlustabzugsregeln (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d EStG). Da juristische Personen aufgrund ihrer zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit selbstständig körperschaftsteuerpflichtig sind, kann der Verlust nur auf Ebene der Kapitalgesellschaft berücksichtigt werden22. 3.3

Die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgebeiträgen

Steuerlich versteht man unter Vorsorgeaufwendungen Beiträge zu einer nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG begünstigten Personenversicherung23. 21

22

23

Vgl. Zenthöfer, Wolfgang/Schulze zur Wiesche, Dieter, Einkommensteuer, 9. Aufl., Stuttgart 2007, S. 239; Rick, Eberhard/Gierschmann, Thomas/Gunsenheimer, Gerhard/Martin, Ulrike/Schneider, Josef, Lehrbuch Einkommensteuer, 15. Aufl., Herne 2008, S. 280, S. 239; Jacobs, Otto-H., Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 4. Aufl., München 2009, S. 140. Vgl. Djanani, Christiana/Brähler, Gernot/Lösel, Christian, Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2008, S. 273. Vgl. Zenthöfer, Wolfgang /Schulze zur Wiesche, Dieter, Einkommensteuer, 9. Aufl., Stuttgart 2007, S. 182.

68

Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

Zu den Altersvorsorgeaufwendungen zählen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. a EStG Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen oder landwirtschaftlichen Alterskassen sowie zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen. Ebenfalls gehören zu den Altersvorsorgeaufwendungen Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. b EStG zum Aufbau einer eigenen (privaten) kapitalgedeckten Altersversorgung („Rürup- Rente“)24. Voraussetzung hierbei ist, dass der Vertrag nur die Zahlung einer monatlichen auf das Leben des Steuerpflichtigen bezogenen lebenslangen, nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnende Leibrente oder die ergänzende Absicherung des Eintritts der Berufsunfähigkeit (Berufsunfähigkeitsrente), der verminderten Erwerbsfähigkeit (Erwerbsminderungsrente) oder die Absicherung von Hinterbliebenen (Hinterbliebenenrente) vorsieht25. Altersvorsorgeaufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG dürfen nur bis zu bestimmten Höchstbeträgen abgezogen werden. Nach § 10 Abs. 3 EStG wird das Abzugsvolumen der Altersvorsorgeaufwendungen auf insgesamt 20.000 € begrenzt. Der abzugsfähige Höchstbetrag verdoppelt sich bei zusammenveranlagten Ehegatten auf 40.000 €26. Als Altersvorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen sind nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG entweder die tatsächlichen Altersvorsorgeaufwendungen oder der niedrigere gekürzte Höchstbetrag. Der abzugsfähige Höchstbetrag i.H.v. 20.000 € ist bei Steuerpflichtigen, die zum in § 10c Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EStG angeführten Personenkreis gehören, um einen fiktiven Gesamtbeitrag zur allgemeinen Rentenversicherung zu kürzen27. Die Kürzung des Höchstbetrages soll eine Gleichbehandlung zwischen Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen Steuerpflichtigen gewährleisten, die eine Altersvorsorge ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen erlangen28. Bemessungsgrundlage für den Kürzungsbetrag sind die erzielten steuerpflichtigen Einnahmen aus der Tätigkeit, höchstens bis zum Betrag der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung. Aus Vereinfachungsgründen ist einheitlich auf die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) abzustellen29.

24

25 26 27 28

29

Vgl. Rick, Eberhard/Gierschmann, Thomas/Gunsenheimer, Gerhard/Martin, Ulrike/Schneider, Josef, Lehrbuch Einkommensteuer, 14. Aufl., Herne 2008, S. 180. Vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. b EStG. Vgl. § 10 Abs. 3 S. 1 und 2 EStG. Vgl. § 10 Abs. 3 S. 3 EStG. Vgl. Rick, Eberhard/Gierschmann, Thomas/Gunsenheimer, Gerhard/Martin, Ulrike/Schneider, Josef, Lehrbuch Einkommensteuer, 14. Aufl., Herne 2008, S. 188. Vgl. BMF- Schreiben v. 30.01.2008, VI C 8 - S 222/07/0003, IV C 5- S 2345/08/0001, BStBl. 2008 I, S. 390.

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

69

In den Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 EStG fallen insbesondere Beamte, unter § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG Arbeitnehmer, die nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen und die im Zusammenhang mit einer ausgeübten Berufstätigkeit aufgrund vertraglicher Vereinbarung Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung erworben haben: Das sind bspw. beherrschende GesellschafterGeschäftsführer einer GmbH und Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft sowie Steuerpflichtige, die Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 4 EStG beziehen (Abgeordnete) 30. Im Kalenderjahr 2009 sind von diesem zu berücksichtigenden Betrag 68% als Altersvorsorgeaufwendungen anzusetzen31. Dieser Prozentsatz steigt in den folgenden Jahren für alle Steuerpflichtigen um jeweils 2% an, so dass im Jahr 2025 der vollständige Abzug (100%) der zu berücksichtigenden Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Altersversorgung erreicht wird32. Schließlich ist von den anzusetzenden Altersvorsorgeaufwendungen der nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuziehen (§ 10 Abs. 3 Satz 5 EStG). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die betreffenden Arbeitnehmer eine Vergünstigung bereits in Form des steuerfreien Arbeitgeberanteils erhalten haben33. Die Vorschrift des § 10 Abs. 4a EStG normiert eine Günstigerprüfung bis zum Jahr 2019. Es wird eine Vergleichsrechnung zwischen der Höchstbetragsberechnung des § 10 Abs. 3 und 4 EStG neuer Fassung und der Höchstbetragsberechnung des § 10 Abs. 3 EStG alter Fassung (bis 2004) durchgeführt. Berücksichtigt wird der sich ergebende höhere Betrag jeweils berechnet nach altem und neuem Recht. Die Überprüfung erfolgt von Amts wegen. Die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG alter Fassung werden dabei bis zum Jahr 2019 abgeschmolzen. Die Höchstbeträge für den Vorwegabzug ergeben sich aus der Tabelle zu § 10 Abs. 4a EStG. 4

Das Modell zur Beschreibung des Finanzierungsgrads

Mit Hilfe des vorliegenden Modells soll überprüft werden, ob sich aufgrund steuerlicher Regelungen Belastungsunterschiede zwischen den Rechtsformen bezüglich der Nettobelastung von Altersvorsorgeaufwendungen ergeben. Es werden daher nur jene Elemente des Realsystems in das Modell einbezogen, die 30

31 32 33

Vgl. Djanani, Christiana/Brähler, Gernot/Lösel, Christian, Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2008, S. 147. Vgl. § 10 Abs. 3 S. 4 und 6 EStG. Vgl. § 10 Abs. 3 S. 6 EStG. Vgl. Djanani, Christiana/Brähler, Gernot/Lösel, Christian, Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2008, S. 147.

70

Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

für die Untersuchung als wesentlich erachtet werden, wie bspw. Einkommenshöhe, Einkunftsart, Höhe der Vorsorgeausgaben, Prozentsatz der steuerlichen Anerkennung, etc. Zur Messung der Rechtsformneutralität der Besteuerung wird der Finanzierungsgrad herangezogen. Der Finanzierungsgrad beschreibt das Verhältnis der Steuereinsparungen zu den Vorsorgeaufwendungen. Um den Einfluss der Rechtsform auf den Finanzierungsgrad sichtbar zu machen, wird alternativ das Unternehmen in der Rechtsform eines Einzelunternehmens oder in der einer GmbH geführt. Für beide Alternativen wird der Finanzierungsgrad berechnet. Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten bezieht der Steuerpflichtige annahmegemäß keine weiteren Einkünfte, so dass daraus keine Ergebnisverzerrungen resultieren können. In der Untersuchung wird ein Ansparzeitraum von 30 Jahren gewählt, bei dem in jedem Jahr die Höhe der einmal gewählten privaten Altersvorsorge konstant bleibt. Das entspricht dem durchschnittlichen tatsächlichen Einzahlungszeitraum. Die Regelungen zur steuerlichen Behandlung der Altersvorsorge und -versorgung postulieren die nachgelagerte Besteuerung, d.h. die volle steuerliche Belastung der Bezüge bei voller steuerlicher Entlastung der Vorsorgeaufwendungen34. Die Entlastung erfolgt durch deren Abzugsfähigkeit als Sonderausgabe. Dadurch ergibt sich eine Finanzierungswirkung, da der Nettofinanzierungsaufwand um die eingesparte Steuerzahlung sinkt. Es werden keine anderen Sonderausgaben und/oder Werbungskosten berücksichtigt. Zur Berechnung des Finanzierungsgrades wird für jedes Jahr die Steuerbelastung unter und ohne Berücksichtigung des Abzugs der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgabe berechnet. Die Differenz bildet die Steuerminderung, die auf den Sonderausgabenabzug zurückzuführen ist. Die jährlichen Steuerminderungen werden summiert, aufgezinst und mit den ebenfalls aufgezinsten Altersvorsorgeausgaben ins Verhältnis gesetzt. Der Zinssatz vor Steuern für die Aufzinsung der Steuereinsparungen wurde in den Berechnungen mit 5,5% angesetzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass dieser Zinssatz in etwa dem langfristigen Anlagezinssatz entspricht, da eine Anlage der Mittel aus den Steuereinsparungen unterstellt wird35. Der Zinssatz nach Steuern ergibt sich aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Belastung. Als Steuersatz wurde hierfür der Differenzsteuersatz auf die Einsparung durch den Sonderausgabenabzug herangezogen.

34

35

Vgl. Alterseinkünftegesetz v. 05.07.2004 BStBl. I 2004 S. 1427; BMF v. 20.01.2009, IV C 3 - S 496/08/10011; IV C 5- S 2333/07/0003, 2009, Rz. 94-115. Vgl. hierzu Statistiken und Zinsentwicklungen auf www.bundesbank.de.

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

71

Der Aufzinsungssatz bei den Altersvorsorgeaufwendungen entspricht im Modell dem derzeitigen Höchstrechnungszinssatz für Versicherungsverträge mit Zinsgarantie i.H.v. 2,25%36. Abschließend wird die aufgezinste Summe der Steuereinsparungen zur aufgezinsten Summe der Vorsorgeaufwendungen in Beziehung gesetzt. Als Ergebnis dieser Berechnungen erhält man den prozentualen Anteil der Altersvorsorgeaufwendungen, der über Steuerminderungen finanziert wird, den Finanzierungsgrad. Ein Finanzierungsgrad von Null ergibt sich, wenn keine steuerliche Abzugsfähigkeit der privaten Altersvorsorge gegeben ist. Der Steuerpflichtige als Gesellschafter-Geschäftsführer ist mit 100% an der GmbH (Einmann GmbH) beteiligt. Unabhängig vom Erfolg der Gesellschaft, erhält er in jedem Jahr ein Gehalt, welches er als Einkünfte aus Arbeit nach § 19 EStG versteuert. Ein verbleibender Gesellschaftsgewinn wird zur Gänze ausgeschüttet. Auf Gesellschaftsebene wird die Körperschaftssteuer (15%), der Solidaritätszuschlag und die Gewerbesteuer (Hebesatz 400%) berücksichtigt. Der GmbH- Gesellschafter optiert, wenn für ihn günstiger, für das Teileinkünfteverfahren mit der Konsequenz, dass 60% des ausgeschütteten Gewinns nach Tarif versteuert werden37. Gewinn und Gewerbeertrag sind in den Berechnungen identisch. Der Steuerpflichtige als Einzelunternehmer erzielt den gleich hohen Gewinn wie die GmbH und macht von der Thesaurierungsrücklage keinen Gebrauch. Aus Gründen der Vergleichbarkeit (identische Gewinne in den Folgeperioden) wird davon ausgegangen, dass der Gewinn jeweils entnommen wird. Der Unternehmer zahlt Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Die Gewerbesteuer wird im Ausmaß von § 35 EStG auf die ESt- Schuld angerechnet. Die Höhe des Gewinns (= Gewerbeertrag) und die Verlustvorträge entsprechen denen der GmbH. Der Steuerpflichtige erzielt keine weiteren Einkünfte, ist ledig, nicht kirchensteuerpflichtig und auch nicht auf Grund anderer Tatbestände sozialversicherungspflichtig. Außerdem wird angenommen, dass die Steuersätze des Jahres 2010 unverändert bis zum Jahr 2040 Gültigkeit haben.

36

37

Vgl. § 2 Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen (DeckRV), http://bundesrecht.juris.de/deckrv/index.html. Vgl. § 32d Abs. 2 Nr. 3 i.V.m § 3 Nr. 40 Bstb. d EStG.

72

Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

5

Analyse des Finanzierungsgrads

5.1

Der Finanzierungsgrad bei ausschließlicher Gewinnsituation

Um einen aussagekräftigen Vergleich durchführen zu können, entspricht der Gewinn des Einzelunternehmens dem der GmbH. Im Falle, dass das Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH geführt wird, beträgt das Geschäftsführergehalt unabhängig von der Höhe des Gewinnes 50.000 €. Darüberhinaus erhält der Geschäftsführer der GmbH den nach Abzug des Gehalts und der Ertragsteuern verbleibenden Gewinn und versteuert ihn, entweder gemäß dem Teileinkünfteverfahren zu 60%. Im Folgenden wird der Finanzierungsgrad für verschiedene Gewinnhöhen (50.000 € bis 350.000 €) und verschiedene Beträge zur Altersvorsorge (2.000 € bis 25.000 €) berechnet. Dabei bleiben die Gewinnhöhe und die Altersvorsorge jeweils über 30 Jahre hinweg konstant. Im Jahr 2010 können nach § 10 Abs. 3 Satz 4 und 6 EStG 70% von den Altersvorsorgeaufwendungen (bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 €) als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Die Steuerentlastung ergibt sich aus der Differenz zwischen der Steuerbelastung nach Abzug der Sonderausgaben und der Steuerbelastung ohne Berücksichtigung der Sonderausgaben. Diese Steuerentlastung steigt bis zum Jahr 2025 an, da der Prozentsatz der Abzugsfähigkeit der Sonderausgaben für die Altersvorsorge jährlich um 2% zunimmt38. Folgende Tabellen zeigen den auf Grundlage der Steuerentlastung berechneten Finanzierungsgrad getrennt nach Einzelunternehmen und GmbH: Tabelle 1 Finanzierungsgrad in % (Einzelunternehmer, nur Gewinne) Altersvorsorge/ Gewinn

2.000 €

5.000 €

10.000 €

15.000 €

20.000 €

25.000 €

50.000 €

39,83

39,22

38,23

37,23

36,23

28,99

75.000 €

41,44

41,43

41,43

41,43

41,43

33,14

120.000 €

41,44

41,43

41,43

41,43

41,43

33,14

350.000 €

44,22

44,22

44,22

44,22

44,22

35,37

38

Vgl. § 10 Abs. 3 Satz 6 EStG.

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

73

Tabelle 2 Finanzierungsgrad in % (GmbH- Geschäftsführer, nur Gewinne) Altersvorsorge/ Gewinn incl. GFG

2.000 €

5.000 €

10.000 €

15.000 €

20.000 €

25.000 €

50.000 €

39,78

39,20

38,21

37,22

36,23

28,98

75.000 €

41,43

41,43

41,35

40,82

40,06

32,05

120.000 €

41,43

41,43

41,43

41,43

41,43

33,14

350.000 €

41,43

41,43

41,43

41,43

41,43

33,14

Ein Finanzierungsgrad von 39,83% bedeutet, dass bei Aufwendungen für die private Altersvorsorge i.H.v. jährlich 2.000 € über 30 Jahre hinweg (60.000 €) bei einem jährlichen Gewinn von je 50.000 € insgesamt 23.898€ (=39,83% von 60.000 €) über die Steuererwirkung der Sonderausgaben refinanziert werden können. Die Tabelle 1 zeigt erwartungsgemäß, dass bei gleichbleibenden Altersvorsorgeaufwendungen der Finanzierungsgrad bei steigenden Gewinnen des Einzelunternehmers zunimmt. So liegt der Finanzierungsgrad bei einer Altersvorsorge i.H.v. 2.000 € p.a. und einem jährlichem Gewinn von 50.000 € bei 39,83 % und steigt auf 44,22 % bei einem Gewinn von 350.000 €. Die Ursache für den steigenden Finanzierungsgrad ist der Progressionseffekt, der bewirkt, dass bei höheren EStSätzen die Sonderausgaben zu höheren Steuerentlastungen führen, als bei niedrigeren Gewinnen. Der Finanzierungsgrad wird also durch die Höhe des Steuersatzes entscheidend beeinflusst. Des weiteren ist der Tabelle zu entnehmen, dass bei einem konstanten Gewinn von 50.000 € aber steigenden Altersvorsorgeaufwendungen der Finanzierungsgrad sinkt. Die steigenden Vorsorgeaufwendungen erhöhen die abzugsfähigen Sonderausgaben und verringern das zu versteuernde Einkommen. Je niedriger das Einkommen wird, desto geringer wird auch der Steuersatz und dementsprechend die Steuerentlastung. Bei einem Gewinn von 75.000 € und darüber hat die Höhe der Altersvorsorgeaufwendungen keine Auswirkungen mehr auf den Finanzierungsgrad, weil im proportionalen Bereich zwischen 52.000 € und 250.000 €39 die Progression sich nicht mehr auswirken kann. Bei einem Gewinn von 350.000 € kommt der Spitzensteuersatz zur Anwendung und die Sonderausgaben führen, unabhängig von der Höhe, zu einer konstanten Steuerentlastung40.

39 40

Vgl. § 32a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Vgl. § 32a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

74

Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

Dies gilt nicht für den Fall, bei dem die Vorsorgeaufwendungen bei 25.000 € liegen. Ursache hierfür ist die Begrenzung der Sonderausgaben auf maximal 20.000 €. Über diesen Betrag hinausgehende Vorsorgeaufwendungen führen zu keiner steuerlichen Berücksichtigung und mindern deshalb den Finanzierungsgrad. Tabelle 2 verdeutlicht, dass bei der GmbH der Finanzierungsgrad eine ähnliche Entwicklung nimmt. Allerdings wird der konstante Finanzierungsgrad erst bei einer Gewinnhöhe von 120.000 € und maximal 20.000 € Altersvorsorgeaufwand erreicht. Würde der Unternehmer statt dem Teileinkünfteverfahren die Abgeltungssteuer wählen, wäre die Entlastung auf die in Zeile 1 (50.000 € Gewinn) ausgewiesenen Finanzierungsgrade beschränkt. In diesem Fall würde sich die Wirkung der Sonderausgaben auf das Geschäftsführergehalt (50.000 €) beschränken und nicht zusätzlich auf die durch die Abgeltungsteuer belasteten ausgeschütteten Gewinne. Da in diesem Fall der Entlastungsgrad grundsätzlich dem steuerlichen Belastungsgrad entspricht, kann eine eindeutige Aussage darüber, was unter Be- und Entlastungsgesichtspunkten für den Steuerpflichtigen günstiger ist, erst nach entsprechenden Berechnungen getroffen werden. Der Vergleich zwischen Einzelunternehmen und GmbH zeigt, dass bei identischer Gewinn- und Geschäftsführergehaltshöhe (50.000 €) der Finanzierungsgrad nur eine geringe Differenz aufweist. Bei einer durchschnittlichen Gewinnhöhe von 75.000 € bis 120.000 € ist der Finanzierungsgrad ebenfalls in etwa gleich hoch. Die Entlastungswirkung beim Einzelunternehmer ist allerdings bei einer Gewinnhöhe von 350.000 € beträchtlich (3%) höher. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass die Besteuerung der GmbH in der Konstellation günstiger (= niedriger) ist. Dies ist auf das Teileinkünfteverfahren zurückzuführen. Würde der GmbH-Gesellschafter stattdessen die Abgeltungsteuer wählen, wäre seine Entlastung noch niedriger, da seine steuerliche Belastung insgesamt niedriger ist. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass sich im unteren Einkommensbereich die 60% Regel bezüglich der Sonderausgaben günstiger auswirkt da sich dadurch seine Bemessungsgrundlage erweitert und der Entlastungseffekt stärker zur Wirkung kommt. Da die Steuerentlastung umso höher ist, je größer der anzuwendende Steuersatz ist, erhöht sich grundsätzlich der Finanzierungsgrad mit dem Differenzsteuersatz. Das führt dazu, dass sich der Finanzierungsgrad im proportionalen Verlauf des Einkommensteuersatzes zwischen 52.152 € und 250.000 €41 nicht verändert, obwohl die Steuerbelastung insgesamt steigt.

41

Vgl. Djanani, Christiana/Brähler, Gernot/Lösel, Christian, Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2008, S. 241.

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

5.2

75

Der Finanzierungsgrad unter Berücksichtigung von Verlusten

Rechtsformspezifische Besonderheiten ergeben sich nicht zuletzt daraus, dass die Altersvorsorgebeiträge nicht als Betriebsausgaben, bzw. Werbungskosten eingestuft, sondern als Sonderausgaben qualifiziert werden. Der Finanzierungseffekt aufgrund Steuereinsparungen setzt eine Steuerschuld voraus. Das heißt in Verlustjahren und Verlustausgleichsjahren kann der Finanzierungseffekt beim Einzelunternehmer keine Wirkung entfalten. Diese Tatsache wird durch den Umstand verschärft, dass Sonderausgaben nicht zu vortragsfähigen Verlusten führen können. Wird das Unternehmen als GmbH geführt und bezieht der Geschäftsführer ein Geschäftsführergehalt, bleibt der Verlust auf Ebene der Gesellschaft hängen. Um diesen Effekt zu zeigen, wird die (nicht realitätsnahe) Prämisse der 30 Jahre währenden ausschließlichen Gewinnerzielung fallen gelassen und die Berücksichtigung von Verlusten in das Modell eingeführt. Um eine Vermengung zweier wahrscheinlich gegenläufiger Effekte zu vermeiden, wird als erstes der im Jahr 2010 gültige Sonderausgabenabzug i.H.v. 70% über den Einzahlungszeitraum von 30 Jahren konstant angesetzt. Damit soll gewährleistet werden, dass die Wirkung von Verlusten gegebenenfalls nicht durch den im § 10 Abs. 3 EStG normierten jährlich um 2% steigenden Sonderausgabenabzug kompensiert wird. 5.2.1

Die Wirkung der Erhöhung des Prozentsatzes der Abzugsfähigkeit

Um die Auswirkungen der Steigerung des Abzugsfähigkeitsprozentsatzes zu zeigen, wird der Finanzierungsgrad berechnet, der sich ergäbe, wenn der 2010 geltende Prozentsatz i.H.v. 70% der Abzugsfähigkeit des gesetzlich anerkannten Vorsorgeaufwendungshöchstbetrages als Sonderausgaben für den gesamten Untersuchungszeitraum angewendet würde. Das Ergebnis dieser Berechnungen wird mit den Finanzierungsgraden unter Berücksichtigung der um 2% steigenden steuerlichen Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen verglichen. Die sich so ergebenden Differenzbeträge können der Tabelle 3 und 4 entnommen werden. Die Differenz des Finanzierungsgrades i.H.v 9,38% bedeutet, dass die Finanzierungswirkung bei einer privaten Altersvorsorge von in Summe 60.000 € (2.000 € x 30 Jahre) und einem konstanten Gewinn von 50.000 € um insgesamt 5.628 € (9,38% von 60.000 €) höher liegt, als bei einem gleichbleibenden 70%igen Sonderausgabenabzug.

76

Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

Tabelle 3 Die Differenz des Finanzierungsgrades zwischen konstantem Abzug der Sonderausgaben 70% und steigendem Abzug (bis 100%) eines Einzelunternehmers Altersvorsorge/ Gewinn

2.000 €

5.000 €

10.000 €

15.000 €

20.000 €

25.000 €

50.000 €

9,38

9,15

8,73

8,30

7,87

6,31

75.000 €

9,88

9,87

9,87

9,87

9,87

7,89

120.000 €

9,88

9,87

9,87

9,87

9,87

7,89

350.000 €

10,54

10,54

10,54

10,54

10,54

8,43

Tabelle 4 Die Differenz des Finanzierungsgrades zwischen konstantem Abzug 70% und steigendem Abzug (bis 100%) eines GmbH- Geschäftsführers 5.000 € 10.000 € 15.000 € 20.000 € 25.000 € Altersvorsorge/ 2.000 € Gewinn incl. GFG 50.000 €

9,38

9,16

8,72

8,30

7,88

6,30

75.000 €

9,87

9,87

9,79

9,38

8,96

7,12

120.000 €

9,87

9,87

9,87

9,87

9,87

7,89

350.000 €

9,87

9,87

9,87

9,87

9,87

7,89

Im Ergebnis zeigt sich, dass – mit Ausnahme von Vorsorgeaufwendungen von mehr als 20.000 € – der Finanzierungsgrad durch die Erhöhung des steuerlichen Abzugsvolumens im Rahmen der Sonderausgaben in etwa zwischen 7 und 9 % gesteigert wird und zwischen Einzelunternehmen und GmbH keine signifikanten Unterschiede ersichtlich sind. 5.2.2

Die Wirkung des zeitlichen Anfalls von Verlusten

Im Modell treten Verluste im Jahr 2010 mit 15.000 €, im Jahr 2011 mit 10.000 € und im Jahr 2012 mit 5.000 € (bzw. in den Jahren 2035 mit 15.000 €, 2036 mit 10.000 € und 2037 mit 5000 €) auf und werden über den Verlustvortrag mit den Gewinnen der nachfolgenden 2 Jahre vollständig verrechnet. Das zu versteuernde Einkommen des Einzelunternehmers beträgt infolgedessen in den ersten zwei den Verlustjahren folgenden Jahren Null. In den restlichen Jahren ist die Gewinnhöhe so angesetzt, dass sich über den Betrachtungseitraum von 30 Jahren ein durchschnittlicher Gewinn von 50.000 €, bzw. 75.000 €, 120.000 € und 350.000 € ergibt.

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

77

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass im Falle von Verlusten der Finanzierungsgrad beim GmbH-Gesellschafter höher ist als beim Einzelunternehmer42. Da selbst in den Verlustjahren der GmbH-Geschäftsführer seine Vorsorgeaufwendungen ceteris paribus bis zur Höhe seines Gehalts geltend machen kann. Beim Einzelunternehmen wird nicht zwischen Unternehmensebene und Unternehmerebene unterschieden. Der Verlust ist im Vergleich zur GmbH um den Betrag des Geschäftsführergehaltes niedriger. Der Einzelunternehmer kann in Verlustjahren keine Sonderausgaben geltend machen und verliert dadurch den steuerlichen Finanzierungseffekt für seine private Altersvorsorge. Aber auch in den Jahren, in denen der Verlustausgleich dazu führt, dass das steuerbare Einkommen sinkt oder sogar unter die Höhe der geltend zu machenden Sonderausgaben fällt, entfällt der Finanzierungseffekt teilweise oder zur Gänze. Dies sollte sich verhältnismäßig stark auswirken, da die Nichtgeltendmachung von Sonderausgaben nicht in einem späteren Jahr kompensiert werden kann. Damit handelt es sich nicht um einen Zinseffekt, sondern um einen nachhaltigen Wegfall. Die Ergebnisse, die in den Tabelle 5 und 6 ersichtlich sind bestätigen diese Annahme. Aus den folgenden Tabellen ist ersichtlich, dass bei Einbeziehung von Verlusten der Finanzierungsgrad auf Grund der oben beschriebenen Ursachen beim GmbHGeschäftsführer bis zu mehr als 5 % höher ist als beim Einzelunternehmer. Erwähnenswert ist aber, dass bei hohen Einkommen wie bspw. 120.000 € und 350.000 € zusätzlich auch ein Steuerbe- bzw. -entlastungseffekt festzustellen ist. Tabelle 5 Der Finanzierungsgrad in % eines Einzelunternehmers (mit frühen Verlusten) Altersvorsorge/ Gewinn

2.000 €

5.000 €

10.000 €

15.000 €

20.000 €

25.000 €

50.000 €

35,77

35,76

35,62

35,04

34,31

27,45

75.000 €

35,77

35,76

35,76

35,76

35,76

28,61

120.000 €

35,77

35,76

35,76

35,76

35,76

28,61

350.000 €

38,18

38,18

38,18

38,18

38,18

30,55

42

Die Sonderausgaben wirken beim GmbH-Geschäftsführer auch in Verlustjahren auf sein Geschäftsführergehalt und erzielen durch die Steuerminderung einen Finanzierungseffekt.

78

Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

Tabelle 6 Der Finanzierungsgrad in % eines GmbH- Geschäftsführers (mit frühen Verlusten) Altersvorsorge/ Gewinn incl. GFG

2.000 €

5.000 €

10.000 €

15.000 €

20.000 €

25.000 €

50.000 €

39,87

39,20

38,21

37,22

36,23

28,98

75.000 €

40,89

40,72

40,43

40,12

39,58

31,67

120.000 €

41,05

40,94

40,74

40,55

40,35

32,28

350.000 €

41,16

41,07

40,93

40,97

40,65

32,52

Im Verhältnis zum Nicht-Verlustfall (Tabelle 1) sinkt beim Einzelunternehmer der Finanzierungsgrad um rund 5 %. Aber auch beim Gesellschafter-Geschäftsführer zeigen sich Auswirkungen der Verluste (vgl. Tabelle 2 mit 6). Es mag verwunderlich sein, dass der Finanzierungsgrad beim GmbH-Gesellschafter nicht konstant ist, da sein Gehalt von den Verlusten unabhängig ist und daher der Sonderausgabenabzug in jedem Jahr gesichert ist. Allerdings erhöhen die Ausschüttungen (Teileinkünfteverfahren) in den Gewinnjahren das zu versteuernde Einkommen. Dadurch wiederum steigen die Steuerbelastung und gleichzeitig die steuerliche Entlastungwirkung durch die Sonderausgaben, was den nicht konstanten Finanzierungsgrad erklärt. Um den Einfluss des Zeitraumes der Verlustrealisierung zu untersuchen, wurden im Modell die verschiedenen Finanzierungsgrade bei Verlusten in den ersten Jahren des Betrachtungszeitraumes mit Verlusten im späteren Betrachtungszeitraum verglichen. Dabei hat sich gezeigt, dass der Zeitpunkt der Verluste keine großen Auswirkungen auf den Finanzierungsgrad hat. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der Prozentsatz der Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen im Zeitablauf steigt. Während unter Zugrundelegung des steigenden Prozentsatzes die Differenz im Einzelfall weniger als 0,1% beträgt (zugunsten der Verluste in späteren Jahren) beträgt die Differenz bei konstanten Abzug der Sonderausgaben i.H.v. 70% rund 1,5%. 6 1.

Fazit Die Untersuchung hat ergeben, dass die u.a. durch die Unternehmenssteuerreform teilweise angestrebte Rechtsformneutralität im Bereich der Altersvorsorge des Unternehmers gegeben ist, wenn sich Geschäftsführergehalt und Gewinn des Unternehmens entsprechen.

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

79

2.

Treten im Zeitraum während des Ansparens der Altersvorsorge Verluste auf, so ist der GmbH-Geschäftsführer gegenüber dem Einzelunternehmer steuerlich im Vorteil. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in Verlustjahren und, unter Umständen, in Verlustausgleichsjahren der Sonderausgabenabzug beim Einzelunternehmer entfällt. Um die Rechtsformneutralität annähernd zu gewährleisten, wäre es daher erforderlich Altersvorsorgeaufwendungen nicht als Sonderausgaben, sondern als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten zum Abzug zuzulassen.

3.

Erwähnenswert ist, dass im Verlustfall bei hohen Gewinnen auch ein „Steuersatzeffekt“ beim GmbH-Geschäftsführer auftritt. Dieser Effekt beruht u.a. darauf, dass das Gehalt unabhängig von der Höhe der durchschnittlichen Gewinne mit 50.000 € angesetzt wurde. Um optimal zu gestalten, müssen daher folgende Aspekte berücksichtigt werden: Absolute Höhe der Vorsorgeaufwendungen, Verhältnis der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen zum Geschäftsführergehalt, Verhältnis des Geschäftsführergehalts zum Gewinn und Wahl der Versteuerung der ausgeschütteten Dividenden. Kann bspw. die Höhe des Geschäftsführergehalts sämtliche Auswirkungen des Sonderausgabenabzugs auffangen, wäre die Abgeltungsteuer dem Teileinkünfteverfahren überlegen. Dies ist aber im Einzelfall zu überprüfen.

80

Christiana Djanani / Carl-Alexander Uhlenberg

Literaturverzeichnis Birle, Jürgen, Praxishandbuch der GmbH: Gesellschafts- und Steuerrecht, 1. Aufl., (Herne; Berlin) 2007 Bormann, Michael/Kauka, Ralf/ Ockelmann, Jan, Handbuch GmbH- Recht; Das neue Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Gestaltungspraxis, Rechtsgrundlagen, Steuern, 1. Aufl., Münster 2009 Brähler, Gernot, Umwandlungssteuerrecht, 5. Aufl., Wiesbaden 2009 Djanani, Christiana/Brähler, Gernot/Lösel, Christian, Ertragsteuern, 3. Aufl., Frankfurt a.M. 2008 Freckmann, Anke, Der GmbH-Geschäftsführer im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht; Ein Überblick unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung, in: DStR, 1-2/08 Fuchs, Maximilian/Preis, Ulrich, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl., Köln 2009 Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (AlterseinkünftegesetzAltEinkG) vom 04.07.2004, BGBl. 2004 I Jacobs, Otto-H., Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 4. Aufl., München 2009 Masuch, Andreas/ Meyer, Gerhard, ABC- des GmbH Geschäftsführers 2008, 2. Aufl., Bonn 2008 Preißer, Michael/Sieben, Stefan, Alterseinkünftegesetz, 3. Aufl., Freiburg im Br. ; München [u.a.] 2006 Rick, Eberhard/Gierschmann, Thomas/ Gunsenheimer, Gerhard/ Martin, Ulrike/ Schneider, Josef, Lehrbuch Einkommensteuer, 15. Aufl., Herne 2008 Stehle, Heinz/Leuz, Norbert, Die GmbH als Unternehmungsform: ihre Gestaltung für mittelständische Betriebe, 12. Aufl., Stuttgart 2007 Teufel, Tobias, Steuerliche Rechtsformoptimierung: Gestaltungssuche im Gesellschaft-Gesellschafter-Verhältnis, Frankfurt [u.a.]: Lang 2002 Tillmann, Bert/Schiffers Joachim/Wälzholz, Eckard, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 5. Aufl., Köln 2009 Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen (DeckRV) (§ 2), http://bundesrecht.juris.de/deckrv/index.html Zenthöfer, Wolfgang/Schulze zur Wiesche, Dieter, Einkommensteuer, 9. Aufl., Stuttgart 2007 BSG v. 09.8.1990 – 11 Rar 119/88, in: NJW, Jg. 43, 1991, S. 582

Finanzierungsgrad privater Altersvorsorge als Entscheidungskriterium der Rechtsformwahl

81

BSG v. 18.4.1991 – 7 RAr 32/ 90, in: NZA, 8. Jg., 1991, S. 869 und in: GmbHR 1992, S. 172 BSG v. 04.12.1999 – B 2 U 48/98 R, in GmbHR 2000, S. 618 BSG v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R, in: NZG 2002, S. 431 BSG v. 04.07.2007 – B 11a AL 5/06 R, in: ZIP 2007, S. 2185 (2187) BMF-Schreiben v. 30.01.2008, VI C 8 – S 222/07/0003, IV C 5- S 2345/08/0001, BStBl. 2008 I, S. 390 BMF-Schreiben v. 20.01.2009, IV C 3 – S 496/08/10011, IV C 5- S 2333/07/0003, BStBl. 2009 I, Rz. 94-115

Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften Norbert Herzig / Christian Joisten

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................... 85 2 Abgrenzung von Mehrkomponentengeschäften .......................................... 86 3 Konzeptionen der Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften .. 88 3.1 Konzeption der hinausgezögerten Umsatzrealisation ..................... 89 3.2

Konzeption der Umsatzaufgliederung ............................................. 89

3.3

Konzeption der Kostenabgrenzung.................................................. 90

4 Steuerliche Beurteilung............................................................................... 90 4.1 Darstellung ...................................................................................... 90 4.2

Kritik ............................................................................................. 91 4.2.1 Grundsätzliche Kritik ........................................................... 91 4.2.2 Verschärfung der Fehlbilanzierung aufgrund unzureichender Rückstellungsbildung .................................. 93 4.2.3 Rückstellungsansatz dem Grunde nach ................................ 94 4.2.4 Rückstellungsansatz der Höhe nach ..................................... 95 4.2.4.1 Ansammlung von Rückstellungen .......................... 96 4.2.4.2 Abzinsung von Rückstellungen .............................. 97 4.2.4.3 Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen ................................................ 98

5 Fazit und Ausblick ...................................................................................... 98

Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

1

85

Einleitung

Aus geschäftspolitischen Gründen werden von Unternehmen zunehmend mehrere Leistungen als Bündel angeboten. Hierdurch soll das Verhältnis von Leistendem und Kunden gestärkt werden. Während dem Leistungserbringer daran gelegen ist, eine langfristige Geschäftsbeziehung zu dem Kunden aufzubauen, um so auch in Zukunft profitable Geschäfte abschließen zu können, ist der Kunde daran interessiert, über eine Zusammenarbeit mit dem Verkäufer eine effiziente Nutzung der Produkte sicherzustellen1. Oft stehen die einzelnen Bestandteile eines solchen Mehrkomponentengeschäfts2 in enger Beziehung zueinander und ergeben erst bei Betrachtung des gesamten Vertragsbündels einen Sinn. Das klassische Beispiel für ein Mehrkomponentengeschäft ist die Lieferung eines Mobiltelefons unter Einkaufspreis, wobei der Verkauf des Mobiltelefons aber an den Abschluss eines – im Regelfall – gewinnbringenden Nutzungsvertrages gebunden ist. Ungeachtet der enormen Bedeutung von Mehrkomponentengeschäften in der unternehmerischen Praxis führt deren bilanzielle Abbildung ein Schattendasein. Dabei ist insbesondere die Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften für Theorie und Praxis von großer Bedeutung. Gleichwohl wird ihrer Behandlung von Seiten des Schrifttums bisher nur wenig Aufmerksamkeit zugewandt3. Auch die verschiedenen Rechnungslegungswerke halten nur begrenzt Regelungen zur bilanziellen Abbildung von Mehrkomponentengeschäften bereit. Allein die US-GAAP verfügen über dezidierte Vorschriften zu dieser Problematik. Neben vertragsartspezifischen Vorschriften für Mehrkomponentengeschäfte i. R. langfristiger Fertigungsaufträge in SOP 81-14 und branchenspezifischen Vorschriften in SOP 97-2 für Mehrkomponentengeschäfte in der Softwarebranche hält EITF 00-21 auch branchenübergreifend gültige Richtlinien bereit, die eine sachgerechte Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften gewährleisten sollen. Selbst die ansonsten sehr differenzierten IFRS befassen sich in IAS 18.13 nur äußerst rudimentär mit der Ertragsrealisation bei Mehrkomponentengeschäften. Ebenso unklar ist die Regelung im deutschen Handelsrecht. Hier stellt § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB lediglich klar, dass Erträge erst ausgewiesen werden dürfen, 1 2

3

4

Vgl. Dirks, The Journal of Corporate Accounting and Finance, Spring 1998, S. 97. Mehrkomponentengeschäfte werden in der internationalen Rechnungslegung als multiple element arrangements bzw. arrangements with multiple deliverables bezeichnet. Der Begriff des Mehrkomponentengeschäfts geht auf Küting/Turowski/Pilhofer, WPg 2001, S. 306 zurück. Vgl. im deutschen Schrifttum etwa Erchinger/Melcher, KoR 2009, S. 89 ff.; Wüstemann/Kierzek, zfbf 2007, S. 882 ff.; Sessar, Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung im deutschen Bilanzrecht, S. 104 ff.; Lüdenbach/Hoffmann, DStR 2006, S. 153 ff.; Pilhofer, Umsatz- und Gewinnrealisierung im internationalen Vergleich, S. 363 ff.; Küting/Turowski/Pilhofer, WPg 2001, S. 305 ff. Vgl. hierzu Ernst&Young, Financial reporting developments, Revenue arrangements with multiple deliverables - EITF Issue No. 00-21, S. 25.

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wenn sie realisiert sind. Über die Maßgeblichkeit wird die unklare Rechtslage des HGB auch in das Steuerrecht transferiert. Bei dieser Ausgangslage sind Rechtsprechung und Finanzverwaltung gelegentlich gezwungen, sich mit der bilanziellen Behandlung von Mehrkomponentengeschäften zu befassen, ohne diese Problematik jedoch als solche zu adressieren. Bekannt geworden sind insbesondere die Urteile5 und Verwaltungsanweisungen6 zu Nachbetreuungsleistungen von Hörgeräteakustikern. Einen Versuch, eine stärkere Regelungsdichte hinsichtlich der bilanziellen Behandlung von Mehrkomponentengeschäften zu erreichen, unternahm das DRSC. In einem 2002 publizierten Exposure Draft7 präsentierte das DRSC Vorschläge zur Ertragsrealisation, bei denen auch Mehrkomponentengeschäfte ausdrücklich berücksichtigt wurden. Das Projekt konnte jedoch nicht zum Abschluss gebracht werden. Zudem war das gesamte Unterfangen ohnehin kritisch zu sehen, da die Ertragsrealisation auch für den Einzelabschluss relevant ist und somit davon ausgegangen werden konnte, dass das DRSC seine Kompetenzen überschritten hätte. Denkbar ist auch, dass hierdurch eine zu starke Gewichtung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses erfolgt wäre und andere Zielsetzungen, wie etwa die Ausschüttungsbemessung unzureichend berücksichtigt worden wären8. Ziel dieses Beitrags ist es, die Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften im Steuerrecht anhand einiger Fälle darzustellen und einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Beim Jubilar, der sich intensiv mit Fragen der Ertragsrealisation beschäftigt hat, hoffen wir mit diesen Überlegungen auf Interesse zu stoßen. 2

Abgrenzung von Mehrkomponentengeschäften

Wir sind der Ansicht, dass Mehrkomponentengeschäfte die vertragliche Vereinbarung über die Erbringung mehrerer unterscheidbarer Leistungen umfassen, wobei die Vergütungen dieser Leistungen in Zusammenhang zu einander stehen müssen. Ein solcher kann sich daraus ergeben, dass die Leistungen in einem Vertrag geregelt werden, kann aber auch vorliegen, wenn mehrere Verträge un-

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BFH-Urteil v. 05.06.2002, I R 96/00, BStBl. II 2005, S. 736; BFH-Urteil v. 10.12.1992, XI R 34/91, BStBl. II 1994, S. 158; FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 03.06.1991, 5 K 2874/90, EFG 1991, S. 654. BMF-Schreiben v. 12.10.2005, IV B 2 – S 2137 – 38/05, BStBl. I 2005, S. 953. Online im Internet: http://www.standardsetter.de/drsc/docs/drafts/17.pdf; vgl. hierzu auch Schmidbauer, DStR 2002, S. 2051 ff. Für diese Überlegung spricht etwa, dass von Seiten des DRSC die sogenannte Percentage-ofCompletion Method für langfristige Fertigungsaufträge in Betracht gezogen wurde, obwohl diese nach überwiegender Auffassung nicht mit dem Realisationsprinzip zu vereinbaren ist.

Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

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terschiedliche, aber komplementäre Leistungen regeln, sofern die Verträge mit derselben Person oder nahe stehenden Personen geschlossen wurden9. Bei einem Vertrag, der mit nahe stehenden Personen geschlossen wird, ist es zudem erforderlich, dass die Personen in Hinblick auf die Geschäftsvorfälle gleich gerichtete Interessen verfolgen10. Ein Mehrkomponentengeschäft muss die Erbringung von Leistungen zum Gegenstand haben. Unserer Auffassung nach ist der Leistungsbegriff des Umsatzsteuerrechts gut geeignet, um alle möglichen Bestandteile eines Mehrkomponentengeschäfts zu erfassen, da dieser das gesamte Spektrum möglicher Leistungshandlungen abdeckt11. Zudem ist ein Mehrkomponentengeschäft nur dann gegeben, wenn eine Mehrheit von Leistungen vorliegt12. Die Bedeutung dieses Aspekts sollte nicht unterschätzt werden, wird hierdurch doch die Abgrenzung zu langfristigen Fertigungsaufträgen offenbar. Bei diesen liegt nur eine Leistung vor, auch wenn zu deren Erbringung eine Vielzahl von Handlungen erforderlich ist. Neben diesem materiell bedeutsamen Unterschied zwischen Mehrkomponentengeschäften und langfristiger Auftragsfertigung ergibt sich ein weiteres Abgrenzungskriterium daraus, dass sich die langfristige Auftragsfertigung über mehrere Perioden erstreckt, während es bei Mehrkomponentengeschäften durchaus denkbar ist, dass diese in einer Periode vollumfänglich abgewickelt werden13. Unseres Erachtens kann dieses Kriterium jedoch allenfalls als ergänzendes Abgrenzungsmerkmal herangezogen werden, da es vielmehr dazu beiträgt, kurz- und langfristige Auftragsfertigung voneinander zu trennen14. Sodann ist als weitere Eigenheit von Mehrkomponentengeschäften die Unterscheidbarkeit der Leistungen zu fordern. Zunächst kann auch hierin eine Abgrenzung zur langfristigen Auftragsfertigung gesehen werden. Die Leistungen sind nicht mehr unterscheidbar, wenn sie in einem Ganzen aufgehen und bei isolierter Betrachtung keinen Sinn ergeben. Die Leistungen müssen somit voneinander abgrenzbar sein15. Sodann kann dieses Kriterium aber auch dahingehend interpretiert werden, dass verschiedene Leistungen vorliegen müssen. Hierdurch grenzen sich Mehrkomponentengeschäfte von Sukzessivlieferverträgen ab, welche die kontinuierliche Erbringung mehrerer gleichartiger Leistungen regeln.

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15

Vgl. Munter, Analyzing Multiple Deliverable Arrangements - EITF 00-21, Wiley Periodicals 2003, S. 77. Das Kriterium der nahe stehenden Person sollte aus diesem Grund streng ausgelegt werden. Vgl. Hunsmann, in: Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG Kommentar, § 1 Rz. 72. Dies spiegelt sich bereits in dem Begriff Mehrkomponentengeschäft wieder. Vgl. Pilhofer, Umsatz- und Gewinnrealisierung im internationalen Vergleich, S. 366. Vgl. zur Unterscheidung von lang- und kurzfristiger Auftragsfertigung Krawitz, DStR 1997, S. 886. Vgl. Pilhofer, Umsatz- und Gewinnrealisierung im internationalen Vergleich, S. 366; Küting/Turowski/Pilhofer, WPg 2001, S. 306.

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Nachdem festgestellt wurde, dass ein Mehrkomponentengeschäft mehrere unterscheidbare Leistungen umfassen muss, stellt sich die Frage, inwiefern diese Leistungen miteinander verknüpft sein müssen. So ist z. B. umstritten, ob der Abschluss eines Vertrages, der mehrere unterschiedliche Leistungen regelt, bereits ausreichend ist, um ein Mehrkomponentengeschäft zu begründen16. Insbesondere entsteht somit die Frage, ob die einzelnen Leistungen zueinander komplementär sein müssen17. Teilweise wird sogar verlangt, dass eine oder mehrere Leistungen von einer Hauptleistung abgrenzbar sein müssen18. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, da das Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung kein Kriterium für das Vorliegen eines Mehrkomponentengeschäfts sein muss19. Nicht zuletzt wird es in vielen Fällen – so etwa auch dem Beispiel des Mobiltelefons – schwierig sein, überhaupt festzustellen, worin Haupt- und Nebenleistung bestehen. Auch Komplementarität ist nach unserer Auffassung nicht erforderlich, da alle für die Behandlung von Mehrkomponentengeschäften relevante Fragen20 auch bei fehlender Komplementarität zu beachten sind21. Somit liegt ein Mehrkomponentengeschäft vor, wenn mehrere Leistungen in einem Vertrag geregelt sind. Ein Mehrkomponentengeschäft kann allerdings auch bei mehreren Verträgen gegeben sein, sofern sie wirtschaftlich als ein Vorgang zu bewerten sind. Insofern stellt sich die Frage nach einer Aufteilung des Gewinns nicht erst dadurch, dass es den Vertragsparteien widerstrebt, separate Verträge abzuschließen22. 3

Konzeptionen der Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

Die Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften steht im Spannungsfeld von Informations- und Zahlungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses. Während unter dem Gesichtspunkt der Zahlungsbemessungsfunktion die Gewinnrealisation eher spät erfolgen sollte, besteht aufgrund der Informationsfunktion des Jahresabschlusses ein Interesse daran, den Prozess der Erfolgsentste16

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21 22

Ablehnend Stellungnahme zum E-DRS 17 durch das Institut der Wirtschaftsprüfer e. V.; bejahend E-DRS 17.7. So etwa Erchinger/Melcher, KoR 2009, S. 90; Lüdenbach/Hoffmann, DStR 2006, S. 153. Vgl. Pilhofer, Umsatz- und Gewinnrealisierung im internationalen Vergleich, S. 366. Im Ergebnis auch Gelhausen, Das Realisationsprinzip im Handels- und Steuerbilanzrecht, S. 210 ff., der zwischen Gewinnrealisation bei ausstehenden Nebenleistungen und Gewinnrealisation bei ausstehenden Teilleistungen unterscheidet. Zu klären ist insbesondere, ob der Gewinn für mehrere Leistungen zusammengefasst oder separat zu realisieren ist. Für den Fall, dass eine Teilgewinnrealisierung bejaht wird, ist der Gewinn auf die einzelnen Komponenten zu verteilen. Hierfür spricht auch das Beispiel bei Erchinger/Melcher, KoR 2009, S. 91. So aber Pilhofer, Umsatz- und Gewinnrealisierung im internationalen Vergleich, S. 364.

Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

89

hung möglichst den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend abzubilden. Wird der Aspekt der Informationsvermittlung weiter unterteilt, so ist auch ein Konflikt zwischen Relevanz und Verlässlichkeit der Informationen festzustellen. Da mit zunehmendem Fortschritt der Leistungserstellung das Risiko des Leistungserbringers in der Regel abnimmt, ist eine spätere Umsatz- und Ertragsrealisation als besonders verlässlich anzusehen. Entscheidungsrelevant ist jedoch eine Gewinnrealisation, die den Beitrag einer einzelnen Periode zum Erfolg des Unternehmens widerspiegelt. Letztlich ist eine vorzeitige Gewinnrealisation jedoch auch aus Informationsgesichtspunkten abzulehnen23. Aus diesem Grund stellen auch die ausschließlich informationsorientierten US-GAAP strenge Anforderungen an die Gewinnrealisation bei Mehrkomponentengeschäften. Im Schrifttum werden drei Konzeptionen der Gewinnrealisation bei Mehrkomponentengeschäften unterschieden24, die im Folgenden kurz dargestellt werden, ehe eine Analyse einiger Aspekte der Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften im deutschen Steuerrecht vorgenommen wird. 3.1

Konzeption der hinausgezögerten Umsatzrealisation

Kommt die Konzeption der hinausgezögerten Umsatzrealisation zur Anwendung, wird der Gewinn erst realisiert, wenn die Leistungserbringung vollständig abgeschlossen ist. Auch bei Hinauszögerung der Umsatzrealisation müssen die Ansatzkriterien für alle Teilleistungen separat geprüft werden, da der Ertrag erst dann erfasst werden darf, wenn die Ansatzkriterien der letzten Teilleistung erfüllt sind. Aufgrund der sehr späten Gewinnrealisation erfüllt die hinausgezögerte Umsatzrealisation in besonderem Maße die Ansprüche des Vorsichtsprinzips. Insbesondere wird verhindert, dass ein Gewinn ausgewiesen wird, obwohl dieser aufgrund der Nichterfüllung zeitlich nachgelagerter Teilleistungen nicht realisiert werden kann. Diese Methode dürfte somit vor allem für Zwecke der Zahlungsbemessung im Handels- und Steuerrecht geeignet sein. Mit der Informationsfunktion des Jahresabschlusses ist sie hingegen nur bedingt zu vereinbaren25. Zudem wird auch nicht der tatsächlich realisierte Gewinn ausgewiesen, wenn unter Umständen bereits ein Anspruch auf Gegenleistung erworben wurde. 3.2

Konzeption der Umsatzaufgliederung

Die Umsatzaufgliederung stellt eine Methode der Teilgewinnrealisierung dar. Bei dieser werden einzelne Leistungen bzw. Leistungsbündel identifiziert, auf

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25

Gl. A. Gelhausen, Das Realisationsprinzip im Handels- und Steuerrecht, S. 65. Ausführlich hierzu Pilhofer, Umsatz- und Gewinnrealisierung im internationalen Vergleich, S. 367. Aus diesem Grund sind ggf. Anhangsangaben entsprechend § 262 Abs. 2 Satz 2 HGB in Betracht zu ziehen. So auch Wüstemann/Kierzek, zfbf 2007, S. 902 f.

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die Umsatz und Ertrag entsprechend eines Schlüssels aufgeteilt werden. Von Bedeutung ist somit die sachliche und wertmäßige Trennung der Teilleistungen. Die Leistungen sollen insbesondere dann dem Grunde nach trennbar sein, wenn sie für den Kunden einen eigenen Wert haben oder dieser die Leistungen separat von verschiedenen Abnehmern beziehen kann. In einem zweiten Schritt muss das Gesamtentgelt nach wirtschaftlichen Kriterien auf die einzelnen Komponenten verteilt werden. Ohne an dieser Stelle auf Details eingehen zu können, lässt sich hier bereits Folgendes festhalten: Werden die Kriterien streng ausgelegt, entspricht dies einer echten Gewinnrealisierung. Bei einer eher weiten Interpretation nähert sich eine Teilgewinnrealisierung hingegen an die (unzulässige) Teilgewinnrealisierung bei langfristigen Fertigungsaufträgen an. Zu beachten ist, dass die US-GAAP tendenziell sehr strenge Anforderungen an eine Teilgewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften stellen und im Zweifelsfall der Konzeptionen der hinausgezögerten Umsatzrealisation den Vorzug geben. 3.3

Konzeption der Kostenabgrenzung

Die Kostenabgrenzung sieht vor, dass der Umsatz mit Erbringung der Hauptleistung in vollem Umfang realisiert wird. Für die noch ausstehenden Teilleistungen wird eine Rückstellung in Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten gebildet. Sowohl die Umsatzerlöse als auch die Gewinnmarge der noch nicht erbrachten Nebenleistungen werden in der Periode der Erfüllung der Hauptleistung realisiert26. Diese Methode kann somit nur dann zur Anwendung kommen, wenn eine Hauptleistung identifizierbar ist. Dies wird in vielen Fällen jedoch nicht möglich sein. Im Idealfall führt die Kostenabgrenzung dazu, dass die Rückstellung in den Folgeperioden erfolgsneutral aufgelöst wird. Aufgrund ihrer großen Bedeutung für die Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften im deutschen Handelsund Steuerrecht soll dieser Methode im Folgenden erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Zudem wird gezeigt, dass sie nicht selten zu einer Fehlbilanzierung von Mehrkomponentengeschäften führen kann. 4

Steuerliche Beurteilung

4.1

Darstellung

Verpflichtet sich ein Hörgeräteakustiker beim Verkauf einer Hörhilfe für einen bestimmten Zeitraum, kostenlos Nachbetreuungsleistungen zu erbringen, so hat er nach Auffassung des BFH eine Rückstellung für diese Verpflichtung zu bil-

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Vgl. Küting/Turowski/Pilhofer, WPg 2001, S. 307.

Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

91

den27. Die Verpflichtung zur Erbringung von Nachbetreuungsleistungen ergab sich ebenso wie eine Verpflichtung zur Erbringung von Garantieleistungen aus dem Vertragsverhältnis zwischen Hörgeräteakustiker und Krankenkasse. Streitgegenstand war die Frage, ob die Bildung einer Rückstellung für die Leistungen zulässig war. Nach Auffassung der Finanzverwaltung war eine Rückstellung nicht ansatzfähig, da die Verpflichtung nicht wirtschaftlich verursacht sei. Dem wurde von Seiten des BFH widersprochen, der die Rückstellung als ansatzfähig ansah, da die entsprechende Verpflichtung rechtlich entstanden und wirtschaftlich verursacht sei. Dieser Auffassung hat sich mitlerweile auch die Finanzverwaltung angeschlossen28. Die dargestellte Bilanzierung entspricht der Konzeption der Kostenabgrenzung. Der Ertrag des gesamten Geschäfts wird mit Erbringung der Hauptleistung, in diesem Fall der Lieferung des Hörgeräts, realisiert. Für die ausstehende Nebenleistung in Form der Nachbetreuung wird korrespondierend eine Rückstellung in Höhe der erwarteten Kosten gebildet. Diese Bilanzierungspraxis gilt es im Folgenden kritisch zu analysieren. Zu beachten ist, dass die Kostenabgrenzung keineswegs als einzige Form der Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften in Betracht zu ziehen ist. Vielmehr wird etwa der Verkauf mit Finanzierung nach Maßgabe der Umsatzaufgliederung aufgeteilt. Auch sollte der Konzeption der hinausgezögerten Umsatzrealisation in der bilanzrechtlichen Praxis große Bedeutung beikommen. 4.2

Kritik

4.2.1

Grundsätzliche Kritik

Obwohl die Bilanzierung eines Kaufvertrags bei gleichzeitiger Vereinbarung von Nachbetreuungsleistungen nach Auffassung des BFH anhand der Kostenabgrenzung bilanziert werden kann, ist diese Vorgehensweise kritisch zu sehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der BFH die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auslegt, da sich die steuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts über die Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG aus der handelsrechtlichen Rechnungslegung ergibt. Im Grundsatz führt die Kostenabgrenzung dazu, dass der Erfolgsbeitrag der Nebenleistung – hier der Nachbetreuung – bilanziell ignoriert wird. Zunächst kommt es zu einem Fehlausweis des Umsatzes, der steuerrechtlich aufgrund fehlender Informationsfunktion zwar irrelevant, handelsrechtlich aber nicht zu tolerieren ist29. Hierbei wird jedoch übersehen, dass nicht nur der Umsatz, sondern auch der Gewinn falsch ausgewiesen wird. Zwar ergibt sich über die Gesamtlaufzeit des Mehrkomponentengeschäfts der

27 28 29

BFH-Urteil v. 05.06.2002, I R 96/00, BStBl. II 2005, S. 736. BMF-Schreiben v. 12.10.2005, IV B 2 – S 2137 – 38/05, BStBl. I 2005, S. 953 f. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann, DStR 2006, S. 126.

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gleiche Gewinn, unabhängig davon, welche Bilanzierungsmethode gewählt wird, gleichwohl führt die Konzeption der Kostenabgrenzung zu einem vorzeitigen Gewinnausweis, da eine Zuordnung der gesamten Gewinnmarge zu der Periode erfolgt, in der die Hauptleistung erbracht wird. Der Unterschied zwischen Kostenabgrenzung und hinausgezögerter Umsatzrealisation steigt dabei mit zunehmenden Gewinnmargen der noch nicht erbrachten Teilleistungen30. Zu beachten ist, dass nicht nur die Zuordnung zu den einzelnen Perioden falsch ist, sondern der Gewinn auch auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche unzutreffend aufgeteilt wird. Entsprechend der Logik der Kostenabgrenzung ist nur die Hauptleistung gewinnbringend. Dies entspricht aber kaum der unternehmerischen Wirklichkeit, sodass die Informationsvermittlung bei Anwendung der Kostenabgrenzung eingeschränkt ist. Bezogen auf den Fall des Hörgeräteakustikers impliziert dies, dass die Nachbetreuung als ertragslose Tätigkeit eingestuft wird und somit eingestellt werden sollte. In der Realität wird aber der Verkauf eines Hörgeräts nur bei gleichzeitiger Vereinbarung von Nachbetreuungsleistungen möglich sein. Die Bedeutung der Nebenleistung für die Erfolgsentstehung wird somit nicht berücksichtigt. In diesem Fall führt die zivilrechtliche Vereinbarung in einem Vertrag dazu, dass der wirtschaftliche Gehalt des Vorfalls nicht zutreffend abgebildet wird. Hierin ist ein Verstoß gegen den Grundsatz einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu sehen, wonach der wirtschaftliche Gehalt einer zivilrechtlichen Vereinbarung im Vordergrund stehen sollte und nicht die formale Ausgestaltung31. Betrachtet man den Sachverhalt, der sich zivilrechtlich als einziger Vertrag darstellt unter Zugrundelegung seines wirtschaftlichen Gehalts, stellt sich das Konstrukt als Kombination zweier Verträge dar. Zunächst liegt ein Kaufvertrag über das Hörgerät, sodann aber auch ein Vertrag über die Nachbetreuung vor. Ein Nachbetreuungsvertrag kann grundsätzlich auch unabhängig von einem bestehenden Kaufvertrag geschlossen werden und verkörpert für den Kunden einen eigenständigen Nutzen. Die oben skizzierte Darstellung des Geschäftsvorfalls entspricht somit nicht der wirtschaftlichen Realität. Dies zeigt sich auch bei einem Vergleich mit der internationalen Rechnungslegung. In IAS 18.13 wird der Verkauf eines Produktes mit gleichzeitigem Abschluss eines Servicevertrags als Beispiel für ein Mehrkomponentengeschäft aufgeführt. Den Ausführungen des Standardsetters folgend, ist die im Kaufpreis enthaltene Vergütung für die Nachbetreuungsleistungen passivisch abzugrenzen und erst über den Zeitraum der Nachbetreuung als Ertrag zu erfassen32. Folglich bildet die internationale

30 31 32

Vgl. Pilhofer, Umsatz- und Gewinnrealisierung im internationalen Vergleich, S. 373. Vgl. Moxter, StuW 1989, S. 232; Lüders, DB 1986, S. 1946. Zu beachten ist, dass diese Vorgehensweise nur dann Anwendung findet, wenn eine Trennung der Leistungen wirtschaftlich angemessen ist. Unzulässig dürfte eine Trennung insbesondere dann sein, wenn die zeitlich nachgelagerte Leistung von großer Bedeutung für den Erfolg der ersten Leistung ist. In diesem Fall ist die Ertragsrealisation hinauszuzögern.

Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

93

Rechnungslegung den Sachverhalt realitätsgerechter ab, als dies nach Handelsbzw. Steuerrecht der Fall ist. Bemerkenswert ist hier, dass die internationale Rechnungslegung nicht nur der Informationsfunktion eher gerecht wird, sondern zugleich auch eine vorsichtigere Gewinnermittlung impliziert. Verantwortlich hierfür ist, dass der Gewinn aus der Nachbetreuung nach internationaler Rechnungslegung erst dann realisiert wird, wenn die Nachbetreuung tatsächlich bewirkt wird. Somit erfüllt die Umsatzaufgliederung alle Funktionen des Jahresabschlusses besser als die im oben erwähnten Urteil angestrebte Kostenabgrenzung. Sie ist informativer und vorsichtiger zugleich. Zudem steht sie, anders als die Kostenabgrenzung, auch in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH zur Gewinnrealisation, nach der für noch zu erbringende Leistungen gewährte Zahlungen nicht erfolgswirksam erfasst werden dürfen33. Der BFH blendet den wirtschaftlichen Gehalt des Geschäftsvorfalls durch Verweis auf eine fehlende zivilrechtliche Vereinbarung im Fall des Hörgeräteakustikers aus34. Handelsrechtlich kommt es zu einer Informationsverzerrung. Zudem werden überhöhte Gewinne zur Ausschüttung zugelassen. Korrespondierend steht auch ein überhöhter Gewinn für Besteuerungszwecke zur Verfügung. Aufgrund der Totalgewinngleichheit der verschiedenen Konzeptionen resultiert hieraus im Regelfall ein Zinsnachteil für den Steuerpflichtigen, da dieser die Steuerzahlungen zu früh leisten muss. 4.2.2

Verschärfung der Fehlbilanzierung aufgrund unzureichender Rückstellungsbildung

Wie dargelegt werden konnte, führt die Kostenabgrenzung zu einem unzutreffenden Ergebnisausweis. Insbesondere wird den Nebenleistungen nur dann ein Anteil am Gesamterfolg des Mehrkomponentengeschäfts zugerechnet, wenn die Rückstellung zu hoch angesetzt wird. Für den Fall einer Rückstellungsbildung in zutreffender Höhe sind die Nebenleistungen hingegen in ihrer bilanziellen Abbildung als erfolgslose Geschäfte anzusehen. Wird die Rückstellung zu niedrig angesetzt, wird der Ergebnisausweis noch weiter verzerrt. In diesem Fall wird in der Periode der Erbringung der Hauptleistung ein überhöhter Gewinn ausgewiesen, der nie realisiert werden kann. In den Folgeperioden resultieren hingegen Verluste aus dem Geschäft. Zu einer derartigen Verschärfung der Fehlbilanzierung kann es insbesondere dann kommen, wenn die Rückstellungen: 1) Dem Grunde nach nicht angesetzt oder 2) Der Höhe nach nicht angemessen gebildet werden dürfen.

33 34

BFH-Urteil v. 29.11.2007, IV R 62/05, BStBl. II 2008, S. 559. BFH-Urteil v. 10.12.1992, XI R 34/91, BStBl. II 1994, S. 162.

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Norbert Herzig / Christian Joisten

4.2.3

Rückstellungsansatz dem Grunde nach

Der Rückstellungsansatz dem Grunde nach war Gegenstand des oben skizzierten Rechtstreits. Fraglich war, ob eine Rückstellung für die ausstehenden Nebenleistungen angesetzt werden durfte. Ein fehlender Rückstellungsansatz würde zu dem Ergebnis führen, dass in der Periode der Hauptleistung ein Gewinn ausgewiesen würde, der um den Erfüllungsbetrag der Nebenleistungsverpflichtungen und deren Gewinnmarge erhöht wäre. Gegenüber dem Standardfall der Kostenabgrenzung werden somit zusätzlich noch die Kosten der Nebenleistungen als Gewinn erfasst, folglich ein nicht realisierbarer Scheingewinn ausgewiesen. Im Folgenden soll deshalb analysiert werden, inwiefern ein Rückstellungsansatz bei Anwendung der Kostenabgrenzung zulässig ist. Verbindlichkeitsrückstellungen i. S. des § 249 Abs. 1 HGB dürfen nur angesetzt werden, wenn35: 1) Eine Außenverpflichtung besteht und die zur Erfüllung dieser Verpflichtung erforderlichen Aufwendungen dem Grunde oder der Höhe nach ungewiss sind. 2) Die Inanspruchnahme des Schuldners wahrscheinlich ist. Dies bezieht sich zum einen auf die Wahrscheinlichkeit des Bestehens oder Entstehens der Außenverpflichtung und zum anderen auf die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung des Anspruchs durch den aus der Verpflichtung Berechtigten und 3) Die Verpflichtung rechtlich entstanden oder wirtschaftlich verursacht ist. Als eher unproblematisch stellen sich hierbei die ersten beiden Kriterien dar. Die Verpflichtung aus dem Mehrkomponentengeschäft besteht gegenüber dem Kunden bzw. im Fall des Hörgeräteakustikers gegenüber der Krankenkasse. Weiterhin ist unklar, ob bzw. in welcher Höhe die Leistung tatsächlich in Anspruch genommen werden wird. Ob eine Inanspruchnahme des Schuldners wahrscheinlich ist, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme wurde im oben zitierten Fall nicht bestritten. Als problematisch könnte sich somit allenfalls das Zusammenspiel von rechtlicher Entstehung und wirtschaftlicher Verursachung darstellen. Im Falle der Nachbetreuungsleistungen von Hörgeräteakustikern wurde der Ansatz einer Rückstellung abgelehnt, da diese nicht wirtschaftlich verursacht sei36. Diese Auffassung ist allerdings abzulehnen. Zunächst ist es unerheblich, ob die Verpflichtung wirtschaftlich verursacht ist, wenn sie bereits rechtlich entstanden ist37. Des Weiteren ist die Verpflichtung mit Vereinnahmung des Entgelts auch

35 36 37

BFH-Urteil v. 08.11.2000, I R 6/96, BStBl. II 2001, S. 570. BMF-Schreiben v. 07.02.1994, IV B 2 - S 2137 - 3/94, BStBl. I 1994, S. 140. BFH-Urteil v. 05.06.2002, I R 96/00, BStBl. II 2005, S. 738.

Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

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wirtschaftlich verursacht38. Sofern der Umsatz für mehrere in einem Vertrag geregelte Geschäfte bereits mit Erbringung der Hauptleistung realisiert wird, sind auch alle aus diesem Geschäft resultierenden Kosten durch eine Rückstellung abzubilden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es sich bei den Rückstellungen nicht um Drohverlustrückstellungen i. S. des § 5 Abs. 4a EStG handelt, die abweichend vom Handelsrecht steuerrechtlich nicht gebildet werden dürfen. Vielmehr handelt es sich um Rückstellungen für einen Erfüllungsrückstand39. Ansprüche und Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften sollen solange nicht bilanziert werden, soweit sie sich ausgleichend gegenüberstehen, unabhängig von ihrer rechtlichen Entstehung vor dem Bilanzstichtag40. Aktivierungen und Passivierungen sind erst dann vorzunehmen, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch schuldrechtliche Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände gestört ist41. Ein Erfüllungsrückstand ist darin begründet, dass die Vergütung für das gesamte Geschäft bereits vollständig erbracht wurde, der Hörgeräteakustiker seine Verpflichtung jedoch noch nicht vollumfänglich erfüllt hat. Folglich ist der Ansatz einer Rückstellung bei Abschluss mehrerer verbundener Geschäfte für die noch nicht erbrachten Leistungen zulässig, sodass eine Verschärfung der Fehlbilanzierung hieraus nicht zu erwarten ist. 4.2.4

Rückstellungsansatz der Höhe nach

Als ähnlich problematisch stellt sich die Bewertung der Rückstellungen dar. Wird die Rückstellung zu niedrig angesetzt, erhöht sich der Gewinn aus dem Mehrkomponentengeschäft um die Differenz aus Erfüllungsbetrag und tatsächlich angesetzter Rückstellung. Auch in diesem Fall wird ein Scheingewinn ausgewiesen. Die Unterbewertung der Rückstellungen ist insbesondere vor dem Hintergrund bedeutend, dass der Gesetzgeber aus fiskalischen Motiven starken Einfluss auf die steuerliche Rückstellungsbewertung nimmt. Auch handelsrechtlich können jedoch Probleme auftreten. Bei zusammengefasster Betrachtung sind drei Aspekte bei der Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften von Interesse: 1) die Ansammlung von Rückstellungen, 2) die Abzinsung von Rückstellungen und

38 39

40 41

BFH-Urteil v. 05.06.2002, I R 96/00, BStBl. II 2005, S. 738. Vgl. zur Unterscheidung von Drohverlustrückstellungen und Rückstellungen für Erfüllungsrückstand Nehm, DB 1984, S. 949 f. BFH-Urteil v. 08.12.1982, I R 142/81, BStBl. II 1983, S. 371. BFH-Urteil v. 26.06.1980, IV R 35/74, BStBl. II 1980, S. 507; BFH-Urteil v. 26.05.1976, I R 80/4, BStBl. II 1976, S. 623.

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3) die eingeschränkte Berücksichtigung zukünftiger Preis- und Kostensteigerungen. 4.2.4.1 Ansammlung von Rückstellungen Unter Ansammlung ist die periodische Verteilung eines Rückstellungsbetrages zu verstehen. Verschiedene Rückstellungsarten, bei denen eine Aufwandsperiodisierung vorgenommen wird, lassen sich wie folgt eingrenzen42: 1) die echten Ansammlungsrückstellungen, 2) die Anwachsungsrückstellungen und 3) die Verteilungsrückstellungen. Als echte Ansammlungsrückstellungen werden Rückstellungen bezeichnet, bei denen eine periodengerechte Aufwandszuordnung vor dem Zeitpunkt der rechtlichen Verpflichtungsentstehung sichergestellt werden muss. Es liegen Verpflichtungen vor, die zwar wirtschaftlich verursacht, nicht aber rechtlich entstanden sind. Bei Anwachsungsrückstellungen fallen wirtschaftliche Verursachung und rechtliche Entstehung zusammen. Der Umfang der wirtschaftlichen Verursachung entwickelt sich hierbei parallel zum Umfang der rechtlichen Entstehung. Unter den Begriff der Verteilungsrückstellung fallen solche Rückstellungen, bei denen eine Verpflichtung vollumfänglich vor dem Bilanzstichtag besteht. Allerdings soll der Rückstellungsbetrag nach Maßgabe der wirtschaftlichen Verursachung auf verschiedene Perioden verteilt werden43. Gemein ist allen drei Rückstellungsarten, dass die Rückstellungen nicht unmittelbar in voller Höhe angesetzt werden dürfen. Ebenso ist keine der drei Periodisierungsmethoden im Falle der Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften nach Maßgabe der Kostenabgrenzung anwendbar. Eine echte Ansammlungsrückstellung kann nicht vorliegen, da die Verpflichtung zur Erbringung der nachgelagerten Leistungen bereits mit Vertragsschluss rechtlich entstanden ist44. Abzulehnen ist auch der Ansatz einer Verteilungsrückstellung, da durch Realisation des gesamten Ertrags auch die Verpflichtung zur Erbringung der Nebenleistungen wirtschaftlich verursacht ist. Des Weiteren scheidet der Ansatz einer Anwachsungsrückstellung aus, da diese eine fortschreitende Entwicklung von rechtlicher Entstehung und wirtschaftlicher Verursachung voraussetzt. Die Verpflichtung zur Erbringung von Nebenleistungen eines Mehrkomponentengeschäfts entsteht jedoch zeitpunktbezogen und ist ebenfalls in einem Zeitpunkt wirtschaftlich verursacht. 42 43

44

Vgl. Koths, StbJb 1999/2000, S. 257 f. Die Verteilung von Rückstellungsbeträgen ist mit der Rechtsprechung des BFH nicht vereinbar, die einen Ansatz einer rechtlich entstandenen Verpflichtung unabhängig von einer evtl. nachfolgenden wirtschaftlichen Verursachung fordert. Dennoch ist die Verteilung von Rückstellungsbeträgen in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG explizit vorgeschrieben. FG Berlin, Urteil v. 08.05.2000, 8 K 8059/97, EFG 2000, S. 1306.

Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

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4.2.4.2 Abzinsung von Rückstellungen Die Abzinsung von Rückstellungen führt dazu, dass der Rückstellungsbetrag den Erfüllungsbetrag unterschreitet. Bei der Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften hat dies zur Folge, dass sich der Gewinn um den Abzinsungsbetrag erhöht. § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB n. F. schreibt vor, dass Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr abzuzinsen sind. Fraglich ist, wie bei Rückstellungen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr zu verfahren ist. Teilweise wird argumentiert, dass hieraus ein Abzinsungswahlrecht für Rückstellungen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr resultiere45. Andere Literaturmeinungen gehen in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung46 von einem Abzinsungsverbot aus47. Unabhängig davon, welcher Meinung gefolgt wird, zeigt sich bereits hier, dass bei Nebenleistungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr stets ein Scheingewinn in Höhe des Abzinsungsbetrages ausgewiesen wird48. Anders stellt sich die Situation im Steuerrecht dar. Zwar ist in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG die Abzinsung von Rückstellungen explizit vorgeschrieben, gleichwohl scheidet die Abzinsung von Rückstellungen für verbleibende Verpflichtungen eines Mehrkomponentengeschäfts aus. Verantwortlich hierfür ist § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG, der bestimmt dass bei Sachleistungsverpflichtungen der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung gleichzeitig den Abzinsungszeitraum festlegt. Bei einem Verpflichtungsbündel soll hierbei der Beginn der Erfüllung der ersten Teilleistung maßgeblich sein49. Für Mehrkomponentengeschäfte sind hier zwei Ansätze denkbar: Zum einen kann das Mehrkomponentengeschäft insgesamt als Bündel aufgefasst werden, zum anderen können die verbleibenden Nebenleistungen als einheitliche Verpflichtung betrachtet werden, die wiederum losgelöst von der Hauptleistung zu sehen ist. Aufgrund der zusammengefassten Betrachtung des Mehrkomponentengeschäfts ist unseres Erachtens der Beginn der Erfüllung bereits bei Vornahme der ersten Handlung anzunehmen, d. h. spätestens bei Erbringung der Hauptleistung, sodass eine Abzinsung der Rückstellung nicht zulässig ist. Folgt man hingegen der zweiten Auffassung, kommt eine Abzinsung grds. in Betracht. Allerdings ist diese wiederum dahingehend beschränkt, dass lediglich bis zum Beginn der Erfüllung abgezinst werden darf. Dies wird auch durch die BFHRechtsprechung bestätigt, die im Fall des Hörgeräteakustikers von einer einzigen Verpflichtung ausgeht. Eine weitergehende Aufteilung der Verpflichtung in ihre Leistungsbestandteile ist nicht zulässig. Völlig ausgeschlossen ist eine Abzin45 46 47 48

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Vgl. Küting/Cassel/Metz, Das neue deutsche Bilanzrecht, 2. Auflage, S. 330 f. BR-Drs. 344/08, S. 116 Vgl. Zülch/Hoffmann, StuB 2009, S. 371 f. Dieser Scheinertrag wird allerdings nicht unter den operativen Erträgen, sondern unter den Zinserträgen ausgewiesen. BMF-Schreiben v. 26.05.2005, IV B 2 - S 2175 - 7/05, BStBl. I 2005, S. 703, Rz. 26.

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sung auch dann, wenn der Beginn der Erfüllung innerhalb eines Jahres erfolgt, da § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG für diesen Fall ein Abzinsungsverbot vorsieht. 4.2.4.3 Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen Auch aus der fehlenden Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen kann ein Rückstellungsansatz unterhalb des Erfüllungsbetrags resultieren. Folglich ergibt sich auch für den Fall nicht berücksichtigter Preis- und Kostensteigerungen ein überhöhter Gewinn aus dem Mehrkomponentengeschäft. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen entfernt sich die steuerliche Rückstellungsbewertung zukünftig von dem handelsrechtlichen Wertansatz. Nach § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB i.d.F. des BilMoG sind Rückstellungen mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erforderlichen Erfüllungsbetrag anzusetzen. Durch Verwendung des Begriffs Erfüllungsbetrag stellt der Gesetzgeber klar, dass Preis- und Kostensteigerungen zukünftig berücksichtigt werden müssen. Zu berücksichtigen sind Preis- und Kostensteigerungen allerdings nur dann, wenn sich diese am Bilanzstichtag bereits objektiv nachprüfbar abzeichnen50. Steuerrechtlich wird in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG i.d.F. des BilMoG hingegen die tradierte BFH-Rechtsprechung51 festgeschrieben, der zufolge Preis- und Kostensteigerungen nicht berücksichtigungsfähig sind. Steuerrechtlich sinkt bei Vorliegen von Preis- und Kostensteigerungen der Rückstellungsbetrag stets unter den Erfüllungsbetrag. Dies führt wiederum dazu, dass ein überhöhter Gewinn aus dem Mehrkomponentengeschäft realisiert wird. Handelsrechtlich stellt sich dieses Ergebnis ein, wenn die Preis- und Kostensteigerungen nicht hinreichend objektiviert sind52. 5

Fazit und Ausblick

Die Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften stellt sich weiterhin als großes Problem des Handels- und Steuerrechts dar. Beispielhaft gezeigt wurde dies anhand der Bilanzierung eines Verkaufsgeschäfts mit gleichzeitiger Vereinbarung von Nachbetreuungsleistungen. Die vollständige Erfolgsvereinnahmung bei Erbringung der Hauptleistung ist kaum dazu geeignet, die Informationsfunktion des Jahresabschlusses zu erfüllen. Dies lässt sich auch nicht durch Verweis

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So bereits Herzig, DB 1990, S. 1353; vgl. auch Zülch/Hoffmann, StuB 2009, S. 370. BFH-Urteil v. 03.12.1991, VIII R 88/87, BStBl. II 1993, S. 92 f.; BFH-Urteil v. 05.02.1987, IV R 81/84, BStBl. II 1987, S. 848; BFH-Urteil v. 07.10.1982, IV R 39/80, BStBl. II 1983, S. 105. Entsprechendes gilt für die IAS/IFRS, die ebenfalls eine eingeschränkte Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen vorsehen.

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auf das im Handels- und Steuerrecht vorrangig zu beachtende Vorsichtsprinzip53 rechtfertigen, denn die Bilanzierung nach Maßgabe der Kostenabgrenzung ist zugleich die unvorsichtigste Möglichkeit, ein Mehrkomponentengeschäft erfolgsrechnerisch abzubilden54. Bereits mit der Erbringung der Hauptleistung wird der Gewinn aus dem gesamten Geschäft realisiert, den Nebenleistungen wird kein Anteil am Gewinn zugeordnet. Diese Form der Fehlbilanzierung ist Ausfluss einer rein zivilrechtlichen Betrachtung, die den wirtschaftlichen Gehalt des Geschäfts ausblendet. Die Vereinbarung in einem einzigen Vertrag darf unserer Auffassung nach nicht dazu führen, die Nebenleistungen als ertragslosen Anhang zur Hauptleistung zu qualifizieren. Diese Form der Bilanzierung ist nicht nur unter Informationsaspekten verfehlt, sondern stellt nicht realisierte Gewinne Anteilseignern und Fiskus für Zwecke der Zahlungsbemessung zur Verfügung. Besonders problematisch wird die vollständige Umsatzrealisation dann, wenn eine Rückstellung nicht in Höhe des Erfüllungsbetrags angesetzt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn Preis- und Kostensteigerungen nicht antizipiert werden bzw. die Verpflichtung zur Erbringung eine Laufzeit von mehr als einem Jahr hat, und die entsprechende Rückstellung demnach abzuzinsen ist. Steuerrechtlich dürfen Preis- und Kostensteigerungen nicht in die Rückstellungsbewertung einbezogen werden, sodass es auch hier regelmäßig zu einer Unterbewertung der Rückstellung kommen wird. Folge ist der Ausweis von Scheingewinnen aus dem Mehrkomponentengeschäft, die in dieser Höhe nie realisiert werden. Sinnvoll ist die Kostenabgrenzung nur, wenn die Nebenleistungen als unwesentlich einzustufen sind. Eine Hinauszögerung der Ertragsrealisation ist in diesen Fällen übervorsichtig, während eine Teilgewinnrealisierung unter Kosten-Nutzen-Aspekten55 abzulehnen ist. Aufgrund der dargestellten Mängel sollte diese Form der Bilanzierung überdacht werden. Zu prüfen ist unseres Erachtens insbesondere, ob eine Teilgewinnrealiserung den wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten eher gerecht wird.

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§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB drängt die Informationsfunktion des Jahresabschlusses zugunsten des Vorsichtsprinzips zurück. Vgl. hierzu Krawitz, DStR 1997, S. 887. Anders verhält es sich bei der Frage, ob eine Aufteilung zulässig sein soll oder die Gewinnrealisation für alle Teilleistungen gemeinsam zu einem späteren Zeitpunkt zu erfolgen hat. In diesem Fall kann eine hinausgezögerte Umsatzrealisation aufgrund des Vorsichtsprinzips einer (informativeren) Teilgewinnrealisierung vorzuziehen sein. Skeptisch etwa zur Frage der Kosten-Nutzen-Relation bei der Bilanzierung von Kundenbindungsprogrammen nach IFRIC D 20 Wüstemann/Kierzek, BB 2006, S. 2814; Unkelbach, PiR 2009, S. 271.

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Steuerliche Gewinnrealisierung bei Mehrkomponentengeschäften

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Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen BMF-Schreiben v. 12.10.2005, IV B 2 – S 2137 – 38/05, BStBl. I 2005, S. 953 f. BMF-Schreiben v. 26.5.2005, IV B 2 – S 2175- 7/05, BStBl. I 2005, S. 699 ff. BMF-Schreiben v. 7.2.1994, IV B 2 – S 2137 – 3/94, BStBl. I 1994, S. 140.

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer Rainer Heurung / Philipp Seidel / Nils Pippart

Inhaltsverzeichnis 1 Vorbemerkung.......................................................................................... 105 2 Ziel und Zweck der Gewerbesteuer .......................................................... 106 3 Auslandseinkünfte aus Anteilen an Kapitalgesellschaften ........................ 108 3.1 Nicht-DBA-Fall ............................................................................. 108 3.1.1 Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg .............................. 108 3.1.2 Problemfelder ..................................................................... 109 3.1.2.1 Beteiligungsähnliche Genussrechte ...................... 109 3.1.2.2 Kein Korrespondenzprinzip für verdeckte Gewinnausschüttungen ......................................... 110 3.1.2.3 Aktivitätskatalog .................................................. 111 a) Allgemeines .................................................... 111 b) Tochtergesellschaft als Landes- und Funktionsholding ............................................ 112 c) Aktiv tätige Enkelgesellschaften und passiv tätige Tochtergesellschaft ............................... 113 3.1.2.4 Tatsächliche und fiktive Betriebsausgaben........... 116 3.1.2.5 Teilwertabschreibungen ....................................... 117 3.1.3 Sonderkonstellationen ........................................................ 119 3.1.3.1 Holding-, Kredit- und Versicherungsunternehmen 119 3.1.3.2 Hinzurechnungsbesteuerung................................. 120 3.1.3.3 Einkünfte aus Anteilen an Investmentvermögen .. 122  3.2

DBA-Fall ....................................................................................... 124 3.2.1 Mutter-Tochter-Richtlinie................................................... 124 3.2.2 DBA-Schachtelprivileg ...................................................... 125

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3.2.2.1 Spezialregelung in § 9 Nr. 8 GewStG .................. 125 3.2.2.2 Vorrang des DBA-Schachtelprivilegs................... 126 3.2.2.3 Dividendenbegriff des § 9 Nr. 8 GewStG............. 127 3.2.3 Steueranrechnung ............................................................... 128 4 Ausländische Betriebsstätteneinkünfte ..................................................... 128 5 Schlussbetrachtung ................................................................................... 130

 

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

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Vorbemerkung

Prof. Dr. Rainer Heurung möchte seinem Kollegen Herrn Prof. Dr. Norbert Krawitz für die langjährige freundschaftliche Zusammenarbeit am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsrecht der Universität Siegen, im Siegener Forum für Rechnungslegung, Prüfungswesen und Steuerlehre sowie im Siegener Institut für Unternehmensbesteuerung, Wirtschaftsprüfung, Rechnungslegung und Wirtschaftsrecht (SUWI) herzlich danken. Dieser Dank sei mit den allerbesten Wünschen für die Zukunft und den neuen Lebensabschnitt verbunden. Zudem sei der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass Prof. Dr. Norbert Krawitz auch nach seiner Emeritierung der Universität Siegen und dem Siegener Forum auf vielfältige Art verbunden bleiben möge. Der akademische Wirkungsradius von Prof. Dr. Norbert Krawitz ist beeindruckend weit. Neben der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre umfasst die Forschungs- und Lehrtätigkeit des Jubilars auch das Gebiet der Wirtschaftsprüfung sowie der nationalen und internationalen Rechnungslegung. Dieser umfängliche Forschungskanon hat seinen Niederschlag in mehreren Monographien, Kommentierungen sowie zahlreichen Aufsätzen in Fachzeitschriften und Sammelwerken gefunden. Im jüngeren Schrifttum hat im Besonderen der Beitrag von Prof. Dr. Norbert Krawitz zu den „Aktivitätsvorbehalte[n] bei Einkünften aus ausländischen Kapitalgesellschaften und Betriebsstätten“1 großen Widerhall gefunden. Auf diese Publikation, die Zweifelsfragen der Besteuerung von Auslandseinkünften durch Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer diskutiert, wird in zahllosen Publikationen zum Internationalen Steuerrecht2 verwiesen3. Wir möchten im Folgenden die Ausführungen des Jubilars zur Besteuerung der Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen durch die Gewerbesteuer aufgreifen und weitergehende Ausführungen anschließen. Hierbei soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit de lege lata

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Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, S. 109 ff. Vgl. Morgenthaler, IStR 2000, S. 289, Fn. 1. Vgl. nur: Vogel, in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), 5. Auflage, 2008, Art. 23 MA, Rz. 74; Hierstetter, in: Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz (KStG), 3. Auflage, 2010, § 26 KStG, Rz. 7; Wagner, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 2a EStG, Rz. 95 (102. Erg.-Lfg. 04/2009); Kahle, IStR 2007, S. 760; Strauch/Nikolaychuk, IStR 2007, S. 205; Mössner u. a., Steuerrecht international tätiger Unternehmern, 3. Auflage, 2005, S. LXXXI; Herkenroth/Striegel, in: Herrmann/Heuer/Raupach (H/H/R), EStG, KStG, § 2a EStG, Vor Anm. 1, Schrifttum zu § 2a a.F. (236. Erg.-Lfg. 05/2009); Kaminski, in: Korn, Einkommensteuergesetz (EStG), § 2a EStG, Vor Rz. 1 (41. Erg.-Lfg. 05/2008), Schrifttum; Lüdicke/ Sistermann, Unternehmensteuerrecht, Rz. 191 f.; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, 2006, S. 168; Autzen, Die ausländische Holding-Personengesellschaft, 2005, S. 70; Schmidtmann, Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, S. 492; Rist, Steuergestaltung, 2007, S. 512.

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die Vermeidung einer grenzüberschreitenden Doppelbesteuerung der Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen für Zwecke der Gewerbesteuer vorgesehen ist4. 2

Ziel und Zweck der Gewerbesteuer

Eine landesweit einheitlich ausgestaltete Gewerbesteuer gibt es in Deutschland seit 19365. In der Begründung zum Gewerbesteuergesetz vom 1. Dezember 1936 rechtfertigt der Gesetzgeber die Erhebung der Steuer mit dem sog. „Äquivalenzprinzip“. So sollten die Gemeinden einen Ausgleich für die Lasten erhalten, die ihnen durch die Ansiedlung oder das bloße Dasein von Gewerbebetrieben entstehen6. Bei der Gewerbesteuer sollte es sich also ursprünglich um eine Steuer handeln, die eine unmittelbare Gegenleistung für kommunale Leistungen darstellt7. Die Steuer wurde dabei als Objekt- bzw. Realsteuer ausgestaltet8. Dementsprechend hat sie keine Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners oder seine Beziehungen zum Besteuerungsgegenstand zu nehmen, sondern nur an den Gewerbebetrieb selbst anzuknüpfen9. Nach zahlreichen Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Gewerbesteuer vom Wesen einer Objekt- bzw. Realsteuer aber immer weiter entfernt. Im Schrifttum wird sie heute als eine Ertragsteuer angesehen10. Das Recht der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen klassifiziert die Gewerbesteuer als Steuer vom Einkommen11. Dennoch ist der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer nach wie vor evident. So ist die Besteuerungsgrundlage der Gewerbesteuer der Gewerbeertrag (§ 6 GewStG). Dieser ist als Gewinn aus Gewerbebetrieb definiert, der nach den Vorschriften des KStG ermittelt und um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Hinzurechnungs- und Kürzungsbeträge vermehrt und vermindert worden ist (§ 7 S. 1 GewStG). Im Gegensatz zum Gewinn aus Gewerbebetrieb, der anzeigt, welches „Einkommen […] eine natürliche oder juristische Person aus dem Gewerbebetrieb erzielt, enthält der Gewerbeer4

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Fortan werden als Outbound-Investoren nur deutsche Kapitalgesellschaften untersucht. Bei diesen handele es sich nicht um Organgesellschaften. Vgl. Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, 3. Auflage, 2010, Einführung KStG, Rz. 36; Heurung/Seidel, Der Konzern 2009, S. 400 ff.; Heurung/Seidel, BB 2009, S. 1786 ff. Zur steuergeschichtlichen Entwicklung der Gewerbesteuer vgl. eingehend Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 1990, S. 18 ff. Vgl. RStBl. 1937, S. 696; BT-Drucks. VI/3418, S. 51. Vgl. Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Band 1, 1. Halbband, 1988, S. 305. Vgl. Montag, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, 2008, § 12, Rz. 1. Vgl. BVerfG, Urt. v. 13.5.1969, BStBl. II 1969, S. 424. Vgl. Gosch, DStZ 1998, S. 328; Montag, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, 2008, § 12, Rz. 1. Vgl. Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Auflage, 2008, Art. 2 MA, Rz. 56; Heurung/Seidel, IWB, Fach 3, Gruppe 5, S. 78.

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

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trag den Ertrag des im Betrieb arbeitenden Kapitals“, so Wöhe12. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer dabei jeder stehende Gewerbebetrieb13, soweit er im Inland betrieben wird14. In ihrem Anwendungsbereich ist die Gewerbesteuer also auf ein inländisches Besteuerungsobjekt bezogen15. Aus dem Normwortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG könnte geschlossen werden, dass im Ausland erzielte Einkünfte prinzipiell nicht in der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage enthalten sein sollen16. Da dem Gewerbeertrag der Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde liegt, der nach den Vorschriften des KStG zu ermitteln ist, findet jedoch auch das Welteinkommensprinzip (§ 1 Abs. 2 KStG)17 Anwendung. Dementsprechend beinhaltet der Gewinn aus Gewerbebetrieb auch im Ausland erzielte Einkünfte. Das Inlandsprinzip der Gewerbesteuer findet wiederum in den gemäß § 7 S. 1 GewStG vorzunehmenden Kürzungen nach § 9 GewStG seinen Niederschlag. So ist bspw. gemäß § 9 Nr. 3 GewStG die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens zu kürzen, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Die – vermeintlich systemwidrig – im Gewinn aus Gewerbebetrieb enthaltenen ausländischen Welteinkünfte sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags insoweit auszuscheiden, wie das Inlandsprinzip verwirklicht werden soll18. De lege lata bleiben jedoch in der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage zahlreiche ausländische Einkünfte enthalten, so z. B. Streubesitzdividenden, Lizenzgebühren, Zinserträge und Gewinne aus Anteilsveräußerungen19. Im Ergebnis stellt das Inlandsprinzip mit Kluge nur eine Leitlinie der Gewerbesteuer dar, weshalb es zu keiner generellen Ausnahme sämtlicher Auslandseinkünfte kommt. Dies sei dadurch zu rechtfertigen, dass insbesondere Erträge aus Direktgeschäften auf der Leistung einer inländischen Betriebsstätte beruhen20. Dementsprechend führt der BFH mit Urteil vom 6.7.2005 aus, dass die Kürzung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte nach § 9 Nr. 3 GewStG „insoweit dekla-

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Wöhe, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Band 1, 1. Halbband, 1988, S. 321. Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit von Kapitalgesellschaften (§ 2 Abs. 2 S. 1 GewStG). Im Inland wird ein Gewerbebetrieb betrieben, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 S. 3 GewStG). Vgl. Kussmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 5. Auflage, 2008, S. 356. Vgl. Kraft/Kraft, Grundlagen der Unternehmensbesteuerung, 3. Auflage, 2009, S. 190. Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, 2008, § 2, Rz. 37; Sauter, in: Erle/Sauter, KStG, 3. Auflage, 2010, § 1 KStG, Rz. 57; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Auflage, 1998, Rz. 5.81. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Auflage, 2007, S. 89; Henkel, in: Mössner u. a., 2005, Rz. E 366. Vgl. Heurung/Seidel, IWB, Fach 3, Deutschland, Gruppe 5, S. 687. Vgl. Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Auflage, 2000, Rz. T 6.

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ratorische Bedeutung hat, als Gewerbeerträge, die auf eine ausländische Betriebsstätte entfallen, bereits nach § 2 Abs. 1 GewStG aus dem Gewerbeertrag auszuscheiden sind“21. Im Umkehrschluss sind prinzipiell sämtliche Auslandseinkünfte im steuerpflichtigen Gewerbeertrag enthalten, die nicht als ausländische Betriebsstätteneinkünfte22 qualifizieren. Lediglich § 9 Nr. 7 und 8 GewStG sehen die weitere Kürzung von Dividenden aus bestimmten Auslandsbeteiligungen vor23. Neben der Verwirklichung des Inlandsprinzips dienen diese Kürzungen auch dazu, eine internationale Doppelbesteuerung i. R. d. Gewerbesteuer zu verhindern, weil das GewStG keine generelle Steueranrechnung oder einen optionalen Steuerabzug, wie bspw. § 26 KStG, vorsieht24. 3

Auslandseinkünfte aus Anteilen an Kapitalgesellschaften

3.1

Nicht-DBA-Fall

3.1.1

Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg

Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb werden gemäß § 8 Nr. 5 GewStG folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind: Die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden), soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG erfüllen, nach Abzug der mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit diese nach § 8b Abs. 5 KStG unberücksichtigt bleiben. Gemäß § 9 Nr. 7 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gekürzt um die Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft25, an deren Nennkapital das Unternehmen seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu 15% beteiligt26 ist (Tochterge-

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BFH, Urt. v. 6.7.2005, VIII R 72/02, BFH/NV 2006, S. 363. So auch Abschnitt 62 Abs. 1 GewStR; Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 3 GewStG, Rz. 212, 217 (92. Erg.-Lfg. 10/2006); Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 3 GewStG, Rz. 2 (93. Erg.-Lfg. 09/2007). Auch sämtliche Anteile an einer Auslandsgesellschaft qualifizieren nicht als Betriebsstätte. Vgl. Frotscher, in: Schwarz, § 12 AO, Rz. 25 (109. Erg.-Lfg. 06/2004); Art. 5 Abs. 7 MA (AntiOrgan-Klausel). Ferner enthält § 9 Nr. 2 GewStG eine entsprechende Norm für Anteile am Gewinn einer ausländischen Personengesellschaft. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Auflage, 2007, S. 89; Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Auflage, 2000, Rz. T 6. Ob eine ausländische Kapitalgesellschaft vorliegt, ist anhand eines Rechtstypenvergleichs zu entscheiden. Vgl. nur BFH, Urt. v. 20.8.2008, I R 34/08, BStBl. II 2009, S. 263. Ohne Bedeutung ist, ob die Beteiligung unmittelbar oder mittelbar besteht. Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 106; Gosch, in:

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

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sellschaft) und die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten und aus Beteiligungen, die von der gewerbesteuerlichen Landes- oder Funktionsholdingklausel erfasst werden, bezieht (Aktivitätskatalog) 27. Als Voraussetzung für die Dividendenkürzung müssen „die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden“ sein (§ 9 Nr. 7 GewStG). Dieses Tatbestandsmerkmal scheint dem des § 8 Nr. 5 GewStG zu widersprechen, wonach die Gewinnanteile nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz geblieben sein müssen28. „Strenggenommen schließen sich“, so Gosch, „beide Vorschriften aus“ 29. Dieses Regelungsdilemma lasse sich nur auflösen, „wenn man § 8 Nr. 5 GewStG insoweit als Sonderregelung versteht, die abstrakt auf die Voraussetzungen des § 9 Nr. […] 7 GewStG abstellt; das Ansatzerfordernis in § 9 Nr. 7 S. 1 letzter Halbs. GewStG wäre bei diesem Verständnis verzichtbar“ 30. Beide Normen stünden „in einem wechselseitigen, jedoch nicht ausschließenden Verhältnis“ zueinander, sodass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG lediglich „abstrakt vorliegen“31 müssten. Diese Auffassung zur teleologischen Reduktion des Normwortlauts wird zu Recht vom Schrifttum32 geteilt. Beim BFH ist nunmehr (unter Az. I R 109/08) ein Verfahren anhängig, das die Möglichkeit bietet diese Zweifelsfrage im Wege der Rechtsfortbildung zu klären. 3.1.2

Problemfelder

3.1.2.1 Beteiligungsähnliche Genussrechte § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG adressiert „Anteile[n] an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, an deren Nennkapital das Unternehmen […] beteiligt ist“. Die Anteile an der aus-

27 28 29 30 31

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Blümich, § 9 GewStG, Rz. 308 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); BFH, Urt. v. 17.5.2000, I R 31/99, BStBl. II 2001, S. 685. Vgl. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, S. 121 f. Vgl. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, S. 121, Fn. 114; Schönfeld, IStR 2008, S. 371. Gosch, in: Gosch, Körperschaftsteuergesetz (KStG), 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 74. Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 74. Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 75; s. a. Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 294-295 (94. Erg.-Lfg. 04/2007). Vgl. Hofmeister, in: Blümich, § 8 GewStG, Rz. 575 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); Prinz/Simon, DStR 2002, S. 149; Rödder/Schumacher, DStR 2002, S. 105; Ritzer/Stangl, INF 2002, S. 131; Güroff, in: Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz (GewStG), 7. Auflage, 2009, § 8 Nr. 5 GewStG, Rz. 1; Haas, DB 2002, S. 549; Schönfeld, IStR 2008, S. 371; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Auflage, 2007, S. 90; Dötsch/Pung, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt (D/J/P/W), Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG, Rz. 27 (67. Erg.-Lfg. 10/2009); Watermeyer, GmbH-StB 2002, S. 200; im Ergebnis auch: Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 5 GewStG, Rz. 24 (95. Erg.-Lfg. 08/2008); Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 103.

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ländischen Kapitalgesellschaft müssen „an deren Nennkapital“ bestehen, sodass auf die kapitalmäßige Beteiligung und nicht auf den Umfang der Stimmrechte abzustellen ist33. Das Erfordernis der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Tochter erfüllen insbesondere partiarische Darlehen und typisch stille Beteiligungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht34. Als schuldrechtliche Gläubigerpapiere stellen beteiligungsähnliche Genussrechte keine Anteile an einer Kapitalgesellschaft dar und werden – anders als in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG – durch § 9 Nr. 7 GewStG auch nicht ausdrücklich benannt35. Köhler spricht sich dennoch dafür aus, im Hinblick auf die „einheitliche Besteuerungssystematik“ 36, im Rahmen von § 9 Nr. 7 GewStG beteiligungsähnliche Genussrechte zu erfassen, sodass Anteile am Nennkapital unterstellt werden. Zu diesem Ergebnis kommen auch Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick37, Haas38 und Teufel/Hasenberg39. Diese Schrifttumsauffassung kann sich auf eine Verfügung der OFD Frankfurt vom 16.10.200240 stützen, nach welcher für Zwecke des unilateralen gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs in § 9 Nr. 2a GewStG auch beteiligungsähnliche Genussrechte einbezogen werden. Da § 9 Nr. 2a GewStG auf Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft abstellt, an deren Grundoder Stammkapital eine Mindestbeteiligung besteht, könnte in der Tat für das internationale gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 7 GewStG entsprechend verfahren werden. 3.1.2.2 Kein Korrespondenzprinzip für verdeckte Gewinnausschüttungen Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bleibt vom körperschaftsteuerlichen Korrespondenzprinzip41 in § 8b Abs. 1 S. 2-4 KStG im Ergebnis unberührt. Auch wenn vGA42 für Zwecke der Körperschaftsteuer nicht freizustellen sind, kann auf diese das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg zur Anwendung kommen. Die nicht nach § 8b Abs. 1 KStG freizustellenden vGA sind bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) nicht abgesetzt worden,

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Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 307 (94. Erg.-Lfg. 04/2007); Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 106. Vgl. Odenthal, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff (F/W/B), Außensteuerrecht, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 15 (35. Erg.-Lfg. 02/1995). Die entsprechenden Einkünfte unterliegen der GewSt. Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 98. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 98. Vgl. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, S. 121. Vgl. Haas, DB 2002, S. 549. Vgl. Teufel/Hasenberg, IStR 2008, S. 727. Vgl. OFD Frankfurt, 16.10.2002, G - 1425A - 8 St II 22, DStR 2003, S. 251. Vgl. Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, S. 514 ff.; Gröbl/Adrian, in: Erle/Sauter, KStG, 3. Auflage, 2010, § 8b KStG, Rz. 81 ff. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der vGA vgl. Baumhoff, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Auflage, 2005, Rz. C 233 ff.

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sodass es zu keiner Hinzurechnung i. R. d. § 8 Nr. 5 GewStG kommen kann. Sofern die Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG erfüllt sind, wird die vGA als Teil des Gewinns aus Kapitalgesellschaftsanteilen für Zwecke der Gewerbesteuer gekürzt (Abschnitt 65 Abs. 1 S. 3 GewStR; R 9.5 S. 3 GewStR 2009-E). In diesen Fällen findet § 8b Abs. 5 KStG keine Anwendung43. 3.1.2.3 Aktivitätskatalog a)

Allgemeines

Der Aktivitätskatalog des § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG stellt auf die Tätigkeit der Tochtergesellschaft ab und greift die Tatbestände des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG auf. Die i. R. d. AStG-Aktivitätskatalogs in § 8 Abs. 1 Nr. 7 bis 10 AStG erfassten Aktivitäten werden hierbei nicht adressiert und gelten mithin für Zwecke der Gewerbesteuer prinzipiell als passive Tätigkeiten. Anders als in den Aktivitätsklauseln der DBA44, wird auch nicht auf § 8 Abs. 2 AStG a. F.45 verwiesen. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass für Zwecke der Gewerbesteuer eine Holdingtätigkeit der ausländischen Tochtergesellschaft eigenständig zu beurteilen ist und nicht per se als aktiv gelten soll46. Wie die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln stellt auch die Aktivitätsklausel in § 9 Nr. 7 GewStG nach überwiegender Schrifttumsauffassung darauf ab, ob die Tätigkeitserfordernisse in dem Wirtschaftsjahr, in dem die Gewinnausschüttung stattfindet, erfüllt werden47. Durch die Maßgeblichkeit des Ausschüttungszeitpunkts für die Prüfung der Aktivitätsklausel wird allerdings eine steuerplanerische Umqualifizierung von passiven in aktive Einkünfte – und umgekehrt – ermöglicht48. Nach der Mindermei43

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Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 103; Dötsch/Pung, in: D/J/W/P, § 8b KStG, Rz. 39 (67. Erg.-Lfg. 10/2009); Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, UmwStG, § 8b KStG, Rz. 29e (92. Erg.-Lfg. 05/2008); Becker/ Kempf/Schwarz, DB 2008, S. 371; Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, § 8b KStG, Rz. 148c; Kollruss, BB 2007, S. 471. Vgl. OFD Münster, Verfügung v. 28.7.2008, S 1301 - 18 - St 45 - 32. Für Wirtschaftsjahre ausländischer Zwischengesellschaften, die vor dem 1.1.2001 begannen, war § 8 Abs. 2 AStG a. F. anzuwenden. Diese Norm enthielt im Hinblick auf ausländische Holdinggesellschaften Regelungen zu deren Tätigkeit als sog. Landes- und Funktionsholdinggesellschaft. Diese sind nahezu identisch mit den Regelungen zu Landes- und Funktionsholdinggesellschaften in § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG. Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B, § 8 AStG, Rz. 601-667 (63. Erg.-Lfg. 03/2009). Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 108 ff.; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 27 (95. Erg.-Lfg. 08/2008). Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 108; Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 304 (94 Erg.-Lfg. 04/2007); Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 35 (95. Erg.-Lfg. 08/2008); Abschnitt 65 Abs. 4 S. 3 GewStR; R 9.5 S. 13 GewStR 2009-E. Vgl. Grotherr, in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 23 MA, Rz. 55 (10. Erg.Lfg. 03/2002); Schmidt/Blöchle, in: Strunk/Kaminski/Köhler (S/K/K), Außensteuergesetz Dop-

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nung von Güroff soll es hingegen auf die Tätigkeit im „Erhebungszeitraum ankommen, in dem die Gewinnanteile bei der Tochtergesellschaft erwirtschaftet worden sind49.“ Auch zur Beantwortung der Frage, ob Landes- und Funktionsholdinggesellschaften i. S. d. § 8 Abs. 2 AStG a. F. vorliegen, war nach Auffassung der Finanzverwaltung50 auf das „Wirtschaftsjahr, für das die Ausschüttung vorgenommen wird“51, abzustellen. Gemäß Urteil des BFH vom 13.2.2008 ist das Tatbestandsmerkmal „fast ausschließlich“ der Aktivitätsklausel in § 9 Nr. 7 GewStG als erfüllt anzusehen, „wenn die Erträge aus aktiven Tätigkeiten eine Grenze von 90% nicht unterschreiten“ 52. Das Abstellen auf eine statische 90%-Grenze wird für Zwecke der Aktivitätsklauseln im Schrifttum kritisiert. Aus der Sachlage ergebe sich vielmehr gerade keine 10%-Grenze, sondern eine Grenze von „10% + X“ 53. Hierdurch würde den Finanzbehörden die Möglichkeit eröffnet, dem Einzelfall angemessen Rechnung zu tragen. Es handele sich um eine qualitative und nicht um eine fixe quantitative Größe zur Gewährleistung von Flexibilität bei besonderen Umständen54. Als Bruttoertrag i. S. d. § 9 Nr. 7 GewStG soll in diesem Zusammenhang „jeder steuerlich relevante und in Geld zu bewertende Vermögenszugang einer Rechnungsperiode bzw. die Summe der Solleinnahmen ohne durchlaufende Posten und ohne eine evtl. gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer gelten“ 55. Im Schrifttum wird die Abschnitt 76 Abs. 8 KStR 1995 entlehnte Anknüpfung an die Solleinnahmen mit dem Hinweis abgelehnt, es sei vielmehr auf die tatsächlichen Erträge (Ist-Einnahmen) abzustellen56. b)

Tochtergesellschaft als Landes- und Funktionsholding

Neben den von § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG erfassten Tätigkeiten gilt ferner das Halten von Beteiligungen an Enkelgesellschaften als aktive Tätigkeit der Tochtergesellschaft, wenn diesbezüglich die Landes- oder Funktionsholdingklausel des § 9 Nr. 7 S. 1 Nr. 1 oder 2 GewStG erfüllt wird. Hiernach gelten als aktive Einkünfte einer Tochtergesellschaft die Bruttoerträge aus Beteiligungen an En-

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55 56

pelbesteuerungsabkommen, Art. 23, Rz. 117 (13. Erg.-Lfg. 04/2008). Zudem kann sich eine Infektionswirkung der verschiedenen Einkünfte ergeben. Vgl. Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, S. 84. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 7. Vgl. BMF, 2.12.1994, IV C 7 - S 1340 - 20/94, BStBl. I 1995, Sondernummer 1, Tz. 8.2.2. Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B, § 8 AStG, Rz. 638 (63. Erg.-Lfg. 03/2009). BFH, Urt. v. 13.2.2008, I R 75/07, BFH/NV 2008, S. 1395. Köhler, in: Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2. Auflage, 2003, S. 1452. Vgl. Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Auflage, 2008, Art. 23, Rz. 80; Schmidt/Blöchle, in: S/K/K, Art. 23, Rz. 132 (13. Erg.-Lfg. 04/2008). BFH, Urt. v. 13.2.2008, I R 75/07, BFH/NV 2008, S. 1395. Vgl. Kaminski, StuW 2007, S. 281.

