Beitrage zur urchristlichen Theologiegeschichte. Festschrift Ulrich B. Muller (Beihefte Zur Zeitschrift fur die Neutestamentliche Wissenschaft BZNW 163) [1 ed.] 3110215659, 9783110215656 [PDF]


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German Pages 560 [574] Year 2009

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Table of contents :
Frontmatter
......Page 2
Vorwort
......Page 6
Inhaltsverzeichnis......Page 14
Einführung......Page 18
1. Jesusüberlieferung und synoptische Tradition......Page 26
Jesu eschatologische Überzeugung, seine Gerichtsankündigung und die Zukunft Israels......Page 28
„Nicht einmal in Israel habe ich einen so großen Glauben gefunden.“ Die Boteninstruktion als Fokus der Logienquelle......Page 54
Der Beitrag von Mk 7,24-30 zum christlichen Völkerevangelium im Kontext antiker Haushaltsführung......Page 88
Der theologiegeschichtliche Standort des lukanischen Doppelwerks......Page 116
2. Alttestamentliche und antike Voraussetzungen frühchristlicher Theologie......Page 144
Exodus 24 und die Frage nach dem Ursprung der Bundestheologie im Alten Testament mit einem Ausblick auf die Herrenmahlsüberlieferung im Neuen Testament......Page 146
Jesaja 53 LXX im frühen Christentum – eine Überprüfung......Page 166
Facetten eines antik-religionstheoretischen Diskurses und die Genese des frühen Christentums als religio......Page 200
3. Paulus
......Page 246
Offene Fragen zum urchristlichen ‚Reden im Geist‘......Page 248
Die Adressaten des Galaterbriefs und das Problem einer Entwicklung in Paulus’ theologischem Denken......Page 264
Die Gegenmission zu Paulus in Galatien, Philippi und Korinth: Versuch einer Einheitsdeutung......Page 294
Lob am Jüngsten Tag. Zum Hintergrund der Gerichtserwartung im Philipperbrief......Page 324
4. Deuteropaulinen und nachpaulinische Tradition
......Page 336
Die Bedeutung des Philipperbriefs für die Paulustradition......Page 338
Die Thessalonicherbriefe im Kontext urchristlicher Überlieferungsprozesse. Methodische Reflexionen......Page 360
Gegner im Kolosserbrief. Methodische Überlegungen zu einem schwierigen Kapitel......Page 382
Imitatio Dei: Eph 5,1–2......Page 412
Der Beitrag des 1. Petrusbriefes zur frühchristlichen Tauftheologie......Page 426
5. Johannesoffenbarung
......Page 444
Die Apokalypse und das Aposteldekret......Page 446
Die Offenbarung des Johannes und das Moselied (Dtn 32)......Page 470
„Die Tiefen des Satans erkennen …“. Überlegungen zur theologiegeschichtlichen Einordnung der Gegner in der Offenbarung des Johannes......Page 482
Rom, Luxus und die Johannesoffenbarung......Page 496
6. Religionspädagogische Perspektiven......Page 512
Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments. Eine Sichtung der Befunde in religionspädagogischem Interesse......Page 514
Anhang
......Page 542
Bibliographie Ulrich B. Müller......Page 544
Register
......Page 548
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Beitrage zur urchristlichen Theologiegeschichte. Festschrift Ulrich B. Muller (Beihefte Zur Zeitschrift fur die Neutestamentliche Wissenschaft BZNW 163) [1 ed.]
 3110215659, 9783110215656 [PDF]

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Zitiervorschau

Beiträge zur urchristlichen Theologiegeschichte

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

Herausgegeben von

James D. G. Dunn · Carl R. Holladay Hermann Lichtenberger · Jens Schröter Gregory E. Sterling · Michael Wolter

Band 163

≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York

Beiträge zur urchristlichen Theologiegeschichte Herausgegeben von Wolfgang Kraus

≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISSN 0171-6441 ISBN 978-3-11-021565-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Cover design: Christopher Schneider, Laufen

V

Vorwort Am 25. März 2008 feierte Ulrich B. Müller seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass veranstaltete die Fachrichtung Evangelische Theologie der Universität des Saarlandes, an der der Jubilar 16 Jahre lang tätig war, vom 18.-20. April 2008 ein Symposion zum Thema „Urchristliche Theologiegeschichte“. Der Titel des Symposions ergab sich sozusagen ‚zwangsläufig’, da es sich hierbei um einen der Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit Ulrich B. Müllers handelt. Freunde und Weggefährten des Julibars waren eingeladen und trugen zum Gelingen der Veranstaltung bei. Im Rahmen des Symposions fand ein Empfang statt, an dem Vertreter der Universität, der Landesregierung und der Kirchenleitungen aus Speyer und Düsseldorf Grußworte sprachen. Hierbei fand der Beitrag, den Ulrich B. Müller für die Fachrichtung Evangelische Theologie der Universität des Saarlandes, für die Ausbildung von Religionslehrer/innen und Theolog/innen im Saarland und der Pfalz geleistet hat, deutliche Würdigung. Die Bedeutung der Forschungsarbeit von Ulrich B. Müller für die neutestamentliche Wissenschaft würdigte Prof. Dr. Jürgen Becker, Kiel. Ulrich B. Müller begann seine wissenschaftliche Laufbahn in Heidelberg unter Karl-Georg Kuhn, bei dem er 1967 mit einer Dissertation zum Thema „Messias und Menschensohn in jüdischen Apokalypsen und in der Offenbarung des Johannes“ promoviert wurde.1 Die Habilitation erfolgte 1972 in Kiel am Lehrstuhl von Jürgen Becker mit der Arbeit „Prophetie und Predigt im Neuen Testament“.2 Jürgen Becker, der bei dem Symposion in Saarbrücken anwesend war, führte in seiner Würdigung des wissenschaftlichen Werkes von Ulrich B. Müller folgendes aus: „Ohne Zweifel ist eines der großen Felder, auf denen Ulrich Müller immer wieder arbeitet, die frühjüdische und urchristliche Apokalyptik. Davon legt schon die Promotion Zeugnis ab. Diese materialreiche Monographie konzentriert sich auf ein damals wie heute komplexes Problem und ist bis in 1 2

Erschienen in StNT 6, Gütersloh 1972. Erschienen in StNT 10, Gütersloh 1975.

VI

Vorwort

die Gegenwart durch eine breit gestreute Diskussionslage zu beiden Stichworten ‚Messias‘ und ‚Menschensohn‘ geprägt. Immerhin konsensfähig ist diese Annahme: Die Erwartung einer messianischen Herrschergestalt entstand in Israel vor dem Aufkommen der Apokalyptik als heilsgeschichtlich-nationale Hoffnung. Sie bewahrte sich auch bis zum Bar-Kochba-Aufstand zumindest teilweise bei verschiedener Ausgestaltung ihre Eigenständigkeit neben der Apokalyptik. Wie sich dazu jedoch die apokalyptische Menschensohn-Vorstellung verhielt, ist zutiefst umstritten, weil heute noch nicht einmal Einigkeit darüber besteht, ob man von Dan 7 bis zum syrBar ein in Grundzügen gleiches auf eine Person zentriertes Hoffnungskonzept annehmen darf. Zur Zeit der Promotion von Ulrich Müller ging man allgemein jedoch von der jeweiligen Variation eines konsistenten Kerns der Menschensohn-Hoffnung aus. Unter dieser Annahme erörtert Ulrich Müller nun die Frage, wann und wie sich die Menschensohn-Erwartung und die Messias-Hoffnung kreuzten. Er vertritt dabei die mir sympathische Auffassung, dass eine durch konzeptionelle Zielsetzung bestimmte Verschmelzung beider Linien erst nach der Zerstörung des zweiten Tempels erfolgte, also in 4Esr und syrBar. Diese beiden jüdischen Apokalypsen stehen zeitnah bei der Offb Joh, in der gleichfalls eine eigenständige Zusammenführung dieser beiden Erwartungen zu erkennen ist. Damit lässt sich in Umrissen das Milieu erkennen, in das Ulrich Müller mit Recht die Offb Joh hineinstellt, um die Arbeit des Sehers Johannes an der Vereinigung beider Konzepte einschätzen zu können. Ulrich Müller hat dann seine Forschung an der frühjüdischen Apokalyptik mit der Übersetzung und Kommentierung der griechischen Esra-Apokalypse3 und an der urchristlichen Apokalyptik mit verschiedenen Aufsätzen4 komplettiert. Besonders erwähnt seien seine zwei theologiegeschichtlichen Darstellungen, die sein Gesamtbild zur urchristlichen Apokalyptik skizzieren5 und seinen Willen bekunden, bei allen Detailstudien möglichst immer auch die Gesamtentwicklung des Urchristentums in den Blick zu nehmen. Die Arbeit an der Offb Joh krönte er mit dem Erscheinen seines Kommentars zu diesem letzten Buch der Bibel.6 Er liegt indessen in zweiter Auflage vor. Wenn ich zur Offenbarung Informationen brauche, greife ich zu diesem Kommentar, weil er, konzentriert aufs Wesentliche, gut informiert, einen Überblick zur Forschungslage gibt, die Einordnung in die Theologiegeschichte des Urchristentums nicht vergisst und obendrein gut lesbar ist. 3 4 5

6

JSHRZ V/2, Gütersloh 1976. Jetzt zusammen erreichbar in: U.B. MÜLLER, Christologie und Apokalyptik. Gesammelte Aufsätze (ABG 12), Leipzig 2003, 291-325. Apokalyptische Strömungen, in: J. BECKER u.a., Die Anfänge des Christentums, Stuttgart u.a. 1987, 217-254; Apokalyptik im Neuen Testament, in: F.W. HORN (Hg.), Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments, FS G. Strecker (BZNW 75), Berlin/New York 1995, 144-169. Nachdruck beider in: U.B. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 223-267.268-290. ÖTK 19, Würzburg/Gütersloh 11984, 21995.

Vorwort

VII

Ulrich Müller hat sich endlich in zwei Aufsätzen von 2001 und 2004 nochmals auf die Menschensohn-Problematik mit dem Ziel eingelassen, die urchristliche Erwartung der Parusie des Herrn und die synoptischen Menschensohn-Worte im Blick auf die frühjüdischen Verhältnisse neu zu begreifen7. Dabei revidiert er sein Verständnis der frühjüdischen Menschensohn-Tradition komplett und variiert eine aus dem angloamerikanischen Bereich stammende Auffassung. Sie sieht u.a. die Menschensohn-Aussagen von Dan 7 bis syrBar insgesamt für inkonsistent an und weist darum die Möglichkeit ab, einen gemeinsamen Fundus von Grundzügen zur Kennzeichnung einer spezifischen Heilsperson variiert zu sehen. Darum schlägt Ulrich Müller erstens vor, die urchristliche Parusieerwartung des Herrn (1Thess 1,10; 1Kor 16,22) von der Vorstellung der israelitischen und frühjüdischen Epiphanie Gottes her zu deuten. Der Ausgangspunkt für die synoptischen Menschensohn-Worte wird zweitens mit einem selbstreferenziellen aramäischen bar nasha in der unspezifischen alltagssprachlichen Bedeutung ‚ein Mann wie ich’ definiert. Dieser Sprachgebrauch wird Jesus selbst zugesprochen. Ulrich Müller und ich haben über diese Revision seiner Dissertation schriftlich und telefonisch diskutiert. Er weiß, dass ich ihm hier nicht zustimme. Telefonisch formulierte er dazu: ‚Herr Becker, ich habe auch gar nicht erwartet, dass Sie mir hier folgen würden.’ Statt nun diesen Satz einer semantischen Erörterung zu unterziehen, erinnere ich daran, dass solche Offenheit im Dialog ein Echo unserer Heidelberger Jahre ist. Ein zweiter Schwerpunkt in Ulrich Müllers Arbeit passt unter das Stichwort Prophetie. Dazu gehört selbstverständlich die Habilitationsschrift ‚Prophetie und Predigt im Neuen Testament’. Angesichts eines damals nicht geringen Interesses an der Prophetie im Urchristentum, das sich vor allem auf das geschichtliche Phänomen derselben konzentrierte, zielt Ulrich Müller innovativ auf einen neuen Horizont. Er fragt: Welche größeren Redeweisen prophetischer Mahn-, Gerichts- und Heilspredigt kann man im Neuen Testament aufdecken und vom israelitischen und frühjüdischen Hintergrund her verstehen? Besonders gut gelungen ist dabei m. E. die Erörterung der Sendschreiben in Offb 2-3. Ein Exkurs zu den Sendschreiben im Kommentar zur Offb fußt auf diesen Ergebnissen der Habilitation. Mit der prophetischen Gestalt Johannes des Täufers beginnen die Evangelien ihr Jesusbild zu entfalten. Diesem ‚jüdischen Propheten und Wegbereiter Jesu’ widmet Ulrich Müller eine allgemeinverständliche Studie im Rahmen der Reihe ‚Biblische Gestalten’8 mit dem Ziel, ihn als jüdischen Propheten zu zeichnen, sein Verhältnis zu Christus zu erörtern und das

7 8

Parusie und Menschensohn, ZNW 92 (2001), 1-19, Nachdruck in: U.B. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 124-143; „Jesus als Menschensohn“ in: D. SÄNGER (Hg.), Gottessohn und Menschensohn (BThSt 67), Neukirchen-Vluyn 2004, 91-129. Johannes der Täufer. Jüdischer Prophet und Wegbereiter Jesu (BG 6), Leipzig 2002. Hingewiesen sei auch auf den Vergleich zwischen Johannes und Jesus in: U. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 42-58.