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kelgesellschaften, an deren Nennkapital die Tochtergesellschaft mindestens zu 25% unmittelbar beteiligt ist, wenn die Beteiligungen ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Gewinns maßgebenden Abschlussstichtag bestehen und diese Enkelgesellschaften Geschäftsleitung und Sitz in demselben Staat wie die Tochtergesellschaft haben und ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus den unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten beziehen (Landesholding). Die Tochtergesellschaft erzielt auch dann aktive Einkünfte, wenn sie die Beteiligungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit eigenen unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten hält und die Enkelgesellschaft, an der die Beteiligung besteht, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus solchen Tätigkeiten bezieht (Funktionsholding) 57. Von einer Landesholding ist somit die Rede, wenn die aktiv tätigen Enkelgesellschaften ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz in demselben Staat wie die Tochtergesellschaft haben (§ 9 Nr. 7 S. 1 Nr. 1 GewStG). Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Tochtergesellschaft einer eigenen aktiven Tätigkeit nachgeht. Eine Funktionsholding liegt vor, wenn die Tochtergesellschaft die Beteiligungen an den aktiv tätigen Enkelgesellschaften in wirtschaftlichem Zusammenhang mit eigenen unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden aktiven Tätigkeiten hält (§ 9 Nr. 7 S. 1 Nr. 2 GewStG). Die Enkelgesellschaften müssen nicht in demselben Staat wie die Tochtergesellschaft domizilieren. Anders als die Landesholding muss allerdings eine Funktionsholding auch selbst einer aktiven Tätigkeit i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG nachgehen. Zudem müssen die Beteiligungen an den Enkelgesellschaften mit dieser aktiven Tätigkeit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen58. c)

Aktiv tätige Enkelgesellschaften und passiv tätige Tochtergesellschaft

Prinzipiell sind die Dividendenzahlungen der Tochtergesellschaft steuerpflichtig, wenn diese ihre Bruttoerträge nicht mindestens „fast ausschließlich“ aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten und aus Beteiligungen, die von der Landes- oder Funktionsholdingklausel erfasst werden, bezieht. Die Dividendenzahlungen passiv tätiger Tochtergesellschaften sind dennoch insoweit freizustellen, wie sie aus Dividenden aktiv tätiger Enkelgesellschaften „gespeist“ wer-

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Vgl. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, S. 121 f. Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 304 (94. Erg.-Lfg. 04/2007); Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 111-112; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 28 (95. Erg.-Lfg. 08/2008); Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 4 f.

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den (§ 9 Nr. 7 S. 4 GewStG) 59. Bezieht ein deutsches Mutterunternehmen, das über eine Tochtergesellschaft mindestens zu 15% an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (Enkelgesellschaft) mittelbar beteiligt ist, in einem Wirtschaftsjahr Gewinne aus Anteilen an der Tochtergesellschaft und schüttet die Enkelgesellschaft zu einem Zeitpunkt, der in dieses Wirtschaftsjahr fällt, Gewinne an die Tochtergesellschaft aus, so kommt das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg partiell zur Anwendung. Es gilt für den Teil der vom Mutterunternehmen bezogenen Gewinne, der der nach seiner mittelbaren Beteiligung auf das Mutterunternehmen entfallenden Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft entspricht. Die Anwendung des § 9 Nr. 7 S. 4 GewStG setzt jedoch voraus, dass die Enkelgesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 9 Nr. 7 S. 1 Nr. 1 GewStG (Landesholdingklausel) fallenden Beteiligungen bezogen hat und die Tochtergesellschaft unter den Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG am Nennkapital der Enkelgesellschaft beteiligt ist (§ 9 Nr. 7 S. 6 GewStG). Ist die Tätigkeit der Enkelgesellschaft als Funktionsholding zu qualifizieren, stellt dies keine aktive Tätigkeit dar60. Im Ergebnis muss die Muttergesellschaft an der Enkelgesellschaft mittelbar zu mindestens 15% (§ 9 Nr. 7 S. 1 GewStG) und zudem die Tochtergesellschaft an der Enkelgesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 15% (§ 9 Nr. 7 S. 6 Nr. 2 i.V.m § 9 S. 1 GewStG) beteiligt sein61. Die mittelbare Beteiligung der Muttergesellschaft an der Enkelgesellschaft ist durch multiplikative Verknüpfung der Beteiligungsquoten zu errechnen62. Direkte Beteiligungen der Muttergesellschaft an der Enkelgesellschaft bleiben hierbei allerdings unberücksichtigt, weil die Beteiligung „über eine Tochtergesellschaft“ erfolgen muss.63 Die Steuerfreistellung findet maximal in Höhe des Betrags der Ausschüttung der Enkelgesellschaft an die Tochtergesellschaft Anwendung, der der Beteiligungsquote der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft entspricht (Kürzungshöchst-

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Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 319 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 116-117; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 57 (95. Erg.-Lfg. 08/2008). Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 324 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 116. Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 321, 323 (98. Erg.-Lfg. 02/2008). Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 116. Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 321 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); BFH, Urt. v. 21.8.1996, I R 186/94, BStBl. II 1997, S. 434; a. A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Auflage, 1998, Rz. 15.263.

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betrag)64. Schüttet die Tochtergesellschaft einen geringeren Betrag als diesen Höchstbetrag aus, kann nur der tatsächlich ausgeschüttete Betrag gekürzt werden65. In Höhe des Kürzungshöchstbetrags kann die Ausschüttung der Tochtergesellschaft an die deutsche Muttergesellschaft gemäß § 9 Nr. 7 S. 4 GewStG vom gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg erfasst werden. Hat schließlich die (nicht fast ausschließlich aktiv tätige) Tochtergesellschaft in dem betreffenden Wirtschaftsjahr neben den Gewinnanteilen einer (aktiv tätigen) Enkelgesellschaft noch andere (aktive oder passive) Erträge bezogen, normiert § 9 Nr. 7 S. 5 GewStG eine weitere Kürzungsbeschränkung66. Hiernach findet die Freistellung nur für den Teil der Ausschüttung der Tochtergesellschaft Anwendung, der dem Verhältnis der Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft an die Tochtergesellschaft zu der Summe dieser Gewinnanteile und der übrigen Erträge (Gesamtbetrag der Einkünfte der Tochtergesellschaft) entspricht. Diese Norm ordnet damit eine Höchstbetragsberechnung nach folgender Formel an67:

Dividende TochterG an MutterG x Dividende EnkelG an TochterG Höchstbetrag =

--------------------------------------------------------------------------------------Gesamtbetrag der Einkünfte der TochterG

Beispiel: Die Muttergesellschaft (M) sei an der ausländischen Tochtergesellschaft (T) zu 80% beteiligt. T sei an der ausländischen Enkelgesellschaft (E) beteiligt. T sei passiv und E sei aktiv tätig. E schütte 400 T€ an T aus. Hiervon entfallen 320 T€ (0,8 x 400) auf M (Kürzungshöchstbetrag). T erzielt weitere Erträge aus passiver Tätigkeit in Höhe von 150 T€. T schütte an M 350 T€ aus. Der durch das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bei M freizustellende Be-

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Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 117; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 65 f. (95. Erg.-Lfg. 08/2008); Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 326 (98. Erg.-Lfg. 02/2008). 65 Vgl. Meyer-Scharenberg, in: Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, Gewerbesteuer-Kommentar (GewSt), 2. Auflage, 1996, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 32. Auch ein Vortrag unter entsprechender Anwendung von § 10a GewStG ist nicht möglich. Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 327 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 67 (95. Erg.-Lfg. 08/2008). 66 Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 117. 67 Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 326 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); Odenthal, in: F/W/B, § 9 Nr. 7 GewStG, Anm. 57 (35. Erg.-Lfg. 02/1995).

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trag nach Einbezug der Kürzungsbeschränkung beträgt 254,5 T€ = ((350 T€ x 400 T€) / 550 T€)68. 3.1.2.4 Tatsächliche und fiktive Betriebsausgaben Über § 7 S. 1 GewStG wirkt sich § 8b Abs. 5 KStG auch auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb aus69. In diesem Zusammenhang ist es nach Abschnitt 38 Abs. 1 S. 7 GewStR ohne Bedeutung, ob sich eine Gewinnermittlungsmaßnahme bilanziell oder außerbilanziell auswirkt. Regelmäßig stimmt der für die Körperschaftsteuer maßgebende Gewinn mit dem für die Ermittlung des Gewerbeertrags festzustellenden Gewinn überein (Abschnitt 38 Abs. 1 S. 8 GewStR). Nach § 8b Abs. 5 KStG nicht abziehbare Betriebsausgaben sind keine aus dem Gewerbeertrag zu kürzenden Gewinne (§ 9 Nr. 7 S. 3 GewStG). Soweit Dividenden nach § 9 Nr. 7 GewStG zu kürzen sind, tritt somit materiell für Zwecke der Gewerbesteuer eine 95%ige Steuerfreiheit der Bezüge ein. „Der Hinzurechnungsbetrag gem. § 8b Abs. 5 KStG ist im Ergebnis also nicht kürzungsfähig. Dass es sich bei diesen fiktiven, nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben ‚materiell’ um Gewinnanteile handelt“70, ist unerheblich. Da gemäß § 8b Abs. 5 S. 2 KStG die Norm des § 3c Abs. 1 EStG nicht anzuwenden ist, mindern Refinanzierungszinsen der Beteiligung den Gewinn aus Gewerbebetrieb71. Nach § 8 Nr. 1 lit. a) GewStG sind sie aber prinzipiell zu 25% der Bemessungsgrundlage wieder hinzuzurechnen72. Zudem ist jedoch im Anwendungsbereich des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs das „verschärfte Nettoprinzip“73 nach § 9 Nr. 7 S. 2 GewStG zu beachten: Im unmittelbaren Zusammenhang mit den Bruttogewinnen74 aus Anteilen stehende Aufwendungen (insbesondere Refinanzierungsaufwendungen, nicht hingegen Teilwertabschreibungen auf die Anteile75) mindern hiernach den Kürzungsbetrag, soweit entsprechende Beteiligungserträge freizustellen sind. Dementsprechend wird nach § 9 Nr. 7 GewStG die Nettodividende gekürzt76. Durch das verschärfte Nettoprinzip soll der Rechtsgedanke des § 3c 68

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Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 66 (95. Erg.-Lfg. 08/2008); MeyerScharenberg, in: Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, GewSt, 2. Auflage, 1996, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 32. Vgl. Gröbl/Adrian, in: Erle/Sauter, 3. Auflage, 2010, § 8b KStG, Rz. 284. Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 517. Vgl. Dötsch/Pung, in: D/J/W/P, § 8b KStG, Rz. 220 (67. Erg.-Lfg. 10/2009); Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 517; Binnewies, GmbH-StB 2009, S. 256. Vgl. Dötsch/Pung, in: D/J/W/P, § 8b KStG, Rz. 220 (67. Erg.-Lfg. 10/2009); Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 517. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 102, 104. BFH, Urt. v. 25.1.2006, I R 104/04, BStBl. II 2006, S. 844; Desens, in: H/H/R, § 3c EStG Anm. 23; a. A. Killinger, BB 1999, S. 500 ff. Vgl. BFH, Urt. v. 21.8.2007, I R 76/06, BFH/NV 2008, S. 247; Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 187, 316 (98. Erg.-Lfg. 02/2008). Vgl. Richter, BB 2007, S. 752.

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

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Abs. 1 EStG in das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg implementiert werden77. § 8 Nr. 1 GewStG findet insoweit dann keine Anwendung78. Erfüllen Dividenden, die gemäß § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben, nicht die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 7 GewStG, werden sie gemäß § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet. Diese Hinzurechnung erstreckt sich auf den Nettobetrag, weil der Hinzurechnungsbetrag die fiktiven Betriebsausgaben, die nach § 8b Abs. 5 KStG unberücksichtigt bleiben, nicht umfasst. Mithin werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb 95% der Dividendenzahlung hinzugerechnet. Nach Dötsch/Pung, Richter & Partner79 sowie einer Verfügung der OFD Koblenz vom 11.9.200380 ist die Dividendenzahlung im Ergebnis in voller Höhe in der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer enthalten, da fiktiv nicht abzugsfähige Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG „bereits in dem Gewerbeertrag nach § 7 GewStG enthalten“81 sind. Hingegen sind nach Gosch „im Ergebnis lediglich 95% [der Bezüge] gewerbesteuerpflichtig“82. U. E. erhöhen die nach dem Normwortlaut gemäß § 8b Abs. 5 KStG fiktiv nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auch dann, wenn für Zwecke der Gewerbesteuer keine Steuerfreistellung der Dividenden vorzunehmen ist83. 3.1.2.5 Teilwertabschreibungen Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb werden Gewinnminderungen84 wieder hinzugerechnet, die durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts des Anteils an einer Körperschaft entstanden sind, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts auf Gewinnausschüttungen der Körperschaft, um die der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 7 GewStG zu kürzen ist, zurückzuführen ist (§ 8 Nr. 10 lit. a) GewStG) 85. Mithin mindern ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen für Zwecke der Gewerbesteuer nicht die Bemessungsgrundlage, soweit die entsprechenden Gewinnausschüttungen vom gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg begünstigt werden 77 78

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Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 184b (98. Erg.-Lfg. 02/2008). Vgl. Richter, BB 2007, S. 753; Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG (98. Erg.-Lfg. 02/2008), Rz. 314; Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 74; Grotherr, BB 2001, S. 598 ff. Vgl. RP Richter & Partner, Gewerbesteuer, 2008, S. 176. Vgl. OFD Koblenz v. 11.9.2003, G 1422/G 1425 A - St 33 2, DB 2003, S. 2041. Dötsch/Pung, in: D/J/W/P, § 8b KStG, Rz. 220 (67. Erg.-Lfg. 10/2009). Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 516. Vgl. RP Richter & Partner, Gewerbesteuer, 2008, S.176. Soweit die Gewinnminderungen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Zu einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung kommt es, wenn offene Reserven – die bei Anschaffung der Anteile mitbezahlt wurden – ausgeschüttet werden und der Teilwert der Anteile deshalb unter deren Buchwert sinkt. Vgl. Heurung/Seidel, GmbHR 2009, S. 1086.

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(Vermeidung einer Doppelentlastung86)87. Gefordert wird eine Verursachung der Wertminderung durch eine offene oder verdeckte Gewinnausschüttung. Die Gewinnausschüttung muss kausal für die Wertminderung sein88. Der Höhe nach ist die Hinzurechnung auf die Gewinnausschüttung begrenzt, sodass nicht auch verlustbedingte Wertminderungen erfasst sind89. Bewirken mehrere Ursachen eine Teilwertminderung des Anteils, unterstellt die Finanzverwaltung, dass die Minderung des Teilwerts vorrangig auf andere Ursachen als auf die Ausschüttung zurückzuführen ist (Abschnitt 56 S. 4 GewStR; R 8.6 S. 4 GewStR 2009E). Mithin sind für Zwecke der Gewerbesteuer bei ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen neben § 2a EStG90 und § 8b Abs. 3 S. 3 KStG91 zudem die Restriktionen des § 8 Nr. 10 lit. a) GewStG zu beachten92. Im Hinblick auf verlustbedingte Teilwertabschreibungen von Anteilen und bei Gewerbesteuerpflicht der Dividenden enthält § 8 Nr. 10 GewStG keine Einschränkungen. Kommt es bei teilwertberichtigten Anteilen zu einer späteren Wertaufholung, unterliegt der entsprechende Ertrag der Gewerbesteuer93. In § 9 GewStG ist keine ausdrückliche Kürzung der Erträge aus solchen Wertaufholungen vorgesehen. Der BFH entschied mit Urteil vom 23.9.200894, dass in Ermangelung einer auslegungsfähigen Gesetzeslücke die Erträge aus der Wertaufholung auch dann der Gewerbesteuer unterliegen, wenn sie wegen § 8 Nr. 10 GewStG den Gewerbeertrag nicht gemindert haben95. Mithin verwirft der BFH die Existenz einer materiell-rechtlichen Korrespondenz zwischen Teilwertabschreibung und Teilwertzuschreibung96, die u. E. jedoch sachlich geboten wäre.

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Vgl. BFH, Urt. v. 8.5.2003, IV R 35/01, BStBl. II 2004, S. 460; kritisch Schnädter, FR 1989, S. 576. Vgl. Henkel, in: Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Auflage, 2005, Rz. E 375; Herzig/Hötzel, DB 1988, S. 2272. Fallen Ausschüttung und Wertminderung in ein und demselben Wirtschaftsjahr an, ist dies vielfach der Fall. Vgl. RP Richter & Partner, Gewerbesteuer, 2008, S. 189; Roser, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 10 GewStG, Rz. 12, 14 (92. Erg.-Lfg. 03/2007); Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 8 GewStG, Rz. 5. § 2a EStG findet nur noch im Verhältnis zu Drittstaaten i. S. d. § 2a Abs. 2a EStG Anwendung. Im Anwendungsbereich von § 8b Abs. 7 und 8 KStG findet § 8b Abs. 3 KStG keine Anwendung. Vgl. hierzu Abschnitt 3.1.3.1. Vgl. Wassermeyer, DB 2004, S. 2715. Es kann zu einer solchen Wertaufholung kommen, wenn neu thesaurierte Gewinne den Teilwert des Anteils nach einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung wieder erhöhen. Vgl. BFH, Urt. v. 23.9.2008, I R 19/08, BFH/NV 2009, S. 296; a. A. FG Münster, Urt. v. 7.12.2007, 9 K 6262/04, EFG 2008, S. 715. So bereits: OFD Düsseldorf v. 21.1.2004, G 1422 A - St 142, FR 2004, S. 242; kritsch: Roser, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 10 GewStG, Rz. 17 (92. Erg.-Lfg. 03/2007). Vgl. Heurung/Seidel, GmbHR 2009, S. 1086. Vgl. FG Münster, Urt. v. 17.3.2009, 9 K 1105/08, EFG 2009, S. 1051.

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

3.1.3

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Sonderkonstellationen

3.1.3.1 Holding-, Kredit- und Versicherungsunternehmen Im Gewinn aus Gewerbebetrieb sind Dividenden und Gewinne aus Anteilsveräußerungen enthalten, soweit diese wegen § 8b Abs. 7 KStG nicht freizustellen sind97. Auf solche körperschaftsteuerpflichtige Dividenden hat § 8b Abs. 1 KStG keine Anwendung gefunden und mithin erübrigt sich deren Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG. Insbesondere liegen keine Gewinnanteile vor, die bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind98. Aus § 9 Nr. 7 GewStG kann sich dennoch eine Kürzung der Dividenden aus dem Gewerbeertrag ergeben, wenn die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt werden. In diesen Fällen ist allerdings eine Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG nicht möglich, sodass es im Ergebnis zu einer vollständigen Kürzung der Gewinnausschüttungen kommt99. Für Gewinne aus Anteilsveräußerungen kennt das GewStG keine Kürzungsnorm100. Im Gewinn aus Gewerbebetrieb sind ferner die laufenden Erträge enthalten, die gemäß § 8b Abs. 8 KStG der Körperschaftsteuer unterliegen. Auch insoweit erübrigt sich die Anwendung von § 8 Nr. 5 GewStG. Nach § 8b Abs. 8 KStG steuerpflichtige Bezüge werden jedoch ausdrücklich nach § 9 Nr. 7 S. 8 GewStG vom Anwendungsbereich des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs ausgenommen. Sie sind somit stets und in voller Höhe im Gewerbeertrag enthalten101. Im Anwendungsbereich von § 8b Abs. 7 und Abs. 8 KStG ist § 8b Abs. 3 KStG nicht zu berücksichtigen102. Dies gilt auch für Zwecke der Gewerbesteuer. Teilwertabschreibungen auf Anteile, die in den Anwendungsbereich von § 8b Abs. 7 und Abs. 8 KStG fallen, mindern den Gewerbeertrag unabhängig davon, ob die Dividenden nach § 8b Abs. 7 KStG i. V. m. § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG gekürzt werden oder stets nach § 8b Abs. 8 KStG i. V. m. § 9 Nr. 7 S. 8 GewStG gewerbesteuerpflichtig sind103. Nichtsdestotrotz sind § 2a EStG und § 8 Nr. 10 GewStG zu beachten. § 8 Nr. 12 GewStG sieht die Hinzurechnung ausländischer Steuern vor, die nach § 34c EStG bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, soweit sie auf 97 98 99 100 101

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Vgl. Heurung/Seidel, BB 2009, S. 472. Vgl. Sarazzin, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 5 GewStG, Anm. 12 (95. Erg.-Lfg. 08/2008). Allerdings wird § 3c Abs. 1 EStG nicht durch § 8b Abs. 5 S. 2 KStG suspendiert. Vgl. Heurung/Seidel, GmbHR 2009, S. 1089. Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 162a (102. Erg.-Lfg. 04/2009), Rz. 290a (94. Erg.Lfg. 04/2007); Sarazzin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 2a GewStG, Anm. 46 ff. (95. Erg.-Lfg. 08/2008); § 9 Nr. 7 GewStG, Anm. 70 ff. (95. Erg.-Lfg. 08/2008); Kröner, in: Ernst&Young (E&Y), Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 8b KStG, Rz. 290 (62. Erg.-Lfg. 12/2007). Vgl. Heurung/Seidel, GmbHR 2009, S. 1087. Jedoch ist die Rückausnahme in § 8b Abs. 9 KStG zu beachten.

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Gewinnanteile entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz gelassen oder nach § 9 GewStG gekürzt werden. Zur Hinzurechnung kommt es auch, wenn eine andere Bestimmung – wie bspw. § 26 Abs. 6 KStG104 – die Norm des § 34c EStG für entsprechend anwendbar erklärt. Sind Dividenden nach § 9 Nr. 7 GewStG freizustellen und wurde für Zwecke der Körperschaftsteuer zur Abzugsmethode optiert – bspw. in Fällen von § 8b Abs. 7 KStG – mindern die Auslandssteuern105 bei der Gewerbesteuer nicht die Bemessungsgrundlage106. 3.1.3.2 Hinzurechnungsbesteuerung § 9 Nr. 7 GewStG ordnet die Kürzung der „Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft“ an. Die Begriffe „Gewinne aus Anteilen“ i. S. d. § 9 Nr. 7 GewStG und „Gewinnanteile“ i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG entsprechen sich107. Nach § 10 Abs. 2 S. 1 AStG gehört der Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG108. Dementsprechend könnte der Hinzurechnungsbetrag nach § 9 Nr. 7 GewStG zu kürzen sein. Sobald allerdings der Aktivitätsvorbehalt nach § 9 Nr. 7 GewStG nicht erfüllt wird, was im Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung vielfach der Fall ist, scheidet eine Kürzung aus. Im Verhältnis zu Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie fallen, ist aber keine Aktivitätsklausel in § 9 Nr. 7 GewStG verankert. Insoweit ist nach Kollruss109 und Ruf/Wohlfahrt110 der Hinzurechnungsbetrag nach § 9 Nr. 7 GewStG aus dem Gewerbeertrag zu kürzen. Auch nach einer weiteren Schrifttumsauffassung ist „nach Wortlaut und Systematik der Normen zweifelhaft, ob der Hinzurechnungsbetrag tatsächlich der Gewerbesteuer unterliegt“111. Einer solchen Wortlautauslegung wird u. E. zu 104

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Vgl. Hofmeister, in: Blümich, § 8 GewStG, Rz. 721 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); Keß, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 12 GewStG, Anm. 3 (92. Erg.-Lfg. 03/2007). Vgl. Hierstetter, in: Erle/Sauter, KStG, 3. Auflage, 2010, § 26 KStG, Rz. 38. Vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 8 Nr. 12 GewStG (ohne Rz); Hofmeister, in: Blümich, § 8 GewStG, Rz. 720 (98. Erg.-Lfg. 02/2008); Keß, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 12 GewStG, Anm. 2, 5 (92. Erg.-Lfg. 03/2007). Vgl. Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, S. 498; Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 182 (94. Erg.Lfg. 04/2007). Vgl. BFH, Urt. v. 11.2.2009, I R 40/08, BStBl. II 2009, S. 594. Gehören Anteile an der ausländischen Gesellschaft zu einem Betriebsvermögen – was für Zwecke dieser Untersuchung der Fall ist –, so gehört der Hinzurechnungsbetrag allerdings zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 10 Abs. 2 S. 2 AStG). Vgl. Kollruss, IStR 2006, S. 519. Abstrakt sei auch § 8b Abs. 1 KStG anwendbar, weshalb dessen Anwendung durch § 10 Abs. 2 S. 3 AStG ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Eine vergleichbare Regelung im Hinblick auf § 9 Nr. 7 GewStG besteht nicht. Vgl. Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, S. 499. Edelmann, in: Kraft, Außensteuergesetz (AStG), 2009, § 10 AStG, Rz. 354; ähnlich auch Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B, § 10 AStG, Rz. 186 (59. Erg.-Lfg. 09/2006).

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Recht entgegengehalten, dass sie den Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung gefährde und deshalb abzulehnen sei112. Nach dem gesetzgeberischen Willen soll § 10 Abs. 2 S. 2 AStG ergänzend klarstellen, dass der Hinzurechnungsbetrag von der Gewerbesteuer erfasst wird113. Er wird für Zwecke der Körperschaftsteuer außerbilanziell hinzugerechnet und erhöht deshalb auch den Gewinn aus Gewerbebetrieb114. Nach einer anderen Schrifttumsauffassung könnten in Folge eines Eingreifens der Hinzurechnungsbesteuerung – ungeachtet des Vorliegens einer Auslandsgesellschaft – ausländische Betriebsstätteneinkünfte anzunehmen sein, sodass der Hinzurechnungsbetrag nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen wäre115. Die tatsächliche Ausschüttung von Beträgen, die bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben, wird regelmäßig vom gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg nach (§ 8b Abs. 1 KStG i. V. m. § 8 Nr. 5 GewStG i. V. m.) § 9 Nr. 7 GewStG nicht erfasst, weil die Aktivitätsklausel vielfach nicht erfüllt sein wird. Deshalb greift die Hinzurechnung der Dividenden laut § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG116. Gemäß § 8 Nr. 5 S. 2 GewStG sind jedoch diejenigen Dividenden nicht dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen, die unter § 3 Nr. 41 EStG fallen. Da R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR für Zwecke der Körperschaftsteuer die Norm des § 3 Nr. 41 EStG für anwendbar erklärt, geht eine Schrifttumsauffassung davon aus, dass die Norm auch für Körperschaften i. R. d. GewStG anzuwenden ist117. Dies würde eine vollständige Steuerfreistellung der Dividendenzahlungen implizieren. Allerdings würden die Auslandsgewinne nach Ablauf der Sieben-Jahres-Frist auch in voller Höhe (doppelt) zur Gewerbesteuer herangezogen118. Selbst wenn § 3 Nr. 41 EStG auf Körperschaften für Zwecke der Gewerbesteuer anzuwenden ist, können ausländische Dividendenquellensteuern nicht nach § 12 Abs. 3 AStG retrograd abgezogen werden119. § 12 Abs. 3 AStG ordnet die entsprechende 112

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Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B, § 10 AStG, Rz. 188 (59. Erg.-Lfg. 09/2006); Intemann, in: Haase, Außensteuergesetz (AStG), Doppelbesteuerungsabkommen, 2009, § 10 AStG, Rz. 10. Vgl. BT-Drucks. 14/6882, S. 42; zu UntStFG v. 20.12.2001, BStBl. I 2002, S. 35; hierzu: Edelmann, in: Kraft, AStG, 2009, § 10 AStG, Rz. 354; s. a. Haun/Reiser, FR 2006, S. 78. Vgl. Intemann, in: Haase, AStG, 2009, § 10 AStG, Rz. 54. Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 221a (92. Erg.-Lfg. 10/2006); Rödder/Schumacher, DStR 2002, S. 112; Sieker, IStR 2003, S. 79, Fn. 6; kritisch: Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, S. 498. Vgl. Schmidtmann, Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, S. 122. Vgl. Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, S. 501; Schönfeld, DStR 2006, S. 1219; Sarazzin, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 5 GewStG, Rz. 28 (95. Erg.-Lfg. 8/2008); Haas, DB 2002, S. 551; Watermeyer, GmbH-StB 2002, S. 322; a. A. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 8 Nr. 5 GewStG, Rz. 3. Vgl. Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, S. 501; Schönfeld, DStR 2006, S. 1219; s. a. Rödder, WPg 2002, S. 627; Rödder/Schumacher, DStR 2002, S. 113; Rättig/Protzen, IStR 2002, S. 128; Grotherr, IWB 2002, Fach 3, Gruppe 1, Deutschland, S. 1899; Kollruss, INF 2005, S. 902. Die optional mögliche Anrechnung scheidet ohnehin bei der GewSt aus.

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Anwendung von § 26 Abs. 1 und 6 KStG lediglich in zeitlicher Hinsicht und nicht auch in sachlicher Hinsicht für Zwecke der Gewerbesteuer an120. Wird körperschaftsteuerlich gemäß § 12 Abs. 1 AStG zur Steueranrechnung optiert, ist der Hinzurechnungsbetrag um die nach § 10 Abs. 1 AStG bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags abgezogenen Steuern wieder zu erhöhen (Aufstockungsbetrag). Die Aufstockung des Hinzurechnungsbetrags entfaltet als Gewinnerhöhung über § 7 GewStG auch Auswirkungen auf den Gewerbeertrag. Dies bedeutet, dass bei einer Anwendung der Steueranrechnung für Zwecke der Körperschaftsteuer im Ergebnis bei der Gewerbesteuer die Auslandssteuern weder abgezogen noch angerechnet werden können und lediglich die Bemessungsgrundlage erhöhen121. Mit Edelmann kann u. E. „durchaus die Frage gestellt werden, ob der Aufstockungsbetrag von der Gewerbesteuer ausgenommen werden sollte“122. § 9 Nr. 7 GewStG wäre dann entsprechend zu modifizieren. 3.1.3.3 Einkünfte aus Anteilen an Investmentvermögen Einkünfte aus Anteilen an ausländischen Investmentvermögen sind im Gewinn aus Gewerbebetrieb insoweit enthalten, wie sie nicht nach § 8b Abs. 1 KStG bereits für Zwecke der Körperschaftsteuer zu kürzen sind (eingeschränktes Transparenzprinzip). Letzteres ist regelmäßig für die in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen Dividenden der Fall123. Diese „Gewinnanteile (Dividenden)“, die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben, sind nach § 8 Nr. 5 GewStG hinzuzurechnen, wenn es sich nicht um „Gewinne aus Anteilen“ an einer ausländischen Kapitalgesellschaft124 handelt, die gemäß § 9 Nr. 7 GewStG zu kürzen sind. Eine Schrifttumsauffassung geht davon aus, dass die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG nicht auf Dividenden, die in ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthalten sind und gemäß § 8b Abs. 1 KStG zu kürzen waren, anwendbar ist. § 2 Abs. 2 S. 1 InvStG enthalte lediglich einen Rechtsfolgenver-

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Vgl. Kollruss, IStR 2006, S. 514; Burkert, in: S/K/K, § 12 AStG, Rz. 25 (2. Erg.-Lfg. 6/2005). Vgl. Edelmann, in: Kraft, AStG, 2009, § 12 AStG, Rz. 17; BFH, Urt. v. 21.12.2005, I R 4/05, BStBl. II 2006, S. 555 zu § 12 AStG a. F. Edelmann, in: Kraft, AStG, 2009, § 12 AStG, Rz. 16. Vgl. Feyerabend, in: Erle/Sauter, 3. Auflage, 2010, § 20 EStG, Rz. 198 ff.; Hagen, Ubg 2008, S. 337 ff. Für Zwecke unserer Untersuchung sei auf die ausländische Kapitalgesellschaft das InvStG anzuwenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG). Vgl. zu diesen Konstellationen Hagen, Ubg 2008, S. 339; Schnitger/Schachinger, BB 2007, S. 804. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist nicht anzuwenden, wenn auf die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft, für die die Auslandsgesellschaft Zwischengesellschaft ist, die Vorschriften des InvStG anzuwenden sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge nach einem DBA von der deutschen Bemessungsgrundlage auszunehmen wären (§ 7 Abs. 7 AStG).

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

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weis125, sodass die Dividenden nicht „nach“ § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben126. Mit Urteil vom 23.10.2008 entschied das FG Düsseldorf127 hingegen, dass „Dividenden […] nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreie Gewinnanteile dar[stellen], die nach § 8 Nr. 5 GewStG dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind. Durch die Verweisung des [… § 2 Abs. 2 S. 1 InvStG128] auf § 8b Abs. 1 KStG wird nach folgerichtiger, am Transparenzprinzip orientierter Auslegung vollumfänglich auf die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 1 KStG verwiesen, zu denen auch die gewerbesteuerliche Hinzurechnung im Sinne des § 8 Nr. 5 GewStG gehört. Nicht entscheidend ist daher, ob [… § 2 Abs. 2 S. 1 InvStG] eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung auf § 8b Abs. 1 KStG enthält.“. Längere Zeit ging das BMF von einer generellen Hinzurechnung sämtlicher ausgeschütteter und ausschüttungsgleicher Erträge aus: „Die Erträge aus den Investmentanteilen erfüllen die in § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG genannten Voraussetzungen nicht; die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ist insoweit vorzunehmen.“129. Dies sollte „verhindern, dass durch Zwischenschaltung eines Fonds die erzielten Dividendenerträge für einen institutionellen Anleger auf Grund der Höhe seiner Beteiligung an dem Fonds auch dann steuerfrei wären, wenn dies bei Direktanlage auf Grund der Beteiligungsverhältnisse nicht der Fall wäre“130. In einem nunmehr überarbeiteten Schreiben vom 18.8.2009 führt das BMF aus, dass „hinsichtlich der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen“ die Frage einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG davon abhänge, „ob die Beteiligung an dem ausländischen Investmentvermögen die Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG […] erfüllt“131. Dementsprechend würden die Dividenden prinzipiell nicht von der Gewerbesteuer erfasst und eine Hinzurechnung käme nur ausnahmsweise für Streubesitzdividenden in Frage132. Entscheidend für die Hinzurechnung von Streubesitzanteilen ist nach Auffassung der Finanzverwaltung, „ob die Beteiligung an dem ausländischen Investmentvermögen die Vorausset-

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Bei einem Rechtsfolgenverweis würde § 2 Abs. 2 S. 1 InvStG sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung der Rechtsfolgen des § 8b Abs. 1 KStG enthalten. Bei einem Rechtsgrundverweis könnten weiterhin auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8b Abs. 1 KStG zur Anwendung kommen. Vgl. FG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2008, 14 K 1079/05 G, EFG 2009, S. 211. Vgl. Hils, DB 2009, S. 1152; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 8 Nr. 5 GewStG, Rz. 3; Lindemann, DStZ 2003, S. 564 f. FG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2008, 14 K 1079/05 G, EFG 2009, S. 211; unter Az. I R 109/08 beim BFH zur Revisionsentscheidung anhängig. Die Norm ersetzt § 40 Abs. 2 KAGG, zu der das Urteil des FG Düsseldorf erging. Praktisch sollen beide Vorschriften „inhaltsgleich“ (Hils, DB 2009, S. 1151) sein. BMF, 2.6.2005, IV C1 - S 1980 - 1 - 87/05, BStBl. I 2005, S. 728, Tz. 42. Hagen, Ubg 2008, S. 339. BMF, Schreiben v. 18.8.2009, IV C1 - S 1980 - 1/08/10019, Tz. 42. Vgl. Steinmüller, DStR 2009, S. 1566.

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zungen des § 9 Nr. 7 GewStG“133 erfüllt. Mithin ist nicht maßgeblich, in welcher Höhe das ausländische Investmentvermögen seinerseits an den ausländischen Kapitalgesellschaften beteiligt ist oder wie hoch die durchgerechnete Beteiligungsquote ist134. Eine Kürzung nach § 9 Nr. 7 GewStG wird allerdings im Verhältnis zu Gesellschaften, die nicht in den Anwendungsbereich der MutterTochter-Richtlinie fallen, vielfach an der gewerbesteuerlichen Aktivitätsklausel scheitern135. 3.2

DBA-Fall

3.2.1

Mutter-Tochter-Richtlinie

Nach § 9 Nr. 7 S. 1 Halbs. 2 GewStG werden Dividenden, die bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb angesetzt worden sind, gekürzt, wenn es sich um Gewinne aus Anteilen an einer Gesellschaft handelt, die in den Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie136 fällt. Voraussetzung ist, dass die deutsche Kapitalgesellschaft am Nennkapital dieser ausländischen Gesellschaft137 zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens zu 10% beteiligt ist. Anders als nach der Generalnorm in § 9 Nr. 7 S. 1 Halbs. 1 GewStG ist die Freistellung der EU-Dividenden an keinen Aktivitätsvorbehalt gekoppelt. Zudem wird keine ununterbrochene Beteiligung seit Beginn des Erhebungszeitraums

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BMF, Schreiben v. 18.8.2009, IV C1 - S 1980 - 1/08/10019, Tz. 42; so auch Steinmüller, DStR 2009, S. 1569. So aber Krause, in: Linklaters Oppenhoff & Rädler, DB 2002, Beilage 1, S. 13; Lindemann, DStZ 2003, S. 564 f.; Hils, DB 2009, S. 1152. Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, welche nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen i. S. d. § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind, qualifizieren nach § 1 S. 2 InvG als Investmentvermögen. Solche Vermögensgegenstände i. S. d. § 2 Abs. 4 InvG sind bspw. Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate, Bankguthaben, Immobilien und Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften. Durch den Verweis von § 9 Nr. 7 GewStG auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG erfasst der gewerbesteuerliche Aktivitätskatalog hingegen grds. die Land- und Forstwirtschaft, die Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Sachen, das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen, den Betrieb von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen, den Handel, Dienstleistungen sowie bestimmte Fälle der Vermietung und Verpachtung. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Auflage, 2007, S. 474 f. Anlage 2 zum EStG. Artikel 2 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 225 S. 6, Nr. L 266 S. 20, 1997 Nr. L 16 S. 98), zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. EU Nr. L 363 S. 129). Deutsche Gesellschaften sind nicht erfasst, da diese weder Sitz noch Geschäftsleitung im Ausland haben (§ 9 Nr. 7 S. 1 Halbs. 2 GewStG). Vgl. Sarazzin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG, Rz. 48 (95. Erg.-Lfg. 8/2008).

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

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gefordert138. Die Mindestbeteiligung muss lediglich (stichtagsbezogen) zu Beginn des Erhebungszeitraums vorliegen. Von besonderer (steuerplanerischer139) Bedeutung ist ferner, dass, anders als im Regelfall, nicht eine 15%ige, sondern eine 10%ige Mindestbeteiligungsquote gefordert wird140. 3.2.2

DBA-Schachtelprivileg

3.2.2.1 Spezialregelung in § 9 Nr. 8 GewStG Wird eine Kürzung der Dividenden nicht durch § 9 Nr. 7 GewStG angeordnet, weil die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen, kann sich die Steuerfreistellung aus einem DBA-Schachtelprivileg141 ergeben. Für diese Fälle enthält § 9 Nr. 8 GewStG eine eigenständige Regelung, nach der Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, die nach einem DBA unter der Voraussetzung einer Mindestbeteiligung von der Gewerbesteuer befreit sind, aus dem Gewinn zu kürzen sind. Nach § 9 Nr. 8 GewStG hat dafür eine mindestens 15%ige Beteiligung vorzuliegen und die Gewinnanteile müssen bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) angesetzt worden sein. Ist in einem DBA eine niedrigere Mindestbeteiligungsgrenze vereinbart, ist diese maßgebend142. Problematisch ist jenes Tatbestandsmerkmal des § 9 Nr. 8 GewStG, nach welchem die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) angesetzt worden sein müssen. Soweit für Zwecke der Körperschaftsteuer § 8b Abs. 1 KStG Anwendung gefunden hat, ist dies nämlich gerade nicht der Fall143. Infolge der Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG ordnet § 8 Nr. 5 GewStG die Hinzurechnung der Dividenden an, die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz geblieben sind. § 8 Nr. 5 GewStG enthält jedoch keinen Verweis auf § 9 Nr. 8 GewStG, der eine entsprechende Hinzurechnung ausschließen könnte. Ein solcher Verweis könnte nämlich ermöglichen, dass aufgrund einer teleologischen Reduktion der Norm vom Ansatzerfordernis abstrahiert wird144.

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Die deutsche Kapitalgesellschaft muss im Nicht-EU-Fall „seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen“ mindestens zu 15% am Nennkapital der ausländischen Tochtergesellschaft beteiligt sein. Vgl. Kessler/Knörzer, IStR 2008, S. 122 f. Vgl. Köhler, in: Kessler/Kroener/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Auflage, 2008, § 7, Rz. 113 f.; Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 303 (94. Erg.-Lfg. 4/2007), 309a, 313 (98. Erg.-Lfg. 2/2008). Zu den Anwendungsfragen des DBA-Schachtelprivilegs, vgl. Heurung/Seidel, Festschrift Djanani, 2008, S. 313 ff.; Dörfler/Seidel, RIW 2008, S. 572 ff. Vgl. Warnke, EStB 2008, S. 66. Vgl. Kessler/Knörzer, IStR 2008, S. 122. Für Zwecke des § 8 Nr. 5 i. V. m. § 9 Nr. 7 GewStG wird eine solche Auslegung vorgenommen. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Auflage, 2007, S. 90.

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Nach Dötsch/Pung145 und Sarazzin146 bezieht die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG auch Fälle ein, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen eines DBASchachtelprivilegs erfüllt werden. In diesen Fällen liege eine Doppelfreistellung der Auslandsdividenden nach DBA und § 8b Abs. 1 KStG vor. Hierbei sei § 8b Abs. 1 KStG als weitergehende Befreiungsnorm vorrangig anzuwenden (R 29 Abs. 1 KStR) 147. Für Zwecke der Gewerbesteuer würde § 9 Nr. 8 GewStG einen verdeckten treaty-override148 enthalten, der eine Dividendenfreistellung nach dem DBA-Schachtelprivileg ausschließe149. Dem kann u. E. aus im Folgenden aufgeführten Gründen nicht gefolgt werden. 3.2.2.2 Vorrang des DBA-Schachtelprivilegs Gegen die vorstehend dargestellte Auffassung sprechen u. E. Verlautbarungen der Finanzverwaltung: Erlasse der OFD Koblenz150 und des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz151 gehen offensichtlich von einem Anwendungsbereich der DBA-Schachtelprivilegien aus152. Diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung kann sich auf die überwiegende Meinung im Schrifttum153 stützen, wonach „die Anwendung des DBA-Schachtelprivilegs für Zwecke des § 8 Nr. 5 GewStG nach § 2 AO vorrangig ist“154. Abschnitt 65 Abs. 2 S. 3 GewStR (R 9.5 S. 7 GewStR 2009-E) ordnet in diesem Zusammenhang ausdrücklich an, dass bei einer Überlappung von gewerbesteuerlichem und abkommensrechtlichem Schachtelprivileg „jeweils die für den Steuerpflichtigen günstigere Regelung“ anzuwenden ist. Von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG werden nur Dividenden erfasst, die „nach § 8b Abs. 1 KStG“ außer Ansatz bleiben. Nicht erfüllt ist der Tatbestand 145 146 147

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Vgl. Dötsch/Pung, in: D/J/P/W, § 8b KStG, Rz. 29 (67. Erg.-Lfg. 10/2009). Vgl. Sarazzin, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 5 GewStG, Anm. 25 (95. Erg.-Lfg. 8/2008). Vgl. Dötsch/Pung, in: D/J/P/W, § 8b KStG, Rz. 29 (67. Erg.-Lfg. 10/2009); Gosch, in: Gosch, KStG, 2. Auflage, 2009, § 8b KStG, Rz. 40. Zur Zulässigkeit eines treaty-override im Allgemeinen vgl. Frotscher, Festschrift Schaumburg, 2009, S. 687 ff. Vgl. Hageböke, IStR 2009, S. 477. Vgl. OFD Koblenz, 11.9.2003, G 1422/G 1425 A - St 33 2, DB 2003, S. 2041. Vgl. Finanzministerium Rheinland-Pfalz, 11.9.2003, G 1422/G 1425 A - St 33 2, DStR 2003, S. 1835. So auch: Dötsch/Pung, in: D/J/P/W, § 8b KStG, Rz. 29 (67. Erg.-Lfg. 10/2009). Vgl. Hofmeister, in: Blümich, § 8 GewStG, Rz. 576 (98. Erg.-Lfg. 2/2008); Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 293 (94. Erg.-Lfg. 4/2007), Rz. 318 (98. Erg.-Lfg. 2/2008); Prinz/Simon, DStR 2002, S. 150; Haas, DB 2002, S. 551; Rödder, WPg 2002, S. 626; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 8 Nr. 5 GewStG, Rz. 2; Köhler, DStR 2002, S. 1343; Henkel, in: Mössner u. a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Auflage, 2005, Rz. E 374; Dallwitz/Mattern/Schnitger, DStR 2007, S. 1700; Salzmann, IStR 2006, S. 319; Kessler/Knörzer, IStR 2008, S. 122; Clausen, in: Linklaters Oppenhoff & Rädler, DB 2002, Beilage 1, S. 11; Watermeyer, EStB 2002, S. 202; Tillmanns/Mössner, in: Mössner u. a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Auflage, 2005, Rz. B 437. Hageböke, IStR 2009, S. 477.

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

127

des § 8 Nr. 5 GewStG hingegen, wenn die Dividenden „nach einem DBASchachtelprivileg“ außer Ansatz bleiben155. Im Ergebnis sind die DBASchachtelprivilegien auch für Zwecke der Gewerbesteuer anwendbar. Ist ein DBA-Schachtelprivileg jedoch nicht einschlägig, bleiben die Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz und es kann zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG kommen. Sodann bleibt eine in § 9 Nr. 8 GewStG vorgesehene Reduktion der Mindestbeteiligungsquoten auf einheitlich 15% wohl versperrt156. Hingegen ist es nach Schmidt/Blöchle157 „im Wege einer teleologischen Auslegung möglich, ein Ergebnis zu erreichen, das […] die Gewährung der Schachtelfreistellung auch für Beteiligungen von mindestens 15%“ absichert. Für ein solches Normverständnis kann ferner die Tatsache angeführt werden, dass der Gesetzgeber zuletzt i. R. d. UntStRefG 2008158 eine Neufassung der Norm vorgenommen und die gebotene Korrektur in § 8 Nr. 5 GewStG – einer vermeintlich „leerläufigen“ Norm – unterlassen hat. Schließlich stellte sich diese Zweifelsfrage für die neueren deutschen DBA nicht, da dort das Schachtelprivileg ab einer Mindestbeteiligungsquote von bereits 10% gewährt wird159. 3.2.2.3 Dividendenbegriff des § 9 Nr. 8 GewStG Wenn und soweit § 9 Nr. 8 GewStG Anwendung findet160, stellt sich die Frage nach der Auslegung des dortigen Dividendenbegriffs. Die Norm spricht von „Gewinnen aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unter der Voraussetzung einer Mindestbeteiligung von der Gewerbesteuer befreit sind“. Der Dividendenbegriff des § 9 Nr. 8 GewStG könnte prinzipiell nach der abkommensrechtlichen Dividendendefinition (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA) oder entsprechend § 9 Nr. 7 GewStG – und mithin entsprechend § 8b Abs. 1 KStG161 – auszulegen sein. Gegen eine Auslegung entsprechend dem Dividendenbegriff des einzelnen Länder-DBA könnte sprechen, dass je nach Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft ein anderer Dividendenbegriff gelten würde162. Allerdings gelten bei den einzelnen DBA-Schachtelprivilegien auch unterschiedliche Mindestbeteiligungsquoten und Aktivitätsvoraussetzungen. Die Frage entfaltete lange Zeit materielle Brisanz, da der Kreis der nach DBA freizustellenden Dividenden-

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Prinz/Simon, DStR 2002, S. 150; Salzmann, IStR 2006, S. 319. Vgl. Kessler/Knörzer, IStR 2008, S. 122, die davon ausgehen, dass die „Ausnahme für günstigere DBA-Mindestbeteiligungsquoten weitgehend leer“ läuft. Schmidt/Blöchle, in: S/K/K, Art. 23 MA, Rz. 110 (13. Erg.-Lfg. 4/2008). Vgl. BR-Drucks. 384/07, S. 20. Vgl. Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Auflage, 2008, Art. 23 MA, Rz. 96. Vgl. Schmidt/Blöchle, in: S/K/K, Art. 23 MA, Rz. 110 (13. Erg.-Lfg. 4/2008). Vgl. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, S. 121. Vgl. Odenthal, in: F/W/B, § 9 Nr. 8 GewStG, Rz. 7 (35. Erg.-Lfg. 2/1995).

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einkünfte vielfach über die von § 8b Abs. 1 KStG erfassten Bezüge hinausging. Da seit dem Urteil des BFH vom 4.6.2008163 lediglich echte Dividenden der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung unterliegen, hat diese Frage wohl an Bedeutung verloren164. 3.2.3

Steueranrechnung

Soweit die Methodenartikel der deutschen DBA keine Einschränkung der Steueranrechnung auf die Körperschaftsteuer vornehmen und auch keine entsprechende Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts anordnen, ist prinzipiell eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer möglich. Dies ist bspw. bei den DBA mit Belgien, Griechenland, Iran, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande und Spanien der Fall165. 4

Ausländische Betriebsstätteneinkünfte

Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird gekürzt um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte166 i. S. d. § 12 AO entfällt (§ 9 Nr. 3 GewStG). Diese generelle unilaterale Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte für Zwecke der Gewerbesteuer wird durch § 20 Abs. 2 AStG, der die hypothetische Hinzurechnungsbesteuerung regelt, nicht tangiert167. Die generelle Freistellung gilt selbst in Fällen, in denen dem Betriebsvermögen der Auslandsbetriebsstätte Anteile an Auslandsgesellschaften zuzuordnen sind168, auf die die Hinzurechnungsbesteuerung Anwendung findet. Zwar erhöht der Hinzurechnungsbetrag die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte. Als Teil dieser Einkünfte wird auch er jedoch durch § 9 Nr. 3 GewStG gekürzt169. Hingegen wird nach einer Mindermeinung von Güroff von der Kürzung nach 9 Nr. 3 GewStG ein Hinzu163 164

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Vgl. BFH, Urt. v. 4.6.2008, I R 62/06, BStBl. II 2008, S. 793. Vgl. Heurung/Seidel, Festschrift Djanani, 2008, S. 313 ff.; zur entscheidenden Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung, vgl. Birker/Seidel, BB 2009, S. 244 ff.; Teufel/Hasenberg, IStR 2008, S. 724 ff. Vgl. Heurung/Seidel, IWB, Fach 3, Deutschland, Gruppe 5, S. 687 ff.; Heurung/Seidel, GmbHR 2009, S. 1089. Vgl. Baumhoff/Leitner/Digeronimo, IWB, Fach 10, Gruppe 2, S. 1433 f. Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B, § 20 AStG, Rz. 153 (62. Erg.-Lfg. 5/2008); Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, S. 500; Sieker, IStR 2003, S. 79. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die von der Finanzverwaltung vertretene „Zentralfunktion des Stammhauses“, BMF, Schreiben vom 25.8.2009, Tz. 2.4. Hierzu Breuninger, Festschrift Schaumburg, 2009, S. 587 ff.; Kessler/Jehl, IWB, Fach 10, International, Gruppe 2, S. 1977 ff. m. w. N. Vgl. Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, S. 500; Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B, § 10 AStG, Rz. 190 (63. Erg.-Lfg. 3/2009).

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

129

rechnungsbetrag nicht erfasst170. Jedenfalls adressiert die Kürzung neben positiven auch negative Betriebsstätteneinkünfte171. In Fällen solcher Betriebsstättenverluste wirkt sich die Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG als Erhöhung der Bemessungsgrundlage aus172. Die gewerbesteuerliche Kürzung erfasst nicht die Einkünfte, die auf eine ausländische Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA) entfallen. Die Vertreterbetriebsstätte173 ist keine Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO. Das GewStG enthält keine Kürzungsanordnung für Auslandseinkünfte, die einem ständigen Vertreter i. S. d. § 13 AO zuzuordnen sind174. Ferner erfasst der unilaterale Betriebsstättenbegriff keine Dienstleistungsbetriebsstätten175. Dementsprechend findet auch insoweit keine gewerbesteuerliche Kürzung statt. Eine Freistellung der Einkünfte aus Vertreter- und Dienstleistungsbetriebsstätten kann sich allenfalls aus einem DBA mit einer weiteren Betriebsstättendefinition ergeben176. § 8 Nr. 12 GewStG sieht die Hinzurechnung ausländischer Steuern vor, die nach § 34c EStG oder nach einer Bestimmung, die § 34c EStG für entsprechend anwendbar erklärt (§ 26 KStG), bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, soweit sie auf Gewinnanteile entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz gelassen oder nach § 9 GewStG gekürzt werden. Betriebsstättengewinne werden gewerbesteuerlich stets gekürzt. Soweit für Zwecke der Körperschaftsteuer anstelle der Anrechnungsmethode177 die Abzugsmethode gewählt wurde, sind die Auslandssteuern bei der GewSt nicht abzugsfähig178. Auslandssteuern sind auch hinzuzurechnen, wenn sie auf einen nach § 9 Nr. 3 GewStG auszunehmenden Betriebsstättenverlust entfallen179.

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Vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 9 Nr. 3, Rz. 3. Vgl. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, S. 114; RP Richter & Partner, Gewerbesteuer, 2008, S. 221. Vgl. Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 220 (92. Erg.-Lfg. 10/2006); Fresch/Strunk, in: S/K/K, Art. 5 MA, Rz. 36 (Grundwerk, 9/2004). Vgl. Haase, in: Haase, 2009, Art. 5 MA, Rz. 13. Vgl. Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Auflage, 2008, Art. 2 MA, Rz. 62; Puls, Die Betriebsstätte im Abgaben- und Abkommensrecht, 2005, S. 149 f.; Sarazzin, in: Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 3 GewStG, Anm. 6 (90. Erg.-Lfg. 9/2005). Vgl. Haase, in: Haase, 2009, Art. 5 MA, Rz. 13. Vgl. Rautenstrauch/Binger, Ubg 2009, S. 623 f. Eine der generellen Dividendenfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG entsprechende unilaterale Kürzungsnorm für ausländische Betriebsstätteneinkünfte kennt das KStG nicht. Für Zwecke der KSt kann sich die Steuerfreistellung von Betriebsstätteneinkünften allenfalls aus einem DBA ergeben. Vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage, 2009, § 8 Nr. 12 GewStG (ohne Rz.); Hofmeister, in: Blümich, § 8 GewStG, Rz. 720 (98. Erg.-Lfg. 2/2008). Vgl. Hofmeister, in: Blümich, § 8 GewStG, Rz. 724 (98. Erg.-Lfg. 2/2008); Keß, in: Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 12 GewStG, Anm. 4 (92. Erg.-Lfg. 3/2007).

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Schlussbetrachtung

Das GewStG sieht prinzipiell eine rechtsformabhängige Ungleichbehandlung der Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen vor. Während Gewinne aus Betriebsstätten generell freigestellt werden180, kommt die Freistellung von Dividenden nur unter bestimmten Bedingungen zum Tragen. Soweit Betriebsstättengewinne steuerfrei und Dividenden steuerpflichtig sind, tritt eine „sachliche Ungleichbehandlung“ ein, für die mit Gosch „kein Grund ersichtlich“181 ist. Im Hinblick auf die folgerichtige Umsetzung des Inlandsprinzips könnten Dividenden – entsprechend § 8b Abs. 1 KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer – generell aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gekürzt werden. Eine gesetzgeberische Klarstellung zur Anwendung des DBA-Schachtelprivilegs bei der Gewerbesteuer, würde ein „Luftloch“182 schließen und den Zustand latenter Rechtsunsicherheit beenden. Steuersystematisch unbefriedigend ist des Weiteren, dass im Zusammenhang mit der gewerbesteuerlichen Dividendenfreistellung bereits unilateral drei verschiedene Mindestbeteiligungsquoten normiert sind183. Soweit Dividenden (weiterhin) der Gewerbesteuerpflicht unterliegen, wäre ferner zur Vermeidung einer grenzüberschreitenden Doppelbesteuerung die Anwendung der Anrechungsmethode bei der Gewerbesteuer angezeigt. Dies sollte auch dann gelten, wenn bei der Körperschaftsteuer wegen der Dividendenfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern unterbleibt. Dass die Gewerbesteuer reformbedürftig ist, wird seit Jahrzehnten in der Steuerwissenschaft thematisiert184. Insbesondere Prof. Dr. Norbert Krawitz mahnte bereits im Jahre 1985 an: „Eine grundsätzliche Reform, wenn nicht Abschaffung der Gewerbesteuer scheint nach wie vor geboten.“ 185. Der Jubilar wies damals aber zugleich daraufhin, dass der Finanzbedarf der Gemeinden sowie die Finanzschwachheit von Bund und Ländern diesem Vorhaben wohl enge Grenzen setzen186. Die von Prof. Dr. Norbert Krawitz getroffenen Aussagen haben in den vergangenen 25 Jahren nichts von ihrer Aktualität und Richtigkeit verloren. Es darf daher mit Spannung verfolgt werden, inwiefern eine Reform der Gewerbesteuer in der neuen, 17. Legislaturperiode vom Gesetzgeber in Angriff genom180

181 182 183 184

185 186

Dies gilt nach § 9 Nr. 2 GewStG auch für Gewinne aus Anteilen an ausländischen Personengesellschaften, und zwar unabhängig von der Beteiligungsquote. Gosch, in: Blümich, § 9 GewStG, Rz. 288 (98. Erg.-Lfg. 2/2008). Kessler/Knörzer, IStR 2008, S. 122. Kessler, Euro-Holding, 1996, S. 123 f. Vgl. nur Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1983, BT-Drucks. 10/669, S. 194, Ziffer 399 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1995, BT-Drucks. 13/3016, S. 212, Ziffer 346. Krawitz, SteuerStud 1985, S. 147. Vgl. Krawitz, SteuerStud 1985, S. 147.

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men wird. Die Bundesregierung verpflichtet sich zumindest in ihrem Koalitionsvertrag eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der Gemeindefinanzen einzusetzen. Diese soll auch den Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatzrecht für die Gemeinden prüfen187. In der Vergangenheit wurde von Politik und Wissenschaft allerdings schon vielfach das Ende der Gewerbesteuer prophezeit. Entgegen aller Kritik wuchs sich die Gewerbesteuer mit Inkrafttreten der Unternehmensteuerreform 2008 jedoch zur „dominierenden Unternehmenssteuer“188 aus. Es bleibt daher abzuwarten, welchen Weg die Gewerbesteuer in Zukunft nehmen wird.

187

188

Wachstum, Bildung, Zusammenhalt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, 2009, S.14. Herzig, DB 2007, S. 1541 ff.

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Aktenzeichen

Fundstelle

13.5.1969

1 BvR 25/65

BStBl. II 1969, S. 424-427

Bundesfinanzhof Datum

Aktenzeichen

Fundstelle

11.2.2009

I R 40/08

BStBl. II 2009, S. 594-596

23.9.2008

I R 19/08

BFH/NV 2009, S. 296-297

20.8.2008

I R 34/08

BStBl. II 2009, S. 263-266

4.6.2008

I R 62/06

BStBl. II 2008, S. 793-795

13.2.2008

I R 75/07

BFH/NV 2008, S. 1395-1398

21.8.2007

I R 76/06

BFH/NV 2008, S. 247-248

25.1.2006

I R 104/04

BStBl. II 2006, S. 844-846

21.12.2005

I R 4/05

BStBl. II 2006, S. 555-557

6.7.2005

VIII R 72/02

BFH/NV 2006, S. 363-364

8.5.2003

IV R 35/01

BStBl. II 2004, S. 460-464

21.8.1996

I R 186/94

BStBl. II 1997, S. 434-437

Finanzgerichte Gericht

Datum

Aktenzeichen

Fundstelle

FG Düsseldorf

23.10.2008

14 K 1079/05 G

EFG 2009, S. 211-212

FG Münster

17.3.2009

9 K 1105/08

EFG 2009, S. 1051-1053

FG Münster

7.12.2007

9 K 6262/04

EFG 2008, S. 715

Gesetzesmaterialien BT-Drucks. 6/3418 BT-Drucks. 10/669 BT-Drucks. 13/3016 BT-Drucks. 14/6882 BR-Drucks. 384/07

Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer

141

Erlasse, Schreiben und Verfügungen der Finanzverwaltung BMF, Schreiben vom 25.8.2009, IV B 5 – S 1341/07/10004. BMF, Schreiben vom 18.8.2009, IV C1 – S 1980 – 1/08/10019. BMF, Schreiben vom 2.6.2005, IV C1 – S 1980 – 1 – 87/05, BStBl. I 2005, S. 728-765. BMF, Schreiben vom 2.12.1994, IV C 7 – S 1340 – 20/94, BStBl. I 1995, Sondernummer 1, S. 3-64. Finanzministerium Rheinland-Pfalz, Erlass vom 11.9.2003, G 1422/G 1425 A – St 33 2, DStR 2003, S. 1835-1836. OFD Düsseldorf, Verfügung vom 21.1.2004, G 1422 A – St 142, FR 2004, S. 242. OFD Frankfurt, Verfügung vom 16.10.2002, G – 1425A – 8 St II 22, DStR 2003, S. 251. OFD Koblenz, Verfügung vom 11.9.2003, G 1422/G 1425 A – St 33 2, DB 2003, S. 2041-2042. OFD Münster, Verfügung vom 28.7.2008, S 1301 – 18 – St 45 – 32.

Die einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke Christian Hick

Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen der Zinsschrankenregelung.................................................... 145 1.1 Rechtsentwicklung der Abzugsbeschränkung für Zinsaufwendungen .................................................................................... 145 1.2

Temporäres Betriebsausgabenabzugsverbot für Zinsaufwendungen .................................................................................... 146

1.3

Betriebswirtschaftliche Folgen der Abzugsbeschränkung............. 148

2 Sonderregelung für einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften ........................................................................... 149 2.1 Grundfragen der Sonderregelung ................................................. 149 2.2

Entsprechende Anwendung des § 8a Abs. 2 KStG bei nicht konzernzugehörigen nachgeordneten Mitunternehmerschaften .... 151 2.2.1 Nachgeordnete Mitunternehmerschaft als inländischer konzernzugehöriger Betrieb ............................................... 152 2.2.2 Keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung der nachgeordneten Mitunternehmerschaft .............................. 154

2.3

Entsprechende Anwendung des § 8a Abs. 3 KStG für konzernzugehörige nachgeordnete Mitunternehmerschaften ........ 156 2.3.1 Eigenkapital-Escape bei konzernzugehöriger Mitunternehmerschaft ........................................................ 157 2.3.2 Keine schädliche externe Gesellschafterfremdfinanzierung konzernzugehöriger Mitunternehmerschaften ..................................................... 161

3 Zinsvortrag und nachgeordnete Mitunternehmerschaften ......................... 163 3.1 Vortrag nicht abgezogener Zinsaufwendungen der Mitunternehmerschaft ................................................................... 163

144

Christian Hick

3.2

Unmittelbarer bzw. mittelbarer Gesellschafterwechsel an einer Mitunternehmerkapitalgesellschaft ............................................... 165

4 Ergebnis: Sonderregelung für einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften führt zu einer Einschränkung des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit .......................................................................... 167

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

145

Einführung Norbert Krawitz hat sich im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit intensiv mit der Beurteilung von Finanzierungsgestaltungen aus Sicht der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre und dem „Grundsatz der Finanzierungsfreiheit“ beschäftigt. Aus diesem Grund hat der Verfasser für diesen Festschriftenbeitrag einen Teilaspekt der Zinsschrankenregelung analysiert, mit der der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Finanzierungsstrukturen auf eine neue Grundlage gestellt hat. 1

Grundlagen der Zinsschrankenregelung

1.1

Rechtsentwicklung der Abzugsbeschränkung für Zinsaufwendungen

Mit der im Rahmen des UntStReformG 2008 v. 14.8.20071 eingeführten Zinsschranke haben sich die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Finanzierungsstrukturen grundlegend verändert. Dabei ist § 8a KStG durch das UntStReformG 2008 vollständig neu gefasst und inhaltlich an die (rechtsformübergreifende) Systematik der Zinsschrankenregelung (§ 4h EStG) angepasst worden. In systematischer Hinsicht ergänzt, modifiziert und verschärft die körperschaftsteuerliche Sondernorm des § 8a KStG die Grundregel der Zinsschranke (§ 4h EStG)2. In zeitlicher Hinsicht gilt die Neuregelung bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr für sämtliche Finanzierungsaufwendungen ab dem 1.1.20083. Von dem Anwendungsbereich der Zinsschrankenregelung sind sowohl Konzernunternehmen als auch mittelständische Unternehmen betroffen. Besondere Anwendungsfragen stellen sich auf Grund des § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG für den Fall, dass eine Mitunternehmerschaft unmittelbar oder mittelbar einer Körperschaft nachgeordnet ist. In diesem Fall wird die Rechtsanwendung durch das zu beachtende Zusammenspiel zwischen § 4h EStG und § 8a KStG erschwert. Das BMF-Schreiben v. 4.7.20084 nimmt zu den besonderen Anwendungsfragen 1 2

3

4

Vgl. BGBl. I 2007, 1912, BStBl. I 2007, 630. Die Entwurfsfassung eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums konnte im Zeitpunkt der Drucklegung nicht mehr berücksichtigt werden. Vgl. § 52 Abs. 12d EStG. Nach § 52 Abs. 12d Satz 1 ist § 4h i.d.F. des Art. 1 des UntStReformG 2008 erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem Tag des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages (25.5.2007) beginnen und nicht vor dem 1.1.2008 enden. Entspricht das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr, gelangt die Vorschrift erstmals im Veranlagungszeitraum 2008 zur Anwendung. Hat das abweichende Wirtschaftsjahr nach dem 25.5.2007 begonnen, ist die Zinsschrankenregelung erstmals im Wirtschaftsjahr 2008/2009 anzuwenden. § 34 Abs. 6a Satz 3 KStG weist eine entsprechende Ingangsetzungsbestimmung für § 8a KStG auf. BStBl. I 2008, 718; vgl. hierzu Köhler/Hahne, DStR 2008, 1505 ff.

146

Christian Hick

des § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG nicht Stellung. Aus Sicht der Praxis ist die einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft besonders häufig – u.a. auf Grund grunderwerbsteuerlicher Fragestellungen – im Zusammenhang mit der Strukturierung von Immobilieninvestitionen anzutreffen. Dem § 4h EStG liegt die Zielsetzung des Gesetzgebers zugrunde, den Betriebsausgabenabzug betrieblich veranlasster Zinsaufwendungen auf Ebene des zinszahlenden Unternehmens unter bestimmten Voraussetzungen einzuschränken5. Dabei hat der Gesetzgeber einen Systemwechsel von dem Konzept des Safe haven-Schutzes zu dem Konzept der temporär oder endgültig nicht abziehbaren Betriebsausgaben vollzogen. Mit der Neuregelung sollen die Schwächen des § 8a KStG a.F. beseitigt werden, die aus Sicht der Finanzverwaltung vor allem in der Möglichkeit einer Umgehung der Vorschrift durch mittelbare Gesellschafterfremdfinanzierungen bestanden. 1.2

Temporäres Betriebsausgabenabzugsverbot für Zinsaufwendungen

Die Zinsschranke ist durch den Gesetzgeber (jedenfalls idealtypisch) als temporäres Betriebsausgabenabzugsverbot ausgestaltet worden6. Als Bestandteil der Vorschriften zur steuerlichen Gewinnermittlung ist § 4h EStG von Bedeutung für die Gewinnermittlung natürlicher Personen, Mitunternehmerschaften und (über § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 8a KStG) auch für Körperschaften, soweit diese im Inland einen Betrieb mit gewerblichen Einkünften unterhalten7. Anknüpfungsmerkmal der Zinsschranke bildet demnach der Begriff des „Betriebs“. Mit der Wahl eines sachlichen Anknüpfungsmerkmals verfolgt der Gesetzgeber die Zielsetzung, dass die in § 4h EStG geregelten Grundsätze unabhängig von der Rechtsform des Steuerpflichtigen zur Anwendung gelangen8. Im Unterschied zu § 8a KStG a.F. ist die Zinsschrankenregelung damit nicht an die Person des Fremdkapitalgebers geknüpft. Somit ist es unerheblich, ob die Fremdfinanzierung durch wesentlich beteiligte Anteilseigner, diesen nahe stehende Personen oder rückgriffsberechtigte Dritte erfolgt. Der Zinsschranke unterliegen sämtliche von § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG erfasste Zinsaufwendungen eines Betriebs, d.h. auch Zinsaufwendungen, die auf von Banken ausgereichte Darlehen zu fremdüblichen Konditionen entfallen. Auch wird nicht nach Art und Laufzeit der Fremdfinanzierung differenziert. Grundregel der Abzugsbeschränkung gilt auch für nachgeordnete Mitunternehmerschaften: Die besonderen Vorschriften für einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften (§ 4h Abs. 2 Satz 2 EStG) bauen 5 6 7 8

Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 47. Vgl. Grotherr, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 3, 1493; Hick, S:R 2008, 140. Zum Verhältnis zu weiteren Vorschriften vgl. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 10. Kritisch dazu Prinz, DB 2008, 368.

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

147

auf der Grundregel der Zinsschranke auf. Zinsaufwendungen eines Betriebs sind mindestens bis zur Höhe des Zinsertrags desselben Wirtschaftsjahres abziehbar (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG). Übersteigen die Zinsaufwendungen jedoch die Zinserträge, darf der überschießende Betrag nur bis zur Höhe von 30% des maßgeblichen Gewinns vor Zinsaufwendungen und Zinserträgen und regulären Abschreibungen (steuerliches EBITDA) gemindert werden. Nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (sog. Zinsvortrag) und erhöhen die Zinsaufwendungen, nicht jedoch den maßgeblichen Gewinn dieser Wirtschaftsjahre. Die Anwendung der Zinsschrankenregelung bei einer Kapitalgesellschaft nachgeordneten Mitunternehmerschaft wird dadurch erschwert, dass nach § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG neben der Zinsschrankengrundregel i.S.d. § 4h EStG auch die aus § 8a KStG resultierenden Modifikationen und Verschärfungen zu beachten sind. Hieraus resultiert ein kompliziertes mehrstufiges Regel-/Ausnahmeverhältnis. Ausnahmen von der Grundregel des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG bestehen für drei Fallgruppen: > Betriebsbezogene Freigrenze (Buchst. a): Die Nettozinsaufwendungen des Betriebs erreichen den Betrag von 1 Mio. € nicht. Durch das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen – Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung v. 22.7.2009 – ist eine zeitlich befristete, rückwirkend anwendbare Erhöhung der Freigrenze auf 3 Mio. € erfolgt9. Da es sich um eine Freigrenze für Zinsaufwendungen und nicht um einen Freibetrag handelt, ist ein ggf. nur geringfügiges Überschreiten der Freigrenze dazu geeignet, eine erhebliche Steuermehrbelastung auszulösen (sog. Belastungssprung). Einzukalkulieren ist insoweit auch ein unbeabsichtigtes Überschreiten der Freigrenze durch nachträgliche Anpassung der Höhe der Zinszahlungen durch die Betriebsprüfung. > Keine oder nur anteilmäßige Konzernzugehörigkeit (Buchst. b): Der Betrieb gehört nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern. Bei Körperschaften wird die Öffnungsklausel für konzernungebundene Körperschaften bei bestimmten Formen der Gesellschafterfremdfinanzierung außer Kraft gesetzt (§ 8a Abs. 2 KStG). Die Inanspruchnahme der Befreiungsvorschrift für konzernungebundene Körperschaften kommt danach nur dann in Betracht, falls -

die Vergütungen für Fremdkapital an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner,

9

BGBl. I 2009, 1959. Die Erhöhung der Freigrenze auf 3 Mio. € gilt nach § 52 Abs. 12d Satz 3 EStG erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 25.5.2007 beginnen und nicht vor dem 1.1.2008 enden und letztmals für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2010 enden. Damit kann die erhöhte Freigrenze ab der zeitlichen Ingangsetzung der Zinsschranke genutzt werden.

148

Christian Hick

eine diesem nahe stehende Person (§ 1 Abs. 1 AStG) oder einen rückgriffsberechtigten Dritten gezahlt werden und -

nicht mehr als 10% der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft betragen und

-

die Körperschaft dies nachweist.

> Konzernzugehörigkeit und Eigenkapitalvergleich (Buchst. c): Konzernzugehörige Betriebe können sich von der Anwendung der Zinsschranke durch den Nachweis befreien, dass ihre Eigenkapitalquote nicht schlechter ist als diejenige des Konzerns (bei einer Toleranz von einem Prozentpunkt), wobei die für den Eigenkapitalquotenvergleich maßgeblichen Abschlüsse vorrangig nach den IFRS zu erstellen sind. Für Körperschaften wird die Escape-Klausel durch § 8a Abs. 3 KStG verschärft. So dürfen nicht mehr als 10% des Zinssaldos auf zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligte Gesellschafter einer konzernzugehörigen Gesellschaft, auf eine nahe stehende Person oder einen rückgriffsberechtigten Dritten entfallen. Dies gilt dabei nur für im Konzernabschluss ausgewiesene Verbindlichkeiten. D.h. es muss sich um eine Finanzierung durch eine nicht konzernzugehörige Gesellschaft handeln. 1.3

Betriebswirtschaftliche Folgen der Abzugsbeschränkung

Die Zinsschranke hat erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung von Finanzierungsstrukturen. Denn entgegen der eigentlichen Zielsetzung des Gesetzgebers, missbrauchsgeleitete Konzernfinanzierungen zu erfassen, wirkt die Vorschrift nicht zielgerichtet10. Letztlich soll über ein Zinsabzugsverbot eine Mindestbesteuerung sichergestellt werden11. Wirtschaftlich resultieren im günstigsten Fall aus der Verschiebung des Zinsabzugs in zukünftige Veranlagungszeiträume mittels Zinsvortrags negative Zins- und Liquiditätswirkungen. Dabei hängen die wirtschaftlichen Folgen auch von der Dauer des Aufschubs ab. In wirtschaftlichen Krisensituationen kann ein erheblicher Teil der Fremdfinanzierungsaufwendungen steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden12. Hinzu kommt der Einfluss von Steuersatzänderungen. Mit der Zinsschranke erfolgt ein Eingriff in den Grundsatz der unternehmerischen Finanzierungsfreiheit. Denn dem Unternehmer wird vom Gesetzgeber vorgeschrieben, dass die Höhe seiner Fremdkapitalaufwendungen eine in Abhängigkeit vom EBITDA bestimmte feste Größe nicht überschreiten darf. Wird diese Größe überschritten, droht auch marktüblich ausgestalteten Finanzierungen

10 11 12

Vgl. H/H/R/Prinz, § 8a KStG Anm. J 07-1. Vgl. Herzig/Bohn, DB 2007, 1 [3]. Vgl. Eilers/Bühring, DStR 2009, 137; Eilers, in: Festschrift Schaumburg, Köln 2009, 275-286.

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

149

eine „Strafbesteuerung“ 13. Bei grenzüberschreitenden Finanzierungen zieht dies auch doppelbesteuerungsrechtliche Fragestellungen im Hinblick auf den Fremdvergleichsgrundsatz nach sich (Art. 9 OECD-MA). Vor allem trifft die aus der Zinsschranke resultierende Beschränkung des Abzugs von Zinsaufwendungen Unternehmen mit hohen Zinsaufwendungen und einem niedrigen EBITDA. Ertragsstarke Unternehmen sind daher tendenziell von der Zinsschranke in geringerem Umfang betroffen. In konjunkturellen Schwächephasen trägt die Zinsschranke insoweit dazu bei, wirtschaftliche Probleme noch zu verschärfen. Auch wird man zukünftig berücksichtigen müssen, wie sich bestimmte betriebliche Investitionsvorgänge auf die Höhe des steuerlichen EBITDA auswirken. Investitionen in steuerlich nicht abschreibungsfähige Wirtschaftsgüter (z.B. selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter, Patente, Markenrechte) erhöhen das steuerliche EBITDA nicht. Bei einer Investition in abschreibungsfähige Wirtschaftsgüter ist dies durch die Generierung von Abschreibung dagegen der Fall. Gehören Darlehensgeber und Darlehensnehmer dem gleichen Konzern an, besteht die Folge der Zinsschranke in einer zumindest temporären Doppelbesteuerung, falls der Zinsvortrag genutzt werden kann. So resultieren für den Empfänger der Zinszahlungen aus der Abzugsbeschränkung keine Folgen, d.h. der Empfänger hat einen steuerpflichtigen Zinsertrag zu versteuern, zu einer korrespondierenden Gewinnminderung kommt es nicht. Eine Übermaßbesteuerung tritt dann ein, wenn der Zinsvortrag untergeht. In diesem Fall muss der Darlehensnehmer die Zinszahlungen aus dem versteuerten Einkommen entrichten. Im Ergebnis führt die Zinsschranke zu einer erheblichen Einschränkung des von der Rechtsprechung entwickelten „Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit“ und ist wegen der Verletzung des objektiven Nettoprinzips gerade in Krisenzeiten problematisch. Hinzu kommen die verfassungs- und europarechtlichen Bedenken14. 2.

Sonderregelung für einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften

2.1

Grundfragen der Sonderregelung

Durch § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG wird die entsprechende Anwendung von § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG für eine Gesellschaft vorgeschrieben, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer einzustufen sind und die unmittelbar oder mit13 14

Vgl. Köhler, DStR 2007, 597 [604]. Zu Einzelheiten s. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 6 ff. sowie Hey, in Festschrift Djanani, Wiesbaden 2008, 112 ff.

150

Christian Hick

telbar einer Körperschaft nachgeordnet ist15. D.h. die Anwendung der körperschaftsteuerlichen Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung setzen voraus, dass dem Grunde nach eine Ausnahme nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b bzw. c EStG in Frage kommt. Für die Praxis bedeutsam ist vor allem der Fall, dass eine Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar an einer (gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten)16 Mitunternehmerschaft beteiligt ist. Zielsetzung der Regelung: Ohne die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 8a Abs. 2 und 3 KStG könnte über Fremdkapitalvergütungen an den Gesellschafter der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft der Gewinnanspruch der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft gemindert werden (insoweit entsprechend § 8a Abs. 5 KStG a.F.) 17. Mit § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG bezweckt der Gesetzgeber daher eine Missbrauchsabwehr bestimmter Finanzierungsgestaltungen. Gewähren hingegen die Mitunternehmer ihrer nachgeordneten Mitunternehmerschaft ein Darlehen, stehen den Zinsaufwendungen des Gesamthandbereichs Zinserträge des Sonderbereichs in korrespondierender Höhe gegenüber. Die Anwendung der Zinsschranke wird insoweit durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG verdrängt18. Anwendung und Prüfung der Zinsabzugsbeschränkung: Ausgehend von dem Wortlaut der Vorschrift ist die Anwendung und Prüfung der Zinsabzugsbeschränkung im Rahmen der einheitlich und gesonderten Feststellung der Mitunternehmerschaft abzuwickeln. Denn die Rechtsfolgen des § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG können nur bei der nachgeordneten Mitunternehmerschaft eintreten. Die Einstufung, ob eine nichtkonzernzugehörige (Abs. 2) bzw. eine konzernzugehörige Mitunternehmerschaft (Abs. 3) vorliegt, hat aus Sicht der Mitunternehmerschaft zu erfolgen19. Begriff der Nachordnung: Der Gesetzgeber hat zwar die entsprechende Anwendung des § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG für die einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft vorgeschrieben, allerdings keine Aussagen zu der Gesellschafterstellung der Kapitalgesellschaft bei der unmittelbar oder mittelbar nachgeordneten Mitunternehmerschaft oder des Anteilseigners in Bezug auf die Kapitalgesellschaft getroffen. Eine Mindestbeteiligungsquote des Mitunternehmers wird in § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG nicht gefordert. Insoweit erfüllt jede mitunternehmerische Beteiligung die Voraussetzungen einer Nachord15

16

17 18 19

Mitunternehmerschaften, an denen ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind, werden von der Rechtsverschärfung nicht erfasst. Vermögensverwaltende Personengesellschaften sind nicht erfasst, da in diesem Fall die Wirtschaftsgüter (anteilig) dem Mitunternehmer zuzurechnen sind. Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 48. A.A. D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 194. Vgl. Korn, KÖSDI 2008, 15866 [15881]; Schmidt-Herscheidt, BB 2008, 699 [703]; a.A. D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 196, die auf die Verhältnisse der Körperschaft abstellen.

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

151

nung20. Auch eine doppelte Nachordnung oder mehrfache Nachordnung zu zwei oder mehr Körperschaften ist denkbar. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Wesentlichkeitsgrenze nach § 8a Abs. 2 und Abs. 3 KStG von 25 v.H. das Nahestehen und die Rückgriffsberechtigung im Verhältnis zu der übergeordneten Kapitalgesellschaft oder im Verhältnis zu der Personengesellschaft zu prüfen sind. Abzustellen ist – entsprechend § 8a Abs. 5 KStG a.F. – auf die Verhältnisse des Anteilseigners zu der Kapitalgesellschaft21. 2.2

Entsprechende Anwendung des § 8a Abs. 2 KStG bei nicht konzernzugehörigen nachgeordneten Mitunternehmerschaften

§ 4h Abs. 2 Satz 2 EStG ordnet die entsprechende Anwendung des § 8a Abs. 2 KStG für nicht konzerngebundene nachgeordnete Mitunternehmerschaften an. Insoweit stellt § 8a Abs. 2 KStG eine Verschärfung der ZinsschrankenGrundregel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG dar, wonach die Zinsschranke nicht zur Anwendung gelangt, falls der inländische Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört. Erkennbar geht der Gesetzgeber davon aus, dass missbräuchliche Darlehensgewährungen vor allem im Fall konzernzugehöriger Gesellschaften anzutreffen sind. Somit setzt die Versagung der Öffnungsklausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG voraus: -

dass die Mitunternehmerschaft über die Freigrenze hinaus fremdfinanziert wird,

-

die Vergütungen für Fremdkapital auf Ebene der Mitunternehmerschaft22 mehr als 10% des Nettozinssaldos betragen (zu berücksichtigen sind Zinsaufwendungen und Erträge des Gesamthands- und des Sonderbereichs der Mitunternehmerschaft) und

-

an einen (unmittelbar oder mittelbar) wesentlich beteiligten Anteilseigner der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft, eine nahe stehende Person dieses Anteilseigners oder einen Dritten mit Rückgriffsberechtigung auf den Anteilseigner bzw. die nahe stehende Person gehen23.

20

Vgl. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341 [2346]; Hoffmann, GmbHR 2008, 183 [184]. Vgl. D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 166; H/H/R/Prinz, § 8a KStG, Anm. J 07-15. A.A. D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 195, die dafür eintreten, die 10%-Relation auf Grund der Verhältnisse der übergeordneten Körperschaft zu prüfen. A.A. Heuermann, in Blümich, § 4h EStG Rn. 109 f., der vertritt, jeder wesentlich beteiligte Mitunternehmer der nachgeordneten Mitunternehmerschaft könne Fremdkapitalgeber sein.

21 22

23

152

Christian Hick

Beispiel: § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG und konzernungebundene Mitunternehmerschaft GmbH I

Darlehensvergabe

100 v.H.

A

50 v.H.

GmbH II

Rückgriff auf A 30 v.H.

X-GmbH

Bank 20 v.H. Darlehensvergabe

OHG

Darlehensvergabe

A, GmbH II und X-GmbH sind nicht konzernmäßig miteinander verbunden. Ohne § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG wäre auf die OHG § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG anwendbar mit der Folge der Befreiung von den Abzugsbeschränkungen der Zinsschranke. Auf das Darlehen der X-GmbH entfallende Vergütungen zählen als Sondervergütungen nicht zu den von § 4h Abs. 3 EStG erfassten Zinsaufwendungen. Für das Darlehen der GmbH I muss die OHG die Einhaltung der 10%-Grenze nachweisen. Das Bankdarlehen wird nicht von § 8a Abs. 2 KStG erfasst (Fremdfinanzierungsvergütungen werden nicht an einen wesentlich beteiligten Anteilseigner der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft, nahe stehende Person eines Anteilseigners oder einen Dritten mit Rückgriffsberechtigung auf den Anteilseigner geleistet). 2.2.1 Nachgeordnete Mitunternehmerschaft als inländischer konzernzugehöriger Betrieb Unter welchen Voraussetzungen die nachgeordnete Mitunternehmerschaft als inländischer Betrieb zu einem Konzern gehört, wird in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG selbst nicht bestimmt24. Eine Konzernzugehörigkeit der Mitunternehmerschaft kann sich insbesondere aus einer Mehrheitsbeteiligung der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft ergeben. Für die Ermittlung der Konzernzugehörigkeit bedient sich der Gesetzgeber einer mehrfachen Verweistechnik, durch die die Rechtsanwendung erschwert wird. Maßgeblich ist die aus § 4h Abs. 3 Sätze 5 und 6 EStG resultierende Abgrenzung konzernzugehöriger Betriebe. Dabei ist für die Abgrenzung der konzernzugehörigen Betriebe nicht

24

A.A. D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 196, die die Frage der Konzernzugehörigkeit aus Sicht der Körperschaft beantworten.

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

153

maßgeblich, ob der Betrieb tatsächlich in den Konzernabschluss einbezogen wird. Entscheidend ist, ob ein Betrieb in den Konzernabschluss einbezogen werden könnte25. Hierbei handelt es sich um Betriebe, die als unwesentlich (IAS 8.8, § 296 HGB) tatsächlich nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden. Abzustellen ist auf den nach den handelsrechtlichen Konsolidierungsregelungen größtmöglichen Konsolidierungskreis. Danach gehört ein Betrieb zu einem Konzern, -

wenn er nach dem für die Anwendung des Eigenkapital-Escape maßgeblichen Rechnungslegungsstandard mit einem oder mehreren anderen Betrieben konsolidiert wird oder werden könnte oder

-

wenn seine Finanz- oder Geschäftspolitik mit einem oder mehreren anderen Betrieben einheitlich bestimmt werden kann.

Die Finanzverwaltung spricht sich dafür aus, die Frage der Konzernzugehörigkeit in den Fällen des Erwerbs bzw. der Veräußerung einer Gesellschaft stichtagsbezogen zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs des potenziellen Mutterunternehmens zu prüfen26. Entsteht ein Konzern neu, sollen die konzernzugehörigen Betriebe erst zum folgenden Abschlussstichtag als konzernzugehörig gelten27. Dem Steuerpflichtigen obliegt die Verpflichtung, den Nachweis zu erbringen, dass es sich bei dem inländischen Betrieb nicht um einen konzernzugehörigen Betrieb handelt. Nach Maßgabe von Konsolidierungsgrundsätzen konzernzugehörige Betriebe: Sofern der inländische Betrieb im Wege der Vollkonsolidierung in einen Konzernabschluss einbezogen wird, der auch dem Eigenkapital-Escape zugrunde liegt, ist ein konzernzugehöriger inländischer Betrieb i.S.d. § 4h Abs. 3 Satz 5 EStG gegeben (IAS 27, §§ 290 ff. HGB) 28. Aufgrund des Wortlauts des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG zählen Betriebe, die nur anteilmäßig in den Konzernabschluss einbezogen werden, nicht zu den konzernzugehörigen Betrieben. Durch die Formulierung „nicht oder nur anteilmäßig“ werden alle nicht vollkonsolidierten Betriebe ausgenommen. D.h. im Fall einer bloß quotalen Konsolidierung als Gemeinschaftsunternehmen (IAS 31, § 310 HGB) ist kein konzernzugehöriger Betrieb gegeben29. Entsprechendes gilt für assozierte Unternehmen (IAS 25, § 311 HGB). Eine mehrfache Konzernzugehörigkeit zu mehreren übergeordneten Unternehmen soll so vermieden werden.

25 26 27 28 29

Vgl. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rn. 59. Vgl. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rn. 68. Vgl. Hick, S:R 2008, 291. Zu Einzelheiten vgl. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 86 ff. Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 50.

154

Christian Hick

Konzernzugehörigkeit auf Grund einheitlich bestimmter Finanz- und Geschäftspolitik: Nach § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG gehört ein Betrieb auch dann zu einem Konzern, wenn seine Finanz- oder Geschäftspolitik mit einem oder mehreren anderen Betrieben einheitlich bestimmt werden kann. In Ergänzung zu der Abgrenzung der konzernzugehörigen Betriebe i.S.d. § 4h Abs. 3 Satz 5 EStG soll Satz 6 einen eigenständigen steuerlichen Konzernbegriff für Zwecke der Zinsschranke prägen, d.h. die Konzernzugehörigkeit ist losgelöst von der Konsolidierungsmöglichkeit zu beurteilen30. Die Regelung soll v.a. Gleichordnungskonzerne erfassen, für die nach HGB, IFRS und US-GAAP keine Konsolidierungspflicht besteht. Die Ausübung des Beherrschungsverhältnisses setzt nicht voraus, dass zwischen dem herrschenden und den beherrschten Betrieben ein hierarchisches Unterordnungsverhältnis besteht. Ausreichend ist die Möglichkeit, dass die Finanz- und Geschäftspolitik zweier oder mehrerer Betriebe durch denselben Rechtsträger bestimmt werden kann. 2.2.2 Keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung der nachgeordneten Mitunternehmerschaft Die Inanspruchnahme des Stand-alone-Escapes gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG steht für eine inländische, nicht zu einem Konzern gehörende Mitunternehmerschaft auf Grund der in § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung des § 8a Abs. 2 KStG unter dem Vorbehalt, dass keine wesentlichen Zinszahlungen (über die 10%-Unschädlichkeitsgrenze hinaus) an wesentlich beteiligte Anteilseigner der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft erfolgen. Denn § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG soll verhindern, dass § 8a Abs. 2 KStG durch die Verlagerung von Zinsaufwendungen auf eine der Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft ausgehebelt wird. Gleichgestellt sind Gesellschaftern nahe stehende Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG oder ein Dritter mit Rückgriffsberechtigung auf den Anteilseigner bzw. die nahe stehende Person. Die Rückgriffsmöglichkeit kann sich nach Auffassung der Finanzverwaltung aus einem Rechtsanspruch schuldrechtlicher (Bürgschaft, Garantieerklärung, Patronatserklärung) oder dinglicher Art (Sicherungseigentum, Pfandrecht) ergeben. Ausreichend soll jedoch sein, wenn der Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Person dem Dritten gegenüber faktisch für die Erfüllung der Schuld einsteht31. Die Finanzverwaltung tritt insoweit für ein weitgefasstes Verständnis des Rückgriffsbegriffs ein32. U.E. verlangt der Rückgriffsbegriff aber einen rechtlich 30 31 32

Zu weiteren Einzelheiten s. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 95 ff. Vgl. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rn. 83. Im Rahmen des § 8a KStG a.F. hatte die Finanzverwaltung die Reichweite des Rückgriffs mit BMF-Schreiben v. 22.7.2005 (BStBl. I 2005, 829) auf sog. Back-to-Back-Finanzierungen beschränkt (s. hierzu auch Prinz/Hick, FR 2005, 924).

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durchsetzbaren Anspruch der Bank gegen den Anteilseigner oder eine diesem nahe stehende Person33. Ermittlung der 10%-Unschädlichkeitsgrenze: Der Stand-alone-Escape entfällt, wenn die an einen wesentlich beteiligten Gesellschafter der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft (oder ihm gleichzustellende Personen) gezahlten Vergütungen für Fremdkapital mehr als 10% des gesamten Zinssaldos (Zinsaufwendungen ./. Zinserträge) der Mitunternehmerschaft betragen. Der Test ist auf Ebene der Mitunternehmerschaft durchzuführen. Dabei soll die Unschädlichkeitsgrenze von 10% der Abmilderung von Härten dienen. Die Bezugnahme der Verhältnisrechnung auf den Zinssaldo der Mitunternehmerschaft kann allerdings zur Folge haben, dass trotz gleichbleibender Zinsaufwendungen die 10%-Grenze überschritten wird, falls auch Zinserträge erzielt werden. Eine Drittvergleichsmöglichkeit besteht – anders als nach § 8a KStG a.F. für ergebnisunabhängige Vergütungen – nicht. Für die Prüfung der 10%-Grenze sind allerdings nur die Fremdkapitalvergütungen zu berücksichtigen, die den Gewinnanteil der vorgeordneten Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft gemindert haben. Denn nur in dieser Höhe kann der Gewinn der Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft durch eine Fremdfinanzierung der Besteuerung entzogen werden34. Die Vergleichsrechnung bezieht sich auf den gesamten Betrieb der Mitunternehmerschaft. Dies bedeutet: Zinsaufwendungen und Zinserträge sind in die Vergleichsrechnung unabhängig davon einzubeziehen, ob sie aus der Gesamthandsbilanz den Sonderbilanzen oder den Ergänzungsbilanzen stammen35. Folgen bei Überschreiten der 10%-Grenze: Ein Überschreiten der 10%Grenze hat zur Folge, dass der Stand-alone-Escape nicht zur Anwendung gelangt und für alle Zinsaufwendungen der inländischen Mitunternehmerschaft die Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen nach § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG zu beurteilen ist. Der auf Gesellschafterdarlehen i.S.d. § 8a Abs. 2 KStG entfallende Teil der nichtabziehbaren Zinsaufwendungen geht in den Zinsvortrag i.S.d. § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG ein. Im Folgejahr kommt es nicht zu einem Wiederaufleben der Eigenschaft als Gesellschafter-Fremdkapitalvergütung. Auf diese Weise wird vermieden, dass die Vergütungen erneut bei der Ermittlung der 10%-Grenze zu berücksichtigen sind36.

33

34

35 36

Vgl. H/H/R/Prinz, § 8a KStG, Anm. J 07-12; Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 159; a.A. Gosch/Förster, § 4h EStG Rn. 48. Vgl. H/H/R/Prinz, § 8a KStG, Anm. J 07-15; zu § 8a Abs. 5 KStG a.F. vgl. insoweit BMF v. 15.7.2004, Tz. 51. Vgl. Gosch/Förster, § 8a KStG, Rn. 71. Vgl. D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 119.

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Christian Hick

Nachweis einer unschädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung: Die inländische Mitunternehmerschaft hat den Nachweis zu erbringen, dass keine i.S.d. § 8a Abs. 2 KStG schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung gegeben ist. Das Gesetz enthält keine Hinweise, wie dieser Nachweis aussehen soll. U.E. ist gegenüber dem Finanzamt die Höhe des Nettozinsaufwands darzulegen und zusätzlich der auf Gesellschafterfremdfinanzierungen entfallende Anteil zu dokumentieren37. 2.3

Entsprechende Anwendung des § 8a Abs. 3 KStG für konzernzugehörige nachgeordnete Mitunternehmerschaften

Wird durch eine konzernzugehörige Mitunternehmerschaft die Freigrenze für Zinsaufwendungen (neg. Zinssaldo) von 3 Mio. € überschritten, wird dem Betrieb durch Abs. 2 Satz 1 Buchst. c eine weitere Ausnahme von der Anwendung der Zinsschranke eingeräumt. Die Begrenzung der Abzugsfähigkeit auf 30% der Nettozinsaufwendungen i.S.d. Abs. 1 Satz 1 findet keine Anwendung, wenn die Eigenkapitalquote des Betriebs am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtags gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns. Ein Unterschreiten der Eigenkapitalquote des Konzerns um bis zu einem Prozentpunkt wird als unschädlich toleriert (Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 2). Für eine inländische konzernzugehörige Mitunternehmerschaft ist die Inanspruchnahme der EscapeKlausel ausgeschlossen, falls bei mindestens einem Rechtsträger des Konzerns eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung von außerhalb des Konzerns gegeben ist (§ 8a Abs. 3 KStG). Gehört die nachgeordnete Mitunternehmerschaft zu einem Konzern, ist § 8a Abs. 3 KStG auch dann anwendbar, wenn die vorgeordnete Körperschaft keinem Konzern oder einem anderen Konzern angehört38. Der in der Praxis nur schwer handhabbare Eigenkapital-Escape wird für einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften damit weiter verschärft.

37 38

Vgl. H/H/R/Prinz, § 8a KStG Anm. J 07-19; D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 120. A.A. Schmitz-Herscheidt, BB 2008, 699 [704].

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

157

Beispiel: § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG und konzerngebundene Mitunternehmerschaft

Darlehensvergabe

A

30 v.H.

MG 100 v.H.

B

20 v.H.

80 v.H.

TG I OHG

Nach der Escape-Klausel unterliegt der Zinsabzug der OHG als konzerngebundener Mitunternehmerschaft nicht den Beschränkungen des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG, falls die Eigenkapitalquote des Betriebs gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns. Die verschärfenden Voraussetzungen des § 8a Abs. 3 KStG gelten nur für konzernexterne Gesellschafterfremdfinanzierungen. A ist wesentlich an der Mitunternehmerkapitalgesellschaft beteiligt und gewährt der OHG ein konzernexternes Darlehen. Die Prüfung der 10 %-Grenze ist auf Ebene der OHG vorzunehmen. Wird die 10 %-Grenze überschritten, kann die OHG die EscapeKlausel nicht in Anspruch nehmen. 2.3.1

Eigenkapital-Escape bei konzernzugehöriger Mitunternehmerschaft

Dem Eigenkapital-Escape liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung eines inländischen Konzernunternehmens durch eine hohe Fremdkapitalausstattung dann nicht vorliegen kann, wenn die Eigenkapitalquote des inländischen Konzernunternehmens die des Konzerns nicht unterschreitet. In einem solchen Fall sind nicht asymmetrisch hohe Zinsaufwendungen nach Deutschland hinein verlagert worden. Ein Unterschreiten der Eigenkapitalquote des Konzerns bis zu einem Prozentpunkt ist unschädlich. Bei einer nur geringfügigen Verletzung der Toleranzgrenze werden erhebliche Belastungssprünge ausgelöst. Eine mehrere Wirtschaftsjahre umfassende Glättungsregelung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die inländische Mitunternehmerschaft trifft die Beweislast, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Escape-Klausel vorliegen.

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Christian Hick

Aufgrund der zahlreichen Einflussfaktoren auf die Eigenkapitalquote eines Betriebs ist fraglich, ob ein Vergleich der Eigenkapitalquoten eine geeignete Maßgröße ist, um eine übermäßige Fremdfinanzierung konzernzugehöriger Betriebe nachzuweisen. So bleibt unberücksichtigt, dass in Konzernen mit diversifizierten Betätigungsfeldern die Tochtergesellschaften zwangsläufig auch über eine Eigenkapitalausstattung in unterschiedlicher Höhe verfügen werden. Für Krisenunternehmen des Konzerns wird häufig keine Möglichkeit bestehen, den Eigenkapital-Escape in Anspruch zu nehmen. Auch muss eine niedrige Eigenkapitalquote eines Betriebs nicht zwangsläufig aus einer hohen Fremdkapitalausstattung resultieren. In den Quotenvergleich einzubeziehende konzernzugehörige Betriebe: Anders als bei der Abgrenzung der konzernzugehörigen Betriebe i.S.d. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG ist für die Anwendung des Escape mittels Eigenkapitalquotenvergleich die konkrete Abgrenzung des Konsolidierungskreises ausschlaggebend. Dies ist von Bedeutung für Konzernunternehmen, die nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden, nach Abs. 3 Sätzen 5 und 6 aber einbezogen werden könnten. Dies trifft z.B. auf Tochterunternehmen mit untergeordneter Bedeutung zu. Maßgebend ist der tatsächlich vorliegende und testierte Abschluss. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Beurteilung für den Konzernbegriff nach § 4h Abs. 3 Satz 5 EStG angeschlossen39. Damit ist für die Durchführung des Eigenkapital-Escapes kein eigenständiger Konzernabschluss aufzustellen. Gleichwohl handelt es sich bei den nicht in den Konzernabschluss einbezogenen Betrieben um konzernzugehörige Betriebe, für die der EigenkapitalEscape geführt werden kann. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, wie Betriebe zu behandeln sind, die nicht zu einem Konzern i.S.d. § 4h Abs. 3 Sätze 5 und 6 zählen. Dies trifft auf quotenkonsolidierte Unternehmen und Unternehmen zu, die at-equity bilanziert werden. Nach der Gesetzesbegründung ist das auf Gemeinschaftsunternehmen entfallende Eigenkapital aus dem Konzernabschluss zu kürzen40. Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses ergibt sich aus den Rechnungslegungsstandards (IAS 27.9, §§ 290 ff. HGB). Der Begriff des Konzerns i.S.d. § 4h Abs. 3 Sätze 5 und 6 EStG geht allerdings über den Konzernbegriff i.S.d. Rechnungslegungsgrundsätze z.T. hinaus. Handelt es sich bei dem obersten Rechtsträger des Konzerns nicht um ein Unternehmen, das bereits nach den Rechnungslegungsgrundsätzen zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, hat dies zur Folge, dass allein für Zwecke des EigenkapitalEscapes ein Konzernabschluss aufzustellen ist. So können auch natürliche Personen bzw. vermögensverwaltende Gesellschaften für Zwecke der Zinsschranke 39 40

Vgl. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rn. 72; LBP/Hoffmann, § 4h Rn. 208. Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 50.

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als Konzernspitze fungieren. Für die Durchführung des Eigenkapitalquotenvergleichs ist dann von Bedeutung, welches Vermögen der Konzernspitze in diesen Fällen zu berücksichtigen ist. Weder das HGB noch die IFRS kennen allerdings Konzernrechnungslegungsregelungen für eine Konsolidierung auf natürliche Personen bzw. vermögensverwaltende Gesellschaften. Das Privatvermögen einer natürlichen Person muss daher unberücksichtigt bleiben; einzubeziehen ist nur das Vermögen, das zu einem Betrieb i.S.d. Zinsschranke gehört41. Die Finanzverwaltung sieht daher vor, dass in den Fällen, in denen die Konzernspitze selbst keinen Betrieb i.S.d. § 4h unterhält, in den Konzernabschluss nur die beherrschten Betriebe einzubeziehen sind (Abgrenzung des Konzernkreises nach dem Betriebsbegriff). Im Ergebnis erfolgt damit keine Eigenkapitalkonsolidierung auf Ebene der Konzernspitze42. Die Konzerneigenkapitalquote ist vielmehr durch additive Zusammenfassung der Abschlüsse unterhalb der Konzernspitze zu ermitteln („Querkonsolidierung“). Umsetzung des Eigenkapitalquotenvergleichs: Für die praktische Durchführung des Eigenkapital-Escapes verlangt § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 1 EStG die Ermittlung und Gegenüberstellung der Eigenkapitalquoten des Betriebs der Mitunternehmerschaft und des Konzerns. Nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 3 EStG ist Eigenkapitalquote das Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme. Dabei ist in zeitlicher Hinsicht die für den Eigenkapitalvergleich maßgebliche Eigenkapitalquote des Betriebs am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtags mit der des Konzerns zu vergleichen43. Wahlrechte sind nach § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 4 Halbs. 1 EStG im Konzernabschluss und im Jahres-/Einzelabschluss einheitlich auszuüben. Zwar müssen im Rahmen des Eigenkapitalquotenvergleichs dem Konzern- als auch dem Einzelabschluss ein einheitliches Rechnungslegungssystem zugrunde liegen, innerhalb des Rechnungslegungssystems können aber Unterschiede zwischen Einzel- und Konzernabschluss auftreten44. In den Eigenkapitalquotenvergleich ist auch Betriebsvermögen einzubeziehen, das auf eine ausländische Betriebsstätte des inländischen Betriebs entfällt45. Die Eigenkapitalquote des Konzerns bestimmt sich gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 3 EStG nach dem Konzernabschluss. Nach der Gesetzesbegründung ist für die Ermittlung der Eigenkapitalquote immer der nach dem erweiterten Konzernbegriff größtmögliche Konsolidierungskreis mit dem sich für diesen 41 42 43

44

45

Vgl. Heintges/Kamphaus/Loitz, DB 2007, 1266. Vgl. Köhler/Hahne, DStR 2008, 1505 [1514]. Zu Sonderfällen für den Fall des Auseinanderfallens der Abschlussstichtage von Betrieb und Konzern vgl. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 49 ff. Angesprochen sind bspw. Wahlrechte bei der Ermittlung der Herstellungskosten. Vgl. Ganssauge/Mattern, DStR 2008, 267. Vgl. Prinz, FR 2008, 441 [447].

160

Christian Hick

Konsolidierungskreis ergebenden obersten Rechtsträger zugrunde zu legen46. Das Prinzip der Maßgeblichkeit der obersten Ebene gilt auch für die Ermittlung des maßgeblichen Rechnungslegungsstandards für den Konzernabschluss. Nach Ermittlung der obersten Konzernspitze ist zu prüfen, welchen Rechnungslegungsstandard die Konzernspitze bei der Aufstellung des Konzernabschlusses verwendet. Der von der Konzernspitze verwendete Rechnungslegungsstandard ist auch für die Ermittlung der Eigenkapitalquote des Konzerns zu verwenden, falls der Standard zu den in Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Sätzen 8-10 genannten Rechnungslegungsstandards zählt. Probleme ergeben sich dann, wenn das Mutterunternehmen einen in Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Sätze 8-10 nicht genannten Rechnungslegungsstandard verwendet. Das Mutterunternehmen muss in diesem Fall allein für Zwecke der Zinsschranke einen Konzernabschluss nach IFRS aufstellen, damit das im Inland ansässige Tochterunternehmen die EscapeKlausel nutzen kann. Werden der Konzernabschluss und der Jahresabschluss des Betriebs nicht nach dem gleichen Rechnungslegungssystem aufgestellt, ist der Einzelabschluss im Rahmen einer Überleitungsrechnung an den Rechnungslegungsstandard des Konzernabschlusses anzupassen (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 11 EStG). Ein dem Eigenkapitalquotenvergleich zugrunde liegender Konzernabschluss ist durch einen Abschlussprüfer zu testieren. Für den Einzelabschluss sieht § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 12 EStG vor, dass die Überleitungsrechnung einer prüferischen Durchsicht zu unterziehen ist; die Überleitungsrechnung unterliegt keiner Pflichtprüfung nach § 316 HGB47. Anpassungen im Einzelabschluss des Betriebs: Tz. 73 des BMF-Schreibens v. 4.7.2008 sieht vor, dass bei Ermittlung der Eigenkapitalquote des Betriebs Vermögensgegenstände und Schulden einschließlich Rückstellungen, Bilanzierungshilfen, Rechnungsabgrenzungsposten, mit den im Konzernabschluss abgebildeten Wertansätzen zu berücksichtigen sind, sofern sie im Konzernabschluss enthalten sind. Auf diese Weise soll eine Beeinflussung der Eigenkapitalquoten von Betrieb und Konzern durch eine unterschiedliche Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden im Abschluss des Betriebs und des Konzerns vermieden werden. Die Finanzverwaltung geht insoweit von einem push-downaccounting aus, bei dem sich der für den Quotenvergleich maßgebliche Abschluss des Betriebs aus den auf die Einheit entfallenden und im Konzernabschluss ausgewiesenen Vermögens- und Schuldwerten zusammensetzt48.

46 47

48

Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 50. Zu den Grundsätzen für die prüferische Durchsicht von Überleitungsrechnungen nach § 4h EStG vgl. IDW/FN 4/2009, 169 ff. sowie Hennrichs, DStR 2007, 1926 [1929]. Vgl. Huken, DB 2008, 544 [548]; Fischer/Wagner, BB 2008, 1872; Köhler/Hahne, DStR 2008, 1505 [1515].

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§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Sätze 5-7 EStG sieht zudem Korrekturen des Einzelabschlusses des Betriebs vor. Dabei ist zwischen Anpassungen zu unterscheiden, aus denen lediglich eine Umklassifikation von Eigen- in Fremdkapital resultiert, und solchen Anpassungen, die den Umfang des Betriebsvermögens betreffen und sich daher zwangsläufig auch auf die Bilanzsumme des Betriebs auswirken müssen. Anpassungen, die den Umfang des Betriebsvermögens betreffen, müssen parallel auch bei der Bilanzsumme berücksichtigt werden49. Für Mitunternehmerschaften besteht mit § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c Satz 7 EStG die Besonderheit, dass das in der Handelsbilanz des Mitunternehmers ausgewiesene Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb der Mitunternehmerschaft zuzuordnen ist, soweit es im Konzernvermögen enthalten ist50. Durch positives Sonderbetriebsvermögen (alle Arten von Nutzungsüberlassungen) erhöht sich das Vermögen der Personengesellschaft. Bei negativem Sonderbetriebsvermögen (z.B. Darlehen zur Finanzierung des Erwerbs der Beteiligung) vermindert sich das Vermögen der Mitunternehmerschaft. Entsprechende Folgewirkungen ergeben sich aus der Berücksichtigung des Sonderbetriebsvermögens sowohl für die Bilanzsumme als auch für das Eigenkapital der Personengesellschaft. Spiegelbildliche Folgewirkungen ergeben sich für die Bilanzsumme und das Eigenkapital des Betriebs, dem das positive bzw. passive Sonderbetriebsvermögen bislang handelsrechtlich/zivilrechtlich zugeordnet wurde51. 2.3.2

Keine schädliche externe Gesellschafterfremdfinanzierung konzernzugehöriger Mitunternehmerschaften

Aus § 8a Abs. 3 KStG ergeben sich Zusatzvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des Eigenkapital-Escapes durch die nachgeordnete Mitunternehmerschaft. Die Anwendbarkeit der Escape-Klausel wird ausgeschlossen, falls bei mindestens einem (inländischen oder ausländischen) Rechtsträger des Konzerns eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung von außerhalb des Konzerns vorliegt. Zinsaufwendungen sind bei den Konzerngesellschaften dann nur nach Maßgabe des § 4h Abs. 1 EStG abzugsfähig. Das Vorliegen der Zusatzvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des Eigenkapital-Escapes ist von der Mitunternehmerschaft nachzuweisen52. Der Eigenkapital-Escape i.S.d. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn

49 50

51 52

Zu Einzelheiten s. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 52. Nach der Gesetzesbegründung sollen Gestaltungen durch eine gezielte Zuordnung von Wirtschaftsgütern verhindert werden (vgl. BT-Drucks. 16/4841, 49). Vgl. Köhler, DStR 2007, 597 [600]. Bislang hat die Finanzverwaltung nicht dazu Stellung genommen, in welcher Form der Nachweis zu erbringen ist.

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Christian Hick

die Mitunternehmerschaft für alle weltweit konzernzugehörigen Gesellschaften nachweist, -

dass nicht mehr als 10% des Nettozinsaufwands als Vergütungen für Fremdkapital gezahlt worden sind

-

an einen zu mehr als 25% unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschafter einer konzernzugehörigen Gesellschaft, eine diesem nahe stehende Person (§ 1 Abs. 2 AStG) oder einen Dritten, der auf den zu mehr als einem Viertel am Kapital beteiligten Gesellschafter oder eine diesem nahe stehende Person zurückgreifen kann

-

und der Zinsaufwand auf Verbindlichkeiten beruht, die in dem vollkonsolidierten Konzernabschluss ausgewiesen sind, wobei Darlehen rückgriffsberechtigter Dritter nur bei einem Rückgriff auf konzernexterne Anteilseigner bzw. nahe stehende Personen berücksichtigt werden.

§ 8a Abs. 3 KStG soll verhindern, dass mittels Fremdfinanzierung einer konzernzugehörigen Gesellschaft durch eine nicht konzernzugehörige Gesellschaft die Eigenkapital-Quote des Konzerns so stark abgesenkt wird, dass die schlechtere Eigenkapital-Quote einer inländischen Gesellschaft dadurch wieder der Konzernquote entspricht53. Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen der Ermittlung der 10%-Grenze nach § 8a Abs. 3 Satz 2 KStG solche Fremdkapitalvergütungen ausgenommen, die von konzernzugehörigen Gesellschaften gewährt werden und daher nicht im Konzernabschluss auszuweisen sind54. Obwohl die Zinsschranke nur für im Inland ansässige Kapitalgesellschaften greift, erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 8a Abs. 3 KStG auf sämtliche in- und ausländischen konzernzugehörigen Gesellschaften. Der Regelung liegt insoweit ein weitreichender Missbrauchvermeidungsgedanke zugrunde55. Durchführung der 10%-Prüfberechnung: Die Anwendung des § 8a Abs. 3 KStG verlangt die Durchführung der 10%-Prüfberechnung für jeden zum Konzern gehörenden (in- oder ausländischen) Rechtsträger. Die für die Prüfung der 10%-Grenze erforderliche Vergleichsrechnung ist nach Maßgabe der Verhältnisse der Mitunternehmerschaft durchzuführen. Wird auf Ebene der Mitunternehmerschaft die 10%-Grenze überschritten, kommt dort die Zinsschranke zur Anwendung. Dabei sind in die Vergleichsrechnung nur solche Fremdkapitalvergütungen einzubeziehen, die auf konzernexterne Gesellschafterfremdfinanzierungen entfallen, d.h. konzerninterne Darlehen, die der Schuldenkonsolidierung (§ 303 Abs. 1 HGB) unterliegen, sind in die Prüfberechnung nicht einzubeziehen. Es muss sich somit um Zinsaufwendungen handeln, die in dem Konzernab53 54 55

Vgl. D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 160. Vgl. BT-Drucks. 16/4841, 75. Vgl. H/H/R/Prinz, § 8a KStG, Anm. J 07-16.

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

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schluss als Verbindlichkeiten ausgewiesen werden (an Gesellschafter und diesen gleichgestellte Nichtgesellschafter außerhalb des Konsolidierungskreises geleistete Vergütungen), wobei Darlehen rückgriffsberechtigter Dritter nur bei einem Rückgriff auf konzernexterne Anteilseigner bzw. nahe stehende Personen zu berücksichtigen sind. Unschädlich sind konzerninterne Finanzierungen und Sicherheitengestellungen. Dabei kommt es auf Grund der anzustellenden weltweiten Gesamtbetrachtung für die 10%-Prüfberechnung nicht darauf an, ob auf eine konzernexterne Gesellschafterfremdfinanzierung entfallende Zinsaufwendungen den inländischen Gewinn gemindert haben56. Auf eine konzernexterne Gesellschafterfremdfinanzierung entfallende Zinsaufwendungen sind ins Verhältnis zu dem gesamten während des Wirtschaftsjahrs angefallenen Nettozinsaufwand zu setzen. Abzustellen ist dabei auf die Höhe der Zinsaufwendungen der jeweiligen fremdfinanzierten Konzerngesellschaft. In Organschaftsfällen ist die Vergleichsrechnung für den Organkreis insgesamt durchzuführen57. Rechtsfolgen des § 8a Abs. 3 KStG: Liegen die Voraussetzungen des § 8a Abs. 3 KStG nicht vor, kann kein konzernzugehöriger Rechtsträger die EscapeKlausel i.S.d. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG in Anspruch nehmen. Im Ergebnis unterliegen dann bei allen Körperschaften und nachgeordneten Mitunternehmerschaften des Konzerns die Zinsaufwendungen der Abzugsbeschränkung der Zinsschranke (nicht nur die auf eine Gesellschafterfremdfinanzierung entfallenden Zinsaufwendungen). Die Rechtsfolgen treten insoweit nicht allein bei der in- oder ausländischen konzernzugehörigen Gesellschaft ein, bei der die 10%-Grenze durch Fremdkapitalvergütungen für eine konzernexterne Gesellschafterfremdfinanzierung überschritten wird58. 3

Zinsvortrag und nachgeordnete Mitunternehmerschaften

3.1

Vortrag nicht abgezogener Zinsaufwendungen der Mitunternehmerschaft

Laufende Zinsaufwendungen der nachgeordneten Mitunternehmerschaft, die im Jahr ihres Entstehens innerhalb der 30%-Grenze des steuerlichen EBITDA nicht abziehbar sind, gehen nicht unter, sondern sind in die folgenden Wirtschaftsjahre

56

57 58

Vgl. D/J/P/W/Möhlenbrock/Pung, § 8a KStG, Rn. 166; BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rn. 82. Vgl. H/H/R/Prinz, § 8a KStG, Anm. J 07-17. Vgl. BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008, 718 Rn. 80.

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Christian Hick

vorzutragen59; einen Zinsrücktrag (entsprechend § 10d Abs. 1 EStG) sieht das Gesetz nicht vor. Der Zinsvortrag ist nach Verwaltungsmeinung in die Freigrenze einzubeziehen. Der Sinn der Regelung spricht allerdings für eine Beschränkung auf die in dem jeweiligen Wirtschaftsjahr anfallenden Zinsaufwendungen. Verhältnis von Zinsvortrag zum Verlustabzug (§ 10d EStG): In systematischer Hinsicht ist die Nutzung eines Zinsvortrags als Element der betrieblichen Gewinnermittlung vorrangig zum Verlustabzug nach § 10d EStG. Insoweit kann es zu einem „Nebeneinander“ von Verlust- und Zinsvortrag kommen. Für das Jahr, in dem der Abzug von Zinsaufwendungen aufgrund des § 4h EStG versagt wird, ergibt sich ein höheres zu versteuerndes Einkommen, das für einen Ausgleich mit einem bestehenden Verlustvortrag aus dem Vorjahr zur Verfügung steht. Folge ist, dass der Verlustvortrag i.S.d. § 10d EStG zu Gunsten des Aufbaus eines Zinsvortrags reduziert wird60. Es kann aber auch der Fall eintreten, dass ein Zinsvortrag in einem Wirtschaftsjahr in voller Höhe nutzbar ist. In diesem Fall resultieren aus einer steuerwirksamen Berücksichtigung von Zinsaufwendungen Verlustabzüge i.S.d. § 10d EStG. Nutzung eines Zinsvortrags: Die Nutzung eines Zinsvortrag ist zeitlich und betragsmäßig nicht begrenzt (keine Anwendung der Grundsätze der Mindestbesteuerung auf einen Zinsvortrag). D.h. bei einer entsprechenden Höhe der Zinserträge bzw. des EBITDA kann der Zinsvortrag in einem Jahr in voller Höhe genutzt werden (Einmalverbrauch des Zinsvortrags). Die Möglichkeit eines Vortrags nicht abziehbarer Zinsaufwendungen in die folgenden Veranlagungszeiträume zielt darauf ab, die wirtschaftlichen Folgen der Zinsschranke abzumildern. Im Idealfall resultiert aus der Zinsschranke daher nur eine zeitliche Verschiebung der steuerlichen Berücksichtigung der Zinsaufwendungen mit entsprechenden Zins- und Liquiditätseffekten. Geht der Zinsvortrag unter, werden die zugrunde liegenden Zinsaufwendungen endgültig zu nicht abziehbaren Betriebsausgaben. Die Folge besteht in einer Überbesteuerung, da die betrieblich veranlassten Zinsaufwendungen bei wirtschaftlicher Betrachtung dann aus dem versteuerten Einkommen geleistet wurden. Insgesamt hat der Gesetzgeber die Regelungen zur Nutzung vorgetragener Zinsaufwendungen restriktiv ausgestaltet, wodurch die wirtschaftlichen Folgen der Zinsschranke erheblich verschärft werden. Untergang des Zinsvortrags der Mitunternehmerschaft: Der Gesetzgeber hat die Behandlung eines Zinsvortrags unübersichtlich geregelt. Während § 4h Abs. 59

60

In der Handelsbilanz kann der Zinsvortrag ggf. schon im Wirtschaftsjahr seiner Entstehung nach IFRS bzw. US-GAAP zur Aktivierung latenter Steuern führen, soweit seine Nutzung wahrscheinlich ist. Vgl. Rödder/Stangl, DB 2007, 479; Kröner/Esterer, DB 2006, 2085; zu Einzelheiten nach IAS 12 s. Loitz/Neukamm, WPg. 2008, 196 [200]. Vgl. LBP/Hoffmann, § 4h EStG, Rn. 234.

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1 Sätze 2 und 3 EStG die Möglichkeit zur Berücksichtigung vorgetragener Zinsaufwendungen regeln, ergibt sich aus § 4h Abs. 5 EStG, unter welchen Voraussetzungen der Zinsvortrag einer Mitunternehmerschaft ganz oder anteilig untergeht. Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem Untergang des Zinsvortrags im Fall der Aufgabe oder Übertragung des Betriebs (Abs. 5 Satz 1 EStG) sowie im Fall des Ausscheidens eines Mitunternehmers aus einer Mitunternehmerschaft (Abs. 5 Satz 2 EStG) 61. Unklar ist, wie mit § 4h Abs. 5 Satz 2 EStG vergleichbare Fälle zu behandeln sind, die eine Änderung im Gesellschafterbestand einer Mitunternehmerschaft zur Folge haben. Angesprochen ist der Eintritt eines neuen Mitunternehmers in die Mitunternehmerschaft, die Anwachsung der Mitunternehmerschaft sowie Besonderheiten im Fall doppelstöckiger Mitunternehmerschaften62. Zu den genannten Fallgruppen nimmt das BMFSchreiben v. 4.7.2008 nicht Stellung. 3.2

Unmittelbarer bzw. mittelbarer Gesellschafterwechsel an einer Mitunternehmerkapitalgesellschaft

Nach dem im Rahmen des JStG 2009 eingeführten § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG schlägt ein „schädlicher Anteilseignerwechsel“ i.S.d. § 8c KStG an einer unmittelbar bzw. mittelbar an einer Mitunternehmerschaft beteiligten Kapitalgesellschaft auf den Zinsvortrag der Mitunternehmerschaft durch63. Damit wird die Abschirmwirkung beseitigt, die Mitunternehmerschaften bislang in mehrstufigen inländischen Konzernstrukturen im Hinblick auf den Zinsvortrag zukam. Der Einführung des § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG liegt ein im Schrifttum diskutiertes Gestaltungsmodell zum Erhalt des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs (§ 10a GewStG) im Fall eines Anteilseignerwechsels i.S.d. § 8c KStG an einer Kapitalgesellschaft zugrunde. Diskutiert wurde im Schrifttum, verlustverursachende Geschäftsbetriebe vor einem schädlichen Anteilseignerwechsel an einer Kapitalgesellschaft auf eine Tochter-Personengesellschaft unter Nutzung von § 24 UmwStG zu Buchwerten auszugliedern, da sich nach der bislang geltenden Rechtslage der Anwendungsbereich des § 8c KStG nicht auf Mitunternehmerschaften erstreckte64. Für den Zinsvortrag des ausgegliederten Betriebs besteht mit § 24 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 9 UmwStG allerdings eine gesetzliche Regelung, die in dem diskutierten „Gestaltungsmodell“ dem Übergang eines 61 62 63 64

Vgl. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 111 ff. Zu Einzelheiten vgl. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 116. Vgl. Hick, S:R 2009, 21. Vgl. hierzu Behrendt/Arjes/Nogens, BB 2008, 367. Mit der Gestaltung konnte zumindest der Untergang der gewerbesteuerlichen Verlustvorträge im Fall eines Anteilseignerwechsels an der Kapitalgesellschaft verhindert werden, da im Rahmen des § 10a GewStG die „Unternehmeridentität“ nur im Hinblick auf den Mitunternehmer und nicht auf die dahinter stehenden Gesellschafter geprüft wird.

166

Christian Hick

Zinsvortrags auf die Tochter-Personengesellschaft entgegensteht65. D.h. allein zur Verhinderung des Gestaltungsmodells wäre die Einführung der Vorschrift nicht erforderlich gewesen. Im Ergebnis stellt § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG eine überbordende Regelung dar, nur um in Einzelfällen Steuergestaltungen zu verhindern, die auf einen Erhalt des Zinsvortrags einer Mitunternehmerschaft im Fall eines Anteilseignerwechsels i.S.d. § 8c KStG an der vorgeschalteten Mitunternehmer-Kapitalgesellschaft ausgerichtet sind. Auch wenn dies nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut hervorgeht, setzt die Anwendung des § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG voraus, dass auf Ebene der unmittelbar bzw. mittelbar an der Mitunternehmerschaft beteiligten Körperschaft die Voraussetzungen eines „schädlichen Beteiligungserwerbs“ i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG vorliegen66. Eine Mindestbeteiligungsquote der unmittelbar bzw. mittelbar beteiligten Körperschaft an der Mitunternehmerschaft ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Der Einbezug auch mittelbar beteiligter Körperschaften ohne jede Einengung ist aber insbesondere in mehrstufigen Konzernstrukturen problematisch. Unter welchen Voraussetzungen ein „schädlicher Beteiligungserwerb“ vorliegt, bestimmt sich nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG. Die Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 8c KStG werden insoweit auf den Zinsvortrag einer Mitunternehmerschaft übertragen. Die entsprechende Anwendung des § 8c KStG betrifft nach dem Gesetzeswortlaut nur den Zinsvortrag einer Mitunternehmerschaft, d.h. für die laufenden Zinsaufwendungen einer Mitunternehmerschaft stellt sich die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 8c KStG nicht. Zudem geht aus dem Gesetzeswortlaut nicht klar hervor, welche Rechtsfolgen die entsprechende Anwendung des § 8c KStG für den Zinsvortrag der Mitunternehmerschaft auslöst. Auf jeden Mitunternehmer entfällt ein seiner Beteiligungsquote an der Mitunternehmerschaft entsprechender Anteil an dem Zinsvortrag. Dies gilt aber nur für den unmittelbar beteiligten Mitunternehmer. Die Anwendung des § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG bei nur mittelbar beteiligten Körperschaften setzt daher voraus, dass auch dem nur mittelbar beteiligten Gesellschafter ein Anteil an dem Zinsvortrag der Mitunternehmerschaft zugewiesen wird. Liegen auf Ebene der unmittelbar bzw. mittelbar beteiligten Körperschaft die Voraussetzungen eines „schädlichen Beteiligungserwerbs“ i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG vor, so soll der Zinsvortrag des Mitunternehmers in dem Umfang wegfallen, der für die Anwendung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG auf Ebene der Kör-

65 66

Vgl. H/H/R/Hick, § 4h EStG, Anm. 117. Der Gesetzgeber verwendet insoweit keine einheitliche Terminologie. Denn in § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG ist von einer Gesellschaft die Rede, die unmittelbar bzw. mittelbar einer Körperschaft nachgeordnet ist.

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

167

perschaft maßgeblich ist67. Dies kann im Fall einer nur mittelbar beteiligten Körperschaft nur für den durchgerechneten Anteil der Körperschaft an dem Zinsvortrag der Mitunternehmerschaft gelten. Die praktischen Probleme bei mittelbar an der Mitunternehmerschaft beteiligten Körperschaften sind offensichtlich. In mehrstufigen Konzernstrukturen kann die Mitunternehmerschaft nicht ohne Weiteres erkennen, dass die Voraussetzungen einer mittelbaren Anteilsübertragung vorliegen. 4

Ergebnis: Sonderregelung für einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften führt zu einer Einschränkung des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit

Der § 4h Abs. 2 Satz 2 EStG als Sonderregelung für einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften erschwert die Rechtsanwendung der bereits komplizierten Zinsschrankenregelung zusätzlich. Die bereits bei § 8a Abs. 5 KStG a.F. bestehenden Anwendungsprobleme setzen sich damit auch bei der Neuregelung fort. Deutlich wird, dass die Vorschrift vor allem der Sicherung inländischen Streuersubstrats unter dem Aspekt der Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen dient. So schränken die aus der entsprechenden Anwendung des § 8a Abs. 2 und 3 KStG resultierenden Verschärfungen den Zinsabzug von Mitunternehmerschaften und damit die unternehmerische Finanzierungsfreiheit deutlich ein. Denn von der Zinsschranke sind sämtliche kurz- und langfristigen Finanzierungen betroffen, sobald der Nettozinssaldo die Freigrenze von 3 Mio. € (befristet bis 31.12.2009) überschreitet, eine konzernzugehörige Mitunternehmerschaft gegeben ist bzw. eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt und der Eigenkapitalquotenvergleich als „Exit“ nicht geführt werden kann. Zwar ist die Zinsschrankenregelung im Grundsatz betriebsbezogen ausgestaltet und damit rechtsformübergreifend anwendbar. Rechtsformneutral wirkt die Regelung jedoch nicht. Denn die Zinsschranke ist stark abhängig von der gewählten rechtlichen Organisationsstruktur. So werden eine inländische Mitunternehmerschaft und eine einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft für Zwecke der Zinsschrankenregelung unterschiedlich behandelt. Im Ergebnis prägt somit die rechtliche Unternehmensorganisation die Anwendung der Zinsschranke. Bei Anwendung der Zinsschranke entstehen temporäre, ggf. auch endgültige (wirtschaftliche) Doppelbesteuerungen, die sich gerade in Krisenzeiten besonders nachteilig auswirken. Letztlich wird der Umgang mit der Zinsschranke in Konzernstrukturen aber auch im Mittelstand auf Grund der nur eingeschränkten Planbarkeit aus folgenden Gründen erschwert: Schwankungen des EBITDA, 67

Vgl. BT-Drucks. 16/11108, 37.

168

Christian Hick

enge Toleranzgrenze für den Eigenkapital-Escape, unbeabsichtigtes Überschreiten der Freigrenze etwa auf Grund von BP-Feststellungen, marktabhängige Zinsschwankungen. Trotz der komplexen Rechtsstruktur der Zinsschranke werden in der Praxis zahlreiche Gestaltungen für eine Optimierung der Abzugsbeschränkung diskutiert. Neben Gestaltungen zur Erfüllung des Konzern- und Eigenkapital-Escapes lassen sich in der Besteuerungspraxis im Zusammenhang mit nachgeordneten Mitunternehmerschaften folgende Strukturen beobachten: mehrfache Freigrenzennutzung, Einsatz hybrider Darlehen mit einer ergebnisabhängigen Darlehensverzinsung, Nutzung der Sondervergütungsregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 EStG sowie die Möglichkeiten eines Zinsmanagements.

Einer Kapitalgesellschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft im Rahmen der Zinsschranke

169

Literaturverzeichnis Behrendt/Arjes/Nogens: § 8c KStG – Struktur zum Erhalt gewerbesteuerlicher Verlustvorträge, BB 2008, 367. Eilers: Die Zinsschranke in der Finanzmarktkrise, in: Festschrift Schaumburg, Köln 2009, 275. Eilers/Bühring: Das Ende des Schönwetter-Steuerechts – Die Finanzmarktkrise gebietet Änderungen im deutschen Sanierungssteuerrecht, DStR 2009, 137. Fischer/Wagner: Das BMF-Schreiben zur Zinsschranke – Überblick/Bewertung/ Verbleibende Gestaltungen, BB 2008, 1872. Förster: Kommentierung des § 4h EStG und § 8a KStG, in: Gosch, Kommentar zum KStG, München 2009. Ganssauge/Mattern, Der Eigenkapitaltest im Rahmen der Zinsschranke (Teil II), DStR 2008, 267. Grotherr: Funktionsweise und Zweifelsfragen der neuen Zinsschranke 2008, IWB 2007, Fach 3 Gruppe 3, 1489. Heintges/Kamphaus/Loitz: Jahresabschluss nach IFRS und Zinsschranke, DB 2007, 1261. Hennrichs: Zinsschranke, IFRS-Rechnung und prüferische Durchsicht oder Prüfung, DStR 2007, 1926. Herzig/Bohn: Modifizierte Zinsschranke und Unternehmensfinanzierung, DB 2007, 1. Heuermann: Kommentierung des § 4h EStG, in: Blümich, Kommentar zum EStG, KStG, GewStG, München, März 2008. Hey: Die Zinsschranke als Maßnahme zur Sicherung des inländischen Steuersubstrats aus europa- und verfassungsrechtlicher Sicht, in: Festschrift Djanani, Wiesbaden 2008, 112. Hick: Kommentierung des § 4h EStG, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, Köln, Mai 2009. Hick: Trotz Finanzkrise: Jahressteuergesetz 2009 mit zahlreichen punktuellen Rechtsverschärfungen auch bei der Unternehmensfinanzierung und Verlustnutzung, S:R 2009, 21. Hick: Erster Erlassentwurf zur Zinsschranke – Zahlreiche Anwendungsfragen bleiben offen!, S:R 2008, 140. Hick: BMF-Schreiben zur Zinsschranke: Update zu dem Entwurf eines BMFSchreibens, S:R 2008, 291.

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Christian Hick

Hoffmann: Die einer Körperschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaft bei der Zinsschranke, GmbHR 2008, 183. Hoffmann: Kommentierung des § 4h EStG, in: Littmann/Bist/Putz, Kommentar zum EStG, Stuttgart, Februar 2008. Huken: Entwurf eines BMF-Schreibens zur Zinsschranke, DB 2008, 544. Korn: Die Zinsschranke nach § 4h EStG, KÖSDI 2008, 15866. Köhler/Hahne: BMF-Schreiben zur Anwendung der steuerlichen Zinsschranke und zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei Kapitalgesellschaften, DStR 2008, 1505. Köhler: Erste Gedanken zur Zinsschranke nach der Unternehmensteuerreform, DStR 2007, 597. Kröner/Esterer: Steuerstandort Deutschland: Verhaltensmuster bestimmen den Erfolg der Unternehmensteuerreform, DB 2006, 2085. van Lishaut/Schumacher/Heinemann: Besonderheiten der Zinsschranke bei Personengesellschaften, DStR 2008, 2341. Loitz/Neukamm: Der Zinsvortrag und die Bilanzierung von latenten Steueransprüchen, WPg. 2008, 196. Möhlenbrock/Pung: Kommentierung des § 8a KStG, in: Dötsch/Jost/Patt/Witt, Die Körperschaftsteuer, Stuttgart, März 2009. Prinz: Zinsschranke und Organisationsstruktur: Rechtsformübergreifend, aber nicht rechtsformneutral anwendbar, DB 2008, 368. Prinz: Kommentierung des § 8a KStG, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, Jahresband 2008, Köln, Februar 2008. Prinz: Mittelstandsfinanzierung in Zeiten der Zinsschranke, FR 2008, 441. Prinz/Hick: Schädliche Darlehensgewährung rückgriffsgesicherte Dritte, FR 2005, 924.

gem.

§ 8a

KStG

durch

Rödder/Stangl: Zur geplanten Zinsschranke, DB 2007, 479. Schmidt-Herscheidt: Zinsschranke und Gesellschafterfremdfinanzierung bei nachgeordneten Mitunternehmerschaften, BB 2008, 699. Töben/Lohbeck/Fischer: Aktuelle steuerliche Fragen im Zusammenhang mit Inbound-Investitionen in deutsches Grundvermögen, FR 2009, 151.

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

Vorschläge zum Einkommensteuertarif vor der Bundestagswahl 2009

Johannes Höfer

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................. 173 2 Warum eine Einkommensteuersenkung? .................................................. 173 3 Einkommensteuersenkungen des Maßnahmenpaketes II - ein erster Schritt.............................................................................................. 174 4 Die Hypothek der kalten Progression ....................................................... 175 5 Neuere empirische Studien ....................................................................... 178 6 Einkommensteuersenkung - aber wie? ...................................................... 179 7 Gegenfinanzierung .................................................................................... 186 8 Fazit .......................................................................................................... 187

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

1

173

Einleitung

Mit Hilfe von zwei Maßnahmenpaketen verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die unmittelbaren Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu mildern. Darauf aufbauend ist eine strukturelle Reform notwendig, um auch mittelfristig ein hohes Wirtschaftswachstum und eine gute Beschäftigungsentwicklung zu erreichen. Vor der Bundestagswahl 2009 werden dafür verschiedene Lösungen vorgeschlagen. Die Ausgangslage für eine solche Reform ist in hohem Maße unsicher. Dies gilt trotz aller Prognosen über die künftige Wirtschaftsentwicklung. Man kann begründete Vermutungen darüber aufstellen, wann der Wendepunkt in der konjunkturellen Entwicklung erreicht ist und wie schnell es anschließend wieder aufwärts geht. Völlige Gewissheit wird man dabei im Vorhinein nie haben. Dies wird daran deutlich, dass auch das Eintreten der aktuellen Krise in ihrem Umfang und zeitlichen Ablauf nicht genau vorhergesehen werden konnte. Man mag beklagen, dass die Ökonomie zu solchen Prognosen nicht in der Lage ist. Doch um eine Lanze für diese Disziplin zu brechen: Das Zusammenwirken verschiedener Umstände, das wiederum wesentlich durch die institutionellen Rahmenbedingungen und vor allem durch handelnde Personen beeinflusst wird, ist in seinen Einzelheiten so komplex, dass es kaum prognostizierbar ist. 2

Warum eine Einkommensteuersenkung?

Eine strukturelle Reform muss auch konjunkturverträglich sein. Dazu bietet sich eine Einkommensteuersenkung mehr als jedes andere Instrument an. Die Bürger verwenden das höhere verfügbare Einkommen im Durchschnitt zum Großteil für den Konsum. Die aufgrund der wirtschaftlichen Krise schwächelnde Nachfrage steigt damit unmittelbar. Auch der gesparte Teil des Einkommens wird nachfragewirksam, da er über den Finanzsektor an die Unternehmen weitergereicht und dort für mehr Investitionen verwendet wird1. Dies setzt einen funktionsfähigen Kreditversorgungsmechanismus voraus. Eine verringerte Einkommensteuerbelastung hat aber vor allem positive Auswirkungen auf die strukturellen Bedingungen einer Volkswirtschaft. Erstens wirken niedrige Steuern und Sozialabgaben positiv auf die Beschäftigung. Sie senken die Arbeitskosten der Arbeitgeber bzw. erhöhen den Nettolohn der Arbeitnehmer. Wird durch eine Steuersenkung der Keil zwischen diesen beiden Größen verringert, so kommen mehr Beschäftigungsverhältnisse zustande. 1

So auch Otto Solms in F.A.Z. vom 05.08.2009, Nr. 179, S. 10, „Steuersenkung und Schuldentilgung - ein Widerspruch?“.

174

Johannes Höfer

Zweitens erhöhen Steuersenkungen das Wirtschaftswachstum auch über einen größeren Kapitalstock. Durch eine höhere Ersparnisbildung der Bürger stehen den Unternehmen mehr Mittel für Investitionen zur Verfügung. Ebenso verbleiben den Unternehmen, die der Einkommensteuer unterliegen (Personenunternehmen), unmittelbar mehr Mittel, um Investitionen vorzunehmen. Ein dritter Kanal, über den Steuersenkungen das Wirtschaftswachstum steigern, ist der internationale Wettbewerb. Niedrige Steuersätze sind ein positiver Standortfaktor, der Unternehmen dazu bewegt, nach Deutschland zu kommen, in Deutschland zu bleiben bzw. zu expandieren. 3

Einkommensteuersenkungen des Maßnahmenpaketes II - ein erster Schritt

Insbesondere aufgrund der positiven konjunkturellen Wirkungen ist eine Verringerung der Einkommensteuertarife Bestandteil des zweiten Maßnahmenpakets der Bundesregierung. Die Steuersenkung tritt in zwei Stufen in Kraft und gilt anschließend unbefristet. a) Erste Stufe Die erste Stufe gilt rückwirkend zum 1. Januar 2009 und umfasst folgende Elemente (vgl. Abbildung 1): Der Grundfreibetrag, also das steuerfreie Existenzminimum, wird von 7.664 € auf 7.834 € angehoben. Der Eingangsteuersatz, der auf den ersten versteuerten Euro zu bezahlen ist, sinkt von 15 % auf 14 %. Im weiteren Verlauf wird der gesamte Steuertarif um 400 € nach rechts verschoben. Das heißt: Jeder Steuersatz wird erst bei einem höheren zu versteuernden Einkommen erreicht. Bürger und einkommensteuerpflichtige Unternehmer werden dadurch im Jahr 2009 um insgesamt rund 3,1 Mrd. € entlastet. b) Zweite Stufe Die zweite Stufe der Steuersenkung im Rahmen des Maßnahmenpakets II tritt zum 1. Januar 2010 in Kraft. Ihre Eckpunkte: Der Grundfreibetrag wird nochmals um 170 € auf 8.004 € angehoben. Im weiteren Tarifverlauf erfolgt eine erneute Rechtsverschiebung um 330 €.

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

175

Die Entlastung gegenüber dem im Jahr 2008 geltenden „Tarif 2005“ beträgt ab 2010 jährlich rund 6 Mrd. €. Mit dieser Tarifsenkung werden vor allem untere und mittlere Einkommen entlastet. Durch die niedrigeren Steuersätze in der unteren Progressionszone (zwischen dem Grundfreibetrag und dem Knick im Tarifverlauf) erhöht sich der Anreiz, in diesem Bereich eine Beschäftigung aufzunehmen. Die steuerliche Belastung in der oberen Progressionszone (oberhalb des Tarifknicks bis zum Spitzensteuersatz von 42 %) wird parallel verschoben. Die steuerliche Belastung in diesem Bereich sinkt somit ebenfalls, weil jeder Steuersatz erst mit einem höheren Einkommen erreicht wird. Die Bezieher höherer Einkommen profitieren außerdem von der geringeren Steuerlast auf niedrigere Einkommen, da sie ihre unteren Einkommensteile in diesem Bereich versteuern. 0,45

0,40

0,35

Steuersatz [%]

0,30

Tarif 2005

0,25

0,20 Tarif 2010 0,15 Tarif 2009 0,10

0,05

0,00 0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

zu versteuerndes Einkommen [€]

Abb. 1: Einkommensteuersenkung im Rahmen des Maßnahmenpaketes II2 4

Die Hypothek der kalten Progression

Reicht die beschlossene Steuersenkung aus? Die Antwort auf diese Frage ist ernüchternd: Die verringerten Steuersätze können die in den letzten Jahren entstandenen zusätzlichen preisbereinigten („realen“) Belastungen durch die Ein-

2

Der Bereich der Reichensteuer ist der Anschaulichkeit halber in dieser und den nächsten Abbildungen nicht eingezeichnet.

176

Johannes Höfer

kommensteuer nicht ausgleichen. Infolgedessen ergibt sich zwar nominal eine Nettoentlastung, nicht aber real. Ursächlich dafür ist das Phänomen der „kalten Progression“. Erhält ein Arbeitnehmer einen Lohnaufschlag in Höhe der Preissteigerungsrate, so hat sich sein Einkommen real nicht verändert – er hat faktisch keinen Cent mehr zur Verfügung. Da er aber nominal ein höheres Einkommen erzielt, rutscht er im Steuertarif nach oben und bezahlt überproportional mehr Steuern. Die Erhöhung seiner Steuerlast ist also größer, als ihre Entwertung durch die Preissteigerungsrate. Das ist ein Ausfluss des progressiven Steuersystems. Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) Tübingen hat die Auswirkungen der kalten Progression, aufbauend auf einem Gutachten von 2007, auf der Basis aktueller Prognosedaten der Bundesregierung neu berechnet3. Seit der letzten Einkommensteuertarifreform im Jahr 2005 sind bis zum Ende des Jahres 2008 zusätzliche Belastungen in Höhe von rund 18 Mrd. € entstanden. Klammert man die Steuersenkungen des zweiten Maßnahmenpakets zunächst einmal aus, so summieren sich diese Belastungen bis zum Jahr 2012 auf rund 69 Mrd. €. Unter Einbeziehung des Maßnahmenpakets verbleibt für den Zeitraum 2005 bis 2012 noch immer ein Progressionsaufkommen von rund 40 Mrd. €. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die jährliche Entwicklung der kalten Progression. Dabei zeigt sich, dass die hinzukommenden Belastungen Jahr für Jahr ansteigen. Die Ursache dafür ist, dass jedes Jahr weitere Preissteigerungen hinzukommen und den Prozess beschleunigen.

3

Peter Gottfried, Daniela Witczak, IAW Tübingen, Endbericht zum Projekt I D 4 – 60/07, „Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der „heimlichen Steuerprogression“ und steuerpolitische Handlungsoptionen zur Entlastung von Bürgern und Wirtschaft“, vom 07.12.2007.

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

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18,00 16,00

Jährliches Aufkommen aus der kalten Progression ohne Maßnahmenpaket II - Kumuliert: 68,55 Mrd. €

14,00

Jährliches Aufkommen aus der kalten Progression mit Maßnahmenpaket II - Kumuliert: 39,61 Mrd. €

15,33 13,50

12,00 Mrd. €

11,70 10,00

10,42 9,63 9,63

8,00 7,06

6,00

6,26

5,67 5,67

5,24

4,00 2,00

3,45 2,30 2,30

0,00 2006

2007

2008

2009 Jahr

2010

2011

2012

Quelle: Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung, Tübingen (2009)

Abbildung 2: Entwicklung der kalten Progression im Zeitraum 2005 bis 2008 (Quelle: Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung, Tübingen, 2009) Die Abbildung ist wie folgt zu interpretieren: Im Jahr 2006 beträgt die Belastung aus der kalten Progression 2,3 Mrd. € aufgrund der Preissteigerung von 2006 gegenüber 2005. Die Zusatzbelastung im Jahr 2007 von rund 5,7 Mrd. € beruht auf den Preissteigerungen von 2006 und 2007. Da in diesem Zeitraum keine Steuersenkung vorgenommen wurde, beträgt die Summe der „heimlichen Steuererhöhungen“ dieser beiden Jahre rund 8 Mrd. €. In den Jahren 2009 und 2010 sorgt die Steuersenkung des zweiten Maßnahmenpakets für ein verringertes Progressionsaufkommen. Ohne weitere Steuersenkungen steigen die jährlichen Belastungen aus der kalten Progression bis zum Jahr 2012 wieder deutlich an. Im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2012 beträgt die kalte Progression jährlich rund 5,3 Mrd. €. Ohne das Maßnahmenpaket II beliefe sie sich sogar auf 13,5 Mrd. €. Eine Einkommensteuertarifsenkung von jährlich 5,3 Mrd. € ab 2010 würde also ausreichen, um die kalte Progression im Zeitraum 2010 bis 2012 auszugleichen. Die zwischen 2005 und 2009 entstandenen Belastungen blieben allerdings dauerhaft bestehen. Außerdem kommen in den darauf folgenden Jahren bei positiven Inflationsraten höhere Belastungen hinzu. Allein um die kalte Progression auszugleichen, muss eine Einkommensteuersenkung höher ausfallen. Reale Wachstumseffekte werden darüber hinaus nur realisiert, wenn

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Johannes Höfer

Einkommensteuersenkungen über den Ausgleich der kalten Progression hinausgehen. 5

Neuere empirische Studien

Neuen empirischen Studien zufolge werden die Bezieher mittlerer bis hoher Einkommen (gut 60.000 €) besonders stark belastet. a)

Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel4

Das Institut für Weltwirtschaft betrachtet vier Fallbeispiele (zu versteuernde Einkommen von 10.000, 35.000, 60.000, 100.000 €) über den Zeitraum 2008 und 2011. Dabei zeigt sich, dass die Steuersenkungen des zweiten Konjunkturpakets den Anstieg der Steuerbelastung in allen vier Fällen nicht ausgleichen können. Den höchsten Belastungszuwachs aller betrachteten Fälle im Zeitraum 2008 bis 2011 hat ein Steuerpflichtiger mit einem Einkommen von 60.000 € zu tragen. Angenommen, sein Einkommen steigt jährlich um 2 % und bleibt damit real (inflationsbereinigt) etwa unverändert. Der Einkommenssteigerung von insgesamt gut 6 % steht eine um rund 7 ½ % höhere Steuerbelastung gegenüber. Im Durchschnitt führt eine Steigerung des Lohns um 1 % zu einer um 1,8 % und damit deutlich überproportional steigenden Lohnsteuer. b) Karl-Bräuer Institut des Bundes der Steuerzahler5 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie des Karl-Bräuer-Instituts. Darin werden die Einkommensteuerbelastungen der Jahre 1990 und 2010 verglichen. Ein Steuerpflichtiger, der im Jahr 1990 ein Einkommen von 80.000 DM hatte und in den Jahren 1990 bis 2010 an den durchschnittlichen Einkommenssteigerungen teilgenommen hat, verdient im Jahr 2010 rund 64.000 €. Er hat in dieser Zeit einen Anstieg der Steuerbelastung um 13 %. Im Vergleich zu anderen Einkommensklassen – sowohl höheren, als auch niedrigeren – ist dies der höchste Anstieg der Steuerbelastung.

4

5

Kiel Institute for the World Economy, Working Papers, „Das Lohnsteueraufkommen in Deutschland – Erklärung und Prognose auf Basis der Lohnsteuerstatistik“, 1522, Mai 2009. Rundschreiben Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e.V., „Nach Tarifkorrektur 2010 erhöhter Nachholbedarf bei Entlastung mittlerer Einkommen“, Nr. 05/2009, Februar 2009.

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

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c) OECD6 Die OECD betrachtet in ihrer Studie „Taxing Wages“ die Belastung aus Einkommensteuer und Sozialabgaben in Prozent der Arbeitskosten. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Single mit einem Jahreseinkommen von 63.000 € im Jahr 2008 mit rund 54 % Abzügen im Vergleich zu anderen Einkommenshöhen relativ am stärksten belastet wird. Der durchschnittlich verdienende deutsche Single liegt im internationalen Belastungsvergleich OECD-weit auf Platz 1. d) Fazit Bemerkenswerterweise kommen die Studien zu ähnlichen Ergebnissen. So ist die relative Belastung bzw. der in den letzten Jahren beobachtete Belastungszuwachs jeweils bei Einkommen von gut 60.000 € am höchsten. Diese erhöhten Belastungen sind insbesondere ein Ausfluss der kalten Progression. Wie gezeigt wurde, konnten die „heimlichen Steuererhöhungen“ der letzten Jahre durch die Steuersenkungen des zweiten Konjunkturpakets nicht ausgeglichen werden. 6

Einkommensteuersenkung – aber wie?

Eine nahe liegende Lösung zum Ausgleich der kalten Progression besteht darin, die Einkommensgrenzen mit der Inflationsrate zu erhöhen. Um die kalte Progression im Zeitraum 2005 bis 2012 auszugleichen, müssten die Einkommensgrenzen um den Faktor 1,1 angehoben werden. Der Tarif würde somit nicht parallel verschoben, sondern gestreckt. Eine solche Lösung wurde aber bisher im politischen Raum noch nicht in Erwägung gezogen. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 bieten die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien verschiedene Einkommensteuertarifmodelle an: a) CSU-Modell Zunächst hatte die CSU im Mai 2008 einen zweistufigen Tarifvorschlag vorgelegt7. Die zweite Stufe, die für das Jahr 2012 vorgesehen ist, umfasst im Vergleich zum neuen „Tarif 2010“ folgende Elemente: •

Unveränderter Grundfreibetrag von 8.004 €.



Der Eingangsteuersatz sinkt von 13 % auf 12 %.

6

7

OECD, Taxing Wages 2007-2008, Special Feature: „Consumption Taxation as an additional burden on labour income“, 2009. Beschluss des CSU-Parteivorstandes vom 05. Mai 2008, „Mehr Netto für alle. Steuersenkungen für Familien, Arbeitnehmer und Mittelstand.“.

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Johannes Höfer



Die Einkommensgrenze für den Steuersatz zwischen den beiden Progressionszonen („Mittelsteuersatz“) steigt von 14.000 € auf 15.000 €.



Die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz (42 %) steigt von 52.151 € auf 60.000 €.



Das Konzept ist mit den ab 2010 geltenden Einkommensgrenzen für den „Reichensteuersatz“ kompatibel.

Im Vergleich zu dem zum Zeitpunkt des Vorschlags gültigen „Tarif 2005“ betrug die jährliche Entlastung rund 20 Mrd. €. Bezieht man die Steuersenkung im Rahmen des zweiten Maßnahmenpakets ein (Vergleich mit dem „Tarif 2010“), so beträgt die Entlastung rund 16 Mrd. € pro Jahr. Der größte Vorteil des CSU-Modells besteht darin, dass die bis 2012 aufgelaufene kalte Progression für alle Einkommen ausgeglichen wird. Der steile Anstieg der ersten Progressionszone und eine relativ hohe Belastung mittlerer Einkommen bleiben allerdings erhalten. Außerdem ist eine weitere Senkung des Eingangsteuersatzes zum Ausgleich der kalten Progression nicht notwendig. Sie verschärft die unterschiedliche tarifliche Belastung der Einkommen. b) CDU/CSU-Modell Im gemeinsamen Wahlprogramm8 schlagen CDU und CSU ein zweistufiges Einkommensteuerkonzept vor. Stufe 1 • Der Eingangsteuersatz sinkt von 14 % auf 13 % bei unverändertem Grundfreibetrag (8.004 €). • Der „Mittelsteuersatz“ wird von 23,97 % auf 23,6 % verringert und setzt erst bei einem Einkommen von 15.000 €, statt zuvor 13.470 €, ein. • Der „Spitzensteuersatz“ von unverändert 42 % gilt erst ab 55.000 €, statt bereits ab 52.881 €. Stufe 2 • Der Eingangsteuersatz sinkt bei unverändertem Grundfreibetrag auf 12 %. • Der „Mittelsteuersatz“ sinkt auf 23,0 %. Die Einkommensgrenze von 15.000 € wird im zweiten Schritt nicht noch einmal verändert. • Die Einkommensgrenze für den „Spitzensteuersatz“ steigt auf 60.000 €.

8

„Wir haben die Kraft. Gemeinsam für unser Land“, Regierungsprogramm 2009 – 2013 der CDU/CSU, verabschiedet in einer gemeinsamen Sitzung des Bundesvorstands der CDU und des Parteivorstandes der CSU am 28. Juni 2009 in Berlin, Seite 14 f.

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

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Dadurch entsteht eine Entlastung von rund 8 Mrd. € im ersten Schritt und weiteren gut 6 Mrd. € im zweiten Schritt. Das Konzept soll in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden. Bemerkenswert ist insbesondere, dass die Steuerprogression in der unteren Progressionszone trotz des sinkenden Eingangsteuersatzes nicht verschärft, sondern sogar leicht gemildert wird. Dies ist auf die Senkung sowie die deutliche Rechtsverschiebung des „Mittelsteuersatzes“ zurückzuführen. Dementsprechend sind die Arbeitsanreizwirkungen in diesem Bereich leicht positiv. Eine besonders deutliche Entlastung wird im Bereich mittlerer bis höherer Einkommen (50.000 bis 60.000 €) gewährt. Einkommensbezieher in diesem Bereich werden – wie schon unter 5. dargelegt – besonders stark belastet bzw. waren besonders hohen Belastungssteigerungen ausgesetzt. Weniger zwingend erscheint der verringerte Eingangsteuersatz, insbesondere da im Rahmen des Maßnahmenpakets II untere Einkommen durch die deutliche Anhebung des Grundfreibetrags relativ stark entlastet wurden. Insgesamt tragen die Entlastungen dazu bei, die Wirkungen der kalten Progression zu mildern. 0,4500

0,4000 Tarif 2010 0,3500 CDU/CSU - Stufe 2 0,3000 Steuersatz [%]

CDU/CSU - Stufe 1 0,2500

0,2000

0,1500

0,1000

0,0500

0,0000 0

10000

20000

30000

40000

zu versteuerndes Einkommen [€]

Abb. 3: Einkommensteuertarifkonzept der CDU/CSU

50000

60000

182

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c) SPD-Modell Das SPD-Programm9 sieht folgende Einkommensteuer-Tarifeckwerte vor: •

Senkung des Eingangsteuersatzes von 14 auf 10 %.



Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 47 % ab einem zu versteuernden Einkommen von 125.000 € (Verheiratete 250.000 €). Der aktuelle Spitzensteuersatz von 45 % wird bei einem zu versteuernden Einkommen von 250.400 € (Verheiratete 500.800 €) erhoben (ab 2010: 250.730 € bzw. 501.460 €).



Gestaltung des Tarifverlaufs zur Entlastung des zu versteuernden Einkommens bis 52.882 €.

Durch die Senkung des Eingangsteuersatzes wird die erste Progressionszone des Tarifs steiler verlaufen. Dies ist für eine Beschäftigungsausweitung in diesen Einkommensgruppen problematisch. Auch wenn über den gesamten Tarifverlauf wegen der fehlenden Konkretisierung keine Aussage gemacht werden kann, ist jedenfalls der höhere und früher einsetzende Spitzensteuersatz leistungsfeindlich. Die nachfolgende grafische Darstellung geht davon aus, dass nur der Eingangsteuersatz gesenkt wird, die übrigen Tarifeckwerte aber gleich bleiben10.

9

10

„Sozial und Demokratisch. Anpacken. Für Deutschland.“, Regierungsprogramm der SPD vom 14. Juni 2009, S. 46 ff. Vgl. auch Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 05.07.2009, Nr. 27, S. 37, „Die Parteien im Steuertest“.

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

183

0,45

0,40

0,35 Tarif 2010

CDU/CSU Stufe 2

Steuersatz [%]

0,30

CDU/CSU Stufe 1

0,25 SPD 0,20

0,15

0,10

0,05

0,00 0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

zu versteuerndes Einkommen [€]

Abb. 4: Einkommensteuertarifkonzept der SPD im Vergleich zum CDU/CSUModell d) FDP-Modell Die FDP hat folgenden „Dreistufentarif“ verabschiedet11: •

Grundfreibetrag von 8.004 €.



Einkommensteuersatz 8.005 und 20.000 €.



25 % für Einkommen zwischen 20.001 € und 50.000 €.



35 % für Einkommen ab 50.001 €.



Die „Reichensteuer“ soll entfallen.

von

10 %

für

Einkommen

zwischen

Das FDP-Modell beinhaltet die umfangreichste Entlastung. Die Belastung aller Einkommen über den gesamten Steuertarif wird deutlich gemindert und die Auswirkungen der kalten Progression mehr als kompensiert, so dass zusätzliche reale Leistungsanreize entstehen. Darüber hinaus wird der Steuertarif einfacher.

11

„Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm 2009“, Programm der Freien Demokratischen Partei zur Bundestagswahl 2009, beschlossen auf dem Bundesparteitag vom 15. – 17. Mai 2009 in Hannover, S. 6 f.

184

Johannes Höfer

Jeder Bürger ist in der Lage, seinen persönlichen Grenzsteuersatz relativ leicht selbst zu ermitteln. Die FDP legt außerdem ein umfangreiches Konzept vor, um die genannten Steuerausfälle zu finanzieren. Es beinhaltet insbesondere die Streichung der noch immer zahlreich vorhandenen Ausnahmetatbestände im Steuerrecht. Die Senkung des Eingangsteuersatzes auf 10 % erscheint nicht vordringlich, da die – durch den geringeren Spitzensteuersatz zunächst verringerte – tarifliche Belastungsspreizung der Einkommen wieder steigt. 0,45

0,40

0,35 Tarif 2010

Steuersatz [%]

0,30

0,25 FDP 0,20

0,15

0,10

0,05

0,00 0

5.000

10.000

15.000

20.000

25.000

30.000

35.000

40.000

45.000

50.000

55.000

60.000

65.000

zu versteuerndes Einkommen [€]

Abb. 5: Einkommensteuertarifkonzept der FDP e) BÜNDNIS 90 / DIE GRUENEN Das Wahlprogramm von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN12 sieht vor: •

Anhebung des Grundfreibetrages auf 8.500 €.



Anhebung des allgemeinen Spitzensteuersatzes von 45 % ab einem höheren Einkommen als heute (nicht weiter beziffert).

12

„Der Grüne neue Gesellschaftsvertrag. Klima – Arbeit – Gerechtigkeit – Freiheit“, Bundestagswahlprogramm von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, Beschluss der 30. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN vom 8. bis 10. Mai 2009 in Berlin, S. 50 ff.

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

185

Die Erhöhung des Grundfreibetrages ohne Anhebung des Eingangsteuersatzes wird zu einem steileren Verlauf der ersten Progressionszone führen und ist deshalb problematisch. Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes ist leistungsfeindlich. f)

DIE LINKE

Hier13 wird vorgesehen •

Anhebung des Grundfreibetrages auf 9.300 €



Linearer Tarifverlauf bis zum Spitzensteuersatz und



Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 53 %, bei einem zu versteuernden Einkommen von 65.000 €.

Bei diesem Tarif erfolgt die Entlastung nur bei sehr geringen Einkommen. Insgesamt ist der Tarif wegen des hohen Spitzensteuersatzes, der bei einem relativ geringen Einkommen ansetzt und den damit verbundenen hohen Grenzsteuersätzen, leistungsfeindlich. g) Eigener Vorschlag Es wird vorgeschlagen, den Grundfreibetrag von 8.004 € beizubehalten und den Tarifknick zwischen den beiden Progressionszonen zu beseitigen. Im Vergleich zum „Tarif 2010“ enthält der Vorschlag14 folgende Elemente: •

Der Grundfreibetrag wurde bereits auf das vorgeschlagene Niveau erhöht (8.004 €) und bleibt daher unverändert.



Die beiden Progressionszonen werden in einen linear-progressiven Tarif umgewandelt. Er erstreckt sich von dem ab 2009 gültigen Eingangsteuersatz (14 %) bis zum unveränderten Spitzensteuersatz (42 %).



Der „Reichensteuersatz“ (45 % ab 250.730 €) bleibt unverändert.

Im Vergleich zum „Tarif 2010“ führt der Vorschlag zu einer Entlastung von rund 27 Mrd. € jährlich. Der steile Anstieg des Tarifs im unteren Bereich (vorherige untere Progressionszone zwischen 8.004 € und 13.470 €) wird deutlich abgeflacht. Die Steuerlast auf jeden hinzuverdienten Euro steigt in diesem Bereich nun weniger stark an. Technisch ausgedrückt: Die marginalen Arbeitsanreize im Bereich der unteren Einkommen werden verbessert. Dadurch erhöht sich 13

14

„Konsequent sozial. Für Demokratie und Frieden“, Bundestagswahlprogramm 2009, Beschluss des Bundeswahlparteitages der Partei DIE LINKE vom 20. und 21. Juni 2009 in Berlin, S. 28/29. So auch der Vorschlag der vbw-Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. in „DEUTSCHLAND HAT ZUKUNFT!, MEHR NETTO – BASIS FÜR WACHSTUM“ vom 22.06.2009, Ausgabe 01/2009, S. 8.

186

Johannes Höfer

in diesem Bereich der Anreiz, eine Beschäftigung auszuweiten. Der neue Tarifverlauf trägt somit insbesondere dazu bei, die Beschäftigungsbedingungen für Geringqualifizierte zu verbessern. Die Belastung der mittleren Einkommen sinkt ebenfalls deutlich. Durch den durchgehend progressiven Verlauf wird der Tarif systematischer und aufgrund konstant steigender Grenzsteuersätze weniger willkürlich. Ein Nachteil dieses Modells besteht darin, dass im Bereich höherer Einkommen nicht die volle Zusatzbelastung durch die kalte Progression kompensiert wird. 0,45

0,40

0,35

Steuersatz [%]

0,30

Tarif 2010

0,25

0,20 Eigener Vorschlag 0,15

0,10

0,05

0,00 0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

zu versteuerndes Einkommen [€]

Abbildung 6: Eigener Vorschlag für einen Einkommensteuertarif 7

Gegenfinanzierung

Gegen eine Einkommensteuersenkung wird zuweilen eingewandt, sie sei nicht finanzierbar. Dieser Einwand ist nicht tragfähig. Man führe sich vor Augen, dass die Zusatzbelastungen durch die kalte Progression reale Steuermehreinnahmen für den Fiskus bedeuten. Mit anderen Worten: Der Staat stellt sich keinen Euro schlechter, wenn er die Mittel aus der kalten Progression an die Bürger zurückgibt. Da die seit dem Jahr 2005 aus der kalten Progression erzielten Mehreinnahmen erst zu einem späteren Zeitpunkt zurückgegeben werden, erzielt der Staat sogar erhebliche Zinsgewinne.

Senkung der tariflichen Einkommensteuer als Beitrag zur Bewältigung der Krise

187

Der Umstand, dass die Einnahmen aus der kalten Progression in Teilen bereits für zusätzliche Ausgaben verwendet wurden bzw. verplant sind, rechtfertigt diese Vorgehensweise nicht. Allerdings steigt dadurch der Druck auf die Finanzpolitik, auf der Ausgabenseite künftig eine größere Disziplin walten zu lassen. Insofern kann eine Steuersenkung zur politischen Selbstbindung dienen, in dem sie durch Kürzungen auf der Ausgabenseite finanziert werden muss. 8

Fazit

Schlussendlich bleibt festzuhalten: Die Wirtschafts- und Finanzkrise sollte nicht den Blick auf die mittelfristige Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft verstellen. Eine strukturelle Reform muss die kurzfristigen Gegebenheiten allerdings im Auge behalten. Daher ist eine Einkommensteuersenkung das ideale Instrument. Sie sollte die kalte Progression möglichst ausgleichen und darüber hinaus für eine reale Entlastung sorgen. Eine Einkommensteuersenkung übt gleichzeitig einen disziplinierenden Einfluss auf die Finanzpolitik aus und kann der Politik damit als Instrument der Selbstbindung behilflich sein. Damit leistet sie einen Beitrag zur Bewältigung der Krise.

188

Johannes Höfer

Literaturverzeichnis Boss, Achim/Boss, Alfred/Boss, Thomas: Das Lohnsteueraufkommen in Deutschland – Erklärung und Prognose auf Basis der Lohnsteuerstatistik. In Working Papers, Institute for the World Economy Kiel, Nr. 1522, Mai 2009 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Grüne neue Gesellschaftsvertrag. Klima – Arbeit – Gerechtigkeit – Freiheit“. In Bundestagswahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Berlin, 8. bis 10.05.2009 CDU/CSU: Wir haben die Kraft. Gemeinsam für unser Land. In Regierungsprogramm 2009 - 2013 der CDU/CSU, Berlin, 28.06.2009 CSU: Mehr Netto für alle. Steuersenkungen für Familien, Arbeitnehmer und Mittelstand. In Beschluss des CSU-Parteivorstandes, Berlin, 05.05.2009 DIE LINKE: Konsequent sozial. Für Demokratie und Frieden. In Bundestagswahlprogramm 2009, Berlin 20. und 21.06.2009 FDP: Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm 2009. In Programm der Freien Demokratischen Partei zur Bundestagswahl 2009, Hannover, 15. – 17.05.2009 Gottfried, Peter/Witczak, Daniel: Heimliche Steuerprogression und steuerpolitische Handlungsoptionen zur Entlastung von Bürgern und Wirtschaft. In Endbericht zum Projekt I D 4 – 60/07, IAW Tübingen, 07.12.2007 Homburg, Stefan, Allgemeine Steuerlehre, Vahlen, 5. Auflage, Januar 2007 Hyman, David N., Public Finance, Cengage Learning Services, International Edition, 2007 Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e.V. Berlin: Nach Tarifkorrektur 2010 erhöhter Nachholebedarf bei Entlastung mittlerer Einkommen. In Rundschreiben Nr. 05/2009, Februar 2009 OECD: Special Feature: Consumption Taxation as an additional burden on labour income. In Taxing Wages 2007 – 2008, 2009 Scherff, Dirk: Die Parteien im Steuertest. In Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 27 vom 5.07.2009 Solms, Otto: Steuersenkung und Schuldentilgung – ein Widerspruch?. In F.A.Z. Nr. 179 vom 05.08.2009 SPD: Sozial und Demokratisch. Anpacken. Für Deutschland. In Regierungsprogramm der SPD, Berlin, 14.06.2009 vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V.: Steuerpolitik hat Zukunft. Mehr Netto – Basis für Wachstum. In Die Stimme der Wirtschaft. vbw, Ausgabe 01/2009 vom 22.06.2009

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung – ein Simulationsmodell Jochen Hundsdoerfer / Frank Hechtner

Inhaltsverzeichnis 1 Einführung ................................................................................................ 191 2 Steuerwirkungen der Gewinnermittlung und der Verlustverrechnung im Schrifttum – eine subjektive Auswahl.................................................. 192 3 Simulationsmodell .................................................................................... 193 3.1 Modell vor Steuern ......................................................................... 193 3.2

Gewinnermittlungsregeln ............................................................... 195

3.3

Verlustverrechnungsregeln ............................................................. 196

3.4

Tarif, Überblick über die untersuchten Fälle, Simulationsdaten.... 198

3.5

Ergebnisse, Analyse und Variationsrechnungen ............................. 200

4 Zusammenfassung..................................................................................... 206 

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

1

191

Einführung

Die Wirkungen der steuerlichen Gewinnermittlung auf die Vorteilhaftigkeit von Investitionen wurden bereits ausführlich untersucht: Das Realisations- und das Imparitätsprinzip können zu den am besten erforschten steuerlichen Normen gelten. In jüngster Zeit rückten diese Themen im Zuge der Bankenkrise und der Umsetzung des BilMoG wieder einmal in den Vordergrund. Kaum weniger Untersuchungen finden sich zu den Steuerwirkungen verschiedener Verlustverrechnungsvorschriften, wie z.B. der Mindestbesteuerung oder der Beschränkung des Verlustrücktrags. Auch der Jubilar ist auf dem Feld der steuerlichen Gewinnermittlung seit langer Zeit tätig. In Börner/Krawitz 1977 untersucht er, wie der Steuerpflichtige Wahlrechte bei der steuerlichen Gewinnermittlung zielgerichtet ausüben kann (Steuerbilanzpolitik). Auch später nimmt er sich Fragen der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung an (vgl. etwa Krawitz 1994; Krawitz 1998). Die Wirkungen der Verlustverrechnung werden von Krawitz bereits früh analysiert. So widmet er sich schon 1972 der betriebswirtschaftlichen Problematik des Verlustausgleichs und des Verlustabzugs (Krawitz 1972) und zeigt die Auswirkungen von Verlustverrechnungsbeschränkungen auf die Bilanzkongruenz und die Totalgewinnidentität auf. Auch in jüngster Vergangenheit bleibt er diesem Forschungsgebiet treu und zeigt Verwerfungen auf, die durch die Mindestbesteuerung entstehen können (Krawitz 2005). Die Analyse endet dann auch mit dem Wunsch, „dass der Beschränkung des Verlustvortrages eine noch kürzere Lebensdauer als der allgemeinen Begrenzung des vertikalen Verlustausgleichs beschieden sein wird.“ (Krawitz 2005, S. 167) Hier soll die folgende These begründet und in ihren Konsequenzen untersucht werden: Die Steuerwirkungen der steuerlichen Gewinnermittlung und der Verlustverrechnungsregeln sind interdependent. So hängen z.B. die Steuerwirkungen von Verlustvortragsbeschränkungen auch von der Ausgestaltung der Gewinnrealisation ab. Umgekehrt werden die Wirkungen etwa der Verlustantizipation durch die Möglichkeiten der Verlustverrechnung stark beeinflusst. Gerade die aktuellen Diskussionen um die Änderungen des BilMoG zeigen, dass steuerliche Gewinnermittlung und Verlustverrechnung aufeinander abzustimmen sind (Kellersmann/Treisch 2002; Knirsch 2006). Da die Zusammenhänge zwischen Gewinnermittlung und Verlustverrechnung komplex und nicht unmittelbar zu überblicken sind, wird hier ein Simulationsmodell (vgl. z.B. Knirsch 2005, S. 197) eingesetzt. Dieses Modell wird zeigen, dass – wenigstens in den untersuchten Einzelfällen – sich die Vor- und Nachteile der Gewinnermittlungsregeln und der Verlustverrechnungsvorschriften im Vergleich zu einer entscheidungsneutralen Besteuerung häufig partiell oder fast vollständig kompensieren.

192

2

Jochen Hundsdoerfer / Frank Hechtner

Steuerwirkungen der Gewinnermittlung und der Verlustverrechnung im Schrifttum - eine subjektive Auswahl

Beiträge zu Steuerwirkungen der Gewinnermittlung und zur Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz finden sich in der Vergangenheit zu zahlreich, um sie hier mit dem Anspruch auf Vollständigkeit aufzuzählen. Neben den schon erwähnten Werken des Jubilars sei beispielhaft verwiesen auf Bareis 2008, Schneider 1970 und 2004, Siegel 1994, Sigloch 1976 und 2007 sowie Wagner 1991 und 2000. Im Zuge der Diskussionen um das BilMoG wird das Verhältnis von Handels- und Steuerbilanz jüngst etwa von Förster/Schmidtmann 2009, Herzig/Briesemeister 2009a, Herzig/Briesemeister 2009b sowie Theile/Hartmann 2008 diskutiert. Die Wirkungen einer stärker an den Zahlungsströmen orientierten Gewinnermittlung werden etwa von arqus 2008, Herzig 2004 und Knirsch 2006 erörtert.Die steuerliche Verlustverrechnung analysieren neben dem Jubilar etwa Wollseiffen 1998 sowie Diller 2005. Die Forderung nach einem sofortigen und vollständigen Verlustausgleich (zuletzt Krawitz 2005) erheben etwa Schneider 1970 sowie Wosnitza 2000. Die Auswirkungen der Mindestbesteuerung auf die Steuerbelastung und die Investitionstätigkeit werden etwa bei Diller 2008, Wehrheim/Hausmann 2008, Niemann/Kiesewetter 2004 sowie Niemann 2004 untersucht. Müller 2007 ermittelt auf Basis von Mikrodaten der amtlichen Steuerstatistik, in welchen Einkunftsarten Verluste natürlicher Personen anfallen. Inwieweit die Mindestbesteuerung sich auf die Vorteilhaftigkeit riskanter Investitionen auswirkt, erörtern Pummerer/Djanani 2004. Knirsch analysiert die Auswirkungen eines Übergangs von der bilanziellen Gewinnermittlung hin zu einer vereinfachten Cashflowrechnung anhand eines Simulationsmodells (Knirsch 2005, 2006). Hierbei werden zudem zwei unterschiedliche Varianten der Verlustverrechnung berücksichtigt: vollständiger Verlustausgleich und Mindestbesteuerung nach § 10d EStG. In diesem Modell kommt Knirsch zu dem Ergebnis, dass die Art der Verlustverrechnung einen starken Einfluss auf den Endvermögenswert entfaltet. Hier sollen bilanzbasierte Methoden der steuerlichen Gewinnermittlung und Methoden der Verlustverrechnung in einem Simulationsmodell miteinander kombiniert werden. Gerade vor dem Hintergrund der Annäherung des Handelsrechts an internationale Bilanzierungsregeln gewinnt die Fragestellung vermehrt an Bedeutung.

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

3

Simulationsmodell

3.1

Modell vor Steuern

193

Um die gemeinsame Wirkung der steuerlichen Gewinnermittlung und der Verlustverrechnungsregeln auf die Vorteilhaftigkeit riskanter Investitionen zu untersuchen, haben wir ein stark stilisiertes Modell einer riskanten Investition gewählt. Um die Analyse nicht zu überfrachten, haben wir planmäßige Abschreibungen vernachlässigt. Unsere riskante Investition ist also als Finanzanlage oder als Investition in ein unbebautes Grundstück vorstellbar. Es werde im Zeitpunkt 0 der Betrag von 1 € als Beteiligungskapital investiert. Der Planungszeitraum laufe über T Perioden. In jeder Periode seien genau zwei Zustände möglich: der Zustand „up“ mit der Rendite u und der Wahrscheinlichkeit w sowie der Zustand „down“ mit der Rendite d und der Wahrscheinlichkeit 1 - w, wobei die Renditen jeweils auf das Anfangsvermögen der Periode berechnet werden1. Die Wahrscheinlichkeiten w in den einzelnen Perioden werden als unabhängig voneinander modelliert. Alternativ stehe eine Finanzanlage mit der sicheren Periodenrendite i zur Verfügung. Es gelte u > i > 0 > d > -1, so dass keine Insolvenz möglich ist. Der Entscheidungsträger sei risikoneutral, und die riskante Anlage sei vor Steuern äquivalent mit der sicheren Finanzanlage. Sind u, w und i gegeben, dann erhält man:

w ⋅ u + (1 − w ) ⋅ d = i ⇔d =

i − w⋅u 1− w

Nach z.B. T = zehn Perioden sind elf verschiedene Zustände möglich:

1

Vgl. Cox/Ross/Rubinstein (1979), S. 229-263.

194

Jochen Hundsdoerfer / Frank Hechtner

up down

Umschichtung

Abbildung 1 Zustandsbaum

Die Wertsteigerung im Zustand „up“ sei ein unrealisierter Gewinn (Wertsteigerung), so dass es zwischen einer steuerlichen Fair-Value-Gewinnermittlung und einer auf dem Realisationsprinzip beruhenden Gewinnermittlung zu Unterschieden kommen kann. Um die Wirkungen des Realisationsprinzips genauer untersuchen zu können, gebe es einmalig innerhalb des Planungszeitraums (also zwischen 1 und T-1) und die Möglichkeit, die Investition „umzuschichten“. Das bedeute, dass am Ende der Periode tu die Investition veräußert und eine Investition mit identischem Risiko wie die veräußerte erworben werde, so dass Wertsteigerungen in diesem Zeitpunkt realisiert werden:

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

0

1

2

3

4

t u =5

6

7

8

195

9

T =10

Abbildung 2 Zeitstruktur

Ob und wann eine solche Umschichtung (wie in Abbildung 2 bei tu=5) vorgenommen werde, kann exogen vorgegeben werden. Im Zeitpunkt T (in Abbildung 2 im Zeitpunkt 10) erfolge eine „Liquidation“, also eine Veräußerung der Investition und eine Einstellung des Geschäftsbetriebs. Inwieweit Verlustvorträge in diesem Zeitpunkt noch als werthaltig behandelt werden, wird unten erörtert. In Abhängigkeit von den im Folgenden vorgestellten Gewinnermittlungs- und Verlustverrechnungsregeln ist es möglich, dass der Steuerpflichtige in einzelnen Perioden Steuererstattungen erhält. Wir nehmen an, dass diese Steuererstattungen verwendet werden, um zu Beginn der Folgeperiode (in der nächsten logischen Sekunde) das Volumen der riskanten Investition zu erhöhen. Insofern erhöht die Steuererstattung das Investitionsvolumen. Sofern anschließend die Investition nicht mindestens die Rendite der Alternativanlage erzielt, ist diese Strategie ex post nachteilig; im Erwartungswert verzinsen sich diese Zusatzinvestitionen unter den getroffenen Annahmen allerdings ebenso gut wie die Finanzanlage. Die zusätzliche Investition wird mit ihren Anschaffungskosten nach allgemeinen Bilanzierungsregeln gebucht. 3.2

Gewinnermittlungsregeln

Im Folgenden sollen drei steuerlich mögliche Gewinnermittlungsregeln in stilisierter Form untersucht werden: Die Fair-Value-Gewinnermittlung, das Realisationsprinzip ohne Verlustantizipation und das Realisationsprinzip mit Verlustantizipation (Imparitätsprinzip). 1.

Fair-Value-Gewinnermittlung (Wertzuwachsbesteuerung) bedeute, dass Marktwertänderungen der Investition am Ende jeder Periode erfolgswirksam gebucht werden. So, wie (unrealisierte und realisierte) Wertzuwächse die steuerliche Bemessungsgrundlage erhöhen, senkt jede Wertminderung die Bemessungsgrundlage, ob realisiert oder nicht. Im geltenden Steuerrecht entspricht dies beispielsweise (seit Umsetzung des BilMoG) für Kreditinstitute der steuerlichen Gewinnermittlung für Finanzinstrumente im Handelsbestand.

2.

Bei Geltung des Realisationsprinzips ohne Verlustantizipation werden sowohl Gewinne als auch Verluste erst in Veräußerungsperioden realisiert und damit steuerwirksam. Die letzte Periode des Planungszeitraums (T)

196

Jochen Hundsdoerfer / Frank Hechtner

ist eine Veräußerungsperiode. Ob auch während des Planungszeitraums zusätzlich einmalig veräußert (umgeschichtet) wird, kann im Modell vorgegeben werden. Im geltenden Recht findet man diese Gewinnermittlungsregel etwa für schwebende Geschäfte, bei denen weder unrealisierte Gewinne noch unrealisierte Verluste (wegen des Verbots von Drohverlustrückstellungen in der Steuerbilanz gemäß § 5 Abs. 4a EStG) ausgewiesen werden dürfen. Das Imparitätsprinzip (Realisationsprinzip mit Verlustantizipation) sieht für Gewinne grundsätzlich dasselbe vor wie das Realisationsprinzip ohne Verlustantizipation. Verluste hingegen mindern den steuerlichen Gewinn, soweit sie den Marktwert der Investition unter die Anschaffungskosten senken. Das Imparitätsprinzip wird mit Anschaffungskostenprinzip und Wertaufholungsgebot modelliert: Unrealisierte Gewinne sind steuerlich erfolgswirksam, insoweit der Buchwert unter den Anschaffungskosten liegt. Das geltende Steuerrecht kennt diese Gewinnermittlungsregel etwa für die Bewertung von Wirtschaftsgütern, sofern Wertänderungen als dauerhaft angesehen werden. 3.3

Verlustverrechnungsregeln

Es werden sechs steuerliche Regeln zur Verlustbehandlung modelliert: 1.

Sofortiger und vollständiger Verlustausgleich: Hier hat der proportionale Tarif einen negativen Ast. Jeder Verlust führt zu einer sofortigen Steuererstattung. Diese Regel deckt auch den Fall ab, dass das Unternehmen andere steuerpflichtige Einkünfte erzielt und mögliche Verluste vollständig und sofort gegen diese Einkünfte verrechnen kann.

2.

Kein Verlustausgleich: In dieser Modellierung kann ein Verlust weder sofort noch später geltend gemacht werden, auch wenn der Verlust durch die Abschreibung des Buchwerts der Investition entstanden ist. Spätere Gewinne (z.B. Veräußerungsgewinne) basieren dann auf den geminderten Buchwerten. Ein solches System wird z.B. im US-amerikanischen Steuerrecht auf Liebhabereibetriebe angewandt.

3.

Zeitlich und höhenmäßig unbegrenzter Verlustvortrag: Jeder Verlust kann gegen künftige Gewinne verrechnet werden, wobei die Verrechnung so bald wie möglich erfolgt. Alt-Verlustvorträge verfallen nicht nach einer bestimmten Anzahl von Jahren. Im deutschen Steuerrecht entspricht dies, abgesehen von der Mindestbesteuerung, der Behandlung von Verlusten im Gewerbesteuerrecht.

4.

Zeitlich und höhenmäßig unbegrenzter, verzinslicher Verlustvortrag: wie 3., nur wird der Anfangsbestand des Verlustvortrags einer Periode mit dem sicheren Nach-Steuer-Zins i·(1 – s) um eine Periode aufgezinst. Hin-

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

197

tergrund dieser Regel ist, dass der Fiskus auf Gewinne sofort Steuern erhebt, auf Verluste hingegen erst – über den Verlustvortrag – später Steuern erstattet. Der Zinsnachteil könnte den Steuerpflichtigen ausgeglichen werden, indem der Verlustvortrag aufgezinst wird. Eine solche Regel fand sich im kroatischen Steuersystem in den Jahren 1995-2000. In Deutschland war der Verlustrücktrag bis zur Einführung von § 233a Abs. 2a AO mit dem Jahressteuergesetz 1997 faktisch verzinslich, da nach 15 Monaten der Zinslauf begann. Bei einem zweijährigen Rücktrag und bei zeitlichen Verschiebungen der Veranlagung (z.B. Veranlagung für 01 in der Mitte des Jahres 02, Veranlagung für 03 (Verlustjahr) Ende des Jahres 05) ergaben sich nicht unerhebliche Zinswirkungen. 5.

Verlustrücktrag über ein Jahr, zeitlich und höhenmäßig unbegrenzter Verlustvortrag für den verbleibenden Verlust: wie 3., nur wird der Verlust insoweit auf die unmittelbar vorangegangene Periode zurückgetragen, insoweit in dieser Periode Gewinne versteuert wurden. Das Wahlrecht des § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG wird nicht modelliert.

6.

Höhenmäßig begrenzter Verlustrücktrag über ein Jahr, zeitlich unbegrenzter Verlustvortrag für den verbleibenden Verlust, Mindestbesteuerung: wie 5., nur ist sowohl der Verlustrücktrag als auch der Verlustvortrag pro Jahr in der Höhe begrenzt. Für den Verlustrücktrag wird eine betragsmäßig feste Grenze angesetzt. Für den Verlustvortrag wird angenommen, dass mindestens ein bestimmter Anteil (z.B. 40%) des Gewinns einer Periode versteuert werden müssen und der Verlustvortrag insoweit in die Zukunft verschoben werden muss. Dieses Modell stellt – in stilisierter Form – die Verlustverrechnungsregeln des deutschen Steuerrechts dar. Insoweit andere Einkünfte vorhanden sind, kann aber auch Variante 1. zutreffen.

Die folgende Tabelle zeigt die untersuchten Konstellationen im Überblick:

198

Jochen Hundsdoerfer / Frank Hechtner

Tabelle 1: Untersuchte Fallkonstellationen

Fair-ValueGewinnermittlung

Realisationsprinzip ohne Verlustantizipation

Imparitätsprinzip (Realisationsprinzip mit Verlustantizipation)

Sofortiger Verlustausgleich

FV1

R1

RI1

Kein Verlustausgleich

FV2

R2

RI2

Unbegrenzter Verlustvortrag

FV3

R3

RI3

Unbegrenzter verzinslicher Verlustvortrag

FV4

R4

RI4

Verlustrücktrag 1 Jahr, unbegrenzter Verlustvortrag

FV5

R5

RI5

begrenzter Verlustrücktrag 1 Jahr, Verlustvortrag, Mindestbesteuerung

FV6

R6

RI6

3.4

Tarif, Überblick über die untersuchten Fälle, Simulationsdaten

Das steuerpflichtige Einkommen werde auf genau einer Ebene besteuert. Das Trennungsprinzip für Kapitalgesellschaften und die mehrfache Besteuerung von Gewinnen und Ausschüttungen werden also nicht modelliert (dazu Hundsdoerfer/Kruschwitz/Lorenz 2008). Es wird von einem proportionalen, im Zeitablauf konstanten Steuersatz ausgegangen. Die Simulation haben wir unter Zuhilfenahme eines Monte-Carlo-Zufallprozesses durchgeführt. Die Anwendung der Monte-Carlo-Simulation bei Investitions- und Finanzierungsentscheidungen wird z.B. bei McLeish 2005 beschrieben. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, welche Daten bei der Simulation unterstellt wurden:

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

199

Tabelle 2: Daten der Simulation

Variable

Annahmen

sicherer Zinssatz (i)

6%

Periodenrendite im „up“-Fall (u)

12%

Wahrscheinlichkeit des „up“-Falls (w)

70%

Periodenrendite im „down“-Fall (d)

-8%

Steuersatz

40%

Umschichtungszeitpunkt (tu)

5

Planungszeitraum (T)

10

maximaler Verlustrücktrag2

0,06

Mindestbesteuerung = mindestens steuerpflichtiger Anteil des Gewinns einer Vortragsperiode3

40%

Simulationsdurchläufe

1.000.000

Als Entscheidungskriterium kommt das am Ende des Planungszeitraums (T) erzielte Endvermögen zum Einsatz. Da für diesen Zeitpunkt die Liquidation unterstellt wird, handelt es sich um versteuertes Vermögen; stille Reserven sind nicht mehr vorhanden. Allerdings können – je nach Modellierung der Verlustverrechnung und eingetretenem Zustand – noch Verlustvorträge verbleiben. Ange-

2

3

Die Wahl dieses Wertes ist willkürlich. Um einen Verlustrücktrag im Modell partiell zu begrenzen, sollte der Wert weder nahe bei Null noch nahe bei (oder über) dem maximal möglichen Periodengewinn liegen. Hier wurde als Grenze der Periodengewinn der Alternativanlage in der ersten Periode gewählt. Dieser Wert entspricht, mit Ausnahme des Sockelbetrags, der Mindestbesteuerungsregel in § 10d Abs. 2 EStG.

200

Jochen Hundsdoerfer / Frank Hechtner

sichts der Liquidation wird zunächst unterstellt, dass diese Verlustvorträge wertlos sind. Um die Bedeutung dieser Annahme für die Ergebnisse zu überprüfen, wird alternativ mit dem Fall gerechnet, dass die Verlustvorträge im Zeitpunkt T für den Preis s/(1+i·(1–s)) je Euro Verlustvortrag veräußert werden können. Damit sind folgende Annahmen verbunden: Erstens ist die Veräußerung möglich; von Restriktionen wie z.B. § 8c KStG wird abgesehen. Zweitens hat die Veräußerung des Verlustvortrags beim Veräußerer keine Steuerwirkungen. Drittens unterliegt der Erwerber demselben Steuersatz wie der Veräußerer. Viertens kann der Erwerber den Verlustvortrag im Zeitpunkt T+1 geltend machen, so dass die Steuerersparnis um eine Periode abgezinst wird. Für den Fall verzinslicher Verlustvorträge ist allerdings von dieser Abzinsung abzusehen. Fünftens existiert für Verlustvorträge ein vollständiger Markt im Konkurrenzgleichgewicht. Eine Wertlosigkeit der Verlustvorträge am Ende des Planungszeitraums ist der schlechtestmögliche Fall. Die Annahme einer Handelbarkeit bzw. vollständigen Verwertbarkeit im Zeitpunkt T+1 ist der bestmögliche Fall. Mit diesen beiden Annahmen werden demnach die Grenzen des Wertspektrums der Verlustvorträge abgedeckt. 3.5

Ergebnisse, Analyse und Variationsrechnungen

Für einen risikoneutralen, sein Endvermögen maximierenden Investor kann anstelle des Erwartungswerts des Endvermögens auch der Erwartungswert der Periodenrendite (als durchschnittliche Wachstumsrate des eingesetzten Kapitals im Planungszeitraum) herangezogen werden. Vor Steuern ist der Erwartungswert der Periodenrendite der riskanten Investition gleich der Periodenrendite der sicheren Alternativanlage. Daher kann durch einen Vergleich des Erwartungswerts der Periodenrendite der riskanten Investition gemessen werden, wie die Gewinnermittlungs- und die Verlustverrechnungsregeln die Vorteilhaftigkeit der unsicheren Investition beeinflussen. Unter den getroffenen Annahmen wird bei der Alternativanlage nach Steuern ein durchschnittliches Wachstum von i·(1-sg) = 0,06·(1-0,4) = 0,036 erzielt, was demnach den Vergleichswert darstellt. Die folgende Abbildung zeigt für die riskante Investition neben dem Erwartungswert der Rendite vor Steuern (ganz links, gleich der Rendite der Alternativanlage vor Steuern von 6%) die Erwartungswerte der Renditen nach Steuern für die einzelnen untersuchten Varianten. Dabei bedeutet der Zusatz „VV“, dass von einer Nutzbarkeit (Handelbarkeit) des Verlustvortrags ausgegangen wird, während ohne den Zusatz „VV“ ein möglicherweise verbleibender Verlustvortrag im Modell am Ende des Planungszeitraums verfällt. Die Linie bei 3,6% stellt die Vergleichsbasis, die Nach-Steuer-Rendite der sicheren Alternativanlage, dar.

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

201

6% Rendite 5%

Alternativrendite

4%

3%

2%

0%

vor Steuern FV1 FV2 FV3 FV3VV FV4 FV4VV FV5 FV5VV FV6 FV6VV R1 R2 R3 R3VV R4 R4VV R5 R5VV R6 R6VV RI1 RI2 RI3 RI3VV RI4 RI4VV RI5 RI5VV RI6 RI6VV

1%

Abbildung 3: Renditewirkungen der Gewinnermittlungs- und Verlustverrechnungsregeln

Zunächst fällt auf, dass die Unterschiede – von zwei durch weiße Balken markierten Einzelfällen abgesehen – relativ gering sind. Demnach spielt es im untersuchten Beispiel kaum eine Rolle, ob



eine Fair-Value-Gewinnermittlung mit sofortigem Verlustausgleich erfolgt (FV1),

202

Jochen Hundsdoerfer / Frank Hechtner



eine Fair-Value-Gewinnermittlung mit einjährigem Verlustrücktrag und mit unbegrenztem Verlustvortrag gilt (FV5); auch wenn dieser Verlustvortrag handelbar ist, ändert sich das Ergebnis kaum (FV5VV),



für die Gewinnermittlung das Realisationsprinzip gilt und Verluste nicht ausgeglichen werden dürfen (R2),



für die Gewinnermittlung das Imparitätsprinzip gilt und Verluste nicht ausgeglichen werden dürfen (RI2).

In all diesen Fällen ist die Abweichung zwischen dem Erwartungswert der NachSteuer-Rendite der riskanten Investition und der der Nach-Steuer-Rendite der Alternativanlage, also das Maß für die untersuchte Verzerrung, nicht größer als 0,1 Prozentpunkte. Auch bei den übrigen Varianten (mit Ausnahme der beiden markierten) ist die Abweichung nicht sehr groß, nämlich maximal -0,22 Prozentpunkte bzw. 0,18 Prozentpunkte. Hier liegen zwar steuerliche Verzerrungen vor, ihr Ausmaß ist aber im untersuchten Beispiel überschaubar. In zwei Fällen (in Abbildung 1 durch weiße Balken markiert) sind deutlichere Abweichungen zu konstatieren:



FV2 (Erwartungswert der Nach-Steuer-Rendite = 2,64%): In diesem Fall wird asymmetrisch besteuert: Gewinne sind wegen der Fair-ValueGewinnermittlung sofort steuerpflichtig. Verluste hingegen bleiben wegen des Verlustausgleichsverbots dauerhaft ungenutzt. Bei späteren Wertaufholungen kommt es zu einer Mehrfachbesteuerung. Dadurch fällt die Nach-Steuer-Rendite der unsicheren Investition klar unter die NachSteuer-Verzinsung der Alternativanlage (3,6%).



RI1 (Erwartungswert der Nach-Steuer-Rendite = 4,30%): Auch hier wird asymmetrisch besteuert, aber genau in die andere Richtung: Wegen des Realisationsprinzips wird die Besteuerung der vorher erzielten Gewinne bis zu den Zeitpunkten tu=5 oder T=10 verschoben. Verluste hingegen können sofort geltend gemacht werden und führen über den sofortigen Verlustausgleich auch zu unmittelbaren Steuererstattungen. So steigt die Nach-Steuer-Rendite der unsicheren Investition deutlich über die NachSteuer-Verzinsung der Alternativanlage (3,6%).

Die Abbildung zeigt auch:



Bei Fair-Value-Besteuerung (FV) liegt keine der Renditen über der Alternativanlagerendite, aber in einigen Fällen liegt die Rendite etwas niedriger (und im bereits beschriebenen Fall FV2 deutlich niedriger).

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

203

Daraus lässt sich der Schluss ziehen: Bei Fair-Value-Besteuerung sind großzügige Verlustverrechnungsregeln besonders wichtig, da ansonsten eine Diskriminierung riskanter Investitionen im Vergleich zu einer entscheidungsneutralen Periodisierung entsteht.



Alle Varianten des Realisationsprinzips ohne Verlustantizipation (R) erzielen Renditen oberhalb der Alternativanlagerendite. Eine Einschränkung der Verlustverrechnungsbeschränkungen trifft die riskante Anlage hier kaum. Erklärung dafür ist, dass das Realisationsprinzip selbst bereits als Verlustverrechnungsregel angesehen werden kann. Vor dem Realisationszeitpunkt können unrealisierte Verluste sowohl mit früher erzielten unrealisierten Gewinnen („Verlustrücktrag“ auf stille Reserven) als auch mit künftig bis zum Realisationszeitpunkt erzielten Gewinnen („Verlustvortrag“) unbeschränkt verrechnet werden.



Auch alle Varianten des Imparitätsprinzips (Realisationsprinzip mit Verlustantizipation, RI) erwirtschaften Renditen oberhalb der Alternativanlagerendite. Auch hier bestehen die beschriebenen Vorteile der Verlustverrechnung über das Realisationsprinzip. Zusätzlich können aber, wenn das Volumen des „Verlustrücktrags“ auf stille Reserven nicht ausreicht, Verluste sofort geltend gemacht werden. Hier hängt es nun von den Regeln der Verlustverrechnung ab, ob diese Verluste auch zu Steuererstattungen führen.

Beispielhaft sollen die Wirkungen für den Fall RI3VV (Erwartungswert der Nach-Steuer-Rendite = 3,76%) erläutert werden: Die Besteuerung vorher erzielter, unrealisierter Gewinne wird bis zu den Zeitpunkten tu=5 oder T=10 verschoben. Auch die Auswirkung von Verlusten wird über den Verlustvortrag zunächst verschoben, so dass das Imparitätsprinzip keine weiteren Vorteile generiert. Da der Erwartungswert der Periodengewinne positiv ist, hat diese symmetrische Steuerpause für den Steuerpflichtigen einen positiven Wert. Sollten am Ende des Planungszeitraums noch Verlustvorträge vorhanden sein, so sind sie in dieser Fallkonstellation werthaltig, weil sie veräußert oder anderweitig genutzt werden können. Insgesamt steigt so die Nach-Steuer-Rendite der unsicheren Investition leicht über die Nach-Steuer-Verzinsung der Alternativanlage (3,6%). Die folgende Tabelle stellt die Ergebnisse numerisch dar, um die Wirkungen der Verlustverrechnungsregeln (Zeilen) vergleichen zu können.

204

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Tabelle 3: Simulationsergebnisse für T=10 im Vergleich

Sofortiger Verlustausgleich Kein Verlustausgleich Unbegrenzter Verlustvortrag Verlustvortrag in T werthaltig Unbegrenzter verzinslicher Verlustvortrag Verlustvortrag in T werthaltig Verlustrücktrag 1 Jahr, unbegrenzter Verlustvortrag Verlustvortrag in T werthaltig begr. Verlustrücktrag 1 J., Verlustvortrag, Mindestbest. Verlustvortrag in T werthaltig min max avg

FV 3,60% 2,64% 3,38% 3,55% 3,41% 3,60% 3,52% 3,58% 3,45% 3,45% 2,64% 3,60% 3,42%

R 3,77% 3,70% 3,72% 3,76% 3,73% 3,77% 3,72% 3,76% 3,72% 3,76% 3,70% 3,77% 3,74%

RI 4,30% 3,66% 3,72% 3,76% 3,74% 3,78% 3,74% 3,77% 3,74% 3,78% 3,66% 4,30% 3,80%

min 3,60% 2,64% 3,38% 3,55% 3,41% 3,60% 3,52% 3,58% 3,45% 3,45%

max 4,30% 3,70% 3,72% 3,76% 3,74% 3,78% 3,74% 3,77% 3,74% 3,78%

avg 3,89% 3,33% 3,61% 3,69% 3,62% 3,72% 3,66% 3,70% 3,64% 3,66%



Wie erwartet, ist der sofortige Verlustausgleich sowohl im Durchschnitt (avg) als auch bezüglich des schlechtesten und des besten Werts für den Steuerpflichtigen am ehesten vorteilhaft.



Auch das Ergebnis, dass ein fehlender Verlustausgleich am schlechtesten abschneidet, kann nicht überraschen. Der Nachteil gegenüber dem sofortigen Verlustausgleich, gerechnet auf die Durchschnittsrenditen, beträgt 0,56 Prozentpunkte. Die Spanne zwischen dem besten und dem schlechtesten Wert ist hier mit 1,06 Prozentpunkten am höchsten. Ursache hierfür ist, dass die Wirkungen des fehlenden Verlustausgleichs durch das Realisationsprinzip (wie oben dargestellt) sogar überkompensiert werden und die riskante Investition eine Rendite von 3,70%, also mehr als bei der Alternativanlage, erzielt. Hingegen führt die FairValue-Besteuerung in Verbindung mit dem fehlenden Verlustausgleich im Beispiel zu dem schlechtesten Ergebnis, nämlich 2,64%.



Ein unbegrenzter Verlustvortrag führt im Durchschnitt zu einer Rendite der riskanten Investition (3,61%), die fast genau der Rendite der Alternativanlage entspricht. Dabei wirkt der unbegrenzte Verlustvortrag gegenüber einem fehlenden Verlustvortrag insbesondere bei der FairValue-Besteuerung. Auch die Annahme der vollständigen Werthaltigkeit des Verlustvortrags erhöht die Ergebnisse im Vergleich zu dem Verfall des Verlustvortrags deutlich bei Fair-Value-Bilanzierung. Hingegen entsteht beim Realisationsprinzip ohne Verlustantizipation und beim Imparitätsprinzip lediglich eine Erhöhung um 0,04 Prozentpunkte. Auch hier ist die Ursache, dass das Realisationsprinzip wie ein separater Verlustverrechnungsmechanismus wirkt und dafür sorgt, dass

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

205

am Ende des Planungszeitraums weniger Verlustvorträge verbleiben als bei den anderen Varianten.

4



Ist der unbegrenzte Verlustvortrag verzinslich, dann erhöht dies erwartungsgemäß die erwarteten Renditen der riskanten Investition. Die Erhöhung beträgt in den Fällen FV und RI jedoch nur etwa 0,03 Prozentpunkte und ist damit äußerst überschaubar. Bei Geltung des Realisationsprinzips ohne Verlustantizipation beträgt die Erhöhung lediglich 0,01 Prozentpunkte.



Ein zusätzlicher einjähriger, in der Höhe unbegrenzter Verlustrücktrag begünstigt die riskante Investition im Wesentlichen bei Fair-ValueBilanzierung; er erhöht die erwartete Rendite gegenüber dem alleinigen Verlustvortrag hier um 0,14 Prozentpunkte. Hingegen wirkt sich der Verlustrücktrag im Modell bei Geltung des Realisationsprinzips nicht aus. Grund dafür ist, dass der Gewinn nur nach tu = 5 und nach T = 10 Perioden realisiert wird. In beiden Fällen wird in der Vorperiode keine Steuer gezahlt, so dass der einjährige Verlustrücktrag ins Leere geht. Wird hingegen tu = 9 angenommen, dann erhöht der einjährige Verlustrücktrag bei Geltung des Realisationsprinzips um 0,09 Prozentpunkte und bei Geltung des Imparitätsprinzips um 0,08 Prozentpunkte.



Überraschend sind die sehr geringen Wirkungen, die die betragsmäßige Begrenzung des Verlustrücktrags und die Mindestbesteuerung auf die Vorteilhaftigkeit der riskanten Investition im Modell haben. Insbesondere bei Geltung des Realisationsprinzips ohne Verlustantizipation und des Imparitätsprinzips entstehen praktisch keine Nachteile durch diese Einschränkungen des Verlustausgleichs4. Auch hier gilt wieder: Das Realisationsprinzip wirkt als eigene (zeitlich unbegrenzte und betragsmäßig nur auf die Gewinne bis zum Realisationszeitpunkt begrenzte) Verlustrück- und -vortragsregel.

In seltenen Fällen kann die Einschränkung der Verlustverrechnung im Modell für den Steuerpflichtigen vorteilhaft sein: Im Modell wird unterstellt, dass Steuerersparnisse wieder in das riskante Wertpapier angelegt werden. Eine Einschränkung der Verlustverrechnung schränkt auch die Steuerminderung auf diese Verrechnung und damit die riskante Anlage ein; statt dessen „hält“ der Steuerpflichtige unfreiwilligerweise Verlustvorträge. Ist die Zukunftsentwicklung im Einzelfall aber negativ, so dass sind die Renditen auf das so eingesetzte Kapital ebenfalls negativ sind, und wird angenommen, dass der Verlustvortrag am Ende des Planungszeitraums werthaltig ist, dann führt die „Zwangsanlage“ in den Verlustvortrag für den Steuerpflichtigen faktisch zu einer vorteilhaften „Kapitalgarantie“. Ähnliche paradoxe Wirkungen der Mindestbesteuerung finden sich bei Niemann/Kiesewetter 2004.

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Um zu ermitteln, ob die Ergebnisse wesentlich durch die Annahmen über die Länge des Planungszeitraums bestimmt werden, haben wir das Modell auch mit einem Planungszeitraum von 20 Jahren durchgerechnet. Hierbei haben wir für den Umschichtungszeitpunkt tu=12 gewählt. Tabelle 4: Simulationsergebnisse für T=20 im Vergleich

Sofortiger Verlustausgleich Kein Verlustausgleich Unbegrenzter Verlustvortrag Verlustvortrag in T werthaltig Unbegrenzter verzinslicher Verlustvortrag Verlustvortrag in T werthaltig Verlustrücktrag 1 Jahr, unbegrenzter Verlustvortrag Verlustvortrag in T werthaltig begr. Verlustrücktrag 1 J., Verlustvortrag, Mindestbest. Verlustvortrag in T werthaltig min max avg

FV 3,60% 2,64% 3,46% 3,54% 3,50% 3,60% 3,55% 3,58% 3,48% 3,48% 2,64% 3,60% 3,44%

R 3,97% 3,96% 3,96% 3,97% 3,96% 3,97% 3,96% 3,97% 3,96% 3,97% 3,96% 3,97% 3,97%

RI 4,67% 3,95% 3,96% 3,97% 3,97% 3,98% 3,98% 3,98% 3,98% 3,99% 3,95% 4,67% 4,04%

min 3,60% 2,64% 3,46% 3,54% 3,50% 3,60% 3,55% 3,58% 3,48% 3,48%

max 4,67% 3,96% 3,96% 3,97% 3,97% 3,98% 3,98% 3,98% 3,98% 3,99%

avg 4,08% 3,52% 3,79% 3,83% 3,81% 3,85% 3,83% 3,84% 3,81% 3,81%

Die Tendenz der Ergebnisse ändert sich nicht, wobei die maximale Abweichung (abgesehen von den beiden o.g. Fällen FV2 und RI1) zwischen dem Erwartungswert der Nach-Steuer-Rendite der riskanten Investition und der NachSteuer-Verzinsung der Finanzanlage auf 0,39 Prozentpunkte steigt. Weiterhin führt die Fair-Value-Besteuerung bei ungünstiger Verlustverrechnung zu (geringen) Diskriminierungen. Weiterhin bewirken sowohl das Realisations- als auch (etwas stärker) das Imparitätsprinzip eine günstigere Besteuerung als beim Vergleichsmaßstab. Weiterhin beeinflussen die Verlustverrechnungsregeln die Renditen bei Fair-Value-Besteuerung deutlicher als bei Geltung des Realisationsprinzips ohne Verlustantizipation oder des Imparitätsprinzips. 4

Zusammenfassung

Die in diesem Beitrag untersuchte These lautet, dass die Steuerwirkungen steuerlicher Gewinnermittlungsvorschriften und steuerlicher Verlustverrechnungsregeln interdependent sind und gemeinsam ermittelt werden sollten. Eine isolierte Untersuchung der Gewinnermittlungsvorschriften halten wir daher für ebenso ergänzungsbedürftig wie eine Analyse der Verlustverrechnung ohne Rückgriff auf die Gewinnermittlung. Die gemeinsamen Wirkungen von steuerlicher Ge-

Gemeinsame Wirkungen von steuerlicher Gewinnermittlung und Verlustverrechnung

207

winnermittlung und Verlustverrechnung sind komplex. Daher haben wir sie in einem Simulationsmodell untersucht. Modelliert wurden eine Fair-Value-Gewinnermittlung für Besteuerungszwecke, eine Gewinnermittlung gemäß Realisationsprinzip ohne Verlustantizipation sowie eine Gewinnermittlung gemäß Imparitätsprinzip (Realisationsprinzip mit Verlustantizipation). Es wurden sechs Varianten der Verlustverrechnung mit den Extremfällen eines vollständigen und sofortigen sowie eines fehlenden Verlustausgleichs berechnet. Für einen am Ende des Planungszeitraums noch bestehenden Verlustvortrag wurden die Extremfälle der Wertlosigkeit und der vollständigen Werthaltigkeit (Nutzbarkeit in der Periode unmittelbar im Anschluss an den Planungszeitraum) untersucht. Überraschenderweise kompensieren sich in den meisten Fällen (16 von 18 untersuchten Kombinationen) trotz eines unterstellten Planungszeitraums von zehn Jahren die Vor- und Nachteile der einzelnen Kombinationen gegenüber der Alternativanlage weitgehend. Zwar gibt es in Einzelfällen deutliche Privilegien oder Benachteiligungen, doch sind diese im Erwartungswert der Nach-SteuerRendite der riskanten Investition kaum noch zu erkennen. Deutlich vorteilhaft (nachteilig) im Vergleich zur Alternativanlage ist lediglich die Kombination von Imparitätsprinzip (Fair-Value-Besteuerung) mit einem vollständigen sofortigen Verlustausgleich (mit einem Verlustausgleichsverbot). Unsere Untersuchung deutet darauf hin, dass Steuerwirkungen der Gewinnermittlung und der Verlustverrechnung generell etwas überschätzt werden könnten. So hätte in unserem Modell eine Absenkung der Steuerbelastung auf die Alternativanlage (in Form einer Art Abgeltungsteuer) eine weit stärkere Wirkung als die meisten untersuchten Kombinationen von Gewinnermittlung und Verlustverrechnung (so im Ergebnis auch Knirsch/Schanz 2008, S. 1247). Dieser Effekt wird vermutlich noch verstärkt, wenn eine Handlungsmöglichkeit berücksichtigt wird, die wir per Annahme ausgeschlossen hatten: Hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, Steuerbilanzpolitik zu betreiben (dazu grundlegend Börner/Krawitz 1977), dann werden Verlustausgleichsbeschränkungen noch seltener negativ wirken. Der Steuerpflichtige ist dann auf den Verlustabzug nur noch angewiesen, wenn ein Periodenverlust weder durch die „automatische“ Auflösung stiller Reserven, die wegen des Realisationsprinzips gebildet wurden, noch durch steuerbilanzpolitische Maßnahmen ausgeglichen werden kann.

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Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten? Stefan Köhler

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................. 213 2 Die Sofortbesteuerung von Überführungsvorgängen nach der finalen Entnahmetheorie ....................................................................................... 214 2.1 Rechtsprechung ............................................................................. 214 2.2

Verwaltungsauffassung .................................................................. 216

3 Die Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch das BFH-Urteil v. 17. Juli 2008 (I R 77/06) ....................................................................... 218 3.1 Entscheidungsrelevanter Sachverhalt ........................................... 218 3.2

Eckpunkte der Entscheidung ......................................................... 219

3.3

Auffassung der Finanzverwaltung ................................................. 222

4 Relevanz für die aktuelle Rechtslage ........................................................ 223 4.1 Die Allgemeinen Entstrickungsnormen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG ..................................................... 223 4.2

Verschärfung oder Identität der Tatbestandsvoraussetzungen ...... 224

4.3

Relevanz der Entscheidung in EU-Fällen ..................................... 225

4.4

Relevanz der Entscheidung in DBA-Freistellungsfällen ............... 228

4.5

Relevanz der Entscheidung in DBA-Anrechnungsfällen ............... 232

4.6

Relevanz für Nicht-DBA-Fälle ...................................................... 234

5 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................... 235 

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

213

Einführung Einen Beitrag in dieser Festschrift zu schreiben, ist für mich eine ganz besondere Freude und Ehre. Bei Norbert Krawitz habe ich im Hauptstudium an der Universität Siegen Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Prüfungswesen gehört sowie an den entsprechenden Seminaren (auch aktiv!) teilgenommen. Dafür habe ich sogar billigend in Kauf genommen, dass diese Seminare regelmäßig freitags nachmittags lagen. Gleichfalls habe ich meine Diplomarbeit bei Herrn Krawitz im Fach Betriebswirtschaftliche Steuerlehre angefertigt. Auch nach dem Studium bin ich Herrn Krawitz und seinem Lehrstuhl für weitere drei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter treu geblieben. Alle diese Jahre waren für mich sehr lehrreich. Dies nicht nur wegen den vermittelten Inhalten, sondern insbesondere auch im Erlernen des „analytischen Handwerkszeugs“ um in einem Leben komplexer Fragestellungen stets zumindest den Kranz der möglicherweise richtigen Antworten zu identifizieren (sei es im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit, in Bezug auf komplexe Steuerprobleme in der Beratung oder auch hinsichtlich Grundsatzüberlegungen in der steuerpolitischen Diskussion). Während leider (z. T. aber auch Gott sei Dank) eine Vielzahl der Steuernormen aus der Zeit meines Studiums bereits rechtshistorischen Charakter besitzen, bedeuten die erlernten Fähigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens bis heute ein wesentliches Fundament meiner Tätigkeit. Norbert Krawitz hat dazu im Besonderen beigetragen und dafür bin ich ihm als meinem akademischen Lehrer und Doktorvater sehr verbunden. Mit dem besten Dank und den besten Wünschen für die Zukunft habe ich nachfolgenden Beitrag geschrieben. 1

Einleitung

Der BFH hat mit Urteil vom 17. Juli 2008 (I R 77/06)1 die sog. finale Entnahmetheorie (sofortige Entstrickungsbesteuerung) bzgl. der Überführung von Wirtschaftsgütern in das Ausland aufgegeben. Das Urteil bildet damit einen vorläufigen Schlusspunkt jahrelanger Diskussionen bzgl. der Fortgeltung dieses umstrittenen „Richterrechts“. Da der Gesetzgeber allerdings im Jahr 2006 gerade diese finale Entnahmetheorie zur Grundlage der allgemeinen Entstrickungstatbestände des deutschen Ertragsteuerrechts machte (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG), stellt sich nunmehr die Frage nach den Auswirkungen des vorgenannten Urteils; m. a. W. nach dem verbleibenden Anwendungsbereich dieser Vorschriften: wurde diesen Normen womöglich das Fundament entzogen, auf dem sie gründen, und wurden damit (weitgehend) unanwendbar oder bewir-

1

BFH v. 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

214

Stefan Köhler

ken diese, dass die vorgenannte BFH-Entscheidung ab 2006 keine Bedeutung mehr besitzt, da zwischenzeitlich eine Kodifizierung erfolgte? Der nachstehende Beitrag stellt zunächst die diesbzgl. Rechtsentwicklung dar. Im Fokus der anschließenden Analyse stehen sodann die Auswirkungen der Rechtsprechungsänderung auf die Überführung von Wirtschaftsgütern in Auslandsbetriebsstätten. Die Überlegungen differenzieren dabei nach der Überführung in EU-/EWR-Staaten, Drittstaaten, Anwendung der abkommensrechtlichen Freistellungs- oder Anrechnungsmethode und Nicht-DBA-Fälle. Weiterhin wird jeweils die Wirkung der gesetzlichen Regelungen zur Entstrickungsbesteuerung diskutiert. 2

Die Sofortbesteuerung von Überführungsvorgängen nach der finalen Entnahmetheorie

2.1

Rechtsprechung

Im Rahmen der als sog. finale Entnahmerechtsprechung bezeichneten Judikatur befasste sich der Bundesfinanzhof mit der Frage nach der Aufdeckung stiller Reserven bei der Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte bzw. Verlegung von ganzen Betrieben oder Teilbetrieben in das Ausland2. Der BFH vertrat die Auffassung, dass die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine Auslandsbetriebsstätte als Entnahme des Steuerpflichtigen i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG zu beurteilen sei, sofern im Verhältnis zum Betriebsstättenstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen die Anwendung der Freistellungsmethode vorsieht. Dieser Beurteilung lag die (irrtümliche) Ansicht zugrunde, dass das Wirtschaftsgut mit der Überführung in die Auslandsbetriebsstätte aus der deutschen Besteuerungshoheit ausscheide und die bis zu diesem Zeitpunkt gebildeten stillen Reserven3 im Falle einer späteren Realisation nicht mehr einer deutschen Besteuerung zugeführt werden könnten4.

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BFH v. 16.7.1969, I 266/65, BStBl. II 1970, 175; BFH v. 28.4.1971, I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; BFH v. 30.5.1972, VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760. Die Rechtsprechung des BFH beschränkte sich auf die Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Vgl. zur steuerlichen Behandlung der Überführung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens Hess. FG v. 12.7.1977, IV 111/75, EFG 1977, 608. Für die Annahme einer Entnahme kommt es nicht auf das tatsächliche Vorhandensein stiller Reserven in den überführten Wirtschaftsgütern an, so dass sich eine solche Entnahme auch erfolgsneutral vollziehen kann, s. BFH v. 30.5.1972, VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760. S. BFH v. 16.7.1969, I-266/65, BStBl. II 1970, 175; BFH v. 28.4.1971, I R 55/66, BStBl. II 1971, 630. Kritisch dazu Schröder/Strunk, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unter-

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

215

Die Sicherstellung der Besteuerung konnte nach Auffassung des BFH einzig durch Annahme einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG gewährleistet werden. Tatsächlich vollzieht sich aber bei der Überführung vom Stammhaus in eine Auslandsbetriebsstätte lediglich ein Transfer zwischen verschiedenen Teilen desselben Unternehmens. Da es insoweit tatsächlich am Tatbestand der Entnahme des Wirtschaftsgutes für außerbetriebliche Zwecke mangelt, löste sich der BFH zur Rechtfertigung der Theorie der finalen Entnahme vom Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG und stellte vielmehr auf den Zweck und die rechtssystematische Bedeutung der Vorschrift ab5. Ausgehend vom Regelungsziel, der Sicherung der stillen Reserven im Rahmen der deutschen Besteuerungshoheit6, legte der BFH den Begriff der „betriebsfremden Zwecke“ in erweiternder Form aus: Dieser wurde nicht länger auf private Zwecke beschränkt, sondern auf Vorgänge ausgedehnt, die einer späteren Erfassung stiller Reserven entgegenstehen. Drohte demnach infolge einer betrieblichen Überführung ein Ausschluss der Erfassung stiller Reserven (Freistellungsmethode), war der Vorgang als Entnahme zu qualifizieren, die den Ansatz des Teilwertes (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) nach sich zog7. Fand dagegen die Anrechnungsmethode Anwendung, so qualifizierte der BFH dieses lediglich als steuerliche Milderung. Da die in den überführten Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven grundsätzlich auch künftig der inländischen Besteuerung unterlagen, ging man daher in diesen Fällen nicht von einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG aus8. In späteren Entscheidungen betonte der BFH gleichwohl ausdrücklich, dass der finalen Entnahmerechtsprechung kein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Steuerentstrickung zugrunde läge9. Insoweit begrenzte der BFH die Auslegung im Rahmen des möglichen Wortsinns10. Eine Schaffung neuer Steuertatbestände durch Analogie lehnt er ab. Soweit es daher bereits im Kern an einer Ent-

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nehmen, 3. Aufl. 2005, C 104; Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, DBA, MA Art. 7 Rz. 246. S. BFH v. 16.7.1969, I-266/65, BStBl. II 1970, 175. Kritisch dazu Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, DBA, MA Art. 7 Rz. 246; Wassermeyer, in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2006, 3.11; Wied, in Blümich, EStG, § 4 Rz. 485. S. auch BFH v. 28.4.1971, I R 55/66, BStBl. II 1971, 630. S. BFH v. 16.7.1969, I-266/65, BStBl. II 1970, 175. Vgl. Frotscher, in Frotscher, EStG, § 4 Anm. 337; Roser, DStR 2008, 2389, 2390. S. BFH v. 16.7.1969, I-266/65, BStBl. II 1970, 175. S. BFH v. 10.2.1972, I R 205/66, BStBl. II 1972, 455; BFH v. 16.12.1975, VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246. Vgl. Schröder/Strunk, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 105. Weder im Wege der Gesetzes- noch der Rechtsanalogie sei eine Ausfüllung von Lücken über den möglichen Wortsinn des Steuertatbestands hinaus möglich; s. BFH v. 10.2.1972, I R 205/66, BStBl. II 1972, 455.

216

Stefan Köhler

nahmehandlung bzw. einem vergleichbaren Rechtsvorgang, der zum Verlust der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen führt, fehlt, war ein Vorgang nicht geeignet eine Entstrickungsbesteuerung auszulösen11. Kritik erfuhr die finale Entnahmetheorie insbes. auf zwei Ebenen: Soweit der BFH zwar einen allgemeinen Entstrickungsgrundsatz ablehnte, den Entnahmetatbestand aber sehr weit auslegte, offenbarte die Theorie Widersprüche.12 Der Entnahmebegriff, der einer Abgrenzung von betrieblicher und privater Sphäre dient, wird inhaltlich „überfordert“, indem er darüber hinaus die Besteuerung stiller Reserven im Allgemeinen sicherstellen sollte13. Die zentrale Kritik bezog sich darauf, dass die finale Entnahmetheorie den fortbestehenden deutschen Besteuerungsanspruch an den im Überführungszeitpunkt bestehenden stillen Reserven verkannte. Im Schrifttum mehrten sich daher die Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidungsgrundsätze. Bereits das Urteil v. 20.7.198814, in dessen Rahmen der BFH bezüglich der Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte auf das Veranlassungsprinzip abstellte, wurde als Hinweis auf das Abrücken von der bisherigen Rechtsprechung gedeutet15. 2.2

Verwaltungsauffassung

Ausgehend von der zuvor dargestellten Rechtsprechung des BFH nahmen die Einkommensteuerrichtlinien 1984 an, dass die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem inländischen Betrieb in eine ausländische Betriebsstätte eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme darstelle, sofern der Betriebsstättengewinn aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht der deutschen Besteuerung unterliegt (Abschn. 13a Abs. 1 Satz 3 EStR 1984).

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S. zum erstmaligen Inkrafttreten eines DBA BFH v. 16.12.1975, VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246. Vgl. Schröder/Strunk, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 105. Vgl. Wied, in Blümich, EStG, § 4 Rz. 478; nach Frotscher, in Frotscher, EStG, § 4 Anm. 353 wird der Begriff der Entnahme überspannt und im Ergebnis ein gesetzlich nicht geregelter Gewinnrealisierungstatbestand zur Anwendung gebracht. Vgl. Frotscher, in Frotscher, EStG, § 4 Anm. 340. S. BFH v. 20.7.1988, I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. Die Entscheidung betraf gleichwohl die Zuordnung von Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten. Vgl. Kaminski, IStR 2001, 129; Schröder/Strunk, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 107; deutlicher Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 1998, Tz. 18.44, der dieses Urteil bereits als Ende der finalen Entnahmerechtsprechung sieht. Gosch, BFH-PR 2008, 499 spricht von einer „Uralt-Rechtsprechung“ des BFH.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

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Jedoch wurde dieser Grundsatz – u. U. vor dem Hintergrund der BFHEntscheidung v. 20.7.1988 – mit einem Schreiben vom 12.2.199016 weitgehend eingeschränkt. Die Finanzverwaltung erkannte an, dass allein durch die Überführung eines Wirtschaftsgutes kein Gewinn oder Verlust verwirklicht wird, d.h. es mangelt an einem realisierenden Tatbestand, soweit das Wirtschaftsgut dadurch nicht aus dem betrieblichen Bereich ausscheidet. Sie ging nunmehr von einer aufgeschobenen Besteuerung im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung aus17. Entsprechend wurde sowohl für Wirtschaftsgüter des Anlage- als auch des Umlaufvermögens die Möglichkeit gewährt, stille Reserven (Lasten) durch einen passiven (aktiven) Ausgleichsposten in der Steuerbilanz zunächst zu neutralisieren. Dieser Ausgleichsposten unterlag keiner Befristungsregelung und war erst bei Ausscheiden aus der ausländischen Betriebsstätte bzw. bei abnutzbaren Anlagegütern zeitanteilig gemäß der Restnutzungsdauer aufzulösen. Abgesehen von methodischen Mängeln, wie dem Abstellen auf den Fremdvergleichspreis, während eine Entnahme generell mit dem Teilwert anzusetzen war, und der Berücksichtigung aktiver Ausgleichsposten für unrealisierte Verluste (Widerspruch zum Imparitätsprinzip) 18, vermochte diese Methodik grundsätzlich Besteuerungsergebnisse herbeizuführen, die so wohl EU-rechtlich ohne Beanstandung geblieben wären und auch der jüngeren Rechtsansicht des BFH wohl gleichfalls sehr nahe kommen. Ohne erkennbaren Grund verwässerte die Verwaltung dann ihren eigenen Ansatz ein Jahrzehnt später durch die Regelungen zur grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern in den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen (ab dem VZ 2000) und deutete damit bereits eine „Kehrtwende“ an19. Zwar stellen auch die Aufteilungsgrundsätze für Betriebsstätteneinkünfte international tätiger Unternehmen (Tz. 2.2) auf das Veranlassungsprinzip ab. Den Verzicht auf eine sofortige Aufdeckung stiller Reserven durch den Ansatz eines Merkpostens20 wollte die Finanzverwaltung nunmehr aber nur noch aus Billigkeitsgründen

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S. BMF v. 12.2.1990, BStBl. I 1990, 72 für Wirtschaftsgüter, die vom 01.01.1987 an in eine ausländische Betriebsstätte überführt werden; eingeschränkt durch BMF v. 3.6.1992, DStR 1992, 948. Vgl. auch Schröder/Strunk, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 106. Vgl. Roser, DStR 2008, 2389, 2390; Prinz, DB 2009, 807, 808. Vgl. Wassermeyer, in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2006, 3.17; Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, DBA, MA Art. 7 Rz. 246a m.w.N.; Schröder/Strunk, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 106. Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.6. Vgl. zum Ansatz eines korrespondierenden Merkpostens mit gegenläufiger Ertragsentwicklung durch die Auslandsbetriebsstätte Roser, DStR 2008, 2389, 2390; kritisch dazu Schröder/Strunk, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 107.