VIII

Vorwort

christliche Täuferbild im Neuen Testament und in der Kirchengeschichte zu skizzieren. Ebenso konzentriert sich Ulrich Müller in einem viel beachteten Aufsatz mit dem Titel ‚Vision und Botschaft’9 auf die prophetische Dimension des Wirkens Jesu. Er erörtert dabei Lk 10, 18: ‚Ich sah Satan einem Blitze gleich vom Himmel fallen’, als Erstvision Jesu in Analogie zu entsprechenden Visionen der alttestamentlichen Propheten. Mit diesem Verständnis erschließt er den Grund für die Gewissheit einer Heilswende, wie sie dem Wirken Jesu zugrunde liegt. Nicht wenige neuere Jesus-Bücher übernahmen diesen Ansatz. Dem großen Thema Paulus begegnet man bei Ulrich Müller in vielen seiner Veröffentlichungen, die ich jedoch bei anderen Stichworten einordne, weil sie m.E. schwerpunktmäßig dort besser hinpassen. Doch fallen unter diese Rubrik ohne Zweifel sein Kommentar zum Philipperbrief10 und die Aufsätze zum Philipperhymnus11, sowie zu den Einleitungsfragen dieses Briefes12. Von den Akzenten, die U. Müller in seiner Auslegung des Phil setzt, sei jetzt nur erwähnt, dass er die harten Worte gegen das Gesetz in Phil 3 als polemische Verzerrung deutet, die durch die Unterscheidung von Gesetz und Sünde im Röm zurecht gerückt werden. Besondere Impulse hat Ulrich Müller auch zum Verständnis des johanneischen Schrifttums beigesteuert. In zwei Aufsätzen13 plädiert er m.E. mit Recht dafür, die paulinische Kreuzestheologie und das johanneische Verständnis des Todes Jesu nicht zu vermengen, sie vielmehr als je eigenständige Konzepte zu betrachten. Im johanneischen Bereich gilt es, die Verben der Bewegung bei der Beschreibung des Auf- und Abstiegs Jesu und die Rede von der Erhöhung und Verherrlichung Jesu der Interpretation zugrunde zu legen. Jesu Tod ist dementsprechend primär heilsnotwendiger Durchgang zum Leben. Dieses Verständnis ist von paulinischer Kreuzestheologie unberührt. Einen einleuchtenden Vorstoß hat Ulrich Müller außerdem zum Verständnis des Parakleten gemacht14. Die Beobachtung, dass das Stichwort ‚Paraklet’ den johanneischen Abschiedsreden eigen ist und diese der literarischen Form nach zur frühjüdischen Testamentsliteratur gehören, führt ihn zu der Annahme, von der Thematik der Regelung der Nachfolge in dieser 9 10 11 12 13 14

Jetzt in: U.B. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 11-41. Erstveröffentlichung in: ZThK 74 (1977), 416-448. Der Brief des Paulus an die Philipper (ThHK II/1), Leipzig 1993. Der Christushymnus Phil 2, 6-11, ZNW 79 (1988), 17-44. Nachdruck in: U.B. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 179-205. Der Brief aus Ephesus, in: U. MELL und U.B. MÜLLER (Hg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte, FS J. Becker (BZNW 100), Berlin/New York 1999, 155171. Nachdruck in: U.B. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 206-222. Die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu im Johannesevangelium, KuD 21 (1975), 49-71; Zur Eigentümlichkeit des Johannesevangeliums. Das Problem des Todes Jesu, ZNW 88 (1997), 24-55, Nachdruck in: U. B. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 144-175. Die Parakletvorstellung im Johannesevangelium, ZThK 71 (1974), 31-77.

Vorwort

IX

Literatur den Parakleten zu deuten: So wird der Paraklet als von Jesus verheißener Nachfolger qualifiziert, der für die Kontinuität seines Werkes Sorge trägt. Endlich gibt es eine stattliche Zahl an Untersuchungen, die sich zum Urchristentum und seiner theologischen Ausfächerung äußern. Wir begegnen solchen Äußerungen schon z.B. bei zwei Beiträgen zur Apokalyptik, die diese Richtung durch das Urchristentum insgesamt verfolgten. Ich beginne meinen Überblick mit dem Band ‚Krankheit und Heilung’, den Ulrich Müller mit Klaus Seybold zusammen verfasste.15 Im neutestamentlichen Teil stellt Ulrich Müller die Heilungen Jesu, ihre Rezeption in den Evangelien, die paulinische Krankheit und die Heilungen im Urchristentum in den Horizont von Krankheit und Heilung in der Umwelt des Neuen Testaments. Liegt in diesem Band der Schwerpunkt auf Jesu Wirken, so kommen wir, folgt man der urchristlichen Geschichte, als nächstes zu der kleinen, jedoch gehaltvollen Monographie ‚Die Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu’16. In diesem Band, der ein reges Echo hervorrief und doch wohl zu den Juwelen unter den Veröffentlichungen von U. Müller gehört, geht es ihm um die Fragen, welche Bedeutung das Wirken Jesu bei der Entstehung des Osterglaubens besaß, wie sich die Krisenerfahrung des Todes Jesu und der Osterglaube zueinander verhalten, wie sich das frühjüdische Märtyrerbild und die Hoffnung auf allgemeine Auferstehung auf das Osterverständnis der Jünger auswirkten und wie visionäre Kommunikation im Frühjudentum und im Neuen Testament zu verstehen sind. Es wird also versucht, die Ostererfahrung unter den konkreten Bedingungen der damaligen Zeit auszuleuchten. Mit dem Osterglauben als Initialereignis beginnt die Ausfächerung der Christologie als Rechenschaft des Christentums über den Inhalt des christlichen Glaubens. Dazu steuert Ulrich Müller zwei schon vom Thema her gewichtige Ausführungen bei: Er geht der Inkarnationsvorstellung mit Hilfe eines Längsschnitts durch das Urchristentum nach17 und untersucht in derselben Weise den Hoheitstitel ‚Sohn Gottes’18. In beiden Fällen erweist Ulrich Müller seine exegetische Sorgfalt und Differenzierungskunst. Die Ostererfahrung bewirkte nicht nur die christologische Thematik, sondern auch die Jesusüberlieferung wollte tradiert und je aktualisiert werden. In diesem Terrain untersucht Ulrich Müller die urgemeindliche Rezeption

15 16 17 18

K. SEYBOLD / U.B. MÜLLER: Krankheit und Heilung (Biblische Konfrontationen, Kohlhammer TB 1008), 1978. Die Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu. Historische Aspekte und Bedingungen (SBS 172), Stuttgart 1998. U.B. MÜLLER: Die Menschwerdung des Gottessohnes (SBS 140), Stuttgart 1990. „Sohn Gottes“ – ein messianischer Hoheitstitel Jesu, ZNW 87 (1996), 1-32; Nachdruck in: U.B. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 91-123.

X

Vorwort

der gesetzeskrischen Jesusüberlieferung19 und anhand der Verklärungsgeschichte in Mk 9 und die markinische Gestaltung der Jesustradition.20 Mit dem Blick auf Mk kommen wir schon der dritten urchristlichen Generation einen guten Schritt näher. Auch in diesem letzten Abschnitt des Urchristentums platziert Ulrich Müller seine Beiträge: So durchleuchtet er das Spannungsfeld von Judenchristentum und Paulinismus in Kleinasien21 und versucht sich an einer Geschichte der Christologie in den johanneischen Gemeinden.22 Schaut man nach dieser Umschau auf das bisherige Werk zurück, stellt man fest, dass es eigentlich kein großes Feld in der Geschichte des Urchristentums gibt, innerhalb dessen Ulrich Müller nicht mit einem Beitrag die Diskussion beförderte. Alle diese Veröffentlichungen lassen sich endlich unter einen Programmsatz von Ulrich Müller stellen: Wir sollten, so formuliert er einmal ‚das Ziel einer Theologiegeschichte des Urchristentums intensiv verfolgen, da die bleibende Relevanz einer theologischen Position innerhalb des neuen Testaments sachgemäß erst nach konsequenter Berücksichtigung ihrer geschichtlichen Bedingtheit und Relativität erhoben werden kann’.23“

Nach Aussage von Jürgen Becker hat Ulrich B. Müller bereits in seiner Zeit als Mitarbeiter in der Heidelberger Qumran-Forschungsstelle (der legendären ‚Qumranhöhle’) erlebt, dass ein „Klima nicht-hierarchischen Arbeitens und offener Diskussionsfreude“ eine unerlässliche „Grundbedingung aller wissenschaftlichen Tätigkeit“ darstellt. Es erschien uns daher sachgemäß, ein Symposion durchzuführen, das solchem Arbeiten Raum bietet. Außer den Referenten konnten auch Studierende teilnehmen und sich durch Fragen und Gesprächsbeiträge einbringen. Die Beteiligten haben den Raum genutzt und dafür sei ihnen herzlich gedankt. Da es sich bei dem daraus erwachsenen Band nicht um eine Festschrift handelt, konnten auch zwei Arbeiten des Jubilars selbst aufgenommen werden. Ulrich Müller hat sich darüber hinaus bei der Abfassung der Einführung und durch Übernahme von Korrekturen am Zustandekommen dieses Bandes beteiligt.

19 20 21 22 23

Zur Rezeption gesetzeskritischer Jesusüberlieferung im frühen Christentum, NTS 27 (1981), 158-185; Nachdruck in: U.B. MÜLLER, Christologie (Anm. 4), 59-88. Die christologische Absicht des Markusevangeliums und die Verklärungsgeschichte, ZNW 64 (1973), 159-193. Zur frühchristlichen Theologiegeschichte. Judenchristentum und Paulinismus in Kleinasien an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n.Chr., Gütersloh 1976. Die Geschichte der Christologie in den johanneischen Gemeinden (SBS 77), Stuttgart 1975. Geschichte der Christologie, 9.

XI

Vorwort

Die Durchführung des Symposions und der Druck dieses Band wurden möglich aufgrund von Zuschüssen und Spenden. Der Dank hierfür geht an die Universität des Saarlandes, die Vereinigung des Freunde der Universität des Saarlandes, das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft im Saarland, die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche), den Kirchenkreis Saarbrücken und den Beauftragten der Evangelischen Kirchen im Saarland. Bei der Durchführung des Symposions waren alle an der Fachrichtung Evang. Theologie tätigen Professoren und Mitarbeiter/innen, die studentischen Mitarbeiter/innen Christoph Aschoff, Kerstin Berberich und Sarah Quirin, sowie die Vertreter/innen der Fachschaft Simone Culmann, Claudia Gehm, Daniela Mütz, Janine Schwab und Andreas Schneider hilfreich und effizient tätig. Bei den Arbeiten an diesem Sammelband (Druckvorlage, Korrekturen, Register) waren neben Prof. Dr. Martin Meiser die studentischen Hilfskräfte Sabine Schmidt, Christian Lustig und Yannis Petsch aus Saarbrücken beteiligt. Die Publikationsliste am Ende des Bandes hat AkRat Jörg Rauber (Saarbrücken) zusammengestellt. Vielen Dank an alle für die gute Arbeit und das gute Miteinander! Den Herausgebern der BZNW gilt der Dank für die Aufnahme in die angesehene Reihe, den Mitarbeitern des Verlages Walter de Gruyter, insbesondere Carsten Burfeind, sei gedankt für die unkomplizierte und professionelle Zusammenarbeit. Saarbrücken, im September 2009

Wolfgang Kraus

XII

Vorwort

XIII

Inhaltsverzeichnis Vorwort

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Einführung

............................................................

V

1

1. Jesusüberlieferung und synoptische Tradition Ulrich B. Müller Jesu eschatologische Überzeugung, seine Gerichtsankündigung und die Zukunft Israels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Eckhard Rau „Nicht einmal in Israel habe ich einen so großen Glauben gefunden“. Die Boteninstruktion als Fokus der Logienquelle

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37

Ulrich Mell Der Beitrag von Mk 7,24-30 zum christlichen Völkerevangelium im Kontext antiker Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Martin Meiser Der theologiegeschichtliche Standort des lukanischen Doppelwerkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

2. Alttestamentliche und antike Voraussetzungen frühchristlicher Theologie Axel Graupner Exodus 24 und die Frage nach dem Ursprung der Bundestheologie im Alten Testament mit einem Ausblick auf die Herrenmahlsüberlieferung im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Wolfgang Kraus Jesaja 53 LXX im frühen Christentum – eine Überprüfung

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149

XIV

Inhalt

Gudrun Guttenberger Superstitio: Facetten eines antik-religionstheoretischen Diskurses und die Genese des frühen Christentums als religio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

3. Paulus Dieter Zeller Offene Fragen zum urchristlichen ‚Reden im Geist’

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231

Dieter Sänger Die Adressaten des Galaterbriefs und das Problem einer Entwicklung in Paulus’ theologischem Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Gerd Theißen Die Gegenmission zu Paulus in Galatien, Philippi und Korinth: Versuch einer Einheitsdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Samuel Vollenweider Lob am Jüngsten Tag. Zum Hintergrund der Gerichtserwartung im Philipperbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

4. Deuteropaulinen und nachpaulinische Tradition Lukas Bormann Die Bedeutung des Philipperbriefs für die Paulustradition Hanna Roose Die Thessalonicherbriefe im Kontext urchristlicher Überlieferungsprozesse. Methodische Reflexionen

.........

321

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343

Peter Müller Gegner im Kolosserbrief. Methodische Überlegungen zu einem schwierigen Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Gerhard Sellin Imitatio Dei: Eph 5,1-2

................................................

395

XV

Inhalt

Friedrich Wilhelm Horn Der Beitrag des 1. Petrusbriefes zur frühchristlichen Tauftheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

5. Johannesoffenbarung Martin Karrer Die Apokalypse und das Aposteldekret

.............................

Michael Tilly Die Offenbarung des Johannes und das Moselied (Dtn 32)

.........

429

453

Ulrich B. Müller „Die Tiefen des Satans erkennen“. Überlegungen zur theologiegeschichtlichen Einordnung der Gegner in der Offenbarung des Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 Hermann Lichtenberger Rom, Luxus und die Johannesoffenbarung

..........................

479

6. Religionspädagogische Perspektiven Bernd Schröder Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments. Eine Sichtung der Befunde in religionspädagogischem Interesse

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497

.......................................

527

................................................................

531

Anhang Bibliographie Ulrich B. Müller

Register

XVI

Inhalt

Einführung Die Beiträge in diesem Band sind nach sechs Themenbereichen geordnet: (1) Jesusüberlieferung und synoptische Tradition, (2) alttestamentliche und antike Voraussetzungen frühchristlicher Theologie, (3) Paulus, (4) Deuteropaulinen und nachpaulinische Tradition, (5) Johannesoffenbarung, (6) religionspädagogische Perspektiven, die sich aus dem neutestamentlichen Befund ergeben.