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Stefan Köhler

gewähren21, obwohl nach wie vor ein Tatbestand fehlte, der eine Gewinnrealisierung fingiert und im Billigkeitswege abzumildern wäre22. Verschärfend trat zudem die erfolgswirksame Auflösung des Merkpostens nach spätestens 10 Jahren hinzu23. Im Ergebnis wurde bereits damit (wieder) eine Entstrickungsbesteuerung verfolgt, wenn auch aufgrund der Streckung über bis zu 10 Jahre in einer insoweit gemilderten Form. Gleichfalls zielte auch dieser Ansatz nur auf Fälle der Überführung in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte. Anrechnungsbetriebsstätten wurden wiederum nicht aufgegriffen. Hier blieb es weiterhin bei der Möglichkeit einer erfolgsneutralen Überführung zu Buchwerten. Mit der – von der Finanzverwaltung initiierten – erstmaligen gesetzlichen Kodifizierung allgemeiner Entstrickungsvorschriften in den §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. 12 Abs. 1 KStG im Rahmen des SEStEG24 sollte dann – bis auf die nur sehr eingeschränkt wirkende Gegenausnahme des § 4g EStG – eine lückenlose Sofortbesteuerung sowohl in Freistellungs- und darüber hinaus nunmehr auch erstmals in Anrechnungsbetriebsstättenfällen erfolgen (vgl. Kapitel 4). 3

Die Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch das BFH-Urteil v. 17. Juli 2008 (I R 77/06)

3.1

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Während der Grundfall der finalen Entnahmerechtsprechung die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus dem inländischen Stammhaus in eine rechtlich unselbstständige ausländische Betriebsstätte des Steuerpflichtigen betraf, hatte der BFH i.R.d. Entscheidung vom 17. Juli 200825 die Übertragung auf eine ausländische Personengesellschaft zu beurteilen. Da dieser eine (begrenzte) eigene Rechtsfähigkeit zukommt, ist von einem Sonderfall auszugehen26.

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Vgl. Kessler/Huck, StuW 2005, 193, 195; Prinz, DB 2009, 807, 808; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. 2007, 656 m.w.N.; zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit zudem Schnitger, BB 2004, 804, 812. Vgl. Kessler/Huck, StuW 2005, 193, 195; zudem mit Verweis auf § 6 Abs. 5 EStG Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, DBA, MA Art. 7 Rz. 246a. Vgl. zur mangelnden Rechtsgrundlage Wassermeyer, in Debatin/Wassermeyer, DBA, MA Art. 7 Rz. 246a. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782, ber. BGBl. I 2007, 68. BFH v. 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Vgl. Prinz, DB 2009, 807.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

219

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG deutschen Rechts, hielt im Streitjahr 1995 sämtliche Anteile an einer US-Kapitalgesellschaft in ihrem inländischen Betriebsvermögen. Diese Beteiligung wurde im Rahmen einer Sacheinlage auf eine österreichische Kommanditgesellschaft übertragen. Nach dem Beschluss über die Erhöhung des Kommanditkapitals sollte die Sacheinlage zum Teilwert angesetzt werden. Den daraus resultierenden Entnahmegewinn erfasste die Klägerin entsprechend dem BMF-Schreiben v. 12.2.1990 außerhalb der Bilanz in einem passiven Ausgleichsposten, unter der Maßgabe, dass der Gewinn erst im Zeitpunkt einer künftigen Realisierung der stillen Reserven durch die österreichische KG im Inland steuerwirksam zu realisieren sei27. Demgegenüber wertete das Finanzamt die Sacheinlage zwar ebenfalls als Entnahme, bezog den Entnahmegewinn im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung jedoch in die Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein. Das Finanzamt lehnte die Anwendbarkeit des BMFSchreibens bereits deshalb ab, da es an der Existenz einer ausländischen Betriebsstätte der Klägerin mangele, sondern vielmehr eine eigenständige ausländische (Personen)Gesellschaft vorliege28. 3.2

Eckpunkte der Entscheidung

Der BFH dagegen löste den Fall wie folgt: Im Streitjahr mangelte es an einer gesetzlichen Regelung bzgl. der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter von einem Betriebsvermögen in das einer Tochter-Personengesellschaft, da § 6 Abs. 5 EStG erst durch das StEntlG 1999/2000/200229 eingeführt wurde. Gleichwohl wurde nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bei der Einbringung eines Wirtschaftsguts in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, ein Bewertungswahlrecht eingeräumt30. Dies begründete sich damit, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft dieser steuerlich gerade nicht wie ein Dritter gegenüber steht, so dass eine Buchwertfortführung zu ermöglichen sei. Die Verwaltung folgte dieser Ansicht im Rahmen des sogenannten Mitunternehmerlasses31.

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Vgl. vertiefend den Urteilstatbestand des FG Düsseldorf v. 12.5.2006, 18 K 5588/03-F, EFG 2006, 1438. S. FG Düsseldorf v. 12.5.2006, 18 K 5588/03-F, EFG 2006, 1438. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. S. BFH v. 15.7.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748; BFH v. 6.11.1985, I R 242/81, BStBl. II 1986, 333. S. BMF v. 20.12.1977, BStBl. I 1978, S. 8, Tz. 57 ff.

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Stefan Köhler

Gem. BFH vom 17. Juli 2008 steht der Anwendung vorgenannter Grundsätze auch nicht entgegen, dass die betreffende Personengesellschaft ihren Sitz im (EU)-Ausland hat. Diese Rechtsauffassung findet auf zwei Ebenen ihre Begründung32: Zum einen stellt der BFH unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH33 klar, dass eine Versagung dieses Bewertungswahlrechts, sofern das betreffende Wirtschaftsgut in eine in einem EU-Mitgliedstaat ansässige und nach dortigem Recht buchführungspflichtige Personengesellschaft eingebracht wurde, offenkundig gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen würde. Zum anderen gibt der BFH ausdrücklich seine Rechtsprechung zur Theorie der finalen Entnahme auf. Dieser mangele es nicht nur an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Sie beruhe zudem auf einer unzutreffenden Beurteilung der Abgrenzung zwischen den inländischen und den ausländischen Einkünften sowie der Wirkungen der abkommensrechtlichen Freistellung34. Deshalb fehle – jedenfalls nach der im Streitfall maßgeblichen Rechtslage – sowohl eine Rechtsgrundlage als auch ein Bedürfnis für die Annahme eines Gewinnrealisierungstatbestandes. Der früheren Rechtsprechung lag die Überlegung zugrunde, die Besteuerung der stillen Reserven nur durch eine sofortige Erfassung sicherstellen zu können. Diese Auffassung sei nunmehr als überholt anzusehen, da eine abkommensrechtliche Freistellung ausländischer Betriebsstättengewinne nach heutiger Erkenntnis keineswegs die (spätere) Besteuerung zuvor im Inland entstandener stiller Reserven beeinträchtige. Die vom BFH vorgenommene Gleichbehandlung der Überführung in eine (rechtlich unselbstständige) Betriebsstätte und der Einbringung in eine Personengesellschaft wird z. T. als problematisch diskutiert. Obwohl Letztere im Grundsatz einen gewinnrealisierenden Tausch darstellt35, geht der BFH von einem Fortbestand des bisherigen betrieblichen Funktionszusammenhangs aus. Es verbleiben Zweifel, ob der Grad der rechtlichen Selbstständigkeit an dieser Stelle ausreichend Berücksichtigung fand. Soweit der BFH vorliegend, ohne umfassende Würdigung eines Rechtsträgerwechsels und der Möglichkeit rechtskräftiger

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Vgl. auch Prinz, DB 2009, 807, 808 f. EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95, Futura Participations SA und Singer, Slg. 1997, I-2471; EuGH v. 21.9.1999, Rs. C-307/97, Compagnie de Saint-Gobain, Slg. 1999, I-6161; EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-436/00, X und Y, Slg. 2002, I-10829; EuGH v. 14.12.2006, Rs. C-170/05, Denkavit, Slg. 2006, I-11949; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107. Das Verhältnis dieser Aspekte zueinander sowie ein etwaiges kumulatives Vorliegen bleiben ungeklärt; vgl. Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 24. Vgl. zu dieser Differenzierung Prinz, DB 2009, 807, 809.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

221

Vertragsabschlüsse zwischen den Beteiligten, von einem fehlenden Außenumsatz ausgeht, erscheinen die im Schrifttum vorgebrachten Bedenken erwähnenswert36. Der BFH begründet die Möglichkeit der Buchwertfortführung damit, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft dieser steuerrechtlich nicht als ein Dritter gegenüberstehe. Eine Überführung zwischen zwei Betrieben eines Steuerpflichtigen könne entsprechend keine gewinnrealisierende Entnahme darstellen37. Ebenso wird im Schrifttum die rechtsdogmatische Begründung des Buchwertzwanges nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG darin gesehen, dass von einer Fortsetzung der bisherigen Sachherrschaft in der Form der gesamthänderischen Betätigung auszugehen ist38. Insoweit handelt es sich lediglich um eine besondere Form des Verbringens eines Wirtschaftsguts aus einem Betrieb in einen anderen Betrieb desselben Steuerpflichtigen. Wenn im Personengesellschafts-Fall die Annahme einer Beschränkung bei mangelnder Erfassung künftiger stiller Reserven ausscheidet, muss dies für Betriebsstätten-Konstellationen umso mehr gelten. Aufgrund des Vorliegens eines einheitlichen Betriebs bilden Überführungsvorgänge grundsätzlich erfolgsneutrale Innentransaktionen39. Die Buchwertfortführung im Inlandsfall stellt daher schlicht eine Abbildung der (steuerlichen) Realität dar. Auch etwaige administrative Probleme bei der Nachverfolgung des Realisationsaktes im Ausland erscheinen als wenig tragfähig, um im DBA-Freistellungsfall eine Sofortbesteuerung zu veranlassen40. Darüber hinaus ließe sich ein sofortiger Besteuerungszugriff entgegen der Auffassung des BMF auch nicht durch den von der OECD favorisierten „Functionally Separate Entity Approach“41 begründen42. Auf dieser Grundlage könnten zwischen den Unternehmensteilen eines Einheitsunternehmens zwar Leistungsbeziehungen fingiert und beim internen Transfer von Wirtschaftsgütern noch nicht erzielte Gewinne besteuert werden. Im deutschen Recht ist dieser OECD-Ansatz – jedenfalls nach der Rechtslage des Streitjahres – jedoch nicht nachvollziehbar. Dem Abkommensrecht kann darüber hinaus auch keine „self executing“-Wirkung zukommen, weil es als Schrankenrecht Besteuerungsan36

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Vgl. Mitschke, FR 2008, 1144, 1145; Mitschke, FR 2009, 326, 327. Prinz, DB 2009, 807, 809 geht zumindest von einer „Schwäche in der Gedankenführung“ aus. S. BFH v. 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Vgl. Hoffmann, in Littmann/Bitz/Pust, § 6 EStG Rz. 1173; BFH v. 15.07.1976, I R 17/74, BStBl. II 1976, 748. Vgl. Wassermeyer, DB 2006, 1176, 1178. Vgl. Gosch, BFH-PR 2008, 499, 500; Roser, DStR 2008, 2389, 2394; a.A. Mitschke, DB 2009, 1376, 1377. Vgl. „Report on the attribution of profits to permanent establishments“ der OECD v. 17.7.2008. Vgl. zur Anwendung der sog. Erwirtschaftungsmethode durch den BFH Roser, DStR 2008, 2389, 2391; a.A. Mitschke, FR 2008, 1144, 1146; Mitschke, FR 2009, 326, 328 f.

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Stefan Köhler

sprüche weder erweitert noch begründet43. Weiterhin erscheint es fraglich, inwieweit nach dem Abschluss konkreter DBA definierte bzw. modifizierte OECD-Grundsätze bei deren Auslegung zu berücksichtigen wären. Im Ergebnis begründet die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmens damit nach Auffassung des BFH keine nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG schädliche Lösung des bisherigen betrieblichen Funktionszusammenhangs. Diese könne deshalb mangels eines Außenumsatzes nicht als Realisationstatbestand angesehen werden. Vielmehr geht der BFH von einer „deferred taxation“ aus44. Die Besteuerung eines Entstrickungsgewinns wird auf den Zeitpunkt der späteren Realisation im Ausland (Marktrealisierung/Untergang/Entnahme ins Privatvermögen) nach verlagert. Die Frage nach der in diesem Fall verwendbaren Methodik der Gewinnaufteilung im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation war im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich und wurde daher zwar angesprochen aber letztlich offen gelassen45. 3.3

Auffassung der Finanzverwaltung

Mit Schreiben vom 20. Mai 2009 reagiert das BMF in Form eines „Nichtanwendungserlasses“ auf die Grundsätze des BFH-Urteils v. 17. Juli 2008.46 Begründet wird diese Auffassung unter Hinweis auf die zwischenzeitlich eingeführten allgemeinen Entstrickungsvorschriften i.R.d. SEStEG, aufgrund derer der Gesetzgeber von einer anderen Auslegung des Abkommensrechts ausginge, weshalb die gesetzlichen Entstrickungsregelungen des SEStEG von den Urteilsgrundsätzen nicht berührt seien47. Soweit der Gesetzgeber die Entstrickung an den Verlust oder die Beschränkung des abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts insbesondere an die Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische (DBA-)Betriebsstätte anknüpft, gehe die Finanzverwaltung von einer den OECD-Grundsätzen (Kommentar zu Art. 7 OECD-MA 2005, Tz. 15) sowie der internationalen Verwaltungspraxis entsprechenden Auslegung des Abkommensrechts aus.

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Vgl. Ditz, IStR 2009, 115, 118; Wassermeyer, DB 2006, 1176, 1177. So auch Prinz, DB 2009, 807, 819. Der BFH führt jedoch mit der Theorie der aufgeschobenen Gewinnrealisierung und Abgrenzung nach Wertschöpfungsbeiträgen im Realisationszeitpunkt zwei mögliche Ansätze an. Vgl. zur Kritik an der Theorie der aufgeschobenen Gewinnrealisierung Wassermeyer, DB 2006, 1176, 1179. BMF v. 20.05.2009, BStBl. I 2009, 671; vgl. erläuternd Mitschke, DB 2009, 1376 ff.; kritisch zu Altfällen Meilicke, GmbHR 2009, 783, 784. Für mögliche Begründungen der Auffassung der Finanzverwaltung vgl. Mitschke, DB 2009, 1376 ff.; zustimmend auch Meilicke, GmbHR 2009, 783, 784.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

223

Letztlich scheint sich das BMF selbst seiner Auffassung jedoch nicht sehr sicher zu sein, da das BMF eine Übertragung der Urteilsgrundsätze auf andere Fälle „im Vorgriff auf mögliche gesetzliche Regelungen“ ausschließt. Eine solche Neuregelung wäre aber wohl gerade dann nicht notwendig, wenn die Rechtslage so (klar) wäre, wie das BMF dieses im vorgenannten Schreiben unterstellt. Gleichwohl wurden weiterhin nunmehr auch die Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze entsprechend nachteilig geändert48. 4

Relevanz für die aktuelle Rechtslage

4.1

Die Allgemeinen Entstrickungsnormen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG

Mit dem SEStEG vom 7.12.2006 wurden gemäß der Gesetzesbegründung die höchstrichterlich entwickelten und von der Finanzverwaltung angewandten allgemeinen Entstrickungstatbestände gesetzlich geregelt und in das bestehende Ertragsteuersystem eingepasst49. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG steht (mit Wirkung ab dem VZ 2006) einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke „der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich“ 50. Nach der Parallelvorschrift des § 12 Abs. 1 KStG wird unter gleichen Voraussetzungen die Entnahmefiktion bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen durch die Annahme einer fiktiven Veräußerung ersetzt. Die Bewertung erfolgt in beiden Fällen zum gemeinen Wert und damit weder zum Teilwert (Regelwertgröße bei bei Entnahmen) noch zum Fremdvergleichspreis (Regelwertgröße im Rahmen des § 1 AStG). Diese allgemeinen Entstrickungsvorschriften zielen primär auf die Überführung eines Wirtschaftsgutes von einem inländischen Betrieb in eine ausländische Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen, sowohl – wie in der Vergangenheit bereits – wenn der Betriebsstättengewinn aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung freigestellt ist als auch nunmehr zusätzlich erstmals wenn ausländische Steuer im Inland anzurechnen ist51. Die Nutzung eines einer inländischen Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsguts in

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Änderung der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze durch BMF v. 25.8.2009, BStBl. I 2009, 888. Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42, 48. Ausnahmen vom Entstrickungsgebot bestehen lediglich für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft (§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, § 15 Abs. 1a EStG). Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42.

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einer ausländischen Betriebsstätte stellt gleichfalls eine Entnahme für betriebsfremde Zwecke dar, die entsprechend wiederum zum gemeinen Wert zu bewerten ist52. Da der Gesetzgeber insoweit von einer Gefahr der Nichterfassung der im Inland entstandenen stillen Reserven ausgeht, wird der Sinn und Zweck der Vorschriften in der Abgrenzung der Besteuerungsrechte und der Sicherstellung deutscher Besteuerungsansprüche gesehen53. Diese Entstrickungsbesteuerung greift generell und sieht – anders als z. B. § 6 AStG – keine allgemeinen Stundungsmöglichkeiten – auch nicht innerhalb der EU – vor. Lediglich zur Vermeidung der Beschränkung gemeinschaftsrechtlicher Grundfreiheiten54 sieht § 4g EStG für bestimmte Fälle der Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in EU-Betriebsstätten die antragsgebundene Bildung eines Ausgleichpostens vor. Während die BetriebsstättenVerwaltungsgrundsätze55 immerhin noch eine Streckung der gewinnerhöhenden Auflösung bei abnutzbaren Anlagegütern zeitanteilig gemäß der restlichen Nutzungsdauer bzw. bis zu 10 Jahren zuließen, ist ein solcher Posten im Rahmen der gesetzlichen Regelung nunmehr im Wirtschaftsjahr der Bildung sowie den folgenden vier Wirtschaftsjahren jeweils zu einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen. Damit wurde die Rechtslage bzw. die praktische Handhabung gegenüber der Vergangenheit klar verschärft. Die Konformität der Regelungen mit EURecht steht in Frage. 4.2

Verschärfung oder Identität der Tatbestandsvoraussetzungen

Gemäß der Gesetzesbegründung handelt es sich bei den vorgenannten erstmalig kodifizierten allgemeinen Entstrickungsvorschriften lediglich um Klarstellungen zum geltenden Recht56. Insbes. soweit sich der Entstrickungstatbestand allerdings auch auf die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands oder die Nutzung eines Wirtschaftsguts bezieht, ist jedoch von einer deutlichen Verschärfung auszugehen, da diese Fallgruppen – wie zuvor dargelegt – bislang überhaupt nicht Gegenstand einer Entstrickungsbesteuerung waren. Denn selbst die frühere Rechtsprechung des BFH qualifizierte eine Überführung von Wirtschaftsgütern nur dann als schädliche Entnahmehandlung, wenn der Gewinn der ausländischen Betriebstätte aufgrund eines Doppelbesteuerungsab-

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Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42. Auf diesen Tatbestand wird im Folgenden nicht getrennt eingegangen. Vgl. Kahle/Franke, IStR 2009, 406. Vgl. Bundestag-Drucksache 16/3369 v. 9.11.2006, S. 5; Bundesrat-Drucksache 542/06(B) v. 22.9.2006, S. 3 f. Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.6. Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

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kommens überhaupt nicht mehr der inländischen Besteuerung unterlag57. In Anrechnungsbetriebsstätten – oder reinen Überlassungsfällen – sah der BFH dagegen lediglich eine steuerliche Milderung58. Die gesetzliche Neuregelung greift daher insbes. in Bezug auf diese Fallgruppe klar und bewusst weiter. Daneben ist auch die rückwirkende erstmalige Anwendung zu kritisieren. 4.3

Relevanz der Entscheidung in EU-Fällen

Aufgrund der Tatsache, dass der BFH seine Entscheidung ausdrücklich (auch) auf die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote stützte, ist das Urteil v. 17. Juli 2008 in besonderem Maße geeignet, die im Schrifttum59 bereits umfassend dargelegten gemeinschaftsrechtlichen Bedenken gegenüber den Entstrickungsvorschriften i.d.F. des SEStEG weiter zu verstärken60. Unter Verweis auf die jüngere Rechtsprechung des EuGH (u.a. Rs. X und Y, Denkavit, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation)61 qualifizierte der BFH vorliegend eine Beschränkung des Bewertungswahlrechts bzgl. Buch- oder Zwischenwertfortführung auf im Inland buchführungspflichtige Personengesellschaften als offenkundigen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EGV (nunmehr Art. 43 EG). Eine Versagung des Bewertungswahlrechts, sofern das Wirtschaftsgut in eine in einem EU-Mitgliedstaat ansässige und nach dortigem Recht buchführungspflichtige Personengesellschaft eingebracht wurde, sei demnach wohl unzulässig62. Da die im Rahmen des SEStEG eingeführten allgemeinen Entstrickungsvorschriften nach einer verbreiteten Meinung im Schrifttum eine vergleichbare Diskriminierung grenzüberschreitender Sachverhalte bewirken, spricht vieles dafür, vorliegend insoweit einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit anzunehmen63. Insbesondere wäre der durch den BFH entschiedene Sachverhalt auch unter der Neuregelung ohne Milderung oder zeitliche Streckung unter § 4g EStG sofort in voller Höhe steuerpflichtig zu stellen, da § 4g EStG nur auf Übertra-

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S. BFH v. 16.7.1969, I 266/65, BStBl. II 1970, 175; BFH v. 28.4.1971, I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; BFH v. 30.5.1972, VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760. S. BFH v. 16.7.1969, I 266/65, BStBl. II 1970, 175. Vgl. z.B. Wied, in Blümich, EStG, § 4 Rz. 485; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369, 371 f. Vgl. auch Ditz, IStR 2009, 115, 120. Meilicke, GmbHR 2009, 55 sieht hierin sogar die Hauptbedeutung des besprochenen BFH-Urteils. EuGH v. 21.11.2002, Rs. C-436/00, X und Y, Slg. 2002, I-10829; EuGH v. 14.12.2006, Rs. C170/05, Denkavit, Slg. 2006, I-11949; EuGH v. 13.3.2007, Rs. C-524/04, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107. Vgl. Ditz, IStR 2009, 115, 120; Meilicke, GmbHR 2009, 55; Wittkowski, FD-StR 2008, 268135. Vgl. Ditz, IStR 2009, 115, 120; Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 28.

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gungen in Betriebsstätten, nicht aber in Personengesellschaften Anwendung finden soll. Soweit die Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen inländischen Betriebsstätten (oder Personengesellschaften) eines Steuerpflichtigen zum Buchwert erfolgen kann, sollte im Verhältnis zu EU-/EWR-Staaten im Grundsatz nichts anderes gelten. Die vorgesehene Aufdeckung und sofortige Versteuerung stiller Reserven im Überführungszeitpunkt ist daher mutmaßlich als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu qualifizieren. Selbst dann, wenn § 4g EStG zur Anwendung gelangte, muss die Regelung wohl dennoch als beschränkende Maßnahme eingeordnet werden. Es bleibt daher zu prüfen, ob hinreichende Rechtfertigungsgründe bestehen. Hierbei stehen in der Regel zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Vordergrund64. Neben der Eignung zur Erreichung der verfolgten Ziele ist in diesem Zusammenhang auch das zur Zielerreichung erforderliche Maß zu wahren. Die Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität gründen daher insbes. in Bedenken bzgl. der Verhältnismäßigkeit65. Zwar ist in der jüngeren EuGH-Rechtsprechung eine gewisse (zunehmende) Tendenz festzustellen, einen angemessenen Ausgleich zwischen der Beachtung der Grundfreiheiten und der Berücksichtigung fiskalischer Interessen zu gewährleisten66. Ausgehend von der Eindeutigkeit der Rechtsprechungsgrundsätze zur Wegzugbesteuerung in den Rs. N und Lasteyrie du Saillant67, erscheint dennoch eine uneingeschränkte gemeinschaftsrechtliche Konformität bzw. Bestand auf der Rechtfertigungsebene der deutschen Entstrickungsvorschriften unwahrscheinlich68. Hierbei ist scharf zwischen den Fragen zu unterscheiden, (1) ob Deutschland ein Besteuerungsrecht besitzt und (2) wie bzw. wann Deutschland dieses Recht ausüben darf.

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Vgl. auch EuGH vom 7.9.2006, Rs. C-470/04, N, Slg.2006, I-7409, Randnr. 40 ff.; EuGH v. 11.3.2004, Rs. C-9/02, de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409, Randnr. 49 ff. Vgl. Schwenke, DStZ 2007, 235, 244 f. Vgl. zur Rechtfertigung einer Beschränkung aufgrund der Gewährleistung der Kohärenz des deutschen Steuersystems EuGH v. 23.10.2008, Rs. C-157/07, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH, Slg. 2008, I-8061; zur Berücksichtigung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis EuGH v. 15.05.2008, Rs. C-414/06, Lidl Belgium, Slg. 2008, I-3601. EuGH vom 7.9.2006, Rs. C-470/04, N, Slg. 2006, I-7409; EuGH v. 11.3.2004, Rs. C-9/02, de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409. Noch weitergehend sah der EuGH in der Rs. N bereits in einer Verpflichtung zur Stellung von Sicherheiten bzgl. der grundsätzlich geschuldeten aber gestundeten Steuer eine unverhältnismäßige Maßnahme. Vgl. zur Maßgeblichkeit der Entscheidungen im betrieblichen Bereich Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 28; Pressemitteilung der EU-Kommission v. 27.11.2008, IP/08/1813 zur Änderung von Vorschriften zur Sofortbesteuerung in Portugal und Spanien.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

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Zu (1): Auch das EU-Recht stellt das Besteuerungsrecht für die in Deutschland gebildeten stillen Reserven nicht in Frage. Zu (2): Strittig hingegen ist die Frage, in welchem Zeitpunkt die auf die stillen Reserven entfallende Steuer erhoben werden darf. In einer (vollständig) EUkonformen Ausgestaltung sollte dies grundsätzlich nicht zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen, als bei einem vergleichbaren Inlandsfall. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte eine Stundung der festgesetzten Steuer erfolgen. Diese Überlegungen werden durch die EuGH-Rechtsprechung gestützt69 und wurden z. B. im Rahmen des § 6 AStG für EU/EWR-Fälle auch in deutsches Recht umgesetzt. Es stellt sich damit die Frage, warum nicht auch im Rahmen der allgemeinen Entstrickungsnormen Gleiches gelten sollte. Mit der Richtlinie 77/799/EWG über die gegenseitige Amtshilfe70 sowie der Richtlinie 2008/55/EG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen71 verweist der EuGH auf mildere Mittel als eine Sofortbesteuerung, um die Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit eines solchen, auf den Grundsatz der steuerlichen Territorialität gestützten Besteuerungssystems zu gewährleisten72. Die Rechtfertigung einer Sofortbesteuerung als Maßnahme zur Durchsetzung der Steueraufsicht wird dadurch stark begrenzt73. Auch die nach den Gesetzesmaterialien ausschließlich aus Gründen der Verfahrensvereinfachung durch § 4g EStG verfolgte pauschale, auf nur noch fünf Jahre befristete Ausgleichspostenregelung74 dürfte nicht ausreichen, um in allen Fällen für eine Verhältnismäßigkeit zu sorgen. Damit würden die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinausgehen und wären insoweit nicht zu rechtfertigen. Dem im Schrifttum vorgebrachten Einwand, die ratierliche Auflösung sei aus Gründen der Kohärenz zwischen den Besteuerungssystemen erforderlich75, ist im Ansatz zuzustimmen. Anderenfalls könnte eine Überführung von Wirtschaftsgütern in Auslandsbetriebsstätten u.U. sogar steuerlich besonders vorteilhaft sein, wenn nach einem sog. „Step-up“ im Zuzugsstaat (Einbuchung im aufnehmenden Staat zu Marktwerten) z. B. erhöhte Abschreibungen auf die erhöhten Wertansätze erfolgen, während die Besteuerung im übertragenden Staat aufge69 70

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EuGH v. 11.3.2004, Rs. C-9/02, de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409. Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 (ABl. L 336 vom 27.12.1977, S. 15–20), zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20. November 2006 (ABl. L 363 vom 20.12.2006 S. 129-136). Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26. Mai 2008 (kodifizierte Fassung, ABl. L 150 vom 10.6.2008, S. 28-38). Vgl. EuGH vom 7.9.2006, Rs. C-470/04, N, Slg. 2006, I-7409, Randnr. 51 ff. Vgl. Schwenke, DStZ 2007, 235, 244 f. Vgl. Bundestag-Drucksache 16/3369 v. 9.11.2006, S. 5. Vgl. Schwenke, DStZ 2007, 235, 244 f.

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schoben wird. Die dennoch bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Bedenken basieren auf der rein typisierten Ausgestaltung76. Aufgrund der von der Behandlung im Zuzugsstaat losgelösten engen Befristung auf 5 Jahre kann eine Benachteilung gegenüber dem Inlandsfall nicht ausgeschlossen werden (zum einen hinsichtlich der zeitlichen Verteilung der Effekte, zum anderen auch hinsichtlich des Auseinanderfalles der Höhe nach; hier stellen insbes. Unterschiede in der Bemessungsgrundlage sowie der anwendbaren Steuersätze die Haupteinflussgrößen dar). Am Beispiel eines selbst geschaffenen Markenrechts oder eines Geschäfts- oder Firmenwerts können die überschießenden Wirkungen leicht erläutert werden: Während selbst im Falle der Anwendbarkeit des § 4g EStG diese Wirtschaftsgüter in Deutschland über fünf Jahre voll versteuert würden, wäre die Abschreibungsdauer im Aufnahmestaat in aller Regel wesentlich länger bzw. u.U. gar keine (planmäßige) Abschreibung möglich. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber gefordert: Während eine (gesetzlich kodifizierte) Sofort-Besteuerung gegenüber Drittstaaten infolge der – jedenfalls bei Betriebsstätten – mangelnden Einschlägigkeit der Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich zulässig erscheint, ist eine solche Behandlung bzw. eine unzureichende Stundung gegenüber EU/EWR-Mitgliedstaaten zu vermeiden. Mögliche Anhaltspunkte einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung bietet nicht zuletzt ein Rückbesinnen auf die vormals vertretene Verwaltungsauffassung oder auch die Anwendung der BFH-Entscheidung vom 17. Juli 200877. 4.4

Relevanz der Entscheidung in DBA-Freistellungsfällen

Da im Rahmen der vorliegenden Entscheidung eine Übertragung auf eine Personengesellschaft in der EU zu beurteilen war, hätte sich der BFH auf die Frage der Vereinbarkeit der finalen Entnahmetheorie mit dem Gemeinschaftsrecht beschränken und die Fortgeltung gegenüber Drittstaaten offen lassen können. Mit der darüber hinausgehenden allgemeinen Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme erfährt das Urteil jedoch – jedenfalls für die Rechtslage vor dem SEStEG – grundsätzlich auch gegenüber Drittstaaten Geltung78. Die Frage, inwieweit sich diese Entscheidung auch noch nach der Normierung der allgemeinen Entstrickungsvorschriften auswirkt, hat der BFH dagegen aus-

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Vgl. Ditz, IStR 2009, 115, 120; Prinz, DB 2009, 807, 811; Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 28; fraglich nach Grützner, StuB 2008, 923, 926. Vgl. BMF v. 12.2.1990, BStBl. I 1990, 72 zur Bildung eines unbefristeten Ausgleichspostens, der erst bei Ausscheiden bzw. bei abnutzbaren Anlagegütern zeitanteilig gemäß der Restnutzungsdauer aufzulösen war. Vgl. Meilicke, GmbHR 2009, 55, 56; Wittkowski, FD-StR 2008, 268135.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

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drücklich offen gelassen79. Da mit dem SEStEG allerdings ausweislich der Gesetzesbegründung gerade eine gesetzliche Kodifikation des höchstrichterlich entwickelten Entstrickungstatbestandes erfolgen sollte, wurde den Vorschriften zumindest das „Fundament entzogen“ 80. Aufgrund der Tatsache, dass die Fortgeltung der finalen Entnahmetheorie im Schrifttum bereits seit vielen Jahren in Frage gestellt und eine entsprechende Entscheidung des BFH erwartet wurde81, verwundert der vom Gesetzgeber i.R.d. SEStEG gewählte Wortlaut, da hier „ohne Not“ auf unsicherem Grund formuliert wurde. Denn als Tatbestand wurde nicht auf die Überführung als solche sondern auf ein rechtliches Ergebnis, nämlich auf den Ausschluss bzw. die Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts, abgestellt82. Mit der Entscheidung des BFH v. 17. Juli 2008 wurden daher die bereits im Vorfeld bestehenden dahingehenden Zweifel, dass die Entstrickungsvorschriften des SEStEG mangels Erfüllung des angenommen Tatbestands weitgehend „ins Leere laufen“ 83, bekräftigt84. Aufgrund der DBA-Auslegung des BFH bleiben die in Deutschland geschaffenen stillen Reserven auch dann einem uneingeschränkten deutschen Besteuerungsrecht zugänglich, wenn das Wirtschaftsgut in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte überführt wird. Entsprechend geht eine im Schrifttum verbreitete Meinung davon aus, dass für das korrespondierende Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG nichts anderes gelten kann85. Nach dieser Auffassung vermag die erste Alternative des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG somit nur in den Ausnahmefällen Wirkung zu entfalten, in denen das deutsche Besteuerungsrecht an den im Überführungszeitpunkt bestehenden stillen Reserven tatsächlich entfällt. Dies betrifft vorrangig den Fall des Wegfalls sämtlicher steuerlicher Anknüpfungspunkte, bspw. bei

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So auch Buciek, SteuerConsultant 12/2008, 10, 11; Heger, jurisPR-SteuerR 50/2008, Anm. 2; Hoffmann, DB 2008, 2286, 2287; tendenziell wohl auch Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 29. Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42, 48; Hoffmann, DB 2008, 2286, 2287. Vgl. z.B. Kaminski, IStR 2001, 129, 130; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 1998, Tz. 18.44; Schröder/Strunk, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 107; Wassermeyer, DB 2006, 1176, 1177. Aktuell auch Gosch, BFH-PR 2008, 499, 500; Hoffmann, DB 2008, 2286, 2287; Prinz, DB 2009, 807, 808; a.A. Meilicke, GmbHR 2009, 55, 56; Meilicke, GmbHR 2009, 783, 784. Vgl. Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 28. Vgl. insbes. Wassermeyer, DB 2006, 1176, 1180; Wassermeyer, DB 2006, 2420, 2422. Vgl. auch Ditz, IStR 2009, 115, 120; Prinz, DB 2009, 807, 810 f.; Gosch, BFH-PR 2008, 499, 500. Vgl. Roser, DStR 2008, 2389, 2393; Prinz, DB 2009, 807, 810 f.: Gosch, BFH-PR 2008, 499, 500; Ditz, IStR 2009, 115, 120 f.; Kahle/Franke, IStR 2009, 406, 408 f., 411; Bauschatz, DStZ 2008, 774, 775; wohl auch Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 28; a.A. Mitschke, DB 2009, 1376 f.; Mitschke, FR 2009, 326, 329 f.; offen nach Buciek, SteuerConsultant 12/2008, 10, 11; Heger, jurisPR-SteuerR 50/2008, Anm. 2; Hoffmann, DB 2008, 2286, 2287.

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Verlagerung der einzigen inländischen Betriebsstätte86. Eine andere Auffassung geht allerdings dahin, dass die Aufgabe der finalen Entnahmetheorie den Anwendungsbereich der mit dem SEStEG eingeführten Entstrickungstatbestände nicht einzuschränken vermag87. Für die Beurteilung dieser konträren Rechtsauffassungen ist entscheidend, ob die Aufgabe der finalen Entnahmerechtsprechung den kodifizierten Entstrickungsvorschriften i.d.F. des SEStEG die Tatbestandsebene genommen hat. Bejaht man diese Frage, ist zwar ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts an den inländischen Reserven zu verneinen, gleichwohl vollzieht sich deren weitergehender Aufbau im Ausland und entgeht insoweit dem deutschen Besteuerungszugriff. Es stellt sich die Frage, ob zumindest insoweit von einer Beschränkung des Besteuerungsrechts in Bezug auf diese zukünftigen stillen Reserven i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auszugehen wäre. Wenngleich diesbzgl. im Schrifttum ein unklarer Gesetzeswortlaut beklagt wird88, kann wohl festgehalten werden, dass der Begriff des Ausschlusses erkennbar auf die abkommensrechtliche Freistellung des Art. 23A i.V.m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA Bezug nimmt89. Demnach bestehen bereits Bedenken, ob der Gesetzgeber dem Begriff der Beschränkung ein Verständnis zuweist, welches überhaupt die Fälle der abkommensrechtlichen Freistellung umfasst90. Die Ableitung einer Beschränkung aus dem fehlenden Besteuerungsrecht bzgl. zukünftiger stiller Reserven erscheint fraglich und ginge klar über das Maß an Besteuerungsrechten hinaus, was in anderen Fällen der Realisation der Besteuerung zugrunde gelegt wird: maximal kann der gegenwärtige Marktwert eines Wirtschaftsguts (abzgl. Buchwert) einer Besteuerung zugeführt werden. Erst in der Zukunft darüber hinaus neu entstehende Wertsteigerungen können nicht erfasst sein, da diese Werte heute noch gar nicht bestehen. Folglich können inextistente Größen auch keine Beschränkung begründen. Die Rechtsfolgen der gesetzlich kodifizierten Entstrickungsvorschriften zielen allein auf eine Besteuerung der im Überführungszeitpunkt bestehenden stillen

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Vgl. Köhler, in FS Schaumburg, 813, 830 f.; Roser, DStR 2008, 2389, 2393; Prinz, DB 2009, 807, 811; zudem bereits Wassermeyer, DB 2006, 1176, 1180; Wassermeyer, DB 2006, 2420, 2422. Vgl. Grützner, StuB 2008, 923, 926; Meilicke, GmbHR 2009, 783, 784; wohl auch Koch, BB 2008, 2450, 2452; Lühn, PIStB 2009, 38, 39; Burwitz, NZG 2008, 827; ausführlich begründend einzig Mitschke, DB 2009, 1376, 1377; Mitschke, FR 2009, 326, 327, 329 f. Vgl. diesbezüglich für eine teleologische Auslegung Prinz, DB 2009, 807, 810. Vgl. Gosch, BFH-PR 2008, 499, 500; Kahle/Franke, IStR 2009, 406, 408. Möglich nach Heger, jurisPR-SteuerR 50/2008 Anm. 2; u.U. auch nach Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 24.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

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Reserven91. An einem inländischen Besteuerungsrecht im Ausland entstandener bzw. entstehender Gewinne fehlt es bereits dem Grunde nach. Da basierend auf den vorgenannten Grundsätzen, das Vorliegen eines Ausschlusses oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts für Fälle der Überführung von Wirtschaftsgütern in Freistellungs-Betriebsstätten wohl zu verneinen ist, so muss im nächsten Schritt der grundsätzliche Einwand der Finanzverwaltung erörtert werden, ob die Entstrickungsvorschriften des SEStEG durch die Urteilsgrundsätze unberührt bleiben92. Der Gesetzgeber wollte die Theorie der finalen Entnahme wohl auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Die Gesetzesbegründung führt diesbezüglich ausdrücklich aus, dass die Überführung eines Wirtschaftsgutes von einem inländischen Betrieb in die ausländische Betriebsstätte des Steuerpflichtigen eine Entnahme für betriebsfremde Zwecke darstelle, wenn der Betriebsstättengewinn aufgrund eines DBA freigestellt ist oder die ausländische Steuer im Inland anzurechnen ist93. Im Schrifttum wird daraus z.T. gefolgert, dass die finale Entnahmetheorie nebst des zugrunde liegenden Verständnisses der abkommensrechtlichen Wirkungen der Freistellungsmethode dadurch Gesetzesinhalt geworden sei, weshalb die Aufgabe dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Wirkung mehr entfalte94. Der Nichtanwendungserlass vom 20. Mai 2009 weist in diesem Zusammenhang zudem darauf hin, dass der Aufdeckung stiller Reserven bei der Überführung in eine ausländische (DBA)-Betriebsstätte eine Abkommensauslegung zugrunde liegt, die sowohl den OECD-Grundsätzen (Kommentar zu Art. 7 OECD-MA 2005, Tz. 15) als auch der internationalen Verwaltungspraxis entspräche95. Zwar eröffnet Art. 7 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA die Möglichkeit einer „vorgezogenen“ Gewinnrealisierung96. Ein Gebot der umfassenden Freistellung in Bezug auf die bereits entstandenen und „überführten“ stillen Reserven bzw. der sofortigen

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Vgl. Roser, DStR 2008, 2389, 2393; Kahle/Franke, IStR 2009, 406, 408 f.; Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 25, 28. Vgl. BMF v. 20.05.2009, BStBl. I 2009, 671. Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42. Vgl. Mitschke, DB 2009, 1376, 1377 ff.; Meilicke, GmbHR 2009, 783, 784. Auf die von der OECD angestrebten weitergehenden Änderungen des Art. 7 aufgrund des sog. functionally separate entity approach musste der BFH bereits deshalb nicht näher eingehen, da weder das geltende OECD-MA noch das relevante DBA-Österreich eine entsprechende Regelung enthält und selbst ein entsprechend gefasstes DBA nicht aus sich selbst heraus steuerbegründend sein sollte. Gem. Tz. 15 OECD-MK zu Art. 7 steht dem Abgangsstaat das Recht zu, bei Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes aus seiner Steuerhoheit, die Besteuerung der in diesem Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven auszulösen.

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Gewinnrealisierung ergibt sich aus dieser Vorschrift jedoch nicht97. Da damit daraus folglich weder ein Ausschluss noch eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts abgeleitet werden kann, erscheint es damit durchaus fraglich, ob es dem Gesetzgeber tatsächlich gelungen ist, einen entsprechenden Tatbestand zu regeln. Nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH und des BVerfG ist für die Auslegung von Steuergesetzen der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und aus dem Sinnzusammenhang der Vorschrift ergibt98. Die Motive und Vorstellungen der Mitglieder der gesetzgebenden Gremien können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben99. Der Wortlaut der allgemeinen Entstrickungsregelungen stellt jedoch nicht auf den Überführungsvorgang als tatsächlichen, sondern auf ein rechtliches Ergebnis, nämlich den Ausschluss bzw. die Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts ab100. Dieses Ergebnis tritt aber wohl gerade nicht ein. Zudem ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass das Ziel der allgemeinen Entstrickungsvorschriften darin besteht, die Aufdeckung und Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven sicherzustellen101. Dieser Zielsetzung wird grundsätzlich auch eine der BFH-Entscheidung vom 17. Juli 2007 entsprechende Normanwendung gerecht. Es bestehen mithin erhebliche Zweifel, ob der gegenwärtige Wortlaut der Entstrickungstatbestände geeignet ist, das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel einer allgemeinen Sofortbesteuerung im Überführungszeitpunkt zu erreichen102. Der Gesetzgeber besäße allerdings wohl die Freiheit, jedenfalls im Verhältnis zu Drittstaaten einen wirksamen allgemeinen Entstrickungstatbestand zu kodifizieren. 4.5

Relevanz der Entscheidung in DBA-Anrechnungsfällen

Die Erstreckung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 KStG auf Fälle der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts zielen insbesondere auf Fälle der Überführung in sog. Anrechnungsbetriebsstätten. Dies bedeutet insoweit eine

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Vgl. auch Roser, DStR 2008, 2389, 2391; Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 24. S. BFH v. 14.5.1991, VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167; BverfG v. 21.5.1952, 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299; BverfG v. 17.5.1960, 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126. S. BFH v. 14.5.1991, VIII R 31/88, BStBl. II 1992, 167 m.w.N. Nach Prinz, DB 2009, 807, 810 f. ist der gesetzgeberische Wille, die finale Entnahmetheorie zu verankern, angesichts des gewählten Wortlauts der Vorschriften unerheblich. Vgl. Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 28. Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42. So auch Ditz, IStR 2009, 115, 120; Schneider/Oepen, FR 2009, 22, 28 f.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

233

erhebliche Verschärfung, da Erweiterung des Anwendungsbereiches gegenüber der vorherigen Rechtslage103. Zwar wollte der Gesetzgeber die Überführung von Wirtschaftsgütern in DBAAnrechnungsbetriebsstätten einer Sofortbesteuerung unterwerfen104, ob eine solche Umsetzung mit dem gewählten Gesetzeswortlaut erreicht wurde, ist aber auch in Bezug auf diese Fallgruppe nicht abschließend geklärt. Wenngleich das Tatbestandsmerkmal der Beschränkung des Besteuerungsrechts im Schrifttum z.T. als problematisch beschrieben wird105 und für Fälle der Steueranrechnung nach Art. 23B OECD-MA u.U. ein verbleibender Anwendungsraum gesehen wird106, spricht vieles dafür, dass die zuvor zum DBAFreistellungsfall dargestellten Überlegungen entsprechende Geltung erfahren107. Unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Abgrenzung zwischen in- und ausländischen Einkünften kommt dem betreffenden Partnerstaat auch im DBAAnrechnungsfall lediglich das Recht zu, die nach dem Überführungszeitpunkt entstandenen stillen Reserven der Besteuerung zu unterwerfen108. Mit der Beschränkung der Anrechnungsverpflichtung auf solche ausländischen Einkünfte, die sich nicht auf die überführten stillen Reserven beziehen, mangelt es auch insoweit an einem Bedürfnis, den Überführungsvorgang als Tatbestand einer sofortigen Gewinnrealisierung zu qualifizieren. Bezüglich der Einwände, aufgrund des weiteren Anwachsens stiller Reserven außerhalb des (uneingeschränkten) deutschen Besteuerungszugriffs auf eine Beschränkung zu schließen109, gelten die obigen Ausführungen zu der Fallgruppe der Freistellungsfälle vollumfänglich. Darüber hinaus ist beachtlich, dass anders als bei der Freistellungsmethode in Anrechnungsfällen das Argument etwaiger administrativer Probleme bei der Nachverfolgung des Realisationsaktes im Ausland hinfällig ist110. Aufgrund des fortbestehenden deutschen Besteuerungsrechts muss ohnehin die steuerliche Erfassung im Inland gesichert werden.

103 104 105

106 107 108 109 110

Vgl. Stadler/Elser, BB-Special 8/2006, 18, 19; Roser, DStR 2008, 2389, 2394. Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42. Vgl. Roser, DStR 2008, 2389, 2394, der davon ausgeht, dass sich eine Beschränkung angesichts des vor der Anrechnung bestehenden umfassenden Besteuerungsrechts allenfalls auf die Verwirklichung des Besteuerungsanspruchs beziehen kann. Vgl. Gosch, BFH-PR 2008, 499, 500. Vgl. Prinz, DB 2009, 807, 811. Vgl. Prinz, DB 2009, 807, 811. Vgl. Mitschke, DB 2009, 1376, 1377. Vgl. Roser, DStR 2008, 2389, 2394.

234

Stefan Köhler

Findet demnach ein DBA Anwendung, welches insgesamt oder für die betreffenden Wirtschaftsgüter die Anrechnungsmethode vorsieht, sollte sich kein anderes Ergebnis als in Freistellungsfällen einstellen111. Ginge man von einer Wirksamkeit aus, so wäre fraglich, ob bereits die abstrakte Möglichkeit zur Anrechnung oder nur eine tatsächliche Steueranrechnung als schädliche Beschränkung zu qualifizieren wäre112. Aufgrund des Welteinkommensprinzips erscheint der Eintritt einer tatsächlichen Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts keineswegs zwingend (Bsp. Anrechnungsüberhang). Da die reine Gefährdung durch die Anwendung des Anrechnungsverfahrens noch keine Beschränkung darstellt, bestehen an der Zulässigkeit einer Verlagerung der Unsicherheit zu Lasten des Steuerpflichtigen Zweifel113. 4.6

Relevanz für Nicht-DBA-Fälle

Durch die Regelung der allgemeinen Entstrickungsvorschriften i.R.d. SEStEG will der Gesetzgeber entgegen der vorherigen Rechtslage auch die Überführung von Wirtschaftsgütern in Betriebsstätten in Nicht-DBA-Staaten als schädliche Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts qualifizieren und damit einer vollen Sofortbesteuerung zuführen. Grundsätzlich liegt eine dem DBAAnrechnungsfall vergleichbare Situation vor. Aufgrund des Welteinkommensprinzips besteht das deutsche Besteuerungsrecht fort. Die unilaterale Anrechnungsvorschrift des § 34c EStG (ggf. i.V.m. § 26 KStG) bewirkt eine Ermäßigung der deutschen Steuer nur in Bezug auf die nach deutschem Rechtsverständnis als ausländische Einkünfte zu qualifizierenden Einkunftsteile (§ 34d EStG). Eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den im Überführungszeitpunkt bestehenden stillen Reserven könnte somit nur dann angenommen werden, soweit man diese den ausländischen Einkünften zuordnet. Davon ist indes nicht auszugehen. Vielmehr erklärt der BFH die Abkehr von der finalen Entnahmetheorie unter anderem gerade mit einer (bislang) „unzutreffenden Beurteilung der Abgrenzung zwischen den inländischen und den ausländischen Einkünften (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG)“ 114. Gleichwohl sollten zwei Fallgruppen unterschieden werden: Zum einen sind die Fälle beachtlich, bei denen bei Überführung der „aufnehmende“ ausländische Staat die betreffenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert ansetzt. Insoweit erscheint es wenig zwingend, dass es zu einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts kommt, denn die im Überführungszeit111 112

113 114

Vgl. Prinz, DB 2009, 807, 811. Vgl. Roser, DStR 2008, 2389, 2394 m.w.N.; Stadler/Elser, BB-Special 8/2006, 18, 20; Kahle/Franke, IStR 2009, 406, 409. Vgl. Stadler/Elser, BB-Special 8/2006, 18, 20. Vgl. BFH v. 17.7.2008, I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

235

punkt bestehenden stillen Reserven werden in diesem Falle keinem konkurrierenden Besteuerungsrecht – verbunden mit dem Risiko der Anrechnung ausländischer Steuern – unterworfen. Zum anderen sind solche Fälle zu betrachten, bei denen im Ausland die Fortführung des Buchwertes oder der Ansatz eines Zwischenwertes erfolgt. Hier droht im Realisationszeitpunkt die Gefahr einer zusätzlichen Auslandsbesteuerung der im Inland geschaffenen stillen Reserven. Da in diesen Fällen des Fehlens von ausländischen Einkünften ein Abzug ausländischer Steuern nach § 34c Abs. 3 EStG möglich ist, gilt es zu entscheiden, ob dies geeignet ist, eine Beschränkung i.S.d. Entstrickungsvorschriften zu bewirken115. Da die Gesetzesbegründung diesbezüglich lediglich auf die Anrechnung ausländischer Steuern Bezug nimmt116, sollte der Auffassung Wassermeyers117 zu folgen sein, wonach die Regelung des § 34c Abs. 3 EStG als Einkünfteermittlungsvorschrift keine schädliche Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bewirkt. Vielmehr zieht diese lediglich eine für den Entstrickungstatbestand unschädliche Minderung der inländischen Einkünfte nach sich. Im Ergebnis erfahren damit die Ausführungen zum DBA-Anrechnungsfall entsprechende Geltung. Es bestehen folglich auch im Nicht-DBA-Fall erhebliche Zweifel, ob die Tatbestandsmerkmale der allgemeinen Entstrickungsvorschriften den vom Gesetzgeber gewünschten Anwendungsrahmen abdecken118. 5

Zusammenfassung und Ausblick

Es ist ein durchaus bekanntes Phänomen, dass die Rechtsprechung des BFH im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren überholt wird. „Missliebige“ Rechtsprechung wird im Rahmen von „Nichtanwendungsgesetzen“ neutralisiert, um der Verwaltungsauffassung Geltung zu verschaffen. Das jüngste Beispiel des § 50d Abs. 10 EStG (abkommensrechtliche Qualifikation von Sondervergütungen) zeigt, dass dabei sogar systemwidrige Ansätze Eingang in das Gesetz finden. Vorliegend ergibt sich dagegen u.U. ein umgekehrtes Bild. Womöglich hat in diesem Fall die Rechtsprechung ein Nichtanwendungsurteil zu einem Gesetz bewirkt. Mit der Aufgabe des dem Gesetzeswortlaut zugrunde liegenden Rechtsverständnisses ergeben sich erhebliche Zweifel, ob das vom Gesetzgeber inten115

116 117 118

Vgl. Wassermeyer, DB 2006, 2420 zur Überführung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens und dem Abzug ausländischer Steuern auf einen inländischen Produktionsgewinn. Vgl. Bundesrat-Drucksache 542/06 v. 11.8.2006, S. 42. Vgl. Wassermeyer, DB 2006, 2420; ebenso Frotscher, in Frotscher, § 4 EStG Rz. 381. A.A. wohl Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl. 2009, S. 146.

236

Stefan Köhler

dierte Ziel hinreichenden Niederschlag im Wortlaut der Entstrickungsvorschriften gefunden hat. Die Meinungen im Schrifttum divergieren. Ausweislich der Reaktion der Finanzverwaltung wird zwar eine Anwendung der Urteilsgrundsätze über den Einzelfall hinaus abgelehnt und eine Geltung für die Entstrickungstatbestände unter dem SEStEG abgelehnt. Man wird hier allerdings abwarten müssen, wie ein zukünftiges Urteil zu dieser Rechtsfrage ausfallen wird. Soweit es zu einer gesetzlichen Neuregelung kommen sollte („Reparaturgesetz“), bleiben weiterhin innerhalb der EU bzw. des EWR die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu beachten. In Bezug auf Drittstaaten-Betriebsstätten dürfte der Gesetzgeber dagegen weitgehend frei in der Ausgestaltung einer Regelung sein.

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

237

Literaturverzeichnis Bauschatz, Peter, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 17.07.2008 – I R 77/06, DStZ 2008, S. 774-775 Buciek, Klaus, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 17.07.2008 – I R 77/06, SteuerConsultant 12/2008, S. 10 Burwitz, Gero, Aufgabe der „finalen Entnahme-Theorie“ durch den BFH für Altfälle, NZG 2008, S. 827 Ditz, Xaver, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, S. 115-121 Frotscher, Gerrit, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., München 2009 Frotscher, Gerrit, in: Frotscher, EStG, § 4 Gewinnbegriff im Allgemeinen Gosch, Dietmar, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 17.07.2008 – I R 77/06, BFHPR 2008, S. 499-501 Grützner, Dieter, Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte – 100%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kein Teilbetrieb i. S. des § 24 UmwStG, Anmerkung zu dem BFH-Urteil vom 17.7.2008 – I R 77/06, StuB 2008, S. 923-926 Heger, Karin, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 17.07.2008 – I R 77/06, jurisPRSteuerR 50/2008, Anm. 2 Hoffmann, Wolf-Dieter, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 17.07.2008 – I R 77/06, DB 2008, S. 2286-2287 Hoffmann, Wolf-Dieter, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 6 Bewertung Jacobs, Otto, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., München 2007 Kahle, Holger/Franke, Verona, Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, IStR 2009, S. 406-411 Kaminski, Bert, Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische DBABetriebsstätte als Entnahme i. S. des § 4 Abs. 4a EStG?, IStR 2001, S. 129131 Kessler, Wolfgang/Huck, Friederike, Grenzüberschreitender Transfer von Betriebsvermögen, Die Verlagerung von Einzelwirtschaftsgütern, Betriebsstätten und Betrieben ins Ausland, StuW 2005, S. 193-215 Koch, Dirk, Bilanzierung und Gewinnrealisierung bei Einbringung einer 100%igen Beteiligung in eine ausländische Betriebsstätte, zugleich Besprechung des Urteils des BFH vom 17.7.2008, I R 77/06, BB 2008, S. 24502452

238

Stefan Köhler

Köhler, Stefan, Der Wegzug von Unternehmen und Unternehmensteilen in die EU, in: Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Harald Schaumburg, Köln 2009, S. 813-834 Lühn, Tim, Betriebsstättengewinnermittlung nach DBA – Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme, PIStB 2009, S. 38-40 Meilicke, Wienand, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 17.07.2008 – I R 77/06, GmbHR 2009, S. 55-56 Meilicke, Wienand, Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 20.5.2009, GmbHR 2009, S. 783-784 Mitschke, Wolfgang, Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“, FR 2008, S. 11441146 Mitschke, Wolfgang, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urteil – I R 77/06, FR 2008, 1149, Zugleich eine Erwiderung auf Schneider/Oepen, FR 2009, 22 ff., FR 2009, S. 326-331 Mitschke, Wolfgang, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, DB 2009, S. 1376-1379 OECD, Report on the attribution of profits to permanent establishments v. 17.7.2008 Prinz, Ulrich, Gesetzgeberische Wirrungen Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, S. 807-812

um

Grundsätze

der

Rödder, Thomas/Schumacher, Andreas, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, S. 369-377 Roser, Frank, Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland – eine Grundsatzentscheidung mit vielen Fragen, DStR 2008, S. 2389-2397 Schaumburg, Harald, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 1998 Schneider, Norbert/Oepen, Wolfgang, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung, Anmerkungen zum BFH-Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2009, S. 22-29 Schnitger, Arne, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, Auswirkungen der Rs. Lasteyrie du Saillant auf den deutschen Rechtskreis, BB 2004, S. 804-813 Schröder, Siegfried/Strunk, Günther, Gewinnermittlung bei Betriebsstätten, in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Köln 2005, S. 283-402

Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?

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Schwenke, Michael, Europarechtliche Vorgaben und deren Umsetzung durch das SEStEG, DStZ 2007, S. 235-247 Stadler, Rainer/Elser, Thomas, Der Regierungsentwurf des SEStEG: Einführung eines allgemeinen Entstrickungs- und Verstrickungstatbestandes und andere Änderungen des EStG, BB-Special 8/2006, S. 18-25 Wassermeyer, Franz, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte des Besteuerungsrecht?, DB 2006, S. 1176-1180 Wassermeyer, Franz, Entstrickung durch Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, DB 2006, S. 2420-2424 Wassermeyer, Franz, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, MA Art. 7 Unternehmensgewinne Wassermeyer, Franz, Speziell: Die Besteuerung von Innentransaktionen zwischen unselbständigen Teilen desselben Unternehmens, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Köln 2006, S. 151-188 Wied, Edgar, in: Blümich, EStG, § 4 Gewinnbegriff im Allgemeinen Wittkowski, Ansas, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 17.07.2008 – I R 77/06, FDStR 2008, 268135

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht Franz Jürgen Marx / Erika Simon

Inhaltsverzeichnis 1 Problemstellung ........................................................................................ 243 2 Rechtswissenschaftliche Aspekte des Fotografierens................................ 245 2.1 Das Recht zu fotografieren, zur Verbreitung und Zurschaustellung der Fotografie .................................................................. 245 2.2

Das Fotografieren von Personen .................................................. 246 2.2.1 Gesetzliche Fotografierverbote .......................................... 246 2.2.2 Umfang und Grenzen des Rechts am eigenen Bild ............ 248

2.3

Das Fotografieren von in fremdem Eigentum stehenden Sachen .. 253

2.4

Das Fotografieren von Werken ...................................................... 255

2.5

Der Schutz der Fotografie ............................................................. 260 2.5.1 Urheberrechtlicher Schutz der Fotografie .......................... 260 2.5.2 Einschränkungen zugunsten Dritter.................................... 261

3 Steuerökonomische Aspekte des Fotografierens ....................................... 263 3.1 Der Fotograf und die Tätigkeit des Fotografierens im Einkommensteuerrecht .................................................................. 263 3.2

Der Fotograf und das Fotografieren im Umsatzsteuerrecht ......... 268

3.3

Bilanzierung: Fotos als materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter............................................................................. 269

3.4

Fotografien als Beweismittel der Besteuerung .............................. 270

4 Zusammenfassung..................................................................................... 270

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

243

„Der Weg zur Wirklichkeit geht über Bilder.“ (Elias Canetti)

1

Problemstellung

In seiner knapp bemessenen Freizeit widmet sich Norbert Krawitz dem Wandern, Bergsteigen und Fotografieren, allesamt Aktivitäten, die aus privater, persönlicher Neigung ausgeübt werden und von betriebswirtschaftlichen und (steuer-)rechtlichen Fragen weit entfernt scheinen1. Vorgänge der Realität sind aber regelmäßig mit Recht und Ökonomie verknüpft. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die komplexe Lebenswirklichkeit zum Sachverhalt zu verdichten und nach zweckadäquaten und fairen Lösungen zu suchen. Auch das Filtern von Sachverhaltsmerkmalen ist wie das Fotografieren ein Prozess des Abbildens von Vorgängen und Zuständen der Wirklichkeit – externe Rechnungslegung und Prüfung sind Wissenschaftsbereiche der Betriebswirtschaftslehre, in denen nach klaren, verständlichen und verlässlichen Abbildungslösungen gesucht wird2. Wir versuchen im Beitrag einen Brückenschlag zwischen einerseits dem Fotografieren als Aktivität, der Fotografie als (greifbares) Resultat, den handelnden Personen und andererseits dem Recht und der Steuerökonomie. Wie so oft handelt es sich um die Bearbeitung von Mehrebenenproblemen, die nur disziplinenübergreifend zu lösen sind3. Die Fotografie hat im Laufe der Tätigkeit des Jubilars als Hochschullehrer eine rasante und vielschichtige Entwicklung genommen, die hier nur ansatzweise skizziert werden kann. Wenn wir dabei auf den Apparat, das Medium und auf das Ergebnis schauen, erkennen wir in allen drei Bereichen fundamentale Veränderungen. Die neunzehnte Auflage der Brockhaus-Enzyklopädie aus dem Jahr 1992 definiert die Fotografie i. e. S. als Herstellung dauerhafter Abbildungen 1

2

3

Vgl. Krawitz, Diagonal 1998, S. 287-294: „OFFICIUM MEUM EST PONTIFICIUM“ und Diagonal 2000, Heft 2, S. 71-79: „Diagonal durch Deutschland“. Vgl. Krawitz, in: Bonner Handbuch Rechnungslegung, hrsg. v. Hofbauer/Kupsch, Bonn 1986 ff., Kommentierung zu § 289 HGB, 38. Erg.lfg. 2007; vgl. Krawitz/Leukel, Die Abbildung von Unternehmensfusionen in der Rechnungslegung - Rechtliche Möglichkeiten und Analyse ausgewählter Fälle mit deutscher Beteiligung -, KoR 2001, S. 91 ff.; vgl. Krawitz/Hartmann, Aktueller handelsrechtlicher Lage- und Konzernlagebericht im Rahmen eines IAS/IFRSAbschlusses, WPg 2006, S. 1262-1270; vgl. Krawitz/Kalbitzer, Beratung hinsichtlich Gestaltung und Abbildung ausgewählter Sachverhalte gemäß IFRS, hrsg. v. Freidank, Carl-Christian und Peemöller, Volker H., Berlin 2008, S. 563-578. Vgl. schon Marx/Simon, Ökonomische und juristische Anmerkungen zu Johann Peter Hebels „Merkwürdiges Rechnungsexempel aus der Regula Societatis“, in: Brähler/Lösel (Hrsg.), Deutsches und Internationales Steuerrecht, Gegenwart und Zukunft, FS Djanani, Wiesbaden 2008, S. 205-224.

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Franz Jürgen Marx / Erika Simon

von Gegenständen durch die unmittelbare Einwirkung von Licht mit Hilfe optischer Systeme in photographischen Kameras sowie das dadurch erzeugte Bild (Photo, Lichtbild) 4. Beschrieben wird sodann das von H. F. Talbot im Jahre 1834 entwickelte klassische Verfahren der Silber-Photographie, das auf der Lichtempfindlichkeit von Silberhalogeniden beruht, die unter dem Einfluss der Belichtung und eines anschließenden chemischen Prozesses ein Bildnegativ erzeugen, welches anschließend in ein Positiv, meist auf Photopapier, umgewandelt wird. Dieses Verfahren der analogen Fotografie wurde seitdem vielfach verfeinert und verbessert, am Grundprinzip änderte sich jedoch nichts bis zum Einzug der Elektronik in der Fotografie5. Zu Beginn der achtziger Jahre waren die Kameras schon mit elektronischen Elementen zur Steuerung ausgestattet, die Belichtungsmessung erfolgte durch das Objektiv (Through-the-lens, TTL) und auch das Fokussieren wurde automatisiert. Die erste Digitalkamera wurde 1981 auf der Photokina vorgestellt, die maximal fünfzig Fotos mit einer Auflösung von weniger als 0,3 Megapixel digital erfassen konnte, um sie dann auf speziellen Zwei-Zoll-Disketten als analoges Video-Standbild abzuspeichern. Zur Anzeige der Bilder war ein eigenes Abspielgerät notwendig, das an den Fernseher angeschlossen werden musste. Im Laufe der Jahre wurde die computergestützte Bildbearbeitung immer weiter verbessert, die Leistungsfähigkeit der Kameras hat sich deutlich erhöht. Bei der Digitalfotografie entstehen Daten, die elektromagnetisch oder optisch in einem standardisierten Grafikformat gespeichert werden. Während bislang versucht wurde das Digitalfoto so aussehen zu lassen wie ein analoges Bild, sind die Hochleistungsrechner, die heute bereits in Digitalkameras stecken, inzwischen zu viel mehr in der Lage. So kann die Kamera ein Foto aufnehmen und intern so aufbereiten, dass es wie ein Gemälde aussieht. Inzwischen verschwinden auch die Grenzen zwischen Fotografie und Film, digitale Spiegelreflexkameras verfügen über eine HD-Movie-Funktion. Damit wird auch bereits deutlich, dass sich das Ergebnis des Fotografierens ebenfalls stark gewandelt hat: vom Farbnegativfilm und dem Papierbild oder Dia hin zu Chips, digitaler Speicherung und Bildbearbeitung am Computer mit anschließendem Ausdruck oder schier grenzenlosen Möglichkeiten der Archivierung. Auch das Berufsbild des Fotografen hat sich seit Anfang der achtziger Jahre erheblich gewandelt. Es handelt sich zwar nach wie vor um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, der inzwischen zu den zulassungsfreien Handwerken gehört6. Er kann ohne Meisterbrief ausgeübt werden, eine Eintragung in die 4 5 6

Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 1992, Bd. XVII, S. 126 r, Sp. (verkürzt wiedergegeben). Vgl. John Hedgecoe’s New Book of Photography, London 1994, passim. Vgl. § 18 Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 24.12.2003, BGBl. I S. 2934.

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

245

Handwerksrolle ist aber nach wie vor erforderlich. Die Berufsbezeichnungen Foto- und medientechnische Assistenten, Fotoingenieure und Fotolaboranten zeigen die Vielfalt der Berufsbilder, die mit der Fotografie zusammenhängen. Darüber hinaus gibt es Diplom-, Bachelor- und Masterstudiengänge „Fotografie“, die die künstlerisch-ästhetische Ausbildung in den Vordergrund stellen oder aber strategische und technische Aspekte. Die Berufsbezeichnungen „Bildreporter“ und „Bildberichterstatter“ sowie „Fotoartisten“ sind nicht geschützt. Fotografen, Fotografien, Modelle und Recht: ein weites Feld, in dem es um die Aufnahme, Gestaltung und Verwertung von Fotografien geht und das viele Facetten aufweist sowie interessante Zusammenhänge bereithält. Es ist auch ein Spannungsfeld zwischen den Rechten des Fotografen einerseits und seinen Modellen oder den Berechtigten an den fotografierten Objekten andererseits, das einem steten Wandel unterworfen und damit juristisch bei weitem nicht „festgesteckt“ ist. Der Beitrag kann nur anreißen, nicht vertiefen und erhebt an keiner Stelle Anspruch auf Vollständigkeit. Lenken wir zunächst unseren Blick auf den Fotografen, oder genauer gesagt: auf sein Tun. Wir schauen uns an, inwieweit das Fotografieren oder auch die Verwertung einer Fotografie in Abgrenzung zu den Rechten anderer Personen rechtlichen Schutz genießt. Sodann wenden wir uns dem Ergebnis der Bemühungen, der Fotografie und ihrem rechtlichen Schutz, zu. Der dritte Abschnitt des Beitrags ist steuerökonomischen Aspekten des Fotografierens gewidmet. 2

Rechtswissenschaftliche Aspekte des Fotografierens

2.1

Das Recht zu fotografieren, zur Verbreitung und Zurschaustellung der Fotografie

Verfassungsrechtlich wird das Fotografieren vom Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Informationsfreiheit erfasst, soweit es als Hobby betrieben wird. Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG7) und das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Der professionelle Fotograf kann sich zudem auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen, wonach die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film gewährleistet werden. Die Grenzen dieser Rechte finden sich in den Rechten anderer (vgl. Art. 2 Abs. 1 2. Hs. GG) und in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Die Grundrechte der Pressefreiheit und des Rechts auf die freie 7

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das durch das Gesetz vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2248) geändert worden ist.

246

Franz Jürgen Marx / Erika Simon

Entfaltung der Persönlichkeit sind also nicht vorbehaltlos gewährleistet, wobei die freiheitsbeschränkenden Gesetze „im Lichte des Grundrechts“ zu interpretieren sind8. Das bedeutet beispielsweise, dass die §§ 22, 23 KUG9, in denen es um das Recht am eigenen Bild und dessen Einschränkungen geht und die im folgenden Abschnitt einer näheren Betrachtung unterzogen werden, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Pressefreiheit berühren und diese Rechte daher bei der Auslegung und Anwendung der genannten Normen zu berücksichtigen sind. Wer oder was fotografiert werden darf und welche Fotografien verbreitet werden dürfen, hängt im Wesentlichen vom Motiv, vom Willen des Fotografierten oder des Inhabers der Rechte am Objekt und von den äußeren Umständen ab, unter denen fotografiert wird. 2.2

Das Fotografieren von Personen

2.2.1

Gesetzliche Fotografierverbote

Der Fotograf ist auf der Suche nach passenden Motiven, und Menschen gehören seit jeher dazu. Jede Fotografie berührt allerdings das allgemeine Persönlichkeitsrecht der darauf abgebildeten Person(en). Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das seine positivrechtliche Grundlage in den Artikeln 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG hat10. Es gewährt der einzelnen Person das Recht, ihr Leben gegen den Einblick der Öffentlichkeit abzuschirmen, und schützt auch und gerade die Entwicklung und Wahrung der Individualität, eine autonome Lebensgestaltung und das Recht, in ihrem Privatbereich „für sich zu sein“11, was das Recht am eigenen Bild einschließt12. Es wundert daher nicht, dass, seit es die Möglichkeit des Fotografierens gibt, sich die Rechtsprechung und dann auch die Gesetzgebung mit der Problematik beschäftigt, die durch das (unerwünschte) Fotografieren von Personen und die Veröffentlichung der Fotografien hervorgerufen wird. Viele Fotografen sind der Meinung, dass das Fotografieren als solches unproblematisch sei und erst eine spätere Veröffentlichung von Fotografien rechtliche 8

9

10

11 12

Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, z.B. BVerfGE 20, S. 174 f., BVerfGE 101, S. 361. Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 440-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 3 § 31 des Gesetzes vom 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) geändert worden ist. Zuletzt geändert durch Art. 3 § 31 G v. 16.2.2001 I 266. G aufgeh. durch § 141 Nr. 5 G v. 9.9.1965, I 1273 m.W.v. 1.1.1966, soweit es nicht den Schutz von Bildnissen betrifft. Art. 1 Abs. 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ BVerfGE 27, S. 1, 6. BVerfGE 34, S. 238, 246; 101, S. 361, 380 ff.

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

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Probleme aufwerfen könne. Tatsächlich gibt es aber gesetzliche Verbote zu fotografieren, die unabhängig davon gelten, ob die Aufnahme zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden soll oder nicht. Genannt seien an dieser Stelle zwei Normen. § 169 S. 2 GVG13 erklärt es für unzulässig, in öffentlichen Gerichtsverhandlungen (u. a.) Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts herzustellen. Zwar wird das Fotografieren vom Wortlaut der Norm nicht erfasst. Dennoch kann zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten ein Verbot, während einer Hauptverhandlung zu fotografieren, sitzungspolizeilich angeordnet werden14, wobei dieses Verbot auch auf § 169 S. 2 GVG gestützt wird, der insoweit lückenhaft ist15. Mit der Verfassung in Einklang stehen nach Auffassung des BVerfG auch Verfügungen des Vorsitzenden Richters, die in besonderen Gefährdungslagen Pressefotografien im Sitzungsbereich untersagen16. Und obwohl das Aufnahmeverbot des § 169 S. 2 GVG nicht außerhalb der Verhandlungen gilt, können der Vorsitzende mit sitzungspolizeilichen Anordnungen oder der Gerichtspräsident als Inhaber des Hausrechts ein allgemeines Fotografierverbot erlassen17, um Verfahrensbeteiligte vor dem Zugriff der Medien zu schützen. Hierbei sind das Informationsinteresse der Allgemeinheit und die Rundfunkfreiheit gegenüber den schutzwürdigen Persönlichkeitsbelangen der Beteiligten abzuwägen. Allerdings wird eine Berichterstattung nicht gänzlich ausgeschlossen: Von dem durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Interesse an einer Berichterstattung ist die bildliche Dokumentation des Erscheinens und der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal umfasst18, soweit das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten nicht verletzt und er anonymisiert dargestellt wird19. Während das soeben dargestellte Verbot in aller Regel den Berufsfotografen in seiner Tätigkeit einschränkt, ist § 201a StGB20 auch für den Hobbyfotografen von Bedeutung. Danach ist das unbefugte Fotografieren von Personen sowie der Versuch strafbar, wenn die Personen sich in Räumen aufhalten, die „gegen Ein13

14 15

16 17 18 19 20

Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.5.1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.10.2008 (BGBl. I S. 2122) m.W.v. 12.12.2008. Stand: 1.4.2009 aufgrund Gesetzes vom 17.6.2008 (BGBl. I S. 1010). Vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 169, Rz.15 und § 176, Rz.15; Maul, MDR 1970, S.188. Zum Grundsatz der Öffentlichkeit und deren Ausschluss im Steuerprozess vgl. Jesse, DB 2008, S. 1994 ff. BVerfG NJW 1996, S. 310. BGHSt 23, S. 123, 125 f. BVerfGK 10, S. 435, 438. Vgl. BVerfGE 119, S. 309, 326; BVerfG NJW 2009, S. 350 f. Strafgesetzbuch i.d.F. der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31.10.2008 (BGBl. I S. 2149) m.W.v. 05.11.2008. Stand: 01.01.2009 aufgrund Gesetzes vom 19.02.2007 (BGBl. I S. 122)

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blick besonders geschützt“ sind, und dadurch deren höchstpersönlicher Lebensbereich verletzt wird21. Zu diesen gegen Einblick besonders geschützten Räumen zählen die Wohnung der Abgebildeten, aber auch Umkleidekabinen22 oder Toiletten23. 2.2.2

Umfang und Grenzen des Rechts am eigenen Bild

Bereits 1899 gab das Reichsgericht (RG)24 den Kindern des 1898 verstorbenen ersten Reichskanzlers des deutschen Kaiserreichs, Fürst Otto von Bismarck, einen Anspruch auf Vernichtung sämtlicher Fotografien, die die beklagten Fotografen von der Leiche Bismarcks hergestellt hatten, sowie – bis zur Vernichtung – auf Unterlassung der Verbreitung der Fotografie. Die Fotografen waren widerrechtlich in das Zimmer eingedrungen, in welchem die Leiche aufgebahrt war. Da zu diesem Zeitpunkt weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch das Recht am eigenen Bild juristische Kategorien darstellten, hatte das RG Mühe, einen Anspruch auf Verhinderung der Veröffentlichung der Fotografien und deren Vernichtung zu finden. So wandte es einen Kondiktionsanspruch, der im römischen Recht auf Herausgabe körperlicher Sachen, die infolge eines Hausfriedensbruchs erlangt wurden, gerichtet war25, entsprechend auf den Fall einer „widerrechtlichen, tatsächlichen Entziehung anderer Machtbefugnisse und Aneignung der entsprechenden Vorteile“26 an. „Solche photographische Aufnahme eines umfriedeten Raumes und folgeweise deren Veröffentlichung zu hindern hat der Inhaber des Hausrechtes an sich das Recht und die Macht …“27, führte das Gericht aus. Heutzutage ist die Frage, welche Personen fotografiert und welche Aufnahmen veröffentlicht werden dürfen, angesichts der Vielzahl an Presseerzeugnissen ein Dauerbrenner. Das Recht am eigenen Bild hat, ausgelöst durch verschiedene „Prinzessin Caroline28-Entscheidungen“ des BGH29, des BVerfG30 und des Euro21 22 23 24 25 26 27 28

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Vgl. zur Kritik an dem wenig bestimmten Begriff Borgmann NJW 2004, S. 2133, 2134. Vgl. dazu BGH NJW 1974, S. 1947. Borgmann, NJW 2004, S. 2133, 2134. RGZ 45, S. 170 ff. 1.6 Dig. de cond. ob turp. c. 12, 5 und 1.6 § 5 1.25 Dig. de act. rer. am. 25,2. RGZ 45, S. 170, 174. RGZ 45, S. 170, 173. Caroline Louise Marguerite Prinzessin von Hannover, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg, Prinzessin von Monaco, geborene Caroline Louise Marguerite Grimaldi (* 23. Januar 1957 in Monaco), Tochter von Fürst Rainier III. von Monaco und Fürstin Gracia Patricia, die von der Öffentlichkeit und den Medien seit ihrer Kindheit üblicherweise als „Prinzessin Caroline“ bezeichnet wird, hat mehrfach gegen die Veröffentlichung von Fotos, die sie oder ihre Kinder zeigen, in Boulevardpresseerzeugnissen geklagt. BGHZ 171, S. 275; 131, S. 332; 158, S. 218; BGH VersR 2005, S. 84; VersR 2006, S. 274. BVerfGE 97, S. 125; 101, S. 361; NJW 2008, S. 1793.

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päischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)31, in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung erlebt. Schauen wir uns Umfang und Grenzen des Rechts am eigenen Bild an. Das Recht am eigenen Bild ist ein Persönlichkeitsrecht zum Schutz vor ungewollter Darstellung. Daher ist nicht die Fotografie als solche sein Gegenstand, sondern (nur) das Erscheinungsbild des Abgebildeten. Und allein diesem steht (grundsätzlich) die Befugnis zu, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird32. Gem. § 22 KUG dürfen Bildnisse daher nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Im Ergebnis wirkt sich das Recht am eigenen Bild als Einschränkung der Rechte des Bildurhebers oder Lichtbildners33 aus, da die Verwertung des Bildes seitens des Abgebildeten verhindert werden kann. Die Einwilligung ist die vorherige Zustimmung (§ 183 BGB34) des Abgebildeten in die Verbreitung und Zurschaustellung35. Dabei ist ihre Reichweite durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB nach den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln36. Liegt eine Einwilligung vor, darf der Fotograf die Aufnahme in dem Umfang verwenden, in welchen die Person eingewilligt hat. Hat also beispielsweise die abgebildete Person in die Veröffentlichung eines Nacktfotos in einem Biologieschulbuch eingewilligt, umfasst die Einwilligung nicht die Wiedergabe des Fotos in einem kritischen Fernsehbericht zur Sexualkunde37. Eine Zuwiderhandlung gegen die Einwilligung in ihrer konkreten Gestalt verletzt das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person38. Das Fotografieren ohne Wissen der fotografierten Person macht den Reiz vieler Fotografien aus. Diese wirken natürlich und ungekünstelt. Der Fotograf Henri Cartier-Bresson39 beispielsweise wäre mit seinen fotografierten Straßenszenen nie berühmt geworden, wenn es nicht das (eingeschränkte) Recht des Fotografen 31 32 33 34

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36 37 38 39

EGMR NJW 2004, S. 2647. St. Rspr. BGHZ 131, S. 332, 336. S. zu dieser Unterscheidung die Ausführungen unten. Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.1.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das durch Artikel 4 Absatz 10 des Gesetzes vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2713) geändert worden ist. Vgl. zur Rechtsnatur der Einwilligung [empfangsbedürftige Willenserklärung] OLG München ZUM 2001, S. 708; OLG Hamburg AfP 1995, S. 508; Frömming/Peters, NJW 1996, S. 958; Helle, S. 117; Löffler/Ricker, 43.Kap. Rz. 6; Prinz/Peters § 22 KUG, Rz. 248; Fricke in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 22 KUG, Rz. 13; a. A. [Realakt] BGH NJW 1974, S. 1947; Löffler/Steffen § 6 LPG Rn. 124 m.w.N. BGH GRUR 1956, S. 427, 428; GRUR 2005, S. 74, 75. BGH GRUR 1985, S. 308. Vgl. Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, Tübingen 1991, S. 118. * 22.8.1908; † 3.8.2004; franz. Fotograf, Regisseur, Schauspieler, Zeichner, Maler und Mitbegründer der Fotoagentur Magnum Photos.

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gäbe, ohne Einwilligung hergestellte Fotografien von Personen zu verbreiten und zur Schau zu stellen. Unproblematisch ist die Verwendung einer Fotografie, wenn es sich nicht um ein Bildnis handelt. Denn ein solches liegt nur vor, wenn ein Mensch in seiner äußeren Erscheinung bildlich dargestellt wird und die abgebildete Person erkennbar ist40. Die Frage wird insbesondere im Zusammenhang mit dem Balken diskutiert, der die Augen der abgebildeten Person verdeckt. Zumindest bei allgemein in der Öffentlichkeit bekannten Persönlichkeiten hindert der Augenbalken aber nicht die Erkennbarkeit41. Fehlt es an der Erkennbarkeit, darf der Fotograf die Fotografie (jedenfalls) verwenden.

Abbildung 1 „Derrière la Gare Saint Lazare“, Gare Saint Lazare, Paris, 1932, Fotograf H. Cartier-Bresson Aber auch Bildnisse dürfen unter bestimmten Voraussetzungen verbreitet und zur Schau gestellt werden. Insgesamt vier Ausnahmetatbestände, nach denen eine Fotografie auch ohne Einwilligung verbreitet werden darf, sieht § 23 Abs. 1

40 41

LG Berlin, AfP 1997, S. 732; OLG Frankfurt NJW 1992, S. 441, 442. LG Berlin, NJW 1996, S. 1142; Zentai, ZUM 2003, S. 364.

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KUG vor, es sei denn, dass hierdurch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Es handelt sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk erscheinen, Bilder von Versammlungen und Aufzügen sowie Bilder, welche nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst gilt. An dieser Stelle soll aus dem Ausnahmenkatalog des § 23 KUG allein den Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte (Abs. 1 Nr. 1) Aufmerksamkeit geschenkt werden, da es sich hierbei um die in der Praxis häufigste Ausnahme handelt, wenn es um das Recht am eigenen Bild und die Veröffentlichung von Fotografien geht. Die mediale Berichterstattung der Regenbogenpresse findet hier (nicht immer) die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung von Bildern. Es stellt sich zunächst die Frage, wann ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt, sodann, ob durch das veröffentlichte Foto ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Umstritten ist dabei die Veröffentlichung von Fotografien, die Prominente in privaten oder alltäglichen Zusammenhängen zeigen. Hier kollidieren das Persönlichkeitsrecht und das in Art. 8 EMRK42 verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens mit der Pressefreiheit und der durch Art.10 EMRK gewährleisteten Äußerungsfreiheit und den Freiheiten der Übermittlung und des Empfangs von Informationen und Meinungen. Der Schutz des Art. 10 I EMRK schließt insb. die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen zur Bebilderung einer Medienberichterstattung ein43. Der BGH44 hat, gebilligt durch das BVerfG45, nach der Entscheidung des EMRG46 die rechtliche Beurteilung der Voraussetzungen der §§ 22 KUG ff. im Vergleich zur bisherigen Rechtsprechung modifiziert. Das Gericht hat die bisher genutzte Rechtsfigur der absoluten und der relativen Person der Zeitgeschichte aufgegeben47 und sucht die Lösung des Falles nunmehr allein im Rahmen einer Interessengewichtung und -abwägung. Folgende Kriterien werden dabei zugrunde gelegt: Es wird daran festgehalten, dass sich der Kreis berechtigter Informationsinteressen der Öffentlichkeit im Falle prominenter Personen auch auf die Normalität

42

43 44 45 46 47

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. 1958/210 samt Zusatzprotokoll vom 20.3.1952, GBBl 1958/210 und österreichischem Vorbehalt zur MRK. EGMR NJW 2004, S. 2647; BVerfG NJW 2008, S. 1793, 1795 m. w. N. BGHZ 171, S. 275. BVerfG NJW 2008, S. 1793, 1798. EGMR NJW 2004, S. 2647. Vgl. dazu Zentai, ZUM 2003, S. 363, 364 f. m.w.N.

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des Alltagslebens bezieht, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann48. Dabei kann Meinungsbildung auch in unterhaltenden Beiträgen stattfinden49. Unterhaltung ist ein wesentlicher Bestandteil der Medienbetätigung, der am Schutz der Pressefreiheit teilhat50. Sie kann Realitätsbilder vermitteln und Gesprächsgegenstände zur Verfügung stellen, an die sich Diskussionsprozesse anschließen können, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen. Insoweit erfüllt sie wichtige gesellschaftliche Funktionen51. Danach ergibt sich also keine Beschränkung der einwilligungsfreien Veröffentlichung auf Bilder, die Prominente (ausschließlich) bei der Ausübung der Funktion zeigen, die sie in der Gesellschaft wahrnehmen. Ein die Belange des Persönlichkeitsschutzes überwiegendes Informationsinteresse kann auch an der Darstellung zeittypischer Zustände und Lebenslagen bestehen und die Darstellung des Privat- und Alltagslebens prominenter Personen muss nicht ausgenommen werden, soweit sie von allgemeinem Interesse ist52. Obwohl also der Schutzbereich der Pressefreiheit auch unterhaltende Beiträge über das Privat- und Alltagsleben von Prominenten und ihres sozialen Umfelds umfasst, bedarf es doch gerade bei unterhaltenden Inhalten der abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen53. Soweit das Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist sein Informationswert im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln54. So kann ein Bild einen Wortbericht ergänzen und auf diese Weise der Erweiterung seines Aussagegehalts dienen, es kann die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht wecken oder die belästigenden Auswirkungen für die betroffenen prominenten Personen vermeiden, die einträten, wäre die Bebilderung eines Berichts allein mit im Kontext des berichteten Geschehens gewonnenen Bildnissen zulässig55. Wenn allerdings der begleitende Bericht nur irgendeinen Anlass für die Abbildung schaffen soll, so fehlt es an einem Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. An dieser Stelle hat der Persönlichkeitsschutz Vorrang vor dem Veröffentlichungsinteresse56. Die abgebildete Person hat ein berechtigtes Interesse daran, dass eine Verbreitung und Zurschaustellung unterbleibt.

48 49 50 51 52 53 54 55 56

BVerfG NJW 2008, S. 1793, 1796; BVerGE 101, S. 361, 390. BVerfGE 101, S. 361, 390. BVerfG NJW 2008, S. 1793, 1796; BVerfGE 101, S. 361, 390; BVerfGE 35, S. 202, 222. BVerfG NJW 2008, S. 1793, 1796. BGHZ 171, S. 275, 290. BVerfG NJW 2008, S. 1793, 1796. BGHZ 158, S. 218; BGH NJW 2005, S. 594, 595 f. Vgl. BVerfG NJW 2001, S. 1921, 1924. BVerfG NJW 2008, S. 1793, 1797.

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Gem. § 24 KUG dürfen zum Zwecke der Rechtspflege von den Strafverfolgungsbehörden bei der Fahndung nach Straftätern Bildnisse ohne Einwilligung des Abgebildeten, aber auch des Berechtigten vervielfältigt, verbreitet und zur Schau gestellt werden. Obwohl die Norm – anders als der vorgenannte § 23 KUG – keine weitere Interessenabwägung vorsieht, unterliegt § 24 KUG als Ermächtigungsgrundlage für behördliches Handeln dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz57. Daher greift die Vorschrift nur bei schweren Straftaten58. 2.3

Das Fotografieren von in fremdem Eigentum stehenden Sachen

Soweit sich Rechtsprechung und Lehre mit der Frage befassen, ob durch das Fotografieren selbst das Eigentum an der fotografierten Sache oder das Eigentum an dem Grundstück, auf dem sich die fotografierte Sache befindet, beeinträchtigt werden, wird der (technische) Vorgang der Herstellung der Fotografie einer rechtlichen Bewertung unterzogen. Dabei werden bisher drei Fallkonstellationen diskutiert: das Fotografieren einer öffentlich sichtbaren Sache, insb. einer von einer öffentlichen Straße aus sichtbaren Häuserfassade, das Fotografieren von Sachen, die allgemein zugänglich sind (d. h. für den Publikumsverkehr geöffnet, wie etwa ein Supermarkt oder ein Zoo) sowie das Fotografieren von Sachen, die nicht frei zugänglich sind, wobei im Mittelpunkt der eigentumsrechtlichen Betrachtungen bei den beiden zuerst genannten Fallkonstellationen weniger das Fotografieren, als vielmehr die anschließende kommerzielle Verwertung der hergestellten Fotografie steht, mit der der Eigentümer der fotografierten Sache entweder nicht einverstanden ist oder an der er aus wirtschaftlichen Gründen partizipieren möchte. So ist also die Frage der Eigentumswidrigkeit des Fotografierens meist nur eine Vorfrage. Das Begehren der Kläger ist in der Regel durch ihr Interesse an der Herausgabe des durch die „Vermarktung“ der Fotografie erzielten Gewinns nach Bereicherungsrecht geprägt. Es überrascht daher nicht, dass das Fotografieren und die anschließende Verwendung der Fotografie nicht immer getrennt voneinander betrachtet werden. Dies gilt insbesondere für die Einbeziehung des (privaten oder gewerblichen) Zwecks in die „Verletzungshandlung“, durch die die beiden Vorgänge des Fotografierens und ihrer Verwendung als eine Einheit angesehen werden. So fließen in die Bewertung der Herstellung einer Fotografie auch Aspekte ein, die sich bereits auf ihre spätere Verwendung beziehen.

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Vgl. Lampe NJW 1973, S. 218; Fricke in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, § 24 KUG, Rz. 2. Im Ergebnis auch OLG Hamm GRUR 1993, S. 154, 155. OLG Frankfurt NJW 1971, S. 47, 49; OLG Hamm NJW 1982, S. 458.

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Da es beim Fotografiervorgang an einer Einwirkung auf die fotografierte Sache fehlt59, lässt sich das Fotografieren nicht als Eigentumsbeeinträchtigung i. S. d. § 1004 I BGB oder als Eigentumsverletzung gem. § 823 I BGB an der fotografierten Sache verbieten60. Ist also eine Sache (in der kein Werk i. S. d. Urheberrechts verkörpert ist) in der Öffentlichkeit sichtbar, kann diese ohne Einschränkung fotografiert und die Fotografie z. B. als Kalenderbild verbreitet werden. Wer hingegen eine Aufnahme in einem umgrenzten Raum machen möchte, wie zum Beispiel in öffentlichen Gebäuden (Behörden, Museen61 etc.), Konzertsälen und -hallen, Parkanlagen, aber auch in privaten Häusern oder auf Sportplätzen, bedarf hierfür der Einwilligung des jeweiligen Inhabers des Hausrechts, also entweder des Eigentümers oder des Besitzers. Es ist ein Teil des Hausrechts, dass der Inhaber Vorgaben darüber machen kann, wie sich jemand innerhalb seines Herrschaftsbereiches zu verhalten hat, und damit auch, ob in seinem Haus oder auf seinem Gelände bzw. unter welchen Bedingungen dort fotografiert werden darf. Zwei Beispiele sollen aufzeigen, dass auch an dieser Stelle Abgrenzungsfragen entstehen: Unstrittig kann eine solche Einwilligung auf bestimmte Nutzungszwecke beschränkt werden. Fotoamateuren wird im Regelfall eine Erlaubnis unter der Bedingung erteilt, dass die Fotos nur für den privaten Gebrauch bestimmt sind62. Viele Museen schränken aber auch diese Möglichkeit ein, um so besser die eigenen Postkarten und Kataloge verkaufen zu können. An dieser Stelle gerät diese auf das Hausrecht gestützte Einschränkung allerdings in Kollision zu den Regeln des Urheberrechts, wenn und soweit ein Werk i. S. d. Urheberrechts ausgestellt ist. Denn gem. § 53 UrhG dürfen Vervielfältigungen von Werken zum privaten Gebrauch und zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch hergestellt werden. Zumindest wenn es sich um ein in öffentlicher Hand befindliches Museum handelt, ist es zweifelhaft, ob eine solche auf das Hausrecht gestützte Einschränkung erlaubt ist. Diese Museen haben den öffentlichen Auftrag, Kulturgüter zugänglich zu machen. Mit diesem Auftrag unvereinbar ist eine Übergehung des § 53 UrhG aus kommerziellen Gründen. In verschiedenen Fällen ging es um die Frage, ob die Verwertung einer Fotografie, die auf einem fremden Grundstück hergestellt worden war, in das Eigentum 59

60

61 62

BGHZ 44, S. 288, 293; KG, WRP 1974, S. 407; Müller, Sachenrecht, Rz. 717; Schmieder NJW 1975, S. 1164. So im Ergebnis wohl auch Pfister, JZ 1976, S. 156, 157. So im Ergebnis BGH NJW 1989, S. 2251, 2252; OLG Bremen, NJW 1987, S. 1420; Staudinger-Gursky, § 1004, Rz. 78; Schmieder, NJW 1975, S. 1164; Löhr, WRP 1975, S. 524. S. dazu allerdings noch die Ausführungen unten. Vgl. etwa BGH NJW 1975, S. 778: „stillschweigende Erlaubnis zum Fotografieren zu privaten Zwecken“.

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des Grundeigentümers eingreift mit der Folge, dass er an dem Gewinn, der aus der Verwertung gezogen worden war, zu beteiligen war. Dies hat der BGH in der sog. „Schloss Tegel-Entscheidung63“, in der es um die Veröffentlichung und den Vertrieb einer Fotografie als Ansichtspostkarte ging, bejaht. Das Gericht knüpfte in seiner Urteilsbegründung an die Sachherrschaft des Eigentümers an. Da das Gebäude nur nach Betreten des Grundstücks fotografiert werden konnte, meinte der BGH, der Eigentümer habe dann aufgrund seiner Sachherrschaft die rechtliche und tatsächliche Macht, zu bestimmen, ob andere Personen auf seinem Gelände Aufnahmen anfertigen dürften. Da es dem Eigentümer grundsätzlich freistehe, den Zutritt zu verbieten oder doch nur unter der Bedingung zu gewähren, dass auf dem Grundstück nicht fotografiert werde, enthalte eine erteilte Fotografiererlaubnis in Fällen der vorliegenden Art eine stillschweigende Einschränkung auf Aufnahmen für private Zwecke64. Wer die Fotografie unter diesen Umständen kommerziell nutzt, ist ungerechtfertigt bereichert und hat die Bereicherung an den Eigentümer der fotografierten Sache herauszugeben. Die Überlegungen zur Eigentumsbeeinträchtigung durch das Fotografieren auf einem Grundstück dienen letztlich dem Zweck, den Gewinn, der durch die gewerbliche Verwertung der Fotografie erzielt werden kann, dem Eigentümer der fotografierten Sache zukommen zu lassen. Aus ökonomischer Sicht ist dies nachvollziehbar. Aus rechtlicher Sicht ist dies zweifelhaft. Das Eigentum schützt das Recht des Eigentümers mit der Sache, also einem körperlichen Gegenstand, nach Belieben zu verfahren. Durch die Verwertung einer Fotografie wird in diesen geschützten Bereich nicht eingegriffen, auch wenn die Fotografie nur durch das Eindringen in den räumlichen Schutzbereich möglich ist und der Eigentümer sich hiergegen rechtlich und faktisch wehren kann. Auf diese Weise schafft man eine Verhaltensweise mit vergeistigtem Inhalt, wie sie Gegenstand von Persönlichkeits- oder Urheberrechten ist65. Die Schöpfung von Ausschließungsrechten bleibt aber dem Gesetzgeber vorbehalten66. 2.4

Das Fotografieren von Werken

Werke genießen urheberrechtlichen Schutz gegen die Vervielfältigung (und Verbreitung) und damit auch gegen das Fotografieren (vgl. §§ 12, 15 UrhG). Allerdings kann sich jeder Fotograf über verschiedene Ausnahmevorschriften freuen, so zum Beispiel über § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG. Nach dieser das Urheberrecht an Bauwerken einschränkenden Vorschrift dürfen „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, auch ohne Zustim63 64 65 66

BGH NJW 1975, S. 778. BGH NJW 1975, S. 778. RGRK-Steffen, § 823, Rz.18. RGRK-Steffen, § 823, Rz.18.

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mung des Urhebers hergestellt und vertrieben werden.“ Aber so einfach, wie es klingt, ist es mit der sog. Panoramafreiheit nicht in jedem Fall. Die Frage, wann die Merkmale „öffentlich“ und „bleibend“ erfüllt sind, wirft mitunter (erhebliche) Zweifel auf. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Das Merkmal „öffentlich“ verneinte der BGH in einem Fall, in dem das in Wien gelegene Hundertwasserhaus aus dem oberen Stockwerk eines gegenüberliegenden Hauses fotografiert und diese Fotografie als Poster durch das deutsche Großhandelsunternehmen Metro verbreitet worden war67.

Abbildung 2: Hundertwasserhaus in Wien, Quelle: http://www.kunsthauswien.com/de/mh/index.html Nach Auffassung des Gerichts soll § 59 UrhG es Passanten ermöglichen, das, was sie von der Straße aus mit eigenen Augen sehen könnten, u. a. als Fotografie zu betrachten. Von diesem Zweck der gesetzlichen Regelung sei es nicht mehr gedeckt, wenn der Blick von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus mit den Mitteln der Fotografie fixiert werden solle. Da der Urheber

67

Vgl. BGH Mitteilung der Pressestelle Nr. 70/2003, S. 1 (in juris.bundesgerichtshof.de).

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möglichst umfassend an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes zu beteiligen sei, sei die enge Auslegung der Schrankenbestimmung geboten68. Wendet man die Grundsätze dieser Entscheidung konsequent an, dürfen keine Aufnahmen von öffentlich zugänglichen Türmen oder von einem Restaurant in einem Hochhaus aus gemacht werden69. Und wer, wie der BGH, auf die Perspektive des Betrachters von der Straße aus abstellt, muss verneinen, dass Fotografien, die mit einem Objektiv, das nicht dem menschlichen Auge entspricht (Weitwinkel-, Teleobjektiv), hergestellt werden, nicht mehr von der Erlaubnis des § 59 UrhG gedeckt sind70. Auch durch Hilfsmittel, wie zum Beispiel eine Leiter oder ein extra hohes Stativ, verlässt er danach die Straßenperspektive. Es ist fraglich, ob dieses Ergebnis noch in Einklang mit den Zielsetzungen des § 59 Abs. 1 UrhG steht71. Auch über die Voraussetzungen des Merkmals „bleibend“ gem. § 59 Abs. 1 UrhG lässt sich streiten. Rechtsprechung und Schrifttum72 sind sich weitgehend einig, dass „bleibend“ ein für die gesamte – natürliche – Dauer seiner Existenz an einem öffentlichen Ort ausgestelltes Kunstwerk ist. Kann aber der Urheber durch Widmung das Merkmal ausschließen, indem er sich etwa die Zerstörung seines Werkes nach einem bestimmten Zeitabschnitt vorbehält? Der BGH verneint dies73 ebenso wie die entgegengesetzte Auffassung, dass unabhängig vom Willen des Künstlers ein für die gesamte Dauer seiner Existenz an einem öffentlichen Ort ausgestelltes Kunstwerk sich dort im Sinne des § 59 Abs. 1 UrhG bleibend befindet74. Bedeutsam war die Frage nach dem Merkmal „bleibend“ in einem Fall der gewerblichen Nutzung von Fotografien vom verhüllten Reichstag von Christo und Jeanne-Claude. Im Rahmen des Kunstprojekts, dessen Realisierung von 1971 bis 1995 dauerte, wurde das Reichstagsgebäude in Berlin vollständig mit Aluminium bedampftem Polypropylengewebe verhüllt75.

68 69 70 71 72

73 74 75

BGH Mitteilung der Pressestelle Nr. 70/2003, S. 1. S. dazu Scheuch, juris PR-BGHZivilR 15/2003 Anm. 5, S. 2. Ebenso Scheuch, a.a.O. Ebenso Scheuch, a.a.O. Vogel in: Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., § 59, Rz. 11; Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., Rz. 2; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., Rz. 506, jeweils m.w.N. BGHZ 150, 6, S. 11. BGHZ 150, 6, S. 11f. Vgl. Christo and Jeanne-Claude, wrapped Reichstag, Berlin 1971-1995, Köln 1996.

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Abbildung 3: Christo and Jeanne-Claude: Wrapped Reichstag, Berlin 19711995, Germany, Photo Wolfgang Volz, Copyright Christo 19952005 Hier standen Christo und Jeanne Claude nach Auffassung des BGH die Rechte an der gewerblichen Nutzung von Fotografien ausschließlich zu. Als maßgeblich sah es das Gericht an, dass die von den Künstlern geschaffene Verhüllung des Reichstages der Werkpräsentation im Sinne einer zeitlich befristeten Ausstellung gedient habe. Denn entscheidend sei der Zweck, zu dem das geschützte Werk an dem öffentlichen Ort aufgestellt worden sei. Gehe es um die Wiedergabe von Werken der bildenden Kunst, die vorübergehend auf öffentlichen Plätzen im Kontext einer Ausstellung präsentiert würden, bestehe kein Anlass zu einer Begrenzung urheberrechtlicher Befugnisse76. Im Einzelfall kann das Fotografieren eines Werks auch durch das Zitatrecht gedeckt sein77. An dieser Stelle soll kurz das sog. Bildzitat, d. h. das Zitat eines urheberrechtlich geschützten Bildes, gestreift werden, haben sich die Verfasser des vorliegenden Beitrages erlaubt, hiervon im vorliegenden Beitrag reichlich Gebrauch zu machen. Voraussetzung ist, dass das Bild nicht verändert wird und

76 77

BGHZ 150, S. 6, 11f. Urteil vom 5.6.2003 - I ZR 192/00, GRUR 2003, S. 1035-1037.

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

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eine korrekte Quellenangabe erfolgt. Ein Zitat erfordert einen Zitatzweck und eine Auseinandersetzung mit dem Bild im Text, wobei das Bild nur unverändert und mit zutreffender Quellen- bzw. Urheberangabe veröffentlicht werden darf. Aber auch hier stellt sich wieder die Frage nach den Grenzen. Dazu ein Beispiel: 1993 druckte die Frauenzeitschrift Emma ohne Genehmigung neunzehn verschiedene Fotos des berühmten Fotografen Helmut Newton78 als Beleg für die Auffassung der Herausgeberin Alice Schwarzer ab, seine Fotos seien sexistisch, rassistisch und faschistisch. Der Fotograf klagte gegen die Veröffentlichung der Bilder, das LG München79 verurteilte die EMMA-Herausgeberin zu Schadensersatzzahlungen. Warum? Das Recht zieht enge Grenzen zugunsten des Urhebers. Nur wenn Text und zitiertes Werk in unmittelbarer Beziehung zueinander stehen, muss der Urheber die entschädigungslose Vervielfältigung und Verarbeitung seiner Werke hinnehmen. Obwohl nach Auffassung des Gerichts diese Beziehung bestand, hielt es die Zahl der Zitate in einem sechsseitigen Artikel für nicht erforderlich. Die Wiedergabe fremder Werke ist aber nur so lange zulässig, wie es zum Zwecke des Zitats unbedingt erforderlich ist. Das Urteil kommt den Interessen des Fotografen entgegen. Ob es die Freiheit der Meinungsäußerung hinreichend würdigt, darf bezweifelt werden. Bilder haben im Zeitalter der Massenkommunikation eine überragende Bedeutung. Durch sie werden in sehr viel stärkerem Maße als durch gesprochene oder geschriebene Texte Informationen und Meinungen transportiert. Wer sich kritisch mit dem Werk eines Fotografen auseinandersetzen möchte, sollte nicht nur wenige Bilder zitieren dürfen, um seine Auffassung untermauern zu können. Eine weitere Ausnahme vom Vervielfältigungsverbot stellt § 53 UrhG dar. Danach dürfen geschützte Museumswerke zum privaten Gebrauch und zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch hergestellt werden. Diese Reproduktionen dürfen allerdings nicht weiterverbreitet werden. Alle Amateurfotografen ohne Verbreitungsambitionen können also aufatmen. Gem. § 64 UrhG ist der Schutz der Werke gegen Vervielfältigungen bis siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers befristet. Das auf die Erben übergegangene Recht erlischt und das Werk wird gemeinfrei. Es kann dann nach Belieben reproduziert und die Reproduktionen können verkauft werden. Da allerdings für die Reproduktion der alten Gemälde häufig neue Fotos angefertigt werden, ist es möglich, dass diese dann geschützt sind.

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Helmut Newton, ursprünglich Helmut Neustädter * 31. Oktober 1920 in Berlin, † 23. Januar 2004 in Los Angeles, war ein australischer Fotograf deutscher und jüdischer Herkunft. LG München I v. 27.07.1994, AfP 1994, S. 326.

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2.5

Der Schutz der Fotografie

2.5.1

Urheberrechtlicher Schutz der Fotografie

Die Fotografie verkörpert das Erscheinungsbild von Personen oder Sachen und kann schlicht und ergreifend Erinnerungsstück sein oder – viel mehr. Viel mehr ist sie aus Sicht des Fotografen dann, wenn der Fotograf als Urheber oder als Lichtbildner, also als Inhaber eines Leistungsschutzrechtes, durch die Vergabe von Lizenzen mit seiner Fotografie Geld verdienen kann. Schauen wir uns daher an, wie der Fotograf seine Bilder zu Geld macht und sich vor unbefugter Nutzung seiner Fotografien schützen kann. Fotoaufnahmen werden im Wesentlichen vom Urheberrecht geschützt. Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) schützt als eine persönliche geistige Schöpfung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 das sog. Lichtbildwerk. Ein Werk ist eine Fotografie dann, wenn sie eine gewisse künstlerische Gestaltungskraft und eine inhaltliche Aussage aufweist. Die Wirklichkeit wird nicht einfach abgelichtet, sondern individuell akzentuiert. Dabei kann die künstlerische Bildgestaltung etwa in der Wahl des Bildausschnitts, der Belichtungsdauer oder der Verteilung von Licht und Schatten liegen. Dem Urheber eines Werkes, d. h. der Person, die das Werk geschaffen hat, also regelmäßig der Fotograf, der die Szene gestaltet und die technischen Voraussetzungen für eine gelungene Aufnahme geschaffen hat, steht das ausschließliche Recht der Verwertung zu. Für die ihm hierzu zur Verfügung stehenden Instrumentarien enthält § 15 UrhG eine nicht abschließende Aufzählung. Insbesondere ist der Fotograf als Urheber gegen die kostenfreie Nutzung in Form der Vervielfältigung und Verbreitung seines Werkes geschützt. Dem – einfachen – Lichtbild liegt keine besondere schöpferische Leistung zugrunde, weshalb es eine bestimmte Schöpfungshöhe nicht erreicht. Das in der bloßen Ablichtung verkörperte Immaterialgut ist die mit jeder fotografischen Aufnahme verbundene technische Leistung, die keinerlei besondere Fähigkeiten voraussetzt80. Aber auch das Lichtbild ist vom Urheberrecht geschützt. § 72 UrhG erklärt die für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften der §§ 11ff. UrhG für Lichtbilder entsprechend anwendbar. Für den Schutz einer Fotografie kommt es somit nicht darauf an, ob sie künstlerisch besonders wertvoll ist oder nicht. Rechtlich sind die Lichtbildwerke den Lichtbildern gleichgestellt. Das Foto des Familienvaters von der Geburtstagsfeier ist also rechtlich in gleicher Weise wie eine Aufnahme eines berühmten Fotografen oder auch eine Werbefotografie geschützt. So kommt es auf die in der

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Allerdings wird vielfach handwerksmäßiges Können vorliegen. Vgl. BGH, GRUR 1967, S. 315 f.

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

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Praxis sicherlich meist sehr schwer zu entscheidende Frage, ob es sich um ein „Werk“ handelt, nicht an. Das bedeutet, dass jedes von einer Person geschaffene Foto, gleich zu welchem Zweck und ungeachtet der Person, diesen rechtlichen Schutz genießt. Der Urheber / Lichtbildner kann bestimmen, wie sein Werk / Lichtbild verwendet wird. Er kann festlegen, ob, wo und zu welchem Zweck es vervielfältigt, verbreitet oder ausgestellt werden darf. Werden diese Rechte des Urhebers verletzt, etwa weil die Fotografie ohne seine Zustimmung veröffentlicht oder nicht in dem vereinbarten Medium erschienen ist, kann er verlangen, dass die konkrete Form der Verwendung unterlassen wird, Schadenersatz für die unberechtigte Verwendung fordern81 und Auskunft darüber, in welchem Umfang und in welchen Medien das Foto veröffentlicht wurde82. 2.5.2

Einschränkungen zugunsten Dritter

Paul Gauguin, Paul Cézanne, Toulouse-Lautrec, Vincent van Gogh und auch Maler der Jetztzeit83: Sie ließen und lassen sich von Fotografien inspirieren und wählten und wählen diese als Vorlagen ihrer Bilder. Solange eine Umgestaltung, Veränderung, Bearbeitung und damit einhergehende Vervielfältigung privat bleibt, bewegen wir uns im rechtsfreien Raum. Zur Rechtsfrage wird eine solche Vervielfältigung, wenn sie veröffentlicht oder verwertet wird. Dann ist zu entscheiden, ob es sich um eine abhängige Bearbeitung, § 23 UrhG, oder um eine freie Benutzung eines Werkes, § 24 UrhG, handelt. Anders als die Bearbeitung oder andere Umgestaltung eines Werkes, die nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden dürfen, darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden84.

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§ 97 Abs. 1 UrhG. § 101 UrhG. Der russische Maler George Pusenkoff malte 1994 unter Verwendung eines schwarz-weißen Lichtbildes mit einem weiblichen Akt des Fotografen Helmut Newton, das dieser in einem Bildband veröffentlicht hatte, ein in einem dunklen Blau gehaltenes Bild, Acryl auf Leinwand, 185 x 210 cm, mit dem Titel „Power Of Blue“. Hierüber haben Fotograf und Maler gestritten, vgl. OLG Hamburg NJW 1996, S. 1153. Der Fotograf Alexander Englert hatte die Premiere des Theaterstücks „Endstation Sehnsucht“ im Schauspiel Frankfurt für die FAZ fotografiert. Die Malerin Xenia Hausner machte, ohne die FAZ oder den Fotografen zu fragen, Fotografien aus der FAZ zur Grundlage zweier großformatiger Acrylgemälde mit den Titeln „Außer Atem I und II“. Die Parteien haben sich verglichen. S. dazu LG München I v. 10.10.2006 (Az. 21 O 7436/06), siehe Pressemitteilung LG München I v. 10.10.2006, http://www.jurion.de/newsletter. Man ist eher geneigt, von einer freien Benutzung nach § 24 UrhG auszugehen, wenn ein einfaches Lichtbild als Vorlage für ein anderes Werk dient.

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Der Inhaber von Rechten an Fotografien sollte also wissen, gegen welche Arten der Nutzung seiner Fotografien durch andere Fotografen und Künstler, gegen welche Arten von Fotocollagen und -bearbeitungen er sich wehren kann. Und umgekehrt: In welcher Weise darf man selbst fremde Fotografien einsetzen, ohne in rechtliche Schwierigkeiten zu kommen? Dazu ist die Frage zu beantworten, wann sich von einer freien Benutzung sprechen lässt. Jede schöpferische Leistung baut letztlich in der einen oder anderen Weise auf vorbestehende kulturelle Leistungen auf. Wenn ein fremdes Werk nur als Anregung für das eigene Schaffen genutzt wird und die Wesenszüge des Originals in dem neuen Werk im Verhältnis zu den Eigenarten des neuen Werkes verblassen, lässt das Urheberrecht eine Nutzung unabhängig vom Einverständnis des Schöpfers des Ausgangswerkes zu. Ist die Aufnahme des Fotografen nur leicht verfremdet und auch inhaltlich nicht in einen völlig neuen Kontext gestellt, bleibt also ein Werk trotz Veränderung erkennbar und für das neu geschaffene Werk prägend85, hat der Urheber bei fehlendem Einverständnis Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz86.

Abbildung 4 Toulouse-Lautrec (gemeinfrei) Dem Leser wird klar sein, dass zwischen diesen beiden Regelungen eine in der Praxis nicht immer einfache und von Wertungen beeinflusste Abgrenzung und Abwägung vorzunehmen ist.

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Die Rechtsprechung nimmt auch bei einer sog. antithematischen Behandlung eines Werkes im Rahmen von Satire und Karikaturen eine freie Benutzung an, auch wenn das Originalwerk erkennbar übernommen wird. S. auch LG München I v. 10.10.2006 (Az. 21 O 7436/06), siehe Pressemitteilung LG München I v. 10.10.2006, http://www.jurion.de/newsletter zur vergleichsweise vereinbarten Nutzungslizenz und dem Anspruch auf Nennung des Fotografen bei Ausstellung des neuen Werkes.

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

3

Steuerökonomische Aspekte des Fotografierens

3.1

Der Fotograf und die Tätigkeit des Fotografierens im Einkommensteuerrecht

263

Zunächst richten wir den Blick auf den Berufsträger und dessen wirtschaftliche Betätigung, die einer steuerrechtlichen Einordnung bedarf. Die deutsche Einkommensteuer ist als Reinertragsteuer konzipiert und will die individuelle Leistungsfähigkeit erfassen. Steuerobjekt ist das Periodeneinkommen, das im Rahmen verschiedener Einkunftsarten zu ermitteln ist. Aus einkommensteuerlicher Sicht ist die Abgrenzung zwischen gewerblicher Betätigung und der selbständigen Arbeit gem. § 18 EStG seit langem umstritten87. Das Problem hat durch die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG)88 zwar an materieller Bedeutung verloren, dennoch ist eine Reihe von Rechtsfolgen von der Klassifizierung der Tätigkeit in eine bestimmte Einkunftsart abhängig89. So sind selbständig Tätige nicht verpflichtet, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen. §§ 140, 141 AO finden keine Anwendung auf diesen Personenkreis. Zwar dürfen sie freiwillig Bücher führen und Abschlüsse machen, ermitteln aber regelhaft ihren Gewinn vereinfacht durch die Gegenüberstellung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Gewinnermittler nach § 4 Abs. 3 EStG dürfen ihren Gewinn aber nur in einem kalendergleichen Wirtschaftsjahr ermitteln, ein abweichendes Wirtschaftsjahr ist ihnen verwehrt90. Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG knüpft zwar nicht an eine bestimmte Gewinneinkunftsart an, setzt aber voraus, dass der nicht entnommene und begünstigt zu besteuernde Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt wird. § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG ermöglicht die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten, soweit der Unternehmer Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt. Dies mag neben vielen anderen Unterschieden deutlich machen, dass die Kategorisierung steuerrechtlich von großer Bedeutung ist91. Werden sowohl freiberufliche als auch gewerbliche Tätigkeiten durch einen Steuerpflichtigen ausgeübt, so sind nach der Verkehrsauffassung trennbare Aktivitäten jeweils für sich zu qualifizieren. Sind sie jedoch in der Weise unlösbar verbunden, dass sie sich 87 88

89 90

91

Vgl. ausführlich Kempermann, StbJb 2002/2003, S. 379 ff. Vgl. Krawitz, Betriebswirtschaftliche Anmerkungen zum Halbeinkünfteverfahren, in: DB 2000, S. 1721-1727. Vgl. Jahn, DB 2007, S. 2613. Dies gilt auch dann, wenn in früheren Jahren fehlerhaft die Gewinnermittlung für abweichende Wirtschaftsjahre zugelassen worden ist; vgl. BFH v. 23.9.1999, DStRE 2000, S. 228. Zu weiteren Unterschieden – auch mit Blick auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit – vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., München 2009, § 18 Rz. 3.

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gegenseitig bedingen, erfolgt eine einheitliche Qualifikation als Gewerbebetrieb oder selbständige Tätigkeit92. Das Gesetz skizziert die Einkunftsarten mittels abstrakter Merkmale, die im jeweiligen Fall zu prüfen sind. Gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten liegen die Merkmale der Selbständigkeit, der Nachhaltigkeit, der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und der Gewinnerzielungsabsicht gemeinsam zugrunde93. Ohne an dieser Stelle auf die Kriterien insgesamt einzugehen, soll hervorgehoben werden, dass für beide Einkunftsarten das Streben nach einer Vermögensmehrung, d. h. auf die Erzielung positiver Einkünfte ausgerichtet ist. Dieses Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Form eines Totalgewinns ist an der jeweils zu qualifizierenden Tätigkeit anhand objektiver Kriterien zu prüfen. Die objektiven Verhältnisse sind nach der Finanzrechtsprechung Beweisanzeichen für die subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen. Hierzu rechnet etwa die Tatsache, dass die zu qualifizierende Tätigkeit von anderen Steuerpflichtigen aus privater, persönlicher Neigung ausgeübt wird94. Ebenso ist es ein Indiz fehlender Einkunftserzielungsabsicht, wenn die Tätigkeit unverändert fortgesetzt wird, obwohl sie bereits über einen längeren Zeitraum zu Verlusten geführt hat95. So hat das FG Düsseldorf das Streben nach einer Vermögensmehrung bei einer Tätigkeit verneint, die auf das Fotografieren von Eisenbahnen und auf die Anlage eines Fotoarchivs gerichtet war und über sechs Jahre jeweils mit Verlust abschloss96. Die Überschussprognose basiert auf einer in die Zukunft gerichteten langfristigen Beurteilung, für welche auch die Verhältnisse bereits abgelaufener Besteuerungsabschnitte wichtige Erkenntnisse liefern können97. Mit einer gewerblichen Tätigkeit wird allgemein zumeist ein gewisser Kapitaleinsatz verbunden, während bei der freiberuflichen Tätigkeit die eigene Arbeitsleistung des Berufsträgers dominiert. Die konkreten Ausprägungen verschiedener Tätigkeiten in der Realität zeigen aber gewerbliche Betriebe, bei denen die geistige Arbeit gegenüber dem Kapitaleinsatz dominiert, während bei manchem Freiberufler erheblicher technischer Aufwand mit großem Kapitaleinsatz anzutreffen ist98. Das Merkmal „Kapitaleinsatz“ ist für eine Abgrenzung freiberuflicher und gewerblicher Aktivitäten somit nicht geeignet. Dem Idealbild des Freiberuflers steht § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG entgegen – eine Regelung, die auf die 92 93 94

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Vgl. BFH-Urteil v. 20.12.2000, BStBl II 2002, S. 478. § 15 Abs. 2 EStG; vgl. BFH v. 30.3.1994, BStBl II 1994, S. 864. Zur problematischen Abgrenzung vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 28. Aufl., München 2009, § 15 Rz. 32. Vgl. BFH-Urteil v. 15.11.1984, BStBl II 1985, S. 205. Vgl. FG Düsseldorf, Urteil v. 26.9.2000, 17 K 4370/97 E; vgl. auch BFH-Beschluss v. 24.8.2001, XI B 152/00, NV, BeckRS 2001 25006440 Vgl. BFH v. 19.11.1985, BStBl II 1986, S. 289; BFH v. 2.6.1999, DStRE 1999, S. 824. Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., München 2009, § 18 Rz. 7.

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sog. „Vervielfältigungstheorie“ des RFH und des BFH zurückgeführt werden kann99. Danach führt die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bei Freiberuflern nicht zur gewerblichen Tätigkeit. Der Berufsträger muss dabei aber weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig sein. Für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen muss er uneingeschränkt die fachliche Verantwortung übernehmen können100. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt nicht erschöpfend freie Berufstätigkeiten auf, das kann – angesichts der Vielzahl von Aktivitäten und des schnellen Wandels in der Berufswelt – vom Gesetz nicht geleistet werden. Daher werden in der Norm zwei Gruppen unterschieden, zum einen die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit und zum anderen die sog. „Katalog-Berufstätigkeit“. Zu Letzterer rechnet sowohl die Tätigkeit der ausdrücklich aufgezählten „freien Berufe“ als auch die selbständige Arbeit in „ähnlichen Berufen“. Nach der Finanzrechtsprechung wird die Tätigkeit des Fotografen entweder als Gewerbebetrieb eingestuft oder aber als freiberufliche Tätigkeit, soweit eine künstlerische Tätigkeit oder eine Bildberichterstattung, die als journalistische Tätigkeit eingestuft wird, gegeben ist101. Eine künstlerische Tätigkeit liegt – neben anderen Voraussetzungen – nur vor, wenn der Steuerpflichtige eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht wird102. Auch nach der Rechtsprechung des BVerfG liegt das Wesentliche der künstlerischen Betätigung in der freien schöpferischen Gestaltung, die Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung bringt. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Fhantasie und Kunstverstand zusammen. Es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers103. Zur Umschreibung des Kunstbegriffs dienen die Merkmale des Schöpferischen, des

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Die „Vervielfältigungstheorie“ hat heute noch Bedeutung für die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannte sonstige selbständige Tätigkeit. Vgl. Kempermann, StbJb 2002/2003, S. 382. Vgl. BFH-Urteile v. 25.11.70, BStBl II 1970, S. 267; v. 14.12.76, BStBl II 1977, S. 474; v. 19.2.98, BStBl II 1998, S. 441. Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., München 2009, § 18 Rz. 66; vgl. auch BFH-Urteile vom 26.2.1987, BStBl II 1987, S. 376 m.w.N.; vom 22.3.1990, BStBl II 1990, S. 643, vom 23.8.1990, BStBl II 1991, S. 20 und vom 11.7.1991, BStBl II 1992, S. 413. Vgl. BVerfG-Beschluss v. 24.2.1971, BVerfGE 30, S. 173, 188 f.

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Ausdruckes persönlichen Erlebnisses, der Formgebung sowie der kommunikativen Sinnvermittlung104. Kennzeichnendes Merkmal einer künstlerischen Äußerung ist danach die Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts und die damit gegebene Möglichkeit, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutungen zu entnehmen, so dass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt105. Dieser Rechtsprechung wird im Steuerrecht durch den Prüfungsmaßstab der „gewissen künstlerischen Gestaltungshöhe“ – ebenso wie den des Vollbringens einer eigenschöpferischen Leistung, in der die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft des Künstlers zum Ausdruck kommt – Rechnung getragen. Ohne Bedeutung sind einerseits die Zielsetzung der Tätigkeit und andererseits die Verwendung des Geschaffenen. Ob die genannten Voraussetzungen einer künstlerischen Tätigkeit gegeben sind, soll stets von den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall abhängig sein, bei der der allgemeinen Verkehrsauffassung besonderes Gewicht zukommt106. So wird die Anfertigung von gestellten Bildern, insbes. die Herstellung und Überlassung von Bildern für industrielle Zwecke, in den Entscheidungen vom 20.12.1966 und vom 19.2.1998 als gewerbliche Tätigkeit qualifiziert107. Die gefertigten Bildserien gäben eine gestaltete Wirklichkeit wieder und seien zu einem dem individuellen Interesse einer bestimmten Person dienenden Zweck hergestellt108. Die Finanzrechtsprechung stellt hier auf die Verwendung des Ergebnisses der Arbeit ab, obwohl dies nach den zuvor skizzierten Grundsätzen unerheblich sein soll. Bildberichterstatter werden von der Judikative hingegen als freiberufliche Journalisten eingestuft, die an der Gestaltung des geistigen Inhalts publizistischer Medien – Zeitungen, Zeitschriften, Film, Fernsehen und Internet – mitwirken. Die Bilder, die nicht durch erklärende Texte ergänzt sein müssen, sollen die Allgemeinheit über ein weite Kreise interessierendes Thema informieren. Ihren journalistischen Charakter erhalte die Tätigkeit durch die auf individueller Beobachtung beruhende Erfassung des Bildmotivs und seines Nachrichtenwertes109. Die von der Rechtsprechung angeführte Abgrenzung vermag nicht zu überzeugen, vor allem erfasst sie bislang nicht die modernen technischen Einsatzmittel und Tätigkeitsformen.

104 105 106 107 108 109

Vgl. BVerfG-Beschluss v. 17.7.1984, BVerfGE 67, S. 213, 226, m.w.N. BVerfG-Beschluss vom 17.7.1984, BVerfGE 67, S. 213, 227. stRspr.; vgl. z.B. BFH-Urteil v. 15.10.1998, IV R 1/97, BFH/NV 1999, S. 465 m.w.N. BFH IV 100/62 v. 20.12.1966, BStBl III 1967, 371; v. 19.2.1998, BStBl II 1998, S. 441. So auch die Begründung in BFH-Urteil v. 10.9.1998, BFH/NV 1999, S. 456. Vgl. BFH v. 19.2.1998, DStR 1998, S. 1048.

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Eine andere Abgrenzungsproblematik zeigt sich auch in der laufenden Besteuerung. Hierzu sei auf die Entscheidung des FG Hamburg vom 12.12.2005110 verwiesen, die sich mit den steuerlichen Konsequenzen einer gelegentlichen Erfindung durch einen Einzelerfinder („Zufallserfindung“) auseinandersetzt. Im zugrunde liegenden Sachverhalt machte der Kläger, ein freiberuflich tätiger Fotodesigner anlässlich eines privaten Ausflugs mit seinem Sohn die Erfindung eines beweglichen Autofokus bei Fotoapparaten. Bei dem Versuch, seinen Sohn mit dessen Autofocus-Pocketkamera auf dem Skateboard zu fotografieren, stellte er fest, dass die Bilder immer unscharf wurden, wenn sich der Sohn aus der Bildmitte bewegte und damit die Schärfe des Fokus verließ. Er kam auf die Idee und wandte sich mit einer Handskizze an einen Patentanwalt, der in der Folge eine Vielzahl von alternativen technischen Lösungen für eine möglichst umfassende Schutzrechtsabgrenzung erarbeitete. Die Rechte aus dem Patent wurden später gegen erhebliches Entgelt veräußert. Das FG Hamburg entschied im zweiten Rechtsgang, dass im vorliegenden Fall keine nachhaltige Tätigkeit vorlag, so dass die Zahlung nicht einkommensteuerbar war. Dabei qualifizierte das Gericht die Idee als maßgebende Erfindungshandlung. Nachhaltig ist eine Tätigkeit im Einkommensteuerrecht, wenn sie von der Absicht getragen wird, sie zu wiederholen und daraus eine Einkunftsquelle zu machen und wenn sie sich objektiv als nachhaltig darstellt111. Einer sog. Zufallserfindung liegt mangels Wiederholungsabsicht keine nachhaltige Tätigkeit zugrunde. Dieser rechtskräftigen Entscheidung des FG Hamburg wird große Bedeutung für künftige Abgrenzungsfälle zuerkannt112. Auch die Kategorisierung der Tätigkeit von Fotomodellen kann streitig sein. Die Frage, ob eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausgeübt wird, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Mit Urteil vom 14.6.2007113 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ausländische Models (Fotomodelle), die zur Produktion von Werbefilmen kurzfristig im Inland einer Beschäftigung nachgehen, selbständig tätig sein können mit der Folge, dass die ihnen ausgezahlten Gagen nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Nach ständiger Rechtsprechung lässt sich der Arbeitnehmerbegriff nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen. Das Gesetz bedient sich nicht eines tatbestandlich scharf umrissenen Begriffs, sondern eines offenen Typusbegriffs, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann114. Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist 110 111 112 113 114

Vgl. FG Hamburg v. 12.12.2005, EFG 2006, S. 661. Vgl. BFH-Urteil v. 9.12.2002, BStBl II 2003, S. 294. Vgl. List, DB 2006, S. 1291. Vg. BFH-Urteil v. 14.6.2007, DB 2007, S. 2120. So BFH-Urteil v. 14.6.2007, DB 2007, S. 2120.

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deshalb anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Ob eine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit vorliegt, ist die daran anschließende Frage. Hier hat der BFH in einem Fall, in dem ein Schauspieler als Werbemodell aufgetreten ist, die Einordnung der Tätigkeit in § 18 EStG abgelehnt und gewerbliche Einkünfte qualifiziert115. 3.2

Der Fotograf und das Fotografieren im Umsatzsteuerrecht

Der Umsatzsteuer unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen eines Unternehmers an einen Abnehmer. Die weitere Erörterung setzt also eine unternehmerische Aktivität des Fotografen voraus, die nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit darstellt, die selbständig ausgeübt wird116. Das UStG erfasst nur Leistungen im wirtschaftlichen Sinne, d. h. Leistungen, die über die reine Entgeltberechnung hinausgehen und im wirtschaftlichen Interesse des Entrichtenden liegen117. Leistungen, die nicht Lieferungen sind, stellen sonstige Leistungen dar. Diese Unterscheidung ist zum einen historisch bedingt, zum anderen aber auch sachlich geboten, da es differierende Regelungen bei den Steuerbefreiungen, im Hinblick auf die Bestimmung des Leistungszeitpunkts und -orts118 gibt. Die Herstellung von Lichtbildern mit anschließender Überlassung an den Auftraggeber stellt eine sonstige Leistung dar, die in § 3 Abs. 9 UStG negativ gegenüber der Lieferung abgegrenzt ist. Gegenstand der sonstigen Leistung ist hier in erster Linie die Überlassung der Verwertungsrechte. Die gegenständliche Übermittlung der Bilder selbst hat keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung und dient lediglich der Verkörperung der geistigen und künstlerischen Arbeit119. Die Überlassung von Fotos stellt keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung dar, die in erster Linie die Überlassung der Verwertungsrechte zum Gegenstand hat. Das gilt auch, wenn die Verwertung darin besteht, dass die Bilder von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen veröffentlicht werden120. Die Bestimmung des Leistungsortes ist im Umsatzsteuerrecht von großer Bedeutung, denn nur im Inland erbrachte Leistungen sind steuerbar. Die Ortsbestimmung ist nach § 3a UStG, der auf den Vorgaben der 6. EG-Richtlinie beruht, durchzuführen. Durch das Jahressteuergesetz 2009121 sind ab 1.1.2010 neue 115 116

117 118 119 120 121

BFH-Urteil v. 15.10.1998, BFH/NV 1999, S. 465. Zum Unternehmerbegriff des UStG als Typusbegriff vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., München 2009, § 2 Rz. 7. Giesberts, StuW 1991, S. 175. Vgl. Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG § 3, Anm. 286. So Nieskens, in: Rau/Dürrwächter, UStG, mit Verweis auf die Rspr. § 3 Anm. 590. Vgl. BFH-Urteil v. 12.5.1977, BStBl II 1977, S. 808. BGBl. I. 2008, S. 2794.

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

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Regeln in Kraft getreten122. Die in § 3a Abs. 1 UStG aufgestellte Grundregel wird für die weit überwiegende Zahl der sonstigen Leistungen durchbrochen, so dass es sich um einen Auffangtatbestand handelt123. Dienstleistungen, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht werden, werden nach § 3a Abs. 2 UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen (Betriebsstätte) betreibt. Durch die Verallgemeinerung des Empfängerortprinzips wird die Sonderregelung für Katalogleistungen nur noch auf im Drittlandsgebiet ansässige Nichtunternehmer ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bezogen124. Nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG ist der Ort einer künstlerischen Leistung dort, wo sie vom Unternehmer tatsächlich erbracht wird. Für die Einordnung der Tätigkeit des Fotografen wäre danach wiederum auf die Frage abzustellen, ob dieser künstlerische Leistungen erbringt. Einer exakten Eingrenzung bedarf es allerdings hier nicht, da auch Leistungen, die den künstlerischen Leistungen ähnlich sind, sowie unterhaltende Tätigkeiten erfasst werden125. Ist der Empfänger einer in Abs. 4 bezeichneten Leistung weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist, und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt. Erfasst werden hier u. a. die Einräumung, Wahrnehmung und Übertragung von Schutz- u. ä. Rechten (vgl. § 3a Abs. 4 S. 2 Nr. 1 UStG). Die Einräumung von Nutzungs- und Verwertungsrechten fällt nicht unter die genannte Norm, sondern ist unter § 3a Abs. 4 S. 2 Nr. 8 UStG einzuordnen, da nicht das gesamte Recht übertragen wird. Schließlich werden unter § 3a Abs. 4 Nr. 13 UStG auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen eingeordnet, wobei lediglich solche erfasst werden, die nur in dieser Weise erbracht werden können126. Dazu rechnet in einer Fallgruppe auch die Bereitstellung von Bildern. 3.3

Bilanzierung: Fotos als materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter

In der Bilanzierung ist die Einordnung von Vermögensgegenständen/Wirtschaftsgütern als materielle oder immaterielle Güter immer wieder problembehaftet. Immaterielle Güter sind handels- und steuerrechtlich bislang nur bei entgeltlichem Erwerb aktivierungsfähig, wobei das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz in § 248 Abs. 2 S. 1 HGB ein Wahlrecht statuiert hat. Eine Aktivierung

122 123 124 125 126

Vgl. Herzing/Bode, BRZ 2009, S. 69 ff. Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a Anm. 4, 300. Vgl. Monfort, DStR 2009, S. 297 ff. Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a Anm. 82. Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3a Anm. 292.

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kommt allerdings nur in Frage, wenn die Vermögensgegenstandseigenschaft bejaht werden kann127. Auch steuerrechtlich sind erhebliche Unterschiede festzustellen. Nur für die Anschaffung und Herstellung abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter wird nach Maßgabe des § 2 InvZulG 1999 eine Investitionszulage gewährt. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind nach ständiger Rechtsprechung keine beweglichen Wirtschaftsgüter und investitionszulagenrechtlich deshalb nicht begünstigt128. Die Zuordnung zu den immateriellen Gütern ist vorzunehmen, wenn im Rahmen des Nutzungs- und Funktionszusammenhangs im Unternehmen das Interesse an der unkörperlichen Substanz, d. h. die Übertragung von Nutzungsrechten (§ 34 UrhG) bzw. die Rechteübertragung (§ 94 UrhG) im Vordergrund steht129. 3.4

Fotografien als Beweismittel der Besteuerung

Die Finanzbehörden bedienen sich der Beweismittel, die nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich gehalten werden. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO zeigt, dass es auf die subjektive Einschätzung der Behörde ankommt, welches Beweismittel für erforderlich gehalten wird. Satz 2 der Norm zählt beispielhaft die klassischen Beweismittel der ZPO auf. Fotos sind in die Kategorie „den Augenschein einnehmen“ einzuordnen. Korrespondierend zu den Ermittlungsmaßnahmen der Finanzverwaltung sind Beweisbeiträge seitens des Steuerpflichtigen möglich. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Finanzgericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FGO die erforderlichen Beweise zu erheben. Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann130. 4

Zusammenfassung

Hier endet der rechtliche und steuerökonomische Streifzug durch die Welt des Fotografierens und der Fotografien. Er deutet an, wie viele Fragen durch den leichten Druck auf einen kleinen Knopf aufgeworfen werden können. Geht es 127

128 129

130

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages v. 24.3.2009, BT-Drs. 16/12407, S. 110 zu Art. 1 Nr. 6 (§ 248 Abs. 1 u. 2 HGB-E). Vgl. BFH-Urteile v. 3.7.1987, BStBl II 1987, S. 728; v. 28.7.1994, BStBl II 1994, S. 873. Vgl. Hoyos/F. Huber, in: Beck’scher Bilanzkommentar, 6. Aufl., München 2006, § 247 Anm. 376. So Beschluss des BFH v. 30.4.2008, VI B 131/07, BFH/NV 2008, S. 1475, m. w. N., BFHBeschluss v. 26.11.2008 IX B 122/08, DStRE 2009, S. 570.

Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

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allein darum, sich auf diese Weise eine – private – Erinnerungsstütze zu schaffen, ist der Fall meist unproblematisch. Aufnahmen zu privaten Zwecken sind in der Regel erlaubt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Fotografien kommerziell verwertet werden sollen. An dieser Stelle zeigt sich, ob und inwieweit sich der Fotografierte gegen den Fotografen durchsetzen kann. Dabei spielen Persönlichkeitsrechte, Urheberrechte, aber auch das Eigentum und der Besitz eine Rolle. Im Zweifel können sich hier die Inhaber der genannten Rechte mit ihren Interessen gegen gewerbliche Interessen der Fotografen, Zeitungen oder Verlage durchsetzen. Auch im Steuerrecht sind mit dem Fotografieren vielfältige Fragen verknüpft. Neben der einkommen- und umsatzsteuerlichen Einordnung der Tätigkeit wurden bilanzielle und verfahrensrechtliche Aspekte angeführt. Es zeigt sich wiederum, dass es die Fragen sind, aus denen das, was bleibt, entsteht (Erich Kästner).

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Fotografen, Fotografien, Modelle und Objekte aus rechtlicher und steuerökonomischer Sicht

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Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht Zur Auslegung des § 49 Abs. 2 EStG Gerd Morgenthaler

Inhaltsverzeichnis 1 Der obskure Wortlaut des § 49 Abs. 2 EStG ............................................. 277 2 Systematische Auslegung .......................................................................... 279 3 Historische Auslegung .............................................................................. 281 3.1 Die Gesetzgebungsgeschichte und die vorausgegangene Rechtsprechung des RFH und des BFH ........................................ 281 3.2

Die Ideengeschichte ...................................................................... 288

4 Teleologische Auslegung .......................................................................... 289 

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

1

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Der obskure Wortlaut des § 49 Abs. 2 EStG

„Imperatoriam maiestatem non solum armis decoratam, sed etiam legibus oportet esse armatam, ut utrumque tempus et bellorum et pacis recte possit gubernari“. Mit diesen Worten beginnen die berühmten Institutionen des byzantinischen Kaisers Justinian1: Richtige Herrschaft schmückt sich nicht nur mit Waffen, sondern rüstet sich auch mit Gesetzen. Das Wesentliche an Gesetzen ist aber nicht, dass sie für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen Rechtsfolgen anordnen, sondern dass sie Grundentscheidungen treffen2. Diese wiederum müssen in den Einzelbestimmungen verhältnismäßig3 sein und prinzipiell sowohl sach- als auch systemgerecht4 ausgestaltet werden, wobei ein Mindestmaß an Bestimmtheit und Klarheit5 zu fordern ist6. Das deutsche Abgabenrecht ist bekanntlich nicht gerade ein Bereich, in dem es dem Gesetzgeber in vorbildlicher Weise gelungen wäre, die genannten Postulate zu erfüllen. Vielmehr wird allgemein eine zunehmende Unübersichtlichkeit der Steuergesetze beklagt, die vor allem darauf beruht, dass die Rechtsetzungsorgane – in komplexem Zusammenwirken mit der Fachbürokratie und oft in hastiger Reaktion auf die Finanzrechtsprechung7 – eine detailbesessene Regelungswut an den Tag legen, in der sie oft seitenlange Paragraphen aus verschachtelten „Bandwurm-Sätzen“ und kryptischen Querverweisen produzieren und dabei – häufig in schnell aufeinander folgenden Novellierungen – auch noch die letzten Varianten möglicher Sachverhalte durch ausufernde Kasuistik anzusprechen versuchen. Angesichts dieser Situation wendet sich der verunsicherte Rechtsanwender auf der Suche nach Halt in hoffnungsvoller Erwartung den wenigen verbliebenen Passagen der Steuergesetze zu, die in präziser Formulierung legislative Grundentscheidungen zum Ausdruck bringen und deshalb über Jahrzehnte ohne wesentliche Änderungen am Text Bestand hatten. § 49 Abs. 2 EStG scheint eine solche Vorschrift zu sein: 1

2

3 4

5 6

7

Corpus Iuris Civilis. Die Institutionen. Text und Übersetzung. Hg. v. O. Behrends / R. Knütel / B. Kupisch / H. H. Seiler, Heidelberg 1993, S. XIII. – Zur Bedeutung dieser „europäischen Grundeinsicht“ siehe H. Schneider, Gesetzgebung. Ein Lehr- und Handbuch, 3. Aufl., Heidelberg 2002, Rn. 13. Vgl. H. Schneider, Gesetzgebung. Ein Lehr- und Handbuch, 3. Aufl., Heidelberg 2002, Rn. 14 und 16. Seit dem Apothekenurteil BVerfGE 7, S. 377 (404 ff.) st.Rspr. Zur Forderung nach Systemgerechtigkeit siehe z.B. BVerfGE 9, S. 20 (28); E 13, S. 331 (340); E 104, S. 74 (87); zur Sachgerechtigkeit u.a. BVerfGE 9, S. 338 (349 f.). Siehe etwa BVerfGE 31, S. 255 (264); E 87, S. 287 (317 f.). Zum Ganzen H. Schneider, Gesetzgebung. Ein Lehr- und Handbuch, 3. Aufl., Heidelberg 2002, Rn. 54 ff. Humorvoll und aufschlussreich: H. Helsper, Die Chaotisierung der Steuerrechtsordnung als Folge eines verfehlten Zusammenspiels von politischer Führung und juristischer Expertenkompetenz, BB 1995, S. 16 ff.

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Gerd Morgenthaler

„Im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale bleiben außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 nicht angenommen werden könnten.“ Leider zeigt jedoch die Lektüre: Die Hoffnung war vergebens. Denn der Text ist zwar kurz und seit langem unverändert, aber der Sinn der Worte erschließt sich nicht nur nicht von selbst, sondern er bleibt offenbar – wie die Sichtung der einschlägigen Literatur zeigt – auch nach mehrfachem, intensivem Lesen obskur 8 . Dabei ist der genaue Gehalt des § 49 Abs. 2 9 durchaus von großer Bedeutung, weil diese Vorschrift bestimmt, in welchem Umfang im Ausland ansässige Personen der deutschen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unterliegen. Wegen dieser praktischen Relevanz, aber auch wegen der nicht minderen wissenschaftlich-dogmatischen Tragweite soll im Folgenden versucht werden, dem ersichtlich misslungenen § 49 Abs. 2 mit dem schweren Geschütz der juristischen Auslegungsmethodik zu Leibe zu rücken, um trotz des unklaren Wortlauts (grammatische Auslegung) aus der Stellung der Vorschrift im Rahmen des Gesetzes (systematische Auslegung), vor allem aber aus ihrer Entstehungsgeschich-

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9

Dies scheint im Zusammenhang mit § 49 Abs. 2 das Einzige zu sein, worüber Einigkeit besteht. Zur Diskussion der „isolierenden Betrachtungsweise“ und zum weiten Meinungsspektrum siehe z.B. (in chronologischer Reihenfolge): H. Debatin, Die beschränkte Steuerpflicht bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, BB 1960, S. 1015 ff.; H. Flick, Auswirkungen der „isolierenden Betrachtungsweise“ auf die internationale Doppelbesteuerung, DB 1961, S. 1595 ff.; H. Debatin, Die Bestimmung der Einkunftsart bei der beschränkten Steuerpflicht, DB 1961, S. 785 ff.; ders., Die isolierte Betrachtungsweise bei der beschränkten Steuerpflicht und ihre Kritik, DB 1962, S. 178 ff.; H. E. Walter, Die sog. „isolierende Betrachtungsweise“ bei der Bestimmung der inländischen Einkünfte und des Inlandsvermögens der Ausländer, 1977; P. Bilsdorfer, Die sogenannte isolierende Betrachtungsweise, RIW 1983, S. 850 ff.; K. Ebling, Isolierende Betrachtungsweise im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, IWB (1983) Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, S. 791; F. Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: K. Vogel (Hg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts (=DStjG 8), Köln 1985, S.49 ff.; G. Crezelius, Die isolierende Betrachtungsweise, insbesondere die grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, StVj 1992, S. 322 ff.; R. Flies, Die Umqualifikation der Einkünfte bei der beschränkten Steuerpflicht. Kritische Betrachtung zu den Ergänzungen des § 49 EStG, DStZ 1995, S. 431 ff.; J. M. Mössner, Isolierende Betrachtungsweise. Essay einer dogmatischen Klärung, in: F. Klein / H. P. Stihl / F. Wassermeyer (Hg.), FS f. H. Flick, Köln 1997, S. 939 ff.; J. Hey, Das Territorialitätsprinzip als theoretische Grundlage der beschränkten Steuerpflicht – isolierende Betrachtungsweise und Objektsteuercharakter als konkrete Ausprägungen, IWB (2004) Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, S. 2003; D. Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, in: R. Gocke / D. Gosch / M. Lang (Hg.), FS f. F. Wassermeyer, München 2005, S. 263 ff.; J. Lüdicke, Probleme der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Inland, Beihefter zu DStR 17, 2008, S. 25 ff.; E. Wied, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG. Kommentar, Losebl., 101. Lfg. (Oktober 2008), § 49; U. Clausen, in: Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz. Kommentar, Losebl., Köln, 233. Lfg. (Oktober 2008), § 49; D. Gosch, in: P. Kirchhof (Hg.), Kompaktkommentar Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., Heidelberg 2008, § 49. Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des EStG.

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

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te einschließlich des ideengeschichtlichen Hintergrundes (historische Auslegung) sowie aus dem so ermittelten exakten Sinn der Regelung (teleologische Auslegung) konkrete Anwendungsmaßstäbe und weitere Folgerungen abzuleiten. Dabei werden sich, so die Arbeitshypothese, auch fundamentale Einsichten in die Leitideen und Regelungsstrukturen des deutschen internationalen Steuerrechts ergeben. 2

Systematische Auslegung

Beginnen wir mit der äußeren Systematik: Der dem § 49 Abs. 2 vorangehende Abs. 1 verweist ausdrücklich auf § 1 Abs. 4. Diese Vorschrift wiederum ist im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 S. 1 zu sehen: „Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.“ Sie bilden als Steuerinländer mit Lebensmittelpunkt in Deutschland den Normalfall des Steuerpflichtigen, von dem das EStG ausgeht, und unterliegen gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 mit ihrem gesamten Einkommen aus den sieben Einkunftsarten der deutschen Einkommensteuer. Grundsätzlich gehen alle weltweit erzielten Einkünfte bei ihnen in die Bemessungsgrundlage ein10. Abweichend davon sind natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nach § 1 Abs. 4 lediglich „beschränkt einkommensteuerpflichtig“: Sie unterliegen der deutschen Einkommensteuer von vornherein nur, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 haben. Bei Personen, die ihren Lebensmittelpunkt im Ausland haben, „beschränkt“ sich der Zugriff des deutschen Fiskus somit auf den Anteil am Einkommen, der aus dem Inland stammt. § 49 Abs. 1 bestimmt nun, welche Einkünfte das Gesetz als „inländische“ betrachtet. Dabei erfolgt die Abgrenzung nicht nach einem einheitlichen abstrakten Prinzip, nicht nach einer allgemeingültigen Regel, sondern in Abhängigkeit von der Einkunftsart nach unterschiedlichen Kriterien. So müssen die Einnahmen bei Einkünften aus Gewerbebetrieben (§§ 15 bis 17) grundsätzlich aus einer im Inland unterhaltenen Betriebsstätte oder von einem im Inland bestellten ständigen Vertreter stammen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. a); bei Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18) kommt es darauf an, ob die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 3); bei Einkünften aus Kapitalvermögen in Form von Gewinnanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1) ist der Lebensmittelpunkt des Schuldners maßgeblich (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Bstb. a). 10

Sog. Welteinkommensprinzip.

280

Gerd Morgenthaler

An diese Abgrenzung der inländischen Einkünfte fügt sich § 49 Abs. 2 an. Der tiefere Sinn seines Wortlauts erschließt sich aus dem gesetzessystematischen Kontext allerdings noch nicht. Und auch für die Formeln, mit denen in der Literatur versucht wird, die Kernaussage der Bestimmung auf den Punkt zu bringen, ergeben weder je für sich noch zusammen ein klares Bild: Der älteste dieser Versuche, welcher der Rechtsfigur den inzwischen in der Fachwelt allgemein übernommenen Namen verdankt, bestand in der Behauptung, § 49 Abs. 2 verlange bei der Anwendung des § 49 Abs. 1 mit der Ausblendung der im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale eine „isolierende Betrachtungsweise“11. Das habe – wie ein anderer Autor es ausdrückt – zur Konsequenz, dass „der Sachverhalt nicht in seiner vollen Komplexität für die Subsumtion verwendet wird, sondern unter bestimmten Umständen um die im Ausland verwirklichten Tatbestandsmerkmale verkürzt wird.“12 In weiteren Deutungsvarianten in der Kommentarliteratur heißt es zum Beispiel, § 49 Abs. 2 solle „nach seiner wirtschaftlichen Zielrichtung lediglich verhindern …, dass ein Steuerausländer nicht der deutschen Besteuerung unterliegt, weil er seine inländische Tätigkeit in einer bestimmten Art und Weise oder in einer bestimmten Rechtsform ausübt“13. Oder: Die Vorschrift solle die in den §§ 13 ff. enthaltenen Subsidiaritätsregeln bei der Anwendung des § 49 Abs. 1 ausschalten14. Keine dieser – sehr heterogenen – Umschreibungen zielt auf die Erfassung der Funktion, die dem § 49 Abs. 2 nach der Intention des Gesetzgebers im Regelungsganzen des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts zukommen soll. Keine von ihnen spricht die Leitideen des Ertragssteuerrechts und den Beitrag des § 49 Abs. 2 zu ihrer Verwirklichung an. Sie alle verharren an der Oberfläche des Wortlauts und der äußeren Gesetzessystematik und bleiben deshalb zwangsläufig vage, weshalb es auch nicht verwundern kann, dass in der Kommentarliteratur mitunter sogar die Ansicht geäußert wird, § 49 Abs. 2 habe eigentlich gar keine weitergehende Bedeutung15.

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Der Ausdruck „isolierende Betrachtungsweise“ geht zurück auf H. Debatin, Die beschränkte Steuerpflicht bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, BB 1960, S. 1015 (1017). G. Crezelius, Die isolierende Betrachtungsweise, insbesondere die grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, StVj 1992, S. 322 (326). E. Wied, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG. Kommentar, Losebl., 101. Lfg. (Oktober 2008), § 49 Rn. 28 ff. U. Clausen, in: Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz. Kommentar, Losebl., Köln, 233. Lfg. (Oktober 2008), § 49 Rn. 1200 ff. So z.B. D. Gosch, in: P. Kirchhof (Hg.), Kompaktkommentar Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., Heidelberg 2008, § 49 Rn. 161.

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

3

Historische Auslegung

3.1

Die Gesetzgebungsgeschichte und die vorausgegangene Rechtsprechung des RFH und des BFH

281

Tatsächlich brachte der Gesetzgeber seine Regelungsabsicht nicht deutlich zum Ausdruck, als er sich 1974 entschloss, unter Bezugnahme auf vorausgegangene Rechtsprechung den neuen § 49 Abs. 2 in das EStG einzufügen16. Da er außerdem anstelle der unterschiedlichen Formulierungen, die der RFH und der BFH bis dahin in ihren Urteilen verwendet hatten17, eine neue, wenn auch sehr ähnliche Formulierung wählte, ist zudem umstritten, ob er die höchstrichterliche Interpretation rechtlich fixieren oder korrigieren wollte18. Somit bleibt auch die Untersuchung der Gesetzgebungsgeschichte für die Deutung des § 49 Abs. 2 weitgehend ohne Ertrag, und es kann nur versucht werden, durch eine Analyse der vorausgegangenen Rechtsprechung Hinweise darauf zu finden, welches juristische Problem der so genannten „isolierenden Betrachtungsweise“ zu Grunde liegt und welche Rechtsfolgen sie konkret haben soll und richtigerweise haben muss. Als Einstieg hierfür möge der folgende Fall (vgl. Schaubild 1, unten S. 275) dienen, den der RFH im Jahr 1929 zu entscheiden hatte19, als es den heutigen § 49 Abs. 2 noch nicht gab, und bei dessen Entscheidung er zum erstem Mal die später so genannte „isolierenden Betrachtungsweise“ anwandte: Eine im Ausland ansässige Aktiengesellschaft bezog von einem Steuerinländer Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Zinseinnahmen aus einer durch inländischen Grundbesitz gesicherten Hypothek (vgl. heute § 20 Abs. 1 Nr. 520). Wäre eine im 16 17

18

19 20

2. StÄndG 1973 v. 18.3.1974, BGBl. I 1974, S. 1489, BStBl. I 1974, S. 521. In der Rspr. war bis dahin z.B. davon die Rede gewesen, dass „für die deutsche steuerliche Beurteilung lediglich das Vorhandensein des ausländischen Gewerbebetriebs unbeachtet bleiben“ solle (RFH, RStBl. 1929, S. 193 [194]) oder dass die beschränkte Steuerpflicht „die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die bei unbeschränkter Steuerpflicht von Bedeutung sind, weitgehend außer Betracht“ lasse. Vgl. E. Wied, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG. Kommentar, Losebl., 101. Lfg. (Oktober 2008), § 49 Rn. 32; U. Clausen, in: Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz. Kommentar, Losebl., Köln, 233. Lfg. (Oktober 2008), § 49 Rn. 1202; beide m.w.N. – Nach der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber mit § 49 Abs. 2 die Besteuerungslücken schließen, die sich daraus ergeben, dass „bei Einkünften im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht … eine Einordnung in verschiedene Einkünfte möglich“ sei (BT-Drucks. 7/1509, S. 5). RFH, RStBl. 1929, S. 193. Zur besseren Vergleichbarkeit sind die einschlägigen Bestimmungen des EStG im Folgenden nicht in der Zählweise des der Entscheidung zugrunde liegenden EStG 1925, sondern in ihrer aktuellen Nummerierung zitiert, soweit sie im Wesentlichen wort- und sinngleich weiter existieren.

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Gerd Morgenthaler

Ausland ansässige Privatperson Inhaber dieses Kapitalvermögens gewesen, hätte als einschlägige Vorschrift (heutiger Zählung) § 49 Abs. 1 Nr. 5 Bstb. c aa gegolten: „Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4) sind ... Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 5 …, wenn das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz … gesichert ist“. Die Zinseinnahmen wären damit ohne weiteres der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen gewesen. Weil im zu entscheidenden Fall aber eine ausländische Aktiengesellschaft als Inhaberin des Kapitalvermögens in Erscheinung trat, kam in dem anhängigen Verfahren die Frage auf, ob hier nicht andere Bestimmungen heranzuziehen waren: Bei der AG galten immerhin kraft Gesetzes alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. heute § 8 Abs. 2 KStG). Daher wäre an sich bei mechanischer Gesetzesanwendung § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. a (heutiger Fassung) einschlägig gewesen: „Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4) sind ... Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17), für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist“. Da die ausländische Körperschaft im zu entscheidenden Fall weder über eine Betriebsstätte noch über einen ständigen Vertreter im Inland verfügte, hätte sie bei strenger Anwendung des § 49 Abs. 1 ihre Zinseinnahmen grundsätzlich nicht in Deutschland versteuern müssen. Eine derart mechanische Gesetzesanwendung lehnte der RFH jedoch ab: Es sei „nicht anzunehmen, dass inländische gewerbliche Einkünfte beim Fehlen der Voraussetzung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 [= § 49 Abs. 1 Nr. 2 n.F.] EStG überhaupt nicht der beschränkten Steuerpflicht … zu unterwerfen seien; denn das würde dazu führen, ausländische Gewerbetreibende bezüglich ihrer im Inland erworbenen Einnahmen besserzustellen als andere ausländische Bezieher gleichartiger Einnahmen. … Vielmehr ist, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 [= § 49 Abs. 1 Nr. 2 n.F.] EStG nicht gegeben sind, anzunehmen, dass für die deutsche steuerliche Beurteilung lediglich das Vorhandensein des ausländischen Gewerbebetriebs unbeachtet bleiben soll, dass aber die Einkünfte der in § 3 Abs. 2 Nr. 3 bis 11 [= § 49 Abs. 1 Nr. 3 bis 9] EStG aufgezählten Gruppen so zu versteuern sind, wie es der Fall wäre, wenn sie außerhalb eines gewerblichen Betriebs angefallen wären.“ 21

21

RFH, RStBl. 1929, S. 193 (194).

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

283

Schaubild 1:

Sachverhalt:

Alternative:

Ausländische

Ausländischer

AG

Privateigentümer





Zinseinnahmen, durch inländischen Grundbesitz gesichert __________________________________________________________

↓ Einkunftsart:

einschlägig:



Gewerbebetrieb

Kapitalvermögen

(§ 8 Abs. 2 KStG)

(§ 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG)





§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG

§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Bstb. c aa EStG

↓ Kriterium:

Betriebsstätte oder ständiger Vertreter im Inland

Subsumtion:

nein, Kriterium nicht erfüllt

↓ sichernder Grundbesitz im Inland



↓ ja, Kriterium erfüllt

↓ Ergebnis:

↓ RFH aber:



keine inländischen inländische Einkünfte, Einkünfte, beschränkte keine Steuerpflicht Steuerpflicht _________________________________________________________ „isolierende Betrachtungsweise“ führt zur beschränkten

Steuerpflicht (RFH, U. v. 7. Februar 1929, RStBl. 1929, S. 193)

284

Gerd Morgenthaler

Der RFH blieb in der Folgezeit bei seiner Linie22, die dann auch vom BFH übernommen wurde23, wobei die ursprünglich allein auf die Gleichbehandlung von Gewerbetreibenden und anderen Steuerpflichtigen abstellende Argumentation nach und nach durch weitere Gesichtspunkte ergänzt wurde. So hatte etwa der RFH bereits darauf hingewiesen, dass seine Rechtsprechung zur beschränkten Steuerpflicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche, „möglichst alles, was aus dem Inland herausgewirtschaftet oder im Inland verdient wird, steuerlich zu erfassen (vgl. amtliche Begründung zu § 3 EStG 1925). Es würde der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, Einkünfte ausländischer Gewerbetreibender, die ihrer Art nach ebensogut außerhalb eines Gewerbebetriebs erzielt werden können, deshalb steuerfrei zu lassen, weil keine inländische Betriebsstätte besteht.“ 24 Der BFH stellte zudem auf den „objektsteuerähnlichen Charakter“ der beschränkten Steuerpflicht ab und führte dazu – in teils wörtlicher Wiedergabe der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung – Folgendes aus25: „Welchen der in § 49 in EStG aufgeführten Einkunftsarten Einkünfte zuzuordnen sind, ist danach zu beurteilen, wie sich diese Einkünfte vom Inland aus gesehen darstellen. Auf die außerhalb der Bundesrepublik liegende Tätigkeit des ausländischen Beziehers dieser Einkünfte kann es wegen des objektsteuerähnlichen Charakters der beschränkten Steuerpflicht nicht ankommen.“ Es sei „deshalb erforderlich, den objektsteuerähnlichen Charakter der beschränkten Steuerpflicht zu wahren, weil die im Ausland vorliegenden Verhältnisse von den deutschen Finanzbehörden nicht überprüft werden können.“ Die beschränkte Steuerpflicht knüpfe an die Quelle an, aus der die inländischen Einkünfte fließen, und lasse die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die bei unbeschränkter Steuerpflicht von Bedeutung seien, weitgehend außer Betracht. Dass all diese Argumente noch nicht zum Kern der Sache vorstoßen, zeigte sich, als der BFH im Jahr 1971 den folgenden – viel diskutierten – Fall zu entscheiden hatte26: Eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft erbrachte einem in Deutschland ansässigen Kunden im Bereich der Industrieformgestaltung (Design) entgeltliche Beratungsleistungen, die von diesem im Inland verwertet wurden. Hätte ein selbständiger ausländischer Künstler diese Leistungen erbracht, wäre er insofern im Inland beschränkt steuerpflichtig gewesen, denn § 49 Abs. 1 Nr. 3 zählt zu den inländischen Einkünften im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht unter anderem auch „Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18), die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist“. Deshalb stellte sich 22

23 24 25 26

Siehe z.B. RFH, RStBl. 1930, S. 687; RStBl. 1933, S. 1070; RStBl. 1934, S. 620; RStBl. 1934, S. 946; RStBl. 1935, S. 942; RStBl. 1936, S. 1132. U.a. BFH, BStBl. III 1959, S. 133 (134); BStBl. III 1962, S. 85 (86); BStBl. III 1967, S. 400 f. RFH, RStBl. 1936, S. 1132 (1133). BFH, BStBl. III 1959, S. 133 f. BFH, BStBl. II 1971, S. 771 ff.

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

285

hier die Frage, ob die ausländische Kapitalgesellschaft wie ein ausländischer Künstler zu behandeln war oder wegen ihrer Eigenschaft als Körperschaft aus deutscher Sicht gewerbliche Einkünfte bezog (§ 8 Abs. 2 KStG i.V.m. § 15) und somit mangels inländischer Betriebsstätte steuerfrei blieb (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. a; den heutigen § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. d gab es damals noch nicht). Die Finanzverwaltung war in diesem Fall der Meinung, sie dürfe nach den Regeln der „isolierenden Betrachtungsweise“ allein den Umstand zur Kenntnis nehmen, dass die Beratungsleistung im Inland verwertet wird, und infolgedessen die ausländische Kapitalgesellschaft als beschränkt einkommensteuerpflichtig behandeln. Der BFH sah dies aber anders: Die isolierende Betrachtungsweise knüpfe an den objektsteuerartigen Charakter der beschränkten Steuerpflicht an und lege damit „das Schwergewicht auf das objektive Wesen der im Inland bezogenen Einkünfte.“ So verstanden verlange die isolierende Betrachtungsweise „in Ansehung bestimmter Einkünfte des beschränkt Steuerpflichtigen die Prüfung der sie bedingenden Tätigkeit auf ihrem inneren Gehalt und die ihm entsprechende Einordnung dieser Einkünfte nach § 15 oder § 18 EStG“. Doch könne dies „nur in solchen Fällen zu sinnvollen Ergebnissen führen, in denen die Verhältnisse im Inland eine abschließende Beurteilung dahin gestatten, ob die in Frage stehenden Einkünfte einer der in § 49 EStG genannten Einkunftsarten zuzuordnen sind.“ Sei hingegen – wie im vorliegenden Streitfall – nur ein Teil des als erfüllt anzusehenden gesetzlichen Steuertatbestandes im Inland verwirklicht, der nicht erkennen lasse, unter welche Einkunftsart der zu beurteilende Sachverhalt falle, so müssten „die im Ausland gegebenen Verhältnisse insoweit mit in die Betrachtung einbezogen werden, als dies erforderlich ist, um die Einkünfte ihrem objektiven Wesen nach zu bestimmen.“ Betätigungen, die zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit führen können, seien aber „begriffsnotwendig natürlichen, selbständig tätigen Personen vorbehalten“. Deshalb bleibe es im zu entscheidenden Fall bei der Qualifizierung der Beratungshonorare als gewerbliche Einkünfte und damit bei der Steuerfreiheit der ausländischen Kapitalgesellschaft.

286

Gerd Morgenthaler

Schaubild 2: Sachverhalt:

Alternative:

Ausländische

Ausländischer

Kapitalgesellschaft

Freiberufler





Honorareinnahmen von inländischen Kunden _________________________________________________

↓ Einkunftsart:



Gewerbebetrieb

Selbständige

(§ 8 Abs. 2 KStG)

Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG)

↓ einschlägig:

§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG

Kriterium:

Betriebsstätte oder ständiger Vertreter



↓ § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG

↓ Ausübung oder Verwertung im Inland

im Inland

↓ Subsumtion:

nein, Kriterium nicht erfüllt

↓ Ergebnis:

ja, Kriterium erfüllt



keine inländischen inländische Einkünfte, Einkünfte, beschränkte keine Steuerpflicht Steuerpflicht ___________________________________________

↓ BFH:



trotz „isolierender Betrachtungsweise“ Keine beschränkte Steuerpflicht

(BFH, U. v. 7. Juli 1971, BStBl. II 1971, S. 771)

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

287

Kritiker haben dem BFH nach dieser Entscheidung vorgeworfen, er habe nicht „isoliert“ nur den inländischen Verwertungstatbestand betrachtet, sondern mit dem Abstellen auf die freiberufliche Tätigkeit den ausländischen Sachverhalt wieder in die Untersuchung mit einbezogen und dadurch Rechtsunsicherheit erzeugt27. Der BFH blieb aber seither seiner Auffassung treu, dass ausländische Kapitalgesellschaften keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen können28 und dass die Anwendung des Einkommensteuerrechts bei beschränkter Steuerpflicht nie ganz ohne Einbeziehung der ausländischen Verhältnisse auskommt, weil die Einkünfte oft nur so „ihrem objektiven Wesen nach“ bestimmbar sind29; aus diesem Grund sei zum Beispiel auch das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht kein „im Ausland gegebenes Besteuerungsmerkmal“, das nach § 49 Abs. 2 außer Betracht bleiben dürfe30. In der Literatur ist diese Rechtsprechung nach wie vor heftig umstritten31. Eine einheitliche Auffassung hat sich unter den Kommentatoren aber auch nicht gebildet. Sie diskutieren vielmehr kontrovers darüber, ob § 49 Abs. 2 im Bereich der beschränkten Steuerpflicht die Anwendbarkeit der Subsidiaritätsklauseln (§ 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3, § 22 Nr. 1 S. 1 und Nr. 3 S. 2 sowie § 23 Abs. 2 S. 1) einschränken soll und ob die so genannte isolierende Betrachtungsweise eine „inhaltliche Umqualifizierung von Einkünften“ anordnet und auf diese Weise das normale Konkurrenzverhältnis der Einkunftsarten modifiziert 32. Allgemein begrüßt wird lediglich der Umstand, dass der Gesetzgeber schrittweise einige besonders umstrittene Konstellationen durch die Einfügung neuer Tatbestände in § 49 Abs. 1 ausdrücklich geregelt und insoweit den Meinungsstreit entschärft habe33. Zur Klärung der Funktion des § 49 Abs. 2 haben die Gesetzgebungsgeschichte und die ihr zu Grunde liegende Rechtsprechung somit allerdings nicht wesentlich beigetragen. 27

28 29 30 31

32

33

So J. M. Mössner, Isolierende Betrachtungsweise. Essay einer dogmatischen Klärung, in: F. Klein / H. P. Stihl / F. Wassermeyer (Hg.), FS f. H. Flick, Köln 1997, S. 939 (945). BFH, BStBl. II 1974, S. 287, BStBl. II 1974, S. 511. Vgl. bereits BFH, BStBl. II 1970, S. 428. So BFH, DStR 2002, S. 667, entgegen BMF v. 23.1.1996, BStBl. I 1996, S. 89 (95 f.). Siehe nur die gegensätzlichen Anmerkungen zu BFH, DStR 2002, S. 667, von D. Gosch und J. Lüdicke, beide DStR 2002, S. 671 f. Zu dieser Diskussion siehe z.B. P. Bilsdorfer, Die sogenannte isolierende Betrachtungsweise, RIW 1983, S. 850 (854); R. Flies, Die Umqualifikation der Einkünfte bei der beschränkten Steuerpflicht. Kritische Betrachtung zu den Ergänzungen des § 49 EStG, DStZ 1995, S. 431 ff.; E. Wied, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG. Kommentar, Losebl., 101. Lfg. (Oktober 2008), § 49 Rn. 31 f. Vgl. G. Crezelius, Die isolierende Betrachtungsweise, insbesondere die grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, StVj 1992, S. 322 (324); E. Wied, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG. Kommentar, Losebl., 101. Lfg. (Oktober 2008), § 49 Rn. 33. – Eingefügt wurden: § 49 Abs. 1 Nr. 9 (ab VZ 1974), § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. d (ab VZ 1986) und § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. f (ab VZ 1994).

288

3.2

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Die Ideengeschichte

Folglich bleibt nur die Hoffnung, den tieferen Sinn der „beschränkten Einkommensteuerpflicht“ über die Ideengeschichte zu ermitteln. Gesucht ist die materielle Grundidee, das heißt die Antwort des EStG auf die Frage, wer in welchem Umfang zur Finanzierung des deutschen Staats beitragen soll. Und tatsächlich gibt die Ideengeschichte klare und eindeutige Hinweise, die allerdings in der bisherigen Diskussion des § 49 Abs. 2 zu wenig beachtet wurden. § 49 Abs. 2 ist Teil des Rechtsgebiets „Internationales Steuerrecht“, das alle steuerlichen Rechtsvorschriften umfasst, die sich speziell auf grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen. Die Anfänge dieser relativ jungen Materie liegen im 19. Jahrhundert: Die ersten Doppelbesteuerungsabkommen wurden 1869 zwischen Preußen und Sachsen sowie Österreich und Ungarn geschlossen34. Bereits um 1914 bestand in Europa ein dichtes Abkommensnetz, dessen einzelne Verträge aber bei der Aufteilung der Steuererträge sehr uneinheitlichen Prinzipien folgten. Der Völkerbund setzte deshalb 1921 zur Rechtsvereinheitlichung ein vierköpfiges Gremium von Finanzwissenschaftlern ein, dem er den Auftrag erteilte, das Doppelbesteuerungsproblem auszuloten, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und verallgemeinerungsfähige Prinzipien zu formulieren35. Durch klare Grundsätze für die Ausdehnung, Begrenzung und Bemessung des nationalen Steuerzugriffs sollte sowohl eine gerechte Aufteilung der Steuererträge unter den Staaten als auch eine gerechte Lastenverteilung unter den Steuerpflichtigen sichergestellt werden und dabei zugleich die Freiheit des Wirtschaftsverkehrs von steuerbedingten Wettbewerbsverzerrungen gewahrt bleiben. Die Gutachter machten den Vorschlag36, alle Einkünfte nach ihrem geographischen Ertragsort zu klassifizieren, damit das Steueraufkommen im Sinne der wirtschaftlichen Zugehörigkeit gemäß dem Ursprungsprinzip zugeteilt werden kann. Ein solches Vorgehen führt – was im Völkerbundgutachten bereits festgestellt und seither umfassend herausgearbeitet wurde37 – erstens zu einer gerech34

35

36

37

DBA Preußen/Sachsen v. 16.4.1869, DBA Österreich/Ungarn v. 18.12.1869 u. 7.1.1870; dazu und zur weiteren Entwicklung siehe K. Vogel in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen. Kommentar, München, 5. Aufl. 2008, Einl. Rn. 10 ff. H. Debatin, Handbuch der Vereinten Nationen für Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, DB 1980, Beilage Nr. 15/80, S. 1 (5); K. Vogel in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen. Kommentar, München, 8. Aufl. 2008, Einl. Rn. 12. League of Nations, Economic and Financial Commission. Report on Double Taxation submitted to the Financial Committee by Professors Bruins, Einaudi, Seligman and Sir Josiah Stamp. Doc. E.F.S. 73 F. 19, Geneva 1923, insb. S. 42, 45; dazu G. Morgenthaler, Die Lizenzgebühren im System des internationalen Einkommensteuerrechts, Heidelberg 1992, S. 71 ff. Siehe insb. H. W. Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip? Die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung sowie der internationalen Steuerflucht durch Wohnsitzverlagerung bei ausschließlicher Anwendung des Ursprungsprinzips. Köln 1966; K. Vogel, Die Besteuerung der

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

289

ten Ertragsverteilung unter den beteiligten Staaten, denn der Ursprungsstaat ermöglicht den Ertrag durch seine staatlichen Leistungen; mit seiner Rechtsordnung und durch die Gewährung von Sicherheit und Infrastruktur erbringt er einen Wertschöpfungsbeitrag, der im Steueraufkommen honoriert werden muss. Zweitens bewirkt das Ursprungsprinzip eine gerechte Lastenverteilung, weil es dem staatlichen Wertschöpfungsbeitrag als „Gegenleistung“ eine Pflicht der Einkommensbezieher zur Steuerzahlung zuordnet; dabei ist davon auszugehen, dass einer hohen Steuerbelastung in der Regel auch ein hohes Niveau staatlicher Leistungen entspricht. Drittens ermöglicht eine weltweit praktizierte Einkommensbesteuerung nach dem Ursprungsprinzip Wettbewerbsneutralität, da alle am gleichen Ort – und damit unter gleichen Bedingungen – arbeitenden und wirtschaftenden Steuerpflichtigen die gleiche Steuerbelastung desselben Ursprungsstaats tragen38. Das Völkerbundgutachten hat die Abkommensmuster der OECD, die Ausgestaltung der Doppelbesteuerungsabkommen und die nationale Rechtsentwicklung entscheidend geprägt39. Mit der Verrechtlichung und detaillierten Regelung der Einzelheiten trat jedoch der Grundgedanke des Ursprungsprinzips in den Hintergrund. Gewöhnlich genügt die Anwendung der Gesetze oder Abkommen, um zum „richtigen“ Ergebnis zu kommen. Trotzdem bleibt die Ideengeschichte immer dort von Bedeutung, wo Auslegungsschwierigkeiten bestehen. So auch bei § 49 Abs. 2, der mit ihrer Hilfe teleologisch ausgelegt werden kann. 4

Teleologische Auslegung

§ 49 Abs. 1 versucht, wie vom Völkerbundgutachten vorgeschlagen, alle Einkünfte nach ihrem geographischen Ursprung zu klassifizieren und die als inlän-

38

39

Auslandseinkünfte. Prinzipien und Praxis, in: K. Vogel (Hg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts (=DStjG 8), Köln 1985, S. 3 ff.; G. Morgenthaler, Die Lizenzgebühren im System des internationalen Einkommensteuerrechts, Heidelberg 1992, S. 79 ff. Das Ursprungsprinzip verwirklicht somit die sog. Kapitalimportneutralität, vgl. O. Gandenberger, Der Einfluss der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf die internationalen Wirtschaftsströme, in: K. Vogel (Hg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts (=DStjG 8), Köln 1985, S. 33 ff. G. Morgenthaler, Die Lizenzgebühren im System des internationalen Einkommensteuerrechts, Heidelberg 1992, S. 94 ff.; grundsätzlich zustimmend: E. Reimer, Der Ort des Unterlassens. Die ursprungsbezogene Behandlung von Entgelten für Untätigkeit im Internationalen Steuerrecht, München 2004, S. 318 ff.; J. Hey, Das Territorialitätsprinzip als theoretische Grundlage der beschränkten Steuerpflicht - isolierende Betrachtungsweise und Objektsteuercharakter als konkrete Ausprägungen, IWB (2004) Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, S. 2003 (2004); M. Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in: R. Gocke / D. Gosch / M. Lang (Hg.), FS f. F. Wassermeyer, München 2005, S. 240 (245 ff.).

290

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disch erkannten Einkünfte der deutschen Besteuerung zu unterwerfen40. Der Gesetzgeber hat jedoch offensichtlich den Ursprung nicht bei allen Einkunftsarten sach- und systemgerecht definiert41. Die Rechtsprechung „empfindet“ den Mangel und versucht zu korrigieren. Zwar drückt die Formel, die jetzt als § 49 Abs. 2 Gesetz geworden ist, nicht genau das aus, worum es geht. Der Zweck der „isolierenden Betrachtungsweise“ ist aber angesichts der Ideengeschichte deutlich: § 49 Abs. 2 soll klarstellen, dass bei der Zurechnung von Einkünften zum Inland oder Ausland gemäß dem Ursprungsprinzip auch dann auf den eigentlichen Ertragsort abzustellen ist, wenn § 49 Abs. 1 den Inlandsbezug im Einzelfall unsachgemäß definiert. Mit anderen Worten: § 49 Abs. 2 verlangt eine prinzipienbewusste Bestimmung der „inländischen“ Einkünfte und verbietet eine bloß vordergründige Anlehnung auf den rechtstechnisch mangelhaft formulierten § 49 Abs. 1. Daher ist bei der Anwendung des § 49 Abs. 1 immer von der folgenden allgemeinen Definition auszugehen, die den Maßstäben des Völkerbundgutachtens entspricht: Einkünfte haben ihren Ursprung dort, wo die später zu Einkünften führende Leistung erbracht wird, indem unter Einsatz der Produktionsfaktoren Boden, Arbeitsleistung und Geldkapital Vorprodukte und Vorleistungen in veräußerungsfähige Wirtschaftsgüter umgewandelt werden42. Dieser Ort liegt bei Landwirten dort, wo die Landwirtschaft betrieben wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 1), bei Gewerbetreibenden grundsätzlich43 dort, wo sich die Betriebsstätte befindet, die den Ertrag abwirft, oder wo ein ständiger Vertreter das Gewerbe betreibt (Nr. 2 Bstb. a), und bei Selbständigen ebenso wie bei nichtselbständig Tätigen grundsätzlich dort, wo sie ihre Arbeit ausüben (Nr. 3 und Nr. 4 Bstb. a) 44. Entsprechendes gilt für die übri40

41

42

43

44

Im Ergebnis ebenso F. Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, in: K. Vogel (Hg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts (=DStjG 8), Köln 1985, S.49 (59 ff.); G. Crezelius, Die isolierende Betrachtungsweise, insbesondere die grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, StVj 1992, S. 322 (330); J. M. Mössner, Isolierende Betrachtungsweise. Essay einer dogmatischen Klärung, in: F. Klein / H. P. Stihl / F. Wassermeyer (Hg.), FS f. H. Flick, Köln 1997, S. 939 (950). Ebenso J. Hey, Das Territorialitätsprinzip als theoretische Grundlage der beschränkten Steuerpflicht – isolierende Betrachtungsweise und Objektsteuercharakter als konkrete Ausprägungen, IWB (2004) Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, S. 2003 (2008): „eine Reihe von Unstimmigkeiten“. Dazu ausführlich G. Morgenthaler, Die Lizenzgebühren im System des internationalen Einkommensteuerrechts, Heidelberg 1992, S. 96 f. Alle Abgrenzungen des Ursprungs von Einkünften in § 49 Abs. 1 müssen notwendig pauschalieren, da die individuelle Bestimmung des Ursprungsorts von Einkünften durch die Finanzverwaltung zu viel Aufwand verursachen würde. Im Fall der gewerblichen Einkünfte ist es selbstverständlich denkbar, dass auch außerhalb einer Betriebsstätte Produktionsfaktoren des Unternehmens zum Einsatz kommen, also z.B. Arbeit „ausgeübt“ wird. In § 49 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 Bstb. a meint der Gesetzgeber offenbar das Gleiche wie in § 49 Abs. 2 Bstb. a; er pauschaliert jedoch etwas anders, indem er zum einen auf den Ort abstellt, an dem die Arbeit „ausgeübt“ wird, während er zum anderen auf die Betriebsstätte abstellt, in der

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

291

gen Einkunftsarten: So haben zum Beispiel Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Dividenden („Eigenkapitalzinsen“) – nicht anders als Darlehenszinsen („Fremdkapitalzinsen“) – ihren Ursprung dort, wo der Schuldner durch den Einsatz seiner Produktionsfaktoren Leistungen erstellt, also vermutungsgemäß45 am Sitz des Schuldners (Nr. 5 Bstb. a). Einkünfte aus der Vermietung von Immobilien stammen von dort, wo das Grundstück (der „Produktionsfaktor“ Boden) belegen ist (Nr. 6). Damit werden die beiden dargestellten Entscheidungen des RFH und des BFH im Ergebnis bestätigt: Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Zinseinnahmen, die ein Steuerausländer wie im Fall des RFH-Urteils von 1929 von einem im Inland ansässigen Gläubiger bezieht, haben ihren Ertragsort – materiell betrachtet – in aller Regel im Inland, da die Zinsen einen Ertragsbestandteil der wirtschaftlichen Betätigung des Gläubigers darstellen und diese vermutlich am inländischen Ansässigkeitsort stattfand, wo er – gemäß der oben gegebenen Definition – unter Einsatz der Produktionsfaktoren Boden, Arbeitsleistung und Geldkapital Vorprodukte und Vorleistungen in veräußerungsfähige Wirtschaftsgüter umgewandelt hat. Solche Zinserträge haben, mit anderen Worten, ihren Ursprung im Inland. Sie unterliegen deshalb nach der inneren Systematik des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts und der in ihr zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers der beschränkten Steuerpflicht. Der RFH hatte deshalb recht, als er sich weigerte, den damaligen § 3 Abs. 2 Nr. 2 (= § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. a) EStG mechanisch anzuwenden. Ebenso recht hatte aber auch der BFH, als er es in seinem Urteil von 1971 nicht für die Begründung der beschränkten Steuerpflicht ausreichen ließ, dass die Beratungsleistungen, die zu den Honorareinnahmen der ausländische Kapitalgesellschaft geführt hatten, im Inland verwertet worden waren. Das Tatbestandsmerkmal der „Verwertung“ in § 49 Abs. 1 Nr. 3 ist nämlich – systematisch betrachtet – verfehlt. Es widerspricht dem Ursprungsprinzip, nach dem es gerade nicht auf den Ort der späteren Verwertung einer Leistung, sondern ausschließlich auf den Ort der ursprünglichen Erbringung der Leistung unter Einsatz der Produktionsfaktoren ankommt. Dies war im zu entscheidenden Fall aber eindeutig im Ausland gewesen, und der BFH entschied deshalb richtig, als er das verfehlte Tatbestandsmerkmal der „Verwertung“ in § 49 Abs. 1 Nr. 3 nicht auf die ausländische Kapitalgesellschaft übertrug. Die in der Literatur im Vordergrund stehenden Fragen, ob § 49 Abs. 2 die Subsidiaritätsklauseln einschränken soll und eine inhaltliche Umqualifizierung von

45

die Produktionsfaktoren (darunter auch die Arbeit) zum Einsatz gebracht werden; in § 49 Abs. 1 Nr. 3 verwendet er beide Kriterien nebeneinander. Auch dies ist eine Pauschalierung.

292

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Einkünften anordnet46, erweisen sich hingegen als eher irreführend, da sie als solche nicht einheitlich mit ja oder nein und ohne Rekurs auf das Ursprungsprinzip im Einzelfall gar nicht überzeugend beantwortet werden können. Behält man den im Ursprungsprinzip deutlich werdenden, die Einkommensteuer im internationalen Kontext insgesamt legitimierenden Belastungsgrund hingegen im Blick, dann wird ein Weiteres erkennbar: Die sukzessive Einfügung neuer Tatbestände in § 49 Abs. 1 durch den Gesetzgeber, die nach verbreiteter Ansicht den Meinungsstreit um § 49 Abs. 2 durch Klärung der Hauptanwendungsfälle wesentlich entschärft haben soll47, war zumindest zum Teil eher kontraproduktiv, weil die meisten dieser neuen Tatbestände vom Ursprungsprinzip abweichen – wie die älteren, die die Rechtsprechung zur Entwicklung der de facto gesetzeskorrigierenden „isolierenden Betrachtungsweise“ veranlassten. Dies gilt insbesondere48 für die Verwertungstatbestände in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Bstb. d und f, Nr. 3 und Nr. 4 Bstb. a. Sie erweisen sich als systemwidrig, da sie von der im internationalen Ertragssteuerrecht sonst nachweisbaren Grundentscheidung des Gesetzgebers ohne rechtfertigenden Grund abweichen, und sind damit ein Fall für den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Bundesverfassungsgericht.

46 47 48

Vgl. oben zu Fn. 32. Vgl. oben zu Fn. 33. Abweichungen vom Ursprungsprinzip enthalten aber z.B. auch § 49 Abs. 2 Nr. 5 Bstb. c, soweit dort nur Darlehenszinsen von der beschränkten Steuerpflicht erfasst sind, bei denen eine Sicherung durch inländische Grundstücke vorliegt (was eine systemwidrige Differenzierung bedeutet), und § 49 Abs. 2 Nr. 9, soweit dort die Lizenzgebühren in voller Höhe der deutschen Besteuerung unterworfen werden (obwohl diese ihren Ursprung nur zum Teil im Inland haben; dazu G. Morgenthaler, Die Lizenzgebühren im System des internationalen Einkommensteuerrechts, Heidelberg 1992, S. 98 ff.).

Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

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Literaturverzeichnis Behrends, Okko / Knütel, Rolf / Kupisch, Berthold / Seiler, Hans Hermann (Hg.), Corpus Iuris Civilis. Die Institutionen. Text und Übersetzung, Heidelberg 1993. Bilsdorfer, Peter, Die sogenannte isolierende Betrachtungsweise, RIW 1983, S. 850 ff. Crezelius, Georg, Die isolierende Betrachtungsweise, insbesondere die grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, StVj 1992, S. 322 ff. Debatin, Helmut, Die beschränkte Steuerpflicht bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, BB 1960, S. 1015 ff. Ders., Die Bestimmung der Einkunftsart bei der beschränkten Steuerpflicht, DB 1961, S. 785 ff. Ders., Die isolierte Betrachtungsweise bei der beschränkten Steuerpflicht und ihre Kritik, DB 1962, S. 178 ff. Ders., Handbuch der Vereinten Nationen für Verhandlungen über Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, DB 1980, Beilage Nr. 15/80, S. 1 ff. Ebling, Klaus (Hg.), Blümich, EStG/KStG/GewStG. Kommentar, Loseblattsammlung, München. (zitiert: Bearbeiter, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG Kommentar, Losebl., Lfg. (Datum), § Rn.) Ders., Isolierende Betrachtungsweise im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, IWB (1983) Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, S. 791 ff. Endriss, Horst Walter, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip? Die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung sowie der internationalen Steuerflucht durch Wohnsitzverlagerung bei ausschließlicher Anwendung des Ursprungsprinzips, Köln 1966. Flick, Hans, Auswirkungen der „isolierenden Betrachtungsweise“ auf die internationale Doppelbesteuerung, DB 1961, S. 1595 ff. Flies, Rolf, Die Umqualifikation der Einkünfte bei der beschränkten Steuerpflicht. Kritische Betrachtung zu den Ergänzungen des § 49 EStG, DStZ 1995, S. 431 ff. Gandenberger, Otto, Der Einfluß der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf die internationalen Wirtschaftsströme, in: Klaus Vogel (Hg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts (=DStjG 8), Köln 1985, S. 33 ff.

294

Gerd Morgenthaler

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Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht

295

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Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken Bernd Niess

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................. 301 2 Global Player weltweit im Fadenkreuz der Steuerbehörden ..................... 303 2.1 Grundsätzliches Misstrauen der Finanzverwaltungen gegenüber konzerninternen Verrechnungspreisen........................................... 303 2.2

Unternehmerische Gründe für Outboundaktivitäten ..................... 304

2.3

Internationales Steuersatzgefälle .................................................. 304

3 Steuerliche Risiken aus internationalen Verrechnungspreisen und mögliche Instrumente zu deren Begrenzung ............................................. 305 3.1 Typische Verrechnungspreisrisiken in der steuerlichen Betriebsprüfung ............................................................................. 305 3.1.1 Doppelbesteuerung aufgrund von Formalmängeln in den Aufzeichnungen ........................................................... 305 3.1.2 Doppelbesteuerung aufgrund Unangemessenheit der Verrechnungspreise ............................................................ 306 3.1.3 Strafzuschläge .................................................................... 306 3.1.4 Nachzahlungs- und Verzugszinsen ..................................... 306 3.1.5 Strafrechtliche Konsequenzen ............................................ 307 3.1.6 Sonstige Risiken ................................................................. 307 3.2

Doppelbesteuerungsabkommen mit Einigungszwang als wirksames Heilmittel? ................................................................... 308

3.3

Idealvorsorge durch Advance Pricing Agreements (APA)? ........... 310 3.3.1 Die wesentlichen Vorzüge von APA ................................... 310 3.3.2 Die mit einem APA einhergehenden Nachteile ................... 311

298

Bernd Niess

3.4

Anhebung der Beteiligungsquote für die Qualifikation von „nahe stehenden Personen“.......................................................... 312

4 Maßnahmen und Strategien zur Reduzierung der steuerlichen Verrechnungspreisrisiken bereits im Vorfeld ............................................ 315 4.1 Verrechnungspreis-Risk-Management unter dem Einfluss der Konzernorganisation ..................................................................... 315 4.1.1 Implementierung und Umsetzung einer Verrechnungspreisrichtlinie als integraler Bestandteil des Verrechnungspreissystems ........................................... 315 4.1.1.1 Konzernweit einheitliches Verrechnungspreissystem................................................................... 315 4.1.1.2 Konzernweit einheitliches Dokumentationssystem................................................................... 316 4.1.1.3 Zentrale oder dezentrale Dokumentationsverantwortung?............................................................... 317 4.1.1.4 Verrechnungspreisverantwortliche der Geschäftsbereiche als verlängerter Arm der Zentralbereiche bzw. der zentralen Steuerabteilung ....................... 317 4.1.2 Risk Management durch höchstmögliche Standardisierung ................................................................. 317 4.1.3 Transparenz im Konzern: Compliance als „Erfüllungsgehilfe“ ............................................................ 318 4.1.4 Weltweite, zentrale Steuerverantwortung ........................... 319 4.2

„Soviel wie nötig, so wenig wie möglich“: Vermeidung „unnötiger“ konzerninterner, grenzüberschreitender Transaktionen . 319 4.2.1 Vermeidung von Umwandlungen konzernexterner in konzerninterne Transaktionen ............................................ 320 4.2.2 Bildung von Transaktionsbündeln, wenn eine separate Abrechnung nicht notwendig und/oder sinnvoll ist ............ 320 4.2.3 Vermeidung von konzerninternen Transaktionen, wenn sie durch negative Steuereffekte insgesamt unwirtschaftlich werden ..................................................... 320

4.3

Risikoaverse Geschäftsmodellwahl: Strategische Überlegungen zur Funktions- und Risikoallokation im Konzern .......................... 320

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

299

4.3.1 Konsequente Abbildung der wirtschaftlichen Realität in steuerlich akzeptierten Strukturen am Beispiel der Auftragsfertigung ............................................................... 321 4.3.2 Strukturierung von Investitionen mit großem Risikound Chancenpotential am Beispiel der Auftragsentwicklung .......................................................... 321 4.4

Risikoprophylaxe: Nutzung von Deeskalationspotential ............... 322 4.4.1 Vermeidung provokativer Ausnutzung von Verrechnungspreis-Bandbreiten ......................................... 322 4.4.2 Vermeidung provokativer Ausnutzung von RisikoBandbreiten ........................................................................ 322

5 Zusammenfassung..................................................................................... 324 

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

1

301

Einleitung

Internationale Verrechnungspreise1 sind in Deutschland bereits seit den frühen zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts Gegenstand der Auseinandersetzungen zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen2. Dabei ging und geht es um Fragen der Gewinnaufteilung zwischen den beteiligten Staaten bei grenzüberschreitenden Lieferungs- und Leistungsbeziehungen und das damit verbundene Risiko möglicher Mehrfachbesteuerungen für die Unternehmen. Steuerliche Risiken im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen sind also nichts Neues. Sie sind über die Jahrzehnte bereits in einer Vielzahl von Fachveröffentlichungen diskutiert und analysiert worden, so dass die Frage erlaubt ist: Warum dieser Aufsatz? Es ist die Summe und die Dynamik der Veränderungen in den letzten Jahren bei den für eine Risikoentstehung maßgebenden Einflussfaktoren, die eine erneute Beschäftigung mit dem Thema herausfordert. Welche Faktoren sind das und wie beeinflussen sie das „Verrechnungspreisrisiko“ der international tätigen Konzerne? Faktor Globalisierung: Die Zahl der Konzerne, in denen grenzüberschreitende Lieferungs- und Leistungsbeziehungen stattfinden, wächst ständig. Ebenso wächst das Volumen des Leistungsaustausches in einem früher nicht vorstellbaren Ausmaß. Der weltweite Warenexport erhöhte sich z. B. seit 1990, einer Zeit, in der die Globalisierung bereits voll im Gang war, von 3.449 Mrd. US$ auf 16.127 Mrd. US$ in 2008 und hat sich damit fast verfünffacht3. Faktor leere Staatskassen: Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise führt bei allen Staaten weltweit zu massiven Steuereinbußen und in Folge dessen zu sehr stark wachsenden Staatsschulden. Dies erhöht kurz- und mittelfristig bei allen Fisci den Druck hin zu zusätzlichen Steuereinnahmen. Steuerentlastungen stehen vielleicht in Wahlprogrammen, aber krisenbedingt nicht wirklich zur Diskussion. Faktor Aufrüsten der Fiskalbehörden: Die weltweite Verschärfung der steuerlichen Regelungen zu Verrechnungspreisen bei grenzüberschreitenden, konzerninternen Transaktionen hat in den letzten Jahren weiter zugenommen4. Die folgende Abbildung 1 verdeutlicht die Entwicklung im Bereich der Dokumentationsvorschriften. Parallel dazu ist ebenfalls weltweit eine deutliche Verschärfung 1

2

3

4

Hierunter sollen im Folgenden Verrechnungspreise für konzerninternen, grenzüberschreitenden Liefer- und Leistungsaustausch verstanden werden. Vgl. dazu ausführlich: Rehfeld, L: Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags. Frankfurt a. M. 2007, S. 31ff. Vgl. World Trade Organization: http://stat.wto.org/StatisticalProgram/WSDBViewData. aspx?Language=E (Stand: September 2009). Vgl. z.B. PricewaterhouseCoopers: International Transfer Pricing 2009.

302

Bernd Niess

Länder mit TP-Regelungen

der Verrechnungspreisprüfung im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung festzustellen. Wurde dieses Prüfungsgebiet in den 90er Jahren noch „am Rande mitgeprüft“, so stellt es im neuen Millennium einen wichtigen Prüfungsschwerpunkt dar5. Die Betriebsprüfer „rücken“ jeweils mit gut ausgebildeten Spezialistenteams an6.

Korea Canada Brazil Mexico France Australia USA

1998

Venezuela Denmark U.K. Korea Canada Brazil Mexico France Australia USA

1999

Abbildung 1:

China Croatia Croatia Ecuador Ecuador Singapore Singapore Vietnam Vietnam Taiwan Taiwan Taiwan Sweden Sweden Sweden Sweden Russia Russia Russia Russia Israel Israel Israel Israel Ireland Ireland Ireland Ireland Finland Finland Finland Finland South Africa South Africa South Africa South Africa South Africa Portugal Portugal Portugal Portugal Portugal Peru Peru Peru Peru Peru Malaysia Malaysia Malaysia Malaysia Malaysia Hungary Hungary Hungary Hungary Hungary Columbia Columbia Columbia Columbia Columbia Germany Germany Germany Germany Germany Thailand Thailand Thailand Thailand Thailand Thailand Netherlands Netherlands Netherlands Netherlands Netherlands Netherlands Argentina Argentina Argentina Argentina Argentina Argentina India India India India India India India Columbia Japan Japan Japan Japan Japan Kazakhstan Kazakhstan Kazakhstan Kazakhstan Kazakhstan Kazakhstan Kazakhstan Poland Poland Poland Poland Poland Poland Poland Italy Italy Japan Japan Russia Italy Italy New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand Belgium Belgium Belgium Belgium Belgium Belgium Belgium Belgium Venezuela Venezuela Venezuela Venezuela Venezuela Venezuela Venezuela Venezuela Denmark Denmark Denmark Denmark Denmark Denmark Denmark Denmark U.K. U.K. U.K. U.K. U.K. U.K. U.K. U.K. Korea Korea Korea Korea Korea Korea Korea Korea Canada Canada Canada Canada Canada Canada Canada Canada Brazil Brazil Brazil Brazil Brazil Brazil Brazil Brazil Mexico Mexico Mexico Mexico Mexico Mexico Mexico Mexico France France France France France France France France Australia Australia Australia Australia Australia Australia Australia Australia USA USA USA USA USA USA USA USA

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Greece China Croatia Ecuador Singapore Vietnam Taiwan Sweden Russia Israel Ireland Finland South Africa Portugal Peru Malaysia Hungary Columbia Germany Thailand Netherlands Argentina India Japan Kazakhstan Poland Italy New Zealand Belgium Venezuela Denmark U.K. Korea Canada Brazil Mexico France Australia USA

Uruguay Morocco Greece China Croatia Ecuador Singapore Vietnam Taiwan Sweden Russia Israel Ireland Finland South Africa Portugal Peru Malaysia Hungary Columbia Germany Thailand Netherlands Argentina India Japan Kazakhstan Poland Italy New Zealand Belgium Venezuela Denmark U.K. Korea Canada Brazil Mexico France Australia USA

2008

2009

Zeit

Verschärfung der Dokumentationspflichten weltweit

Darüber hinaus sind unternehmensbezogene Informationen aufgrund der gesteigerten Unternehmenspublizität sowie der weltweiten Vernetzung über das Inter-

5

6

Ähnliches gilt auch im Rahmen der Jahresabschlussprüfung durch die Wirtschaftsprüfer. Hier erfolgt mittlerweile eine gesonderte, zeitnahe und periodische Prüfung der Verrechnungspreise durch die Wirtschaftsprüfer. Das Zusammenspiel von komplexen grenzüberschreitenden Konzernstrukturen mit z.T. schwer quantifizierbarem Lieferungs- und Leistungsverkehr vor dem Hintergrund zumeist unterschiedlicher Steuerrechtsnormen, die einen erheblichen Verwaltungsund Dokumentationsaufwand erfordern und Fehlverhalten mit empfindlichen Bußgeldern und Doppelbesteuerungen sanktionieren können, weist auf ein hohes Risiko hin und stellt deshalb eines der bedeutendsten Prüfungsfelder dar. Vgl. hierzu auch Günkel, M.: Die Prüfung der steuerlichen Verrechnungspreise durch den Abschlussprüfer, WPg 1996, S. 839 ff. Gleiches gilt für die Abschlussprüfer.

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

303

net sehr schnell, mit großer Tiefe und zudem kostengünstig für den Fiskus zu erhalten. Im folgenden Beitrag soll gezeigt werden, dass insbesondere vor dem Hintergrund der weltweiten Verschärfung der steuerlichen Vorschriften das grundsätzliche Misstrauen der Fisci gegenüber steuerlichen Verrechnungspreisen international tätiger Unternehmen deutlich überzogen ist. International tätige Unternehmen gehen vielmehr aufgrund konzerninterner, grenzüberschreitender Transaktionen erhebliche steuerliche Risiken ein. Ferner werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie diese steuerlichen Risiken reduziert werden können. 2

Global Player weltweit im Fadenkreuz der Steuerbehörden

2.1

Grundsätzliches Misstrauen der Finanzverwaltungen gegenüber konzerninternen Verrechnungspreisen

Verrechnungspreisen ist nach Auffassung der Finanzverwaltungen grundsätzlich mit Misstrauen zu begegnen, da angesichts der unterschiedlichen Ertragsteuersätze in den einzelnen Staaten die Gefahr besteht, dass die Steuerpflichtigen unter Nutzung des Instruments der Verrechnungspreise Gewinne in Länder verlagern, in denen ein eher mildes Steuerklima herrscht. Die Verlagerung von Steuerbemessungsgrundlagen (auch populär als Steuersubstrat oder Steuerbasis bezeichnet) über Verrechnungspreise oder über andere Methoden steht deshalb gerade in der politischen Diskussion in Deutschland immer wieder im Fokus. Dies auch deshalb, weil Deutschland als bisheriges „Hochsteuerland“ nach Meinung des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung eher als andere Länder Anlass bot, über Gewinnverlagerungen durch Verrechnungspreisgestaltungen nachzudenken. Im Vorfeld der Unternehmensteuerreform 2008 wurde durch das Bundesfinanzministerium auf eine „Besteuerungslücke“ von 100 Mrd. Euro aufmerksam gemacht, die einer Studie des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) zu entnehmen war. Diese „Besteuerungslücke“ führte das DIW zu der Schlussfolgerung: „Dies deutet auf Steuervergünstigungen und Gestaltungsmöglichkeiten hin, mit denen die Unternehmen ihre steuerpflichtigen Gewinn herunterrechnen oder ins Ausland verlagern.“ Jonas7 hat sich ausführlich mit den Zahlen des DIW und den daraus abgeleiteten politischen Argumenten auseinandergesetzt. Sein Fazit: Die Zahlen des DIW sind methodisch angreifbar „und in

7

Vgl. Jonas, B: Das Volumen von Steuersubstratverlagerungen in Outbound-Fällen, in: Spindler, W. (Hrsg.): Steuerzentrierte Rechtsberatung: Festschrift für Harald Schaumburg zum 65. Geburtstag, Köln 2009, S. 793 ff.

304

Bernd Niess

einem erschreckenden Umfang übersetzt“8. Andere Ansätze zur Abschätzung des Volumens von Steuersubstratverlagerungen konnten die DIW-Zahlen ebenfalls nicht bestätigen. Außerdem scheint es, dass hier „Gewinnverlagerung“ mit volkswirtschaftlich erforderlichen Auslands- bzw. Direktinvestitionen, die in aller Regel nicht steuergetrieben sind, vermischt werden. 2.2

Unternehmerische Gründe für Outboundaktivitäten

In politischen Diskussionen wird immer wieder der Eindruck erweckt, die Unternehmen seien bei der internationalen Standortwahl alleine „steuergetrieben“. Die Realität sieht anders aus. Es gibt viele Gründe, die Unternehmen veranlassen, Forschung- und Entwicklung, Produktion und Vertrieb und andere Unternehmensfunktionen im Ausland anzusiedeln. Die Erfahrungen zeigen, dass das „Steuerklima“ in einem Land ein höchst kurzfristiger und unsicherer Standortfaktor sein kann. Demgegenüber sind Faktoren wie Infrastruktur, Arbeitskräftepotential, Nähe zum Absatzmarkt (lokale Produktion für den lokalen Markt), Local Content Auflagen, unüberwindbare Einfuhr- und/oder Zollschranken und sonstige Standort- und Kostenvorteile (z. B. Nähe zu den Rohstoffen) in der Praxis für die Entscheidungsfindung von herausragender Bedeutung9. 2.3

Internationales Steuersatzgefälle

Soweit als Motivation für Gewinnverlagerungen in das Ausland die hohen Ertragsteuersätze in Deutschland angeführt werden, ist dieses Argument spätestens durch die Absenkung des deutschen Körperschaftsteuersatzes seit 2008 nicht mehr valide. Es ist eine weltweite Annäherung bei den Ertragsteuersätzen festzustellen. Die folgende Abbildung 2 zeigt, dass die kombinierten Ertragsteuersätze von wichtigen Industrie- und Schwellenländern in einem engen Korridor von +/-10 %-Punkten um den deutschen Ertragsteuersatz für Kapitalgesellschaften von rund 30 % liegen.

8 9

Vgl. Jonas, B (2009), S. 809. Vgl. Oppenländer, K.H.: Einflussfaktoren der internationalen Standortwahl, in: Macharzina, K./Oesterle, M.-J., Handbuch Internationales Management, 2. Aufl. Wiesbaden 2002, S. 361 ff.

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

%

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305

20% 15% 10% 5%

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Abbildung 2 Internationales Steuergefälle. Ertragsteuersätze von wichtigen Industrie- und Schwellenländern10 3

Steuerliche Risiken aus internationalen Verrechnungspreisen und mögliche Instrumente zu deren Begrenzung

3.1

Typische Verrechnungspreisrisiken in der steuerlichen Betriebsprüfung

Wie nachfolgend dargelegt werden soll, ist ein grenzüberschreitend tätiges Unternehmen hinsichtlich der konzerninternen Verrechnungspreise einer Vielzahl von steuerlichen Risiken verschiedenster Art ausgesetzt, die i.d.R. geballt auftreten. 3.1.1

Doppelbesteuerung aufgrund von Formalmängeln in den Aufzeichnungen

Grundsätzlich ist vom Steuerpflichtigen eine geschäftsvorfallbezogene Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation vorzuhalten. Soweit der Steuerpflichtige nach Ansicht einer der beteiligten Finanzbehörden keine oder im Wesentlichen unverwertbare bzw. nicht zeitnah erstellte Aufzeichnungen vorlegt, droht ihm eine Schätzung zu seinen Lasten. Das gleiche Schicksal kann der

10

Vgl. KPMG's Corporate and Indirect Tax rate Survey 2008, http://www.kpmg.de/docs/20080801_KPMGs_Corporate_and_Indirect_Tax_Rate_Survey.pdf

306

Bernd Niess

Steuerpflichtige erleiden, wenn er trotz penibelster Aufzeichnungen nach Ansicht einer der beteiligten Finanzbehörden die vermeintlich falsche Verrechnungspreismethode angewandt hat. Dabei kann die Finanzbehörde im anderen Land gerade auf dieser Methode bestanden haben. Internationale Doppelbesteuerungskonflikte sind insoweit vorprogrammiert. 3.1.2

Doppelbesteuerung aufgrund Unangemessenheit der Verrechnungspreise

Es gibt bekanntermaßen nicht „den“ exakten Verrechnungspreis, d.h. der angemessene Verrechnungspreis ist keine absolut bestimmbare Größe, sondern bewegt sich regelmäßig innerhalb einer Bandbreite von Fremdvergleichspreisen11. Hier besteht das Risiko, dass der vom Steuerpflichtigen festgelegte Preis trotz ausreichender Dokumentation von einem der beteiligten Fisci der Höhe nach nicht akzeptiert wird. Schätzung bzw. Korrekturen zu Lasten des Steuerpflichtigen können die Folge sein, d.h. auch in diesem Falle droht eine Doppelbesteuerung. 3.1.3

Strafzuschläge

Verstöße gegen einschlägige Verrechnungspreisvorschriften werden in vielen Ländern mit Strafzuschlägen geahndet. Bemessungsgrundlage der Strafzuschläge, die in manchen Ländern bis zu 200% ausmachen können, ist in der Regel der Korrekturbetrag der Einkünfte, der sich nach der Gewinnschätzung ergeben hat. Um die Wirkung von Strafzuschlägen nicht zu schwächen, stellen Strafen und Bußgelder zudem grundsätzlich nichtabziehbaren Betriebsausgaben dar. Strafzuschläge sind in der Regel auch nicht Gegenstand von Verständigungsverfahren, die „wegverhandelt“ werden könnten. 3.1.4

Nachzahlungs- und Verzugszinsen

Der strittige Steuermehrbetrag wird stets verzinst, und zwar im Vergleich zu lokalen Kreditzinsen regelmäßig mit einem unvorteilhaften Zinssatz, so dass der dann insgesamt fällige Betrag nicht selten deutlich größer als die Gewinnberichtigung selbst ist12. Die Verzugszinsen stellen regelmäßig nichtabziehbare Betriebsausgaben dar und werden wie Strafzuschläge von Doppelbesteuerungsab-

11

12

Vgl. OECD-Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 1995, Tz. 1.45 - 1.48 sowie Kuckhoff, H./Schreiber, R.: Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung. Der Fremdvergleich bei Lieferungen und Leistungen, München 1997, S. 74. So hat sich z. B. im Fall Glaxo der ursprüngliche Fehlbetrag fast verdoppelt. Vgl. Beuchert, T.: Entwicklungen im Verrechnungspreissystem der USA am Beispiel der Verfahren DHL, Glaxo und Xilinx - Modell für Deutschland, IStR 2006, S. 605 ff.

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

307

kommen oft nicht erfasst13. Mithin verbleibt auch bei vollumfänglicher Verständigung (Korrektur mit einhergehender spiegelbildlicher Gegenkorrektur auf der anderen Seite) i.d.R. ein erheblicher negativer Zinseffekt. 3.1.5

Strafrechtliche Konsequenzen

Ein besonderer Risikofaktor bildet das Steuerstrafrecht. Sind die steuerlichen Verrechnungspreise willentlich und wissentlich unangemessen und/oder unterlässt der Steuerpflichtige bzw. stellvertretend der gesetzliche Vertreter die rechtlich gebotene Richtigstellung, so ist in vielen Ländern der Tatbestand einer vollendeten Steuerhinterziehung erfüllt. Drakonische Geldbußen und sogar Haftstrafen können die Folge sein. Das Strafrecht umfasst konsequent auch Mittäter und Mitwisser. Mit dem strafrechtlichen Sanktionsinstrument haben die Finanzbehörden ein starkes Drohpotential in der Hand, welches bisweilen ungerechtfertigt profiskalisch eingesetzt wird. 3.1.6

Sonstige Risiken

Zu den genannten offensichtlichen Risiken kommen oftmals weitere, weniger offensichtliche hinzu. So ziehen Gewinnkorrekturen bei deren technischer Durchführung neben den damit originär ausgelösten Gewinnsteuern möglicherweise auch zusätzliche Quellensteuerbelastungen (auf verdeckte Gewinnausschüttungen) nach sich. Außerdem kann durch das publik werden einer Verrechnungspreiskorrektur ein erheblicher Imageschaden für das Unternehmen drohen14. Nicht ausgeschlossen ist des Weiteren ein negativer Abstrahleffekt auf Umsatzsteuer und Zoll, da die bisher angesetzten Werte zumindest aus ertragsteuerlicher Sicht nicht akzeptiert worden sind und somit auch hier nachträglich negative Korrekturbedarfe entstehen. Der potentielle Umfang der steuerlichen Risiken kann im konkreten Einzelfall zu extrem hohen Korrektursummen führen15.

13

14

15

Vgl. Vögele, A./Borstell, T./Engler, G.: Handbuch der Verrechnungspreise. 2. Aufl., München 2004, S. 1712 f. Vgl. Bielefeld, F.: Vorsicht bei hohen Verrechnungspreisen. http://www.handelsblatt.com/ finanzen/steuerrecht/vorsicht-bei-hohen-verrechnungspreise;2098813. 03. September 2009. Im wohl bekanntesten Verrechnungspreis-Disput der Gegenwart, nämlich der Fall GlaxoSmithKline (GSK) kam es in 2000 zu einer Verrechnungspreisbedingten Steuernachzahlung von insgesamt 3,4 Mrd. USD zugunsten des US-amerikanischen Fiskus. Darüber hinaus verzichtet GSK auf korrespondierende Steuererstattungen in UK in Höhe von 1,8 Mrd. USD. In Dänemark musste der Halbleiterhersteller INTEL fast 0,7 Mrd. USD nachversteuern, vgl. Beuchert, T.: Entwicklungen im Verrechnungspreissystem der USA am Beispiel der Verfahren DHL, Glaxo und Xilinx – Modell für Deutschland, IStR 2006, 605ff. politiken.dk (2009): Intel in transfer princing case. http://politiken.dk/newsinenglish/article685877.ece, 07.April 2009.

308

Bernd Niess

Die Gründe für diese hohen Korrekturbeträge sind dabei leicht nachvollziehbar: Selbst kleine Verrechnungspreiskorrekturen führen aufgrund hoher konzerninterner Transaktionsvolumina, meist mehrjähriger Korrekturzeiträume im Rahmen der Betriebsprüfung und damit verbundener erheblicher Nachzahlungszinsen und Strafen schnell zu großen Beträgen. 3.2

Doppelbesteuerungsabkommen mit Einigungszwang als wirksames Heilmittel?

Chronischer Schwachpunkt der „alten“ Doppelbesteuerungsabkommen ist der fehlende Einigungszwang. Denn hier besteht das große Risiko, dass die involvierten Steuerbehörden sich nicht oder nicht in überschaubarer Zeit von ihren unterschiedlichen Vorstellungen wegbewegen. Grenzüberschreitende Steuerkonflikte können so verzögert werden, bis der Steuerpflichtige entnervt aufgibt und das Verständigungsverfahren abbricht. Das Ergebnis ist für den Steuerpflichtigen überaus unbefriedigend, denn die Doppelbesteuerung kann trotz oft langjähriger Verhandlungen nicht geheilt werden. Dieses Manko wurde sowohl auf EU- als auch auf OECD-Ebene erkannt. Um dem Steuerpflichtigen die nötige Rechtssicherheit geben zu können, wurden deshalb gezielt Lösungen erarbeitet16. Eine Vielzahl der derzeit neu abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen sieht infolgedessen einen Einigungszwang unter Einhaltung einer bestimmten Zeitfrist vor17. In der EU ansässige Unternehmen können sich zudem auf die EU-Schiedskonvention berufen, in der ebenfalls eine Zwangseinigung bindend verankert ist. Aber was kann das gegenwärtige Verständigungsverfahren unter Einigungszwang wirklich leisten? Ist es wirklich ein Heilmittel, um die bekannten Risiken zu vermeiden bzw. zu reduzieren? Im Folgenden sollen die Vorteile einer Einigungsklausel in den Doppelbesteuerungsabkommen anhand der bekannten Risiken aufgezeigt werden.

16

17

Vgl. Owens, J.: Die Vorschläge der OECD zur Verbesserung des Verfahrens zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit DBA, IStR 2007, S. 472 ff. Vgl. dazu exemplarisch Lehner, M. in Vogel, K./Lehner, M.: Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, 5. Aufl., München 2008, Art. 25, Rz. 250.

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

309

Einigungsklausel Risikofaktor

ja

nein

Doppelbesteuerung

Hohe Sicherheit der Vermeidung einer permanenten Doppelbesteuerung

Keine Sicherheit der Vermeidung einer permanenten Doppelbesteuerung

Zeitaspekt

Schnelle Einigung; „Soll-Dauer“: 1-3 Jahre

Einigung >3 Jahre oder keine Einigung

Zinsen

Zinsbelastung bleibt, jedoch Beschränkung, da Einigungszwang schädlichen Zinslauf de facto stoppt

Zinsbelastung bleibt und daher Risiko hoch, da Zinslauf >3 Jahre

Interne/Externe Kapazitätsbindung

"Sollte" nach Aufgreifen auf ca. 3 Jahre nach Einleitung beschränkt sein

Kapazitätsbindung tendenziell länger, da langsamere/keine Einigung

Position in der Bilanz

"Soll": Max. 3 Jahre

Ggf. „Dauerzustand“ in Bilanz, aber sicherlich >3 Jahre

Abbildung 3:

Vergleich: Doppelbesteuerungsabkommen mit und ohne Einigungsklausel18

Zweifelsfrei bietet das Verständigungsverfahren gekoppelt mit Einigungszwang handfeste Vorteile für den Steuerpflichtigen. Dennoch werden nicht alle beschriebenen Risiken vermieden. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist und bleibt der „black box“ – Charakter von Verständigungs- und Schiedsverfahren. Die Verfahrensabläufe sehen formal nur eine sehr eingeschränkte Mitwirkungsmöglichkeit für den Steuerpflichtigen vor, der nach Antragstellung quasi nicht mehr „Herr des Verfahrens“ ist. Hier liegt ein Risiko für den Steuerpflichtigen, dass das anhängige Verfahren aus dessen Sicht nur unbefriedigend gelöst wird. Zudem erscheint es fraglich, ob in der Praxis wirklich zeitnah bzw. innerhalb von 3 Jahren eine Einigung erzielt werden kann. Zum einen waren in 2007 in der EU bereits 250 Verfahren anhängig19, so dass eine zeitnahe Bearbeitung bei knappen Kapazitäten fraglich sein dürfte. Zum anderen zeigt die Praxis, dass die

18

19

Ein weiterer Risikofaktor ist zudem das potentielle Wechselkursrisiko, weil Verrechnungspreisanpassungen in der Landeswährung zu erfolgen haben. Jedoch können sich hierbei für den Steuerpflichtigen auch Chancen in Form von Wechselkursgewinnen einstellen. Vgl. Deloitte-Präsentation, Strategy Matrix for Global Transfer Pricing, 2009, http://deloitte.com.

310

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anhängigen oder kürzlich gelösten Verfahren auf eine weitaus längere Verfahrensdauer zurückblicken. Abschließend lässt sich somit festhalten, dass ein Verständigungsverfahren mit Einigungszwang nicht als Heilmittel gegen jegliche Art von potentiellen Verrechnungspreisrisiken eingesetzt werden kann. 3.3

Idealvorsorge durch Advance Pricing Agreements (APA)?

Im Gegensatz zu Verständigungsverfahren, die ja im Wesentlichen vergangenheitsorientiert sind, stellen APA eine ernsthafte Alternative dar, Zukunftssachverhalte abzusichern. Im Wege eines bilateralen APA können nämlich noch nicht realisierte Verrechnungspreis-Sachverhalte im Voraus vertraglich und verbindlich geregelt werden. Insbesondere in den USA hat sich das APA als erfolgreiches Mittel zur Vermeidung von Verrechnungspreiskonflikten etabliert. Vor allem seitens internationaler Konzerne besteht dementsprechend ein potentiell großes Interesse an APA. In Deutschland hat sich die Anzahl der offenen APA-Verfahren seit dem Jahr 2004 von 9 auf über 50 erhöht20. Die stetig steigende Anzahl der Anträge zeigt eindrucksvoll, dass Steuerpflichtige in Verrechnungspreisfällen die Vorsorgealternative der APA zunehmend anzunehmen scheinen21: 3.3.1

Die wesentlichen Vorzüge von APA

- Planungssicherheit: Höchstmaß an steuerlicher Planungssicherheit für den Steuerpflichtigen bei verbindlicher Zusage seitens der Finanzverwaltung. - Vermeidung der Doppelbesteuerung: Im Rahmen von APA können verbindlich bi- oder multilaterale Verständigungen über zukünftige Verrechnungspreisgestaltungen getroffen und so Doppelbesteuerungen effizient vermieden werden. - Mögliche Rückwirkung: Unter Umständen kann ein APA mit einer Gültigkeit für noch offene Altjahre (Rückwirkung durch „Roll Back“22) abgeschlossen werden. Im Rahmen von

20

21 22

Vgl. Becker, K.: Seminar J, Verfahren zur Lösung von DBA-Konflikten, IStR 2007, S. 592 ff. (594). Vgl. Becker, K. (2007), S. 593. Vgl. „Merkblatt für bilaterale oder multilaterale Vorabverständigungsverfahren auf der Grundlage der Doppelbesteuerungsabkommen zur Erteilung verbindlicher Vorabzusagen über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (sog. „ Advance Pricing Agreements“ – APA) vom 05.10.2006, IV B4 – S 1341 – 38/06, Tz. 3.7, BStBl. I 2006, S. 594.

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

311

APA wird so die Doppelbesteuerung im Voraus verhindert und nicht wie in Verständigungs- und Schiedsverfahren im Nachhinein kuriert. - Steuerpflichtiger bleibt „Herr des Verfahrens“: APA-Prüfungen werden in der Regel in einem kooperativen Umfeld zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen vorgenommen und der Steuerpflichtige ist bis zum Abschluss des APA in das Verfahren eingebunden. Es besteht eine wesentlich größere Transparenz als in Verständigungs- und Schiedsverfahren. 3.3.2

Die mit einem APA einhergehenden Nachteile

- Verfahren mit hoher Komplexität: Ein APA bleibt ein kompliziertes mehrstufiges Verfahren. Die Beantragung und „Pflege“ ist zeit- und kostenintensiv. - Gebührenintensives Verfahren: Die Beratungsgebühren für die lokalen Spezialisten sind regelmäßig recht hoch, zumal stets zwei Seiten steuerlich abzusichern sind. Dagegen fallen staatliche Gebühren, wie z. B. die in Deutschland gesetzlich festgelegte Einleitungsgebühr von 20.000,- €. (§ 178 a AO) kaum ins Gewicht. - Vorbehaltlose Offenheit: Grundvoraussetzung eines jeden APA ist vorbehaltlose Offenheit gegenüber den beteiligten Fisci. Der Steuerpflichtige muss quasi vollumfängliche Transparenz schaffen und konsequent steuerrelevante Sachverhalte aufdecken, die teilweise noch nicht einmal durch die Betriebsprüfung abschließend geprüft worden sind. Nachteilig ist hierbei, dass potentielle Aufgriffspunkte dem Fiskus womöglich „frei Haus“ geliefert werden. - Kein Verwertungsverbot: Scheitert das begehrte APA besteht insoweit auch kein Verwertungsverbot im Rahmen einer anschließenden Betriebsprüfung. - Einhaltungsgebot der Critical Assumptions: Nach Abschluss eines APA hat der Steuerpflichtige jährlich umfassende Nachsorgepflichten zu erfüllen. So ist u. a. der Nachweis zu erbringen, dass der zugrunde liegende Sachverhalt weiterhin so gegeben ist und die Gültigkeitsbedingungen („Critical Assumptions“) weiter Bestand haben23. Inwieweit der Steuerpflichtige insbesondere in den vorherrschenden Krisenzeiten diese Nachweise überhaupt wirksam erbringen kann, ist umstritten.

23

Vgl. BMF vom 05.10.2006, IV B 4 – S 1341 – 38/06; Tz. 7.3, BStBl. I 2006, S. 594.