1. Jesusüberlieferung und synoptische Tradition U.B. Müller erörtert das Problem „Jesu eschatologische Überzeugung, seine Gerichtsankündigung und die Zukunft Israels“. Danach war Jesus davon bestimmt, dass das eschatologische Gerichtshandeln Gottes bereits begonnen hat, was der Visionsbericht vom himmlischen Satanssturz anzeigt (Lk 10,18). Gott würde seine umfassende Heilsordnung auf Erden durchsetzen (z.B. Lk 11,20). Gleichwohl verraten mehrere Gerichtsworte (Q 11,31f; Q 13,29.28, aber auch Q 13,34.35a bzw. Lk 12,49f), dass das vorfindliche Israel auf die Unheilsseite zu stehen kommt. Wie konnte Jesus dennoch von einer unaufhaltsamen eschatologischen Heilswende überzeugt sein, die auch Israel erreicht, wie es das Heilswort Q 22,28.30 nahelegt? Die Spruchquelle führt die theologische Linie, die Jesus vorgegeben hat, auf ihre Weise fort, wenn sie die Gerichtsankündigung gegen Israel aufnimmt, daneben aber die innerisraelische Beschränkung ihres Missionskonzepts zu durchbrechen scheint. E. Rau erörtert diese Neuorientierung in seinem Beitrag „Nicht einmal in Israel habe ich einen so großen Glauben gefunden. Die Boteninstruktion als Fokus der Logienquelle“. Am Schluss der Boteninstruktion Q 10,2-16 wird deutlich, wie Kapernaum ein Ort des Scheiterns der Verkündigung Jesu ist (10,13-15), zugleich aber ein Ort des Aufbruchs für die nachösterliche Verkündigung (10,16), was besonders die hinter Lk 7,1-10 stehende Überlieferung andeutet, die mit dem Glauben des heidnischen Hauptmanns die Öffnung gegenüber den Heiden vorbereitet (vgl. auch Mk 7,24-30).

2

Einführung

U. Mell behandelt das Thema: „Der Beitrag von Mk 7,24-30 zum christlichen Völkerevangelium im Kontext antiker Haushaltsführung.“ Es geht um die Frage, mit welchen Konzepten eine durch jüdische Exklusivitätsansprüche bestimmte Urchristenheit ein Israels Grenzen sprengendes Missionskonzept theologisch begründete. M. Meiser erörtert das Thema „Der theologiegeschichtliche Standort des lukanischen Doppelwerks“. Nachdem das lukanische Werk lange Zeit als heidenchristlich angesehen wurde, gilt Lukas gegenwärtig vielen als Gottesfürchtiger oder Judenchrist, weswegen eine theologiegeschichtliche Neubestimmung notwendig erscheint, die allerdings der Präzisierung von Kriterien theologiegeschichtlicher Positionierung bedarf. Plausibel erscheint die Kennzeichnung des Autors als eines Gottesfürchtigen, der ein Christentum unter den Völkern beschreibt, das sich dem nicht an Christus glaubenden Judentum gegenüber organisatorisch verselbständigt hat.

2. Alttestamentliche und antike Voraussetzungen frühchristlicher Theologie A. Graupner äußert sich zu der Problematik „Exodus 24 und die Frage nach dem Ursprung der Bundestheologie im Alten Testament“ und versucht einen Ausblick auf das Neue Testament. Dabei geht er von der Beobachtung aus, dass die Bundestheologie in der Forschung weithin als jüngeres theologisches Konzept des AT gilt. Für Graupner stellt sich konkret die Frage, ob die Bundestheologie erst im Rahmen deuteronomischer Theologie oder nicht doch vordeuteronomisch entstanden ist, nämlich im Rahmen der Sinaiperikope. Damit rückt der Bundesschluss von Ex 24 in den Blick – der Text, der im NT entscheidend rezipiert wird. Allerdings erfährt die Vorgabe aus Ex 24 tief greifende Veränderungen im NT. Indem das Kelchwort Mk 14,24 bzw. 1Kor 11,25 den „Bund“ auf Jesu Kreuzestod bezieht, löst es den „Bund“ aus der Verbindung mit Gottes Willensoffenbarung und gewinnt so die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes zurück – als Inbegriff der einseitig gestifteten und bedingungslosen Gottesgemeinschaft. W. Kraus diskutiert die Frage, welche Rolle Jes 53 bei der Entstehung des soteriologischen Verständnisses des Todes Jesu zukommt. In seinem Beitrag „Jes 53 LXX im frühen Christentum – eine Überprüfung“ stellt er heraus, dass Jes 53 MT die Vorstellung von der stellvertretenden Lebenshingabe des Gottesknechts als Spitzenaussage der alttesta-

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mentlichen Tradition kennt, wohingegen Jes 53 LXX dieses Verständnis nicht teilt. Wichtig ist nun die Erkenntnis, dass alle neutestamentlichen Stellen, die Jes 53 zitieren (bis auf Mt 8,17) immer den Text der LXX benutzen, der eben nicht den Gedanken vom stellvertretenden Sühnetod enthält. Die gesonderte Betrachtung von 1Kor 15,3; Röm 4,25 und Hebr 9,28, die in der Regel auf dem Hintergrund von Jes 53 interpretiert werden, lässt ebenfalls nicht sicher erkennen, dass Jes 53 dahinter steht. Die Frage, welche Rolle Jes 53 MT bei Entstehung der Vorstellung vom stellvertretenden Sühnetod Jesu im NT gespielt hat, bleibt damit offen. G. Guttenberger „Superstitio. Facetten eines antik-religionstheoretischen Diskurses und die Genese des frühen Christentums als religio“ untersucht die frühen Wahrnehmungskategorien des Christentums durch die Antike. Zunächst geht es um die Verwendung des Begriffs superstitio bzw. deisidaimoni,a im griechisch-römischen Sprachraum, anschließend um die Rezeption der Begriffe in jüdischen Texten (Philo und Josephus). Bei der Frage nach der Rezeption der Begriffe im frühen Christentum spielen die Areopagrede Apg 17 eine bedeutsame Rolle sowie der Bericht des Festus über die religiöse Position des gefangenen Paulus (Apg 25,19). Mit der Aufnahme des superstitio-Begriffs signalisiert das frühe Christentum seine grundlegende Gemeinschaftsfähigkeit sowie seine Kompatibilität mit dem politischen Bereich.

3. Paulus D. Zeller erörtert „Offene Fragen zum urchristlichen ‚Reden im Geist’“. Eine Prüfung der Aussagen über die Glossolalie in 1Kor 12-14 ergibt, dass ein hellenistisches Verständnis derselben nicht naheliegt, vielmehr das Reden in Engelssprachen eher jüdisch bestimmt ist. Speziell Apg 2 lässt die theologiegeschichtliche Mutmaßung zu, dass die Glossolalie zu den Ursprungserfahrungen der Urgemeinde gehört und durch Paulus u.a. den hellenistischen Gemeinden vermittelt ist, wobei sie kein auf Korinth beschränktes Phänomen gewesen sein wird. Auf andere Weise behandelt D. Sänger die theologiegeschichtliche Problematik: „Die Adressaten des Galaterbriefs und das Problem einer Entwicklung in Paulus’ theologischem Denken“. Verdankt sich die paulinische Rechtfertigungslehre erst der Auseinandersetzung des Paulus mit gegnerischen Beschneidungspredigern (Galaterbrief, Philipperbrief) oder ist sie im Kern bereits der Erstverkündigung des Paulus in

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Galatien oder Philippi zuzusprechen? Für eine Frühdatierung der Rechtfertigungslehre spricht: Paulus verweist im Galaterbrief mehrfach auf seine Erstverkündigung; gleichzeitig zeigt sich, dass der zentrale Inhalt dessen, was er als „die Wahrheit des Evangeliums“ (Gal 2,5.14) bezeichnet, sich nicht von seiner gemeindegründenden Predigt unterscheidet (Gal 1,6-9; 3,1; 5,3). G. Theißen „Die Gegenmission zu Paulus in Galatien, Philippi und in Korinth. Versuch einer Einheitsdeutung“ untersucht die Frage nach einer möglichen einheitlichen Front der Gegner des Paulus. Zu beobachten ist: Im Galater- und Philipperbrief dominieren Aussagen, die sich auf Judaisten deuten lassen, in den Korintherbriefen herrschen enthusiastische Züge vor; die Gegner im 2. Korintherbrief fordern keine Beschneidung. Dass dennoch auch in Korinth judaistische Missionare am Werk waren, ohne dass die Beschneidungsfrage akut wurde, dürfte daran liegen, dass die Gegenmissionare in Korinth eine Situation vorfanden, in der die korinthischen Christen nicht nur von außen als Teil des Judentums toleriert wurden (vgl. Apg 18,12-17), sondern sich selbst in einem spirituellen Sinne als Teil Israels verstanden (vgl. die Israeltypologie 1Kor 10,1-13). Die Gegner des Paulus konnten so in Korinth moderater auftreten, d.h. ohne Einforderung von Beschneidung und Speisegeboten, sie kamen aber aus demselben Milieu. S. Vollenweider „Lob am Jüngsten Tag. Zum Hintergrund der Gerichtserwartung im Philipperbrief“ unternimmt es, die Voraussetzungen des Motivs der Ehrung am Jüngsten Tag bei Paulus zu bestimmen. Dabei zeigt sich zunächst, dass die Parusie des Christus nicht nur den alttestamentlich-jüdischen Tag des Herrn assoziiert, sondern auch den hellenistischen Begriff für den Besuch eines Herrschers in einer Stadt (Phil 1,6.10). Vor allem aber geht es um den Stellenwert, den die Anerkennung Gottes, sein Lob und seine Ehrung in der endzeitlichen Erwartung des Paulus innehaben. Das dahinter stehende Szenario scheint darin zu bestehen, dass Christen, besonders Paulus dereinst vor dem göttlichen Forum Anerkennung finden werden (Phil 2,15f; 4,8). Dieses endzeitliche Szenario folgt dem Modell einer öffentlichen Ehrung von städtischen Wohltätern durch eine hochgestellte Amtsperson oder den Kaiser.

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4. Deuteropaulinen und nachpaulinische Tradition Mit dem Artikel von L. Bormann „Die Bedeutung des Philipperbriefs für die Paulustradition“ setzt die Reihe der Beiträge ein, die sich der frühen Rezeption der Paulustradition widmen. Bormann identifiziert fünf charakteristische Sprach- und Sachzusammenhänge (sog. ‚Frames’) im Philipperbrief, die er im Blick auf ihre mögliche Aufnahme im Kolosser- und Epheserbrief untersucht. H. Roose behandelt „Die Thessalonicherbriefe im Kontext urchristlicher Überlieferungsprozesse“. In ihren „methodischen Reflexionen“ erörtert sie die Frage, ob der 2Thess den ersten ersetzen wollte oder ob er eine spätere Leseanweisung für den ersten sein sollte. Gefordert ist ein methodischer Zweischritt: Zunächst ist die Diskontinuität zwischen 1Thess und 2Thess herauszuarbeiten, um den pseudepigraphen Charakter von 2Thess zu begründen. Danach ist zu fragen, wie sich 1Thess durch die Brille von 2Thess liest. Prüfstein dieses methodischen Vorgehens muss die jeweilige Eschatologie sein. In seinem Beitrag macht P. Müller „Gegner im Kolosserbrief. Methodische Überlegungen zu einem schwierigen Kapitel“ auf die mannigfachen Probleme aufmerksam, die einer präzisen Gegnerbestimmung entgegen stehen. So kommen die Gegner in Kol 2 nicht mit eigenen Stellungnahmen zu Wort, sondern nur so wie sie der Verfasser des Kol versteht oder missversteht. Immerhin zeichnet sich im Blick auf ihre Position ab: Die Gegner sprechen von „Philosophie“ und beanspruchen Weisheit. Die Elemente der Welt spielen für sie eine Rolle; sie vertreten eine Verehrung von Engeln. Der Verfasser sieht seine Adressaten in der Gefahr sich zusätzlich zu ihrem Glauben an Christus von den Gegnern menschengemachte Satzungen auferlegen zu lassen. Nach G. Sellin „Imitatio Dei: Eph 5,1-2“ ist der kurze Abschnitt ein Höhepunkt des ganzen Briefes, der für sich zu betrachten ist und weder der Einheit 4,25-31 noch 5,3-14 zugehört. Der Verfasser des Eph ruft hier zur Mimesis Gottes auf und folgt dabei einer platonischphilonischen Onto-Theologie (im Unterschied zu Paulus vgl. Phil 3,17), verändert aber das religionsgeschichtlich vorgegebene Denken, wenn er Christus als Modell für eine solche Imitatio Dei einführt. F.W. Horn „Der Beitrag des 1. Petrusbriefes zur frühchristlichen Tauftheologie“ stellt fest, dass sich die Forschung von der Annahme einer in 1Petr zu rekonstruierenden Taufansprache bzw. Taufliturgie abgewandt

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hat. Die Frage nach einer in 1Petr vertretenen Tauftheologie reduziert sich auf die Vorstellung der Wiedergeburt, besonders auf die Tauftypologie in 1Petr 3,20f. Diese deutet so etwas wie ein Taufversprechen oder eine Taufverpflichtung an, die die Taufe begleitet.

5. Johannesoffenbarung M. Karrer „Die Apokalypse und das Aposteldekret“ zeigt, dass Apk 2,14.20.24 zwei der vier Regeln aus Apg 15,29; 21,25 rezipiert: das Verbot des Verzehrs von Götzenopferfleisch und sexueller Kontakte, die nach dem jüdischen Gesetz unerlaubt sind. Der Autor der Apk konzentriert sich dabei auf sein Grundanliegen, die Reinheit des Gottesvolkes Israel zu wahren, weswegen sexuelle Beziehungen zwischen christlichen Gemeindegliedern jüdischer und nichtjüdischer Herkunft verboten sind. Theologiegeschichtlich zeigt sich daran, dass die Apk ein eindrückliches Dokument des Judenchristentums darstellt. M. Tilly „Die Offenbarung des Johannes und das Moselied (Dtn 32)“ untersucht die spezifischen Funktionen dieser innerbiblischen Intertextualität. Er zeigt, dass der Verfasser eine typologische Korrespondenz zwischen dem richtenden Handeln Gottes beim Exodus aus Ägypten und seinem eschatologischen Gericht über die Feinde der bedrängten christlichen Gemeinden herstellt. U.B. Müller „’Die Tiefen des Satans erkennen ...’ Überlegungen zur theologiegeschichtlichen Einordnung der Gegner in der Offenbarung des Johannes“ führt die Lehre der gegnerischen Prophetin Isebel und ihrer Anhänger auf eine enthusiastisch geprägte Aufnahme deuteropaulinischer Traditionen zurück. Danach ist der Satan bereits endgültig als widergöttliche und die Welt beherrschende Macht gestürzt bzw. vernichtet, weswegen sich Christen unbedenklich auf Normen der griechisch-römischen Stadtgesellschaft einlassen können. Demgegenüber will der eschatologische Vorbehalt des Johannes demonstrieren, dass die Macht des Satans erst in der noch ausstehenden eschatologischen Zukunft vernichtet wird (Apk 20,1-3.7-10). H. Lichtenberger „Rom, Luxus und die Johannesoffenbarung“ behandelt das Thema Luxus und Luxuskritik in der römischen Antike, um anhand von Apk 17f die Rom- und Luxuskritik der Johannesoffenbarung zu erörtern. Gerade in der Schilderung der „Frau“, die Rom darstellt und die mit Purpur gekleidet ist (17,3-4; vgl. 18,16), kommt der von

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Johannes angegriffene Luxuscharakter des Imperiums zum Vorschein. Der „Warenkatalog“ 18,12-16 bestätigt diese Einschätzung. Die Luxuskritik an Rom bewegt sich allerdings nicht in den Bahnen moralisierender Kritik, sondern ist viel grundsätzlicher: Sie attackiert damit den gottlosen Herrschaftsanspruch Roms; mit der prophezeiten Zerstörung Roms hat sich das Luxusproblem gelöst.

6. Religionspädagogische Perspektiven B. Schröder erörtert das Thema „Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments. Eine Sichtung des Befunds in religionspädagogischem Interesse“. Dabei zeigt sich, dass verschiedene Aspekte des Neuen Testaments auch für die Religionspädagogik wegweisend sind. Das betrifft das Gewicht von Sozialisation, die Verknüpfung von Lernprozessen mit rituellen Vollzügen (Taufe, Herrenmahl), die Wertschätzung des Kindes usw. In solcher Hinsicht können die biblischen Schriften für die systematische Normenreflexion der Religionspädagogik relevant werden.

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1. Jesusüberlieferung und synoptische Tradition

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Jesu eschatologische Überzeugung, seine Gerichtsankündigung und die Zukunft Israels Ulrich B. Müller Will man Jesu eschatologische Überzeugung bestimmen, ist man alsbald mit der Frage konfrontiert, ob Jesus ein Apokalyptiker gewesen ist. Man kann sie mit Ja beantworten, „wenn man unter Apokalyptik ... einfach die spezifische, aus der prophetischen Eschatologie hervorgegangene Eschatologie des Frühjudentums versteht.“1 Ein wenig konkreter wird die Auskunft, wenn man meint: „Jesus steht in der Tradition der frühjüdischen Eschatologie; er hat mit dem Täufer manches gemeinsam, und die Ablehnung seiner Botschaft hat ihn ... zu einer verstärkten Betonung des Gerichtsgedankens geführt.“2 Mit diesem Urteil deutet sich die Annahme einer Entwicklung in Jesu Wirken an, die man auch mit dem Stichwort „galiläische Krise“ bezeichnet hat3. Aufgrund seiner Untersuchungen zur Auseinandersetzung Jesu mit den Pharisäern hat E. Rau „die Notwendigkeit einer Neuaufnahme der Frage nach dem Leben Jesu“ betont und dabei „die Hypothese zweier Phasen des Wirkens Jesu“ vertreten4. Eine größere Zahl von Gerichtsworten Jesu setzen eine Ablehnung seiner Verkündigung voraus5, die eine Zuspitzung des Konflikts mit Israel verraten, wie sie am Anfang seines Wirkens nicht vorlag. Von besonderer Bedeutung für das Wirken Jesu ist wohl die visionäre Erfahrung über die himmlische Entmachtung des Satans, die der Visionsbericht Lk 10,18 schildert6. Hier findet sich am ehesten der Anstoß für die besondere Akzentuierung in der eschatologischen Anschauung Jesu. Man hat deshalb Jesu Vision vom Satanssturz als „Schlüsselerlebnis“ bezeichnet7. Doch gilt es hier genauer nachzufra1 2 3 4 5 6 7

M. REISER, Die Gerichtspredigt Jesu (NTA NF 23), Münster 1990, 312. REISER, Gerichtspredigt, 313 bzw. 214. F. MUßNER, Gab es eine „galiläische Krise“? in: P. HOFFMANN u.a. (Hg.), Orientierung an Jesus, FS J. Schmid, Freiburg u.a. 1973, 238-252. E. RAU, Jesus – Freund von Zöllnern und Sündern, Stuttgart u.a. 2000, 159. Q 7,31-35;10,13-15;11,31f.;13,28f.;13,34f. U.B. MÜLLER, Vision und Botschaft, Erwägungen zur prophetischen Struktur der Verkündigung Jesu, in: DERS., Christologie und Apokalyptik (ABG 12), Leipzig 2003, 11-41. M. EBNER, Jesus von Nazaret in seiner Zeit (SBS 196), Stuttgart 22004, 107f.

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gen, um zu präzisieren, worin denn das Besondere dieser visionären Erfahrung bestanden hat, was also von nachhaltiger Wirkung für Jesu Auftreten gewesen ist. Man hat zudem – unter dem Eindruck zweier Phasen im Wirken Jesu – der optimistischen Anfangsverkündigung unter dem Vorzeichen des himmlischen Satanssturzes eine Unheilsprophetie Jesu gegenübergestellt, die eher der Linie seines Lehrers Johannes entspricht: „Es scheint so, als habe Jesus am Ende seines Auftretens erneut eine biographische Wende vollzogen.“8 Gegenüber einem solchen Entwicklungsdenken ist jedoch die Kontinuität in Jesu eschatologischer Überzeugung zu betonen. Sie ist von der Erwartung geprägt, dass Gott das Heil seiner Herrschaft im Rahmen eines umfassenden Gerichtshandelns durchsetzen wird. Die besagte Kontinuität bedeutet allerdings nicht, Jesus habe sein Verhalten gegenüber seinen Zeitgenossen, d.h. Israel, im Verlaufe seines Auftretens nicht verändert. Insofern ist die Annahme zweier Phasen seines Wirkens durchaus diskutabel. Umstritten ist dabei vor allem, wie Jesus die eschatologische Zukunft Israels gesehen hat. Bei dem Versuch, Jesu eschatologische Überzeugung zu charakterisieren, wird der Blick auf das frühjüdische Umfeld Jesu hilfreich sein, dem er als zeitweiliger Anhänger Johannes des Täufers angehörte. Beide prägte eine bestimmte Naherwartung, wobei für Jesus wohl gilt, dass mit dem himmlischen Satanssturz ein Endereignis bereits stattgefunden hat (Lk 10,18). Dies unterscheidet ihn nicht nur vom Täufer, sondern auch von anderen Vertretern jüdischen Denkens, die die Heilswende sehnlichst erwarteten.

1. Akute Endzeitstimmung prägte das frühe Judentum in immer neuer Weise. Angesichts des sich dramatisch verfinsternden Erfahrungshorizonts taucht im Danielbuch die drängende Frage auf: Wie lange noch? „Wie lange noch gilt dieses Gesicht, dass das tägliche Opfer aufgehoben und ein Greuel der Verwüstung aufgestellt ist...?“ (Dan 8,13). Die erste Antwort rechnet mit 1150 Tagen (8,14). Auf die erneute Frage durch einen Engel in Dan 12,6 verlängert sich die Frist auf 1290 Tage (12,11), später dann auf 1335 Tage (12,12). Vor der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. ist wohl die „Epistel Henochs“ geschrieben (äthHen 92-105). Sie enthält die Wehe-Rufe über die Sünder und Trostreden an die Gerechten. Obwohl die Schrift keinen 8

EBNER, Jesus, 190.

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Zeitplan über das Gerichtsende bietet, betont sie immer wieder die Bedrohlichkeit des Gerichts für die Sünder, indem sie wiederholt die angedrohte Vernichtung mit dem Zeitfaktor „schnell“ bzw. „plötzlich“ versieht (94,1.6.7; 95,6; 96,1.6; 97,10; 98,16).9 Die „Schnelligkeit“ oder „Plötzlichkeit“ des Gerichts ist dabei zum Topos geworden,10 das Gerichtsende ist sehnlichster Wunsch, aber wohl keine unmittelbare Erwartung. Die AssMos, die nur noch mit einer kurzen Regierungszeit der Söhne des Herodes rechnet, sieht Zeit und Geschichte stärker dem Ende zueilen. Ein Schreckensherrscher, dessen Bild der syrische König Antiochus IV. abgibt, gehört zum Szenario der Zeit vor dem Ende. Jedenfalls sieht sich der Verfasser in der Endperiode, von der er sagt: „Von da ab werden die Zeiten ihrem Ende zugehen; plötzlich (wird sich schließen) ihr Lauf, (wenn) vier Stunden (gekommen sind).“ (7,1). Angesichts dieser noch andauernden Bedrohungssituation sollen die Frommen fasten und sich anschließend absondern, was am Beispiel eines Mannes mit Namen Taxo erzählerische Entfaltung findet (AssMos 9): Es gilt lieber zu sterben, als Gottes Gebote zu verletzen: „Denn wenn wir das tun und so sterben, wird unser Blut vor dem Herrn gerächt werden“ (9,7). Dementsprechend schildert die Schrift unmittelbar darauf die eschatologische Heilswende, die mit dem Anbruch der Herrschaft Gottes und dem Ende des Teufels in der ganzen Schöpfung einsetzt (AssMos 10). Anders steht es bei der Gerichtspredigt Johannes des Täufers. Was die Heilswende angeht, bleibt seine Aussage sehr zurückhaltend (Q 3,17). Seine Predigt richtet sich vor allem an solche Juden, die dem Ruf zur Umkehrtaufe noch nicht gefolgt sind (Q 3,7-9), die der Heilssetzung der Abrahamskindschaft vertrauen, ohne zu erkennen, dass diese längst verwirkt ist, das vorfindliche Israel sich also als Unheilskollektiv darstellt. Die überlieferten Drohworte wenden sich an solche Zeitgenossen, die aufgrund einer überholten Daseinsgewissheit („Abrahamskindschaft“) dem „kommenden Zorn“ zu entkommen meinen. Doch „schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt“ – das Zorngericht Gottes steht unmittelbar bevor. Ähnlich verhält es sich in Q 3,16b. Die dortige Ankündigung hat wohl dieselben intendierten Adressaten wie Q 3,7-9. In noch zugespitzterer Weise geht es darum, wie man dem „kommenden Zorn“ entrinnen kann. Johannes wirbt für seine Wassertaufe als letzter Möglichkeit, dem Vernichtungsgericht der Feuertaufe zu entgehen. 9 10

Vgl. G.W.E. NICKELSBURG, 1Enoch 1 (Hermeneia), Minneapolis 2001, 425. NICKELSBURG, 1Enoch 1, 461f.

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2. Jesus von Nazaret hat sich der Wassertaufe des Johannes unterzogen (Mk 1,9) und damit demonstriert, dass er die Gerichtsrede des Propheten Johannes für sich akzeptiert hat. Er folgt der Position des Täufers: „Gott wird in Kürze mit Hilfe eines endgültigen Gerichtshandelns seine universale Heilsordnung auf Erden durchsetzen.“11 Wie lange Jesus zum Täuferkreis gehört hat, ist unbekannt. Jesus selbst hat wahrscheinlich nicht getauft (entgegen der Joh 3,22 erwähnten Notiz, die allerdings 4,2 korrigiert). Man hat den Grund für diese Haltung in der Verzögerungsproblematik sehen wollen, die mit der akuten Naherwartung des Täufers eingesetzt haben dürfte. Angesichts seiner Überzeugung, dass die Axt schon an die Wurzel der Bäume gelegt ist, bot Johannes nach dieser Meinung die Taufe als symbolische Ersatzhandlung an, die die Aufrichtigkeit der Umkehr sichern sollte, weil keine Zeit mehr für ethische Taten bestand. „Wenn sich das Ende hinauszögerte, musste der innere Grund für diese ... Ersatzhandlung entfallen. Verzichtete Jesus vielleicht deshalb auf die Taufe, weil er überzeugt war, dass Gott den Menschen noch eine Chance und Zeit zur Umkehr lässt?“12 Diese Frage lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Gleichwohl ist mit dem Stichwort Verzögerungsproblematik ein wichtiger Hinweis gegeben. Für den Täuferschüler Jesus musste mit dem Ausbleiben des Feuergerichts, das Johannes angekündigt hatte, eine Irritation eintreten. Eine Neuorientierung war nötig, die eine bessere Einsicht in Gottes eschatologischen Heilsplan ermöglichte. Dabei dürfte das Ausbleiben des Feuergerichts für Jesus ein erster Hinweis gewesen sein, dass Gott sein endgültiges Gerichtshandeln auf andere Weise durchsetzen würde. Und diese Neuorientierung geschah mit Jesu Vision vom Satanssturz aus dem Himmel (Lk 10,18). Dass hier am ehesten der Ursprung seines besonderen Selbstverständnisses greifbar ist, ergibt sich, wenn der ursprüngliche Aussagekontext des Visionsberichts geklärt ist. Aufgrund überlieferungsgeschichtlicher Beobachtungen zu Lk 10,17-20 lässt sich zeigen, wie der Evangelist Lukas das ihm bereits überlieferte Logion bearbeitet hat. Zunächst fallen zwei theozentrisch orientierte Zeilen auf, V.18b und 20b: „Wie der Herabsturz des Satans aus dem Himmel ... auf die Heilsinitiative Gottes zurückgeht, so gilt 11 12

M. WOLTER, „Gericht“ und „Heil“ bei Jesus von Nazareth und Johannes dem Täufer, in: J. SCHRÖTER / R. BRUCKER (Hg.), Der historische Jesus (BZNW 114), Berlin/New York 2002, 355-392: 368. G. THEIßEN / A. MERZ, Gerichtsverzögerung und Heilsverkündigung bei Johannes dem Täufer und Jesus, in: G. THEIßEN, Jesus als historische Gestalt (FRLANT 202), Göttingen 2003, 229-253: 235.