312

Bernd Niess

- „Pro-fiskalisches Anschluss-APA“: Oftmals sind APA aus der Not bzw. Betriebsprüfung heraus geboren, damit der „angeschlagene“ Steuerpflichtige bei zukünftigen Betriebsprüfungen besser gewappnet ist. Quasi „auf Empfehlung“ der letzten Betriebsprüfung werden dann APA meist unter Hast beantragt. Charakteristisch für solche APA ist mithin die kurze Planungszeit und die „bessere Kenntnis“ des Fiskus aus der letzten Betriebsprüfung heraus. Die jeweiligen Fisci dominieren in der Ausgestaltung solcher Not-APA. Ein Kräfteungleichgewicht herrscht mithin vor, wodurch solch „erzwungene“ APA oft pro-fiskalisch geprägt werden. Insgesamt sprechen einige Argumente für den Abschluss von APA. Allerdings hat die Schutzwirkung unzweifelhaft Grenzen. Zudem macht das APA den Steuerpflichtigen gläsern. Schwachpunkte im Verrechnungspreissystem werden offenkundig und können in der nächsten Betriebsprüfung ggf. zu Lasten des Steuerpflichtigen verwertet werden. Daher ist auch das APA keine hinreichende Idealvorsorgemaßnahme zur Vermeidung von Verrechnungspreisrisiken. 3.4

Anhebung der Beteiligungsquote für die Qualifikation von „nahe stehenden Personen“

Viele Länder knüpfen die Anwendung von Korrekturnormen und die daraus resultierenden Pflichten des Steuerpflichtigen – neben der beherrschenden Einflussmöglichkeit – an bestimmte Beteiligungsquoten. Gerade der damit verbundene Angemessenheitsnachweis bei Transaktionen mit Joint-Venture Gesellschaften ist in in- und ausländischen Betriebsprüfungen ein ständiger Streitpunkt. Die Problematik und Sinnhaftigkeit der Regelungen soll nachfolgend am Beispiel des § 1 AStG näher erläutert werden. Nach § 1 Abs. 2 AStG sind Einkommenskorrekturen bereits bei einer Beteiligungsquote von 25 % möglich. Im Gegensatz hierzu hat der Gesetzgeber im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung, der verdeckten Einlage und der Entnahme als weitere deutsche Einkünftekorrekturnormen auf die gesetzliche Vorgabe einer Beteiligungsquote verzichtet, so dass theoretisch auch eine Beteiligung von 0,1 % ausreichend ist, um mögliche Einkunftskorrekturen zu prüfen und ggf. durchzuführen. Die meisten Staaten setzen dagegen eine Beteiligungsquote von > 50 % als Voraussetzung für die nationalen Korrekturnormen fest. Wie die folgende Abbildung 4 zeigt, ist Deutschland mit seiner 25 %-Grenze eines der wenigen Länder, die eine Beteiligungsquote ” 50 % gesetzlich festgelegt haben. Die deutsche 25 %-Grenze ist dabei mehr als fragwürdig, da sie unterstellt, dass der Anteilseigner schon mit einer Minderheitsbeteiligung seinen Willen (= nicht fremdvergleichskonforme Verrechnungspreise) bei der Beteiligungsgesellschaft

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

313

durchsetzen kann, was dem Grunde nach schon ausgeschlossen ist. Bezogen auf die Stimmrechte bedarf es hierfür mindestens mehr als 50 % (einfache Mehrheit), denn nur dann kann der Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. LAND

QUALIFIKATION ALS VERBUNDENES UNTERNEHMEN

MINDESTBETEILIGUNG (%)

ARGENTINIEN

Mehrheit des Kapitals

50,01%

CHINA (VOLKSREP.)

Beteiligung von 25% oder mehr

25,00%

DÄNEMARK

Mehr als 50% des Grundkapitals oder der Stimmen

50,01%

DEUTSCHLAND

Beteiligung von 25% oder mehr

25,00%

FINNLAND

Mehr als 50% des Grundkapitals oder der Stimmen

50,01%

FRANKREICH

Kontrolle des Grundkapitals oder der Stimmrechte

50,01%

KOLUMBIEN

Beteiligung von 50% oder mehr

50,00%

KOREA (REP.)

Mehr als 50% der Aktien

50,01%

IRLAND

Mehr als 50% der Stimmen

50,01%

JAPAN

50% oder mehr der ausgegebenen Aktien

50,00%

MALTA

Mehr als 50% des Grundkapitals oder der Stimmrechte

50,01%

NORWEGEN

Mehr als 50% des Grundkapitals oder der Stimmrechte

50,01%

SWEDEN

Mehr als 50% des stimmberechtigten Kapitals

50,01%

SCHWEIZ

Mehr als 50% des stimmberechtigten Kapitals

50,01%

TSCHECHIEN

25% des Kapitals oder der Stimmen / Mitgliedschaft der Geschäftsführung genügt

25,00%

UK

Mehrheit des Grundkapitals oder der Stimmen

50,01%

UNGARN

Kontrolle über mehr als 50% der Stimmen

50,01%

USA

Mehrheit des Grundkapitals oder der Stimmen

50,01%

Abbildung 4:

Beteiligungsquoten

Aber auch aus wirtschaftlicher Sicht macht die 25 %-Grenze wenig Sinn. Denn selbst wenn der Anteilseigner mit seiner 25 %-Beteiligung einen Verrechnungspreis tatsächlich gegen den Willen der Mitgesellschafter festsetzen könnte, wäre er schlecht beraten, dies zu tun. Aus wirtschaftlicher Sicht wird er nämlich nur dann eine Gewinnverlagerung aufgrund von ihm durchgesetzter, nicht fremdüblich reduzierter Verrechnungspreise ins niedriger besteuerte Ausland akzeptieren, wenn die dadurch für ihn erreichte, durch den Steuersatzunterschied verursachte Reduktion der Steuerlast aus der Beteiligung den damit einhergehenden veranlassten, künstlichen Gewinnabfluss an die Mitgesellschafter überkompensiert. Aus diesen Überlegungen lässt sich ein innerer Zusammenhang zwischen Steuersätzen im In- und Ausland und der Beteiligungsquote wie folgt ableiten: (G - G sA) A > G - G sI

bzw.:

A>

1-sI 1-sA

314

Bernd Niess

Für: G = Gewinn vor Steuern sA = ausländischer Steuersatz sI = inländischer Steuersatz A = Beteiligungsanteil an der ausländischen Kapitalgesellschaft Aus der Formel kann z.B. folgendes abgeleitet werden: Bei einem deutschen Ertragsteuersatz von rund 30 % - und einer Beteiligungsquote von 75 % an der Auslandsgesellschaft wäre eine Gewinnverlagerung bereits nachteilig, wenn der ausländische Steuersatz größer als 6,7 % ist; - und einem ausländischen Steuersatz von 20 % müsste die Beteiligungsquote mindestens 87,5 % betragen, damit sich die Gewinnverlagerung „rechnen“ würde. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das von den Finanzverwaltungen generell unterstellte Streben des Steuerpflichtigen nach Gewinnverschiebung ins niedriger besteuerte Ausland schnell dort seine Grenzen findet, wo es Mitgesellschafter gibt und es dadurch aufgrund des vorhandenen Interessengegensatzes automatisch zu einem fremdüblichen Verhalten kommt. Vor diesem Hintergrund könnte insbesondere der deutsche Gesetzgeber die inkriminierende Beteiligungsquote von 25 % leicht auf > 50 % erhöhen, ohne Gefahr zu laufen, Steuersubstrat zu verlieren. Eine so erhöhte Beteiligungsquote wäre eine wirkliche Bürokratieabbaumaßnahme. Denn hierdurch könnte eine erhebliche Anzahl von bisher inkriminierten, grenzüberschreitenden Transaktionen aus der Verdächtigungsliste gestrichen werden, so dass sich der erhebliche interne und externe Aufwand, der bei den betroffenen Unternehmen stets für konzerninterne Transaktionen anfällt, reduziert. Auch die Finanzverwaltung könnte ihre so frei werdenden Ressourcen sinnvoller einsetzen. Ferner könnten so Konflikte mit den i. d. R. ausländischen Mehrheits-Mitgesellschaftern reduziert werden. Diesen ist nur schwer vermittelbar, dass die lokale Gesellschaft aufgrund von ausländischen (hier deutschen) steuerlichen Verrechnungspreisregelungen einen erheblichen Dokumentationsaufwand zur Angemessenheitsprüfung der Verrechnungspreise betreiben muss, der lokal völlig unüblich ist.

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

4

315

Maßnahmen und Strategien zur Reduzierung der steuerlichen Verrechnungspreisrisiken bereits im Vorfeld

Die aufgezeigten steuerlichen Risiken bei konzerninternen Verrechnungspreisen sollten klarmachen, dass es sich aus Sicht eines international agierenden Konzerns schon im Grundsatz verbietet, das Ziel einer aktiven Gewinnverlagerung zu betreiben. Dem Risiko einer meist enormen permanenten Doppelbesteuerung samt Zinsen und Strafzuschlägen stehen als Chance – wenn überhaupt – meist nur geringe Steuereffekte gegenüber, welche die Risiken niemals aufwiegen können. Das Primärziel ist daher die Vermeidung einer Doppelbesteuerung und nicht – wie oftmals unterstellt – die Ausnutzung von Steuersatzunterschieden. Im Folgenden sollen daher Maßnahmen und Strategien erläutert werden, die helfen, das Risiko permanenter Doppelbesteuerungen und Strafen im Konzern zu reduzieren. 4.1

Verrechnungspreis-Risk-Management unter dem Einfluss der Konzernorganisation

4.1.1

Implementierung und Umsetzung einer Verrechnungspreisrichtlinie als integraler Bestandteil des Verrechnungspreissystems

4.1.1.1 Konzernweit einheitliches Verrechnungspreissystem Ein weltweit agierender Konzern mit seinen vielfältigen konzerninternen, grenzüberschreitenden Liefer- und Leistungsbeziehungen verlangt einen konzernweit gültigen und konsistenten Mindeststandard zu deren Abwicklung, um die aufgezeigten Verrechnungspreisrisiken soweit wie möglich zu vermeiden bzw. zu begrenzen. Dies gilt umso mehr, als gerade im Rahmen der Konzernorganisation (z. B. Organisation nach Bereichen/Sparten) oftmals das Ergebnis der einzelnen Konzerngesellschaft faktisch keine Rolle mehr spielt und ein internes Anreizsystem auf Gesellschaftsebene entsprechend dem „dealing at arm’s length“-Grundsatz fehlt. Das Regelwerk muss über die rein steuerliche Komponente hinaus auch betriebswirtschaftliche Aspekte wie Konzernorganisation und -strategie berücksichtigen, um keine Zielkonflikte zwischen Konzern- und Bereichsinteressen zu schaffen. Bei der Entwicklung eines konzernweiten Verrechnungspreissystems stehen daher folgende Aspekte im Vordergrund: - Reduktion des Risikos von Doppelbesteuerungen und Strafzuschlägen - Berücksichtigung der Organisationsstruktur des Konzerns

316

Bernd Niess

- Festlegung von sachgerechten und konsistenten Prozessen und Verantwortlichkeiten - Begrenzung des administrativen Zusatzaufwandes auf das Notwendige - Vorgabe klarer Handlungsanweisungen und eindeutiger Begriffsdefinitionen - Effizienz, Transparenz, Akzeptanz, Flexibilität Endergebnis sollte letztlich eine konzernweit gültige, im Idealfall auch vom Gesamtvorstand beschlossene Verrechnungspreisrichtlinie sein, die neben allgemeinen Grundsätzen die konzerninternen Haupttransaktionen (sog. Standardtransaktionen) detailliert beschreibt und die dabei anzuwendenden Verrechnungspreismethoden und zu erstellenden speziellen Verrechnungspreisdokumentationen in einheitlicher Form vorgibt. Zur Sicherstellung verbindlicher Abläufe und Strukturen zur Herleitung und Dokumentation der konzerninternen Verrechnungspreise sollten auch entsprechende Standardprozesse in der Richtlinie festgelegt werden. Um die weltweite Anwendbarkeit der Richtlinie soweit wie möglich zu gewährleisten, sollte sie auf den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen aus 1995 basieren, die die einzige Zusammenstellung von Verrechnungspreisregeln darstellen, die von einem Großteil der Länder mit speziellen Verrechnungspreisregeln als Basis akzeptiert werden. Ferner sollte die Richtlinie in englischer Sprache erstellt werden. Damit kann der Übersetzungs- und Kommunikationsaufwand auf internationaler Ebene gering gehalten werden. 4.1.1.2 Konzernweit einheitliches Dokumentationssystem In der Praxis ist es von besonderer Wichtigkeit, den jeweiligen Dokumentationspflichten im In- und Ausland in ausreichender Form, zeitnah, systematisch und strukturiert nachzukommen. Mit Einführung eines konzernweit einheitlichen und konsistenten Dokumentationssystems bietet sich dabei dem Konzern nicht nur die Gelegenheit, den gesetzlichen Anforderungen Genüge zu tun, sondern zugleich die Chancen und Risiken der internen Verrechnungspreisstrukturen frühzeitig zu erkennen und zu analysieren. Ziel ist dabei auch, ein System zu entwickeln und zu etablieren, das geeignet ist, bei möglichst geringem Aufwand eine angemessene (länderspezifische) Dokumentation zu ermöglichen. Um die Verrechnungspreisrichtlinie selbst als „wesentlichen“ Teil der jeweiligen länderspezifischen Verrechnungspreisdokumentation nutzen zu können, ist es zudem notwendig, dass die in der Richtlinie definierten Dokumentationserfordernisse die jeweiligen nationalen Dokumentationsvorschriften zumindest im Kern widerspiegeln bzw. den nationalen Vorschriften nicht entgegenstehen. Hier gilt es somit einen kleinsten gemeinsamen Nenner für die (länderspezifische) Grunddokumentation festzulegen. Diese vorgeschriebene Grunddokumentation

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

317

schafft konzernintern Synergien auf unterschiedlichen Ebenen, denn die notwendigen Informationen können von den jeweiligen Verantwortlichen schnell und kosteneffizient beschafft werden. Weitere länderspezifische Dokumentationen können dann je nach Bedarf dieser Grunddokumentation beigefügt werden (sog. Masterfile-Konzept). 4.1.1.3 Zentrale oder dezentrale Dokumentationsverantwortung? In der Praxis ist oftmals ein Konzept zu finden, welches eine Mischung aus zentraler und dezentraler Dokumentationsverantwortung darstellt. Die Dokumentation transaktionsbezogener Informationen obliegt dabei den operativen, dezentralen Einheiten, während die Dokumentation von strategischen und nicht transaktionsbezogenen, aggregierten Informationen in der Verantwortung der Zentraleinheiten liegt. 4.1.1.4 Verrechnungspreisverantwortliche der Geschäftsbereiche als verlängerter Arm der Zentralbereiche bzw. der zentralen Steuerabteilung Um eine einheitliche Dokumentation in den einzelnen Geschäftsbereichen sicherzustellen, ist die Festlegung von sog. Verrechnungspreisverantwortlichen in den einzelnen Geschäftsbereichen als Schnittstelle zwischen den operativen Einheiten und den Zentralbereichen sehr sinnvoll. Die Verrechnungspreisverantwortlichen können dabei folgende Funktionen wahrnehmen: - Compliance-Funktion: Überwachung der Einhaltung von steuer- und zollrechtlichen Vorgaben sowie Sicherstellen der Vereinbarkeit der Vorgaben der Verrechnungspreisrichtlinien mit den eingeführten Prozessabläufen, Geschäftsmodellen und Vorgehensweisen. - Multiplikator-Funktion: Mit der Einbindung in die Geschäftsbereichsebene hat der Verrechnungspreisverantwortliche als „verlängerter Arm“ von Tax, Zoll, Legal, Methoden- und Compliance-Bereich eine hinreichende Voraussetzung zur Durchsetzung, Kontrolle, Information und Rückmeldung von Verrechnungspreis-Standards. - Support-Funktion: Auf der Arbeitsebene gelingt es dem Verrechnungspreisverantwortlichen wesentlich besser als den Zentralbereichen, frühzeitig (im Planungsprozess) gemeinsam mit dem Projektverantwortlichen die wesentlichen VerrechnungspreisErfordernisse abzubilden. 4.1.2

Risk Management durch höchstmögliche Standardisierung

Die Praxis zeigt, dass die Betriebsprüfung meist sehr formal vorgeht und gerade Inkonsistenzen und Divergenzen bei vergleichbaren Sachverhalten zu Anpassun-

318

Bernd Niess

gen führen. Standardisierung innerhalb des Konzerns kann hier Abhilfe schaffen. Die Standardisierung kann dabei folgende Bereiche umfassen: −

Weitestgehende Verwendung von standardisierten Rahmenverträgen, die faktisch vor die Klammer gezogen all das regeln können, was sich nicht bei jeder Einzeltransaktion ändert (z.B. Garantieklausel). Einheitliche Rahmenverträge schaffen neben den genannten Effizienzen vor allem Transparenz und reduzieren so die bekannten steuerliche Risiken.



Höchstmögliche Vereinheitlichung von Einzelverträgen. Unstimmigkeiten sind klassische Betriebsprüfungs-“Findings“, denen nachgegangen wird. Durch konsequente Vereinheitlichung kann dies wirksam vermieden werden.



Standardisierung von Verrechnungspreis-Tools und verrechnungspreisnahen Tools. Funktions- und Risikoanalysen sollten einheitlich gestaltet sein. Gleiches gilt auch für Organigramme.

Höchstmögliche Standardisierung ist zudem bei Verrechnungspreisstudien geboten. Vorgaben bezüglich Bereithaltung, Aktualisierung und Pflege dieser Studien können sinnvolle Standardisierungsmaßnahmen sein. Höchstmögliche Standardisierung bei der Beraterauswahl. Die Praxis zeigt, dass Kontinuität in der Beraterschaft sich lohnt. Wird man lange Zeit aus einem Haus und aus einer Hand bedient, steigt die mandatsspezifische Fachexpertise deutlich an. Das „betreute“ Verrechnungspreissystem ist dann geläufiger und kann effizienter bearbeitet werden. Beraterwechsel sind zudem oft von risikobehafteten Systembrüchen geprägt. 4.1.3

Transparenz im Konzern: Compliance als „Erfüllungsgehilfe“

Ein konzernweit gültiges Verrechnungspreissystem ist nur so viel wert, wie es für die betreffenden Transaktionen auch tatsächlich, nachhaltig und hinreichend umgesetzt wird. Dies verlangt neben der Festlegung von eindeutigen Verantwortlichkeiten auch ein internes Kontroll- und Überwachungssystem, welches ausreichend Transparenz schafft und die Umsetzung des Verrechnungspreissystems weltweit laufend überprüft, mit dem Ziel, Prozesssicherheit zu gewährleisten und Unzulänglichkeiten (prozessual, inhaltlich) zu erkennen und notwendige Maßnahmen abzuleiten. Zur Erledigung dieser Aufgaben kann das konzerninterne Kontrollsystem, welches alle Maßnahmen zur Sicherstellung der Ordnungsmäßigkeit der Finanzberichtserstattung umfasst, quasi als „Erfüllungsgehilfe“ genutzt werden.

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

4.1.4

319

Weltweite, zentrale Steuerverantwortung

Im Gegensatz zu Steuerabteilungen in angelsächsischen Unternehmen sind insbesondere viele deutsche international tätige Unternehmen in ihrer Steuerfunktion immer noch dezentral aufgestellt. Dies ist wohl historisch mitbegründet in den unterschiedlichen Steuersystemen. Während das in angelsächsischen Ländern vorherrschende weltweite Tax Credit System, bei dem die Konzernobergesellschaft auch über die Steuerposition aller Auslandsgesellschaften im Detail informiert sein muss, eine Zentralisierung der Steuerfunktion gefördert hat, ergab sich diese Notwendigkeit für deutsche, aber auch für Konzerne in anderen europäischen Ländern aufgrund des dort vorherrschenden Freistellungssystems für Auslandsgewinne nicht zwingend. Spätestens mit der weltweiten Verschärfung der steuerlichen Verrechnungspreisregelungen seit Beginn dieses Millenniums sollten allein schon die hiermit verbundenen steuerlichen Risiken Anlass genug gewesen sein, die Verantwortung für die Steuerfunktion, mindestens aber die für die steuerlichen Verrechnungspreise, konzernweit zu zentralisieren (Solid Line Reporting, mindestens aber Dotted Line mit fachlichem Weisungsrecht). Denn die Festlegung von Verrechnungspreisen, dabei anzuwendende Methoden, Dokumentationssysteme und – erfordernisse etc. hat ja nicht nur Wirkung für ein Land, sondern für den gesamten Konzern weltweit. Insofern muss hierüber zentral entschieden werden. Es darf z. B. nicht sein, dass die Steuerabteilung einer lokalen Vertriebsgesellschaft in Verhandlungen mit der lokalen Steuerbehörde vorschnell eine überhöhte Umsatzrendite akzeptiert, nur um dort „Ruhe an der Verrechnungspreisfront zu bekommen“ und dann diese gegenüber der Konzernobergesellschaft mit dem Argument durchsetzen will, dass dies so schon mit den lokalen Steuerbehörden vereinbart wurde. Ein solches Vorgehen führt zwangsweise zu Doppelbesteuerungen, da die überhöhte Umsatzrendite im Lieferland natürlich nicht anerkannt wird. Eine zentrale Vorgabe von Verrechnungspreissystemen und -Methoden basierend auf Benchmarking-Studien hilft dies zu verhindern. 4.2

„Soviel wie nötig, so wenig wie möglich“: Vermeidung „unnötiger“ konzerninterner, grenzüberschreitender Transaktionen

Man findet innerhalb eines Konzerns immer wieder konzerninterne Transaktionen, die so nicht unbedingt notwendig sind und in Anbetracht der damit verbundenen steuerlichen Risiken und administrativen Dokumentationsbürden auch vermieden werden sollten. Deshalb sollten folgende generelle Grundregeln beachten werden:

320

4.2.1

Bernd Niess

Vermeidung von Umwandlungen konzernexterner in konzerninterne Transaktionen

Als Beispiel für solche unnötigen Transformationen kann hier der externe Zentraleinkauf (z. B. Notebooks) durch eine inländische Konzerngesellschaft mit anschließendem Weiterverkauf an ausländische Konzerngesellschaften genannt werden. Durch den Zentraleinkauf wird eine Vielzahl von konzerninternen Transaktionen verursacht. Abhilfe kann dadurch erreicht werden, dass ein Rahmenvertrag zwischen inländischer Konzerngesellschaft und externem Lieferant abgeschlossen wird, unter dem die ausländischen Konzerngesellschaften direkt beim Lieferant beziehen können. Eine weitere unnötige Transformation wäre z. B. die interne Bündelung von ansonsten externen Zulieferungen aus dem Inland an eine ausländische Tochtergesellschaft, um logistische oder sonstige operative Vorteile zu generieren. Diesen operativen Vorteilen stehen i. d. R. deutlich höhere steuerliche Risiken bzw. Nachteile gegenüber. 4.2.2

Bildung von Transaktionsbündeln, wenn eine separate Abrechnung nicht notwendig und/oder sinnvoll ist

Eine Vertriebsgesellschaft bezieht beispielsweise neben dem Vertriebsgegenstand auch damit zusammenhängende Dienstleistungen. Hier ist zu prüfen, inwieweit eine separate Dienstleistungsvereinbarung notwendig ist, oder ob die Abrechnung der Dienstleistung über die Lieferung erfolgen kann. 4.2.3

Vermeidung von konzerninternen Transaktionen, wenn sie durch negative Steuereffekte insgesamt unwirtschaftlich werden

Als Beispiel kann hier Brasilien genannt werden. In Brasilien bestehen lokale Verrechnungspreisregelungen, die mit internationalen Standards nicht kompatibel sind. Es droht eine permanente Doppelbesteuerung, da z.Zt. kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland besteht. Soweit die wirtschaftlichen Vorteile den steuerlichen Nachteil nicht überwiegen, sollte von der konzerninternen Transaktion Abstand genommen werden. 4.3

Risikoaverse Geschäftsmodellwahl: Strategische Überlegungen zur Funktions- und Risikoallokation im Konzern

Es sollte stets geprüft werden, ob durch die aktive Gestaltung der hinter den einzelnen Transaktionen stehenden Geschäftsmodelle im Konzern eine Reduktion der potentiellen Verrechnungspreisrisiken möglich ist. Eine effektive Strategie ist beispielsweise, besonders risikoaverse Geschäftsmodelle zu etablieren, um damit potentielle Aufgriffspunkte durch die Steuerverwaltungen soweit wie

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

321

möglich zu reduzieren. Wie dies in der Praxis aussehen kann, soll nachfolgend anhand von konkreten Beispielen aufgezeigt werden. 4.3.1

Konsequente Abbildung der wirtschaftlichen Realität in steuerlich akzeptierten Strukturen am Beispiel der Auftragsfertigung

Ein zentralistisch geführter Konzern errichtet beispielsweise eine Produktionsgesellschaft im Ausland mit dem Ziel, Kosten- und Marktnähevorteile des Standortes für den Konzern zu heben. Die Produktion erfolgt in enger Anbindung an die Obergesellschaften (Abnahmegarantie, Beistellung von notwendigem Knowhow, Steuerung über Kostenziele). Der Vertrieb wird ausnahmslos über die Vertriebsschiene der Obergesellschaft abgewickelt. Wirtschaftlich handelt es sich bei der Produktionsgesellschaft um einen Auftragsfertiger, der mit seinem reduzierten Funktions- und Risikoprofil nur Anspruch auf einen schmalen, aber relativ sicheren Funktionsgewinn hat. Hier empfiehlt sich die konsequente Abbildung dieser wirtschaftlichen Struktur als Auftragsfertigungsverhältnis und Abrechnung der Produktionsleistung über die Kostenaufschlagsmethode. Eine Strukturierung als Lizenzfertigungsverhältnis sollte vermieden werden, da sie die wirtschaftliche Realität nicht eindeutig widerspiegelt und somit schon dem Grunde nach steuerlich wesentlich risikobehafteter ist. 4.3.2

Strukturierung von Investitionen mit großem Risiko- und Chancenpotential am Beispiel der Auftragsentwicklung

Ein Konzern entwickelt beispielsweise an den verschiedensten in- und ausländischen Stellen Immaterialgüterrechte, die innerhalb des gesamten Konzerns genutzt werden sollen. Hier empfiehlt sich, die Immaterialgüterrechte in der inländischen Konzernobergesellschaft zu bündeln. Falls Teile der Entwicklungsarbeiten bei Auslandsgesellschaften vorgenommen werden sollen, sollte dies am besten in Form der Auftragsentwicklung geschehen. Die Konzernobergesellschaft beauftragt die ausländischen Tochtergesellschaften mit den entsprechenden Entwicklungsarbeiten via Dienstleistungsvertrag und vergütet deren Tätigkeit auf Cost-plus-Basis. Die Entwicklungsergebnisse entstehen rechtlich und damit steuerlich automatisch bei der Konzernobergesellschaft, die sie dann weltweit verteilt. Eine solche Strukturierung als Auftragsentwicklung für die Konzernobergesellschaft spiegelt die wirtschaftliche Realität am besten wider und bietet dem Grunde nach steuerlich die geringsten Risiken. Außerdem kann die Konzernobergesellschaft für den Fall, dass sich das Entwicklungsergebnis als Fehlentwicklung herausstellt, die Fehlinvestition auch steuerlich am ehesten verkraften. So wird der Aufbau von später nicht nutzbaren Verlustinseln im Ausland verhin-

322

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dert. Im umgekehrten Fall, der aus Konzernsicht ja auch nicht unerfreulich ist, trägt die erfolgreiche Entwicklung dazu bei, eine entsprechende Steuerbasis im Inland zu erhalten bzw. aufzubauen. 4.4

Risikoprophylaxe: Nutzung von Deeskalationspotential

Ferner besteht die Möglichkeit, bei den einzelnen konzerninternen Transaktionen die möglicherweise vorhandenen Gestaltungsspielräume bei der Preisfestsetzung bzw. Risikozuordnung risikoreduzierend auszunutzen. 4.4.1

Vermeidung provokativer Ausnutzung von VerrechnungspreisBandbreiten

Es ist unbestritten, dass sich fremde Dritte in vergleichbaren Situationen durchaus bezüglich der einen oder anderen Alternative unterschiedlich entscheiden. Deshalb gibt es nicht den einen exakten Verrechnungspreis, sondern oft eine Bandbreite von anzuerkennenden Verrechnungspreisen. Diese Bandbreite ist dabei unabhängig davon, welche Verrechnungspreismethode zur Festsetzung und Überprüfung von Verrechnungspreisen angewandt wird: - Im Rahmen der Preisvergleichmethode existieren oft Bandbreiten von Preisen für vergleichbare Geschäftsvorfälle; - Bei der Wiederverkaufspreismethode ergeben sich meist Bandbreiten von marktüblichen Abschlägen (Rohgewinnmarge) für vergleichbare Geschäftsvorfälle; - Im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode bestehen oft Bandbreiten von betriebs- oder branchenüblichen Gewinnzuschlägen für vergleichbare Geschäftsvorfälle. Die Bandbreite anzuerkennender Verrechnungspreise beschreibt den – zumindest theoretisch – vorhandenen Ermessensspielraum des Unternehmens. Da echte Vergleichstransaktionen in der Praxis meist fehlen, werden die möglichen Bandbreiten oftmals über Datenbankanalysen von zumindest funktional vergleichbaren Unternehmen hergeleitet, für die im notwendigen Detailgrad Finanzinformationen öffentlich zugänglich sind. Um das Provokationspotential bzw. das potentielle Aufgriffsrisiko möglichst gering zu halten ist es daher sinnvoll, die Bandbreiten nicht in die eine oder andere Richtung voll auszunutzen, sondern sich am Mittel- oder Durchschnittswert zu orientieren. 4.4.2

Vermeidung provokativer Ausnutzung von Risiko-Bandbreiten

Eine sinnvolle Deeskalationsstrategie kann auch darin bestehen, die bei bestimmten Geschäftsmodellen und Transaktionen bestehenden Risiken, soweit

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

323

wie möglich auf eine Gesellschaft zu konzentrieren, um Diskussionen mit den Finanzverwaltungen über die korrekte Zuordnung der Risiken und damit auch dem damit verbundenen Gewinnanteil zu reduzieren. Als geeignetes Beispiel kann hier wiederum das Geschäftsmodell „Auftragsfertigung“ dienen. Entsprechend dem fremdüblichen Verhalten kann ein Auftragsfertigungsverhältnis mehr oder weniger risikoarm ausgestaltet werden. Das Spektrum reicht hier vom quasi risikolosen Lohnfertiger (eingeschränkte Produktionsfunktion, kostenlose Beistellung von Material und Know-how, Abrechnung anhand der Kostenaufschlagsmethode auf Istkostenbasis) bis hin zum quasi „fully fledged“ Contract Manufacturer, der sich zumindest funktional, aber oft auch bezüglich Risikoprofil einem Vollhersteller nähert (volle Produktionsfunktion, volle Einkaufsfunktion, Abrechnung anhand der Kostenaufschlagsmethode auf Plankostenbasis). Die Übergänge sind dabei fließend. Liegen keine Fremdvergleichswerte in Form eines internen oder externen Fremdvergleichs vor, behilft man sich in solchen Situationen oftmals auch mit einschlägigen Datenbankanalysen. Problematisch sind diesen Datenbankanalysen für Auftragsfertigungsverhältnisse deshalb, weil unabhängige vergleichbare Auftragsfertiger über Datenbankscreening nicht eindeutig herausgefiltert werden können. Anhand der öffentlich zugänglichen sehr aggregierten Finanzinformationen ist es allenfalls möglich, in eingeschränktem Maße funktional vergleichbare Unternehmen zu finden, es ist aber faktisch schwierig bis unmöglich, konkrete und fundierte Rückschlüsse auf deren Risikostruktur herzuleiten. Genau dies ist aber entscheidend, um letztlich die Angemessenheit der Transaktionen zu rechtfertigen. Im Umkehrschluss lassen sich Auftragsfertigungsverhältnisse über Datenbankanalysen in vielen Fällen nicht sinnvoll „benchmarken“ bzw. Auseinandersetzungen mit den Finanzverwaltungen sind vorprogrammiert. Um dieses Risiko soweit wie möglich auszuschalten, könnte das Auftragfertigungsverhältnis risikolos gestaltet werden, wobei die Rendite, eine risikoadäquate Alternativanlage mit vergleichbarer Laufzeit (5 bis 10-jährige Staatsanleihe), als Ausgangsgröße für den angemessenen Gewinnanspruch des Auftragsfertigers herangezogen werden kann. Das Diskussions- und Risikopotential über den angemessenen Risikozuschlag kann hiermit effektiv eingeschränkt werden.

324

5

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Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass internationale Verrechnungspreise nicht – wie aus populistischen Gründen zuweilen in der Öffentlichkeit unsachlich und tendenziös dargestellt24 – große Chancen zur Gewinnverlagerung ins niedriger besteuerte Ausland bieten. Richtig ist, dass jede grenzüberschreitende, konzerninterne Transaktion dazu beiträgt, das steuerliche Risiko im Konzern zu erhöhen. Hinzu kommt, dass in Zeiten des vielfach propagierten Bürokratieabbaus eine massive Erhöhung von Verwaltungskosten im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Geschäften eintritt. Daher gilt für diese Transaktionen der eherne Grundsatz: "Soviel wie nötig, sowenig wie möglich!" Zudem ist darauf hinzuweisen, dass ein mögliches Motiv für Gewinnverlagerungen, nämlich ein deutliches Steuersatzgefälle zum Ausland spätestens seit der Körperschaftsteuersenkung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 nicht mehr vorhanden ist und damit der oft postulierte Anreiz „Steuerarbitrage“ schlichtweg hinfällig ist. Die Ausführungen sollen ferner zeigen, dass die deutsche Beteiligungsquote für die Qualifikation von verbundenen Unternehmen mit 25 % deutlich zu niedrig ist und ohne Risiko des Verlusts an Steuersubstrat für den deutschen Fiskus auf die international übliche Quote von > 50 % heraufgesetzt werden könnte. Damit würde für eine erhebliche Anzahl von bisher inkriminierten, grenzüberschreitenden Transaktionen der hohe interne Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand wegfallen und sowohl beim Steuerpflichtigen als auch bei der Finanzverwaltung wertvolle Ressourcen für sinnvollere Tätigkeiten freisetzen. Hier soll der Gesetzgeber seinen Standpunkt überdenken. Gerade wegen dieser widrigen Umstände kann ein international agierendes Unternehmen pro-aktiv Maßnahmen ergreifen, um diese steuerlichen Risiken zumindest einigermaßen zu begrenzen. Speziell die Implementierung eines konzernweit einheitlichen Verrechnungspreissystems incl. Konzernverrechnungspreisrichtlinie ist eine effektive Vorsorgemaßnahme, die vor allem in Kombination mit Standardisierungsvorgaben und risikoaverser Geschäftsmodellauswahl einen wertvollen Beitrag zum internen Risk-Management leisten kann.

24

Als ein Beispiel für eine solch tendenziöse Darstellungen kann die "Untersuchung" von Weiss/Schmiederer genannt werden. Vgl. Weiss, H./Schmiederer, E.: Asoziale Marktwirtschaft. Insider aus Politik und Wirtschaft enthüllen, wie die Konzerne den Staat ausplündern, 5. Aufl., Köln 2006, S. 80 ff. Das Ergebnis der "Untersuchung" verwundert allerdings nicht sonderlich, wenn man bedenkt, dass sich an diesem steuer- und finanzwirtschaftlichen Spezialthema Soziologen und Psychologen versucht haben.

Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken

325

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Kritische Bestandsaufnahme der steuerlichen Rahmenbedingungen international ausgerichteter Familienunternehmen Dagmar Pöhland / Jörn Keilhoff

Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund ............................................................................................... 329 2 Steuerliche Rahmenbedingungen .............................................................. 330 2.1 Fehlende Rechtsformneutralität als Gestaltungselement .............. 330 2.2

Besteuerung von Funktionsverlagerungen .................................... 335

2.3

Missbrauchsvermutung bei Geschäftsbeziehungen mit nichtkooperierenden Staaten ......................................................... 341

3 Fazit .......................................................................................................... 346 

Steuerliche Rahmenbedingungen international ausgerichteter Familienunternehmen

1

329

Hintergrund

Kein Unternehmenstypus prägt die deutsche Unternehmenskultur so sehr wie der des Familienunternehmens. Nach einer Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Familienunternehmen sind sie maßgeblich für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft verantwortlich: sie erzielen rund 42% der Umsätze aller deutschen Unternehmen und stellen ca. 57% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland1. Inhabergeführte mittelständische Unternehmen dominieren auch das Umfeld der Hochschule Siegen. Zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft gründete der Jubilar bereits im Jahr 1995 das "Siegener Forum für Rechnungslegung, Prüfungswesen und Steuerlehre". Das Mitgliedschafts- und Veranstaltungsangebot richtet sich auch an die Führungskräfte der heimischen Unternehmen, so dass der Jubilar u.a. die steuerlichen Rahmenbedingungen für Familienunternehmen in seiner fachlichen Arbeit auf dem Gebiet der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre thematisierte2. Familienunternehmen kennzeichnet neben der Eigentümerstruktur insbesondere das unmittelbare Engagement der Familien in der Unternehmensführung3. Ihren Wirkungskreis haben auch die Familienunternehmen längst nicht mehr auf das Inland beschränkt: überwiegend engagieren sie sich im Ausland zur Generierung weiteren Wachstums oder zur Sicherung der ökonomischen Existenz4. Dies gilt sowohl für die öffentlichkeitswirksamen „Globalplayer“ als auch für die vorwiegend mittelständisch geprägten Familienunternehmen, deren Bekanntheitsgrad oftmals geringer ist, weil ihre Produkte oder Dienstleistungen den Endverbraucher nicht unmittelbar erreichen. Gerade aufgrund der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise zeigen sich die Folgen der Vernetzung der globalen Wirtschaft. International ausgerichtete Familienunternehmen sehen sich vor besondere Herausforderungen gestellt. Es gilt, grenzüberschreitende Sachverhalte steuerlich zu würdigen und dabei der – sprunghaften – Steuergesetzgebung Deutschlands zu folgen sowie internationale Entwicklungen im Auge zu behalten. Da Familienunternehmen vielfach nicht 1

2 3

4

Vgl. Stiftung Familienunternehmen, München 2009, erhältlich unter: http://www.familienunternehmen.de. Z.B. Krawitz, Reicher Gesellschafter - Arme Gesellschaft: Neue Steuerstrategien für den Mittelstand - „Klassische“ Empfehlungen gelten nicht mehr, in: BB 2003, S. 1925ff. Vgl. Rödl & Partner, Familienunternehmen gerechter besteuern. Die Steuerpolitik aus der Sicht von Unternehmensinhabern – Anforderungen an ein zukunftsgerechtes Steuersystem, Nürnberg 2009, S. 13. Vgl. Rödl & Partner, Familienunternehmen gerechter besteuern. Die Steuerpolitik aus der Sicht von Unternehmensinhabern – Anforderungen an ein zukunftsgerechtes Steuersystem, Nürnberg 2009, S. 15.

330

Dagmar Pöhland / Jörn Keilhoff

über eigene Steuerabteilungen oder Inhouse-Steuerexperten verfügen, sind sie in diesem Zusammenhang auf externen fachlichen Rat angewiesen. Die Notwendigkeit der Steuerplanung besteht sowohl bei alltäglichen und damit vermeintlich einfachen Sachverhalten wie der grenzüberschreitenden Mitarbeiterentsendung als auch bei der Planung von Auslandsinvestitionen oder der Neuordnung des Auslandsgeschäfts. Die deutsche Steuergesetzgebung nimmt daher stets auch Einfluss auf die internationale Ausrichtung der Unternehmen. Umso mehr gilt es zu bedenken, dass der deutsche Steuergesetzgeber insbesondere Auslandstätigkeiten verstärkt ins Visier nimmt und jüngst gar mit einem allgemeinen Misstrauen bedenkt. Im Folgenden sollen ausgewählte und für die Praxis bedeutsame Entwicklungen herausgestellt werden, die insbesondere deutsche Familienunternehmen mit Auslandsbezug betreffen. 2

Steuerliche Rahmenbedingungen

2.1

Fehlende Rechtsformneutralität als Gestaltungselement

Das deutsche Steuerrecht knüpft unterschiedliche Besteuerungsfolgen an die Rechtsform der Kapitalgesellschaft auf der einen und die der Personengesellschaft, Betriebstätte und Einzelunternehmung auf der anderen Seite. Während Personengesellschaften aufgrund fehlender steuerlicher Rechtsfähigkeit für Zwecke der Besteuerung weitgehend Transparenz entfalten, gilt für Körperschaften eine Sphärentrennung zwischen der rechtlich eigenständigen Gesellschaft und ihren Anteilseignern, die im Regelfall nicht durchbrochen wird. Deutsche Familienunternehmen werden überwiegend in intransparenten Unternehmensstrukturen geführt, wobei ein verstärkter Trend zur Rechtsform der GmbH & Co. KG erkennbar ist5. Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 wurde eine Thesaurierungsbegünstigung für laufende Einkünfte von Personenunternehmen geschaffen6. Dies sollte zumindest für thesaurierte Gewinne eine Annäherung der Steuerbelastungen von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen herstellen. Der rechtsformabhängige Steuerbelastungsvergleich muss bei einem inhabergeführten Familienunternehmen stets auch die Ebene des Gesellschafters mit einbeziehen, weil dieser aus dem Unternehmen seine laufenden Einkünfte bezieht. 5

6

Vgl. Hennerkes, Die Familie und ihr Unternehmen. Strategie, Liquidität, Kontrolle, Frankfurt a.M. 2004, S. 69; Schneeloch, Rechtsformwahl und Rechtsformwechsel mittelständischer Unternehmen. Auswahlkriterien, Steuerplanung, Gestaltungsempfehlung, München 2006, S. 4ff. BGBl. I 2008, S. 1912.

Steuerliche Rahmenbedingungen international ausgerichteter Familienunternehmen

331

Die standortabhängige Gewerbesteuerbelastung – 14% bei einem Hebesatz von 400% – und die vergleichsweise geringe Körperschaftsteuerbelastung i.H.v. 15% zuzüglich Solidaritätszuschlag sind daher um die Ausschüttungsbelastung des Gesellschafters zu ergänzen, so dass die Gesamtsteuerbelastung (ohne Kirchensteuer) ausgeschütteter Gewinne von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der Abgeltungssteuer 48,33% und bei Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bis zu 49,81% beträgt. Dem steht die nur geringfügig günstigere Gesamtsteuerbelastung von bis zu 47,45% bei Personenunternehmen gegenüber. Zwar entspricht die Thesaurierungsbelastung gemäß § 34a EStG unter Berücksichtigung der oben genannten Gewerbesteuerbelastung mit 29,77%7 annähernd der Thesaurierungsbelastung von 29,83% bei Kapitalgesellschaften. Bei späterer Entnahme erfolgt aber eine Nachbelastung mit dem Abgeltungssteuersatz für Dividenden, so dass die Gesamtsteuerbelastung unter Vernachlässigung von Zinseffekten mit 51,90% über der regulären Tarifbelastung von Personenunternehmen liegt. Erfahrungen zeigen, dass die Thesaurierungsbegünstigung daher regelmäßig nur von großen Personenunternehmen in Anspruch genommen wird, nämlich dann, • wenn Unternehmensgewinne dauerhaft im Unternehmen gebunden werden und langfristig nicht in die private Sphäre entnommen werden sollen und/oder • wenn die persönliche Einkommensteuerbelastung des Einzel- bzw. Mitunternehmers die obere Proportionalzone des Einkommensteuertarifs erreicht hat, so dass in Folge der temporären Thesaurierung gegebenenfalls positive Zinseffekte zum Tragen kommen. Die meisten ausländischen Staaten unterscheiden zwischen einem proportionalen Körperschaftsteuer- und einem progressiv ausgestalteten Einkommensteuertarif. Dies führt dazu, dass inländische Unternehmen, insbesondere wenn sie aus dem Auslandsgeschäft hohe positive Gewinnbeiträge erwarten, im Ausland die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft vorziehen, um dem vermeintlich niedrigeren Steuerniveau zu unterfallen. Eine solche Investitionsentscheidung ignoriert, dass Gewinne in einer intransparenten Struktur sowohl auf Ebene der Körperschaft als auch auf Ebene der Gesellschafter einer Besteuerung unterworfen werden und damit neben der ausländischen auch die inländische Besteuerung einkalkuliert werden muss. Demgegenüber kann in einer transparenten Struktur unter bestimmten Voraussetzungen erreicht werden, dass die im Ausland erwirtschafteten Gewinne nur mit ausländischer Steuer belastet werden. Voraussetzung ist, dass das ausländische Engagement in einem Land vorgenommen wird, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat. Die Bundesrepublik verfügt über ein weitreichendes Netz an Doppelbe7

Thesaurierungsbelastung ohne Berücksichtigung der Entnahme von Steuerzahlungen.

332

Dagmar Pöhland / Jörn Keilhoff

steuerungsabkommen. In den letzten Jahren hat Deutschland jedoch damit begonnen, die bestehenden Abkommen mit dem Ziel einer besseren Sicherung des inländischen Steuersubstrates neu zu verhandeln. Die Bundesrepublik schreckt dabei auch nicht davor zurück, bei Nichterreichen dieses Ziels missliebige Abkommen zu kündigen8. Deutschland negiert für Zwecke der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sowohl in- als auch ausländische Personengesellschaften als eigenständiges Steuersubjekt, so dass die von der Personengesellschaft erzielten Gewinne anteilig den Gesellschaftern zugerechnet und von diesen zu versteuern sind. Die Qualifikation ausländischer Gesellschaften als Personengesellschaft bestimmt sich ausschließlich nach innerstaatlichem deutschem Steuerrecht. Die Einordnung nach dem Zivil- oder Steuerrecht des jeweiligen Sitzstaates ist nicht maßgebend9. Abkommensrechtlich gesehen betreibt jeder Gesellschafter ein eigenständiges Unternehmen. Es gibt so viele Unternehmen wie Gesellschafter vorhanden sind. Unternehmensgewinne werden gemäß Art. 7 OECD-Musterabkommen zunächst ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung zugewiesen. Übertragen auf die Personengesellschaft führt das dazu, dass der Gesellschafter mit seinem Anteil am Ergebnis der Personengesellschaft nur in seinem Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegt. Sofern die Personengesellschaft ihre Geschäftstätigkeit im Ausland über eine dort gelegene Betriebstätte ausübt, tritt neben das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates das des Betriebstättenstaates. Dabei ist letzteres auf das Ergebnis der Betriebstätte beschränkt. Um die drohende Doppelbesteuerung zu vermeiden, verzichtet der Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 23 A OECD-Musterabkommen regelmäßig im Rahmen der Freistellungsmethode auf eine Besteuerung. Eine Betriebstätte ist in der Regel eine feste Geschäftseinrichtung, bspw. Büroräumlichkeiten, durch die die Geschäftstätigkeit ausgeübt wird. Unter Umständen führt bereits das Tätigwerden eines Vertreters zur Begründung einer Betriebstätte, auch wenn keine feste Geschäftseinrichtung vorhanden ist. Zivilrechtlich ist die Betriebstätte ein unselbstständiger Bestandteil des Unternehmens, so dass Gewinntransfers aus der Betriebstätte heraus regelmäßig keine steuerlichen Folgen auslösen. Eine derartige Unternehmensstruktur setzt voraus, dass im Ausland transparente Gesellschaftsformen bekannt sind. Eine Umsetzung ist daher gegenwärtig nicht in allen Staaten möglich. Gegebenenfalls können transparente Auslandsstrukturen zwar künstlich, bspw. über atypisch stille Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften, geschaffen werden. In diesem Fall darf jedoch die Ein-

8 9

Kündigung der DBA mit Brasilien am 07. April 2005 und der Türkei am 21. Juli 2009. Vgl. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, Entwurf vom 10. Mai 2007, IV B 4 S 1300/07/0006, Tz. 1.2.

Steuerliche Rahmenbedingungen international ausgerichteter Familienunternehmen

333

ordnung der Gestaltung nach ausländischem Recht nicht außer Acht gelassen werden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung unterliegen sowohl die Gewinne gewerblich tätiger als auch gewerblich geprägter Personengesellschaften den Betriebstättengrundsätzen, da sich die Frage, welche Einkünfte die Personengesellschaft erzielt, nach deutschem Steuerrecht richtet10. Dementsprechend werden unter Umständen auch vermögensverwaltende Tätigkeiten über die Abfärbeklausel des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG oder die Sondervergütungen dem Betriebstättenartikel unterworfen. Der neu eingefügte § 50d Abs. 10 EStG11 ist deutlicher Ausdruck dieser Sichtweise. Diese extensive Anwendung des Art. 7 OECD-Musterabkommen ist abzulehnen, da sie u.E. verkennt, dass die Einordnung der durch die Personengesellschaft erwirtschafteten Einkünfte anhand des Katalogs der Art. 6 – 21 OECD-Musterabkommen zu erfolgen hat und nur hilfsweise auf das innerstaatliche Recht zurückgegriffen werden kann12. Es ist zu befürchten, dass die deutsche Sichtweise Doppelbesteuerungen begünstigt, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass ausländische Jurisdiktionen dieser rein auf deutschem Recht beruhenden Umqualifizierung folgen. Vielmehr werden die ausländischen Staaten eine Einordnung der Einkünfte nach den Abkommensgrundsätzen vornehmen und zu abweichenden Besteuerungszuweisungen kommen. Die Freistellungsmethode geht grundsätzlich mit dem Progressionsvorbehalt einher, das heißt das Betriebstättenergebnis wird bei der Ermittlung des auf die verbleibenden Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes berücksichtigt. Die Anwendung des Progressionsvorbehalts ist durch das Jahressteuergesetz 200913 erheblich eingeschränkt worden. Danach ist insbesondere bei gewerblichen Betriebstätten im EU/EWR-Ausland ein Progressionsvorbehalt nur noch bei sogenannten aktiven Tätigkeiten gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG gegeben. Die Norm ergänzt § 2a EStG und soll sicherstellen, dass Verluste aus passiven Tätigkeiten im Ausland nicht dazu genutzt werden können, das inländische Besteuerungssubstrat über den negativen Progressionsvorbehalt zu schmälern. Der Anwendungsbereich der Freistellungsmethode wird vielfach eingeschränkt. Dahinter steht der Wunsch der deutschen Finanzverwaltung, einerseits eine Einmalbesteuerung sicherzustellen und andererseits missbräuchliche beziehungsweise unerwünschte Gestaltungen zu unterbinden. Das OECD-Musterabkommen

10

11 12 13

Vgl. Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, Entwurf vom 10. Mai 2007, IV B 4 S 1300/07/0006, Tz. 1.2. Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008, BGBl. I 2008, S. 2794. So auch Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, MA Art. 7, Rz. 16a und 49. § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008, BGBl. I 2008, S. 2794.

334

Dagmar Pöhland / Jörn Keilhoff

vermeidet auch eine virtuelle Doppelbesteuerung, das heißt auf eine tatsächliche Besteuerung im Ausland kommt es nicht an. Um der möglichen Nichtbesteuerung bestimmter Einkünfte entgegenzuwirken, wurde bspw. im neu verhandelten Doppelbesteuerungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten für Betriebstättengewinne die Anrechnungsmethode vereinbart14. Auch Subject-totax- oder Switch-over-Klauseln, die sowohl im Abkommen selbst als auch im nationalen Recht15 verankert sein können, dienen der vorgenannten Zielsetzung. Darüber hinaus sehen zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen sogenannte Aktivitätsvorbehalte vor, die eine Freistellung ausländischer Unternehmensgewinne an eine aktive Tätigkeit der ausländischen Einheit knüpft. Die Aktivitätsvorbehalte sind teilweise in den Abkommen selbst definiert, teilweise erfolgt auch ein Verweis auf die Regelungen des § 8 Abs. 1 AStG. Leider folgen die Aktivitätsklauseln keinem einheitlichen Prinzip, so dass eine Tätigkeit als aktiv zu bewerten sein kann, während die identische Tätigkeit im benachbarten Staat passiv ist16. Die einzelfallbezogene Prüfung erfordert einen hohen Beratungsaufwand, der insbesondere bei kleineren Unternehmen zu einem nicht unerheblichen Aufwand führt und im Extremfall zu einer Aufgabe der Investitionsabsicht führen kann. Neben den abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln sind stets auch die nationalen Aktivitätsvorbehalte gem. § 20 Abs. 2 AStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AStG für Niedrigsteuerländer zu beachten. Als besonders kritikwürdig ist festzustellen, dass die Aktivitätsklauseln abschließend festlegen, was als aktiv gilt, so dass im Umkehrschluss alle nicht genannten Tätigkeiten als passiv zu werten sind. Dies benachteiligt vor allem junge und dynamische Unternehmen mit innovativen Geschäftsaktivitäten, da die Aktivitätsklauseln nicht permanent an die neuen Entwicklungen angepasst werden und damit neue Geschäftsfelder übermäßig benachteiligt werden. Die fehlende Rechtsformneutralität in der Besteuerung eröffnet einen nicht zu vernachlässigenden Gestaltungsspielraum. Sofern das ausländische Steuerniveau niedriger ist als das deutsche, führt die Freistellung von ausländischen Einkünf-

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15 16

Nach dem am 02. August 2007 in Kraft getretenen Protokoll vom 04. Juli 2006 zur Verlängerung des Abkommens war das bisherige DBA bis zum 31. Dezember 2008 anzuwenden. Das neue Abkommen ist bereits am 23. Dezember 2008 paraphiert worden, aber noch nicht unterzeichnet. Es ist eine rückwirkende Anwendung zum 01. Januar 2009 vorgesehen (BMFSchreiben v. 22. Januar 2009, BStBl. I 2009, S. 355). Sowohl die OFD Münster (Kurzinfo Internationales Steuerrecht Nr. 005/2009 v. 30. September 2009) als auch das Bayrische Landesamt für Steuern (S 1301.2.174-2/5 St32/St33 v. 28. September 2009) rechnen nicht mit einer baldigen Unterzeichnung, so dass ab dem 01. Januar 2009 ein abkommensloser Zustand eintritt. Damit ist bspw. der Anwendungsbereich des Auslandstätigkeitserlasses eröffnet. Z.B. § 50d Abs. 8 EStG, § 50d Abs. 9 EStG. Kritisch vgl. Wassermeyer, Der Wirrwarr mit den Aktivitätsklauseln im deutschen Abkommensrecht, IStR 2000, S. 65ff.; Krawitz/Pöhland/Hick, Aktivitätsvorbehalte bei Einkünften aus ausländischen Kapitalgesellschaften und Betriebsstätten, FR 2003, S. 110ff.

Steuerliche Rahmenbedingungen international ausgerichteter Familienunternehmen

335

ten in transparenten Strukturen zu substantiellen Steuervorteilen. Durch die Implementierung des sogenannten Organschaftsmodells kann überdies auch noch eine im Ausland gegebene Spreizung zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuer zugunsten der Gesamtsteuerbelastung genutzt werden. Den Bedenken einer ungenügenden Haftungsabschottung im Ausland kann durch die Errichtung einer der GmbH & Co. KG vergleichbaren Rechtsform begegnet werden. 2.2

Besteuerung von Funktionsverlagerungen

Überwiegend aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen sehen sich Unternehmen veranlasst, ihre Geschäftstätigkeit im Ausland zu intensivieren17. • Ausländische Kunden verlangen unter Umständen eine Präsenz des Herstellers oder Händlers auf den lokalen Märken, bspw. aus kulturellen Anforderungen. Von Bedeutung kann auch die Infrastruktur des Standortes sein, so dass bspw. Zulieferunternehmen ihrem Abnehmer an den ausländischen Produktionsstandort folgen. • Eine effiziente Unternehmensstruktur setzt voraus, dass Kosten durch eine Zentralisierung von Funktionen oder durch die Erschließung kostengünstiger Beschaffungsmärkte und Produktionsstandorte gesenkt werden. Allerdings sollte das Lohnniveau bei der Beurteilung des Produktionsstandorts nicht das alleinige Kriterium bilden, sondern z.B. auch die Verfügbarkeit und die Qualität der Mitarbeiter berücksichtigt werden. Bei Auslandsinvestitionen wird oftmals nicht auf externe Dritte zurückgegriffen, sondern aufgrund des speziellen know hows werden eigene Einheiten im Ausland aufgebaut. Der Steuergesetzgeber sanktioniert jedoch unter Umständen Unternehmensentscheidungen, die durchaus betriebswirtschaftlich begründet und keineswegs steuerlich motiviert sind. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: • Beispiel 1: Der bayerische Produzent von Spezialmotoren für die Werkzeugmaschinenindustrie liefert überwiegend an Kunden im Ausland. Diese fragen Serviceleistungen nach. Da die Produkte in den Anlagen der Kunden eingesetzt und verbaut werden, scheidet ihre Rückführung nach Deutschland regelmäßig aus, so dass deutsche Servicetechniker vor Ort Serviceleistungen erbringen. Aufgrund der zunehmenden Nachfrage sieht sich der deutsche Produzent gezwungen, Serviceeinheiten im Ausland vorzuhalten und erwägt insofern die Errichtung von Servicegesellschaften.

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Vgl. Rödl, Unternehmensteuerreform 2008: Internationale Wettbewerbsfähigkeit zu Lasten von Familienunternehmen?, BB 2007, Heft 10, S. 1.

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• Beispiel 2: Der fränkische Hersteller von Spezialmaschinen vertreibt seine Produkte im europäischen Ausland über lokale Handelsvertreter. Der niederländische Partner möchte die Vertragsbeziehung über die vereinbarte Dauer nicht mehr fortführen. Da ein qualifizierter Handelsvertreter in den Niederlanden nicht gefunden werden kann, beabsichtigt der Hersteller, den Vertrieb künftig von der in den Niederlanden ansässigen Tochtergesellschaft aus zu betreiben, die gegenwärtig bestimmte Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zuliefert. Die Pläne sehen vor, eine erfahrene Vertriebskraft in den Niederlanden einzustellen. Der Gesetzgeber hat mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 die gesetzlichen Grundlagen für die steuerliche Erfassung von sogenannten Funktionsverlagerungen in § 1 Abs. 3 AStG geschaffen. Ergänzend regeln die Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 3 AStG in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV)18 vom 12. August 2008 und ein – gegenwärtig nur im Entwurf vorliegendes – Schreiben des Bundesfinanzministeriums zur Funktionsverlagerung (Verwaltungsgrundsätze – Funktionsverlagerung) vom 17. Juli 2009 Einzelheiten der neuen Bestimmung. Eine „Funktionsverlagerung“ liegt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV vor, wenn eine unternehmerische Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteile ins Ausland verlagert wird. Von Bedeutung ist dabei, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen künftig keine Einzelbewertung der übertragenen Wirtschaftsgüter anstrebt, sondern sogenannte „Transferpakete“ betrachtet. Allerdings haben gemäß § 2 Abs. 1 FVerlV auch in diesen Fällen nach wie vor die sogenannten Standardmethoden der Verrechnungspreisbestimmung Vorrang, wenn uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Vergleichswerte bestimmt werden können19. Außerhalb des Anwendungsbereichs der sogenannten Standardmethoden kommt nunmehr aber ein hypothetischer Fremdvergleich zur Anwendung. Demnach orientiert sich die Bewertung des Transferpakets am (ertragswertorientierten) Gewinnpotential auf Grundlage einer Funktionsanalyse vor und nach Funktionsverlagerung20. Der Verordnungsgeber wendet sich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV gegen den in der Literatur vorgeschlagen Ansatz, sich dem Funktionsbegriff von der Defini-

18 19 20

BGBl. I 2008, S. 1680. Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 1.1. Zukunftserfolgswert gemäß IDW S 1 i.d.F. 2008; vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.4.

Steuerliche Rahmenbedingungen international ausgerichteter Familienunternehmen

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tion des Teilbetriebs zu nähern21. Er wählt stattdessen eine betriebswirtschaftlich orientierte Begriffsbildung, nach der eine Funktion aus der Aufgabenteilung im Unternehmen folgt22. Der Entwurf der Verwaltungsgrundsätze – Funktionsverlagerung nennt in Tz. 2.1.1 als Beispiele einer Funktion Forschung und Entwicklung, Produktion, Verpackung, Montage, Transport, Verwaltung etc. Als Funktion soll bereits die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe anzusehen sein. Diese ausufernde Definition, die in der Literatur teilweise als Atomisierung des Funktionsbegriffs bezeichnet wird, ist abzulehnen, da sie den Anwendungsbereich der Funktionsverlagerung unabsehbar ausweiten würde23. Durch Bezugnahme auf den Begriff der „Organisation“ rückt die Funktionsdefinition allerdings entgegen der ausdrücklichen Intention des Verordnungsgebers in die Nähe der steuerlichen Teilbetriebsdefinition24. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist daher für die Annahme eines organischen Teils notwendig, „dass für die fragliche Geschäftstätigkeit im Falle der Verlagerung eine für die beteiligten Unternehmen sachgerecht abgrenzbare Gewinnauswirkung festgestellt werden kann“ 25. Eine zweifelsfreie Bestimmung des Begriffs „Funktion“ wird letztlich nicht erreicht. Es steht daher zu befürchten, dass sich der Begriff der Funktion erst im Laufe der Zeit kasuistisch prägen wird. Der Tatbestand der „Verlagerung“ ist erfüllt, wenn – inländische – Funktionen aufgeben oder eingeschränkt werden26. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt auch die Funktionssubstitution eine Verlagerung dar27. Der Fall einer Funktionsverdoppelung wird jedenfalls dann, wenn es innerhalb von fünf Jahren nach Verdoppelung nicht zu einer Einschränkung im Inland kommt, nicht als Verlagerung begriffen. Rückwirkenden Funktionsverlagerungen für den Fall, dass eine Funktionsverdoppelung später eine Funktionseinschränkung nach sich zieht, erteilt die Finanzverwaltung eine Absage; die Verlagerung liegt erst im Zeitpunkt der Einschränkung vor28. Zur Feststellung einer Einschränkung der Funktion stellt die Finanzverwaltung auf den Maßstab des Umsatzes ab29. Aufgrund des 21

22

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24 25 26 27

28 29

Vgl. Borstell/Schäperclaus, Was ist eigentlich eine Funktion?, IStR 2008, S. 280f.; Blumers, Funktionsverlagerung per Transferpaket, BB 2007, S. 1759f. Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.1; Brüninghaus/Bodenmüller, Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung, DStR 2009, S. 1286. Vgl. Kroppen/Rasch, Funktionsverlagerung – Entwurf der Verwaltungsgrundsätze, IWB Nr. 16 v. 26. August 2009, S. 794ff. Vgl. Borstell/Schäperclaus, Was ist eigentlich eine Funktion?, IStR 2008, S. 278. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.1.2. Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.2.2. Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.2.2; a.A. Frischmuth, Wann genau liegt eine Funktionsverlagerung nach der FVerlV vor?, StuB 2008, S. 869f.; Brüninghaus/Bodenmüller, Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung, DStR 2009, S. 1288f. Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.6.2.1. Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.2.2.

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Kausalbezugs zum Tatbestand der Verlagerung sollten u.E. konjunkturell bedingte Einschränkung von § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG nicht erfasst sein30. Die Feststellung der Ursachen für einen Umsatzrückgang kann jedoch gerade gegenwärtig in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise schwierig werden, so dass die Tauglichkeit des Maßstabs „Umsatz“ u.E. in Zweifel steht. Für die oben genannten Beispielsfälle hat die neue Rechtslage folgende Bedeutung: • Beispiel 1: Fraglich ist, ob der bayerische Produzent von Spezialmotoren eine Funktion, z.B. die der „Serviceerbringung gegenüber Kunden“, überträgt und welche steuerlichen Konsequenzen die Reorganisation auslöst. Zunächst unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die deutsche Muttergesellschaft nach wie vor eigene Serviceleistungen erbringt. Eine Einschränkung der Serviceleistungen in der Art, dass sie sich im Umsatz der inländischen Muttergesellschaft widerspiegelt, könnte aber für die Annahme einer Funktionsverlagerung bereits ausreichen. Soweit die ausländischen Serviceeinheiten auf cost-plus Basis Serviceleistungen gegenüber der deutschen Muttergesellschaft erbringen, liegt zwar nach Ansicht der Finanzverwaltung eine Funktionsverlagerung vor. Bei Übertragung auf ein sogenanntes Routineunternehmen, welches die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und das Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode ermittelt, ist jedoch davon auszugehen, dass das Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und (sonstigen) Vorteile enthält31. In diesem Fall kommt die Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile gemäß § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG zur Anwendung. Dies setzt jedoch voraus, dass im Ausland lediglich sogenannte Routinefunktionen ausgeübt werden, das heißt dass die ausländischen Serviceeinheiten nur geringe Risiken tragen und sich die laufende Vergütung in einer reinen Tätigkeitsvergütung beziehungsweise Provision erschöpft. Im vorliegenden Beispiel würden die ausländischen Servicegesellschaften u.E. nur dann unschädliche Routinefunktionen ausüben, wenn die Serviceerbringung „gegenüber Kunden“ im Namen und auf Rechnung der inländischen Muttergesellschaft erfolgt. Sollten die ausländischen Servicegesellschaften darüber hinaus eigenständige Dienstleistungen gegenüber Kunden erbringen, wäre u.E. die Qualifikation als Routineunternehmen fraglich.

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Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung DStR 2009, S. 1288. Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.2.2.1.

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Diskussionsbedarf mit der Finanzverwaltung könnte auch entstehen, wenn im Zusammenhang mit der Serviceerbringung im Ausland – wie im vorliegenden Beispielsfall angenommen – Mitarbeiter des verlagernden Unternehmens im übernehmenden Unternehmen eingesetzt werden. Die Personalentsendung als solche ist laut Finanzverwaltung zwar regelmäßig keine Funktionsverlagerung32; die Tätigkeit entsandter Mitarbeiter kann allerdings mit einer Verlagerung von Vorteilen verbunden sein, wenn diese über Produkt-, Prozess-, Markt- oder Branchenkenntnisse oder persönliche Beziehungen zu Kunden verfügen, welche sie zum Vorteil des übernehmenden Unternehmens einsetzen33. Fraglich ist daher, ob die Mitarbeiter im vorliegenden Beispiel spezielle Kenntnisse zum Vorteil der ausländischen Servicegesellschaften einbringen, so dass nicht von einer routinemäßigen Dienstleistung gegenüber dem inländischen Hersteller ausgegangen werden kann. Endres/Oestreicher regen in diesem Zusammenhang an, die bestehenden Arbeitsverträge zu beenden und mit den ausländischen Gesellschaften neu zu schließen, um die Einbeziehung der Personalentsendung in die Funktionsverlagerung zu vermeiden34. Dies ist u.E. nicht zielführend, weil im Ergebnis kein Transfer von know-how vermieden wird. U.E. kann die Lösung nur darin bestehen, dass Mitarbeiter im Rahmen einer Dienstleistungsvereinbarung für die ausländische Gesellschaft tätig werden, welche nicht über spezielles know how, sondern lediglich über „austauschbare“ Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen. • Beispiel 2: Zu prüfen ist, ob der fränkische Hersteller von Spezialmaschinen eine Funktion, z.B. die des „Vertriebs Niederlande“, überträgt und welche steuerlichen Konsequenzen die Reorganisation gegebenenfalls auslöst. Der Annahme einer Funktionsverlagerung könnte hier entgegengehalten werden, dass der Vertrieb für die Niederlande auch in der Vergangenheit nicht von der deutschen Muttergesellschaft, sondern von einem externen niederländischen Handelsvertreter erbracht wurde, so dass es an einer „verlagerbaren“ inländischen Funktion fehlt. Gegen diese Auffassung spricht, dass mit Beendigung des Handelsvertretervertrags der Kundenstamm an den Auftraggeber gegen Zahlung eines Ausgleichsanspruchs zurückfällt (§ 89b HGB). Nach Auffassung der Finanzver32 33

34

Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.7.2. Die Grundsätze zur Arbeitnehmerentsendung sind im Bereich der Funktionsverlagerung nicht anwendbar; vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 2.1.7.2. Vgl. Endres/Oestreicher, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen in zehn Fällen - Zugleich eine Stellungnahme zum Entwurf der Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Beihefter zu IStR 2009, Heft 20, S. 4.

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waltung können Funktionsverlagerungen mit der Kündigung von Verträgen in Zusammenhang stehen35, das heißt gegebenenfalls wird dem niederländischen Handelsvertreter eine Funktion entzogen, in deren Zusammenhang es zur Rückübertragung des Kundenstamms an den Hersteller kommt. Wird der Kundenstamm sodann von der niederländischen Tochtergesellschaft genutzt, handelt es sich – soweit damit verbundene Chancen und Risiken übergehen – dem Grunde nach um eine Funktionsverlagerung. Zu berücksichtigen ist vorliegend u.E. jedoch, dass mit der Überlassung des Kundenstamms an die niederländische Vertriebsgesellschaft keine Einschränkung der Vertriebstätigkeit in Deutschland verbunden ist. Dies könnte u.E. nur dann der Fall sein, wenn mit der Überlassung des Kundenstamms ein Umsatzrückgang des fränkischen Herstellers verbunden ist, weil die niederländische Vertriebsgesellschaft – anders als zuvor der externe Handelsvertreter – nicht nur als Vertragshändler agiert, sondern mit der Vermarktungsfunktion verbundene Chancen und Risiken trägt. Ist die niederländische Vertriebsgesellschaft dagegen in die Absatzorganisation des fränkischen Herstellers eingegliedert, weil ihr ein Absatzgebiet zugewiesen wird und die Preisbildung durch den fränkischen Hersteller erfolgt, und verfügt sie nicht über einen eigenen Kundenstamm, so kommt u.E. vorliegend nur die Einzelbewertung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG in Betracht. Selbst wenn ein Kundenstamm übertragen oder künftig von der niederländischen Tochtergesellschaft genutzt würde, sollte in diesem Fall u.E. die vorrangige Anwendung der Standardmethoden greifen, den § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG in Fällen, in denen uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Verrechnungspreise ermittelt werden können, vorsieht. Denn gemäß § 89b HGB hat ein inländischer Handelsvertreter bei Beendigung des Vertragsverhältnisses einen Ausgleichsanspruch für entgangene künftige Gewinne aus der Handelsvertretertätigkeit. U.E. sollte dieser Ausgleichsanspruch daher auch Maßstab für die Bewertung i.S.d. § 1 AStG sein. Eine Transferpaketbetrachtung und damit eine ertragswertorientierte Gewinnpotentialbetrachtung scheiden u.E. in diesem Fall aus. Wie die vorstehenden Beispiele zeigen, können betriebswirtschaftlich motivierte Unternehmensentscheidungen mit Auslandsbezug künftig schnell in die Nähe von Funktionsverlagerungen rücken. In diesen Fällen müssen sich die Unternehmen auf Diskussionen und Erörterungen mit der Finanzverwaltung einstellen. Hier wird es stets hilfreich sein, die vorrangige Anwendung der Standardmethoden geltend zu machen, weil uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Verrechnungspreise ermittelt werden können, oder die Einzelbewertung gemäß 35

Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 1.3.1.

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der Escape-Klausel des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG anzustreben, weil keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter „verlagert“ werden. Die Finanzverwaltung möchte die vorstehenden Grundsätze auch auf Funktionsverlagerungen ins Inland anwenden36. Hinsichtlich der Folgen bei OutboundFunktionsverlagerung stellt sie zutreffend fest, dass sich die Bilanzierung im Einzelfall nach dem Recht des Staates des übernehmenden Unternehmens richten wird37. Dies bedeutet jedoch, dass in vielen Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen im Ausland gerade keine korrespondierende Bilanzierung erfolgen wird. In der Konsequenz können Doppelbesteuerungen entstehen, die entgegen der Feststellungen der Finanzverwaltung von Art. 9 OECDMusterabkommen gerade nicht gedeckt sind. Funktionsverlagerungen stellen außergewöhnliche Geschäftsvorfälle i.S.d. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO in Verbindung mit § 3 GAufzV dar, für die der Steuerpflichtige zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen hat. Die Umsatzkriterien gemäß § 6 GAufzV, welche eine (partielle) Befreiung von der Dokumentationspflicht ermöglichen, werden unserer Erfahrung nach von international ausgerichteten mittelständischen Unternehmen schnell überschritten. Beachtlich ist, dass eine Verteidigung von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen im Rahmen künftiger Betriebsprüfungen damit voraussetzt, dass der Steuerpflichtige umfangreichen Mitwirkungs- und Nachweispflichten im Hinblick auf mögliche Funktionsverlagerungen entspricht. Insbesondere mittelständischen Unternehmen wird dadurch in Zukunft hoher administrativer Aufwand auferlegt. Da inhabergeführte mittelständische Unternehmen regelmäßig nicht über eigene Steuerabteilungen oder Inhouse-Steuerexperten verfügen, besteht hoher Beratungsbedarf, um substanzgefährdende Steuerforderungen im Rahmen von Betriebsprüfungen abzuwehren. Es bleibt zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber mit der steuerlichen Erfassung von Funktionsverlagerung keinen „Trend“ ins Leben gerufen hat, der im internationalen Vergleich „Nachahmer“ findet. 2.3

Missbrauchsvermutung bei Geschäftsbeziehungen mit nichtkooperierenden Staaten

Im Bemühen, Steuerhinterziehung wirkungsvoll zu bekämpfen und insbesondere die sogenannten „Steueroasen“ auszutrocknen, hat der deutsche Gesetzgeber das am 01. August 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz)38 erlassen. Das Gesetz ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates besondere Mitwirkungs- und Nachweispflichten für Geschäftsbe36 37 38

Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 1.1. Vgl. Verwaltungsgrundsätze - Funktionsverlagerung, Tz. 3.5. BGBl. I 2009, S. 2302.

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ziehungen zu Staaten und Gebieten festzulegen, die nicht zum Auskunftsaustausch in Steuersachen entsprechend dem aktuellen OECD-Standard bereit sind. Der Bundesrat hat am 18. September 2009 der entsprechenden Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (SteuerHBekV) zugestimmt39. Darin regelt der Gesetzgeber die Umsetzung des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes ab dem 01. Januar 2010. Grundlegende Bedeutung hat dabei, dass die Inanspruchnahme von bestimmten – begünstigenden – steuerlichen Vorschriften von der Erfüllung besonderer Mitwirkungs- und Nachweispflichten abhängig gemacht wird, wenn im Ausland ansässige Beteiligte und andere Personen nicht zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts herangezogen werden können. Die besonderen Mitwirkungs- und Nachweispflichten greifen gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f EStG nicht, wenn die im Ausland ansässigen Beteiligten oder andere Personen in einem Staat oder Gebiet ansässig sind, mit dem ein Abkommen besteht, das die Erteilung von Auskünften entsprechend Art. 26 des OECDMusterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung von 2005 vorsieht oder der Staat oder das Gebiet Auskünfte in einem vergleichbaren Umfang erteilt oder die Bereitschaft zu einer entsprechenden Auskunftserteilung besteht. Art. 26 des OECD-Musterabkommens beinhaltet die sogenannte große Auskunftsklausel, welche den beteiligten Staaten einen Austausch von Informationen zur Durchführung des Doppelbesteuerungsabkommens und des Vollzug des innerstaatlichen Steuerrechts ermöglicht. Dazu gehören neben Bankinformationen bspw. auch Informationen über Eigentumsverhältnisse an Gesellschaften. Bei den sogenannten „nicht kooperierenden Jurisdiktionen“ handelt es sich nicht zwangsläufig nur um die viel gescholtenen sogenannten „Steueroasen“. Da der maßgebliche OECD-Standard zur Erteilung von Auskünften aus dem Jahr 2005 stammt, entsprechen ihm gegenwärtig nur die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen mit Algerien, Mexiko und Russland. Die besonderen Nachweis- und Mitwirkungspflichten entfallen daher nach heutigem Stand regelmäßig nur, wenn der andere Staat tatsächlich, etwa auf Grundlage des nationalen Steuerrechts, Auskünfte in vergleichbarem Umfang erteilt oder zumindest „Bereitschaft“ dazu besteht. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, soll daher das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die nicht kooperierenden Jurisdiktionen in einem gesonderten Schreiben veröffentlichen; eine sogenannte „schwarze Liste“ soll jedoch erst nach vergeblicher Aufforderung zur Aufnahme von Gesprächen zum Abschluss bilateraler Vereinbarungen erfolgen40. Zwar soll 39 40

BR-Drs. 681/09 vom 06. August 2009. BR-Drs. 682/09 vom 06. August 2009, Begründung Allgemeiner Teil.

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dem Vernehmen nach vom BMF ein Schreiben ergehen, nach dem gegenwärtig keine nicht kooperierenden Jurisdiktionen existieren. Die Belastbarkeit einer solchen Verlautbarung in der Praxis und vor der Rechtsprechung muss jedoch in Zweifel gezogen werden. Überdies wäre das BMF an diese Einschätzung nicht dauerhaft gebunden. Die Ankündigung zum künftigen Auskunftsaustausch reicht demnach aus, um nicht auf die sogenannte „schwarze Liste“ des Bundesfinanzministeriums zu kommen. Denn damit wird die Bereitschaft dokumentiert, zeitnah Maßnahmen zur Umsetzung der OECD-Standards einleiten und künftig Auskünfte erteilen zu wollen. So haben mittlerweile alle OECD-Mitgliedstaaten Art. 26 des OECDMusterabkommens in der Fassung von 2005 hinsichtlich der Zusammenarbeit und des zwischenstaatlichen Auskunftsaustauschs akzeptiert. Österreich, Luxemburg und die Schweiz verhandeln über neue Doppelbesteuerungsabkommen, welche dem maßgeblichen OECD-Standard entsprechen sollen41. Soweit ersichtlich sind Andorra, Liechtenstein und Monaco bereit, bilaterale Abkommen zum Informationsaustausch abzuschließen; Hongkong und Singapur haben erklärt, dass sie ihre Gesetzgebung ändern und die Standards nach Art. 26 des OECDMusterabkommens einführen wollen. Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz schränkt im Verhältnis zu Outbound-Investitionen in den verbleibenden nicht kooperativen Jurisdiktionen • den Abzug von Betriebsausgaben und Werbungskosten (§ 4 Abs. 4 EStG und § 9 EStG), • die Regelungen über die Abgeltungssteuer und das Teileinkünfteverfahren (§ 32d und § 3 Nr. 40 EStG) und • die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG sowie vergleichbare Vorschriften in DBA ein42. Über das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz hinaus fordert die Verordnung in § 1 Abs. 4 Nachweis – und Mitwirkungspflichten erstmals auch für Geschäftsbeziehungen zum Ausland mit einer Person, die keine nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG ist. Vorbehaltlich einer Bagatellgrenze von EUR 10.000 pro Jahr und Geschäftsbeziehung sind unter anderem über die gewählten Geschäftsstrategien, die bedeutsamen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse und die natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar Gesellschafter oder Anteilseigner der Person sind, Aufzeichnungen zu erstellen und auf Anforderung vorzulegen. Eine Ausnahme besteht gegebenenfalls bei Börsennotierung im Ausland. 41 42

Vgl. OFD Münster vom 06. Oktober 2009, DStR 2009, S. 2199. Vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f EStG und § 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e KStG.

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Bislang galt im Verhältnis zu fremden Dritten stets die Vermutung, dass Geschäftsbeziehungen zu fremdüblichen Konditionen vereinbart werden. Nunmehr sollen auch Geschäftsbeziehungen mit fremden Dritten umfangreichen Aufzeichnungspflichten unterliegen. Insbesondere der Nachweis über die natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar Gesellschafter oder Anteilseigner des externen Geschäftspartners sind, wird sich im Einzelfall als „Hürde“ erweisen. Damit geht der Verordnungsgeber über die bereits gemäß § 160 Abs. 1 AO vorgesehene Gläubigerbenennung deutlich hinaus. Die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben und die (teilweise) Steuerfreiheit von Beteiligungserträgen wird künftig davon abhängen, dass die ausländischen Geschäftspartner in kooperierenden Staaten ansässig sind oder aber der inländische Steuerpflichtige die in § 1 Abs. 2 bis 5 der SteuerHBekV genannten besonderen Mitwirkungs- und Aufzeichnungsplichten erfüllt. In der Praxis dürfte es für den Steuerpflichtigen nicht leicht sein, Unterlagen zum Nachweis des Fremdvergleichs von fremden Dritten zu erlangen. Schließlich wurde sogar vom BFH anerkannt, dass selbst für die deutsche Tochter einer ausländischen Mutter regelmäßig keine Möglichkeit besteht, deren Kalkulationsunterlagen zu erlangen43. • Beispiel: Da der bayerische Produzent von Spezialmotoren die Errichtung von ausländischen Servicegesellschaften erwägt, beauftragt er eine Beratungsgesellschaft mit Sitz in einem annahmegemäß unkooperativen Staat mit der rechtlichen und steuerlichen Beratung im Zusammenhang mit der Unternehmensgründung in Asien. Sofern das gezahlte Entgelt 10.000 Euro im Jahr übersteigt, ist für diese Geschäftsbeziehung eine Dokumentation i.S.d. § 1 Abs. 4 SteuerHBekV vorzuhalten. Dies umfasst neben den Nachweisen über Art und Umfang der Geschäftsbeziehung mittels Vertragsdokumenten die Dokumentation der von der Beratungsgesellschaft ausgeübten Funktionen und Risiken, der eingesetzten Wirtschaftsgüter und gewählten Geschäftsstrategien, der bedeutsamen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse sowie schließlich der Nachweis der natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar Gesellschafter oder Anteilseigner der Beratungsgesellschaft sind. Fraglich ist, was unter den genannten Nachweisen konkret verstanden wird. Die Begründung zur SteuerHBekV enthält hierzu keine Ausführungen. So könnte darunter verstanden werden, dass das deutsche Unternehmen darlegen können muss, warum es sich für diese Beratungsgesellschaft entschieden hat (Kenntnis der lokalen Märkte und Rechtsordnungen) und welche Ressourcen 43

Vgl. Geuenich, Neue Maßnahmen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung, NWB Nr. 31 vom 27. Juli 2009, S. 2399; BFH, Beschluss v. 10. Mai 2001, DStR 2001, S. 985.

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der Geschäftspartner (qualifizierte Mitarbeiter) einsetzt. Es dürfte in diesem Fall jedoch schwierig werden, entsprechende Informationen vom ausländischen Geschäftspartner zu erhalten. Die SteuerHBekV sieht darüber hinaus vor, dass der Steuerpflichtige bei Geschäftsbeziehungen zu Kreditinstituten im Ausland nach Aufforderung durch die Finanzbehörde diese zu bevollmächtigen hat, in seinem Namen Auskunftsansprüche gegenüber den von der Finanzbehörde benannten Kreditinstituten außergerichtlich oder gerichtlich geltend zu machen. Bereits objektiv erkennbare Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Steuerpflichtige über Geschäftsbeziehungen zu Kreditinstituten im Ausland verfügt, reichen gemäß § 1 Abs. 5 SteuerHBekV in diesem Zusammenhang aus. Kommt ein Steuerpflichtiger dem nicht nach, droht ihm nicht nur die Versagung des Abzugs von Betriebsausgaben und Werbungskosten, sondern in Bezug auf privat vereinnahmte Dividenden die Versagung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 (sogenannte Abgeltungssteuer) beziehungsweise in Bezug auf betrieblich vereinnahmte Dividenden und Veräußerungsgewinne der teilweisen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 Satz 1 und 2 EStG (sogenanntes Teileinkünfteverfahren). Gerade für mittelständische familiengeführte Unternehmen ohne spezialisierte Compliance-Abteilungen wird sich der administrative Aufwand aufgrund der zusätzlichen Dokumentationspflichten je nach Umfang und regionalem Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit im Ausland deutlich erhöhen44. Für Steuerpflichtige drohen damit erhebliche Steuermehrbelastungen, wenn sie mit nicht kooperierenden Staaten in Berührung kommen. Aufgrund der Unbestimmtheit des SteuerHBekG besteht zudem gegenwärtig noch keine Rechtssicherheit, welche Staaten die genannten Kriterien erfüllen. Bis zur Veröffentlichung der sogenannten „schwarzen Liste“ durch die Finanzverwaltung wird jeweils einzelfallbezogen zu prüfen sein, ob die Geschäftsbeziehungen mit dem Ausland von der Neuregelung betroffen sind. Beachtlich ist, dass die Finanzverwaltung für den Fall, dass der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, einen entsprechenden Schätzungstatbestand eingeführt hat. Es wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 3 AO widerlegbar vermutet, dass der Steuerpflichtige nicht erklärte bzw. höhere Einkünfte erzielt hat. Die erheblichen Bedenken gegen die Vereinbarkeit des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes und der durch die Bundesregierung dazu vorgelegten SteuerHBekV mit dem Verfassungsrecht sowie dem Europarecht können ange44

Vgl. Hardeck, Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz – Regelungsinhalt und Implikationen für die Praxis, IWB Nr. 16 vom 26. August 2009, S. 786f.

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sichts des den Steuerpflichtigen auferlegten Dokumentationsaufwandes und der drohenden steuerlichen Mehrbelastungen nur ein schwacher Trost sein. 3

Fazit

Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass ein Engagement im Ausland eine Reihe steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten bietet, mit deren Hilfe sich die Steuerbelastung reduzieren lässt. Insbesondere die Errichtung haftungsbeschränkter Personengesellschaften im Ausland vermag die Vorteile der Haftungsabschottung einer Kapitalgesellschaft mit den Vorteilen einer Einmalbesteuerung im Ausland zu kombinieren. Dieses erwünschte Ergebnis hängt allerdings von der Erfüllung zahlreicher Regelungen ab, die im Ergebnis alle der Missbrauchsbekämpfung dienen sollen. Das Ziel, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Zu kritisieren ist hingegen der von der Finanzverwaltung gewählte Ansatz, internationale Sachverhalte unter einen Generalverdacht zu stellen, der nur durch die Vorlage umfangreicher Aufzeichnungen und Dokumentationen seitens der Unternehmen entkräftet werden kann. Gerade dies wird aber mit den geltenden Regelungen zur Funktionsverlagerung und den künftigen Bestimmungen des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes erreicht. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Ansatz auf Dauer Bestand haben wird, denn zumindest innerhalb der EU hat der EuGH mehrfach betont, dass eine pauschale Missbrauchsvermutung nicht geeignet ist, die Grundverkehrsfreiheiten einzuschränken. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, wenn die Finanzverwaltung zu einer stärker einzelfallbezogenen Prüfung zurückfindet. Kurzfristig tut insbesondere eine Überarbeitung der unpräzisen und veralteten Aktivitätsvorbehalte Not, um die wünschenswerte Internationalisierung vor allem auch der kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht zu behindern. Aus unserer Sicht ist ein grundsätzliches Umdenken dahingehend geboten, dass schädliche passive Tätigkeiten enumerativ aufgezählt werden. Andernfalls läuft Deutschland Gefahr, den Anschluss an die Internationalisierung bei den sich neu entwickelnden Geschäftsfeldern zu verlieren.

Steuerliche Rahmenbedingungen international ausgerichteter Familienunternehmen

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Literaturverzeichnis Blumers, Funktionsverlagerung per Transferpaket, BB 2007, S. 1757ff. Borstell/Schäperclaus, Was ist eigentlich eine Funktion?, IStR 2008, S. 275ff. Brüninghaus/Bodenmüller, Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung, DStR 2009, S. 1285ff. Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, Loseblatt, München. Endres/Oestreicher, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen in zehn Fällen – Zugleich eine Stellungnahme zum Entwurf der Verwaltungsgrundsätze – Funktionsverlagerung, Beihefter zu IStR 2009, Heft 20. Frischmuth, Wann genau liegt eine Funktionsverlagerung nach der FVerlV vor?, StuB 2008, S. 864ff. Geuenich, Neue Maßnahmen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung, NWB Nr. 31 vom 27. Juli 2009, S. 2396ff. Hardeck, Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz – Regelungsinhalt und Implikationen für die Praxis, IWB Nr. 16 vom 26. August 2009, S. 781ff. Hennerkes, Die Familie und ihr Unternehmen. Strategie, Liquidität, Kontrolle, Frankfurt a.M. 2004. Krawitz, Reicher Gesellschafter – Arme Gesellschaft: Neue Steuerstrategien für den Mittelstand – „Klassische“ Empfehlungen gelten nicht mehr, BB 2003, S. 1925ff. Krawitz/Pöhland/Hick, Aktivitätsvorbehalte bei Einkünften aus ausländischen Kapitalgesellschaften und Betriebsstätten, FR 2003, S. 109ff. Kroppen/Rasch, Funktionsverlagerung – Entwurf der Verwaltungsgrundsätze, IWB Nr. 26, S. 789ff. Rödl & Partner, Familienunternehmen gerechter besteuern. Die Steuerpolitik aus der Sicht von Unternehmensinhabern – Anforderungen an ein zukunftsgerechtes Steuersystem, Nürnberg 2009. Rödl, Unternehmensteuerreform 2008: Internationale Wettbewerbsfähigkeit zu Lasten von Familienunternehmen?, BB 2007, Heft 10, S. 1. Schneeloch, Rechtsformwahl und Rechtsformwechsel mittelständischer Unternehmen. Auswahlkriterien, Steuerplanung, Gestaltungsempfehlung, München 2006. Stiftung Familienunternehmen, München 2009, erhältlich unter: http://www. familienunternehmen.de. Wassermeyer, Der Wirrwarr mit den Aktivitätsklauseln im deutschen Abkommensrecht, IStR 2000, S. 65ff.

Steuerliche Sonderprobleme des internationalen Maschinen- und Anlagenbaus Meinhard Remberg

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................. 351 2 Internationaler Maschinen- und Anlagenbau ............................................ 352 2.1 Branchenprofil .............................................................................. 352 2.2

Leistungsspektrum ......................................................................... 353

2.3

Vertragliche Besonderheiten ......................................................... 354

3 Bau- und Montagebetriebsstätten ............................................................. 356 3.1 Definition....................................................................................... 356 3.2

Planungs- und Überwachungsleistungen ...................................... 357

3.3

Abgrenzung Dauerbetriebsstätten / temporäre Betriebsstätten ..... 357

4 Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ................ 358 4.1 Grundregel .................................................................................... 358 4.2

Methoden ....................................................................................... 359

4.3

Kostenschlüsselmethode ................................................................ 360

5 Betriebsstättenbesteuerung im Tätigkeitsstaat .......................................... 361 5.1 Grundsätze .................................................................................... 361 5.2

Beispiel China ............................................................................... 362

6 Fazit .......................................................................................................... 363 

Steuerliche Sonderprobleme des internationalen Maschinen- und Anlagenbaus

1

351

Einleitung

Der vorliegende Beitrag ist praxisorientiert und spiegelt vor allem die Erfahrungen eines internationalen Großanlagenbauers auf dem Gebiet der Betriebsstättenbesteuerung im In- und Ausland wider. Der Maschinen- und Anlagenbau ist eine der wichtigsten deutschen Industriebranchen. Ein kurzes Branchenprofil verdeutlicht dies. Das Leistungsspektrum ist vielfältig und erklärungsbedürftig. Daher wird hierauf näher eingegangen. Zugrunde gelegt wird dabei der Fall einer industriellen Großanlage wie er z. B. bei Kraftwerken, Chemieanlagen oder auch hütten- und walzwerkstechnischen Anlagen vorliegt. In der Regel kommt es zu einem vielfältigen Geflecht vertraglicher Beziehungen zwischen den an der Anlagenerrichtung beteiligten Unternehmen. Auf einige vertragliche Besonderheiten wird insbesondere auch zum besseren Verständnis der späteren steuerlichen Subsumtion hingewiesen. Die expliziten steuerlichen Ausführungen werden eingeleitet durch eine Darstellung der Begriffsmerkmale der Bau- und Montagebetriebsstätte im nationalen und internationalen Steuerrecht. Dem Umstand, dass der internationale Anlagenbau in zunehmendem Umfang nicht mehr selbst baut und montiert, sondern diese Vorgänge vor allem verantwortlich überwacht, wird durch die Darstellung der steuerlichen Behandlung von Planungs- und Überwachungsleistungen Rechnung getragen. Die für die Praxis wichtige Unterscheidung zwischen Dauerbetriebsstätte und zeitlich begrenzter Betriebsstätte rundet die grundlegende Darstellung der Bauund Montagebetriebsstätten ab. Der Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sowohl für inländische als auch für Besteuerungszwecke im Tätigkeitsstaat kommt in der Praxis eine wesentliche Bedeutung zu. Daher werden Grundregel und Methoden der Einkunftsabgrenzung vorgestellt. Dabei wird insbesondere die in der Praxis vorherrschende Kostenschlüsselmethode erläutert. Schließlich wird noch auf grundsätzliche Probleme der Betriebsstättenbesteuerung im Tätigkeitsstaat eingegangen. Dabei wird am Beispiel China dargestellt, dass trotz Vorliegens eines DBA zwischen Deutschland und China eine Methodenkongruenz bei der Einkunftsabgrenzung in der Praxis in weiter Ferne liegt. Im abschließenden Fazit werden die Kernaussagen kurz zusammengefasst.

352

Meinhard Remberg

2

Internationaler Maschinen- und Anlagenbau

2.1

Branchenprofil

Nach Angaben des VDMA1 besteht der deutsche Maschinen- und Anlagenbau aus ca. 6000 Unternehmen. Dabei wurden in 40 unterschiedlichen Teilbranchen 2008 fast 1 Mio. Mitarbeiter beschäftigt. Die produzierten Maschinen und Anlagen erreichten einen Wert von mehr als 190 Mrd. Euro. Der weitaus überwiegende Teil wurde exportiert. Dabei hat insbesondere der deutsche Anlagenbau bis zum Beginn der Finanzund Wirtschaftskrise in starkem Maße von Auftragsvergaben nahezu aller Rohstoffländer profitiert. Zahlreiche Staaten im mittleren Osten, in Nordafrika und Südamerika haben erhebliche Überschüsse aus Rohstoffeinnahmen erzielt und die Einnahmen genutzt, um weiterverarbeitende Industrien aufzubauen und damit für mehr Wachstum und Beschäftigung in ihrem Land zu sorgen. Darüber hinaus gab es parallel eine starke Nachfrage aus Regionen mit wachsender Grundstoffnachfrage. So hat die Integration Chinas, Indiens sowie zahlreicher Schwellenländer Südostasiens und Osteuropas in die Weltwirtschaft den Bedarf an neuen Produktionskapazitäten, z. B. für die Herstellung von Stahl, Zement, Papier und Chemikalien sprunghaft ansteigen lassen. Das durch hohe Internationalität gekennzeichnete Geschäft des Maschinen- und Anlagenbaus erfordert in allen Bereichen ein Höchstmaß an Flexibilität. Der Kunde verlangt in der Regel maßgeschneiderte Komplettlösungen. Oft fordert er, einen möglichst großen Teil der Wertschöpfung im Kundenland zu realisieren; der Anlagenbauer ist dann häufig nur noch Technologielieferant, hat jedoch in jedem Fall die Verantwortung für die vertragskonforme Funktionsfähigkeit der Anlage. Schließlich hat der Anlagenbauer weltweit ein Geflecht von Leistungen unterschiedlichster Branchen zusammenzustellen, das erst auf der Baustelle im Tätigkeitsstaat die Nagelprobe der Gesamtfunktionsfähigkeit bestehen muss. Da die Branche generell durch eine hohe Forschungs- und Entwicklungsintensität gekennzeichnet ist, die allenfalls in den Boomjahren 2006 und 2007 aufgrund des hohen Abwicklungsdrucks gelitten hat, besteht die berechtigte Hoffnung, dass sie auch in Zukunft eine entscheidende Rolle für den Industriestandort Deutschland spielen wird.

1

VDMA = Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.

Steuerliche Sonderprobleme des internationalen Maschinen- und Anlagenbaus

2.2

353

Leistungsspektrum

Das klassische Leistungsspektrum des internationalen Maschinen- und Anlagenbaus besteht aus den Komponenten Engineering, Bauleistungen, Lieferung von Maschinen- und Anlagenteilen, Montage, Montageüberwachung, Inbetriebnahme und Schulung von Kundenpersonal. Dabei werden die einzelnen Tätigkeiten in unterschiedlichem Ausmaß im Ansässigkeitsstaat bzw. im Tätigkeitsstaat ausgeübt. Leistungen im Ansässigkeitsstaat werden als Offshore-, solche im Tätigkeitsstaat als Onshore-Leistungen bezeichnet. Mit Blick auf konkretere Einzelleistungen lässt sich das Leistungsspektrum auch wie folgt differenzieren: • Unterstützung bei der Projektfinanzierung, • Bereitstellung der chemisch-physikalisch basierten Prozesstechnologie, • Erstellung von Zeichnungen und Plänen zur Projektierung, Errichtung, Inbetriebnahme und zum Betrieb der maschinellen Anlage, • Aufbau und Koordination eines weltweiten Unterlieferantennetzes, • Herstellung oder Beschaffung von Maschinen- und Anlagenteilen, • Fertigungsüberwachung bei Unterlieferanten zur Sicherstellung von Mindeststandards bzw. -qualitäten, • Tief- und Hochbauleistungen sowie Montage von Maschinen und Anlagenteilen auf der Baustelle, • Überwachungs- und Inbetriebnahmeleistungen, • Schulung von Kundenpersonal im Ansässigkeitsstaat sowie ggf. an Referenzanlagen im Tätigkeits- oder einem Drittstaat, • technische Assistenz zur Optimierung einer maschinellen Anlage, • Softwareanpassungen an den neuesten technischen Stand sowie • Analyse von Modernisierungsmöglichkeiten an bestehenden Anlagen. Abschließend sei noch auf eine Abgrenzung zwischen Maschinen- und Großanlagenbau hingewiesen. Der VDMA definiert Großanlagenbau wie folgt2: Großanlagenbauer sind Unternehmen mit der Fähigkeit, auf Basis umfassender Kenntnis des verfahrenstechnischen Prozessablaufs ein- oder mehrmals jährlich 2

Vgl. VDMA Geschäftsbericht 2008, S. 4.

354

Meinhard Remberg

kundenspezifische Industrieanlagen im Wert von jeweils mindestens 25 Mio. Euro zu bauen. Großanlagenbau ist die gesamtverantwortliche Kombination und Integration verschiedener Lieferungen und Leistungen zu einem funktionsfähigen System zur Bewirkung eines Prozessablaufs, der verschiedene miteinander verbundene Prozessschritte umfasst. Zu den Lieferungen des Großanlagenbaus gehören im Wesentlichen Teilanlagen, Maschinen, Apparate, Komponenten, verbindende Elemente sowie Software. Die Leistungen bestehen im Wesentlichen aus Finanzierung, Konstruktion, Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Schulung, Dokumentation sowie Instandhaltung. Schließlich handelt es sich bei der Errichtung einer funktionsfähigen Anlage um einen kontinuierlichen Herstellungsprozess, der im Stammhaus des Anlagenbauers beginnt und sich mehr und mehr in Richtung Baustelle im Tätigkeitsstaat bewegt, um dort schließlich mit der Inbetriebnahme seinen Abschluss zu finden. Eine durchgängige Aufteilung der entsprechenden Einzelaktivitäten in Stammhaus- bzw. Betriebsstättenaktivitäten ist i. d. R. nicht möglich. Hierzu sind die Teilleistungen sachlich und zeitlich zu sehr ineinander verzahnt. 2.3

Vertragliche Besonderheiten

Im Folgenden soll auf drei auch in der steuerlichen Praxis häufig diskutierte Merkmale bzw. Besonderheiten eines Anlagenbauvertrages kurz eingegangen werden: • Kooperationsformen • Vertragstypen • Steuerklauseln Anlagenbauverträge sind gekennzeichnet durch das Zusammenwirken unterschiedlichster Unternehmen, um schlussendlich gemeinschaftlich eine funktionsfähige Anlage bereitzustellen. Diese Kooperation kann in verschiedenen Intensitätsgraden erfolgen. Sie reichen vom einfachen Generalunternehmer-Subunternehmerverhältnis bis hin zur Errichtung einer gemeinsamen Betreibergesellschaft durch die an der Anlagenerrichtung beteiligten Unternehmen3. In der Praxis kommt dem Generalunternehmer-Subunternehmerverhältnis sowie dem Konsortium die größte Bedeutung zu. Die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) ist eine vorwiegend in der Bauwirtschaft gebräuchliche Kooperationsform und wird hier nicht näher erläutert.

3

Vgl. Bendlinger, Stefan, Betriebsstättenbesteuerung, 2009, S. 20 ff.

Steuerliche Sonderprobleme des internationalen Maschinen- und Anlagenbaus

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Beim Generalunternehmer-Subunternehmerverhältnis schuldet ausschließlich der Generalunternehmer dem Auftraggeber die Errichtung einer funktionsfähigen Anlage. Er schließt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Liefer- und Leistungsverträge mit Subunternehmern ab, die ausschließlich ihm zur Erbringung von (Teil-) Leistungen verpflichtet sind. General- und Subunternehmer sind selbständige Steuersubjekte und werden jeweils nach den Regeln des innerstaatlichen, zwischenstaatlichen und ausländischen Steuerrechts besteuert. Demgegenüber handelt es sich bei einem Konsortium um eine Gelegenheitsgesellschaft, bei der sich mehrere Unternehmen temporär zusammenschließen, um eine funktionsfähige Anlage zu errichten. Für den Auftraggeber besteht der Vorteil des Konsortiums darin, dass er den Vertrag mit dem Konsortium statt mit mehreren Einzelunternehmen abschließt. Die Mitglieder eines Konsortiums sind gemeinschaftlich zur Erbringung der geschuldeten Leistung verpflichtet. Sie haften dem Auftraggeber gegenüber gesamtschuldnerisch. Das Konsortium ist keine Mitunternehmerschaft. Es mangelt an einem wesentlichen Merkmal, nämlich der Beteiligung der einzelnen Konsorten an einem gemeinschaftlich erzielten Gewinn oder Verlust. Das Konsortium selbst erwirtschaftet keinen Ertrag, dieser entsteht originär bei den Konsortialpartnern. Insbesondere auch für die steuerliche Behandlung in einigen Schwellenländern ist zwischen zwei grundsätzlichen Vertragstypen zu unterscheiden. Der Auftraggeber kann entweder eine schlüsselfertige Anlage (Turn-Key) erwerben oder die einzelnen Komponenten einer funktionsfähigen Anlage selbst von verschiedenen Leistungserbringern (Komponentenkauf bzw. -vertrag) erwerben. Beim Komponentenkauf bzw. -vertrag trägt der Auftraggeber sämtliche zeitlichen und sachlichen Schnittstellenrisiken und somit auch das Risiko, dass die Anlage zum vereinbarten Zeitpunkt nicht die geplanten Leistungsparameter erfüllt. Daher wird von Kundenseite insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern i. d. R. eine schlüsselfertige Anlage gewünscht. Der Anlagenbauer hat hier die Funktionsfähigkeit der Anlage zu garantieren. Sämtliche Termin-, Schnittstellen- oder Schlechterfüllungsrisiken von Unterlieferanten gehen zu seinen Lasten. Für steuerliche Zwecke ist darauf hinzuweisen, dass vor allem Entwicklungsund Schwellenländer hin und wieder aus Turn-Key-Verträgen die Berechtigung ableiten, den gesamten Auftragswert und nicht nur die in ihrem Territorium ausgeübten Tätigkeiten besteuern zu können. Eine weitere Besonderheit in Anlagenverträgen stellen die sogenannten Steuerklauseln dar. Der Regelungsinhalt dieser Klauseln besteht darin, dass die im Tätigkeitsstaat für den Anlagenbauer anfallenden Steuern Kostencharakter haben und daher offen oder verdeckt auf den Kunden zu überwälzen sind. Die offene

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Meinhard Remberg

Überwälzung, derzufolge der Vertragspreis nicht erhöht wird, sondern stattdessen eine Überwälzungsklausel in den Vertrag aufgenommen wird, birgt viele Nachteile. So bleibt trotz der Überwälzungsklausel der Auftragnehmer Steuerpflichtiger im jeweiligen Tätigkeitsstaat und ist gegenüber den ausländischen Steuerbehörden verantwortlich. Der Kunde verlangt häufig ein Mitspracherecht bei der Erstellung der entsprechenden Steuererklärung, da er schließlich im Innenverhältnis zwischen Auftragnehmer und Kunde die Steuer zu zahlen hat. Dieses ohnehin schon kritische Mitspracherecht geht einher mit der Offenlegung von Kalkulationsunterlagen und anderen sensiblen Buchhaltungsunterlagen seitens des Auftragnehmers. Daher ist in jedem Fall die verdeckte Überwälzung vorzuziehen. Die erwartete Steuerlast im Tätigkeitsstaat wird in den Vertragspreis einkalkuliert. Der Auftragnehmer kann autonom ohne Einbeziehung des Kunden seinen Steuerpflichten nachkommen. Schlussendlich sind Steuerklauseln individuell an den jeweiligen Einzelfall anzupassen, Standardisierungen sind nur begrenzt möglich. 3

Bau- und Montagebetriebsstätten

3.1

Definition

§ 12 Satz Nr. 8 AO regelt, dass als Betriebsstätten insbesondere anzusehen sind Bauausführungen oder Montagen, wenn diese länger als 6 Monate dauern. Im internationalen Steuerrecht sind gemäß Artikel 5 Abs. 3 OECD-Musterabkommen (OECD-MA) Bauausführungen und Montagen nur dann eine Betriebsstätte, wenn ihre Dauer 12 Monate überschreitet. In der internationalen steuerlichen Praxis wird immer wieder die Frage aufgeworfen, in welchem Verhältnis Artikel 5 Abs. 1 OECD-MA, in dem der Generaltatbestand der Betriebsstätte (feste Geschäftseinrichtung) geregelt wird, zum Artikel 5 Abs. 3 OECD-MA steht. Bei Bauausführungen und Montagen hat Artikel 5 Abs. 3 generell Vorrang vor Artikel 5 Abs. 1 des OECD-MA4. Der Sondertatbestand des Artikels 5 Abs. 3 erweitert und ergänzt den Generaltatbestand des Artikels 5 Abs. 1. Für die Begründung einer Bau- und Montagebetriebsstätte ist lediglich die Tätigkeitsdauer relevant; einer festen Geschäftseinrichtung bedarf es nicht. Bendlinger bestätigt diese Auffassung nochmals aus einem anderen Blickwinkel, wenn er sagt: Selbst wenn zur Bau- oder Montageausführung eine feste Ge4

Vgl. Kommentar zu Artikel 5 OECD-MA, 2008, Tz. 16.

Steuerliche Sonderprobleme des internationalen Maschinen- und Anlagenbaus

357

schäftseinrichtung (z. B. Baucontainer) gehört, die mit der Bauausführung oder Montage zusammenhängt, ist letztere nur dann eine Betriebsstätte, wenn die Zwölfmonatsfrist überschritten wird5. Die Begriffe Bauausführungen bzw. Montage sind weit auszulegen. Als Bauausführungen gelten sämtliche Hoch- und Tiefbautätigkeiten, auch Baunebenleistungen sind gemeint6. Als Montage gilt das Zusammenfügen von Einzelheiten oder deren Ein- oder Umbau zu einer einheitlichen Sache (z. B. in Form einer technischen Anlage). 3.2

Planungs- und Überwachungsleistungen

Insbesondere aus Kostengründen fallen Montageleistungen immer weniger in das Leistungsspektrum, das der Anlagenbauer mit eigenem Personal erbringt. Auf Kundendruck ist das Montagepersonal häufig im Tätigkeitsstaat oder in Drittstaaten zu rekrutieren. Die Montageüberwachungstätigkeiten hingegen werden weiterhin vom Anlagenbauer ausgeführt. Für den Anlagenbauer stellt dies eine besondere Herausforderung dar, weil er in jedem Fall die fristgerechte Erstellung einer funktionsfähigen Anlage zu verantworten hat. Qualitäts- sowie sachliche und zeitliche Schnittstellenprobleme gehören hierbei zum Alltag. Da der Bau- und Montagebegriff weit auszulegen ist, finden sich in der Literatur Meinungen, die mit der Bau- und Montagetätigkeit zusammenhängende Planungs- und Überwachungstätigkeiten ohne weitere Differenzierung dem Bauund Montagebegriff zuordnen7. Auf die historische Entwicklung hinsichtlich dieser Fragestellung bzw. die Differenzierung zwischen verantwortlicher und beratender Montageüberwachung soll hier nicht näher eingegangen werden. Gemäß der am 28.01.2003 aktualisierten Fassung des OECD-MA sind im Quellenstaat erbrachte Überwachungsleistungen unter Artikel 5 Abs. 3 OECD-MA zu subsumieren8. 3.3

Abgrenzung Dauerbetriebsstätten / temporäre Betriebsstätten

Bei Bau- und Montagebetriebsstätten i. S. d. § 12 AO Satz 2 Nr. 8 AO und Artikel 5 Abs. 3 OECD-MA handelt es sich um sogenannte temporäre Betriebsstät5 6 7 8

Vgl. Bendlinger, Stefan, Betriebsstättenbesteuerung, 2009, S. 62. Vgl. Kommentar zu Artikel 5 Abs. 3 OECD-MA, 2008, Tz. 17. Vgl. Löwenstein / Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, Rz. 1233 ff. Vgl. Kommentar zu Artikel 5 Abs. 3 OECD-MA, 2008, Tz. 17.

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ten. In ihnen wird keine dauerhafte gewerbliche Tätigkeit ausgeübt. Die Aktivitäten auf der Baustelle sind von vornherein zeitlich limitiert. I. d. R. gibt es bereits im Anlagenbauvertrag eine erste Festlegung, wie lange die Baustellentätigkeit dauern wird. Konkrete Baustelleneinsatzpläne führen dann im Folgenden zu einer weiteren Detaillierung. Auch für Kalkulations- und Planungszwecke muss der Anlagenbauer möglichst genau wissen, welches Personal sich wie lange auf der Baustelle aufhalten wird. Inwieweit der Anlagenbauer eine Verfügungsmacht über Geschäftseinrichtungen vor Ort ausübt, ist Sachverhaltsfrage. Häufig besitzt der Anlagenbauer allenfalls eine vorübergehende Verfügungsmacht bzw. er verfügt über eine schwache Rechtsposition dergestalt, dass ihm die Nutzungsrechte an Baucontainern oder Gebäudeteilen des Kunden auf der Baustelle jederzeit entzogen werden können. Insofern unterscheiden sich Bau- und Montagebetriebsstätten wesentlich von den sogenannten Dauerbetriebsstätten i. S. d. § 12 Satz 1 AO und Artikel 5 Abs. 1 OECD-MA. Hier steht von vornherein fest, dass der Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit zeitlich unbegrenzt durch eine rechtliche unselbständige Einheit ausüben will. Er begründet eine feste Geschäftseinrichtung. Typische Beispiele sind Vertriebsniederlassungen oder auch Fertigungsstätten. Der Dauerbetriebsstätte wird m. E. sowohl national als auch international wesentlich mehr Beachtung geschenkt als der temporären Betriebsstätte. Dies bestätigt sich auch immer wieder in Diskussionen mit der in- und ausländischen Finanzverwaltung oder internationalen Organisationen wie der OECD. So wird insbesondere bei Modifikationen oder Weiterentwicklungen der Betriebsstättenbesteuerung häufig das Grundmodell der Dauerbetriebsstätte unterstellt und auf die grundlegend unterschiedlichen Sachverhaltsmerkmale z. B. der Bau- und Montagebetriebsstätten nicht hinreichend eingegangen. 4

Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte

4.1

Grundregel

Für die Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Bau- und Montagebetriebsstätte gelten die allgemeinen Grundsätze des Artikel 7 OECD-MA. Dabei definiert Artikel 7 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht des Quellenstaates dem Grunde nach und legt fest, dass Gewinne nur insoweit besteuert werden dürfen, als sie der Betriebsstätte zugerechnet werden können. Die Grundregel der Einkunftsabgrenzung findet sich dann in Artikel 7 Abs. 2 OECD-MA, wonach der Betriebsstätte derjenige Anteil am Gesamtergebnis zuzurechnen ist, den sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnli-

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che Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre. Das OECD-MA geht somit wie auch der Betriebsstättenerlass vom 24.12.19999 von der Selbständigkeitsfunktion der Betriebsstätte aus bzw. wendet die Grundsätze des Drittvergleichs an. Die Anwendbarkeit dieser Maßstäbe setzt eine Aufteilung der anlässlich der Errichtung einer funktionsfähigen Anlage erforderlichen vielfältigen Einzeltätigkeiten in inländische (Stammhaus) und ausländische (Betriebsstätten) Komponenten voraus. Da jedoch im Anlagenbau Stammhaus und Betriebsstätte nicht nur eine rechtliche, sondern vor allem auch eine tatsächliche Einheit bilden, werden hier besondere Anforderungen an die methodische Umsetzung der Grundregel des Artikels 7 Abs. 2 OECD-MA gestellt. 4.2

Methoden

Ausgangspunkt jeglicher Einkunftsabgrenzung ist die funktionale Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen zum Stammhaus und zur Betriebsstätte. Bezogen auf den internationalen Anlagenbau heißt dies, dass das Auftragsergebnis eines konkreten Anlagenprojektes mittels einer – wie auch immer gearteten Funktionsanalyse – auf Stammhaus und Montagebetriebsstätte aufzuteilen ist. Es gibt nur ein einheitliches Auftragsergebnis. An einer artifiziellen Aufteilung ist niemand außer den Steuerbehörden im In- und Ausland interessiert. Grundsätzlich sind zwei Methoden vorgesehen, um die in Artikel 7 Abs. 2 OECD-MA geregelte Aufteilungsgrundregel umzusetzen. Die direkte Methode wird dabei als Regelmethode angesehen. Im Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999 heißt es, dass Artikel 7 OECD-MA und das deutsche Steuerrecht der direkten Gewinnermittlung den Vorrang einräumen10. Die direkte Methode basiert auf einer Betriebsstättenbuchführung, in der idealtypisch die der Betriebsstätte funktional und kausal zuzuordnenden Erlöse und Aufwendungen gegenübergestellt werden. Bei Bau- und Montagebetriebsstätten stößt die direkte Methode regelmäßig an ihre Grenzen, da eine solche Zuordnung aufgrund der Komplexität der fiktiven Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte i. d. R. nicht möglich ist. Die indirekte Methode ist in Artikel 7 Abs. 4 OECD-MA explizit zugelassen. Auch im Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999 wird die indirekte Methode erläutert. Es heißt hier, dass bei der indirekten Methode der Gesamtgewinn des

9 10

Vgl. BStBl. 1999 I, S. 1076 ff. Vgl. BStBl. 1999 I, S. 1076 ff., Tz. 2.3.