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dies nach Ausweis des Passivum divinum evgge,graptai auch von der Aufnahme der angesprochenen Jünger in die himmlische Bürgerschaft.“ Damit konkurriert aber „die christologische Perspektive“ in der mittleren Passage V.19, die die Vollmacht „über alle Macht des Feindes“ nicht auf die himmlische Entmachtung des Satans, sondern auf einen Hoheitsakt Jesu zurückführt13. Hier spricht sich die lukanische Redaktion aus, die zudem den Anfang von V. 20 anfügt, der die Äußerung der Jünger aus der ganzen Einleitung der Perikope in V.17 aufgreift, die ihrerseits auf Lukas zurückgeht. Überlieferungsgeschichtlich vorgegeben bleiben die beiden theozentrisch orientierten Zeilen (V.18b.20b): „Ich sah den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel stürzen ... Freut euch, dass eure Namen im Himmel (jetzt) aufgeschrieben sind!“

Der Evangelist Lukas hat das ganze Logion in der Weise bearbeitet, „dass er seinen Kommentar nicht an das Logion angehängt, sondern diesem eingepflanzt hat“14, was sich an weiteren Beispielen zeigen lässt, wo Lukas in gleicher Weise Q-Spruchmaterial aufgefüllt hat.15 Welchen Aussagesinn hat das ursprüngliche Logion? Es geht um einen Aufruf zum Jubel, weil der Satan als Ankläger der Menschen aus seiner himmlischen Position entfernt ist (vgl. Hi 1,6-12; Sach 3,1-4; Offb 12,7-10). Die Konsequenz des Satanssturzes ist dabei die Aufnahme der Namen aller derer, die er vor Gott verklagte, in das Buch des Lebens.16 Beide Aspekte meinen Ereignisse im Himmel: Dem Sturz des Satans aus dem Himmel korrespondiert die Aufnahme der Namen im himmlischen Bereich. Für die zum Jubel Angerufenen hat sich bereits erfüllt, was Dan 12,1 verheißt: „Doch in jener Zeit wird dein Volk gerettet werden, jeder, der sich aufgezeichnet findet in dem Buch.“ Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass der Aufruf zum Jubel das Heil Israels meint: „Gott ist ... zum Heil seines Volkes entschlossen.“17 Dabei ist vorausgesetzt: Wer in dem Buch aufgeschrieben steht, ist jetzt frei von Schuld. Alttestamentliche Tradition kennt die Vorstellung eines himmlischen Buches, in das Gott die Namen der Reingewaschenen und deshalb Gerechten eintragen lässt (Jes 4,3f.; vgl. aber auch Ex 32,32f.; Ps 69,28f.; Jub 19,9; äthHen 47,3f.;104,1) – ein Vorgang, den der Aufruf zur Freude als im Himmel bereits vollzogen voraussetzt. Lk 10,20 lässt deshalb den eschatologischen Jubel erklingen, wie ihn die Prophetie 13 14 15 16 17

M. THEOBALD, „Ich sah den Satan aus dem Himmel stürzen...“ Überlieferungskritische Beobachtungen zu Lk 10,18-20, BZ NF 49 (2005), 174-190: 179. THEOBALD, Beobachtungen, 183. Z.B. Q 6,27f.35cd; Q 12,51.53; Q 15,4-5a.7. Hiermit modifiziere ich meine Meinung, die ich einst in U.B. MÜLLER, Vision und Botschaft (Anm. 6) vertreten habe. THEOBALD, Beobachtungen (Anm. 13), 182.

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formuliert hat (Zeph 3,14-17; vgl. Jes 12,6; Sach 2,14). Gott hat sich zu einem neuen Heilshandeln aufgemacht, und Jesu Zuwendung gerade auch zu Zöllnern und Sündern steht unter diesem Vorzeichen (z.B. Mk 2,17). Das Logion Lk 10,18b.20b passt in seiner besonderen Prägung zur sonstigen Verkündigung Jesu; denn als Aufruf zum Jubel zeigt das Logion eine Spruchgattung, die den Seligpreisungen formal wie inhaltlich vergleichbar ist (Q 6,20f.; 10,23f.). Jesus proklamiert in den Makarismen, dass Gott jetzt ein neues Erwählungshandeln veranstaltet. Gleichwohl ist von vornherein wichtig, wie Jesu Zeitgenossen sich zu diesem Heilsangebot stellen. Einerseits gilt, dass in Jesu Wirken sich die eschatologische Heilswende abzeichnet (Q 7,22), andererseits heißt es (Q 7,23): „ ... selig ist, wer an mir nicht Anstoß nimmt.“

Wer Jesu Botschaft annimmt, wird auf die Heilsseite zu stehen kommen; wer sich ihr verschließt, verwirkt die Rettung. Darin besteht Übereinstimmung mit der Botschaft Johannes des Täufers. Dennoch signalisiert Jesu Logion Lk 10,18b.20b grundlegend Neues: Israel ist nicht mehr Unheilskollektiv, sofern es das Heilsangebot annimmt. Die Vision vom himmlischen Satanssturz Lk 10,18 hat aber noch weitergehende Bedeutung, die der Aufruf zur Freude in 10,20b nicht unmittelbar zum Ausdruck bringt. Dieser konzentriert sich auf die Heilsaussage, wonach die Namen der Angesprochenen im Himmel aufgezeichnet sind. Doch meint die Entmachtung des Satans darüber hinaus, dass die dämonischen Schadensmächte auf Erden weichen müssen. Jüdische Tradition handelt von Gott, der Beliar binden wird, und „er wird seinen Kindern Macht geben, auf die bösen Geister zu treten.“ (TestLevi 18,12). Gott wird siegreich Krieg gegen Beliar führen, und „die Gefangenen wird er Beliar abnehmen.“ (TestDan 5,10f.). In diesem umfassenderen Sinne hat Jesus den himmlischen Satanssturz interpretiert, wenn er „mit dem Finger Gottes“ die Dämonen austreibt (Lk 11,20). Jedenfalls hat Jesus das himmlische Geschehen dahingehend gedeutet, dass die in der Sphäre Gottes bereits gesetzte Realität sich zum Durchbruch auch auf der Erde anschickt18. Es erfüllt sich, was jüdische Hoffnung so formuliert (AssMos 10,1): „Und dann wird seine (d.h. Gottes) Herrschaft über seine ganze Schöpfung erscheinen und dann wird der Teufel nicht mehr sein, und die Traurigkeit wird mit ihm hinweggenommen sein.“

Mit dem Satanssturz sind die himmlischen Weichen für den irdischen Durchbruch der Gottesherrschaft gestellt und damit das Ende der tristi18

MÜLLER, Vision und Botschaft (Anm. 6), 14.

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tia (AssMos 10,1) angesagt, womit nicht so sehr die subjektive Befindlichkeit, sondern die umfassende Bedrängnis der Menschen durch die Schadenseinwirkung des Teufels gemeint ist.19 Das bedeutet für Jesus: Mit der von ihm verkündeten Gottesherrschaft ist „die irdische Präsenz des Himmlischen“ gemeint; es geht ja darum, „daß eine im Himmel bereits bestehende Wirklichkeit in den Exorzismen Jesu irdische Realität gewinnt.“20 (Lk 11,20). Im Kontext seiner Überzeugung vom himmlischen Sturz des Satans vermag er seine Dämonenaustreibungen als integralen Bestandteil der Realisierung der Gottesherrschaft zu begreifen (Lk 11,20). Und wahrscheinlich liegt in dieser aufgrund der Vision gezogenen Konsequenz eine Innovation jüdischen Denkens vor, wonach in seinem Handeln sich das punktuell verwirklicht, was im Himmel ewige Realität ist. Jesu Zeitgenossen haben das wohl als anstößig empfunden, wenn man bedenkt, wie Jesus bemüht ist, zweifelnden oder ablehnend reagierenden Menschen nahe zu bringen, dass seine Exorzismen nicht im Bündnis mit Beelzebul erfolgen, sondern „mit dem Finger Gottes“ als Anbruch der Gottesherrschaft geschehen (Q 11,19f.). Entsprechende Überlegungen ergeben sich bezüglich des gewiss authentischen Bildworts von der Bindung des „Starken“ (Mk 3,27). Es setzt Gott als Subjekt voraus,21 der den „Starken“ gebunden hat, und hat somit den Sturz des Satans (des „Starken“) im Blick; zugleich steht es in sachlichem Zusammenhang mit Jesu Exorzismen.22 Mk 3,27 sagt: „Niemand kann hineingehen in das Haus des Starken und seine Gefäße rauben, wenn er nicht zuerst den Starken gebunden hat.“

Vor einem anscheinend zweifelnden Publikum, das zwar Jesu erfolgreiche Exorzismen zur Kenntnis nimmt, sie aber nicht als Erweis der bereits erfolgten Entmachtung des Satans und damit als Ausdruck der Gottesherrschaft anerkennt, betont das Wort: „Erst muß der himmlische Repräsentant der Dämonenwelt ‚gebunden’, d.h. überwältigt sein, bevor es möglich ist, das, was ihm zugeordnet ist, seinen ‚Hausrat’ ... zu plündern.“23 Das Wort Mk 3,27 aktiviert damit eine weisheitliche Klug19 20 21

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J. BECKER, Jesus von Nazaret, Berlin/New York 1996, 109, Anm. 13. M. WOLTER, „Was heisset nu Gottes reich?“, ZNW 86 (1995), 5-19: 14. B. KOLLMANN, Jesus und die Christen als Wundertäter (FRLANT 170), Göttingen 1996, 191; M. EBNER, Jesus – ein Weisheitslehrer? Synoptische Weisheitslogien im Traditionsprozess (HBS 15), Freiburg u.a. 1998, 371f.; THEOBALD, Beobachtungen (Anm. 13), 189f.; anders BECKER, Jesus, 231. Der futurische Schlusssatz in Mk 3,27 „und dann wird er das Haus ausplündern“ ist wie Mk 2,20 christliche Adaption des Spruches, die ihre spätere Praxis im Blick hat. EBNER, Jesus (Anm. 21), 370. „Gefäße“ (bzw. „Hausrat“) sind hier wohl die Besessenen, die der Exorzist der Verfügung des Satans entreißen kann (vgl. TestNaph 8,6: Wer das Gute nicht will, den wird der Teufel bewohnen „wie sein eigenes Gefäß“. Ähnlich ApkMos 16 und 26).

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heitsregel, wonach man den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun darf, will man Erfolg haben. Von den erfolgreichen Exorzismen lässt sich zurückschließen – so die Argumentation – auf das primäre Geschehen, das die Dämonenaustreibungen überhaupt ermöglicht hat: „Die Exorzismen setzen die Überwältigung des Satans generell voraus.“24 An dieser Stelle ist einem möglichen Missverständnis zu begegnen. Die eben erwähnte Argumentationstendenz von Mk 3,27 könnte zu der Schlussfolgerung verleiten, Jesus selbst habe sein besonderes Sendungsbewusstsein allein aufgrund der Erfahrung gewonnen, dass die Dämonen weichen und Kranke gesund werden, nicht aber als Folge der Vision vom Satanssturz.25 Und in der Tat – der Spruch vom Starken geht davon aus, dass Jesus besondere Exorzismen gelungen sind und dies die Annahme des Satanssturzes nahe legt. Diese Aussagetendenz ergibt sich aber nur aufgrund der besonderen Frontstellung, bei der sich Jesus gegenüber zweifelnden Zeitgenossen verteidigen will. Dabei argumentiert Jesus, wie gesagt, mit Hilfe einer Klugheitsregel, die nahelegt, dass die geschehenen Exorzismen als grundlegenden ersten Schritt die Entmachtung des Satans voraussetzen. Das Wort hat somit eine Art apologetischer Zielrichtung. Es gibt aber keinen Hinweis, wie Jesus selbst sein besonderes Verständnis der Heilswende gewonnen hat. Das ursprüngliche Logion Lk 10,18b.20b ist demgegenüber aussagekräftig: Der Visionsbericht vom Satanssturz ist die grundlegende Basis für den Aufruf zum eschatologischen Jubel angesichts der von Gott initiierten Heilswende. Nur darum konnte Jesus des Schluss ziehen – und ein vorgegebenes jüdisches Denkmodell bot die sprachlichen Möglichkeiten – die göttliche Entmachtung des Satans zeige an, dass die Gottesherrschaft auch irdisch Raum gewinnt in seinen Exorzismen. Denn in AssMos 10,1 ist das Ende des Satans Konsequenz der Gottesherrschaft, gleichzeitig aber auch die Voraussetzung, dass mit dem Ende des Satans die irdische Bedrängnis aufhört. Ganz ähnlich handelt TestLevi 18,10-14 vom zukünftigen Anbruch der Heilszeit, bei dem Beliar von Gott gebunden, d.h. entmachtet wird, und somit Gottes Kinder, d.h. Israel, Macht über die bösen Geister auf Erden erlangen (vgl. auch TestSim 6,6).26 Die Deutung seiner gelungenen Exorzismen als „mit dem Finger Gottes“ gewirkt und somit integraler Bestandteil der 24 25 26

EBNER, Jesus, 370. Vgl. aber P.W. HOLLENBACH, The Conversion of Jesus: From Jesus the Baptizer to Jesus the Healer, ANRW II 25/1 (1982), 196-219; BECKER, Jesus (Anm. 19), 132 f. Dieses Denkmodell setzt kein streng dualistisches System voraus, wie es etwa in 1QM (Gott versus Beliar) und wohl auch TestDan 5,10-13 formuliert ist, wie ja auch Jesus in seiner sonstigen Verkündigung nicht eigentlich dualistisch, sondern eher monistisch denkt (vgl. BECKER, Jesus [Anm. 19], 132f. 222-224).

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anbrechenden Gottesherrschaft ist also sachlich wohl ein zweiter Schritt, der den ersten, die visionär vermittelte Gewissheit, voraussetzt (Lk 10,18). Ist diese Schlussfolgerung richtig, ist die Vision vom Satanssturz gleichwohl kein isoliertes „Schlüsselerlebnis“, sondern intendiert eine Erkenntnis, die möglicherweise einen längeren Verlauf voraussetzt, wozu gelungene Exorzismen gehört haben können, aber ebenso die Notwendigkeit, angesichts der Verzögerung des göttlichen Gerichts, das der Täufer angekündigt hatte, die Zeitsituation eschatologisch neu zu deuten. Doch bleibt es bei der Einsicht in die grundlegende Bedeutung der Visionserfahrung Jesu, die allererst die spezifische Wertung seiner Exorzismen ermöglichte.