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Unternehmens aufgrund eines sachgerechten Schlüssels zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen ist11. Da auch die indirekte Methode systematische Unzulänglichkeiten beinhaltet, haben sich in der Praxis Mischformen als zweckmäßig herausgestellt, von denen die wichtigste – nämlich die Kostenschlüsselmethode – im Folgenden dargestellt wird. 4.3

Kostenschlüsselmethode

Die in der Praxis des internationalen Anlagenbaus teilweise auch international explizit akzeptierte Kostenschlüsselmethode enthält Elemente der direkten und der indirekten Methode. Das wesentliche direkte Element besteht darin, dass das jeweilige Auftragsergebnis eines konkreten Anlagenprojektes als Aufteilungsobjekt zugrunde gelegt wird. Dieses wird aus dem internen und externen Rechnungswesen unter Eliminierung kalkulatorischer Komponenten abgeleitet. Maßgebliche Schlüsselgröße sind die Auftragskosten. Dieser Schlüsselung liegt die Annahme zugrunde, dass jeglicher Kostenanfall schlussendlich zu einem Erlös bzw. Gewinn führen soll. Die Kostenschlüsselmethode wird in der Praxis im Wesentlichen in drei Schritten umgesetzt. Im ersten Schritt werden sämtliche anlässlich der Leistungserbringung bzw. Auftragsdurchführung entstandenen Kosten so exakt wie möglich zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgeteilt. Dabei gibt es Kostenkomponenten, die sich relativ eindeutig zuordnen lassen (z. B. Herstellungskosten für Lieferkomponenten, Kosten für Baustellenpersonal) und solche, wo eine sachgerechte Aufteilung offensichtlich schwerer fällt (z. B. Vertriebs- und Verwaltungskosten). Bei den letztgenannten Kostenarten ist man schlussendlich auf sachgerechte Schätzungen bzw. Pauschalisierungen angewiesen. Im zweiten Schritt wird der in Schritt eins ermittelte, auf die Betriebsstätte entfallende Kostenblock den Gesamtkosten gegenübergestellt. Der so ermittelte Prozentsatz stellt den sogenannten Betriebsstättenschlüssel dar. Im letzten Schritt wird der der Betriebsstätte zuzurechnende Anteil des Auftragsergebnisses am Gesamtergebnis ermittelt, in dem der Betriebsstättenschlüssel auf das Auftragergebnis angewendet wird. Die Anwendung der Kostenschlüsselmethode setzt ein speziell auf diese Methode zugeschnittenes Kostenrechnungssystem voraus.

11

Vgl. BStBl. 1999 I, S. 1076 ff., Tz. 2.3.2.

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361

Der Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999 lässt m. E. Methoden wie die Kostenschlüsselmethode für den Anlagenbau ausdrücklich zu, wenn es in Tz. 4.3.6 heißt: Bei komplexen Leistungsbeziehungen kann eine Zuordnung des Auftragsergebnisses entsprechend den Tätigkeiten, Funktionen und der Risikoverteilung sachgerecht sein, wenn sich auch fremde Dritte die Risiken und Chancen aus dem Auftrag geteilt hätten. Unabhängig von der im Einzelnen gewählten Methode schreibt Artikel 7 Abs. 6 OECD-MA vor, dass eine einmal gewählte Methode beizubehalten ist und Änderungen nur vorgenommen werden sollen, wenn sich wesentliche Änderungen im zugrunde liegenden wirtschaftlichen Sachverhalt ergeben haben. Es sei noch darauf hingewiesen, dass die OECD in ihrem Betriebsstättenbericht12 bei der Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte von der uneingeschränkten Anwendbarkeit der Selbständigkeitsfiktion ausgeht. Hiernach ist bei der Ermittlung des Betriebsstättenergebnisses davon auszugehen, dass die Betriebsstätte ein selbständiges Unternehmen ist, das Geschäftsbeziehungen mit dem Stammhaus eingeht (functionally separate entity approach). Mischformen zwischen direkter und indirekter Methode wie die Kostenschlüsselmethode werden vor dem Hintergrund des Vorrangs der direkten vor der indirekten Methode hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit schon immer diskutiert. Diese Diskussion wird durch den OECD-Betriebsstättenbericht nicht einfacher. 5

Betriebsstättenbesteuerung im Tätigkeitsstaat

5.1

Grundsätze

Das Spiegelbild der ertragsteuerlichen Freistellung der Betriebsstättenergebnisse im Inland stellt die entsprechende Besteuerung im Tätigkeitsstaat dar. So hat der Anlagenbauer den steuerlichen Verpflichtungen im jeweiligen Tätigkeitsstaat nachzukommen, wenn er sich dort zur Erbringung seiner Leistungen je nach DBA länger als 6 oder 12 Monate aufhält. Neben der Erfüllung der ertragsteuerlichen Pflichten kommt i. d. R. auch der einkommenssteuerlichen Behandlung des Baustellenpersonals sowie der Beachtung umsatzsteuerlicher Vorschriften eine Bedeutung zu. Da für die Ermittlung des im Tätigkeitsstaat zu versteuernden und im Ansässigkeitsstaat zu entlastenden Betriebsstättenergebnisses die Gewinnermittlungsvorschriften des jeweils nationalen Steuerrechts relevant sind, müssen die im Aus12

OECD, Report on the Attribution of Permanent Establishments, 2008.

362

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land besteuerten und in Deutschland steuerfrei zu stellenden Einkünfte der Höhe nach grundsätzlich nicht übereinstimmen. Darüber hinaus führen insbesondere in manchen Entwicklungs- und Schwellenländern besondere Besteuerungspraktiken, die teilweise mit international anerkannten Grundsätzen nicht kompatibel sind, zu zusätzlichen Abweichungen. Zu nennen sind hier insbesondere Quellensteuereinbehalte, die an Zahlungsverpflichtungen des Auftraggebers anknüpfen und damit das Nettoprinzip – demzufolge eine Besteuerung des Einkommens nur nach Abzug aller angefallenen Betriebsausgaben erfolgen kann – verletzen sowie einfache Gewinnschätzungen. Quellensteuereinbehalte sind z. B. in einigen südamerikanischen Staaten anzutreffen; Gewinnschätzungen vorzugsweise in Staaten des nahen und mittleren Ostens sowie in Südostasien. Ein wesentliches Interesse des Anlagenbauers liegt somit manchmal trotz Vorliegen eines DBA in der Vermeidung der Doppelbesteuerung bzw. falls das nicht möglich ist, in der Herstellung von Transparenz hinsichtlich der im Tätigkeitsstaat anfallenden Ertragsteuern. Auch vor diesem Hintergrund ist es für den Anlagenbauer interessant, die im Inland praktizierte Kostenschlüsselmethode auch im Tätigkeitsstaat der Ermittlung des dann zu versteuernden Betriebsstättenergebnisses zugrunde zu legen. Insbesondere in Europa gibt es mittlerweile einige Staaten wie z. B. Österreich, Schweden oder die Niederlande, die diesem Ansatz grundsätzlich zu folgen bereit sind. 5.2

Beispiel China

Gemäß Artikel 5 Abs. 3a i. V. m. Artikel 7 DBA Deutschland / China unterliegen Gewinne aus deutschen Unternehmen in China der Ertragsteuer, wenn eine Bauausführung, Montage oder damit zusammenhängende Aufsichtstätigkeiten länger als 6 Monate dauern. Montageüberwachung ist somit explizit als betriebsstättenbegründende Tätigkeit genannt. Darüber hinaus ist jedoch festzuhalten, dass im DBA Deutschland / China bereits heute die sogenannte Dienstleistungsbetriebsstätte vorgesehen ist. Diesem Prinzip zufolge begründen sämtliche in China erbrachten Dienstleistungen eine Betriebsstätte, sofern sie eine Dauer von 6 Monaten überschreiten. Der Betriebsstättengewinn wird durch Anwendung der Deemed Profit Methode, d. h. Schätzung des Gewinns als prozentualer Anteil vom lokalen Umsatz basierend auf dem Vertragspreis ermittelt. Die Höhe der Gewinnrate wird von der lokalen Steuerbehörde festgelegt und liegt in der Regel zwischen 10 und 30%. Zwar ist es internationalem Recht folgend grundsätzlich möglich, das Ergebnis, das durch die Betriebsstätte erzielt wird, auch konkret nachzuweisen. Dies ist in

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363

China für Anlagenbauprojekte jedoch eher unüblich. Die Steuerbehörden sperren sich gegen diese Vorgehensweise. Da bei Anlagenprojekten der (lokal) erzielte Gewinn sehr selten bei 10% des Vertragspreises liegt, findet regelmäßig eine zu hohe Besteuerung statt, die auch nicht durch eine entsprechende Freistellung in Deutschland kompensiert wird. Insbesondere bei Projekten, in denen ein Verlust realisiert wurde – und dennoch eine chinesische Betriebsstättensteuer hinzunehmen ist – werden die Anlagenbauer wohl zunehmend versuchen, einer extensiven Besteuerung durch den Nachweis des konkreten Betriebsstättenergebnisses mittels einer anerkannten Methode zu entgehen. Allerdings ist der hiermit verbundene Aufwand nicht zu unterschätzen. Seit dem 01.01.2008 beträgt der Körperschaftsteuersatz 25%. Bei einer geschätzten Gewinnrate von 10% beträgt die effektive Steuerbelastung somit 2,5% des lokalen Umsatzes. Die Effizienz der chinesischen Steuererhebung bei Anlagenbauprojekten wird neben der einfachen Ermittlung der Körperschaftsteuer noch dadurch erhöht, dass eine Zahlung des Vertragspreises an den ausländischen Anlagenbauer nur nach Vorlage von Bescheinigungen der Steuerbehörden erfolgen kann, in denen diese bestätigen, dass der Anlagenbauer seinen steuerlichen Verpflichtungen in China nachgekommen ist (Tax Clearance Certificates). Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass sämtliche Dienstleistungen in China einer Business Tax in Höhe von 5% unterliegen und diese Steuerpflicht seit dem 01.01.2009 auch auf Leistungen ausgeweitet wurde, die außerhalb Chinas für einen in China ansässigen Kunden erbracht werden. Zu nennen sind hier insbesondere in Deutschland durchgeführte Schulungs- und Trainingsmaßnahmen für chinesisches Kundenpersonal. 6

Fazit

Das Leistungsspektrum des internationalen Maschinen- und Anlagenbaus führt zu komplexen, grenzüberschreitenden Sachverhalten. Mittels spezieller vertraglicher Regelungen werden Rechte und Pflichten aller Beteiligten festgelegt. Der durch eine Anlagenerrichtung notwendig werdende kontinuierliche Herstellungsprozess berührt Stammhaus und Betriebsstätte gleichermaßen. Eine eindeutige sachliche oder chronologische Aufteilung dieses Prozesses auf Stammhaus und Betriebsstätte ist nicht möglich. Die Errichtung einer industriellen Großanlage begründet i. d. R. eine Bau- und Montagebetriebsstätte.

364

Meinhard Remberg

Sowohl in der nationalen und internationalen Steuerfachliteratur als auch in Verwaltungsanweisungen wird überwiegend von einer Dauerbetriebsstätte i. S. d. Artikel 5 Abs. 1 OECD-MA ausgegangen. Den Besonderheiten der Bau- und Montagebetriebsstätten wird häufig zu wenig Beachtung geschenkt. Dies betrifft insbesondere das Thema der Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. So werden in der Praxis Mischformen zwischen direkter und indirekter Methode angewandt. Der nicht zuletzt von der OECD vorgegebene Trend geht jedoch in Richtung der direkten Methode bzw. strikten Anwendung des Fremdverhaltensgrundsatzes. Bei der Besteuerung der Bau- und Montagebetriebsstätte im Ausland stößt man auf die unterschiedlichsten Methoden. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung steht für einen internationalen Anlagenbauer stets im Vordergrund. Das Beispiel China zeigt, dass dies nicht ohne weiteres möglich ist.

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Literaturverzeichnis Bendlinger, Stefan: Betriebsstättenbesteuerung. Montagen und Anlagenerrichtung im Ausland, Frankfurt 2009. Bendlinger, Stefan / Walch, Andreas: Auslandsentsendungen in der Praxis des internationalen Steuer- und Sozialversicherungsrechts, Wien 2006. Bundesministerium der Finanzen: Bundessteuerblatt 1999 I, S. 1076 ff., Berlin 1999. Grotherr, Siegfried (Hrsg.): Handbuch der internationalen Steuerplanung, Herne / Berlin 2000. Löwenstein / Looks (Hrsg.): Betriebsstättenbesteuerung, München 2003. Mössner, Jörg Manfred u.a.: Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 2005. OECD, Kommentar zum OECD-Musterabkommen, Paris 2008. OECD, Report on the Attribution of Permanent Establishments, Paris 2008. Pfaar, Michael / Salzmann, Markus: Besteuerung ausländischer Unternehmen in China, München 2005. Schaumburg, Harald (Hrsg.): Internationale Joint Ventures. Management – Besteuerung – Vertragsgestaltung, Stuttgart 1999. VDMA, Geschäftsbericht 2008, Frankfurt 2008. Wassermeyer, Franz / Andersen, Ulf / Ditz, Xaver: Betriebsstätten Handbuch. Gewinnermittlung und Besteuerung in- und ausländischer Betriebsstätten, Köln 2006.

Die ertragsteuerliche Organschaft in M&A Transaktionen Kai M. Reusch

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................. 369 2 Ausgewählte Risikobereiche der Organschaft in der Tax Due Diligence.. 370 2.1 Relevanz der Organschaft in der Tax Due Diligence .................... 370 2.2

Typische Risikobereiche ................................................................ 370 2.2.1 Abführung des ganzen Gewinns ......................................... 370 2.2.2 Vorzeitige Beendigung des Ergebnisabführungsvertrags ... 371 2.2.3 Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter ........... 374 2.2.4 Abwicklungsgewinne ......................................................... 375

2.3

Neuerungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz.......... 377

3 Organschaft als Gestaltungsinstrument in der Akquisitionsstrukturierung 378 3.1 Debt push down durch Organschaft .............................................. 378 3.2

Organschaft und Zinsschranke ...................................................... 381

4 Fazit .......................................................................................................... 382 

Die ertragsteuerliche Organschaft in M&A Transaktionen

1

369

Einleitung

Das deutsche Ertragsteuerrecht kennt keine Konzernbesteuerung sondern stellt grundsätzlich auf die jeweilige rechtliche Einheit ab. Umso größer ist daher in der Praxis die Bedeutung des Instruments der Organschaft, mittels derer eine steuerliche Ergebnisverrechnung in deutschen Konzernstrukturen erreicht werden kann. Seit dem Jahr 20021 sind die Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft identisch. Eine ertragsteuerliche Organschaft liegt seither grundsätzlich vor, wenn ein inländisches Unternehmen oder die inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens mittelbar oder unmittelbar über die Mehrheit der Stimmrechte an einer inländischen Kapitalgesellschaft verfügt (finanzielle Eingliederung) und beide Gesellschaften einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV) gem. § 291 AktG für eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren abgeschlossen haben. Unter diesen Voraussetzungen wird das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger für steuerliche Zwecke zugerechnet und in dessen steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen2. Obwohl die Grundvoraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft vergleichsweise übersichtlich erscheinen, stellen sich in der Praxis zahlreiche Probleme, die durch die sehr zivilrechtlich-formal geprägte Rechtsprechung3 und die zunehmende Fokussierung der Betriebsprüfungen4 auf diesen Bereich weiter verschärft werden. Der vorliegende Beitrag beleuchtet einige ausgewählte Bereiche der ertragsteuerlichen Organschaft aus Sicht des M&A Praktikers, wobei zum einen auf typische Risikofelder in Tax Due Diligence Prüfungen eingegangen wird, zum anderen aber auch das Gestaltungspotenzial im Rahmen von Akquisitionsstrukturierungen dargestellt werden soll. Die Schnittmenge aus Steuerrecht und Betriebswirtschaftslehre, in der sich die ertragsteuerliche Organschaft aus dieser Perspektive befindet, war stets eines der besonderen Interessen- und Schaffensgebiete des Jubilars.

1 2

3 4

Vgl. UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, S. 3858. Vgl. §§ 14, 17 KStG; § 2 Abs. 2 GewStG. Während für die Organgesellschaft der doppelte Inlandsbezug (Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland) gilt genügt für den Organträger ein inländischer Ort der Geschäftsleitung. So z.B. auch Süß/Mayer, DStR 2009, S. 789. Vgl. auch Pyszka/Hahn, SR 2009, S. 147 f.

370

Kai M. Reusch

2

Ausgewählte Risikobereiche der Organschaft in der Tax Due Diligence

2.1

Relevanz der Organschaft in der Tax Due Diligence

Häufig stellt die Prüfung der organschaftlichen Strukturen der Zielunternehmen eines der intensivsten Prüfungsfelder der Tax Due Diligence dar. Dies liegt nicht zuletzt an dem hohen Risikopotenzial, welches mit einem Scheitern der Organschaft für vergangene Veranlagungszeiträume verbunden ist. Die steuerliche Mehrbelastung als Folge der Nichtanerkennung einer Organschaft kann schnell erhebliche Summen erreichen5, für die der Erwerber des Zielunternehmens den Veräußerer häufig nur unzureichend über die Steuerklausel des Anteilskaufvertrages haftbar machen kann bzw. für die die Bonität des Veräußerers möglicherweise nicht ausreicht. Andererseits kann eine wirksame Organschaft zwischen der Zielgesellschaft und dem Veräußerer die steuerlichen Risiken für den Erwerber reduzieren, weil ein im Rahmen späterer Betriebsprüfungen festgestelltes Mehreinkommen der Zielgesellschaft für Zeiträume vor dem Anteilserwerb, in denen noch eine wirksame Organschaft zum Veräußerer bestand, diesem für Besteuerungszwecke zugerechnet wird6. 2.2

Typische Risikobereiche

2.2.1

Abführung des ganzen Gewinns

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG ist die Organgesellschaft verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an den Organträger abzuführen. Besteht bei der Organgesellschaft jedoch ein Verlustvortrag aus vororganschaftlicher Zeit, muss dieser nach § 301 AktG zunächst ausgeglichen werden und nur der um die vororganschaftlichen Verluste geminderte Jahresüberschuss der Organgesellschaft darf an den Organträger abgeführt werden. Diese aktienrechtliche Vorschrift gilt über § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG auch für Organgesellschaften in der Rechtsform der GmbH. In der Praxis wird diese Begrenzung des Höchstbetrags der Gewinnabführung, insbesondere wenn es Jahre nach Begründung der Organschaft erstmalig zu einer

5

6

Die Nichtanerkennung der Organschaft führt zu einer stand-alone Besteuerung der Gesellschaften im Organkreis, so dass die Verrechnung von positiven und negativen Ergebnissen der jeweiligen Gesellschaften entfällt und gegebenenfalls lediglich Verlustvorträge aufgebaut werden, die in der Zukunft nicht oder nur eingeschränkt nutzbar sein können. Eine Rückbelastung der Steuerlast an die Zielgesellschaft über eventuell vorhandene steuerliche Umlageverträge wird regelmäßig kaufvertraglich ausgeschlossen. Jedoch bleibt die Haftungsnorm des § 73 AO zu beachten.

Die ertragsteuerliche Organschaft in M&A Transaktionen

371

Gewinnsituation und somit Gewinnabführung kommt, häufig übersehen7. Die Folgen eines solchen Versehens können jedoch gravierend sein, da die Finanzverwaltung eine sehr strenge Auslegung vertritt und bereits bei geringfügigen Abweichungen der vorgenommenen Gewinnabführung von den Maßgaben des § 301 AktG die Organschaft wegen Nichtdurchführung des EAV nicht anerkennt8. Besteht zudem die Organschaft noch nicht seit mindestens fünf Jahren, ist der EAV als von Anfang an steuerlich unwirksam anzusehen. Das hat zur Folge, dass auch für vorangegangene Veranlagungszeiträume kein steuerlich wirksames Organschaftsverhältnis vorliegt9. Daher kommt es in Tax Due Diligence Prüfungen immer wieder zur Feststellung steuerlicher Risiken in erheblicher Höhe, die durch einen vergleichsweise geringen Betrag an nicht erfolgter Verrechnung vororganschaftlicher Verluste ausgelöst werden. In der Literatur werden verschiedene Möglichkeiten zur nachträglichen Heilung einer zunächst unzutreffend vorgenommenen Gewinnabführung diskutiert10. So ist etwa die Auflösung vororganschaftlicher Kapitalrücklagen zur Verrechnung mit dem vororganschaftlichen Verlust denkbar, so dass zu Beginn der Organschaft kein Verlust mehr existiert11. Alternativ kommt die rückwirkende Korrektur der Gewinnabführung in Betracht, die aufgrund der notwendigen Änderung und gegebenenfalls Prüfung aller betroffenen Jahresabschlüsse häufig mit erheblichem praktischem Aufwand verbunden ist. Die in jüngerer Zeit geführte Diskussion, ob eine unterlassene Aktivierung des Körperschaftsteuerguthabens die Nichtdurchführung des EAV zur Folge hat, wurde von der Finanzverwaltung entschärft. Nach ihrer Auffassung wird nur, wenn der aus der Aktivierung des Körperschaftsteuerguthabens resultierende Ertrag nicht abgeführt wird, die Organschaft nicht anerkannt; die unterlassene Aktivierung als solches soll die Organschaft indes nicht gefährden12. 2.2.2

Vorzeitige Beendigung des Ergebnisabführungsvertrags

Die Problematik der Beendigung eines EAV vor Ablauf der fünfjährigen Mindestlaufzeit stellt sich besonders gravierend im Fall der erstmaligen Aufnahme 7

8 9 10

11

12

Dies gilt insbesondere, wenn es sich bei den Verlustvorträgen lediglich um immaterielle Beträge, z.B. Gründungsaufwendungen, handelt. Vgl. z.B. Witt, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG, Tz. 181. Vgl. R 60 Abs. 8 Nr. 1 KStR. Vgl. Rohrer/von Goldacker/Huber, DB 2009, S. 360 ff. für eine Übersicht der in der Literatur diskutierten Heilungsmöglichkeiten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Rücklagenauflösung im letzten Jahr vor Begründung der Organschaft erfolgt und nicht erst im Erstjahr der Organschaft, da dies den aktienrechtlichen Anforderungen nicht gerecht werden dürfte. Vgl. OFD Hannover v. 5.11.2008, S 2861 – 3 – StO 241. Kritisch hierzu Dötsch, Der Konzern 2009, S. 171 f.

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von Minderheitsgesellschaftern. Sofern die Beteiligung als „echtes“ Joint Venture ausgestaltet werden soll, möchten die Parteien aus betriebswirtschaftlichen Gründen regelmäßig die Organschaft zum Altgesellschafter beenden, auch wenn die nach wie vor gegebene finanzielle Eingliederung grundsätzlich eine Fortführung der Organschaft erlauben würde. Liegt bei der Zielgesellschaft eine derartige Konstellation vor, ist in der Tax Due Diligence ein besonderes Augenmerk auf die Beendigung der Organschaft zu richten. Mangels Ablaufs der fünfjährigen Mindestlaufzeit des EAV bedarf es nämlich eines wichtigen Grundes für die vorzeitige Beendigung des EAV13 um die Organschaft nicht rückwirkend zu gefährden. Bei dem Begriff des „wichtigen Grundes“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Finanzverwaltung hat in R 60 Abs. 6 KStR eine beispielhafte Aufzählung von Vorgängen aufgenommen, die aus Verwaltungssicht als „wichtiger Grund“ anzusehen sind. So gelten nach Auffassung der Finanzverwaltung die Veräußerung oder Einbringung der Organgesellschaft durch den Organträger, die Verschmelzung, Spaltung oder Liquidation des Organträgers oder der Organgesellschaft als wichtige Gründe, die eine vorzeitige Beendigung des EAV rechtfertigen. Aufgrund der lediglich beispielhaften Aufzählung, die den Beitritt eines außenstehenden Gesellschafters bzw. die Teilveräußerung der Organgesellschaft nicht ausdrücklich enthält, stellt sich im Fall des Beitritts von Minderheitsgesellschaftern die Frage, ob ein wichtiger Grund für die vorzeitige Beendigung des EAV zwischen dem Altgesellschafter und der Organgesellschaft gegeben ist. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes sind m.E. beim erstmaligen Eintritt eines Minderheitsgesellschafters in die Organgesellschaft erfüllt: -

Nach § 307 AktG endet zum Schutz außenstehender Aktionäre ein EAV automatisch spätestens zum nächsten Geschäftsjahresende, wenn bei Beschlussfassung über den EAV kein außenstehender Aktionär an der Organgesellschaft beteiligt war und ein solcher sich nunmehr erstmalig an der Organgesellschaft beteiligt. Der Eintritt eines außenstehenden Gesellschafters führt m.E. auch im GmbH-Konzern zwingend zur Beendigung des EAV, wenn erstmals ein außenstehender Gesellschafter in die Organgesellschaft eintritt. Die Regelung des § 307 AktG gilt entsprechend, da der Regelungszweck der Vorschrift im GmbH-Konzern in gleicher Weise relevant ist14.

13

§ 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG. So auch Walter, in: Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 14 KStG, Tz. 725 ff., nach dessen Auffassung „einiges für“ die analoge Geltung von § 307 AktG im Fall einer GmbH als Organgesellschaft spricht, der jedoch auch auf abweichende Literaturstimmen verweist, z.B. Witt, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG, Tz. 224.

14

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Eine entsprechende Anwendung von § 307 AktG begründet somit bereits aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Vorschrift die Notwendigkeit zur Beendigung des EAV, die damit auch für steuerliche Zwecke auf einem wichtigen Grund basiert. -

Der Eintritt eines neuen, nicht dem gleichen Konzern angehörigen Gesellschafters in eine Organgesellschaft wirft die Frage von Ausgleichszahlungen und Abfindungszusagen gem. § 304 AktG auf15. Diese Regelungen sind für den Organträger so gravierend, dass für ihn ein wichtiger Grund besteht, den EAV zu kündigen, um den daraus resultierenden Verpflichtungen zu entgehen.

-

Würde kein wichtiger Grund für die Beendigung des EAV angenommen, wären zumindest in den ersten fünf Jahren nach Abschluss des EAV wirtschaftlich sinnvolle Unternehmenszusammenschlüsse, die keinerlei steuerlichen, sondern einen originär wirtschaftlichen Hintergrund haben, im Ergebnis steuerlich sanktioniert und mithin meist verhindert. Ein derart überschießendes Ergebnis wäre nicht verhältnismäßig. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG gerade eingeführt, um solche wirtschaftlich nicht gewollten Konsequenzen zu verhindern.

So wird auch in der Literatur angesichts der unzureichenden gesetzlichen Regelung und der nicht erschöpfenden Verwaltungsanweisung eine teleologisch extendierte Anwendung von § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG für alle Fälle der Beendigung des EAV bzw. der Organschaft gefordert, in denen die wirtschaftliche Grundlage für die Zurechnung des Organeinkommens beim Organträger entfallen ist16. Für die Qualifikation des Beitritts von Minderheitsgesellschaftern als wichtiger Grund spricht auch, dass die Teilveräußerung der Beteiligung an der Organge15 16

Hierzu näher in 2.2.3. unten. So sieht Walter, in: Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 14 KStG, Tz. 783 ausdrücklich einen wichtigen Grund für die vorzeitige Beendigung der Organschaft, wenn der EAV beendet oder aufgrund eines vertraglichen Kündigungsrechts gekündigt wird, um neue Minderheitsgesellschafter über eine Kapitalerhöhung oder durch Anteilsverkauf zu beteiligen. Denn in beiden Fällen würde eine Vertragsänderung bzw. ein Neuabschluss des EAV notwendig um entsprechende Ausgleichsregelungen nach § 304 AktG in den EAV aufzunehmen. Auch Dötsch, in: Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003, S. 114 und Witt, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG, Tz. 228 vertreten die Ansicht, dass auch bei fortbestehender Beteiligung des Organträgers ein wichtiger Grund für die vorzeitige Beendigung des EAV anzunehmen sei, wenn sich die wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse so grundlegend ändern, dass die Fortführung des EAV nicht mehr zweckmäßig erscheint. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 14, Tz. 360 hält ebenfalls eine vorzeitige Vertragsbeendigung immer dann für unschädlich, wenn sie bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung als sachgerecht erscheint.

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sellschaft als wichtiger Grund für die Beendigung des EAV angesehen wird17. Soweit in diesem Fall aber als zusätzliche Voraussetzung für die Qualifikation der Teilveräußerung als wichtiger Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG der Wegfall der finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger verlangt wird, ist dem m.E. nicht zu folgen. Dass der Wegfall der finanziellen Eingliederung keine notwendige (Zusatz-)Voraussetzung ist, um in einer Teilveräußerung bzw. der Aufnahme eines neuen Gesellschafters einen wichtigen Grund für die Beendigung des EAV anzunehmen, ergibt sich bereits aus der Systematik der einschlägigen Verwaltungsanweisung18. Darin fordert die Finanzverwaltung eben gerade nicht den Wegfall der finanziellen Eingliederung, um einen wichtigen Grund für die Aufhebung des EAV zu akzeptieren. Vielmehr ist, selbst im Fall der Einbringung einer Organgesellschaft in eine neue Tochtergesellschaft, von einem wichtigen Grund auszugehen, obwohl die finanzielle Eingliederung zum Einbringenden (Organträger) nicht zwingend wegfällt, da eine mittelbare finanzielle Eingliederung zum Einbringenden (Organträger) weiter gegeben sein kann. Der Wegfall der finanziellen Eingliederung stellt nach der Logik von R 60 Abs. 6 KStR bereits für sich genommen einen wichtigen Grund dar und kann daher nicht eine Zusatzvoraussetzung im Rahmen einer Teilveräußerung bzw. der Aufnahme eines neuen Gesellschafters mittels Kapitalerhöhung sein. Folglich ist m.E. die erstmalige Aufnahme eines Minderheitsgesellschafters in die Organgesellschaft als wichtiger Grund für die vorzeitige Beendigung des EAV anzusehen. Die vorstehende Diskussion, und nicht zuletzt auch die Erfahrung mit den Finanzbehörden zeigt jedoch, dass noch erhebliche Rechtsunsicherheit besteht und eine gründliche Aufarbeitung sowohl in Due Diligence Prüfungen als auch in Akquisitionsstrukturierungen erforderlich ist. 2.2.3

Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter

Der Beitritt von Minderheitsgesellschaftern wirft zudem die Frage nach der Bemessung der Ausgleichszahlung gem. § 304 AktG auf19. In der Praxis besteht häufig das Bedürfnis, neben einer fixen Ausgleichszahlung eine variable Komponente in Abhängigkeit vom Ergebnis der Organgesellschaft zu vereinbaren. Die Grenzen der steuerlichen Anerkennung derartiger Ausgleichszahlungen sind

17

18 19

Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 14, Tz. 360; Witt, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG, Tz. 224; Dötsch, in: Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003, S. 113 f.; Walter, in: Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 14 KStG, Tz. 781. R 60 Abs. 6 KStR. Ein Verzicht auf Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter führt zur zivilrechtlichen Nichtigkeit und damit zur steuerlichen Unbeachtlichkeit des EAV, vgl. Fuhrmann, KÖSDI 2008, S. 15992. Siehe aber auch BFH v. 04.03.2009, Az. I R 1/08.

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umstritten20. Die Finanzverwaltung ist grundsätzlich der Auffassung, dass eine Kombination von festem und variablem Ausgleich unbedenklich ist21. Dem trat der BFH jüngst entgegen und entschied, dass die Vereinbarung einer Ausgleichszahlung, die sich aus einem festen und einem variablen Teil zusammensetzt und in der Summe einen Zufluss beim außenstehenden Gesellschafter bewirkt, wie er auch ohne EAV erfolgt wäre, zur steuerlichen Nichtanerkennung des Organschaftsverhältnisses führt. Nach Ansicht des BFH liegt jedenfalls dann keine Abführung des ganzen Gewinns an den Organträger vor, wenn dem außenstehenden Gesellschafter infolge der Ausgleichszahlung der Gewinn der Organgesellschaft in dem Verhältnis zufließt, in dem er ohne Organschaft und EAV zu verteilen gewesen wäre22. Somit beinhaltet die Gestaltung der Ausgleichszahlung an außenstehende Minderheitsgesellschafter ein erhebliches Risikopotenzial, da bei unzutreffend bemessenen Ausgleichszahlungen der EAV als nicht durchgeführt gilt und damit die Organschaft scheitert23. Dieses Risiko stellt sich künftig zumindest in bestimmten Konzernkonstellationen nicht mehr, da der BFH24 die herrschende Meinung25 bestätigt hat, dass es sich bei einem mittelbaren Alleingesellschafter des Organträgers, der eine Minderheitsbeteiligung an der Organgesellschaft hält, nicht um einen außenstehenden Minderheitsgesellschafter handelt. Die Vereinbarung einer Ausgleichszahlung ist daher in solchen Konstellationen nicht erforderlich und birgt damit auch nicht das genannte Risikopotential für die Organschaft. 2.2.4

Abwicklungsgewinne

Die Gewinnabführung an den Organträger umfasst keine Abwicklungsgewinne. Sofern die Organgesellschaft aufgelöst wird oder ihre gewerbliche Tätigkeit nicht nur vorübergehend einstellt und ihr Vermögen veräußert, ist der entstandene Gewinn von der Organgesellschaft selbst zu versteuern. Nach Auffassung der Finanzverwaltung umfasst dies auch Übertragungsgewinne der Organgesellschaft bei Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung zu Zwischen- oder Teilwerten26.

20 21 22 23 24 25 26

Vgl. z.B. Fuhrmann, KÖSDI 2008, S. 15993 m.w.N. Vgl. BMF-Schreiben v. 13.09.1991, DB 1991, S. 2110. Vgl. BFH v. 04.03.2009, Az. I R 1/08. Vgl. z.B. Walter, in: Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 16 KStG, Tz. 12. Vgl. BFH v. 04.03.2009, Az. I R 1/08. Vgl. statt vieler Witt, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 16 KStG, Tz. 2. Vgl. H 61 KStH; Tz. Org. 19 des BMF-Schreibens v. 25.03.1998, in: BStBl. I 1998, S. 268. Siehe auch Bahns/Graw, DB 2008, S. 1645 mit kritischen Anmerkungen zur Reichweite der Ausnahmen von der Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme.

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Diese weite Definition der nicht von der Gewinnabführung erfassten Abwicklungsgewinne führt zu erheblichen praktischen Abgrenzungsproblemen hinsichtlich der Frage, wann eine nicht nur vorübergehende Einstellung der gewerblichen Tätigkeit einschließlich Vermögensveräußerung vorliegt. Zudem entstehen beträchtliche Gestaltungshemmnisse, die in Tax Due Diligence Prüfungen einer genauen Risikoanalyse unterzogen werden müssen. Dies gilt umso mehr als die Thematik durch die Einführung des neuen § 8c KStG zusätzlich an Bedeutung gewonnen hat. Die weitreichende „Verlustvernichtung“27 durch § 8c KStG wird teilweise durch step-up Transaktionen zu verhindern gesucht. Kern dieser Gestaltungen ist die Nutzung des vorhandenen steuerlichen Verlustvortrags – gegebenenfalls unter Inkaufnahme einer verbleibenden Steuerbelastung aufgrund der Regelungen zur Mindestbesteuerung – noch vor dem „schädlichen“ Anteilserwerb durch die Aufdeckung stiller Reserven und damit die Schaffung zusätzlichen Abschreibungsvolumens für künftige Perioden. Soll die Aufdeckung stiller Reserven jedoch auf Ebene der Organgesellschaft durch eine Verschmelzung oder Spaltung zu Zwischen- oder Teilwerten erfolgen, scheitert die beabsichtigte Verlustnutzung auf Ebene des Organträgers. Da der Übertragungsgewinn nicht der Gewinnabführung unterliegt, kommt es nicht zur Verrechnung des Übertragungsgewinns mit den steuerlichen Verlustvorträgen auf Ebene des Organträgers28. Diese gehen durch den „schädlichen“ Anteilserwerb nach § 8c KStG unter. Der Übertragungsgewinn ist jedoch auf Ebene der Organgesellschaft als eigenes Einkommen zu versteuern, was zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung aufgrund des gescheiterten Versuchs zur „Rettung“ der von § 8c KStG bedrohten Verluste führt. Soll die Aufdeckung stiller Reserven zudem unter Nutzung der umwandlungssteuerlichen Rückwirkung nach § 2 UmwStG erfolgen, greift die neu geschaffene Missbrauchsverhinderungsvorschrift des § 2 Abs. 4 UmwStG ein, wonach die Nutzung von Verlusten, die ohne die steuerliche Rückwirkung nicht möglich gewesen wäre, ausgeschlossen ist29. Aufgrund des weitreichenden Ausschlusses der Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme für steuerliche Zwecke in Fällen der Auflösung, Abwicklung und Umwandlung sowie der Tatsache, dass in diesen Fällen häufig die zivilrechtliche Gewinnabführungs- bzw. Verlustübernahmeverpflichtung bestehen bleibt, können signifikante steuerliche Risiken entstehen. Diese liegen, wie oben beschrieben, in der Versteuerung des Abwicklungsgewinns auf Ebene der Organgesellschaft, der ggf. beim Organträger mit Verlusten hätte verrechnet werden können, 27 28 29

Breuniger/Schade, Ubg 2008, S. 261 ff. Vgl. auch Pyszka/Hahn, SR 2009, S. 147 f. Kritisch hierzu Bahns/Graw, DB 2008, S. 1650 f. Zu Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 2 Abs. 4 UmwStG vgl. z.B. Rödder/Schönfeld, DStR 2009, S. 560 ff.

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sowie eventuell in verdeckten Gewinnausschüttungen aufgrund der zivilrechtlich fortbestehenden Gewinnabführungsverpflichtung. Zur Minderung dieser Risiken werden daher teilweise sehr komplexe Strukturierungsmaßnahmen ergriffen, die zu artifiziellen und operativ ungewünschten gesellschaftsrechtlichen Strukturen führen können. 2.3

Neuerungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz

Bislang führten im Wesentlichen vororganschaftliche Verluste zu Begrenzungen des Höchstbetrags der Gewinnabführung und stellten insoweit einen Risikofaktor für die tatsächliche Durchführung des EAV dar30. Mit Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG)31 wird dieser Bereich künftig jedoch an Bedeutung gewinnen, da neue Abführungssperren zu beachten sind. Das BilMoG ermöglicht die wahlweise Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände und aktiver latenter Steuern32. Aktive latente Steuern werden beim Organträger aktiviert und sind daher für den abzuführenden Gewinn der Organgesellschaft nicht relevant. Entscheidet sich die Organgesellschaft jedoch für die Aktivierung selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände, so unterliegt der korrespondierende Ertrag der Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB. Diese Ausschüttungssperre hat auch Eingang in § 301 AktG i.d.F. des BilMoG gefunden und begrenzt somit den Höchstbetrag der Gewinnabführung33. Sollte also fälschlicherweise ein aus der Aktivierung von selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen resultierender Ertrag an den Organträger abgeführt werden, würde dies der steuerlichen Anerkennung der Organschaft entgegenstehen. Die Finanzverwaltung hat sich bislang nicht zu der Frage geäußert, ob bestehende EAV an die Änderung des § 301 AktG angepasst werden müssen, um weiterhin steuerlich anerkannt zu werden. Es spricht jedoch einiges dafür, dass eine solche Änderung nicht erforderlich ist. Denn § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG verlangt lediglich, dass die Gewinnabführung den in § 301 AktG definierten Betrag nicht überschreitet und nicht, dass eine Gewinnabführung entsprechend § 301 AktG auch tatsächlich vereinbart sein muss. Entscheidend sollte vielmehr sein, dass die Grenzen des § 301 AktG bei der Bemessung der Gewinnabführung beachtet werden34. Es steht zu erwarten, dass die neue Abführungssperre des § 268 Abs. 8 HGB ähnlich wie die vororganschaftlichen Verluste in der Praxis eine Fehlerquelle bei 30 31 32 33 34

Vgl. oben 2.2.1. BGBl. I 2009, S. 1102. §§ 266 Abs. 2, 274 HGB i.d.F. des BilMoG. Vgl. Baldamus, Ubg 2009, S. 489; Kieker/Vollmar, DStR 2009, S. 842. So auch Kieker/Vollmar, DStR 2009, S. 842.

378

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der Gewinnabführung darstellen wird. Daher wird in künftigen Tax Due Diligence Prüfungen auf dieses Gebiet ein besonderes Augenmerk zu richten sein. 3

Organschaft als Gestaltungsinstrument in der Akquisitionsstrukturierung

3.1

Debt push down durch Organschaft

Die ertragsteuerliche Organschaft ist das zentrale Gestaltungselement bei der Implementierung eines debt push down im Rahmen der Akquisitionsstrukturierung. Das Grundkonzept besteht darin, den Erwerb einer Zielgesellschaft (inländische Kapitalgesellschaft) über ein neu gegründetes inländisches Akquisitionsvehikel (NewCo) durchzuführen. Diese NewCo wird vom Erwerber mit Eigenund Fremdkapital ausgestattet und kauft die Anteile an der Zielgesellschaft. Anschließend begründen die NewCo und die Zielgesellschaft eine Organschaft mit dem Ergebnis, dass die Gewinne der Zielgesellschaft mit den Zinsaufwendungen der NewCo verrechnet werden können und dadurch die Steuerbelastung auf das Ergebnis der Zielgesellschaft signifikant gesenkt wird. Neben den in debt push down Strukturen relevanten Zinsabzugsrestriktionen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, ist die möglichst zeitnah auf den Erwerb folgende Begründung der Organschaft essentiell für die Erreichung des Reorganisationsziels. Dabei sind jedoch verschiedene Aspekte von Bedeutung. Zum einen werden Zielgesellschaften häufig aus bestehenden Organschaften heraus erworben, so dass sich zunächst die Problematik der unschädlichen Beendigung der Organschaft zum Veräußerer stellt35. Weiterhin finden Anteilserwerbe in aller Regel unterjährig statt, so dass nicht auf den regulären Abschlussstichtag der Zielgesellschaft Bezug genommen werden kann. Außerdem ist der zivilrechtliche Anteilsübergang, das sogenannte closing, regelmäßig von aufschiebenden Bedingungen abhängig (z.B. Zustimmung der Kartellbehörden) mit der Folge, dass der exakte Zeitpunkt des Eintritts aller closing conditions und damit der zivilrechtliche Anteilsübergang nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist. Die wirksame Beendigung einer Organschaft setzt entweder den Wegfall der finanziellen Eingliederung oder die Beendigung des EAV voraus. Bei Unternehmenskäufen entfällt aufgrund des Anteilseignerwechsels an der Organgesellschaft zum closing date die finanzielle Eingliederung36, so dass die Organschaft

35

36

Wie bereits oben in 2.1 dargestellt, besteht hier regelmäßig ein gemeinsames Interesse von Veräußerer und Erwerber. Auf Sonderfälle des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen zu einem vom zivilrechtlichen Anteilsübergang abweichenden Zeitpunkt soll hier nicht näher eingegangen

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für steuerliche Zwecke endet. Weil aber die zivilrechtlichen Folgen des EAV, d.h. die Verpflichtung zur Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme, aus wirtschaftlichen Gründen nicht über den Erwerbsstichtag hinaus wirken dürfen, ist zudem eine Beendigung des EAV spätestens zum closing date erforderlich. In der Praxis wird daher häufig eine Strukturierung gewählt, bei der die Zielgesellschaft ihr Wirtschaftsjahr ändert und ein Rumpfwirtschaftsjahr einlegt, idealerweise auf das closing date oder hilfsweise, wegen der mit dem Eintritt des closing verbundenen Unsicherheit, auf einen Stichtag kurz vor dem geplanten closing date. Auf diesen Stichtag wird der EAV zwischen der Zielgesellschaft und dem Veräußerer beendet, was unabhängig vom zeitgleichen oder zeitlich nachgelagerten Wegfall der finanziellen Eingliederung die Beendigung der Organschaft mit dem Veräußerer auf diesen Abschlussstichtag zur Folge hat. Da die Beendigung des EAV auf das Ende eines Rumpfwirtschaftsjahres erfolgt, wird die Organschaft zum Veräußerer nicht rückwirkend für vergangene Perioden gefährdet, weil die Organschaftsvoraussetzungen bis zum Ende des Rumpfwirtschaftsjahres vorlagen und der EAV in dem Rumpfwirtschaftsjahr auch noch tatsächlich durchgeführt wurde. Diese Form der Beendigung der Organschaft sollte auch vor Ablauf der fünfjährigen Mindestlaufzeit für die Wirksamkeit der Organschaft zum Veräußerer unschädlich sein, da die Anteilsveräußerung einen wichtigen Grund für die vorzeitige Beendigung darstellt37. Allerdings wird zuweilen kritisch diskutiert, ob – zumindest bei einem signifikanten Zeitabstand zwischen dem Ende des Rumpfwirtschaftsjahres der Organgesellschaft und dem closing date – noch ein wichtiger Grund für die vorzeitige Beendigung des EAV vorliegt38. Im idealtypischen Fall, bei dem die Zielgesellschaft ihr Wirtschaftsjahr auf das closing date – und damit den Zeitpunkt der Anteilsveräußerung – ändert (sog. „Mitternachtsgeschäft“) wird diese Problematik umgangen. Beim Mitternachtsgeschäft fallen die Beendigung des EAV und der Wegfall der finanziellen Eingliederung zeitlich zusammen. Dies ermöglicht eine nahtlose Anschlussorganschaft zur NewCo des Erwerbers, da beim Mitternachtsgeschäft die finanzielle Eingliederung bis zum Ende des Rumpfwirtschaftsjahres, 24 Uhr, zum Veräußerer und ab dem Folgetag, 0 Uhr, zum Erwerber angenommen wird39. Es ist lediglich die Beendigung des EAV zwischen der Zielgesellschaft und dem Veräußerer

37 38

39

werden. Vgl. zu den Besonderheiten des Übergangs wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen im Lichte jüngerer BFH-Rechtsprechung Mayer, DStR 2009, S. 674 ff. R 60 Abs. 6 Satz 2 KStR. So fordert Witt, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG, Tz. 222, dass Veräußerungszeitpunkt und Zeitpunkt der Beendigung des EAV möglichst zeitgenau zusammenfallen müssen, akzeptiert aber ein durch die Abwicklung des Veräußerungsvorgangs bedingtes zeitliches Auseinanderfallen. Vgl. R 59 Abs. 2 KStR.

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auf das Ende des Rumpfwirtschaftsjahres sowie der anschließende Abschluss und die Eintragung eines neuen EAV zwischen der NewCo und der Zielgesellschaft vor deren nächstem Abschlussstichtag nötig. Damit erlaubt das Mitternachtsgeschäft vom ersten Tag der Zugehörigkeit der Zielgesellschaft zur Erwerbergruppe eine steuerliche Konsolidierung und somit die Verrechnung von Finanzierungsaufwand des Akquisitionsvehikels und laufendem Ergebnis der Zielgesellschaft. Allerdings verursachen die bereits erwähnten Unsicherheiten bezüglich des Eintritts des closing in der Praxis einige Schwierigkeiten, ein Mitternachtsgeschäft kaufvertraglich abzubilden. Daher wird auch oft die Variante gewählt, das Rumpfwirtschaftsjahr der Zielgesellschaft auf einen Stichtag kurz vor dem voraussichtlichen closing date einzulegen und die Organschaft zum Veräußerer mittels Kündigung des EAV auf diesen Stichtag enden zu lassen. Der Vorteil dieser Variante liegt in der höheren Planungssicherheit, wird aber durch die genannten steuerlichen Unsicherheiten bezüglich des Vorliegens eines wichtigen Grundes, je nach zeitlichem Abstand zwischen dem Ende des Rumpfwirtschaftsjahres und dem closing date, erkauft. Ein weiterer Nachteil gegenüber dem Mitternachtsgeschäft liegt in dem zeitlichen Abstand zur Begründung der neuen Organschaft zur NewCo, da anders als beim Mitternachtsgeschäft mangels finanzieller Eingliederung vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Zielgesellschaft in die NewCo keine nahtlose Anschlussorganschaft möglich ist. Vielmehr kann erst mit Beginn des nächsten Wirtschaftsjahres der Zielgesellschaft eine Organschaft zur NewCo begründet werden. In der Zwischenzeit baut die NewCo durch die laufenden Finanzierungsaufwendungen und die Transaktionskosten lediglich steuerliche Verlustvorträge auf, während die Zielgesellschaft auf stand-aloneBasis der Besteuerung unterliegt. Die Verlustvorträge der NewCo sind in der späteren Organschaft zwar nutzbar, unterliegen aber den Restriktionen der Mindestbesteuerung. Die Steuerbelastung auf Ebene der Zielgesellschaft verbleibt indes definitiv. Die in beiden Varianten notwendige Zustimmung der Finanzverwaltung zur Änderung des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft sollte kein Problem darstellen, da das Rumpfwirtschaftsjahr der Beendigung der Organschaft dient und die Finanzverwaltung insoweit in ihrem Ermessen auf Null reduziert ist40. Die anschließende erneute Umstellung auf ein kalenderjahrgleiches Wirtschaftsjahr – und mithin die Reduktion der steuerlichen Ineffizienzen für den Fall dass kein Mitternachtsgeschäft durchgeführt wird – sollte ebenfalls möglich sein, da für

40

R 59 Abs. 3 KStR.

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die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr keine Zustimmung der Finanzverwaltung erforderlich ist41. Insbesondere bei leveraged buy outs wird der Unternehmenskauf mit einer hohen Fremdkapitalquote finanziert, so dass erhebliche Zinsaufwendungen anfallen. Es ist daher für den Erfolg der Transaktion von vitaler Bedeutung, den Zinsaufwand steuerlich nutzbar zu machen, um die Mittelabflüsse aufgrund der laufenden Steuerzahlungen der erworbenen Gesellschaft zu reduzieren. Dieses Ziel kann insbesondere durch die ertragsteuerliche Organschaft erreicht werden, da eine laufende steuerliche Konsolidierung mehrerer selbstständiger rechtlicher Einheiten ermöglicht wird. Die Organschaft bietet somit ein großes Gestaltungspotential bei Unternehmenserwerben, muss jedoch, wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, sauber implementiert werden um auch tatsächlich den gewünschten Effekt zu generieren und Aufgriffsrisiken in künftigen Betriebsprüfungen zu minimieren. 3.2

Organschaft und Zinsschranke

Mit der durch die Unternehmensteuerreform 200842 eingeführten Zinsschranke hat der Gesetzgeber ein neues Konzept zur Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsen implementiert. Danach darf der Nettozinsaufwand eines Betriebs, wenn dieser die Freigrenze von einer Million Euro43 überschreitet, nur bis zur Höhe von 30% des maßgeblichen Gewinns als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ein übersteigender Betrag ist als Zinsvortrag in das nächste Wirtschaftsjahr vorzutragen. Dabei ist von Bedeutung, dass die Zinsschranke im Organkreis keine Anwendung findet. Der Organkreis stellt insgesamt nur einen Betrieb dar, so dass die Anwendung der Zinsschranke für den gesamten Organkreis auf Ebene des Organträgers zu prüfen ist. Der Konzeption der Bruttomethode folgend werden dem Organträger alle Zinsaufwendungen und -erträge des Organkreises zugerechnet44. Diese Betriebsfiktion eröffnet strukturelles Gestaltungspotenzial. Denn nach der Ausnahmevorschrift des § 4h Abs. 2 Buchst. b EStG gilt die Zinsschranke nicht, wenn der Betrieb nicht zu einem Konzern gehört. Werden nun sämtliche Gesellschaften eines rein deutschen Konzerns zu einem einzigen Organkreis zusam41 42 43

44

§ 7 Abs. 4 Satz 3 KStG. Vgl. auch Meyer, GmbH-StB 2005, S. 238. UntStRefG 2008 v. 14.08.2007, in: BGBl. I 2007, S. 1912. Die Freigrenze wurde durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung v. 22.07.2009, in: BGBl. I 2009, S. 1959 für die Jahre 2008 und 2009 temporär auf 3 Millionen Euro erhöht. Die Pläne der neuen Bundesregierung für ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz sehen die dauerhafte Einführung der Freigrenze von 3 Millionen Euro ab 2010 vor. § 15 Nr. 3 KStG. Siehe auch Herzig/Liekenbrock, DB 2007, S. 2387.

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mengefasst, liegt nur noch ein Betrieb und kein Konzern im Sinne der Zinsschranke vor, so dass diese nicht zur Anwendung kommt. Dies gilt jedoch nur solange der Betrieb nicht in schädlicher Weise fremdfinanziert ist, d.h. die an wesentlich beteiligte Anteilseigner, diesen nahestehende Personen oder Dritte mit Rückgriff auf den wesentlich beteiligten Anteilseigner oder diesem nahestehende Personen gezahlten Fremdkapitalvergütungen nachweislich nicht mehr als 10% des Nettozinsaufwands des Betriebs ausmachen45. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Gesellschafter des Organträgers keine Konzernzugehörigkeit vermitteln (z.B. Streubesitz) 46. Auch wenn die vollständige Vermeidung der Zinsschranke durch die Bildung eines Organkreises die seltene Ausnahme sein dürfte, kann die sinnvolle Zusammenfassung von verschiedenen Konzerngesellschaften zu Organkreisen und damit einheitlichen Betrieben die konzernweite Zinsabzugsposition verbessern. Dabei ist jedoch stets eine Abwägung mit dem durch die Begründung einer Organschaft verbundenen Verlust von Freigrenzen vorzunehmen, da diese jedem Betrieb, ob einzelne Gesellschaft oder Organkreis, lediglich einmal zusteht47. 4

Fazit

Die ertragsteuerliche Organschaft stellt eines der zentralen Gestaltungsinstrumente des deutschen Unternehmensteuerrechts dar. Die Rechtsfolge der ertragsteuerlichen Konsolidierung bietet erhebliches Steuerminderungspotenzial durch die Verrechnung von steuerlichen Gewinnen und Verlusten rechtlich selbstständiger Gesellschaften. Insbesondere bei M&A-Transaktionen ist dies von elementarer Bedeutung, um Akquisitionen, die mit hohen Fremdkapitalanteilen finanziert sind, erfolgreich durchführen zu können. Damit ist naturgemäß auch ein hohes steuerliches Risiko mit dem Scheitern einer ertragsteuerlichen Organschaft verbunden. Denn auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Organschaft vergleichsweise einfach anmuten, stellen sich im Detail Zweifelsfragen in einer Häufung und Komplexität wie in wenigen anderen Gebieten des Unternehmensteuerrechts. Die extrem formalistische Betrachtungsweise, insbesondere bei den an den EAV anzulegenden Maßstäben48, sowie

45 46 47 48

§ 8a Abs. 2 KStG. Vgl. z.B. auch Herzig/Liekenbrock, DB 2007, S. 2388. Kritisch hierzu Köhler, DStR 2007, S. 598. Beispielhaft sei nur die mit der Einführung des § 302 Abs. 4 AktG ausgelöste Diskussion genannt, ob EAV, die keinen expliziten Hinweis auf § 302 Abs. 4 AktG enthalten, steuerlich noch anzuerkennen sind. Die Finanzverwaltung hat dieses Thema, wie bereits häufiger in der Vergangenheit, durch eine grandfathering-Regelung gelöst und somit einen Bestandsschutz für Altverträge geschaffen, vgl. BMF-Schreiben v. 16.12.2005, IV B 7 - S 2770 - 30/05.

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der zunehmende Fokus steuerlicher Betriebsprüfungen auf die Organschaftsvoraussetzungen erfordern eine hohes Maß an Präzision bei der Implementierung und laufenden Durchführung der Organschaft. Eine Trendwende ist momentan nicht in Sicht. Im Gegenteil weist die jüngere BFH-Rechtsprechung49 weiter in die Richtung einer sehr restriktiven Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Organschaft. Die Finanzverwaltung greift diese Vorlagen dankbar auf50. Für die nähere Zukunft ist somit zu erwarten, dass die M&A Praxis, sei es in der Tax Due Diligence oder der Akquisitionsstrukturierung, sich weiterhin sehr genau mit der ertragsteuerlichen Organschaft auseinandersetzen muss.

49

50

So z.B. das in 2.2.3. besprochene BFH Urteil v. 04.03.2009 zu Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags diskutiert die Finanzverwaltung die Anwendung des o.g. BFH-Urteils v. 04.03.2009. Dabei wird dem Vernehmen nach in Betracht gezogen, dass die in der Vergangenheit ergangenen BMF-Schreiben zur Bemessung der Ausgleichszahlungen an die Minderheitsgesellschafter der Organgesellschaft keinen Rechtsschutz gewähren sollen. Der Ergebnisabführungsvertrag soll vielmehr nur rechtssicher sein, wenn er mit der Finanzverwaltung im Rahmen einer verbindlichen Auskunft abgestimmt worden ist. Mithin würden im Vertrauen auf die veröffentlichten BMF-Schreiben in der Vergangenheit geschlossene EAV rückwirkend den Bestand zahlreicher ertragsteuerlicher Organschaften gefährden.

384

Kai M. Reusch

Literaturverzeichnis Bahns, Jochen/Graw, Christian: Organschaftliche Einkommenszurechnung bei Auflösung und Umwandlung einer Organgesellschaft, in: DB 2008, S. 1645 1651. Baldamus, Ernst-August: Durchführung von Gewinnabführungsverträgen – zu § 14 KStG und § 302 AktG nach MoMiG und BilMoG, in: Ubg 2009, S. 484 - 495. Breuninger, Gottfried/Schade, Dirk: Entwurf eines BMF-Schreibens zu § 8 c KStG -„Verlustvernichtung“ ohne Ende?, in: Ubg 2008, S. 261 - 268. Dötsch, Ewald: Kann eine unzutreffende handelsrechtliche Bilanzierung zur steuerlichen Nichtanerkennung der Organschaft führen?, in: Der Konzern 2009, S. 171 - 173. Dötsch, Ewald/Jost, Werner/Pung, Alexandra/Witt, Georg (Hrsg.): Die Körperschaftsteuer. Kommentar, Loseblatt, Stuttgart 2009. Ernst & Young (Hrsg.): Körperschaftsteuergesetz. Kommentar, Loseblatt, Bonn 2009. Frotscher, Gerrit/Maas, Ernst (Hrsg.): Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz. Kommentar, Loseblatt, Bonn 2009. Fuhrmann, Claas: Organschaft als steuerliches Gestaltungsinstrument, in: KÖSDI 2008, S. 15989 - 15999. Herzig, Norbert (Hrsg.): Organschaft, Stuttgart 2003. Herzig, Norbert/Liekenbrock, Bernhard: Zinsschranke im Organkreis, in: DB 2007, S. 2387 - 2395. Kieker, Andreas/Vollmar, Martina: Änderung des Höchstbetrags der Gewinnabführung durch das BilMoG – Auswirkungen auf die steuerliche Anerkennung von Organschaftsverhältnissen?, in: DStR 2009, S. 842 - 843. Köhler, Stefan: Erste Gedanken zur Zinsschranke nach der Unternehmensteuerreform, in: DStR 2007, S. 597 - 604. Mayer, Stefan: Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen – Kritische Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 9. 10. 2008 (IX R 73/06), in: DStR 2009, S. 674 - 677. Meyer, Sven: Unterjährige Beendigung einer ertragsteuerlichen Organschaft. Problemkonstellationen und mögliche Gestaltungsalternativen, in: GmbHStB 2005, S. 237 - 241. Pyszka, Tillmann/Hahn, Stefan: Steuerliche Organschaft: Die häufigsten Fehler der Praxis, in: SR 2009, S. 147 - 148.

Die ertragsteuerliche Organschaft in M&A Transaktionen

385

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Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen Internationale Wettbewerbspolitik vs. Systemgerechtigkeit

Wulff Schlüter

Inhaltsverzeichnis 1 Vorbemerkung........................................................................................... 389 2 Problemstellung, aktuelle Entwicklungen ................................................. 389 3 Gesetzliche Vorgaben in Deutschland zur Umsatzversteuerung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen .............................................. 391 4 Leitlinien der Rechtsprechung zur Interpretation der relevanten umsatzsteuerlichen Normen ...................................................................... 392 5 Gesetzesinitiativen .................................................................................... 395 5.1 Vorschläge der EU-Kommission ................................................... 395 5.2

Umsetzung des Mehrwertsteuerpaketes 2010 in Deutschland ...... 398

5.3

Deutsche Gesetzesinitiativen ......................................................... 398

6 Kritische Würdigung................................................................................. 399 6.1 Gesetzliche Grundwertungen des Umsatzsteuerrechts .................. 399 6.2

Zielkonflikte ................................................................................... 401

6.3

Diskussion von Lösungsansätzen .................................................. 403

7 Schlussbemerkung .................................................................................... 406 

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

1

389

Vorbemerkung

Mit Weitblick hat der hier Geehrte etwa zu Beginn der 90er Jahre die Auffassung geäußert, der ganze Bereich der „Allfinanz“ würde sich auch aus steuerlicher Sicht noch einmal außerordentlich entwickeln. Wer sich in der Folgezeit der stetig fortschreitenden „innovativen“ Entwicklungen auf den Kapitalmärkten mit der Thematik beschäftigte, durfte hinsichtlich der Systematiken bzw. Unsystematiken bis heute bereits einige Male grundlegend umlernen. In kaum einem anderen Bereich reagierte die Gesetzgebung bislang derart durchgreifend. Im Vordergrund des nachfolgenden Beitrages steht jedoch nicht der Kapitalanleger, sondern die Finanzdienstleistungsindustrie. Die Tatsache des engen internationalen Wettbewerbs zwingt mittlerweile zu besonderen Strategien zur Erzielung von Kostenvorteilen. Ein Detail dieser Strategien sind umsatzsteuerliche Fragen. Die Fragen haben angesichts der im EU-Raum tendenziell steigenden Umsatzsteuersätze noch einmal deutlich an Dynamik gewonnen. Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist es daher, einen kursorischen Überblick über die Entwicklungen der Rechtsprechung des EuGH und über die derzeitigen Gesetzesinitiativen aus deutscher und europäischer Sicht zu geben. 2

Problemstellung, aktuelle Entwicklungen

Zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit / Kostenminimierung wurden in der Finanzdienstleistungsbranche folgende generelle Strategien entwickelt. (1)

Outsourcing, d. h. die zunehmende Auslagerung von bisher selbst ausgeführten Funktionen, wie z. B. Back-office-Aufgaben, Verwahrungstätigkeiten, Managementaufgaben etc., nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Spezialisierung und Aufsplitterung der Kapitalmärkte. In der Folge kommt es zur horizontalen Ausgliederung von internen Dienstund Serviceleistungen in so genannte Exzellenzzentren. Solche Geschäftsmodelle lassen eine spürbar bessere Nutzung des Know-how und der Investitionen zu, führen zu qualitativ hochwertigeren Produkten / Leistungen.

(2)

Unternehmensübergreifendes Pooling, d. h. die Zusammenführung von Aktivitäten zum Zwecke der Kostenteilung, z. B. zur Entwicklung gemeinsamer EDV-Systeme, Rechenzentren etc.

(3)

Sub-contracting, d. h. die Inanspruchnahme bzw. Vergabe von Subunternehmerleistungen, z. B. zur Einführung zusätzlicher Distributionsebenen für Finanzprodukte oder Versicherungen sowie

390

Wulff Schlüter

(4)

Off-shoring, d. h. die Verlagerung in Drittländer, z. B. von EDV- oder Back-office-Tätigkeiten.

Verbreitete Anwendungsfälle dieser Strategien in der Finanzwirtschaft sind z. B. der gemeinsame Betrieb von Rechenzentren zur EDV-technischen Bearbeitung von Transaktionen, die Abwicklung von Wertpapier-Transaktionen und die Verwaltung von Wertpapierdepots, die Abwicklung des Überweisungs- und Zahlungsverkehrs durch Dienstleister (z. B Belegeinlesedienste), Leistungen im Zusammenhang mit der Vergabe standardisierter Kredite (sog. „Kreditfabriken“) oder aber verschiedene Einzelfunktionen bei der Verwaltung von Sondervermögen i.S.d. Investmentgesetzes (sog. Master-KAG´s) 1. Die Strategien beinhalten im Kern sämtlich die Auslagerung von betrieblichen Teilaktivitäten auf Dritte bzw. die Entgegennahme von Leistungen Dritter, die auf der Ebene des Finanzdienstleisters in Bank- oder Versicherungsumsätze eingehen. Hauptursache der hier behandelten Problemstellung ist die seit der 6. EG-Richtlinie v. 17.5.19772 den Mitgliedstaaten der EU vorgegebene Steuerbefreiung für Umsätze im Bereich der Finanzwirtschaft3. Die Steuerfreiheit der Leistungen im Bereich der Finanzdienstleistungen bedeutet im Umkehrschluss, dass diese keine Vorsteuern aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit den von ihnen ausgeführten steuerfreien Ausgangsleistungen geltend machen können. Die Umsatzsteuerbelastung wird definitiv und erhöht in der Leistungskette die auf nachgelagerte Stufen zu überwälzenden Kosten. Im Endergebnis bedeuten nicht abziehbare Vorsteuern entsprechende Minderungen der Renditen aus Finanzprodukten auf Anlegerebene4. Hierbei sind Großbanken von der nachstehend geschilderten Thematik seltener erfasst, da diese innerhalb ihres jeweiligen Firmenverbundes die Auslagerung von Teilleistungen in eigenständige Einheiten häufig im Rahmen von umsatzsteuerlichen Organschaften darstellen können, der Auslagerungsprozess daher aus umsatzsteuerlicher Sicht neutral ist. Anders dagegen z. B. die Situation bei kleineren Einheiten oder im Rahmen von Verbundorganisationen, z. B. der Sparkassen oder Volksbanken. Neben Unterschieden im Zivilrecht ergeben sich zwischen den europäischen Staaten auch Verzerrungen infolge unterschiedlicher Auslegung der umsatzsteuerlichen Befreiungsvorschriften sowie der Urteile des EuGH und auch infolge unterschiedlicher praktischer Handhabung der EU-Vorgaben. Die Geschäftsmodelle der Finanzdienstleister nutzen dies aus. Resultat ist eine erhebliche internationale Leistungsvernetzung. Praktische Fragestellungen ergeben sich im Zusammenhang 1 2 3 4

Vgl. hierzu z. B. Hahne, UR 2005, S. 353. Richtlinie 77/388/EWG vom 17.05.1977, ABl. EG 1977 Nr. L 145 S. 1. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte durch das UStG 1980. Nach begründeten Schätzungen ergeben sich in einigen Mitgliedstaaten der EU Kostenerhöhungen von Finanzdienstleistungen infolge nicht überwälzbarer Umsatzsteuer um bis zu 4%.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

391

mit der inhaltlichen Reichweite der Steuerbefreiungsvorschriften, der Reichweite des Abzugsverbotes für Vorsteuern aus Eingangsleistungen bei Leistungen zwischen Unternehmen sowie die Ermittlung von Aufteilungsfaktoren abzugsfähiger und nicht abzugsfähiger Vorsteuern. Die innereuropäische Uneinigkeit über die Interpretation von Befreiungsnormen trifft im außereuropäischen Kontext auf erhebliches Unverständnis. Viele EUFinanzinstitutionen unter Einschluss der Kreditinstitute sind zudem weniger profitabel als die entsprechenden Einrichtungen in anderen hoch entwickelten Wirtschaftsregionen wie etwa den USA. Die europäischen Finanzinstitutionen leiden stärker unter nicht erstattungsfähigen Umsatzsteuerbeträgen, die ihre Kosten erhöhen. 3

Gesetzliche Vorgaben in Deutschland zur Umsatzversteuerung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. § 4 Nr. 8 UStG bestimmt, dass von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen spezifische Finanzumsätze und die Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei sind. Hiervon sind nur die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren ausgenommen. Ergänzend kommen im Bereich der Versicherungswirtschaft die Steuerbefreiungen gem. § 4 Nr. 10 lit. a) (Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses) und lit. b) (Verschaffung von Versicherungsschutz) sowie Nr. 11 (Umsätze von Versicherungsvertretern und -maklern) UStG hinzu. Hauptzweck der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 10 UStG ist es, eine Doppelbelastung des Versicherten mit Versicherungssteuer und Umsatzsteuer zu vermeiden5. Anders als in vielen anderen europäischen Staaten besteht in Deutschland für die Umsätze gem. § 4 Nr. 8 lit. a) bis g) UStG bei Leistungen an andere Unternehmer eine Optionsmöglichkeit gem. § 9 Abs. 1 UStG, d. h. eine freiwillige Umsatzversteuerung ist zulässig. Dies gilt nicht für die Umsätze gem. § 4 Nr. 8 lit. h) und j) UStG (Verwaltung von Sondervermögen/Umsätze mit Wertzeichen). Der umsatzsteuerliche Leistungsort richtet sich für nahezu alle in § 4 Nr. 8 UStG genannten Umsätze nach dem Sitzort des Leistungsempfängers, § 3a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UStG6. Im Übrigen richtet sich der Leistungsort im Bereich der

5

6

Aufgrund der sich hierdurch ergebenden Kumulation von Umsatzsteuern in der Unternehmerkette wird bereits sein geraumer Zeit über eine Einbeziehung der Versicherungsumsätze in die Umsatzversteuerung nachgedacht. Ausnahme: Umsätze mit Wertzeichen, § 4 Nr. 8 lit. j) UStG.

392

Wulff Schlüter

Finanzdienstleistungen nach dem Sitzort des Leistenden, § 3a Abs. 1 UStG. In Anbetracht der in Teilen divergierenden umsatzsteuerlichen Handhabungen in den einzelnen Ländern (insbes. Drittstaaten) ist die Bestimmung des Leistungsortes häufig gleichbedeutend mit der Entscheidung über die Umsatzversteuerung selbst. Nicht als Vorsteuer abzugsfähig ist u. a. die Umsatzsteuer aus Vorleistungen, die verwendet werden für steuerfreie Leistungen gem. § 4 Nr. 8 UStG oder aber zur Ausführung von Ausgangsleistungen im EU-Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden, vgl. § 15 Abs. 2 UStG. Die Vorsteuer bleibt abzugsfähig, sofern die Leistungen sich auf bestimmte Leistungs-Exporte in Drittländer beziehen, § 15 Abs. 3 Nr. 1 lit. b) UStG. Sofern Vorsteuern nicht direkt Ausgangsleistungen zuzuordnen sind, ist im Zweifel eine Aufteilung der Vorsteuern nach wirtschaftlicher Verursachung vorzunehmen. Aufgrund der bei Banken infolge von vielfältigen Dienstleistungen kaum aussagefähigen Kostenträgerrechnung erfolgt die Vorsteueraufteilung regelmäßig nach festgelegten Schlüssel- bzw. Schätzgrößen. 4

Leitlinien der Rechtsprechung zur Interpretation der relevanten umsatzsteuerlichen Normen

Die Entwicklungslinien der Interpretation umsatzsteuerliche Normen verlaufen – aufgrund des völkerrechtlichen Vorranges sowie der autonomen Auslegung der EU-Normen – vorrangig entlang der Rechtsprechung des EuGH, naturgemäß aber auch des BFH und der ihm gleichrangigen Gerichte in den anderen Mitgliedstaaten. Wegbereitend für den vorliegenden Themenkomplex des Outsourcing ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 5. Juni 1997 zur Umsatzsteuerbefreiung von Dienstleistungen eines Rechenzentrums (SDCEntscheidung)7. Der EuGH bezog hierbei erstmals den Normzweck der Befreiungsvorschrift ein und legte damit einen von reinen zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen losgelösten, an Prozessen orientierten wirtschaftlichen Beurteilungsmaßstab an. Das Gericht entwickelte eine Faustformel dergestalt, dass eine Erstreckung der Steuerbefreiung auf die Eingangsleistung dann in Betracht kommt, wenn die Eingangsleistung (hier eines Rechenzentrums) für die Ausgangsleistung des Finanzdienstleisters wesentlich und spezifisch ist und keinen

7

Vgl. EuGH v. 5.6.1997, C-2/95, Sparekassernes Datacenter (SDC), DStRE 1997, S. 688. Vgl. hierzu erstmalig zum Thema Outsourcing Schlüter/Höhfeld, DStR 2000, S. 1587. Gleichwohl gab es in eine ähnliche Richtung tendierende Vorentscheidungen des EuGH seit Beginn der 90er Jahre.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

393

lediglich technischen Charakter besitzt8. Diese Leitlinien wurden in anschließenden Entscheidungen des EuGH wiederholt und mit Blick auf spezifische Befreiungsnormen auch präzisiert. Es lassen sich insgesamt folgende Grundwertungen festhalten: -

Die Steuerbefreiungsvorschriften sind unabhängig von der Person des Leistenden anwendbar9,

-

Die zivilrechtlichen bzw. vertraglichen Rechtsbeziehungen sind unbeachtlich; es zählen vielmehr allein die funktionalen Aspekte und der wirtschaftliche Gehalt der betreffenden Leistung,

-

Eine steuerbefreite Finanzdienstleistung kann sich aus verschiedenen Teilleistungen zusammen setzen. Es ist danach nicht erforderlich, dass der gesamte Leistungserstellungsprozess aus einer Hand erbracht wird, so lange bei jeder Teilleistung die charakteristischen Elemente der eigentlich steuerbefreiten Leistung enthalten sind10.

Die Problematik der Anwendung der Entscheidungen des EuGH für den deutschen Rechtsanwender liegt hierbei in der vom deutschen UStG abweichenden Wahl von Begrifflichkeiten im Rahmen der Urteile. Jede Einführung neuer Begrifflichkeiten in die relevanten Normen der 6. EG-Richtlinie, nun der MwStSystRL11, oder deren Auslegung beinhaltet die Problematik, die in den autonomen Begriffen des Gemeinschaftsrechtes liegt12. Die Auslegung der Begrifflichkeiten erfolgt – auch in der Rechtsprechung der nationalen Gerichte – ausschließlich aus dem isolierten Tenor und Regelungszweck der EU-Normen heraus13. Hierdurch soll eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung der Steuerbefreiungen vermieden werden. Jede Interpretation von Begrifflichkeiten anhand der Besonderheiten des jeweiligen nationalen Zivilrechtes laufen daher leer. In der Folge sind die in den Steuerbefreiungsvorschriften enthaltenen Begriffe funktional zu umschreiben, um den Kerninhalt der Regelung zu erfassen: So hat der EuGH in der Folge des „SDC-Urteils“ einige – wenn auch nicht alle – Begrifflichkeiten wie z. B. „Überweisung“14, „Wertpapierumsatz“15, „Vermittlung“ 8 9

10

11 12 13

14 15

Vgl. Hamacher/Grundt, DStR 2007, S. 283 m.w.N. Vgl. u. a. EuGH v. 10.09.2002, UR 2002, S. 513; EuGH v. 26.06.2003, MKG, UR 2003, S. 399. Vgl. EuGH v. 3.3.2005, Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, S. 201; EuGH v. 21.6.2007, - C-453/05 (Volker Ludwig ./. FA Luckenwalde), DStR 2007, S. 1160. Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG vom 28.11.2006, ABl. EU Nr. L 347 S. 1. Vgl. z. B. EuGH v. 4.5.2006, C-169/04 (Abbey National), IStR 2006, S. 381. Vgl. z. B. zur Problematik der Interpretation des Vermittlungsbegriffes im Bereich der Steuerbefreiungsvorgaben Philipowski, in: Rau/ Dürrwächter, § 4 Nr. 8 UStG, Rz. 90 m.w.N. Vgl. EuGH v. 5.6.1997, Rs. C-2/95 (SDC), UR 1998, S. 64. Vgl. EuGH v. 13.12.2001, Rs. C-235/00 (CSC), UR 2002, S. 84.

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und „Untervermittlung“ 16 „Verwaltung eines Sondervermögens“17 und „Versicherungsumsatz“18 genauer spezifiziert. Hierbei stehen nicht die einzelnen spezifischen Tätigkeiten, sondern der durch diese Tätigkeiten angestrebte Leistungserfolg im Vordergrund. Summarisch sind aus der Sicht des EuGH damit folgende Kriterien für die Anwendbarkeit einer Steuerbefreiung auf eine Finanzdienstleistung maßgebend: (1) Notwendigkeit der Leistung für die Erstellung, (2) die zu beurteilende Leistung muss für die steuerbefreite Leistung „spezifisch“ und (qualitativ/funktional) „wesentlich“ sein und (3) es darf sich bei der Leistung nicht um lediglich technische Aspekte handeln19. Die Kriterien der Spezifität und Wesentlichkeit werden hierbei z. T. mit der Verantwortlichkeit des Leistungserbringers für bzw. der Verbindung zum Leistungserfolg umschrieben20. Der EuGH selbst verlangt z. B. für die Steuerbefreiung für Zahlungs- und Überweisungsleistungen sowie für Umsätze mit Wertpapieren, dass der Leistende Änderungen der rechtlichen und finanziellen Verhältnisse bewirken müsse21. Parallel hierzu existiert mit der Entscheidung des EuGH v. 25.2.1999 (CPP) eine für steuerbefreite Umsätze sehr bedeutende Rechtsprechung zum Verhältnis von Haupt- und Nebenleistungen (Einheitlichkeit der Leistung) 22. Als Nebenleistung gilt hierbei eine Leistung, die für den Leistungsempfänger keine eigene Zwecksetzung enthält, sondern letztlich nur Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Auch hier stellt der EuGH – im übrigen aus der Betrachtungsperspektive des Durchschnittsverbrauchers – darauf ab, ob nach dem Wesen des zu beurteilenden Umsatzes mehrere Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung vorliegen23. Der Tatsache, ob ein separates oder aber ein einheitliches Entgelt gezahlt wird kommt damit eine lediglich indizielle Bedeutung zu. Auch die Tatsache, dass mehrere Leistungen in Form eines einheitlichen Vertragsbündels zusammengefasst und auf ein wirtschaftlich einheitliches Ziel ausgerichtet sind, reicht für die Qualifikation als umsatzsteuerliche Einheit allein nicht aus. Die Einzelleistungen

16

17 18

19 20 21 22 23

Vgl. ebenda.; EuGH v. 21.6.2007, - C-453/05 (Volker Ludwig ./. FA Luckenwalde), DStR 2007, S. 1160. Vgl. EuGH v. 4.5.2006, C-169/04 (Abbey National), IStR 2006, S. 381. Vgl. EuGH v. 25.2.1999, Rs. C-349/96 (CSC), UR 1999, S. 254; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C240/99 (Skandia), UR 2001, S. 157. Vgl. Hahne, UR 2005, S. 353. Vgl. ähnlich Menner/Herrmann, UR 2002, S.112. Vgl. BFH v. 11.10.2007, V R 22/04, DStR 2008, S. 250 ff. (mit Anmerkung Wäger). Vgl. EuGH v. 25. 2. 1999 - C-349/96 (Card Protection Plan Ltd (CCP), DStRE 1999, S. 271. Vgl. EuGH v. 22. 10. 1998, C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin, Slg. 1998, I-0000, Rn. 24.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

395

müssen in einem solchen Fall nach Aussage des BFH24 bei "natürlicher Betrachtung" deutlich hinter dem Ganzen zurücktreten. Die Zusammenstellung der entscheidenden Passagen der EuGH-Rechtsprechung zur Thematik macht deutlich, in welch großem Maße die Anwendung der durch den EuGH ausgearbeiteten Grundsätze Wertungen des Rechtsanwenders erfordern. Hierdurch ist eine im engeren Sinne wettbewerbsneutrale und rechtssichere Anwendung der richterlichen Vorgaben über alle Mitgliedstaaten hinweg nahezu ausgeschlossen25. Dies ist bereits aus der Rechtsanwendungspraxis der deutschen Finanzverwaltung heraus ersichtlich. 5

Gesetzesinitiativen

5.1

Vorschläge der EU-Kommission

Aus der Vielzahl der Rechtsfälle vor dem EuGH betreffend Bank- und Versicherungsleistungen sowie der erheblichen Klagen aus der Branche selbst ist ersichtlich, dass die für Umsatzsteuer-Zwecke festgelegten Definitionen der Steuerbefreiungen und Regelungen für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen als fortentwicklungsbedürftig gelten. Seit dem UStG 1980 sowie der Binnenmarktrichtlinie26 im Jahre 1991 sind die umsatzsteuerlichen Normen nicht in bedeutendem Umfang geändert worden. Auch die MwStSystRL vom 28.11.2006 hat die bestehenden Richtlinien inhaltlich nur zusammengefasst27. Die wettbewerbsverzerrenden Wirkungen der Umsatzsteuer im Bereich der Finanzdienstleistungen sind seit langer Zeit bekannt und haben zu intensiven Untersuchungen seitens der EU-Kommission geführt. Hierbei wurden erhebliche Umsetzungs- und Rechtsanwendungsdivergenzen zwischen den EU-Staaten festgestellt28. So gibt es aus europäischer Perspektive keine klare Abgrenzung zwischen steuerbefreiten und zu versteuernden Dienstleistungen im Bereich der Bank- und Finanzdienstleistungen und kein gemeinschaftsweit akzeptiertes Verfahren zur Festlegung der erstattungsfähigen Vorsteuer, zumal die bisherige MwStSystRL den Mitgliedstaaten einen erheblichen Spielraum bei den Methoden zur Berechnung der Rückerstattung lässt.

24

25 26 27 28

Vgl. BFH v. 20.9.1992, V R 99/88, BStBl. II 1993, S. 316; Husmann, in: Rau/Dürrwächter, § 1 UStG, Rz. 134.3. Vgl. Behrens, AG 2008, S. 447. Richtlinie 91/680/EWG vom 16.12.1991, ABl. EG 1991, Nr. L 376. Vgl. BMF v. 11.1.2007, IV A 2 – S 7056 – 6/07, DStR 2007, S. 488. Vgl. Behrens, AG 2008, S. 446 ff.

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Nach intensiven Erörterungen, Alternativenabschätzungen29 und Vorveröffentlichungen von Machbarkeitsstudien veröffentlichte die EU-Kommission am 28.11.2007 einen Richtlinienvorschlag zur Modernisierung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zur Besteuerung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Der vorliegende Richtlinienvorschlag sieht Änderungen in Art. 135 Abs. 1 lit. a) bis g) (Auflistung der Steuerbefreiungen), Art. 135a (Begriffsdefinitionen), Art. 137a (Optionsregelung) und Art. 137b (Einbeziehung der Leistungen von Zusammenschlüssen) der MwStSystRL vor. Der Richtlinienvorschlag geht mit einem Vorschlag für eine spezifische MwSt-Verordnung einher, welche konkretisierende und verbindliche Bestimmungen zur Umsetzung und Anwendung der Regelungen im Bereich von Finanz- und Versicherungsumsätzen enthält. Nach Art. 249 EGV wirkt die Verordnung als unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedstaaten, während die Richtlinie wie üblich noch der gesetzlichen Transformation in den einzelnen Mitgliedstaaten bedarf. Der Richtlinienvorschlag verfolgte hierbei im wesentlichen die Zielsetzung, die Rechtssicherheit für Wirtschaftsbeteiligte und Steuerbehörden in diesem Bereich u. a. durch Vereinheitlichung von Begrifflichkeiten zu erhöhen sowie den Verwaltungsaufwand für die richtige Anwendung der Vorschriften über die Mehrwertsteuerbefreiung sowie auch die materiellen Auswirkungen der Kumulation von Mehrwertsteuern bei Umsätzen zwischen Unternehmern in diesem Tätigkeitsbereich zu senken. Im Kern kommt es zur Umsetzung der Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH im Rahmen des neuen Richtlinientextes30. Die vorgenannten Zielsetzungen sollen hierbei auf folgende Weise erreicht werden: -

Einführung einer Optionsregelung: Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den Versicherungs- und Finanzdienstleistern über ein gesetzliches Wahlrecht anzubieten, die Dienstleistung als mehrwertsteuerpflichtig anzubieten und auf diese Weise nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuern zu vermeiden; aus deutscher Sicht wäre die Optionsmöglichkeit bei Versicherungsumsätzen neu.

-

Einführung von Steuerbefreiungsvorschriften für Leistungen von Zusammenschlüssen auf Cost-sharing-Basis. Diese Zusammenschlüsse können nach den Vorstellungen der Kommission auch grenzüberschreitend sein. Insbesondere durch die Steuerentlastung bei Kostenteilungsmodellen kann die Marktfragmentierung erheblich verringert werden, weil die verschiedenen Bereiche der Branche dadurch die Möglichkeit

29

30

So wurde z. B. auch die Alternative der Vollbesteuerung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen geprüft, die zwar zur Wettbewerbsneutralität geführt aber auch eine Verteuerung der Angebote für nichtunternehmerische Anleger bedeutet hätte. Vgl. Behrens, AG 2008, S. 447.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

397

erhalten, sich zur Kostensenkung zusammenzutun und bei strategischen Geschäftsentscheidungen Neutralität erreicht wird. -

Modernisierung der Definitionen der steuerbefreiten Finanz- und Versicherungsdienstleistungen unter Einbeziehung eines Kataloges sog. verbundener Dienstleistungen als Orientierungshilfe31.

Tendenziell bleibt die Kommission mit ihrem Vorschlag in den Grenzen der bestehenden Freistellungen. Das hat zur Folge, dass jede bisher freigestellte Leistung auch weiterhin freigestellt bleibt und jede Leistung, die derzeit steuerbar ist, auch steuerbar bleibt. Als wesentlich gilt die Änderung, dass die Vermittlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen künftig umsatzsteuerlich gleich gestellt werden sollen. Im Rahmen des Entwurfes der Verordnung werden diejenigen Finanz-, Versicherungs-, (Fonds-)Verwaltungs- und Vermittlungstätigkeiten aufgeführt, die für Umsatzsteuerbefreiungen infrage bzw. nicht infrage kommen (Negativabgrenzung) sowie die Dienstleistungen, die gem. Art. 135 (1a) RL-E spezifische und wesentliche Eigenschaften einer steuerbefreiten Dienstleistung aufweisen und deshalb einen eigenständigen steuerbefreiten Dienstleistungsbestandteil darstellen. Wegen der Komplexität der Finanzdienstleistungen und Versicherungsmärkte und der ständigen Entwicklung neuer Produkte ist die Aufzählung nicht erschöpfend. In Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH werden offenbar ausschließlich technische Unterstützungsmaßnahmen von der Steuerbefreiung regelmäßig ausgespart, ebenso stark standardisierte Leistungen (z. B. Call-Center), Beratungsleistungen im Bereich regulatorischer Vorschriften, Steuern oder Rechnungswesen. Der ursprüngliche Umsetzungszeitpunkt der Richtlinie in den Mitgliedstaaten sollte eigentlich der 1.1.2010 bzw. der 1.1.2012 (Optionsregelung) sein. Aktuell gibt es auf EU-Ebene im Zuge der Beschlussfassung über den Vorschlag der EUKommission keine Fortschritte. Die Probleme aus Sicht einzelner Mitgliedstaaten bestehen darin, Wettbewerbsvorteile der jeweils heimischen Unternehmen ggf. preiszugeben oder aber Einbußen beim Steueraufkommen zu erleiden. Auch die Vertreter deutscher Banken sind skeptisch32.

31

32

Dies soll Probleme im Bereich des Outsourcing, des Poolings und der Vergabe von Unteraufträgen lösen. Vgl. Widmann, DStR 2009, S. 1066.

398

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5.2

Umsetzung des Mehrwertsteuerpaketes 2010 in Deutschland

Der deutsche Gesetzgeber hatte mit dem Jahressteuergesetz 2009 einige europäische Rechtsakte in deutsches Recht umzusetzen, die auf EU-Ebene unter dem Arbeitstitel „Mehrwertsteuerpaket“ beraten und am 12. Februar 2008 vom europäischen Rat verabschiedet worden waren33. Von besonderer Bedeutung für den Bereich der Dienstleistungen im Finanzsektor ist hierbei die Richtlinie 2008/8/EG34. Die für die hier relevante Thematik u. U. bedeutsamen Änderungen sind: -

Anders als nach bisherigem Recht (Sitzort des leistenden Unternehmers) gilt künftig bei Leistungen von Unternehmern an andere Unternehmer für deren Unternehmen als Ort der Dienstleistung grds. der Sitzort des Leistungsempfängers. Für Dienstleistungen an Nichtunternehmer bleibt der Leistungsort dort, wo der leistende Unternehmer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat.

-

Nach dem neu gefassten Art. 196 MwStSystRL i. d. F. ab 1.1.2010 schuldet der Unternehmer, für den eine Dienstleistung nach Art. 44 MwStSystRL i. d. F. ab 1.1.2010 erbracht wird, die Steuer, wenn die Dienstleistung von einem nicht in diesem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer erbracht wird (Reverse Charge). Es handelt sich hierbei um die Leistungen, bei denen der Leistungsort am Sitz des Leistungsempfängers liegt. Dies gilt insbesondere für die sog. Katalogdienstleistungen des § 3a Abs. 4 UStG sowie für alle Vermittlungsumsätze.

Über diese Rechtsänderungen werden aus deutscher Sicht Probleme infolge unterschiedlicher Auslegungen des EU-Rechts sowie der Rahmenbedingungen in Drittstaaten, z. B. die Schweiz und die USA, durch im Ausland ansässige Dienstleister tendenziell minimiert und eine Gleichbehandlung mit im Inland ansässigen Anbietern sichergestellt. Zweifellos wurden die wesentlichen Dienstleistungen im Bereich des Finanzsektors schon bereits bislang über die Katalogleistungen des § 3a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UStG am Sitzort des Leistungsempfängers besteuert. Änderungen in diesem Zusammenhang betreffen nur wenige Konstellationen. 5.3

Deutsche Gesetzesinitiativen

Neben der Umsetzung von EU-Vorgaben durch das Jahressteuergesetz 2009 ist aus der letzten Zeit eine Gesetzesinitiative aus dem Frühjahr 2009 hervorzuhe-

33 34

Vgl. Huschens, NWB, Fach 7, S. 7063 ff. Richtlinie 2008/8/EG v. 12.2.2008, Abl. EU 2008 Nr. L 44 S. 11, in Kraft getreten am 20.2.2008.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

399

ben35. Als einer unter mehreren Änderungsvorschlägen wurde der Vorschlag folgenden Wortlauts zur Einführung eines neuen § 4 Nr. 29 UStG im Umsatzsteuergesetz unterbreitet: „Sonstige Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder überwiegend steuerfreie Leistungen der in Nummer 8 und 10 bezeichneten Art erbringen, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese sonstigen Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausführung von steuerfreien Leistungen der in Nummer 8 oder 10 bezeichneten Art verwendet werden und die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gesamten Kosten fordert ( § 4 Nr. 29 UStG-E). Dieser Vorschlag gibt inhaltlich die Regelung des Art. 132 Abs. 1 lit. f) MwStSystRL wieder. Der Vorschlag hatte vorrangig die Steuerbefreiung der Leistungen sog. „Kreditfabriken“ zum Ziel, im Rahmen derer es zur zentralen Abwicklung von Krediten nach Kreditgewährung kommt. Die Formulierung des Entwurfes geht hierbei jedoch sehr viel weiter. Die Grundkonzeption dieser Regelung hat im deutschen UStG bereits im Rahmen des § 4 Nr. 14 lit. D) UStG betreffend Heilbehandlungen (Praxis- und Gerätegemeinschaften) ihren Niederschlag gefunden. Das Gesetzgebungsverfahren im Bereich der Finanzumsätze muss jedoch unter Hinweis auf das parlamentarische Diskontinuitätsprinzip in der folgenden Legislaturperiode neu begonnen werden. 6

Kritische Würdigung

6.1

Gesetzliche Grundwertungen des Umsatzsteuerrechts

Das deutsche Umsatzsteuergesetz aus dem Jahre 1967 baut auf einer AllphasenNettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug auf. Es beseitigte seinerzeit die negativen Auswirkungen früherer Formen, insbesondere der Allphasen-Bruttoumsatzsteuer, bei der es noch keinen Vorsteuerabzug für die leistenden Unternehmer gab und bei der es demzufolge zu einer Kumulation der Umsatzsteuerbelastungen auf den einzelnen Stufen der Wertschöpfung kam36. Die Umsatzsteuer ist eine allgemeine Verbrauchsteuer und knüpft nur aus erhebungstechnischen Gründen an Verkehrsakte an37. Als Belastungsgrund der Umsatzsteuer gilt die durch den Verbraucher / Leistungsempfänger eingesetzte Kaufkraft, welche erhebungstechnisch über das Steuerobjekt – Leistungen eines Unternehmers – erfasst wird. Der

35 36

37

„Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes“ (BT-Drs. 16/11340). Vgl. zur Verfassungswidrigkeit früherer Umsatzsteuersysteme BVerfG v. 20.12.1966, 1 BvR 320/57, NJW 1967, S. 147. Vgl. hierzu u. a. Kirchhof, DStR 2008, S. 1 ff.

400

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Verbraucher oder der als Verbraucher geltende Unternehmer trägt die Umsatzsteuer, da die leistenden Unternehmer diese, ggf. in Form nicht verrechenbarer Vorsteuern, letztlich über die Preise überwälzen. Die Umsatzsteuer ist damit nicht auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Steuerträgers ausgerichtet, sondern vermutet in der Art der erworbenen Leistung eine steuerliche Belastbarkeit und ist aufgrund dieser indirekten Erhebungsform daher eigentlich kaum für Subventionen und Ausnahmen zugänglich. Die Besteuerung einer in dieser Weise „vermuteten“ Leistungsfähigkeit sucht bewusst einen Ausgleich zwischen der Allgemeinverantwortung aller Staatsbürger für das Gemeinwohl und der unterschiedlichen finanziellen Fähigkeit zur Steuerzahlung. Auch aus diesem Grunde legt die Rechtsprechung des EuGH und auch des BFH Steuerbefreiungsvorschriften grundsätzlich eng aus. Die geschilderte Novellierung der umsatzsteuerlichen Regelungen für Finanzdienstleistungen weicht zum Teil zudem bewusst die in Art. 2 der MwStSystRL vorgesehene strenge Einzelbetrachtung von Umsätzen auf und schafft aus umsatzsteuerlicher Sicht in einem spezifischen Bereich (Bank- und Finanzumsätze) separat zu behandelnde Leistungskomplexe (Cost-Sharing-Zusammenschlüsse), die insgesamt steuerlich befreit sind. Dies geschieht trotz der zivilrechtlichen Separierung der Leistungserbringer voneinander sowie ungeachtet aller zivilrechtlichen Details. Es ist daher zu fragen, ob eine solche Loslösung von den Grundprinzipien bzw. eine solche Sonderbehandlung für den Bereich der Bank-, Finanzdienstleistungen und Versicherungsumsätze gerechtfertigt ist. Eine Weichenstellung in diesem Zusammenhang liegt sicherlich mit der Umsetzung der 6. EG-Richtlinie in deutsches Recht vor, indem gemäß der Grundwertungen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vor allem die Zielsetzung der Gewährleistung eines freien und ungehinderten Kapitalverkehrs zur Einführung entsprechender Steuerbefreiungsvorschriften führte. Die u. a. nunmehr vorgesehene Einführung einer Steuerbefreiung für Kostenteilungsvereinbarungen würde in Analogie zu der in Art. 132 Abs. 1 lit. f) MwStSystRL vorgesehenen Regelung geschehen. Die Regelung ist rechtssystematisch in der MwStSystRL in einem Bereich angesiedelt, in dem ausschließlich Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl („public interest“) dienende Tätigkeiten angesiedelt sind. Die Regelung hat hierbei die Zielsetzung, z. B. steuerinduzierte Kosten des über den Solidargedanken finanzierten Gesundheitssystems zu minimieren und damit aus volkswirtschaftlicher Sicht positive Akzente zu setzen. Die hier behandelten Finanz- und Versicherungsumsätze sind bereits nach der gesetzlichen Klassifikation nicht als dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten einzuordnen. Die Regelung würde in einen gänzlich neuen Anwendungsbereich transferiert, da die Steuerbefreiung für Finanzdienstleistungen sicher nicht aus sozialpolitischen Gründen entstanden ist.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

401

Als generelle Zielsetzung des Umsatzsteuersystems und als die durch den BFH sowie durch den EuGH stets in den Vordergrund gestellte übergeordnete Orientierungshilfe ist zudem das Grundprinzip der Neutralität der Umsatzsteuer zu erwähnen, hier verstanden als Verbot der Kumulation von Umsatzsteuer in der Unternehmerkette und als Gebot der Wettbewerbsneutralität. So verbietet es sich, dass gleichartige und deshalb im Wettbewerb miteinander stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Wettbewerbsbeeinträchtigungen ergeben sich in mehrerer Hinsicht. So führt die Versagung des Vorsteuerabzuges zu Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu (nicht mit Vorsteuern belasteten) Drittlandsunternehmen, die Finanzdienstleistungen an Leistungsempfänger in der Gemeinschaft erbringen38. Nur wenn ihrerseits inländische Unternehmen Leistungen gegenüber Drittstaaten erbringen, ist für hiesige Unternehmen ein Vorsteuerabzug möglich. Vor allem aber bevorzugt der Kumulationseffekt im Gemeinschaftsgebiet Großunternehmen, die mehrere Leistungsstufen innerhalb ihres Unternehmens bündeln, während das einstufige Unternehmen alle Vorbelastungen in der Erzeugerkette in seinem Preis überwälzen muss. 6.2

Zielkonflikte

Die Diskussion um die umsatzsteuerliche Freistellung von Finanzdienstleistungs- und Versicherungsumsätzen sowie die Gesetzesentwicklung bildet einen klassischen Zielkonflikt des derzeitigen europäischen Umsatzsteuersystems ab39. Die Gewährleistung der Kapitalverkehrsfreiheit zielt auch auf die Schaffung höchstmöglicher Effizienz bei der Kapitalallokation in der aus marktwirtschaftlicher Perspektive besten Verwendung ab. Finanzinstitute und Versicherungen haben wegen der eingeflossenen Steuer insgesamt gesehen höhere Kosten. Sie werden eher dazu tendieren, steuerpflichtige Dienstleistungen intern zu erbringen, anstatt sie an einen spezialisierten Dienstleister nach außen zu vergeben. Daher kann es durch die fehlende Mehrwertsteuerneutralität zu Beeinträchtigungen der Effizienz kommen. Die vorgeschlagenen Änderungen würden in diesem Zusammenhang sicherlich Erleichterungen schaffen. Auf der anderen Seite steht die Einnahmenwirkung der Umsatzsteuer auf staatlicher Seite. Einkommensteuer und Umsatzsteuer haben sich inzwischen zu zwei gleichwertigen Fundamenten des modernen staatlichen Finanzierungssystems entwickelt, die gegenwärtig jeweils einen ähnlichen Steuerertrag erbringen. Auch bei der Rechtfertigung der Einzelsteuern steht die Umsatzsteuer inzwischen gleichwertig neben der Einkommensteuer. Zwar belastet sie den anonym blei-

38 39

Vgl. Lippross, Umsatzsteuer, 2007, S. 489. Europäische Kommission: Zusammenfassung der Folgenabschätzung KOM(2007) 747.

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benden Verbraucher und kann deshalb nicht auf dessen persönliche Leistungsfähigkeit zugemessen werden. Doch begründet die umsatzsteuerlich belastete Kaufkraft des Verbrauchers eine vermutete Leistungsfähigkeit und belegt eine steuerlich nutzbare Finanzkraft. Hierbei gelten als Verbraucher sowohl der mit nicht abziehbarer Vorsteuer belastete Finanzdienstleiter wie auch der Endverbraucher der verteuerten Finanzdienstleistung. Insoweit erscheint es folgerichtig, dass das moderne Steuersystem immer mehr auf zwei Formen der Leistungsfähigkeit – das Einkommen und die Kaufkraft – zugreift. Wenn der Nachfrager bei seinem Leistungserwerb seine Kaufkraft einsetzt, belastet die Umsatzsteuer nicht den Bestand eines ruhenden Vermögens, sondern greift vielmehr erst dann ein, wenn der Nachfrager freiwillig am Markt den Leistungstausch sucht, die Umsatzsteuer dabei den vereinbarten Preis verteuert, der Nachfrager dennoch für diesen Preis tauschen will40. Ein steuerlicher Zugriff auf den Umsatz (auch über die Versagung eines Vorsteuerabzuges auf Eingangsleistungen) erscheint einsichtig, weil der Staat wesentlichen Anteil am Gelingen des Umsatzes hat, er deshalb die Steuer fordert, um auch in Zukunft die Infrastruktur für Markt und Umsatz zu erhalten. Der Staat hält eine Rechtsordnung bereit, nach der Verträge geschlossen werden können. Er bietet eine Währung an, in der Preise vereinbart werden. Er sichert inneren Frieden, auch den Schutz des Rechts und der Gerichte, macht damit ein ungestörtes Marktgeschehen möglich. Die Infrastruktur bietet ein vielfältiges Angebot, ohne das Kaufkraft nicht eingesetzt werden könnte. Auch der europäische Markt und der Weltmarkt verstehen die Umsatzsteuer als eine Rahmenbedingung des Leistungstausches; wer dieses Tauschsystem nutzt, trägt auch durch eine ihm entsprechende Steuer zur Finanzierung seiner Voraussetzungen bei. Wenn die Lieferung an den Endverbraucher von der Umsatzsteuer befreit ist, wirkt sich die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen zwangsläufig auf die Verteilung der Umsatzsteuereinnahmen aus. Einnahmen aus nicht erstattungsfähiger Umsatzsteuer fallen staatlicherseits vor allem dort an, wo der Empfänger der eingekauften Dienstleistung niedergelassen ist, und nicht dort, wo der Endverbraucher der freigestellten Dienstleistung ansässig ist. Die jetzigen Regelungen im Bereich der Umsatzsteuer bei Finanzdienstleistungen erzeugen erheblich gestiegene Einnahmen. Diese Tatsache ist auf höhere Umsatzsteuersätze oder aber auf gestiegene Marktumfänge bzw. auf zunehmende Steuerbemessungsgrundlagen zurückzuführen. Es ist nicht einfach, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Effizienz einerseits und einem stabilen und fairen Steuersystem andererseits zu finden. Vor allem dann nicht, wenn wie im vorliegenden Fall Binnenmarktziele mit einer

40

Vgl. hierzu auch Kirchhof, DStR 2008, S. 1 ff.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

403

angemessenen Besteuerung der Finanzdienstleistungs- und Versicherungsbranche in Einklang gebracht werden müssen. Ein Abbau der steuerinduzierten Hemmnisse der Branche steht und fällt damit, die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, für die Erhaltung und Weiterentwicklung einer dynamischen Finanzdienstleistungsbranche in der EU Abstriche bei den Umsatzsteuereinnahmen in Kauf zu nehmen. 6.3

Diskussion von Lösungsansätzen

Der Richtlinienvorschlag der EU bleibt im Rahmen der bestehenden Besteuerungskonzeption (Steuerfreistellung mit Vorsteuerausschluss). Die Richtlinie zeigt hier nicht in allen Bereichen die erforderliche Klarheit, um auch die angestrebte Rechtssicherheit zu erlangen. Dies liegt in Teilen auch in den rechtsprechungsseitigen Vorgaben begründet, wenn diese z. B. verlangen, dass „eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf“ (Einheitlichkeit der Leistung) oder aber das letztlich "Wesen" des fraglichen Umsatzes über die Steuerfreiheit entscheiden soll. Inhaltlich ergibt sich in vielen Details noch erheblicher Verbesserungsbedarf41: So erscheint die zentrale Formulierung des Art. 135 (1a) RL-E über die Einbeziehung von (ausgelagerten) Bestandteilen in eine Steuerbefreiung kaum praktisch anwendbar und stellt auch unter Einbeziehung des Verordnungsentwurfes keine Anwendungsverbesserung dar. Die Einbindung z. B. der CPP-Rechtsprechung des EuGH zur Einheitlichkeit der Leistung wird nicht deutlich. Die Regelung ist überdies für Vermittlungsleistungen von Bank- und Finanzumsätzen nicht anwendbar. Überhaupt ist der Vermittlungsbegriff des Entwurfes infolge unterschiedlicher zivilrechtlicher Voraussetzungen in den Mitgliedstaaten undeutlich abgegrenzt42. Untervermittlungsleistungen sind offenbar nicht erfasst, was mit der aktuellen EuGH-Rechtsprechung kollidiert und in mehrstufigen Vertriebsstrukturen zu Problemen führt. Unklar bleibt z. B. auch, ob mit dem Begriff der Verwaltung eines Sondervermögens auch die „einfache Portfolioverwaltung“ erfasst sein soll; ist diese doch in der Auflistung der verbundenen Dienstleistungsbestandteile enthalten. Nach der vorliegenden Fassung wäre jede Übertragung eines KG oder GmbH-Geschäftsanteils steuerpflichtig, da sie in der Verordnung unter dem Begriff „Lieferung von Wertpapieren“ nicht aufgeführt sind. Fraglich ist auch, ob diese Begrifflichkeit nicht inhaltlich zu kurz greift. Überhaupt ist der „Lieferungsbegriff“ für die Wertpapiertransaktionen nach aktueller Rechtsprechung nicht korrekt („sonstige Leistung“) und würde ggf. auch zu fehlerhaften Leistungsortbestimmungen führen. Das Factoring, d. h. die 41 42

Vgl. u. a. Behrens, AG 2008, S. 450. Vgl. Pauksch, IStR 2008, S. 175.

404

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entgeltliche Übertragung von Forderungen, sowie ABS-Transaktionen wären nach der derzeitigen Fassung umsatzsteuerpflichtig. Gleiches gilt für die Übernahme von Mietgarantien, Exportbürgschaften u. a. Die Abgrenzung zu technisch dominierten Leistungsbestandteilen (z. B. Rechenzentren) bleibt insgesamt undeutlich. Kritisch ist ferner anzumerken, dass nach geltendem Recht im Falle einer nicht rechtzeitigen Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht durch den jeweiligen Mitgliedstaat die begünstigenden Rechtsnormen aus Sicht des Steuerpflichtigen direkt anwendbares Recht werden. Etwaige belastende Normen der Richtlinie dagegen nicht. Eine solche Konstellation führt zu möglichen Kollisionen mit nationalen Normen und schafft eine äußerst unbefriedigende Situation. Erneute Rechtsanwendungsdivergenzen in den einzelnen Mitgliedstaaten sind programmiert43. Mit Blick auf die o. g. Vorschläge der EU-Kommission wird aus deutscher Sicht vor allem die Einführung steuerlicher Besserstellungen von Kostenteilungsregelungen bei Finanzdienstleistungen diskutiert. Laut Folgenabschätzung der EUKommission gibt es hierfür zwei Möglichkeiten. Eine Minimallösung erfordert eine spezielle Bestimmung über Kostenteilungsregelungen bei der Erbringung freigestellter Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. So wären nach der zu erwartenden Neuregelung des § 4 Nr. 29 UStG-E nur Leistungen in die Steuerbefreiung einzubeziehen, die ausschließlich und unmittelbar im Bereich der Kreditgewährung, Kreditverwaltung oder im Bereich des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs verwendet werden können, wie z. B. Sicherheitenbewertung, Bewertungen von Kreditrisiken, die Bearbeitung und Verwaltung von Kreditan- und -verträgen. Des Weiteren würde die Steuerbefreiung voraussetzen, dass das für die Leistung zu entrichtende Entgelt lediglich in einem exakten Kostenersatz besteht. Die Zahlung von Gewinnaufschlägen steht daher der Steuerbefreiung entgegen. Legt man hier einen ähnlichen Beurteilungsmaßstab an wie im Bereich der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 UStG, so sollte der Gesetzgeber Leistungen von Gemeinschaftseinrichtungen begünstigen, die nicht der Regelung des Art. 135 (1a) RL-E unterfallen, gleichwohl unmittelbar in die Leistungserbringung gegenüber dem Kunden einfließen und diese nicht nur abstrakt ermöglichen. Es muss als fraglich gelten, ob durch eine solche undeutliche inhaltliche Vorgabe Rechtssicherheit geschaffen und tatsächlich eine Vielzahl von Fällen in die Steuerfreiheit einbezogen würde. In dem dynamischeren Konzept des Art. 137b RL-E bzw. würde die Steuerentlastung bei Kostenteilungsregelungen sogar auf grenzüberschreitende Vereinbarungen sowie auf die Erbringung von Leistungen von Seiten Dritter ausgedehnt, 43

Vgl. hierzu Kirchhof, DStR 2008, S. 4.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

405

die selbst kein Finanzinstitut oder Versicherungsunternehmen sind. Diese Lösung wird bereits in einigen Mitgliedstaaten praktiziert. In Deutschland bleibt bereits die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Organschaft nicht umgesetzt. Bei der Analyse der Frage, wie sich eine Änderung der Vorschriften für die Inanspruchnahme der Möglichkeit einer Besteuerung auswirken wird, muss u. a. geprüft werden, wie innergemeinschaftliche Umsätze zu behandeln sind und ob die Berichtspflicht erweitert werden muss44. Würde in allen Mitgliedstaaten – wie vorgeschlagen – einheitlich das Wahlrecht der Option zur Besteuerung von Finanzdienstleistungen eingeführt, so würde eine solche Optionsregelung auf Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen beschränkt sein. Auf diese Weise fließen den Mitgliedstaaten keine zusätzlichen Steuereinnahmen zu. Allerdings dürften durch die Senkung der steuerlichen Belastung der Finanzinstitute die Kosten von Finanzdienstleistungen für Unternehmen sinken. Generell könnte es sinnvoll sein, aus Sicht des Dienstleisters je nach Umsatz oder Kunde und nicht für das gesamte Geschäft die Besteuerung wählen zu können. Dies wird voraussichtlich auf erhebliche praktische Besteuerungsfragen stoßen. Damit eine in allen Mitgliedstaaten einheitliche Anwendung gewährleistet wird, müssten die Anwendungsvoraussetzungen bereits auf Gemeinschaftsebene festgelegt werden. Allerdings liegt auch hier – wie bisher – in der streng einheitlichen Rechtsanwendung in der Praxis die eigentliche Schwierigkeit. Der Richtlinienvorschlag lässt die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechtes völlig offen und bleibt damit deutlich hinter dem Grundanspruch des Entwurfes zurück. Neben den auf den Bereich der Bank- und Finanzdienstleistungsumsätze konzentrierten Verbesserungsvorschläge existieren übergeordnete Reformüberlegungen auch auf europäischer Ebene, die unterschiedliche Auswirkungen auf die hier betrachtete Branche hätten. Diskutiert werden z. B. Modelle der Rückführung der Umsatzsteuer auf den Status einer reinen Verbrauchssteuer mit Freistellung aller zwischenunternehmerischen Umsätze oder aber die übergreifende Einführung eines Reverse-Charge-Verfahrens. Hierbei reichen die Verfahren zur Identifikation von Unternehmern und Verbrauchern von spezifischen Kennzeichnungen im Rechtsverkehr bis zur Abwicklung von unternehmerischen Umsätzen über spezifische, offiziell gemeldete Gewährskonten. Die Modelle führen nicht in jeder Facette zu einer Lösung der vorgenannten Problemstellungen. Interpretiert man die Umsatzsteuer jedoch als eine Verbrauchssteuer, trennen diese Konzepte sehr viel besser zwischen der Ebene der Verbraucher und der Ebene zu entlastender Unternehmer.