3. Das eschatologische Gerichtshandeln Gottes hat im Himmel mit dem Satanssturz eine eindeutige Markierung geschaffen. Dabei lässt sich zeigen, inwiefern sich dieses Gericht als Heil oder Unheil für die Menschen, d.h. konkret Israel, auswirkt, je nachdem diese Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft annehmen oder sich ihr verweigern. Ist mit dem Sturz des Satans der Ankläger der Menschen entmachtet und ruft Jesus deshalb die Menschen zum Jubel darüber auf, dass Gott zu ihrem Heil entschlossen ist (Lk 10,18b.20b), so findet dieses Geschehen seine besondere irdische Konkretion in Jesu Hinwendung zu Zöllnern und Sündern (Mk 2,17) als geradezu exemplarischen Vertretern des verlorenen Israel. Dabei versucht er mit den Gleichnissen vom verlorenen Schaf und der verlorenen Drachme seine Zuhörer mit der metaphorischen Überzeugungskraft der Sprache für die Einsicht zu gewinnen, dass Gott selbst das verlorene Israel sucht. In Lk 15,4f = Mt 18,12f ist der Hirte, der ein verirrtes Schaf nicht aufgibt, der sich zudem über das gefundene Schaf freut, der allein Handelnde; ähnlich steht es bei der Frau, die von zehn Drachmen eine verloren hat: Sie sucht bis sie sie gefunden hat und ruft zur Mitfreude über das Gefundene auf (Lk 15,8f). Die Zuhörer der Gleichnisse werden dem ganz natürlichen Verhalten des Hirten wie der Frau zugestimmt haben. So aber haben sie zu Jesu Gleichnisrede Ja gesagt und sind mit der Gottesherrschaft, die Jesus vertritt in Beziehung gekommen: „Denn sie verstehen: Gott hat sich nach ihnen auf die Suche gemacht, sie gerade gefunden und freut sich über die erfolgreiche Suche.“27 Da aber für die Zuhörer Jesus derjenige ist, der den Anbruch der Gottesherrschaft an27

BECKER, Jesus (Anm. 19), 175.

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sagt, erfahren sie seine Hinwendung zu Zöllnern und Sündern als Einladung in die Gottesherrschaft. So betrachtet erweisen sich die beiden Gleichnisse in Lk 15 als Konsequenz und erzählerische Konkretisierung dessen, was sich Jesus angesichts der Vision vom Satanssturz erschlossen hat und zum Aufruf führte: „Freut euch, dass eure Namen (jetzt) im Himmel aufgeschrieben sind!“ (Lk 10,20). In der Parabel vom verlorenen Sohn Lk 15,11-32 kommt der Aspekt der Freude doppelt zum Ausdruck: im Ruf zur Freude über den heimgekehrten jüngeren Sohn (V.23f) und in der Proklamation einer neuen Ordnung der Gottesherrschaft gegenüber dem Älteren, der sich zu verweigern droht: „Man musste doch (einfach) feiern und sich freuen …“ (V.32). Bei der Schilderung des älteren Sohnes, der seine Leistungen gegenüber dem Vater aufzählt (Lk 15,29), wird man unwillkürlich an den Pharisäer erinnert, der Gott gegenüber seine vorbildliche Gesetzesfrömmigkeit betont und sich vom Zöllner abgrenzt (Lk 18,11f). Und in der Tat: Im Gegenüber von jüngerem und älterem Sohn in Lk 15 findet sich eine wohl nicht zufällige Analogie von Zöllner und Pharisäer in Lk 18,10-14a. Während allerdings die Parabel Lk 15,11ff die Einladung zum Mitfeiern gegenüber dem älteren Sohn offen hält, ja der Vater um ihn wirbt (V.32), ergeht in Lk 18,10-14a die Reaktion Jesu dem Pharisäer gegenüber als Verurteilung (V.14a): „Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, jener nicht.“ Bei der Gestalt des älteren Sohnes in Lk 15 hat die Parabel wohl eine Frömmigkeitshaltung im Blick, die der der Pharisäer entspricht, der „Gerechten“ also, um die Jesus hier wirbt. Umso mehr muss die Abgrenzung auffallen, die das Urteil in Lk 18,14 ausspricht. „Die alternativlose Grundsätzlichkeit des jeweiligen Standpunktes wird am ehesten verständlich, wenn man annimmt, dass Lk 15,11-32 früher gesprochen worden ist als Lk 18,10-14a. Das Gleichnis vom Vater und seinen beiden Söhnen ist dann einer Phase des Wirkens Jesu zuzuordnen, in der dieser hoffte, seine pharisäischen Kontrahenten für sich zu gewinnen…. Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner … spiegelt demgegenüber wider, dass die Hoffnung von Lk 15,11-32 trog.“28 Zahlreiche Parallelen in der Jesusüberlieferung unterstützen diese Schlussfolgerung, einmal was die Werbung um die sog. Gerechten angeht, als auch ihre Verurteilung durch Jesus.29 Den Endpunkt dieser Auseinandersetzung markiert dann ein polemisches Wort wie Mt 21,31: „Amen, ich sage euch: Zöllner und Dirnen werden vor euch in die Gottesherrschaft eingehen“, sofern man nicht doch eher wegen des zugrunde liegenden Semitismus übersetzen muss: Diese

28 29

RAU, Jesus (Anm. 4), 120. RAU, Jesus (Anm. 4), 100ff bzw. 122ff.

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„werden in die Gottesherrschaft eingehen, ihr nicht.“30 Dies wäre eine genaue, auch sprachliche Parallele zu Lk 18,14a: „ … jener nicht.“ Sachlich gehören hierher jene Wehe-Rufe gegen die Pharisäer, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit authentisch sind, was bei Q 11,42.39b.44 der Fall sein dürfte.31 Obwohl das prophetische „Wehe“ ursprünglich eine Ankündigung bzw. eine Preisgabe an das Gericht Gottes beinhaltet, sind diese Wehe-Rufe „als letzte, vom Gericht her motivierte Umkehrrufe“ zu interpretieren.32 Denn eine Gerichtsankündigung fehlt; anstelle der begründenden Denn-Sätze wäre solch eine Ansage des Gerichtsvollzugs denkbar gewesen. Die Einschätzung als Umkehrruf unterstützt auch das Vorkommen eines Mahnwortes im Kontext des Wehe-Rufs (Mt 23,26 par).

4. Das eschatologische Gerichtshandeln Gottes hat für Jesus bereits begonnen. Er hat den Satan wie einen Blitz vom Himmel stürzen sehen. Gott wird seine umfassende Heilsordnung auf Erden durchsetzen. Jesus ermuntert seine Zuhörer, Gott im Gebet darum anzugehen, in Gestalt seiner weltordnenden Theophanie einzuschreiten und seine Königsherrschaft zu vollenden: „Deine Herrschaft komme!“ (Lk 11,2)33. Gleichwohl muss Jesus feststellen, dass viele Zuhörer überhaupt nicht realisieren, was die Stunde geschlagen hat, dass Gott zu seinem endgültigen Gerichtshandeln entschlossen ist, dabei Israel eine umfassende Heilsmöglichkeit eröffnet hat: „Freut euch, dass eure Namen (jetzt) im Himmel aufgeschrieben sind.“ (Lk 10,20b). Wie Johannes der Täufer sieht er sich genötigt, eine letztlich indifferente Öffentlichkeit, die sich mit dem Blick auf vermeintlich noch größere Sünder in Sicherheit wiegt (die von Pilatus getöteten Sünder etwa), mit Verweis auf das bevorstehende Gericht zur Umkehr zu bewegen (Lk 13,1-5). Auffällig ist ja, dass die Umkehrforderung „Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle genau so umkommen.“ (Lk 13,3.5) nicht durch das neu verkündete Heil moti30 31

32 33

J. JEREMIAS, Neutestamentliche Theologie. Erster Teil: Die Verkündigung Jesu, Gütersloh 1971, 118f. Mt 23,23-27 hat wohl die ursprüngliche Reihenfolge der Weherufe in Q erhalten. Für die umstrittene Authentizität der betreffenden Worte spricht sich mit guten Gründen CH. RINIKER, Die Gerichtsverkündigung Jesu (EHS.T 653), Frankfurt a.M. u.a. 1999, 97-133 aus. RAU, Jesus (Anm. 4), 126-143, setzt die Ursprünglichkeit voraus. RINIKER, Gerichtsverkündigung, 132. Zum Theophaniegedanken, der hinter den beiden ersten Vaterunser–Bitten als Theophaniebitten steht vgl. U.B. MÜLLER, Auferweckt und erhöht. Zur Genese des Osterglaubens, NTS 54 (2008), 201-220: 206-209.

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viert ist, sondern durch das drohende Gericht. Jesus sieht seine Zeitgenossen, die die bedrohliche Gerichtssituation nicht erkennen, in ähnlicher Verlorenheit wie Johannes der Täufer seine Adressaten: „ … wer hat euch weisgemacht, ihr würdet dem kommenden Zorn entfliehen. Bringt Frucht, die der Umkehr entspricht!“ (Q 3,7f). Die Umkehr ist letzte Rettungsmöglichkeit. Wahrscheinlich hat Jesus diese seine Gerichtsdrohung gegenüber seinen Anhängern bzw. Zuhörern begründet oder besonders gerechtfertigt. Dies mag deswegen nötig gewesen sein, weil seine anfängliche Verkündigung sich wohl auf das für ihn und seine Zuhörer Neue konzentrierte, die Heilsansage der anbrechenden Gottesherrschaft. Weil viele sich diesem Zuspruch verweigerten, sah Jesus sich genötigt, den Unheilsaspekt göttlichen Gerichtshandelns zu betonen und plausibel zu machen. Jedenfalls scheint dies der Sinn der Parabel Lk 13,6-9 zu sein. Bei näherem Hinsehen zeigt die Parabel zunächst dieselbe Pointe wie Lk 13,1-5, nur dass die Aussage metaphorisch im Blick auf einen unfruchtbaren Feigenbaum formuliert ist.34 Wie ein Feigenbaum, dessen Unfruchtbarkeit schon erwiesen scheint, doch ausnahmsweise noch einmal Schonung erfahren kann, falls er aber auch dann nicht Frucht trägt, abgehauen wird, so werden alle umkommen, die nicht zur Umkehr bereit sind. Beachtlich ist bei der Parabel jedoch die Dialogisierung auf der Bildebene. Der Weinbergbesitzer der Parabel muss schon drei Jahre lang feststellen, dass der Feigenbaum, der in seinem Weinberg steht, keine Frucht trägt. Zu seinem Weingärtner sagt er deshalb: „Hau ihn ab, was saugt er noch das Land aus?“ Es kommt zur Fürsprache des Weingärtners: „Herr, lass ihn noch dieses Jahr, bis ich um ihn herum gegraben und Dünger gelegt habe!“ Er erwägt die Möglichkeit: „Und wenn er in Zukunft Frucht bringen sollte…“, ohne allerdings den Nachsatz auszuführen, vielmehr in Gestalt einer Aposiopese den Satz abzubrechen, was Ausdruck der Erregung sein dürfte,35 was durch die übliche Übersetzung: „ … vielleicht bringt er in Zukunft Frucht“ verdeckt wird. Der Weingärtner schließt mit der bedrohlichen Erklärung: „Wenn aber nicht, wirst du ihn (den Feigenbaum) abhauen.“ Die Reaktion des Weinbergbesitzers wird nicht mehr erzählt, vielmehr überlässt die Parabel dem Zuhörer die Schlussfolgerung: Wie der Feigenbaum abgehauen wird, so werden alle umkommen, die nicht umkehren. Man hat nun gefragt: Dient die Einführung der Gestalt des Weingärtners in der Parabel nur dem Ziel, die Schilderung dramatischer zu 34 35

Die Sprache der Parabel ist weitgehend vorlukanisch, vgl. J. JEREMIAS, Die Sprache des Lukasevangeliums (KEK Sonderband), Göttingen 1980, 227f. BDR § 454,4 und 482.

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gestalten?36 „Oder steht mehr dahinter – verbirgt sich hinter dem fürbittenden Gärtner … Jesus selbst?“37 Dem ist das alte Argument dagegen zu halten: Wie konnte man verkennen, dass die Parabel Lk 13,6-9 nur dieses Warnungswort 13,1-5 unterstützen und rechtfertigen will?38 Die Hörer der Parabel Jesu „sollen auf einem ganz fern liegenden Gebiet, wie es die Behandlung eines unfruchtbaren Feigenbaums ist, das Urteil fällen: ‚Dann muss er eben abgehauen werden’“, um ihrerseits überführt zu sein, dass für sie das Entsprechende gilt: die endgültige Katastrophe, wenn sie nicht umkehren.39 Dabei gilt es zu beachten: Die Notwendigkeit, die Botschaft von Lk 13,1-5 mit der erzählerischen Kraft der Parabel 13,6-9 für die Zuhörer plausibel zu machen, ja zu rechtfertigen, liegt für Jesus wohl in der von ihm selbst, besonders aber von den Zuhörern (auch seinen Anhängern) empfundenen konsequenten Härte dieser Botschaft, die angesichts der Indifferenz bzw. Verweigerung der Adressaten, die Gerichtsdrohung (analog der Johannes des Täufers) aufgreift.

5. Jesu Gerichtsworte setzen die teilweise Erfolglosigkeit der Botschaft Jesu und damit die Ablehnungserfahrung voraus und stellen das Unheilsgeschick derer fest, die sich der Heilsperspektive seiner Botschaft, ja seiner Person verschlossen haben (z.B. Q 11,31f; 13,29.28).40 Man hat sie als Drohworte verstehen wollen; gleichwohl sind auch Jünger als Hörer vorauszusetzen, die die Worte überliefert haben. Diesen gegenüber vermitteln solche Worte die Überzeugung, dass „diese Generation“, die sich Jesu Botschaft verweigert hat, der Verurteilung im Gericht entgegen geht; die Jünger Jesu aber konnten diese Worte „zum Durchhalten ihrer Heilsorientierung“ motivieren.41 Anders steht es bei den Wehe-Worten gegen Chorazin und Bethsaida (Q 10,13f), zu denen noch das Wehe-Wort gegen Kapernaum gehört (Q 10,15). Die Echtheit dieser Worte ist wahrscheinlich; denn „die Polemik gegen Israel unter ‚positiver’ Berufung auf heidnische Städte, der angesprochene geographische Bereich und das eschatologische Wunderverständnis sprechen für Jesus.“42 Die Worte heben sich von 36 37 38 39 40 41 42

Vgl. J. JEREMIAS, Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 71965, 170. Ebd. A. JÜLICHER, Die Gleichnisreden Jesu 2. Teil, Darmstadt 1976 (= Tübingen 21910), 441. JÜLICHER, Gleichnisreden, 442. Vgl. E. RAU, Q-Forschung und Jesusforschung, ETL 82 (2006), 373-403: 390f. WOLTER, Gericht und Heil (Anm. 11), 378f. 382. RINIKER, Gerichtsverkündigung (Anm. 31), 328.

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urchristlichen Israel-Predigern (etwa der Spruchquelle Q) deutlich ab, insofern gar nicht ganz Israel angesprochen wird. „Vor allem aber würde die Ablehnung Jesu im Rückblick auf sein Leben kaum ihren Höhepunkt in Kapernaum finden, sondern in Jerusalem als Ort seiner Hinrichtung.“43 Die Worte scheinen den Abschluss von Jesu eher erfolgloser Tätigkeit in Galiläa vorauszusetzen. Das Wort gegen Chorazin und Bethsaida beginnt mit dem WeheRuf (Q 10,13a), dem die Begründung in Gestalt des Schuldaufweises folgt (Q 10,13b). 10,14 enthält die Unheilsankündigung. Dass 10,13f eine ausdrückliche Unheilsansage bringt, unterscheidet dieses WeheWort von den Wehe-Rufen gegen die Pharisäer, denen eine solche Gerichtsankündigung gerade fehlt (Q 11,39-48). An Q 10,13f schließt sich die Gerichtsrede gegen Kapernaum an, die einen ursprünglichen Zusammenhang mit den Wehe-Rufen gegen Chorazin und Bethsaida voraussetzt, wobei die Fortsetzung mit „und du, Kapernaum…“ als variierende Weiterführung des vorangehenden Wehe-Rufes sinnvoll ist44. Die Verurteilung Kapernaums fällt noch schroffer aus als diejenige der beiden vorher genannten Orte. Q 10,15 ist eigentlich nur eine Unheilsansage ohne Begründung. Die einleitende rhetorische Frage: „ … wirst du etwa zum Himmel erhöht werden?“ will Kapernaum durch die sarkastische Anspielung auf das heidnische Babel (Jes 14,13.15) bloßstellen. Q 10,15 ist damit ausschließliche Unheilsansage: Statt in den Himmel erhöht, wird Kapernaum von Gott an den „Ort der Qual“ hinabgestürzt werden.45 Wem gegenüber sind die Worte gesprochen worden? Man hat nun gesagt: Die Wehe-Rufe sind eher Worte über diese Städte. Ihre Bewohner sind nicht mehr als die fiktiven Adressaten, weil diese Worte den definitiven Abbruch der Kommunikation mit ihnen voraussetzen. Die tatsächlich intendierten Adressaten seien aber die realen Hörer, d. h. der Jüngerkreis Jesu, nicht mehr die Bewohner dieser Städte, zu denen der Kontakt bereits abgebrochen ist. Die fraglichen Worte dienen der Vergewisserung und Stabilisierung der realen Hörer im Jüngerkreis Jesu, um die von der Ablehnung Jesu ausgehende Verunsicherung unter seinen Anhängern aufzufangen.46 Weil die Wehe-Rufe sicher in Gegenwart von Jüngern Jesu ausgesprochen wurden, werden sie in der

43 44 45 46

G. THEIßEN, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien (NTOA 8), Fribourg/Göttingen 1989, 54. RINIKER, Gerichtsankündigung (Anm. 31), 315. M. SATO, Q und Prophetie (WUNT II 29), Tübingen 1988, 131f. Richtig REISER, Gerichtspredigt (Anm. 1), 215: „ Hier wird mit absoluter Autorität das Urteil des eschatologischen Richters verkündet.“ WOLTER, Gericht und Heil (Anm. 11), 379f. 385.

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Tat auch diese genannte Funktion gehabt haben. Ihre eigentliche Intention aber liegt letztlich woanders. Man wird doch wohl vom Machtcharakter prophetischer Unheilsworte reden müssen, die wie in alttestamentlicher Prophetie auch bei Jesus Unheil bewirken bzw. in Gang setzen sollen (vgl. Jes 9,7; Jer 5,14; 6,11f.; Ez 12,25.28; Jes 55,10f). Es liegt hier wahrscheinlich eine Entsprechung vor: Wie Jesus sein punktuelles Heilshandeln als entscheidenden Bestandteil der Durchsetzung der Gottesherrschaft verstand (Lk 11,20), so beansprucht er auch für seine Gerichtsrede bzw. Unheilsansage, dass er damit Gottes Gerichtshandeln wiederum punktuell vollzieht. Wenn Jesus in Q 10,13f.15 für die drei galiläischen Orte Unheil ankündigt, so geschieht dies deshalb, weil die dortigen Bewohner sich geweigert haben, „sein Wirken als den eschatologischen Einbruch der Gottesherrschaft in die Unheilswirklichkeit Israels zu identifizieren.“47Jesu Worte in Q 10,13f.15 markieren in der Tat das endgültige Ende der Kommunikation mit den galiläischen Orten und signalisieren, was man die „galiläische Krise“ genannt hat.48

6. Auch Lk 13,32 deutet im Blick auf andere Motive eine Abkehr Jesu aus Galiläa an, wenn Jesus, vor Nachstellungen seines Landesfürsten Herodes Antipas gewarnt, antwortet: „Geht und sagt diesem Fuchs: Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen. Aber am dritten Tage bin ich am Ziel.“

Die Bedrohung durch den Fürsten hindert Jesus nicht daran – trotz der Erinnerung an die Hinrichtung Johannes´ des Täufers durch diesen – sein Werk in der ihm gegebenen Zeit durchzuführen; dann aber – so seine Überzeugung – wird ihm von Gott der Abschluss seines Wirkens gesetzt, ist er am Ziel. Lk 13,31f könnte ein Ausweichen aus Galiläa bedeuten. Warum Jesus anschließend (?) zum Passa–Fest nach Jerusalem zog, ist damit noch nicht gesagt. Doch wird Jesus nicht allein deshalb zum Fest gezogen sein, „wie es ganz Israel durch ewige Satzung vorgeschrieben ist“ (Tob 1,6f), sondern er hat „seinen möglichen Tod bewusst in Kauf genommen oder ihn sogar gewollt.“49 Diese alte These ist vor allem durch Jesu auffälliges Verhalten in Jerusalem wahrschein-

47 48 49

WOLTER, Gottes reich (Anm. 20), 15. MUßNER, Galiläische Krise (Anm. 3). U. LUZ, Warum zog Jesus nach Jerusalem? in: J. SCHRÖTER / R. BRUCKER (Hg.), Der historische Jesus (BZNW 114), Berlin/New York 2002, 409-427: 421.

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lich gemacht,50 seine Zeichenhandlung im Tempel (Mk 11,15-16) und die Ankündigung seiner Zerstörung (Mk 13,2 bzw. 14,58) – Handlungen, von denen Jesus wissen konnte, dass sie die tödliche Gegenreaktion der Tempelaristokratie provozieren mussten. Man hat gemeint: „Die Symbolhandlung der so genannten ‚Tempelreinigung’ wird durch die Tempelprophetie interpretiert: Es ging hier nicht um eine Reform des Tempels innerhalb der gegenwärtigen Geschichte, sondern um sein Verschwinden mit dieser vergehenden Welt.“51 Gerade die in Mk 11,1516 beschriebenen Handlungen lassen sich wohl als zeichenhafte Verunmöglichung des Tempelkultes verstehen.52 Jedenfalls ist die Tempelprophetie eine Unheilsansage, die mit der Tempelzerstörung einen Aspekt eschatologischen Gerichts an Israel initiiert. Damit gewinnt Jesu Sendung eine besondere Kontur, die er mit den Worten grundsätzlich formulieren kann (s.u.) (Lk 12,49): „Feuer auf der Erde anzuzünden bin ich gekommen, und wie wünschte ich, dass es schon brenne …“

Wie Jesus mit seinem Heilshandeln punktuell bei der Realisierung der Gottesherrschaft engagiert ist (Lk 11,20), so sieht er sich andererseits auch gesandt, das Feuer göttlichen Gerichts auf Erden in Gang zu bringen. Jesus mochte zum Schluss gekommen sein, Israel besitze im Tempel das Fundament seiner religiösen Selbstgewissheit (vgl. die Abrahamskindschaft bei Johannes dem Täufer), während es sich dem Heil der von Jesus verkündeten Gottesherrschaft verschlossen hat. So konnte er dem Tempel das Ende durch göttliches Gerichtshandeln ansagen,53 wie er es im Falle der galiläischen Städte bereits getan hatte (Q 10,13f.15). Dieser Sichtweise Jesu dürfte das Logion Q 13,34f entsprechen. Es stellt ein Gerichtswort dar, das aus Lagehinweis als Anklage (V. 34), der Ankündigung des Unheils (V.35a) und einer weiteren Ankündigung besteht (V.35b). In der Anklage V.34 nimmt die erste Anrede Jerusalem in ihrer vergangenen Geschichte in den Blick: „Jerusalem, Jerusalem, 50 51 52

53

Vgl. A. SCHWEITZER, Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis (1901), in: DERS., Ges. Werke V, München o. J., 335f. G. THEIßEN / A. MERZ, Der historische Jesus, Göttingen 32001, 381. Vgl. nur K. PAESLER, Das Tempelwort Jesu. Die Traditionen von Tempelzerstörung und Tempelerneuerung im Neuen Testament (FRLANT 184), Göttingen 1999, 244f. Zur möglichen Bedeutung von Sach 14,20f. als Hintergrund der „Austreibung“ der Händler siehe W. KRAUS, Der Tod Jesu als Heiligtumsweihe (WMANT 66), Neukirchen-Vluyn 1991, 207-209. Die Gestalt des Tempelwortes ist wohl nicht mehr sicher rekonstruierbar. Besonders PAESLER, Tempelwort, 87-91. 256-261, sieht in Mk 13,2b das ursprüngliche Wort Jesu, während Mk 14,58 bereits christologisch umgeformt sei. Andererseits spricht für eine ursprünglich zweiteilige Ansage (wie Mk 14,58), dass sich aus ihr Joh 2,19 und ThEv 71 besser erklären lassen.

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die die Propheten tötet und steinigt, die zu ihr gesandt sind…“ Mit der zweiten Anrede, unterschieden durch den Tempuswechsel (Aorist), kommt der Sprecher zu seiner eigenen Erfahrung: „… wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen…, aber ihr habt nicht gewollt.“ Der Sprecher stellt sich mit der ersten Anrede in eine Reihe mit den Propheten: wie jene wurde er abgewiesen. Er bezieht sich auf sie, „weil er sein Geschick in Analogie zu dem der Propheten und Gesandten versteht, nicht aber weil er als ein übergeschichtliches Subjekt sich mit dem Geschick der Propheten und Gesandten identifiziert.“54 Die Anklage V. 34 meint bei dem hier sprechenden „Ich“ den menschlichen Propheten Jesus, nicht die übergeschichtliche Gestalt der „Weisheit“. Die Unheilsansage V.35 verkündet, stilgemäß eingeleitet mit „siehe“: „Siehe, euer Haus wird euch (zum Unheil) verlassen werden.“ Hier liegt ein Passivum divinum vor: Gott wird das „Haus“ verlassen. „Haus“ könnte die Stadt Jerusalem bezeichnen (äthHen 89,50f.56; 90,28-30); wahrscheinlich aber ist der Tempel gemeint, insofern „Haus Gottes“ bzw. „Haus“ alttestamentlich das Heiligtum meint (z.B. Ex 23,19; Ri 18,31; 2Sam 12,20; 1Kön 8,16-21.31ff; aber auch Apg 7,47). Wenn nun Gott den Tempel verlässt, ist sein Schicksal besiegelt (vgl. Ez 10f.). JosBell 6,299f. bezeugt diese Vorstellung, und syrBar 8,2 formuliert bündig den Grund der Zerstörung des Tempels durch die Römer: „ … er (Gott), der das Haus bewahrte, hat es verlassen.“ Berücksichtigt man den Zusammenhang zwischen Anklage V.34 und Unheilsansage V.35a, ergibt sich die Aussage: Aus der Ablehnung, die Jesus von den Kindern Jerusalems erfahren hat, resultiert die Unheilsprophetie gegenüber dem Tempel als Heiligtum Israels. Was aber bedeutet die Fortsetzung in V.35b, eingeleitet durch die Formel „ich sage euch“? Man hat hier einen inhaltlichen Neuansatz sehen wollen, da V.35b weit über V.35a hinausweist.55 Jedenfalls ist zu berücksichtigen: „Vers 35a umschreibt in passiver Aussage Gottes Gericht an der Stadt, Vers 35b dagegen lässt den Sprecher… von sich selbst sprechen. Die Aussage greift also nicht auf die Gerichtsankündigung, sondern auf die Ablehnung Jesu zurück…“56 Das ist auffällig. V.35b scheint etwas nachtragen zu wollen, was nach der Anklage bezüglich der Ablehnung Jesu als Gerichtsansage als erstes zu erwarten gewesen wäre: die explizite Erwähnung jener, die sich Jesu Werbung verweigert haben (V.34b).

54 55 56

P. HOFFMANN, Studien zur Theologie der Logienquelle (NTA NF 8), Münster 1972, 174. PAESLER, Tempelwort (Anm. 52), 251. HOFFMANN, Studien (Anm. 54), 178.