44

Der Richtlinienentwurf sieht hierbei offenbar ein Nebeneinander zwischen umsatzsteuerlichen Verrechnungspreisen und ertragsteuerlichen Verrechnungspreisen.

406

7

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Schlussbemerkung

Im geltenden Umsatzsteuersystem ergeben sich an der Grenzlinie zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen strukturelle Probleme. Als eine der hiervon betroffenen Branchen gilt die Branche der Finanzdienstleistungen und Versicherungen. Die wettbewerbsverzerrenden Einflüsse der Umsatzsteuer werden mit steigenden Steuersätzen und einem deutlichen Trend zum Outsourcing von Teilleistungen naturgemäß deutlicher. Die Branche empfindet einen gegenüber vergleichbaren Institutionen in Drittstaaten deutlichen Wettbewerbsnachteil. Die nationalen wie auch EU-weiten politischen Bemühungen sind jedoch dennoch weit fortgeschritten und gehen dahin, diesem Wirtschaftssektor Erleichterungen zu verschaffen. Die vorgeschlagenen Regelungen enthalten aber noch deutliche Schwächen und bringen überdies die umsatzsteuerliche Regelungssystematik – insbesondere mit Blick auf die eigentlich gebotene Einzelbetrachtung jedes Umsatzes – an ihre Grenzen. Finanzdienstleistungen sind keine für das Gemeinwohl existentiellen Tätigkeiten, die Sonderregelungen über die bereits bestehenden Befreiungsvorschriften hinaus rechtfertigen. Es handelt sich damit im Grunde um eine reine wettbewerbspolitische Frage, nicht nur gegenüber Drittstaaten, sondern auch innerhalb Europas. Die Klärung und Entscheidung dieser Frage ist damit auch ein Prüfstein für die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union.

Ausgewählte umsatzsteuerliche Entwicklungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen

407

Literaturverzeichnis Behrens, Stephan: Vorschläge der EU-Kommission zur Umsatzsteuer bei Versicherungs- und Finanzdienstleistungen, AG – Die Aktiengesellschaft, 12/2008, S. 446 - 451. Europäische Kommission: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung des Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen, EU-Kommission v. 28.11.2007, KOM(2007) 747; http://ec.europa. eu/taxation_customs/common/legislation/proposals/taxation/index_de.htm. Europäische Kommission: Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen; EU-Kommission v. 28.11.2007, KOM(2007) 746; http://ec.europa.eu/taxation_customs/common/legislation/ proposals/taxation/index_de.htm. Europäische Kommission: Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen – Begleitdokument zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen – Zusammenfassung der Folgenabschätzung EU-Kommission v. 28.11.2007, KOM(2007) 747, http://ec.europa.eu/taxation_customs/common /legislation/proposals/taxation/index_de.htm. Hahne, Klaus D.: Besteuerung von Outsourcing-Leistungen: Methodik des EuGH zur Anwendung der Steuerbefreiungen, UR 2005, S. 353 - 361. Hamacher, Rolfjosef / Grundt, Veronique: Der BFH und die Umsatzsteuerfreiheit des Outsourcing im Finanzdienstleistungssektor, DStR 2007, S. 283 286. Huschens, Ferdinand: Die Rechtsakte des Rats zum Mehrwertsteuerpaket, Umfangreiche Änderungen im deutschen Umsatzsteuerrecht, NWB, Fach 7, S. 7063- 7076. Husmann, Eberhard, in: Rau/ Dürrwächter, Kommentierung zum Umsatzsteuergesetz, § 1 UStG. Lippross, Otto-Gerd: Umsatzsteuer, Grüne Reihe, 22. Auflage, 2008. Menner, Stefan/Herrmann, Harald: Outsourcing bei Banken und Versicherungen – Auswirkungen der EuGH-Entscheidung CSC Finanicial Services, UR 2002, S. 112 - 117.

408

Wulff Schlüter

Kirchhof, Paul: 40 Jahre Umsatzsteuergesetz – Eine Steuer im Umbruch, DStR 2008, S. 1 - 8. Pauksch, Ines: Modernisierung der Mehrwertsteuerbestimmungen für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen – ein Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, IStR 2008, S. 170 - 176. Philipowski, Rüdiger, in: Rau/ Dürrwächter, Kommentierung zum Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 8 UStG. Schlüter, Wulff/Höhfeld, Hendrik: Möglichkeit der Umsatzsteuerbefreiung ausgelagerter Dienstleistungen bei Kapitalanlagegesellschaften, DStR 2000, S. 1587 - 1590. Widmann, Wolfgang: Aktuelles zur Umsatzsteuer aus Berlin, Brüssel, Luxemburg und München, DStR 2009, S. 1061 ff.

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen der deutschen Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie Niels-Peter Schoss

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................. 411 2 Deutsche Steuererlasse für die Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie ... 413 2.1 Hannoversche Grundsätze vom 13.12.1957 .................................. 413 2.2

Wiesbadener Erlass vom 19.2.1970 .............................................. 414

2.3

Auslandserlass vom 17.4.1979 ...................................................... 415

2.4

Erlass zu steuerlichen Bilanzierungsfragen vom 20.5.1980.......... 416

2.5

Farm-in Erlass vom 14.9.1981 ...................................................... 417

2.6

Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999, Tz. 4.7. ............................. 418

3 Grundtypen der ausländischen Fiskalregime für die Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie ...................................................................... 420 3.1 Konzessions- oder Lizenzverträge (Royalty/Tax Regime).............. 421 3.2

Produktionsaufteilungsverträge (PSC oder EPSA Regime) .......... 422

3.3

Serviceverträge.............................................................................. 423

4 Regelungen für die deutsche Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie in Doppelbesteuerungsabkommen ................................................................ 424 4.1 Artikel 6 OECD-MA ...................................................................... 424 4.2

Artikel 5 Abs. 2 Buchst. f und Abs. 4 Buchst. e OECD-MA ........... 425

4.3

DBA Iran vom 20.12.1968 ............................................................ 425

4.4

DBA Norwegen vom 4.10.1991 ..................................................... 426

4.5

DBA Dänemark vom 22.11.1995 ................................................... 427

4.6

DBA Litauen vom 22.7.1997 ......................................................... 429

5 Aktuelle Problembereiche und Ausblick ................................................... 430 

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

1

411

Einleitung

Als Geburtsstunde der kommerziellen Erdölgewinnung gilt die Gründung der Pennsylvania Rock Oil Company im Jahre 1855. Wie die Firma der Gesellschaft bereits ausdrückt, ging es damals um die Vermarktung von Steinöl (auch Felsöl genannt; mit römischen Ursprung „oleum petrae“ oder auch bekannt als „Petroleum“), welches durch einfaches Abschöpfen in Westpennsylvania gewonnen wurde. Die Firmengründer erkannten, dass Petroleum sich nicht nur für medizinische Zwecke eignet, sondern auch durch Destillation in wertvollere Produkte aufgespaltet werden kann. Sie setzten dabei insbesondere auf ein brennbares Destillat, welches als preiswertes, aber doch hochwertiges Lampenöl Verwendung finden konnte. Eine der ersten Bohrungen nach Öl wurde in 1859 am Oil Creek in Titusville, Pennsylvania abgeteuft und in 21 Meter Tiefe konnte eine größere Öllagerstätte nachgewiesen werden. In den darauf folgenden 100 Jahren kam es zu einem überwältigenden Boom in der Erdöl- und später auch Erdgasgewinnungsindustrie. Diese Industrie hat die Welt verändert und beeinflusst wie keine andere Branche es je vermochten konnte. Ausgehend von dem wirtschaftlichen Erfolg und damit dem sagenhaften Reichtum der Ölpioniere erkannte auch die Politik recht schnell, welche strategische Bedeutung dem Rohstoff Erdöl zukommt. Es kam zu einem weltweiten Kampf um die Förderstätten, nicht nur wirtschaftlich der Kampf um Reichtum, sondern auch der Kampf um politische Macht. Er war die Basis von vielen zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen, bestimmte den Wohlstand der konkurrierenden Nationen und verursachte aber auch erhebliche soziale und ökologische Probleme. Die westlichen Industrienationen förderten den Aufbau nationaler Erdölgesellschaften, die meist unter staatlicher Kontrolle oder zumindest unter politischer Protegé standen. Dabei fokussierten sie sich auf die Schaffung sogenannter integrierter Mineralölunternehmen, die die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Angefangen von der Erdöl- bzw. Erdgasgewinnung, über die Verarbeitung in Raffinerien und die Vermarktung der Produkte an den kommerziellen oder privaten Endkunden (z.B. Kraftstoffe, Heizöl, Schmierstoffe, Petrochemie) konnten sich die Gesellschaften optimal positionieren. In Deutschland erkannte die Politik erst recht spät, dass die Energieversorgung des Landes immer mehr durch ausländische Konzerne beherrscht wird. Während die Bundesregierungen unter Konrad Adenauer (CDU) und Ludwig Erhard (FDP) noch der selbstständigen Regulierung der freien Marktwirtschaft vertrauten, erkannte die sozialliberale Koalition unter Georg Kiesinger (CDU) und Willy Brandt (SPD), dass eine geänderte Energiepolitik der Schlüssel zur Sanierung des Haushaltes und der Beherrschung der steigenden Staatsverschuldung

412

Niels-Peter Schoss

ist. In dieser Zeit wurde unter maßgeblicher Mitwirkung von Finanzminister Franz-Josef Strauß (CSU) und Wirtschaftminister Karl Schiller (SPD) die deutsche Steinkohleindustrie neu geordnet (die in 1968 gegründete Ruhrkohle AG übernahm 80% der deutschen Steinkohleförderung) und eine nationale Erdölund Erdgasgewinnungsgesellschaft gegründet: die DEMINEX – Deutsche Erdölversorgungsgesellschaft mbH. Wenngleich sich Deutschland an der DEMINEX nicht direkt beteiligen wollte, fanden sich andere deutsche Energieunternehmen, die Interesse am Aufbau dieser Explorationsgesellschaft hatten: insbes. die VEBA Chemie AG (später: Veba Oel AG), Wintershall AG (heute Tochtergesellschaft der BASF SE), Preussag AG (später: Preussag Energie GmbH), Saarbergwerke AG, Deutsche Schachtbau GmbH (Tochtergesellschaft der Salzgitter AG) und UK Wesseling AG (später: RWE-DEA AG). Gesellschaftszweck war „Die Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes im eigenen Namen und für eigene oder fremde Rechnung, der Einkauf, Verkauf und Transport von Erdöl im eigenen Namen, aber im Auftrag und für Rechnung von Gesellschaftern, die Durchführung von Aufsuchungs- und Gewinnungsvorhaben im Auftrag und für Rechnung von Gesellschaftern, sowie die Ausübung aller damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten“. Die DEMINEX nahm ihre Geschäftstätigkeit im Jahr 1969 auf, wuchs dank enormer staatlicher Subventionsmittel in Form von bedingt rückzahlbaren Bundesdarlehen sehr schnell und verlegte ihren Sitz im Jahr 1976 von Düsseldorf nach Essen, wo sich ein für die steigende Mitarbeiterzahl geeignetes Bürogebäude aus dem Gesellschafterkreis befand. Nach 25 Jahren war DEMINEX am Markt etabliert und konnte erstaunliche Erfolge aufweisen. Sie war in vielen erdöl- und erdgasproduzierenden Staaten tätig, darunter auch Ägypten, Syrien, Libyen, Trinidad, Argentinien, Indonesien sowie der britischen und norwegischen Nordsee. Im Jahr 1994 betrug die Erdölproduktion 70 Mio. Barrel (knapp 10 Mio. Tonnen) und die Erdgasförderung 2 Mrd. m3, was fast die Hälfte der Rohölproduktion und annähernd 10% der Erdgasförderung aller deutschen Produzenten entsprach. Da die DEMINEX auch hochprofitabel operierte, konnten die staatlichen Subventionen eingeschränkt werden. Das Unternehmen wurde schließlich in 1998 von den verbliebenen Gesellschaftern, der Veba Oel AG, Wintershall AG und RWE-DEA AG aufgespaltet und die zu dem Zeitpunkt vorhandenen Vorhaben von diesen alleine fortgeführt. Heutzutage sind nur noch die deutschbeherrschten Gesellschaften Wintershall AG, RWE-DEA AG und E.ON Ruhrgas AG mit Explorationsaktivitäten im Ausland tätig. Darüber hinaus betreiben auch ausländische Mineralölkonzerne Erdöl- und Erdgasgewinnung über deutsche Gesellschaften. Beispielsweise verfolgt

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

413

der kanadische integrierte Mineralölkonzern Petro-Canada sowie der niederländisch/britische Ölmulti Royal Dutch Shell über deutsche Gesellschaften Explorationsaktivitäten in Libyen. Die gesamte Erdölproduktion deutscher Gesellschaften betrug in 2008 etwa 90 Mio. Barrel (knapp 13,2 Mio. Tonnen), jedoch seit Jahren mit fallender Tendenz. Die Erdgasförderung blieb hingegen mit rund 28 Mrd. m3 relativ konstant. In der Zeit des Aufbaus der DEMINEX entstanden auch einige Sonderregelungen zur deutschen Besteuerung der Erdöl- und Erdgasgewinnung. In dem Erlass Nordrhein-Westfalen vom 13.05.1975 zur ertragsteuerlichen Behandlung von Auslandsinvestitionen der deutschen Erdöl-Unternehmen ist sogar die Gesellschaft explizit genannt. Diese Branchenerlasse erfuhren im Laufe der Zeit mehrfach Änderungen, finden jedoch teilweise heute immer noch Anwendung. Darüber hinaus sind sie ein eindrucksvolles Beispiel für die steuerliche Förderung einer bestimmten Branche und damit für die Lenkungsfunktion der Besteuerung. 2

Deutsche Steuererlasse für die Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie

2.1

Hannoversche Grundsätze vom 13.12.1957

Wenngleich die Hannoverschen Grundsätze in erster Linie die steuerliche Behandlung der Erdöl- und Erdgasgewinnung in Deutschland behandelt, finden diese Regelungen auch für deutsche Unternehmen mit Auslandsaktivitäten Anwendung, soweit die Tätigkeit über ausländische Betriebsstätten erfolgt. Es handelt sich hierbei um eine „Niederschrift über eine Besprechung bei der OFD Hannover am 13.12.1957 über steuerliche Grundsatzfragen der Erdölgewinnungsindustrie zwischen Vertretern der Finanzverwaltung und Vertretern der Erdölindustrie“. Die folgenden wesentlichen Grundsätze konnten festgehalten werden: a) steuerliche Behandlung von Bohrungen -

Grundsatz der Einzelbewertung: jede Bohrung ist einzeln zu bewerten die Kosten für geophysikalische Untersuchungen, Schürf- und Untersuchungsbohrungen sind sofort aufwandswirksam die Kosten für Tiefbohrungen sind zu aktivieren die Herstellungskosten für Fehlbohrungen sind aufwandswirksam abzuschreiben, sobald die Ergebnisse der Nichtfündigkeit vorliegen die Herstellungskosten für fündige Tiefbohrungen sind über eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von acht Jahren abzuschreiben, wobei ein degressive Staffelabschreibung festgeschrieben wurde

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b) steuerliche Behandlung von Verfüllungskosten -

Rückstellungen für Verfüllungskosten sind ebenfalls für jede einzelne Bohrung gesondert zu berechnen - bei Fehlbohrungen sind die Rückstellungen für Verfüllungskosten sofort zu bilden - bei fündigen Bohrungen sind die Rückstellungen über acht Jahre linear anzusammeln c) steuerliche Behandlung von Kosten der Feldesräumung -

Rückstellungen für Kosten der Feldesräumung sind unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Förderdauer des gesamten Feldes anzusammeln - aufgrund der Unterschiedlichkeit der Erdölfelder erschien die Festlegung einer durchschnittlichen Nutzungsdauer als unpraktikabel und es ist jeder Einzelfall gesondert zu betrachten. Wenngleich die Hannoverschen Grundsätze vor über 50 Jahren aufgestellt wurden, gelten sie auch heute noch in wesentlichen Teilen fort und werden grundsätzlich bei der Ermittlung des ausländischen Betriebsstättengewinns deutscher Unternehmen der Erdölgewinnungsindustrie angewandt. 2.2

Wiesbadener Erlass vom 19.2.1970

Mit BdF-Schreiben vom 19.2.1970, IV B 2 – S 2170 – 46/69 erließ die Finanzverwaltung erstmals „Grundsätze über die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen der deutschen Erdölunternehmen“. Dieser Branchenerlass war zunächst befristet bis zum 1.1.1975 wurde dann mit dem Erlass vom 13.5.1975, Nordrhein-Westfalen S 2170 – 7 – V B 1 (koordinierter Ländererlass) um vier Jahre verlängert. Darüber hinaus bestätigt der Erlass vom 13.5.1975 auch die Anwendung des Wiesbadener Erlasses, soweit die Aufsuchung und Erschließung von Erdöl- und Erdgasvorkommen im Ausland durch ausländische Betriebsstätten der DEMINEX stattfindet. Des Weiteren wurde abweichend von den Hannoverschen Grundsätzen die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für Erdgasbohrungen auf 15 Jahre festgeschrieben und für diese nur die normale degressive Abschreibung als zulässig angesehen. Durch den Wiesbadener Erlass wurden die Hannoverschen Grundsätze auch auf Aktivitäten über ausländische Tochtergesellschaften ausgeweitet. Der Erlass gestattete eine vorläufige Wertberichtigung des Beteiligungsbuchwertes bzw. der beteiligungsähnlichen Darlehen, wobei die maximale Wertberichtigung 90 % der Investitionen betragen konnte. Insoweit wurden die ausländischen Explorationsaktivitäten durch steuerliche Anreize ebenfalls gefördert.

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

415

Für die DEMINEX gab es eine Sonderregelung, soweit nach den Richtlinien des Bundesministers für Wirtschaft über die Gewährung von Darlehen und Zuschüssen zur Sicherung und Verbesserung der Erdölversorgung der Bundesrepublik Deutschland aus Bundesmitteln Darlehen oder Zuschüsse gewährt wurden. Nur soweit die im Ausland getätigten Investitionen die gewährten Darlehen oder Zuschüsse übersteigen, durften vorläufige Wertberichtigungen gebildet werden. Die vorläufigen Wertberichtigungen sind bei wirtschaftlicher Fündigkeit gewinnerhöhend aufzulösen. Da jedoch zwischen wirtschaftlicher Fündigkeit und Aufnahme der Erdöl- oder Erdgasproduktion einige Jahre vergehen können, erfolgt die Auflösung der vorläufigen Wertberichtigungen erst ab dem vierten Wirtschaftsjahr nach der wirtschaftlichen Fündigkeit in vier gleichen Jahresbeträgen. Der Wiesbadener Erlass definiert auch den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Fündigkeit, wobei diese anzunehmen ist, „sobald erkennbar wird, dass Vorbereitungen zur Förderung bzw. zum Abtransport des Erdöls oder Erdgases getroffen werden. Das ist z.B. der Fall, wenn mit der Detailplanung für den Bau von Förder-, Aufbereitungs- und Transportanlagen (wie Pipelines, Straßen, Verladeeinrichtungen usw.) begonnen wird.“ Stellt sich jedoch heraus, dass die ausländischen Explorationsaktivitäten endgültig als nichtfündig einzustufen sind, ist die Beteiligung bzw. die beteiligungsähnlichen Darlehen auf den niedrigeren Teilwert abzuschreiben und die vorläufigen Wertberichtigungen aufzulösen. 2.3

Auslandserlass vom 17.4.1979

Das BdF-Schreiben vom 17.4.1979, IV B 2 – S 2170 – 36/79, knüpft an den Wiesbadener Erlass an, welcher zum 1.1.1979 ausgelaufen ist. Es blieb beim Instrument der vorläufigen Wertberichtigungen (maximal 90%), bei der zeitlichen Vorgabe der Auflösung der vorläufigen Wertberichtigungen (vier Jahre nach Fündigkeit; vier gleichbleibende Jahresraten) und beim Ausschluss von doppelter Förderung (z.B. für die DEMINEX). Auch die Definition der wirtschaftlichen Fündigkeit wurde wortgleich übernommen. Faktisch wurde mit dem Auslandserlass lediglich der Anwendungsbereich des Wiesbadener Erlasses um weitere fünf Jahre, d.h. bis zum 1.1.1984 verlängert. Es folgten mit dem BdF-Schreiben vom 24.11.1983, IV B 2 – S 2170 – 99/83 eine weitere Verlängerung bis zum 1.1.1989 und mit dem BdF-Schreiben vom 15.5.1990, IV B 2 – S 2170 – 24/90 eine Verlängerung bis zum 1.1.1992. Mit BMF-Schreiben vom 12.12.1994, IV B 2 – S 2170 – 104/94, wird nochmals klargestellt, dass der Auslandserlass über den 1.1.1992 nicht weiter verlängert werden kann und dass der Zweck des Auslandserlasses, nämlich die Unterstüt-

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zung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Förderindustrie im Ausland und damit die Rohstoffversorgung der Bundesrepublik Deutschland zu sichern und zu verbessern, erfüllt wurde. Das Auslaufen dieser steuerlichen Förderung steht im Einklang mit dem Abbau anderer Subventionsmaßnahmen, wie z.B. die Gewährung von Zuschüssen oder bedingt rückzahlbaren Darlehen an die DEMINEX. 2.4

Erlass zu steuerlichen Bilanzierungsfragen vom 20.5.1980

Das BdF-Schreiben vom 20.5.1980, IV B 2 – S 2170 – 50/80, bestätigt wesentliche Teile der Hannoverschen Grundsätze, passt jedoch einige Bestimmungen an die geänderte Rechtslage an und ergänzt zusätzliche Aspekte. Insbesondere die folgenden Grundsätze wurden hierdurch zusätzlich aufgestellt: a) Erwerb von Gewinnungsrechten und Seismik -

die Anschaffungskosten für diese immateriellen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind zu aktivieren - gewöhnliche Abschreibungen sind nur linear (ausdrücklich nicht degressiv) über die voraussichtliche Nutzungsdauer vorzunehmen - außerplanmäßige Wertberichtigungen auf den niedrigeren Teilwert sind zulässig b) Unterscheidungskriterien von Bohrungen -

Untersuchungsbohrungen, die im Rahmen der Exploration abgeteuft werden, sind immaterielle Wirtschaftsgüter und damit nicht zu aktivieren - alle anderen Explorationsbohrungen, namentlich genannt werden Basisbohrung, Aufschlussbohrung und Teilfeldsuchbohrung sind Tiefbohrungen und damit als materielle Wirtschaftsgüter zunächst zu aktivieren - alle Feldesentwicklungsbohrungen (Entwicklungsbohrungen, Produktionsbohrungen und Hilfsbohrungen) stellen ebenfalls aktivierungspflichtige Tiefbohrungen dar c) betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von Bohrungen -

-

die im koordinierten Ländererlass vom 13.5.1975 vorgesehene Nutzungsdauer von 15 Jahren für Erdgasbohrungen gilt grundsätzlich für Erdöl- und Erdgasbohrungen die in den Hannoverschen Grundsätzen vorgesehene Nutzungsdauer von acht Jahren gilt nur noch für Erdölbohrungen in Altfeldern, d.h. in Feldern, in denen schon seit mindestens zehn Jahren gefördert wird und für Sauergasbohrungen, d.h. bei Erdgasförderung mit einem Schwefelwasserstoffgehalt von über 1 %

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

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d) Abschreibung von Bohrungen -

die in den Hannoverschen Grundsätzen vorgesehene degressive Staffelabschreibung ist nicht mehr vorgesehen - die lineare Abschreibung nach § 7 Abs. 1 EStG oder die degressive Abschreibung nach § 7 Abs. 2 EStG ist zulässig - eine Abschreibung für außergewöhnliche Abnutzung darf nicht vorgenommen werden - Teilwertabschreibungen sind weiterhin bei Fehlbohrungen zulässig und zwar in dem Wirtschaftsjahr, in dem die Nichtfündigkeit festgestellt wird; für das Risiko einer Nichtfündigkeit darf eine Drohverlustrückstellung nicht gebildet werden e) Rückstellungen für Verfüllungskosten und Feldesräumung -

eine Rückstellung kann nur bei Bestehen einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung zur Bohrlochverfüllung oder Feldesräumung gebildet werden. Entsprechend den allgemeinen steuerlichen Regelungen sind reine Aufwandsrückstellungen unzulässig - unter Berücksichtigung der jeweiligen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer sind Rückstellung für Bohrlochverfüllungskosten linear über acht bzw. 15 Jahre anzusammeln - bei der Rückstellung für Feldesräumungskosten wird von einer Gesamtnutzungsdauer des Feldes von 20 Jahren ausgegangen f) Behandlung von Konsortien 2.5

Konsortien sind Zusammenschlüsse von Unternehmen zur gemeinsamen Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl oder Erdgas soweit die Konsortien das geförderte Erdöl oder Erdgas nicht gemeinsam vermarkten, entsteht steuerlich keine Mitunternehmerschaft Farm-in Erlass vom 14.9.1981

Mit dem BdF-Schreiben vom 14.9.1981, IV B 2 – S 2170 – 47/81, wurden die bestehenden Branchenerlasse um einen weiteren Sonderbereich erweitert. In der Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie sind Änderungen an den Beteiligungsverhältnissen bei Explorationsvorhaben üblich, da oftmals ein Unternehmen Explorationsrechte erwirbt und nachträglich zur Risikostreuung Partner für das Vorhaben gewinnt. Die hinzukommenden Farm-in Partner zahlen meist einen Teil der bislang durch den Farm-out Partner getätigten Investitionen (sog. Barleistung) oder übernehmen einen über ihre erworbene Beteiligungsquote hinausgehenden Anteil bestimmter zukünftiger Kosten (sog. Nachleistung). Entsprechend dem BdF-Schreiben vom 20.5.1980 sind Bar- und Nachleistung steuerlich Aufwendungen für den Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sind dabei sämtli-

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che zu tätigenden Aufwendungen, d.h. Bar- und Nachleistungen als Anschaffungskosten zu aktivieren, wobei ggf. die zukünftigen Nachleistungen unter Zugrundelegung der Verhältnisse bei Vertragsabschluss zu schätzen sind. Fehlerhafte Schätzungen führen allerdings nicht zu einer Korrektur der Anschaffungskosten. Ab Eintritt der wirtschaftlichen Fündigkeit sind die Erdöl- bzw. Erdgasgewinnungsrechte linear über 20 Jahre bzw. eine tatsächlich kürzere Vertragslaufzeit abzuschreiben. Der Farm-out Partner hat in Höhe der Nachleistung eine Forderung an den Farm-in Partner einzubuchen, die aufzulösen ist, sobald die Nachleistung erbracht wurde. Die Rechtsnatur der Nachleistung determiniert die steuerliche Behandlung, d.h. entweder der sofortige Betriebsausgabenabzug (z.B. von Explorationskosten) oder die Aktivierung (z.B. von Tiefbohrungen). Wenngleich während der Explorationsphase keine Abschreibungen auf die Erdöl- bzw. Erdgasgewinnungsrechte erfolgen dürfen, können vorläufige Wertberichtigungen von bis zu 90 % der Anschaffungskosten vorgenommen werden. Bei Barleistungen sind die vorläufigen Wertberichtigungen im Jahr der Anschaffung (maximal 10 % der Barleistung) und in den folgenden vier Jahren (maximal jeweils 20 % der Barleistung) zu bilden. Bei Nachleistungen dürfen bis zu 90 % der im jeweiligen Wirtschaftsjahr tatsächlich geleisteten Aufwendungen vorläufig wertberichtigt werden. Diese vorläufigen Wertberichtigungen sind im zweiten und dritten Wirtschaftsjahr nach Eintritt der wirtschaftlichen Fündigkeit zu jeweils 50 % gewinnerhöhend aufzulösen. Dagegen sind die vorläufigen Wertberichtigungen vollständig aufzulösen, wenn die Erdöl- bzw. Erdgasgewinnungsrechte veräußert oder anderweitig übertragen werden, die Anschaffungskosten teilwertberichtigt werden, eine ausländische Betriebsstätte gegründet oder ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit dem Tätigkeitsstaat abgeschlossen wurde. Die Grundzüge des Farm-in Erlasses gelten analog auch für Aktivitäten über ausländische Tochtergesellschaften, wobei zusätzlich der Auslandstätigkeitserlass bei der Berechnung der vorläufigen Wertberichtigungen auf die Beteiligungsbuchwerte bzw. die beteiligungsähnlichen Darlehen zu berücksichtigen ist. In diesem Punkt soll der Farm-in Erlass nach der Verfügung der OFD München vom 13.12.1995, S 2170 – 42/5 St 42, ab dem 1.1.1992 nicht weiter anwendbar sein. Dies steht in Übereinstimmung mit dem Auslaufen des Auslandserlasses. 2.6

Betriebsstättenerlass vom 24.12.1999, Tz. 4.7.

Das BMF-Schreiben betr. Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze) vom 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 –

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

419

111/99, BStBl. I S. 1076, enthält in seiner Textziffer 4.7. Grundsätze für Betriebsstätten bei Explorationen. Der Betriebsstättenerlass definiert die Exploration als die Phase der Aufsuchung von Bodenschätzen, die mit Abschluss eines Explorations- und/oder Produktionsvertrages beginnt und mit dem Eintritt der wirtschaftlichen Fündigkeit endet. Bevor das Erdöl- oder Erdgasunternehmen in die Explorationsphase eintritt, begründet die Tätigkeit in keinem Fall eine Betriebsstätte. Projektverfolgungskosten sind damit beim inländischen Stammhaus steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben. Entsprechend § 12 Satz 2 Nr. 8 AO begründet eine Explorationstätigkeit eine Betriebsstätte, wenn sie länger als sechs Monate dauert. Dabei wird entweder auf die einzelne Exploration oder auf mehrere aufeinander oder zeitlich nebeneinander folgende Explorationen abgestellt. Soweit die Explorationsaufwendungen in einer ausländischen Betriebsstätte anfallen, sind sie gewerbesteuerlich nach § 9 Nr. 3 GewStG nicht abzugsfähig aber körperschaftsteuerlich über § 2a Abs. 1 und 2 EStG abzugsfähig, wenn die Betriebsstätteneinkünfte nicht nach einen Doppelbesteuerungsabkommen freizustellen sind. Nach den meisten mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen ist die Exploration eine Tätigkeit vorbereitender Art und damit meist nicht betriebsstättenbegründend. Die gilt gem. Tz. 4.7.1.2. selbst dann, wenn die Explorationstätigkeit in Verbindung mit einer festen Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Da die Freistellung nach DBA mangels Existenz einer ausländischen Betriebsstätte nicht greift, steht Deutschland das uneingeschränkte Besteuerungsrecht zu. Die Explorationsaufwendungen sind damit körperschaftsteuerlich abzugsfähig. Das Explorationsrecht verbleibt somit zunächst im Stammhaus. Abweichend vom Erlass zu steuerlichen Bilanzierungsfragen (siehe oben unter 2.4) sind sämtliche Explorationsaufwendungen sofort abzugsfähige Betriebsausgaben, da Aufwendungen zur Schaffung von immateriellen Wirtschaftsgütern nach § 5 Abs. 2 EStG nicht aktiviert werden dürfen. Damit sind auch Tiefbohrungen, die in der Explorationsphase abgeteuft werden, nicht als materielles Wirtschaftsgut zu aktivieren. Mit dem Eintritt der wirtschaftlichen Fündigkeit (vgl. hierzu auch die Erläuterungen zum Wiesbadener Erlass unter 2.2) endet die Tätigkeit vorbereitender Art und auch nach DBA-Grundsätzen entsteht eine Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat. In diesem Zeitpunkt wird das Explorationsrecht vom inländischen Stammhaus in die neu entstandene ausländische Betriebsstätte überführt. Es kommt zur Entstrickung der stillen Reserven im selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgut (Abbaurecht oder Erdöl- bzw. Erdgasgewinnungsrecht), wobei jedoch

420

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der anzuwendende Fremdvergleichspreis im Betriebsstättenerlass definiert wurde: „sämtlicher Aufwand, der bis zum Beginn der Entwicklungs- und Produktionsphase für das jeweilige im ausländischen Staat belegene Konzessionsgebiet beim inländischen Stammhaus angefallen ist.“ Sollte ausnahmsweise der ausländische Staat für seine steuerlichen Zwecke das überführte Wirtschaftsgut mit einem höheren Wert ansetzen, ist dieser als Fremdvergleichspreis für deutsche Steuerzwecke maßgeblich. Die entstrickten stillen Reserven unterliegen jedoch nicht der vollen Besteuerung im Jahr der wirtschaftlichen Fündigkeit. Vielmehr ist in Höhe des Entstrickungsgewinns ein passiver Ausgleichsposten bzw. Merkposten nach Tz. 2.6.1. des Betriebsstättenerlasses zu bilden der entsprechend der Abschreibung des überführten Wirtschaftsguts aufzulösen ist. Bei Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus der Betriebsstätte, spätestens jedoch nach 10 Jahren ist der Merkposten aufzulösen. Im Ergebnis wird erreicht, dass die erhöhte Abschreibung des immateriellen Wirtschaftsgutes den steuerfreien ausländischen Betriebsstättengewinn vermindert und die Auflösung des Merkpostens die steuerpflichtigen Inlandseinkünfte erhöht (vgl. hierzu auch das Beispiel in: Schultz, ZSteu 2007 S. 73). Ferner enthält der Betriebsstättenerlass in Tz. 4.7.3. eine klare Regelung, dass eine Operator-Betriebsstätte strikt von der Exploration zu trennen ist. Regelmäßig werden Konsortien mit mehreren Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen gebildet, bei denen ein Unternehmen die Betriebsführerschaft (Operator) übernimmt. Dieser erbringt Dienstleistungen für die anderen Beteiligten (Non-Operator) im ausländischen Staat. Soweit der Operator Leistungen mit Gewinnzuschlag an die Non-Operator verrechnet, entsteht auch in der Explorationsphase ein steuerfreier Betriebsstättengewinn. Die auf den Anteil des Operators entfallenen eigenen Explorationsaufwendungen (ohne Gewinnzuschlag) sind dessen inländischem Stammhaus zuzurechnen. 3

Grundtypen der ausländischen Fiskalregime für die Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie

Dem Grundsatz folgend, dass die Bodenschätze eines Staates auch diesem Staat gehören, obliegt es diesem, das Fiskalregime für die Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie nach seinen Vorstellungen auszugestalten. Meist ist es ein Balanceakt zwischen Wettbewerbsfähigkeit der rohstoffreichen Staaten und Einnahmeerzielung und damit meist Wohlstandssteigerung dieser Staaten. Das Fiskalregime kann dabei auf einer reinen gesetzlichen Grundlage oder einer eher vertraglichen Grundlage basieren. Des Weiteren muss aus steuerlicher Sicht unterschieden werden zwischen einer Abgaben- bzw. ertragsunabhängigen Steu-

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

421

erbelastung einerseits und einer Ertragsteuerbelastung andererseits. Schließlich können auch die einzelnen Vertragstypen wie folgt unterschieden werden. 3.1

Konzessions- oder Lizenzverträge (Royalty/Tax Regime)

Konzessions- oder Lizenzverträge basieren auf rein gesetzlicher Grundlage. Das Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen hat zunächst Förderabgaben nach den jeweiligen nationalen Vorschriften zu entrichten. Meist gibt es unterschiedliche Förderabgabensätze für verschiedene Risikogruppen: die Erdölförderung wird anderes belastet als die Erdgasproduktion, die Förderung im Meer abweichend von der Förderung auf Land oder die Qualität der geförderten Kohlenwasserstoffe bestimmt den Abgabensatz. Gemeinsam ist den Förderabgaben die ertragsunabhängige Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Körperschaftsteuerlich stellen somit diese Förderabgaben sofort abzugsfähige Betriebsausgaben dar. Daneben unterliegen die Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen den allgemeinen Steuergesetzen des Tätigkeitsstaates, d.h. sie zahlen beispielsweise Ertragsteuern (Gewinnsteuern, Quellensteuern, lokale Sondersteuern), Substanzsteuern (Vermögensteuer, Gewerbekapitalsteuer, Grundsteuer), Verkehr- und Verbrauchsteuern (Umsatzsteuer, Zölle, Grunderwerbsteuer, Stromsteuer). Dessen ungeachtet sind Sonderregelungen für die Erdöl- bzw. Erdgasgewinnungsindustrie nicht unüblich. Diese können als lex specialis in die Steuergesetze Einklang finden oder durch Interpretation der allgemein gültigen Steuerrechtsnormen in Branchenerlassen für die Finanzverwaltung bindend niedergeschrieben werden. Als drittes Element der Abgabenbelastung finden sich auch Sonderölsteuern in Form von ertragsabhängigen oder aber auch ertragsunabhängigen Steuern. Diese Steuern gelten dann nur für die Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen und nicht für andere Steuerpflichtige. Das Risiko dieser Fiskalregime für die Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen ist die mangelnde Planbarkeit der Abgabenbelastung. Zwar können die Wirtschaftlichkeitsberechnungen unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage vorgenommen werden, für die endgültige Investitionsentscheidung sind jedoch Sensitivitätsrechnungen vorzunehmen, die in Zukunft mögliche, vom Ist-Zustand abweichende Rahmenbedingungen bewerten. Diese Fiskalregime dominieren derzeit in West-Europa, beispielsweise in Großbritannien (eine Special Oil Tax bzw. Supplementary Charge on Ring Fence Profits von 10% der Einkünfte wurde in 2002 eingeführt und in 2006 auf 20% erhöht), den Niederlanden (der State Profit Share erhöht den jeweils geltenden Körperschaftsteuersatz faktisch auf 50%) oder Norwegen (die Special Oil Tax von 50% wird neben der allgemeinen Körperschaftsteuer von 28% erhoben).

422

3.2

Niels-Peter Schoss

Produktionsaufteilungsverträge (PSC oder EPSA Regime)

Zum Typus der Fiskalregime auf vertraglicher Grundlage gehören die Produktionsaufteilungsverträge in unterschiedlicher Ausprägung. Üblich sind derzeit Productions Sharing Contracts (PSC), Exploration and Production Sharing Agreements (EPSA) oder Profit Sharing Agreements (PSA). Grundsätzlich werden die Verträge zwischen dem jeweiligen Staat bzw. der Staatsölgesellschaft und den ausländischen Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen frei verhandelt. Faktisch ist die Staatsölgesellschaft an Vorgaben des Staates gebunden und die zwischen den Parteien vereinbarten Verträge müssen abschließend vom Staat (z.B. Ölministerium oder Parlament) offiziell genehmigt bzw. ratifiziert werden. Durch die Ratifizierung erhalten die Verträge Gesetzeskraft, welches insbesondere für die Stabilitätsklausel und die Steuerklausel von erheblicher Bedeutung ist. Die dort meist für die gesamte Vertragsdauer festgeschriebene Steuerklausel tritt neben die allgemein gültigen Steuern oder ergänzt diese (vgl. auch zur Steuerklausel eines aserbaidschanischen PSC Schultz, IWB 2008 F. 6 Gr. 2 S. 9). Diese Fiskalregime sind dynamisch im Zeitablauf. Beispielsweise gibt es in Libyen aktuell vier EPSA-Generationen. In der zweiten EPSA-Generation befand sich eine Steuerklausel, wonach die ausländischen Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen von allen libyschen Steuern und Abgaben befreit sind. Der Staatsanteil der Produktion war entsprechend hoch und den ausländischen Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen verblieb ihr Produktionsanteil ungeschmälert. Allerdings fehlte den Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen hier Steueranrechnungsguthaben und sie mussten im Heimatstaat teilweise Steuern nachzahlen. Ab Ende der 90er Jahre verhandelte die libysche Staatsölgesellschaft (National Oil Company – NOC) Verträge auf Basis des EPSA III Entwurfs, welcher eine Steuerklausel enthielt, wonach die ausländischen Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen sämtlichen Steuern und Abgaben unterlagen, soweit diese auf der Grundlage der lokalen Ölgesetzgebung erhoben werden. Im Ergebnis wurden diese Gesellschaften in Libyen Schuldner der Einkommensteuer und der Förderabgabe. Aus Vereinfachungsgründen obliegt gemäß der EPSA III Steuerklausel der NOC die Verpflichtung, die libyschen Abgaben der Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen im Namen und für Rechnung dieser an die Finanzbehörden abzuführen und ordnungsgemäße Steuerquittungen zu besorgen. Nach den Grundsätzen des Internationalen Steuerrechts der betroffenen Staaten sollte damit die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung erreicht werden, d.h. libysche Betriebsstättengewinne sollen auch nur dort oder im jeweils höher besteuernden Staat besteuert werden. Da jedoch in der Steuerquittung sowohl umsatzabhängige Förderabgaben als auch gewinnabhängige Ertragsteuern in einem Betrag ausgewiesen wurde, gab es Steueranrechnungsprobleme in einigen Staaten. Diese wurde in der darauffolgenden Generation geändert. Die EPSA IV Steuerklausel sieht eine

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

423

Steuerquittung vor, bei der die beiden Beträge separat ausgewiesen werden. Damit steht der Steueranrechnung diesbezüglich nichts mehr im Wege. Die Produktionsaufteilungsverträge bieten ein weitaus höheres Maß an Planungssicherheit. Meist wird auch eine Stabilitätsklausel vereinbart, wonach die Parteien zu Nachverhandlungen aufgerufen werden, wenn es zu erheblichen Abweichungen der ökonomischen Rahmenbedingungen kommt. Dies kann eine veränderte Abgabenbelastung nach den allgemeinen Steuergesetzen einschließen. Alternativ können auch Regelungen in der jeweiligen Steuerklausel aufgenommen werden. Bei syrischen EPSAs findet sich beispielsweise die Regelung, dass der allgemeine Ertragsteuersatz bei Abschluss des EPSA für die gesamte Vertragsdauer nicht überschritten werden darf, d.h. eine spätere Steuererhöhung in Syrien wirkt sich nicht auf die Wirtschaftlichkeitsberechnungen aus. Umgekehrt können sich bei dieser Formulierung Steuersatzminderungen auf die Höhe der anrechenbaren Steuern auswirken. Insoweit ist es aus Gründen der Planungssicherheit stets vorteilhafter eine Festschreibung des Steuersatzes zu vereinbaren. Es darf aber auch nicht verkannt werden, dass Stabilitätsklauseln auch Gewinnpotential beschränken. So war es beispielsweise in Syrien in den 90er Jahren nicht unüblich, die Produktionsaufteilung in Abhängigkeit des Ölpreises vorzunehmen. Der syrischen Staatsölgesellschaft (Syrian Petroleum Company – SPC) stehen in einigen Fällen sämtliche Gewinne zu, soweit sie aufgrund eines über 40 $/bbl liegenden Ölpreises anfallen. Dieser Ölpreis war damals nahezu unvorstellbar, aber die Realität sieht anders aus. Bei Ölpreisen von über 100 $/bbl im Jahr 2008 profitiert die SPC erheblich von dieser Regelung. 3.3

Serviceverträge

Serviceverträge gehören ebenfalls zur Kategorie der Fiskalregime auf vertraglicher Grundlage. Sie können weiter unterschieden werden in risikobehaftete Serviceverträge (z.B. Fixed Production Fee Contracts oder PSC without oil entitlement) und risikolose Serviceverträge. Bei der ersten Gruppe hängt der Gewinn der ausländischen Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen im Wesentlichen vom Explorationserfolg und der Menge der produzierten Kohlenwasserstoffe ab. Teilweise ist auch der aktuelle Ölpreis zu berücksichtigen. Bei den risikolosen Serviceverträgen übernimmt das ausländische Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen lediglich die Finanzierung der Exploration und Feldesentwicklung bzw. leistet technischen Know-how Transfer und bekommt unabhängig vom Produktionsvolumen ein angemessenes Serviceentgelt. Steuerlich können Serviceverträge wie Produktionsaufteilungsverträge durch Ratifizierung Gesetzeskraft erlangen oder als reine privatrechtliche Verträge

424

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ausgestaltet sein. In letzterem Fall sind die allgemein gültigen Steuerrechtsnormen einschlägig. In Südamerika sind beide Arten von Serviceverträgen verbreitet; die risikolosen Serviceverträge finden sich beispielsweise im Iran. 4

Regelungen für die deutsche Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie in Doppelbesteuerungsabkommen

4.1

Artikel 6 OECD-MA

Als ein tragender Eckpfeiler in allen Doppelbesteuerungsabkommen gilt das Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates. Nach Art. 6 OECD-MA darf der Staat die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen besteuern, auf dessen Gebiet die Vermögensgegenstände belegen sind. Typische Anwendungsfelder sind die Einkünfte land- und fortwirtschaftlicher Betrieb, Einkünfte aus Grundvermögen und Einkünfte aus der Gewinnung von Bodenschätzen (= Positivkatalog in Art. 6 Abs. 2 OECD-MA). Nach dem Art. 6 Abs. 2 OECD-MA umfasst der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ in jedem Fall die „Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen“. Damit sind alle rechtlichen Ausgestaltungen der Gewinnung von Kohlenwasserstoffen erfasst. Konzessions- und Lizenzverträge (vgl. 3.1) aber auch Produktionsaufteilungsverträge (vgl. 3.2) stellen Rechte für die Ausbeutung dar. Serviceverträge (vgl. 3.3) fallen eher in die erste Kategorie (Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung). Die deutsche Abkommenspraxis übernimmt meist die Formulierung aus den OECD-Musterabkommen. Teilweise verzichten deutsche Doppelbesteuerungsabkommen auf einen Positivkatalog oder dieser findet sich in einem anderen Artikel wieder (vgl. im Einzelnen die Abkommensübersicht zu Artikel 6 Abs. 2, Reimer, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., 2008, Art. 6 Rz. 119), für die deutschen Unternehmen der Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie hat dies jedoch keine materiellen Auswirkungen. Insbesondere für Offshore-Aktivitäten deutscher Unternehmen finden sich einige Sonderregelungen in den Doppelbesteuerungsabkommen mit Norwegen (Art. 20), Dänemark (Art. 23) und Litauen (Art. 20A), die jedoch hinsichtlich der Belegenheit des unbeweglichen Vermögensgegenstandes „Bodenschatzgewinnungsrecht“ nur deklaratorische Bedeutung hat (vgl. hierzu auch Reimer, in: Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., 2008, Art. 6 Rz. 44).

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

4.2

425

Artikel 5 Abs. 2 Buchst. f und Abs. 4 Buchst. e OECD-MA

Art. 5 OECD-MA regelt den Begriff der Betriebsstätte. Für die Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie ist hier insbesondere der Art. 5 Abs. 2 Buchst. f OECDMA relevant: eine Betriebsstätte ist „ein Öl- oder Gasvorkommen, … oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen.“ Für die Ausübung der Tätigkeit bedarf es zwar nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA einer festen Geschäftseinrichtung, dies ist aber bei der Erdöl- und Erdgasgewinnung stets der Fall. Konkret handelt es sich dabei um die Förderanlagen auf dem Festland bzw. um fest mit dem Meeresboden verbundene Bohrinseln bzw. verankerte Produktionsschiffe. Die Suche nach Bodenschätzen, die Erkundung von Lagerstätten aber auch die Exploration auf dem Festlandsockel und dem Küstenmeer begründet auch bei bestehen einer festen Geschäftseinrichtung noch keine Betriebsstätte. Vielmehr handelt es sich nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. e OECD-MA um eine Tätigkeit vorbereitender Art, wenn diese durch das Erdöl- bzw. Erdgasunternehmen selbst ausgeübt wird. Ausnahmen hiervon finden sich im DBA Kanada (Art. 5 Abs. 4) und DBA Indien (Art. 5 Abs. 2 Buchst. f). Handelt es sich jedoch um ein Subunternehmen, das im Auftrag die Exploration durchführt, nicht jedoch die Ausbeutung der Lagerstätten beabsichtigt, entsteht bei dieser bereits in der Explorationsphase eine Betriebsstätte. Durch den Einsatz moderner Technologien wie z.B. abgelenkte Horizontalbohrungen kann es vorkommen, dass die Förderanlage auf dem Territorium des einen Staates errichtet wurde, mit der Produktionsbohrung jedoch auch Erdölbzw. Erdgasfelder eines anderen Staates ausgebeutet werden. Abkommensrechtlich determiniert dabei der Standort der festen Betriebseinrichtung nicht die Betriebsstätte. Vielmehr entstehen in diesen Fällen zwei Betriebsstätten, damit die Erdöl- bzw. Erdgasproduktion auf die beiden Staaten aufgeteilt werden kann. 4.3

DBA Iran vom 20.12.1968

Das Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Iran gilt gem. Art. 1 Abs. 2 nicht für deutsche Erdölunternehmen, die im Iran tätig werden, soweit sie den besonderen iranischen Vorschriften über Verträge auf dem Gebiet des Erdöls und der Erdölderivate unterliegen. Die Besteuerung der im Iran tätigen Erdölindustrie war zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA in besonderen Gesetzen geregelt und die Regelungen des DBA sollten diese nicht einschränken (vgl. auch Müller, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBA Iran Art. 1 Rz. 3; Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., 2008, Art.1 Rz. 59). In den letzten 40 Jahren und insbesondere nach der iranischen Revolution im Jahr 1978 hat sich das Steuersystem des Iran erheblich verändert. Trotzdem wurde das DBA nicht angepasst.

426

4.4

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DBA Norwegen vom 4.10.1991

Art. 20 des DBA Norwegen regelt die Besteuerung von Tätigkeiten in dem Seerechtsgebiet, das dem Hoheitsgewässer vorgelagert ist. Das Hoheitsgewässer oder Küstengewässer eines Staates ist nach Art. 3 SRÜ (Seerechtsübereinkommen vom 10.12.1982) grundsätzlich das Gebiet innerhalb der 12-Meilen-Zone, d.h. der ca. 22 km ins Meer hinausgehende Bereich. Dieser gehört zum Staatsgebiet, wobei die Staatshoheit jedoch beispielsweise durch besondere Durchfahrtsregelungen beschränkt werden kann. Unabhängig davon stehen den Staaten nach Art. 76 bis 83 SRÜ das Recht auf Ausbeutung der Naturschätze auf dem vorgelagerten Festlandsockel zu (vgl. hierzu auch Riemenschneider, IStR 2002 S. 563; Schultz, ZSteu 2007 S. 68). Aktivitäten außerhalb der 12-Meilen-Zone aber auf dem Festlandsockel werden durch Art. 20 DBA Norwegen gesondert geregelt. Die Vorschrift wurde in die Neufassung des DBA Norwegen aufgenommen, da das Abkommen von 1958 nach deutscher Auffassung auch für den Festlandsockel galt, was aber nicht der norwegischen Auffassung entsprach (vgl. Dörrfuß, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBA Norwegen Art. 20 Rz. 1). Soweit ein deutsches Erdöl- oder Erdgasunternehmen in Norwegen auf dem Festland oder innerhalb der 12-Meilen-Zone tätig ist, gelten die allgemeinen Vorschriften, d.h. insbesondere Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA Norwegen (Betriebsstätte bei Öl- und Gasvorkommen sowie bei der Ausbeutung von Bodenschätzen) und Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA Norwegen (Freistellung der Betriebsstättengewinne). Nach Art. 20 Abs. 2 DBA Norwegen entsteht jedoch keine Betriebsstätte bei der Erforschung oder Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen außerhalb der 12Meilen-Zone. Dessen ungeachtet darf der norwegische Staat die Tätigkeit eines deutschen Erdöl- oder Erdgasunternehmens besteuern, wobei die Grundsätze der Betriebstättengewinnermittlung (Art. 7 Abs. 2 und 3 DBA Norwegen) zu beachten sind. Dieses Besteuerungsrecht greift ein, sobald die Tätigkeit mehr als 30 Tage innerhalb von 12 Monaten (nicht Kalenderjahr) andauert. Gewinne eines deutschen Erdöl- oder Erdgasunternehmens nach Art. 20 Abs. 2 DBA Norwegen können nach Art. 23 Abs. 2 Buchst b (v) DBA Norwegen auch in Deutschland besteuert werden, allerdings sind die in Norwegen gezahlten Steuern auf die deutschen Steuern anrechenbar. Art. 20 Abs. 1 DBA Norwegen macht deutlich, dass für diese Aktivitäten die anderen Bestimmungen des Abkommens nicht gelten. Es entsteht gerade keine DBA-Betriebsstätte nach den allgemeinen Vorschriften und die steuerliche Freistellung von Betriebsstättengewinnen greift nicht (anders aber Dörrfuß, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBA Norwegen Art. 20 Rz. 5).

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

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Darüber hinaus regelt Art. 20 Abs. 6 DBA Norwegen, dass Veräußerungsgewinne im Zusammenhang mit einer Tätigkeit nach Art. 20 Abs. 2 DBA Norwegen wie laufende Gewinne besteuert werden. Dies gilt sowohl für den Verkauf von Wirtschaftsgütern (einschließlich Erforschungs- und Ausbeutungsrechte) als auch für den Verkauf von Gesellschaftsanteilen an entsprechenden Erdöl- oder Erdgasunternehmen. Letzteres greift unabhängig von der Ansässigkeit des Unternehmens, d.h. der Verkauf einer deutschen GmbH, einer britischen Ltd. oder einer norwegischen AS durch einen deutschen Gesellschafter kann in Norwegen besteuert werden. In Deutschland sind die norwegischen Steuern auf die deutschen Steuern nach Art. 23 Abs. 2 Buchst b (v) DBA Norwegen anzurechnen. 4.5

DBA Dänemark vom 22.11.1995

Art. 23 DBA Dänemark regelt umfassend die Besteuerung der Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie. Wie auch im Betriebsstättenerlass unterscheidet Art. 23 Abs. 1 DBA Dänemark drei Phasen der Aufsuchung und Förderung von Kohlenwasserstoffen: die Tätigkeiten im Zusammenhang mit vorbereitenden Untersuchungen (Projektverfolgungs- oder Akquisitionsphase), die Erforschung von Kohlenwasserstoffvorkommen (Explorationsphase) und die Förderung von Kohlenwasserstoffen (Entwicklungs- oder Produktionsphase). Diese Regelungen gehen dem allgemeinen Betriebsstättenartikel (Art. 5 DBA Dänemark) vor. In allen drei genannten Phasen begründet die Tätigkeit eine Betriebsstätte oder feste Einrichtung. Von der allgemeinen Regelung des Art. 23 Abs. 1 DBA Dänemark gibt es jedoch zwei Ausnahmen: die kurzfristige Tätigkeit im Sinne von Art. 23 Abs. 2 DBA Dänemark und die Offshore-Tätigkeit einer Bohrinsel im Sinne von Art. 23 Abs. 3 DBA Dänemark. Bei einer kurzfristigen Tätigkeit von höchstens 30 Tagen innerhalb einer Zeitspanne von 12 Monaten und bei der Offshore-Tätigkeit einer Bohrinsel von höchstens 365 Tage innerhalb einer Zeitspanne von 18 Monaten entsteht noch keine Betriebstätte. Bei der Ermittlung dieser Fristen sind gleichgerichtete Tätigkeiten verbundener Unternehmen zusammenzufassen, d.h. beim gemeinsamen Überschreiten der Zeiträume haben alle betroffenen verbundenen Unternehmen eine Betriebsstätte oder feste Einrichtung in Dänemark. Art. 23 Abs. 3 DBA Dänemark betrifft nur Offshore-Tätigkeiten einer Bohrinsel. Als Offshore-Tätigkeiten zählen sämtliche Tätigkeiten auf dem Seerechtsgebiet des betroffenen Staates. Dieses umfasst sowohl die 12-Meilen-Zone, d.h. das Hoheitsgewässer oder Küstengewässer gemäß Art. 3 SRÜ (Seerechtsübereinkommen vom 10.12.1982) als auch den Festlandsockel gemäß Art. 76 bis 83 SRÜ (vgl. auch Krabbe, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBA Dänemark Art. 23 Rz. 13). Die Tätigkeiten müssen aber mittels einer Bohrinsel ausgeübt werden. Eine Bohrinsel oder Bohrplattform ist nicht notwendigerweise

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mit dem Meeresgrund fest verbunden. Insbesondere bei Explorationsarbeiten kommen transportable Bohrinseln zum Einsatz, die vorübergehend z.B. mittels Anker über dem Bohrloch auf Position gehalten werden. Allerdings sind auch Halbtaucherbohrinseln (TLP) und Bohrschiffe (FSOP) bei der Produktion von Kohlenwasserstoffen einsetzbar. Soweit ein Unternehmen oder mehre verbundene Unternehmen für ihre Tätigkeiten in einem geographisch begrenzen Bereich verschiedene Bohrinseln bzw. Bohrtechniken einsetzen, sind alle Tätigkeiten bei der Ermittlung der Fristen zusammenzufassen. Art. 23 Abs. 6 DBA Dänemark schränkt die Veräußerungsgewinnbesteuerung nach Art. 13 DBA Dänemark ein. Grundsätzlich sind Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstättenvermögen im Belegenheitsstaat zu besteuern. Soweit eine Offshore-Tätigkeit beendet wird und die Bohrinsel aus dem Betriebsstättenvermögen ausscheidet, ist der Entnahmegewinn im Belegenheitsstaat steuerfrei. Allerdings bestimmt Art. 23 Abs. 6 S. 2 DBA Dänemark die Höhe des steuerfreien Entnahmegewinns (Veräußerungsgewinns): Marktwert abzüglich Restbuchwert zuzüglich in Anspruch genommene Abschreibungen. Dies führt regelmäßig zu einer Nachversteuerung bislang im Belegenheitsstaat der Betriebsstätte vorgenommener Abschreibungen. Dänische Betriebsstättengewinne eines deutschen Erdöl- oder Erdgasunternehmens können nach Art. 7 DBA Dänemark i.V.m. Art. 23 DBA Dänemark und Art. 24 Abs. 1 Buchst b (bb) DBA Dänemark auch in Deutschland besteuert werden, allerdings sind die in Dänemark gezahlten Steuern auf die deutschen Steuern anrechenbar. Da Art. 23 Abs. 1 – 3 DBA Dänemark als Sonderregelung gegenüber dem allgemeinen Betriebsstättenartikel (Art. 5 DBA Dänemark) anzusehen ist und dieser Artikel umfassend die Tätigkeit eines deutschen Erdöloder Erdgasunternehmens erfasst, bleibt es bei der Steueranrechnung für diese Unternehmen. Ein späterer Übergang zu steuerfreien Betriebsstätteneinkünften nach den allgemeinen Grundsätzen, d.h. Art. 7 DBA Dänemark i.V.m. Art. 5 DBA Dänemark und Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA Dänemark wäre systemwidrig und unsachgemäß (anders aber Krabbe, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBA Dänemark Art. 23 Rz. 3). Gewinne aus der Veräußerung von dänischem Betriebsstättenvermögen eines deutschen Erdöl- oder Erdgasunternehmens sind nach Art. 13 DBA Dänemark i.V.m. Art. 23 DBA Dänemark und Art. 24 Abs. 1 Buchst a DBA Dänemark in Deutschland steuerfrei. Zu beachten ist allerdings die Sonderregelung für Entnahmegewinne von Bohrinseln nach Art. 23 Abs. 6 DBA Dänemark, wonach Dänemark das Besteuerungsrecht bis zur Höhe der bislang vorgenommenen Abschreibungen hat und Deutschland nach Art. 24 Abs. 1 Buchst b (bb) DBA Dänemark die dänischen Steuern anrechnet.

Die ertragsteuerliche Behandlung von Auslandsinvestitionen bei Erdöl- und Erdgas

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Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einem Erdöl- oder Erdgasunternehmen, dessen Vermögen überwiegend in Dänemark belegen ist, können nach Art. 13 Abs. 1 S. 2 DBA Dänemark i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Buchst b (bb) DBA Dänemark sowohl in Dänemark als auch in Deutschland besteuert werden, allerdings sind die in Dänemark gezahlten Steuern auf die deutschen Steuern anrechenbar. Dieses gilt gleichermaßen für Anteile an deutschen, dänischen oder sonstigen Gesellschaften, soweit diese von einer deutschen Muttergesellschaft gehalten werden. 4.6

DBA Litauen vom 22.7.1997

Wie auch Art. 20 des DBA Norwegen regelt Art. 20A DBA Litauen die Besteuerung von Tätigkeiten der Erdöl- oder Erdgasunternehmen in dem Seerechtsgebiet, das der 12-Meilen-Zone vorgelagert ist (vgl. die Ausführungen oben unter 4.4). Soweit ein deutsches Erdöl- oder Erdgasunternehmen in Litauen auf dem Festland oder innerhalb der 12-Meilen-Zone tätig ist, gelten die allgemeinen Vorschriften, d.h. insbesondere Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA Litauen (Betriebsstätte bei Öl- und Gasvorkommen sowie bei der Ausbeutung von Bodenschätzen) und Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA Litauen (Freistellung der Betriebsstättengewinne). Nach Art. 20A Abs. 2 DBA Litauen entsteht jedoch keine Betriebsstätte bei der Erforschung oder Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen außerhalb der 12Meilen-Zone. Dessen ungeachtet darf der litauische Staat die Tätigkeit eines deutschen Erdöl- oder Erdgasunternehmens besteuern, wobei die Grundsätze der Betriebsstättengewinnermittlung (Art. 7 Abs. 2 und 3 DBA Litauen) zu beachten sind. Dieses Besteuerungsrecht greift, sobald die Tätigkeit mehr als 30 Tage innerhalb von 12 Monaten (nicht Kalenderjahr) andauert. Gewinne eines deutschen Erdöl- oder Erdgasunternehmens nach Art. 20A Abs. 2 DBA Litauen sind nach Art. 23 Abs. 1 Buchst a DBA Litauen in Deutschland steuerfrei. Damit werden diese Einkünfte entsprechend den Betriebsstätteneinkünften bei Tätigkeit in der 12-Meilen-Zone oder auf dem Festland behandelt. Darüber hinaus regelt Art. 20A Abs. 6 DBA Litauen, dass Veräußerungsgewinne im Zusammenhang mit einer Tätigkeit nach Art. 20 Abs. 2 DBA Litauen wie laufende Gewinne besteuert werden. Dies gilt sowohl für den Verkauf von Wirtschaftsgütern (einschließlich Erforschungs- und Ausbeutungsrechte) als auch für den Verkauf von Gesellschaftsanteilen an entsprechenden Erdöl- oder Erdgasunternehmen. Letzteres greift unabhängig von der Ansässigkeit des Unternehmens, d.h. der Verkauf einer deutschen GmbH, einer niederländischen BV oder einer litauischen UAB durch einen deutschen Gesellschafter kann in Litauen besteuert werden. Deutschland hat die Veräußerungsgewinne ebenfalls nach Art. 23 Abs. 1 Buchst a DBA Litauen freizustellen.

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Aktuelle Problembereiche und Ausblick

In Deutschland haben sich über die Jahrzehnte erstaunlich viele Sonderregelungen für Auslandsinvestitionen der deutschen Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie gebildet. Die Ursachen hierfür erklären sich zum einen durch die Lenkungsfunktion der Besteuerung, d.h. hier dem Aufbau von konkurrenzfähigen Unternehmen zur Sicherstellung der Energieversorgung in Krisenzeiten. Hier ist insbesondere die staatliche Förderung der DEMINEX zu nennen. Andererseits rückt bei den abkommensrechtlichen Sonderregelungen die Fiskalfunktion der Besteuerung, d.h. die Einnahmeerzielung der betroffenen Staaten in den Vordergrund, zumal die Förderstaaten, d.h. die erdöl- bzw. erdgasreichen Länder auch den überwiegenden Teil der Wertschöpfung für sich beanspruchen. In den letzten zehn Jahren haben sich die Erdölpreise drastisch erhöht. Der Referenzölpreis Brent, ein leichtes Nordseeöl, ist von ca. 10 $/bbl. im Jahr 1999 auf nahezu 150 $/bbl. im Jahr 2008 gestiegen. Entsprechend haben sich auch die Gewinne aller erdöl- bzw. erdgasproduzierenden Gesellschaften entwickelt. Durch höhere Erdölpreise entstehen wiederum weitere Möglichkeiten Lagerstätten zu entwickeln, die nun wirtschaftlich geworden sind. Hier sind insbesondere Schwerölprojekte (wie z.B. in Kanada, das über enorme Ressourcen an Ölsanden verfügt) oder Tiefseebohrungen (wie z.B. im Golf von Mexiko) zu nennen, die Investitionen in Milliardenhöhe benötigen. In Anbetracht dieser Marktbedingungen steigt tendenziell die Begehrlichkeit der Erdöl- bzw. Erdgasförderländer. Sie erhöhen die Förderabgaben und Steuern, streben eine höhere Staatsbeteiligung an den einzelnen Projekten an oder enteignen gar die ausländischen Mineralölgesellschaften. Auch die steuerlichen Rahmenbedingungen der deutschen Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie ist in den letzten Jahren stark unter Druck geraten. Durch das SEStEG (Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7.12.2006) wurde mit dem § 12 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4g EStG erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Steuerentstrickung geschaffen. Insoweit sind die Regelungen des Betriebsstättenerlasses (siehe 2.6) teilweise überholt. Wird nunmehr beispielsweise eine Exploration in Großbritannien wirtschaftlich fündig, hat dies Auswirkungen auf die Höhe der zu entstrickenden stillen Reserven (§ 12 Abs. 1 KStG bezieht sich hierbei auf den gemeinen Wert) und den Zeitraum für die Nachversteuerung (§ 4g EStG gestattet die Auflösung des Ausgleichsposten nur über fünf Jahre). Durch § 12 Abs. 1 KStG werden darüber hinaus weitere Fälle erfasst, die gerade für die deutsche Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie erhebliche Kosten ver-

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ursachen kann. Gemeint ist damit die Steuerentstrickung durch Abschluss eines neuen oder geänderten Doppelbesteuerungsabkommens. Tritt beispielsweise das seit Jahren verhandelte DBA Libyen in Kraft, sind sämtliche stille Reserven in libyschen Vorhaben aufzudecken und zu versteuern. In diesem Zusammenhang verschärft auch die in 2003 eingeführte isolierende Betrachtungsweise bei der Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG die deutsche Besteuerung. Da die Gewinne aus der Aufdeckung der stillen Reserven nicht in Libyen besteuert werden, unterliegen diese der vollen Besteuerung in Deutschland. Eine Anrechnung libyscher Steuern aus der laufenden Erdölproduktion in Libyen auf die deutsche Steuer des Entstrickungsgewinns erfolgt somit nicht. Auch die durch das Jahressteuergesetz 2008 neu eingefügte Regelung des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG belastet die deutsche Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie. Aufgrund von rechtlichen Rahmenbedingungen für Explorationsaktivitäten besteht teilweise die Notwendigkeit Gesellschaften im Tätigkeitsstaat zu errichten. Soweit diese dann mit Gesellschafterdarlehen finanziert werden und wenn wegen Nichtfündigkeit eine Wertberichtigung vorzunehmen ist, kann diese Wertminderung steuerlich nunmehr nicht geltend gemacht werden. Inwieweit die oben beschriebenen Sondererlasse für die deutsche Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie weiterhin Bestand haben, ist seit Erlass der beiden BMF-Schreiben vom 2.3.2005 und 29.3.2007 zur Eindämmung der Normenflut ebenfalls umstritten. Einzig der Betriebsstättenerlass (siehe 2.6) wird hier genannt (Nr. 90 der Anlage zum BMF-Schreiben vom 29.3.2007) und ist grundsätzlich weiterhin anwendbar. Allerdings ist auch zu beachten, wer die Sondererlasse verfügt hat. Nur soweit es sich um BMF-Schreiben oder um vergleichbare Verwaltungsvorschriften handelt, kann das BMF deren Anwendung einschränken. Koordinierte Ländererlasse sind somit davon nicht betroffen. Mit einem Blick über die Grenze Deutschlands bleibt festzustellen, dass andere Staaten für die hier betrachtete Branche heutzutage standortfreundlichere Rahmenbedingungen bieten. Insoweit ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl der deutschen Unternehmen in der Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie stetig abnimmt.

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Literaturverzeichnis Dörrfuß, P.: Kommentar zum DBA Norwegen, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, München, Stand: Juli 2009 (108. Ergänzungslieferung). Krabbe, H.: Kommentar zum DBA Dänemark, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, München, Stand: Juli 2009 (108. Ergänzungslieferung). Müller, K.-D.: Kommentar zum DBA Iran, in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, München, Stand: Juli 2009 (108. Ergänzungslieferung). Prokisch, R. (2008): Kommentierung zu Art. 1 DBA, in: Vogel/Lehner, DBA Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Auflage, München 2008. Reimer, E. (2008): Kommentierung zu Art. 6 DBA, in: Vogel/Lehner, DBA Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar, 5. Auflage, München 2008. Riemenschneider, U. (2002): Betriebsstättenfragen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Rohrleitungen, Internationales Steuerrecht 2002 S. 561 - 565. Schultz, S. (2007): Explorationstätigkeit deutscher Unternehmen im Ausland, Zeitschrift für Steuern & Recht 2007, S. 66 - 76. Schultz, S. (2008): Das (Öl)Steuerrecht Aserbaidschans, in: Internationale Wirtschafts-Briefe, Fach 6, Gruppe 2, S. 7 - 12.

Die Besteuerung des Unternehmenskaufs - Empirische Evidenz Ulrich Schreiber / Martin Ruf

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................. 435 2 Wirkungen der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen beim Unternehmenskauf .................................................................................... 436 3 Empirische Evidenz zum Einfluss von Steuern auf den Unternehmenskauf .................................................................................... 439 4 Empirische Evidenz für Steuerplanung beim Unternehmenskauf ............. 441 5 Empirische Evidenz für Steuern als Transaktionshemmnis beim Unternehmenskauf? .................................................................................. 444 6 Zusammenfassung..................................................................................... 447

Die Besteuerung des Unternehmenskaufs - Empirische Evidenz

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Einleitung

Der Unternehmenskauf ist eine bedeutsame Form unternehmerischer Investitionen. Dies gilt im nationalen Bereich genauso wie im internationalen Bereich. So bestehen beispielsweise Direktinvestitionen zu einem wesentlichen Teil aus dem Kauf von Unternehmen. Im Jahre 2007 wechselten Unternehmen im Wert von 1.637 Milliarden EURO über Landesgrenzen hinweg den Eigentümer1. Vor diesem Hintergrund betont die neuere volkswirtschaftliche Literatur2 zu Recht, dass Steuerwirkungen beim Unternehmenkauf besondere Beachtung zu schenken sei. Nun hat sich die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre seit langem mit Unternehmenskäufen beschäftigt3 und dabei sowohl grundlegende Steuerwirkungen analysiert als auch vielfältige Möglichkeiten der Steuerplanung entwickelt. Allerdings fehlen in der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Steuerlehre weitgehend Untersuchungen, welche den Einfluss von Steuern auf Unternehmenskäufe empirisch belegen können. Ziel dieses Beitrages ist es deswegen, die überwiegend vor dem Hintergrund des Steuerrechts der USA gewonnen empirischen Erkenntnisse zur Wirkung von Steuern in Zusammenhang mit dem Kauf von Unternehmen und Anteilen an Unternehmen aufzuarbeiten. Diese Erkenntnisse erlauben eine erste empirische Einschätzung der Wirkung von Steuern auf Unternehmenskäufe4. Der Rest des Beitrages ist wie folgt gegliedert: Abschnitt 2 behandelt die grundsätzlich zu erwartenden Wirkungen von Steuern auf den Preis, zu dem Unternehmen oder Anteile an Unternehmen gehandelt werden. Abschnitt 3 gibt einen Überblick über empirische Studien zum Einfluss von Steuern auf den Unternehmenskauf. Abschnitt 4 berichtet über empirische Evidenz zur Steuerplanung beim Unternehmenskauf, und Abschnitt 5 geht der Frage nach, ob es empirische Evidenz für steuerliche Transaktionshemmnisse beim Unternehmenskauf gibt. Abschnitt 6 fasst zusammen.

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Vgl. UNCTAD (2008). Vgl. Desai und Hines (2003), Becker und Fuest (2007). Vgl. etwa Herzig und Förster (1997), Krawitz und Leukel (2001), Rogall (2003), Wagner (2007), Jacobs (2007) und Jacobs (2008). Frühe Übersichten zu empirischen Studien, welche steuerliche Effekte beim Unternehmenskauf bis zum Jahr 1988 untersuchen, finden sich bei Jarrell, Brickley und Netter (1988). Andrade, Mitchell und Stafford (2001) berichten über die empirische Forschung zum Unternehmenskauf bis zum Jahr 2001. Shackelford und Shevlin (2001) geben einen Überblick über Forschungsergebnisse im Bereich des Tax Accounting zum Unternehmenskauf, und Graham (2003) stellt Forschungen zum Einfluss von Steuern auf den Unternehmenskauf aus Sicht der Finanzwirtschaft dar.

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Wirkungen der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen beim Unternehmenskauf

Fällt infolge der Veräußerung eines Unternehmens eine Veräußerungsgewinnsteuer an, wird die Veräußerung regelmäßig nur dann zustande kommen, wenn es steuerliche oder nicht steuerliche eignerspezifische Vorteile gibt. Denn verzichtet der bisherige Eigentümer (Verkäufer) auf den Verkauf, so bleibt ihm Unternehmensvermögen mit dem Ertragswert E V . Dieser Ertragswert wird durch Vergleich der Zahlungsüberschüsse der Unternehmung mit einer alternativen Kapitalmarktanlage ermittelt. Ein potentieller Käufer berechnet dagegen den Ertragswert E E anhand seiner alternativen Kapitalmarktanlage auf der Grundlage der Zahlungen, welche die Unternehmung nach dem Eigentümerwechsel generiert. Unterscheiden sich diese beiden Ertragswerte nicht, dann verhindert die infolge einer Veräußerung anfallende Veräußerungsgewinnsteuer grundsätzlich den Unternehmensverkauf. Die Ertragswerte von Verkäufer und Käufer können aber eignerspezifisch sein. Sie können vor allem auf Grund unterschiedlicher wirtschaftlicher Verhältnisse auseinander fallen. Dies ist zunächst der Fall, wenn sich die erwarteten Zahlungsüberschüsse oder Zinssätze vor Steuern durch den Eigentümerwechsel ändern. Ein Grund sind etwa Synergieeffekte auf der Seite des Käufers. Aber auch Steuern können für ein Auseinanderfallen der Ertragswerte verantwortlich sein. Dies ist der Fall, wenn sich die Steuersätze oder Bemessungsgrundlagen durch die Transaktion ändern oder wenn sich die Zinssätze der alternativen Kapitalmarktanlage unter dem Einfluss von Steuern unterscheiden. Wenn der Ertragswert aus Sicht des Käufers höher ist als aus der Sicht des Verkäufers, kann es im Grundsatz zu einer Veräußerung kommen. Von der Besteuerung gehen isoliert gesehen Anreize zum Verkauf aus, wenn vor Steuern der Ertragswert des Käufers dem Ertragswert des Verkäufers gleicht, während nach Steuern E V < E E gilt. Derartige steuerliche Verhältnisse wird man eher bei einer grenzüberschreitenden Transaktion erwarten. Sie können aber auch bei einer nationalen Transaktion auftreten. Damit eine Veräußerung stattfindet, genügt es nicht, dass der Ertragswert des Käufers höher ist als der Ertragswert des Verkäufers, vielmehr muss auch der Grenzpreis des Käufers höher sein als der Grenzpreis des Verkäufers. Grenzpreis ist der Preis, der unter Beachtung aller Steuern mindestens verlangt (höchstens gezahlt) wird, damit eine Transaktion zu Stande kommt5. Deswegen sind zusätzlich zu den Steuern, welche die Ertragswerte von Verkäufer und Käufer bestimmen, auch diejenigen Steuerzahlungen zu beachten, welche die Transaktion 5

Vgl. Wagner und Rümmele (1995), Siegel (1994) und Rogall (2003) zur Preisbildung.

Die Besteuerung des Unternehmenskaufs - Empirische Evidenz

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selbst auslöst. Dies sind auf der Seite des Verkäufers Steuern auf einen möglichen Veräußerungsgewinn, und auf der Seite des Käufers Steuerersparnisse durch den Abzug des Kaufpreises und möglicher Finanzierungskosten von der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Veräußert der bisherige Eigentümer die Unternehmung, so muss er einen Preis P V erzielen, der nach Abzug der Steuern, welche durch den Verkauf (sowie den Verkauf vorbereitende mögliche Umstrukturierungen) ausgelöst werden, mindestens dem Ertragswert gleicht. Bezeichnet S V den Wert der aus dem Verkauf resultierenden Steuerzahlungen, so ergibt sich der Grenzpreis PV des Verkäufers folglich aus der Bedingung (1) PV = E V + S V . Der Wert der aus der Transaktion resultierenden Steuerzahlungen S V hängt von der rechtlichen Organisation des Verkäufers (des verkaufenden Unternehmens) sowie der rechtlichen Organisation des verkauften Unternehmens (der Anteile am verkauften Unternehmen) ab. Der Käufer bezahlt höchstens den Preis P E für die zukünftigen Zahlungsüberschüsse und erhält hierfür zunächst den Ertragswert der Unternehmung. Zusätzlich berücksichtigt der Käufer Steuerersparnisse aufgrund der erwerbsbedingten Anschaffungskosten und mögliche Steuerzahlungen oder Steuerersparnisse durch nach dem Kauf erfolgende Umstrukturierungen. Aus Sicht des Käufers muss der Ertragswert der zu erwerbenden Unternehmung zuzüglich des Barwerts der aufgrund des Kaufs zusätzlich sich möglicherweise ergebenden Steuerersparnisse mindestens dem für den Kauf aufgewendeten Preis entsprechen. Sind die steuerlichen Effekte infolge der Transaktion aus Sicht des Käufers positiv und bezeichnet S E den Wert der aus der Transaktion resultierenden Steuerersparnisse, so folgt der Grenzpreis des Käufers aus der Bedingung (2) P E = E E + S E . Eine Transaktion kommt zu Stande, wenn ein Einigungsbereich existiert. Dies ist gegeben, wenn der Käufergrenzpreis den Verkäufergrenzpreis übersteigt oder diesem entspricht. Die infolge einer Unternehmenstransaktion anfallenden Steuern auf Veräußerungsgewinne sollten den Preis einer Unternehmung oder eines Anteils am Unternehmen also über den betreffenden Ertragswert heben. Je höher diese Steuern auf Veräußerungsgewinne sind, desto höher sollte die Preisforderung sein. Den Einfluss der durch die Transaktion ausgelösten Steuern erkennt man unmittelbar unter der Annahme E V = E E . Eine Transaktion kommt dann nur zustande, wenn die Relation S V ≤ S E gegeben ist. Diese Relation wird durch die steuerli-

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chen Bemessungsgrundlagen und Steuersätze von Verkäufer und Käufer bestimmt. Selbst wenn diese identisch sind, kommt es zur Behinderung der Transaktion, wenn der Wert der Steuerzahlungen des Verkäufers größer ist als der Wert der korrespondierenden Steuerersparnisse des Käufers. Dies ist regelmäßig der Fall, weil die Steuerzahlung des Verkäufers zeitlich vor der Steuerersparnis des Käufers liegt (Lock-in-Effekt). Es kann aber auch dazu kommen, dass der Wert der durch die Transaktion beim Käufer ausgelösten Steuerersparnisse höher ist als der Wert der betreffenden Steuerzahlungen beim Verkäufer. Dann gibt es steuerliche Anreize zum Verkauf (Lock-out-Effekt). Man wird Instrumente der Steuerplanung einsetzen, um (i) die Höhe und den zeitlichen Anfall der vom Verkäufer zu leistenden transaktionsbedingten Steuerzahlungen zu gestalten und (ii) die Höhe und den zeitlichen Anfall möglicher Steuererstattungen beim Käufer zu beeinflussen. Dabei kann man sich regelmäßig den Unterschied zwischen einer Transaktion mit Anteilen an Kapitalgesellschaften (Share Deal) und mit Anteilen an Personengesellschaften (Asset Deal) zu Nutze machen. Der Verkäufer zieht häufig den Share Deal vor, weil der Veräußerungsgewinn hier oft steuerlich geringer belastet ist; aber auch ein Asset Deal kann vorteilhaft sein, wenn es spezifische Steuererleichterungen gibt. Der Käufer dagegen zieht in aller Regel den Asset Deal vor. Denn beim Asset Deal hat der Käufer den Kaufpreis auf einzelne abzuschreibende Wirtschaftsgüter zu verteilen (Step-up). In der Folge kann der Käufer den Kaufpreis für das Unternehmen oder den Anteil am Unternehmen zeitnah steuerlich geltend machen. Hinzu kommt die Gestaltung der Finanzierung des Unternehmenskaufs. Der Käufer wird bestrebt sein, Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung des Kaufpreises eingesetzt wird, steuerlich so abzuziehen, dass die höchsten Steuerersparnisse zu erzielen sind. Gelingt es den Unternehmen nicht, mittels Steuerplanung mögliche Transaktionshemmnisse zu beseitigen, die von der Besteuerung des Unternehmenskaufs ausgehen, so werden betriebswirtschaftlich sinnvolle Unternehmenskäufe aufgrund der Besteuerung der Transaktion nicht durchgeführt. In diesem Fall drohen gesamtwirtschaftlich negative Auswirkungen, wenn Eigentümervorteile nicht realisiert werden. Aber auch Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen sind zu erwarten, wenn die Besteuerung einzelne Unternehmensübernahmen unterschiedlich trifft. Eine Reihe von empirischen Studien behandelt den Einfluss der Besteuerung auf Unternehmenskäufe. Diese Untersuchungen lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: (i) Studien, die den Steuereinfluss auf den Preis bei Übernahmen von Unternehmen untersuchen; (ii) Studien, welche versuchen, steuerplanerische Aktivitäten im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen nachzuweisen, und schließlich findet man (iii) Untersuchungen, die überprüfen, ob Steuern ökono-

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misch sinnvolle Unternehmenskäufe verhindern oder ob sie selbst Auslöser für Unternehmenskäufe sind. 3

Empirische Evidenz zum Einfluss von Steuern auf den Unternehmenskauf

Eine der ersten empirischen Untersuchungen zur Wirkung von Veräußerungsgewinnsteuern auf den Preis im Falle eines Unternehmenskaufs wurde von Hayn (1989) durchgeführt. Die Autorin untersucht anhand von Börsenpreisen und Bilanzdaten US-amerikanischer Unternehmen den Einfluss steuerlicher Determinanten des Zielunternehmens auf die Kursentwicklung des Zielunternehmens und des erwerbenden Unternehmens vor Abschluss, aber nach Bekanntgabe eines Unternehmenskaufs. Ziel ihres Beitrags ist es zu zeigen, dass die zu beobachtende Steigerung des Wertes der Anteile am Zielunternehmen infolge einer Übernahme auch steuerlich bedingt ist. Tragen aber steuerliche Charakteristika zur Wertsteigerung aufgrund eines Unternehmenskaufs bei, so ist zu vermuten, dass Steuern auch darauf Einfluss nehmen, dass zum einen überhaupt der Kauf eines Unternehmens angestrebt wird und dass Steuern zum anderen dafür mit entscheidend sind, welche Unternehmen sich an einer solchen Transaktion beteiligen. Hayn zeigt, dass die Existenz eines Verlustvortrags oder die Existenz von steuerlichen Anrechnungsguthaben (wegen des US-amerikanischen Anrechnungsverfahrens mit Bezug auf ausländische Beteiligungen) im Fall von steuerfreien Transaktionen zu einer günstigen Kursentwicklung beider beteiligter Unternehmen nach Bekanntgabe, aber vor Abschluss der Transaktion beiträgt. Für den Fall von steuerpflichtigen Transaktionen führt der Umfang eines möglichen steuerlichen Step-up zu einer solchen günstigen Kursentwicklung. Erickson und Wang (2000) betrachten den Einfluss von Steuern auf die Bestimmung des Kaufpreises bei Unternehmenskäufen. US-amerikanische Unternehmen können über ein Wahlrecht verfügen, die steuerpflichtige Veräußerung von Anteilen (Share Deal) des Zielunternehmens wie eine steuerpflichtige Veräußerung der Wirtschaftsgüter (Asset Deal) zu behandeln. Letzteres hat den Vorteil, dass nach der Transaktion die Buchwerte des Zielunternehmens wegen des Stepup infolge des Asset Deals höher sind. Die daraus resultierenden Abschreibungen führen dann zu Steuerersparnissen. Erickson und Wang können zeigen, dass in Fällen, in denen dieses Wahlrecht ausgeübt wurde, die gezahlte Übernahmeprämie höher ist. Dies deutet darauf hin, dass Steuerersparnisse des Kaufs den Kaufpreis erhöhen und insgesamt die steuerlichen Verhältnisse von Käufer und Verkäufer bei der Bestimmung des Kaufpreises eine Rolle spielen. Henning und Shaw (2000) können zeigen, dass seit der Zulässigkeit einer steuerlichen Firmenwertabschreibung in den USA im Jahre 1993 zum einen die Preise

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im Falle der Veräußerung von Unternehmen gestiegen sind und zum anderen ein größerer Anteil des Step-up auf den Firmenwert entfällt. Henning, Shaw und Stock (2000) untersuchen, wer aufgrund eines Unternehmenskaufs anfallende Steuern wirtschaftlich zu tragen hat. Zu diesem Zweck beziehen sie die (nach US-Steuerrecht) durch den Käufer zu tragende Steuerlast, die durch den Verkäufer zu tragende Steuerlast und einen eventuell beim Verkäufer vorhandenen Verlustvortrag auf das Verhältnis von Kaufpreis und Buchwert des Zielunternehmens. Sie stellen fest, dass es dem Käufer in der Regel nicht gelingt, die von ihm zu tragenden Steuern auf den Verkäufer in Form eines geringeren Kaufpreises zu überwälzen. Dagegen wird der Kaufpreis signifikant von der Steuerlast des Verkäufers bestimmt. Die Autoren folgern daraus, dass diese Steuer zumindest teilweise vom Käufer getragen wird. Ein Verlustvortrag auf Ebene des Zielunternehmens hat dagegen keinen signifikanten Einfluss auf den Kaufpreis. Erickson (2000) weist indes darauf hin, dass eine eventuell vorhandene Endogenität einer erklärenden Variable zu einer Verzerrung der Ergebnisse dieser Studie geführt haben könnte. Ayers, Lefanowicz und Robinson (2003) untersuchen den Einfluss von Veräußerungsgewinnsteuern auf die Übernahmeprämie (die Übernahmeprämie ist definiert als Differenz zwischen dem Preis, den das übernehmende Unternehmen an die Anteilseigner des Zielunternehmens zahlt, und dem Preis der Anteile vor Bekanntgabe der Übernahmeabsicht). Die Autoren können zeigen, dass im Falle eines steuerpflichtigen Unternehmenskaufs die Übernahmeprämie mit der vom Verkäufer zu zahlenden Veräußerungsgewinnsteuer steigt. Sind am veräußernden Unternehmen in großem Umfang (steuerfreie) institutionelle Investoren beteiligt, ist dieser Einfluss geringer. Bley und Madura (2003) zeigen, dass die Ankündigung eines Unternehmenskaufs positive Wirkungen auf die Wertpapierrendite ähnlicher Unternehmen hat. Dies gilt in Europa über Ländergrenzen hinweg. Die Autoren können auch belegen, dass die steuerliche Abschreibbarkeit eines Firmenwertes auf diesen Effekt einen positiven Einfluss hat. Dhaliwal, Erickson und Heitzman (2004) untersuchen den Einfluss steuerlicher Charakteristika auf den geforderten Verkaufspreis im Falle von Krankenhäusern. Sie können zeigen, dass Anteilseigner, die Veräußerungsgewinne nicht zu versteuern haben, einen niedrigeren Verkaufspreis fordern als Anteilseigner, die Veräußerungsgewinnsteuern zahlen müssen. Erickson und Wang (2007) untersuchen den Einfluss der Rechtsform auf den Veräußerungspreis von US-amerikanischen Unternehmen. In den USA können Anteilseigner einer Körperschaft unter bestimmten Voraussetzungen dafür optieren, dass das Einkommen der Körperschaft nach dem Transparenzprinzip besteuert wird. Im Falle einer Veräußerung besteht dann ein steuerlicher Anreiz, die Veräußerung als Asset Deal zu strukturieren. Zwar ist eine Veräußerungsgewinnsteuer in diesem Fall nicht vermeidbar, jedoch profitiert der Käufer infolge

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des aus dem Asset Deal resultierenden Step-up der Wirtschaftsgüter. Dies gilt nicht für Körperschaften, für welche die Anteilseigner diese Option nicht ausüben, da in diesem Fall auf einen steuerfreien Share Deal zurückgegriffen werden kann. Erickson und Wang können zeigen, dass der Veräußerungspreis für Körperschaften, die aufgrund der Wahl der Anteilseigner nach dem Transparenzprinzip besteuert werden, höher ist als der Preis anderer Körperschaften. Dieser höhere Veräußerungspreis kann zudem durch die steuerlichen Charakteristika des veräußernden Unternehmens erklärt werden, welche die Effekte des Step-up mitbestimmen. Die Autoren folgern, dass die steuerlichen Vorteile von Körperschaften, die nach dem Transparenzprinzip besteuert werden, etwa 12 – 17 % des Veräußerungspreises ausmachen. Huizinga, Voget und Wagner (2008) beschränken ihre Untersuchung nicht auf den Einfluss einer eventuell anfallenden Veräußerungsgewinnsteuer auf die Übernahmeprämie, sondern betrachten zudem den Einfluss von Quellensteuern und von zusätzlichen Steuerzahlungen des Käufers infolge eines internationalen Anrechnungsverfahrens auf die Höhe von Übernahmeprämien. Sie zeigen, dass Quellensteuern zu niedrigeren Übernahmeprämien führen, wohingegen zusätzliche Steuern des Käufers nicht in vollem Umfang zu einer Verringerung der Übernahmeprämie führen. Sie schließen daraus, dass Quellensteuern bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht die Käufer belasten. 4

Empirische Evidenz für Steuerplanung beim Unternehmenskauf

Eigner und Unternehmen müssen Steuerzahlungen auf Veräußerungsgewinne und die daraus resultierenden höheren Übernahmepreise und Hemmnisse für den Unternehmenskauf nicht einfach hinnehmen. Es kann vielmehr mittels Steuerplanung versucht werden, den Einfluss von Veräußerungsgewinnsteuern auf den Preis von Unternehmen zu verringern. Mehrere empirische Untersuchungen konzentrieren sich auf diese Fragestellung und suchen nach Steuerplanung im Falle der Veräußerung von Wertpapieren aus einem Portefeuillebestand oder bei der Strukturierung von Unternehmenskäufen. Seyhun und Skinner (1994) betrachten Steuerplanungsstrategien im Fall von Portefeuilleinvestitionen. Sie untersuchen anhand von US-amerikanischen Einkommensteuererklärungen die Wirkung einer Veräußerungsgewinnsteuer auf das Investitionsverhalten privater Investoren. Die Autoren zeigen, dass mehr als 90 % der privaten Investoren ihre Wertpapiere langfristig halten. Nur wenige private Investoren versuchen dagegen, durch spezifische Steuerplanungsstrategien Veräußerungsgewinnsteuer zu sparen. Unter diesen wenigen Investoren sind allerdings insbesondere die sehr vermögenden Anleger. Dies spricht für die These, dass die Transaktionskosten (Kosten der Steuerplanung, Gebühren etc.) sol-

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cher Strategien für deren Nutzung eine große Rolle spielen. Die Autoren finden keine Anzeichen für den breiten Einsatz der US-amerikanischen „restarting“ Steuerplanungsstrategie, die von Constantinides (1983) und (1984) vorgeschlagen wurde. Unter „restarting“ versteht man die sofortige Realisierung steuerlicher Verluste, während die Realisierung von steuerlichen Gewinnen möglichst lange aufzuschieben ist. Erickson (1998) untersucht den Einfluss von Steuern auf die Strukturierung von Unternehmenskäufen. Er zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen fremdfinanzierten Kauf des Zielunternehmens mit dem effektiven Steuersatz des erwerbenden Unternehmens steigt. Denn die Steuerersparnis auf Ebene des erwerbenden Unternehmens infolge der Fremdfinanzierung ist umso höher, je höher dessen effektiver Steuersatz ist. Er findet dagegen keinen Einfluss der Belastung des Verkäufers mit Veräußerungsgewinnsteuer auf den steuerpflichtigen Übergang des Zielunternehmens. Auch Verlustvorträge des Zielunternehmens oder die Höhe eines möglichen Step-up beeinflussen nach dieser Untersuchung die Strukturierung nicht. Maydew, Schipper und Vincent (1999) zeigen, dass Steuern die Entscheidung beeinflussen, auf welche Art und Weise Wirtschaftsgüter verkauft werden. Je höher die zu erwartende Steuerzahlung infolge der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes ist, umso eher wird auf die Möglichkeit einer steuerfreien Transaktion nach US-Steuerrecht zurückgegriffen (steuerfreier Spin-off). Auch Ayers, Lefanowicz und Robinson (2004) untersuchen den Einfluss von Steuern auf die Wahl der Transaktionsstruktur. Sie können zeigen, dass mit zunehmendem Veräußerungsgewinnsteuersatz die Wahrscheinlichkeit für die Wahl einer steuerfreien Transaktionsform (steuerfreier Anteilstausch statt Einsatz von Barmitteln) steigt. Zudem verringert sich die Bedeutung des Veräußerungsgewinnsteuersatzes für den Fall, dass das Zielunternehmen von institutionellen Investoren gehalten wird. Denn solche Investoren zahlen oft keine Steuern. Ayers, Lefanowicz und Robinson (2000) untersuchen den Einfluss einer Änderung der Steuergesetzgebung in den USA auf die Strukturierung des Unternehmenskaufs. Wird das Zielunternehmen im Wege eines Asset Deal erworben, so übersteigt der Kaufpreis in vielen Fällen den Wert der erworbenen und bilanzierten Wirtschaftsgüter. Dieser übersteigende Teil ist vom Käufer als Firmenwert zu bilanzieren. Bis zum Jahr 1993 erlaubte die US-amerikanische Steuergesetzgebung keine steuerlich wirksame Abschreibung des Firmenwertes. Danach wurde die Abschreibung des Firmenwertes über 15 Jahre steuerlich anerkannt. Die Autoren zeigen, dass diese Änderung der Gesetzgebung zu einer höheren Übernahmeprämie für die veräußernden Gesellschafter des Zielunternehmens geführt hat. Etwa 75 % der sich infolge der Abschreibung des Firmenwerts ergebenden Steuervorteile spiegeln sich demnach in einer höheren Übernahmeprämie

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wieder. Dies deutet darauf hin, dass die Steuervorteile, welche sich durch die Gesetzesänderung ergeben, zwischen Verkäufer und Käufer aufgeteilt werden. Die Autoren kontrollieren ihre Ergebnisse auf das Vorliegen eines reinen Zeiteffektes dadurch, dass sie auch den Kauf von Unternehmen im Wege des Share Deals betrachten. Da sie den hier beschriebenen Effekt nur bei Unternehmen finden, die im Wege des Asset Deals erworben werden, kann davon ausgegangen werden, dass nicht ein Zeiteffekt, sondern ein Effekt aufgrund der veränderten steuerlichen Rechtslage beobachtet wird. Desai und Hines (2002) zeigen, dass US-amerikanische Unternehmen aus steuerlichen Gründen ihre Konzernstruktur invertieren. Die bisherige USamerikanische Muttergesellschaft wird so zu einer Tochtergesellschaft. Diese Transaktion kann etwa dadurch vollzogen werden, dass eine zu diesem Zweck im Ausland gegründete Holdinggesellschaft die Anteile an der bisherigen USMuttergesellschaft von deren Eigentümern im Tausch gegen eigene Anteile erwirbt. Im Anschluss werden meist Auslandsbeteiligungen der US-Gesellschaft auf die Holdinggesellschaft übertragen, die so zur neuen Muttergesellschaft wird. Alle diese Transaktionen sind im Grundsatz steuerpflichtig. Die neue Muttergesellschaft ist typischerweise auf den Bermudas oder den Cayman Islands ansässig. Durch eine solche Invertierung können multinationale Unternehmen in der Folge Steuerzahlungen vermeiden, die aus der US-amerikanischen Anrechnungsmethode mit Bezug auf ausländische Einkünfte anfallen. Desai und Hines ermitteln, dass nach einer Invertierung der Wert der Unternehmung um 1,7 % steigt. Besonders große Firmen, Firmen mit hohen Summen von Wirtschaftsgütern im Ausland und Firmen mit einer hohen Verschuldung neigen zu einer solchen Invertierung. Dhaliwal, Newberry und Weaver (2005) erweitern die Untersuchung von Erickson (1998) und betrachten ebenfalls den Einfluss von Steuern auf die Wahl der Finanzierung von Unternehmenskäufen. Nimmt der Käufer Fremdkapital zur Finanzierung des Kaufpreises auf, so hat dies in der Zukunft grundsätzlich steuerlich abziehbaren Zinsaufwand zur Folge. Dies setzt für Unternehmen, die hohen Steuersätzen unterliegen, einen Anreiz zum Einsatz von Fremdkapital. Die Autoren untersuchen diesen Einfluss für US-amerikanische Unternehmen. Die notwendige Variation in der steuerlichen Charakteristik dieser Unternehmen finden sie, indem sie auf eventuell vorhandene Anrechnungsüberhänge abstellen. Solche Anrechnungsüberhänge limitieren im US-amerikanischen Steuersystem den steuerlichen Zinsabzug. Die Autoren können anhand der Auswertung von 167 Unternehmenskäufen zeigen, dass in der Tat US-amerikanische Käufer, deren steuerlicher Zinsabzug aufgrund von Anrechnungsüberhängen beschränkt ist, in geringerem Umfang auf Fremdkapital zurückgreifen als andere USamerikanische Käufer.

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Der Kauf von Unternehmen kann nicht nur steuereffizient strukturiert werden, sondern der Unternehmenskauf kann auch als Mittel der Steuerplanung eingesetzt werden, um in der Folge die Steuerbelastung zu senken. So untersuchen Blouin, Collins und Shackelford (2005), ob der Kauf einer US-amerikanischen Gesellschaft durch ausländische Investoren, die über Möglichkeiten der internationalen Gewinnverlagerung verfügen, in der Folge zu geringeren Steuerzahlungen dieser Gesellschaft in den USA führt. Zu diesem Zweck vergleichen sie 31 von ausländischen Investoren erworbene US-amerikanische Unternehmen mit anhand von verschiedenen Indikatoren als ähnlich identifizierten anderen USamerikanischen Unternehmen, die von US-amerikanischen Investoren erworben wurden. Die Autoren finden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kauf von USamerikanischen Unternehmen durch ausländische Investoren zu geringeren Steuerzahlungen führt. 5

Empirische Evidenz für Steuern als Transaktionshemmnis beim Unternehmenskauf?

Ökonomisch von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob Steuern letztlich dazu führen, dass lohnende Unternehmenskäufe wegen daraus resultierender Steuerzahlungen nicht vorgenommen werden. Die oben dargestellten theoretischen Überlegungen haben gezeigt, dass aufgrund einer Veräußerungsgewinnsteuer mit einer höheren Preisforderung des Verkäufers zu rechnen ist. Der Käufer eines Unternehmens wird nur bereit sein, diese Preisvorstellung des Verkäufers zu erfüllen, wenn es ihm gelingt, die Erträge des Unternehmens nach der Übernahme entsprechend zu steigern. Im Ergebnis ist zu erwarten, dass immer dann, wenn der Verkauf von Unternehmen durch Veräußerungsgewinnsteuern belastet wird, die Anzahl derartiger Transaktionen zurückgeht. Allerdings kann Steuerplanung dazu führen, dass von einem Unternehmenskauf ausgelöste Steuerzahlungen vermieden oder zumindest reduziert werden. Es kann aber auch sein, dass die Besteuerung einen Unternehmenskauf auslöst. Ob Steuern derartige Verzerrungen verursachen, ist eine empirische Frage, die von den im Folgenden dargestellten Studien untersucht wird. Auerbach und Reishus (1988a, 1988b) suchen nach steuerlichen Charakteristika von Unternehmen, die an Unternehmenskäufen beteiligt sind. Die Autoren gehen davon aus, dass Steuern z.B. aufgrund von vorhandenen Verlustvorträgen oder Anrechnungsansprüchen in bestimmten Fällen Auslöser für die Übernahme von Unternehmen sein können. Sie finden allerdings nur begrenzte Evidenz für diese These und kommen zu dem Ergebnis, dass Verlustvorträge oder Anrechnungsansprüche des zu erwerbenden Unternehmens keinen Einfluss auf die Entscheidung zum Kauf eines Unternehmens haben. Dagegen findet sich ein solcher Einfluss, wenn Verlustvorträge oder Anrechnungsansprüche beim aufnehmenden Unter-

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nehmen vorhanden sind. Auerbach und Reishus (1988c) kommen unter Verwendung desselben Datensatzes zum Ergebnis, dass steuerliche Anreize nur bei sehr wenigen Verschmelzungen eine entscheidende Rolle gespielt haben können. Collins, Kemsley und Shackelford (1995) überprüfen die These, dass ausländische Investoren aus Anrechnungsstaaten (insbesondere Großbritannien und Japan) beim Kauf US-amerikanischer Unternehmen durch die US-amerikanische Steuerreform des Jahres 1986, die steigende Gewinnsteuersätze zur Folge hatte, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber US-amerikanischen Investoren oder Investoren aus Freistellungsländern erlangt haben. Denn für ausländische Investoren aus Anrechnungsstaaten wird die Steuerbelastung nicht durch US-Gewinnsteuern bestimmt. Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass mangels der Zahlung von Dividenden im großen Umfang ein eventueller Wettbewerbsvorteil für Investoren aus Anrechnungsländern keine entscheidende Rolle gespielt haben kann. Rickets und Walter (1997) untersuchen den Einfluss einer Veränderung der Veräußerungsgewinnbesteuerung auf den Handel mit Wertpapieren. Sinkt die Veräußerungsgewinnbesteuerung, sinken die steuerlichen Transaktionskosten für im Wert gestiegene Wertpapiere und deren Handel sollte zunehmen. Für im Wert gefallene Wertpapiere gilt dagegen das Gegenteil, denn der steuerliche Verlust verliert wegen des geringeren Steuersatzes an Wert. Rickets und Walter können zeigen, dass das Handelsvolumen nach der Senkung des Veräußerungsgewinnsteuersatzes in den USA im Jahr 1981 sich entsprechend dieser Hypothesen entwickelt hat. Für die Veränderung des Steuersatzes im Jahre 1986 in den USA ist die empirische Evidenz dagegen weniger eindeutig. Reese (1998) untersucht die Frage, ob ein ermäßigter Veräußerungsgewinnsteuersatz für lange gehaltene Wertpapiere das Verhalten von Investoren beeinflusst. Er untersucht zu diesem Zweck IPO zwischen 1976 und 1986 (während dieser Zeit gab es einen solchen ermäßigten Steuersatz in den USA) und zwischen 1989 und 1995 (während dieser Zeit gab es einen solchen Steuersatz nicht). Er kann zeigen, dass der Handel mit Wertpapieren von IPO in der ersten Zeitperiode nach dem Stichtag für den ermäßigten Steuersatz zunimmt, falls diese im Wert gestiegen sind. Sind die Wertpapiere dagegen im Wert gefallen, steigt das Handelsvolumen vor dem Stichtag. Für die zweite Zeitperiode findet sich dieses Muster nicht. Dieses deutet darauf hin, dass Veräußerungsgewinnsteuern das Verhalten von Investoren beeinflussen. Seida und Wempe (2000) untersuchen den Einfluss der Steuersatzerhöhung für Veräußerungsgewinne in den USA am Jahresende 1986. Sie können zeigen, dass im Wert gestiegene Wertpapiere kurz vor der Steuersatzerhöhung verstärkt gehandelt wurden, wohingegen im Wert gefallene Wertpapiere verstärkt nach der Steuersatzerhöhung gehandelt wurden. Die Autoren können auch zeigen, dass die Erhöhung des Veräußerungsgewinnsteuersatzes langfristig zu einem Rück-

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gang des Handels mit im Wert gestiegenen Wertpapieren geführt hat. Poterba und Weisbrenner (2001) untersuchen, ob Abnormalitäten in den Kursentwicklungen am Jahresende steuerlich motiviert sind. Solche Abnormalitäten sehen sie darin, dass Kurse vor dem Jahreswechsel fallen und nach dem Jahreswechsel wieder steigen. Die Autoren argumentieren, dass Investoren einen steuerlichen Anreiz haben, verlustträchtige Wertpapiere am Jahresende zu veräußern. Sie können zeigen, dass die Veräußerung verlustträchtiger Wertpapiere in solchen Jahren am Jahresende weniger häufig zu beobachten ist, in denen aufgrund von Beschränkungen der steuerlichen Verrechnung realisierter Verluste mit realisierten Gewinnen, die während des Jahres erzielt wurden, ein Anreiz bestand, solche Wertpapiere vor der Einführung der betreffenden Beschränkung zu verkaufen. Dies ist ein Indiz dafür, dass in anderen Jahren steuerliche Überlegungen diese Abnormalitäten mit verursachen. Swenson (2001) untersucht die Wirkung von Steuern auf ausländische Direktinvestitionen in den USA zwischen 1984 und 1994. Soweit ersichtlich, ist dies die einzige Studie, die dabei den Kauf eines Unternehmens von Unternehmensneugründungen unterscheidet. Swenson zeigt, dass Unternehmensneugründungen ausländischer Investoren auf die unterschiedlichen Steuersätze in den USBundesstaaten reagieren und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in Bundesstaaten mit niedrigen Steuersätzen anzutreffen sind. Dagegen gilt für den Unternehmenskauf das Gegenteil: Sie sind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in US-Bundesstaaten mit hohen Steuersätzen anzutreffen. Nach der Ansicht von Swenson (sie bezieht sich auf Scholes und Wolfson (1992)) ist das auf einen steuerlichen Klienteleffekt zurückzuführen. Danach haben US-amerikanische Steuererhöhungen für ausländische Unternehmen aus Anrechnungsstaaten keine wirtschaftlich nachteiligen Folgen, da diese Steuererhöhungen durch eine entsprechend geringere Steuer bei Repatriierung ausgeglichen werden. USamerikanische Investoren müssen dagegen die Steuererhöhungen wirtschaftlich tragen. In der Folge sollten ausländische Investoren eher als Käufer auftreten. Gegen diese These spricht jedoch, dass nach den Ergebnissen von Swenson ausländische Investoren aus Freistellungsländern, wie etwa Deutschland, nicht stärker auf steuerliche Anreize reagieren als ausländische Investoren aus Anrechnungsländern. Di Giovanni (2005) untersucht die Bestimmungsfaktoren für die Anzahl von internationalen Unternehmenskäufen zwischen Länderpaaren. Er zeigt, dass die Entwicklung der Finanzmärkte und der Aktienmärkte einen wichtigen Einfluss auf diese Anzahl haben. Eine von Di Giovanni (2005) verwendete Kontrollvariable ist der Körperschaftsteuersatz. Der Körperschaftsteuersatz der Zielunternehmung hat einen negativen Einfluss auf die Anzahl von bilateralen Unternehmenskäufen. Da die Untersuchung von Di Giovanni (2005) nicht auf Steuern fokussiert ist, werden keine möglichen Gründe für dieses Ergebnis angeführt.

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Huizinga und Voget (2006) untersuchen, ob die Entscheidung, welches Unternehmen im Falle eines Unternehmenskaufs das Mutterunternehmen wird, von Steuern beeinflusst ist. Die Autoren stellen fest, dass die Besteuerung der Ausschüttungen des jeweiligen Tochterunternehmens im Falle der Repatriierung durch das Mutterunternehmen einen signifikanten Einfluss auf die Wahl des Mutterunternehmens hat. Weiter untersuchen sie den Einfluss des Steuersatzes für repatriierte Gewinne auf die Anzahl von Unternehmenskäufen, in denen das Mutterunternehmen in einem bestimmten Land ansässig ist. Sie bilden dazu alle denkbaren Länderpaare von Mutter- und Tochterunternehmen und ermitteln jeweils die Anzahl von Unternehmenskäufen, für die das jeweilige Länderpaar zutrifft. Ein höherer Steuersatz auf repatriierte Gewinne führt dazu, dass sich die Anzahl der Aufkäufe ausländischer Tochtergesellschaften durch Mutterunternehmen dieses Landes verringert. Ayers, Lefanowicz und Robinson (2007) untersuchen, ob eine Veräußerungsgewinnsteuer zu weniger Unternehmenskäufen für US-amerikanische Unternehmen geführt hat. Sie können zeigen, dass eine höhere Veräußerungsgewinnsteuer im Zeitablauf einen geringeren Umfang an steuerpflichtigen Mergers & Acquisitions zur Folge hat. Die von den Autoren gewählte Identifikation steuerlicher Anreize über die Zeit überzeugt, denn sie können zeigen, dass ihr Ergebnis nicht für steuerfreie Unternehmenskäufe gilt. 6

Zusammenfassung

Die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre setzt sich seit langem mit den Wirkungen von Steuern auf den Kauf von Unternehmen und Anteilen an Unternehmen auseinander. Dabei werden Preiswirkungen analysiert und daraus resultierende Transaktionshemmnisse offen gelegt. Darüber hinaus wurden vielfältige Steuergestaltungen entwickelt, um die steuerlichen Folgen von Unternehmenskäufen zu optimieren und Transaktionshemmnisse für Unternehmenskäufe zu reduzieren oder zu beseitigen. Der vorliegende Beitrag hat gezeigt, dass es empirische Evidenz für die theoretisch erwarteten Steuerwirkungen beim Unternehmenskauf gibt. Allerdings basiert die Mehrzahl dieser Untersuchungen auf US-Steuerrecht. Vergleichbare Untersuchungen für das deutsche Steuerrecht fehlen. Die vorliegenden Studien liefern Belege dafür, dass sich Steuern, die infolge einer Transaktion mit Unternehmen oder Unternehmensanteilen anfallen, in den Preisen niederschlagen. Es gibt auch empirische Evidenz dafür, dass die Akteure von einer Transaktion ausgelöste Steuerzahlungen durch Steuerplanung beeinflussen. Schließlich zeigen die empirischen Studien, dass Steuern ökonomisch sinnvolle Transaktionen behindern können.

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