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In der Tat: Auf den ersten Blick überrascht die Gerichtsaussage gegen den Tempel nach der in V.34 formulierten Anklage. Diese betrifft die Weigerung der Angeredeten, der Sammlung Jesu zu folgen: „… ihr habt nicht gewollt.“ Man würde als erste Gerichtsaussage die Erwähnung jener Verweigerer erwarten, die dem Gericht verfallen. Das geschieht nicht sofort, sondern erst nach der Aussage über den Tempel. Das wirkt nachgetragen – als Ergänzung, weil V.35a dies noch nicht erwähnt hat. Natürlich macht die vorliegende unmittelbare Aufeinanderfolge von Anklage und Gerichtsankündigung der Tempelzerstörung Sinn, wenn man erkennt, dass der Tempel und sein Kult Israels Heilszuversicht garantiert und die Zerstörung desselben das Heilsvertrauen in Frage stellt. Dieser Sachverhalt lässt auch vermuten, welche besonderen Implikationen die Anklage enthält. Der Sprecher wirft Jerusalem und damit Israel vor, sein Heilsvertrauen auf den Tempel zu gründen, nicht aber seinem Versuch einer Sammlung („ der Kinder Jerusalems“) angesichts der anstehenden Gottesherrschaft Folge zu leisten. Das entspricht im Prinzip der Täuferanklage, sich auf die Abrahamskindschaft zu verlassen, statt Werke der Umkehr zu vollziehen. Sieht man Anklage (13,34) und erste Gerichtsansage (13,35a) in dieser Weise, erscheint ihre Abfolge als plausibel. Gleicherweise aber erweist sich V.35b als Nachtrag, weil die Tradenten der Gerichtsrede V.34.35a eine explizite Erwähnung der Angeredeten in der Gerichtsankündigung V.35a vermissten, was dann V.35b nachholt. Entsprechendes gilt für die Erwähnung Jesu in der Gerichtsansage, der ja das Subjekt der Anklage in V.34 ist und dessen christologische Karriere man in V.35b nachträgt. Q 13,34.35a wird doch wohl ein authentisches Wort Jesu sein, V.35b dagegen christlicher Zusatz der Q-Tradenten. Dass sich V.35b kaum als christlicher Zusatz abtrennen lässt, weil die ausführliche Anklage V.34 eine entsprechende breite Gerichtsankündigung erfordert einschließlich V.35b57, leuchtet nicht ein; denn die Unheilsansage an den Tempel V.35a ist gewichtig genug, um als Folge der Anklage überzeugend zu sein. Ein Haupteinwand gegen die Echtheit von Q 13,34f liegt in dem Bedenken: Wie hätte Jesus sagen können, er habe oftmals „deine Kinder“ (d.h. Jerusalems) sammeln wollen; sie aber hätten nicht gewollt? Die Synoptiker kennen schließlich nur eine Reise Jesu nach Jerusalem; sein Wirken konzentrierte sich aber auf Galiläa.58 Doch ist dieser Einwand problematisch, weil er zu einseitig „`deine’, nämlich Jerusalems 57 58

D. ZELLER, Jesus, Q und die Zukunft Israels, in: A. LINDEMANN (Hg), The Sayings Source Q and the Historical Jesus (BEThL 158), Leuven 2001, 351-369: 358 Anm. 29. Vgl. U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus (Mt 18-25) (EKK I/3), NeukirchenVluyn u.a. 1997, 380.

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`Kinder’, mit den Einwohnern Jerusalems identifiziert. Schon Paulus wusste, dass das vielmehr die Kinder Israels, die Israeliten sind (Gal 4,25). So kann also der Text schlicht und einfach bedeuten, dass sich der Sprecher (Jesus) intensiv und ausdauernd um die Kinder Israels bemüht hat…“59 Auch der Tempel („euer Haus“) ist eher das „Haus“ aller Juden als nur der Jerusalemer. So können beispielsweise „Jerusalem“ und „Israel“ gleichbedeutend nebeneinander stehen (PsSal 11,1.7.8).60 Gleichwohl drängt sich eine Erklärung auf, warum die Gerichtsrede Jesu einsetzt mit den Worten: „Jerusalem, Jerusalem…“, obwohl Israel als ganzes gemeint ist: „… wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen“. Nicht nur die Tatsache, dass die Erwähnung Jerusalems den Gedanken an Israel überhaupt assoziieren lässt, erklärt den Sachverhalt, sondern die schlichte Erkenntnis, dass die Gerichtsrede mit der Ankündigung, dass Gott den Tempel verlassen wird, wohl in Jerusalem gesprochen ist. Q 13,34.35a redet konkret die Jerusalemer an, meint aber gleichzeitig die weitgehende Verweigerung Israels gegenüber Jesu Botschaft. Dass damit zwei Gerichtsworte gegen den Tempel auf Jesus zurückgehen, Mk 13,2b bzw. 14,58 und Q 13,34.35a braucht nicht weiter zu erstaunen. Sie stimmen in ihrer Grundaussage überein und machen umso deutlicher, dass die Tempelaristokratie sich genötigt sah, gegen Jesus vorzugehen.

7. Der Vollzug göttlichen Gerichtshandelns hat mit dem himmlischen Satanssturz begonnen, der das Heil derer meint, die jetzt im Himmel aufgeschrieben sind (Lk 10,18b.20b). Er realisiert sich punktuell auf Erden, wenn Jesus mit dem Finger Gottes Dämonen austreibt (Lk 11,20). Er setzt sich mit der prophetischen Unheilsansage gegen die galiläischen Städte fort, besonders aber in den Worten gegen den Tempel. Von dieser Unheilsperspektive handelt wohl Lk 12,49f, ein Wort allerdings, dessen Interpretation Probleme bereitet: „Feuer auf Erden anzuzünden, bin ich gekommen, und wie wünschte ich, dass es schon brenne ...“

Das Wort umschreibt anscheinend Jesu Sendungsauftrag, göttliches Gerichtshandeln gegenüber denen in Gang zu bringen, die sich dem Heilsangebot der Gottesherrschaft verschlossen haben, wobei „Feuer“ 59 60

RINIKER, Gerichtsverkündigung (Anm. 31), 419. So auch z.B. Klgl 2,1.5ff.13; Bar 4,4-8.30-37.

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Gerichtsmotiv ist wie bei Johannes dem Täufer (Q 3,16). Dabei ist nicht nur die Ankündigung des Gerichts gemeint, sondern ihr in der Gegenwart von Jesu Wirken bereits anhebender Vollzug. Ja, man wird die Aussage doch wohl dahingehend zuspitzen dürfen, dass Jesu Sendung mit ihrer Gerichtsansage ansatzweise das in Gang bringt, was nach Johannes dem Täufer Aufgabe des „Feuerrichters“, d.h. Gottes ist (Q 3,16). Dabei ist auf den Kontrast in der Bildsprache von Vor- und Nachsatz V. 49a und V. 49b zu achten, um das Verhältnis zwischen Jesu Tätigkeit und derjenigen Gottes, ausgedrückt durch das Passivum divinum, zu bestimmen. Es geht um die Spannung zwischen dem Einsatz Jesu und der Vollendung durch Gott: Jesu Aufgabe ist es, das Gerichtsfeuer auf Erden anzuzünden (V. 49a) – sein Wunsch geht dahin, dass es lichterloh brennen möge, weil Gott es seinerseits umfassend entfacht hat (V. 49b). Thematisiert ist also die Spannung zwischen Jesu punktuellem Wirken in seinen Gerichtsworten und dem endgültigen Gericht Gottes. Die Bedeutung von avnh,fqh im Sinne der noch ausstehenden Vollendung durch Gott ergibt sich auch aus der Parallelität mit dem entsprechenden Verbum telesqh/| in V. 50, wo es um den endgültigen Vollzug der „Taufe“ an Jesus geht. Das heisst also: Das umfassende eschatologische Gericht Gottes steht noch aus, in Jesu Unheilsansage, in seinen Gerichtsworten wird es jedoch punktuell in prophetischem Vorgriff initiiert. Darin entspricht Lk 12,49 im Prinzip dem, was Lk 11,20 als Funktion Jesu bestimmt, dass gerade in seinem Wirken die Gottesherrschaft ankommt, dementsprechend aber auch das Unheil göttlichen Gerichtsfeuers, sofern die Menschen sich dem Heil versagen. „Feuer anzünden“ hat dabei eine metaphorische Komponente, wie schon prophetische Texte des AT sie enthalten (z.B. Jes 30,27f; 66,15f; Nah 1,6; Ez 21,36; Mal 3,19). Schwierig zu verstehen ist die Fortsetzung des zitierten Wortes in Lk 12,50, die Jesu Gerichtsauftrag auf der Erde mit der Verpflichtung parallelisiert, ein „Untertauchen“ auf sich zu nehmen61, das er dringlich herbeiwünscht: „ ...wie drängt es mich, bis es endlich vollzogen ist.“ Es geht um das Verlangen Jesu, dass Gott das „Untertauchen“ bei ihm vollzieht (vgl. das Passivum divinum telesq//h|/)62. Die Parallelität von V. 49 und 50 zeigt sich formal darin, dass jeweils ein Aussagesatz mit 61

62

„Untertauchen“ ist wohl eine Metapher für „das Versinken des Menschen im Unheil“ (so G. DELLING, Ba,ptisma baptisqh/nai in: DERS., Studien zum Neuen Testament und zum hellenistischen Judentum, Ges. Aufsätze, Göttingen 1970, 236-256: 245, mit Verweis auf Aussagen über die Wasserflut als Metapher für die Bedrängnis des Beters in 2Sam 22,5; Ps 69,2f; 42,8). M. WOLTER, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008, 469. Es geht hier nicht um die Angst vor dem Geschehen, sondern darum, dass Gott es möglichst schnell vollziehen möge.

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einem persönlichen Ausruf, eingeleitet durch eine Fragepartikel, kombiniert ist. Inhaltlich erweist sich der Text wohl als zusammengehöriger Doppelspruch63, der Jesu Sendung mit dem Gerichtsfeuer charakterisiert und Jesu Geschick dabei als einen Aspekt desselben ansieht. Es geht um Jesu Wunsch, dass Gott sein Gerichtshandeln vollendet, sei es an den Erdenbewohnern (V.49), sei es auf geheimnisvolle Weise an Jesus selbst (V.50). Beide Male handelt es sich letztlich um eine besondere Konkretisierung dessen, was die zweite Vaterunser-Bitte von Gott erfleht: „Deine Herrschaft komme!“ (Lk 11,2). Beide Male, beim „Feuergericht“ wie dem „Untergetaucht-werden“ geht es um ein vergleichbares Motiv, wobei die Aussagen von V.49 (Feuer) und V.50 (bedrohliche Wasserflut) einander „zu einer Einheit“ ergänzen, so dass man sagen konnte, das „Feuer“ sei „ein Gerichtsgeschehen, in das Jesus selbst einbezogen ist“64, etwa durch die Möglichkeit seines Todes. Lk 12,50 wäre allerdings nicht die letzte Aussage Jesu über sein Geschick gewesen, wie die Ankündigung Mk 14,25 zeigt, die gleichzeitig eine verhüllte Todesansage wie eine Vollendungsverheißung darstellt. Umstritten ist die Frage, ob Lk 12,49f als ganzes ein authentisches Jesuswort darstellt65. Dafür spricht ein Doppeltes. Beide Ausrufsätze (V. 49b und 50b) drücken das Verlangen aus, Gott möge sein Gerichtshandeln vollenden; sie entsprechen inhaltlich der Vaterunser-Bitte an Gott: „Deine Herrschaft komme!“ Darüber hinaus passt V.49 insofern zur Verkündigung Jesu, als die Aussage wie Lk 11,20 voraussetzt, dass Gott sein endgültiges Gerichtshandeln durch den Repräsentanten der Gottesherrschaft durchsetzen will. Die Aussagen unterscheiden sich nur darin, dass Lk 11,20 implizit davon ausgeht, die Zuhörer würden Jesu Verkündigung vom weltordnenden Handeln Gottes annehmen und deshalb auf der Heilsseite zu stehen kommen, Lk 12,49 dagegen das Gerichtsfeuer als Reaktion auf die Verschlossenheit kennt, die das vorfindliche Israel in weiten Kreisen dem Heilsangebot der Gottesherrschaft gegenüber gezeigt hat. Trotz dieser Argumente bleibt besonders Lk 12,50 ein schwierig zu deutendes Wort. Entscheidend aber könnte die Erkenntnis sein, dass die Ausrufe in den beiden parallelen Nachsätzen V.49b und 50b, die den Wunsch nach dem baldigen Vollzug göttlichen Gerichtshandelns zum Ausdruck bringen (aber nicht die Angst davor explizieren in V.50b), nicht im christlichen Sinne christologisch akzentuiert sind. Sie 63 64 65

So mit Recht DELLING, Ba,ptisma (Anm. 61), 246-250. DELLING, a.a.O. 250. Ihm folgend LUZ, Warum zog Jesus (Anm. 49), 424f. Vgl. dazu LUZ, Warum zog Jesus, 422-425. Die Deutung des „Feuers“ auf den Geist des Pfingstgeschehens (Apg 2,3) und damit die nachösterliche Bildung von 12,49 ist nicht wahrscheinlich, da „Feuer“ hier negativ im Sinne des Gerichtsgeschehens konnotiert ist (vgl. aber WOLTER, Lukasevangelium (Anm. 62), 469).

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erwarten wie die zweite Vaterunser-Bitte Jesu das Eingreifen Gottes, nicht dasjenige Christi als des kommenden Herrn (vgl. das Maranatha). Lk 12,49f ist deshalb als Jesuswort verständlich, nicht als urchristliche Bildung. Das Wort weist (wie wohl die authentischen Gerichtsworte Jesu) ans Ende seines irdischen Wirkens, als die Ablehnung seiner Botschaft immer deutlicher zu werden schien.

8. Jesu Gerichtsreden gegen die galiläischen Städte oder den Tempel in Jerusalem sind geprägt von der grundsätzlichen Überzeugung, Gott würde mit Hilfe eines endgültigen Gerichtshandelns seine universale Ordnung auf Erden durchsetzen, nur dass für die davon betroffenen Menschen ein unterschiedliches Geschick einhergeht. In Jesu Perspektive bedeutet die Vision vom Satanssturz, dass der himmlische Ankläger entmachtet und Gott zum Heil seines Volkes entschlossen ist (Lk 10,18b.20b). Doch setzen die genannten Gerichtsreden voraus, dass das vorfindliche Israel sich dem Heil der Gottesherrschaft weitgehend verweigert hat. Angesichts dieser Diskrepanz drängt sich die Frage geradezu auf, wie Jesu das eschatologische Schicksal Israels gesehen hat. Bei dem Versuch einer Antwort hat man von der Berufung des Zwölferkreises der Jünger auszugehen, der sicherlich eine vorösterliche Erscheinung ist, der Initiative Jesu entstammt (Mk 3,14f) und im Osterbekenntnis 1Kor 15,3-5 bereits vorausgesetzt ist. Bedeutungsvoll ist dabei die Zwölfzahl, die auf die Vorstellung von Israel als Zwölfstämmevolk Bezug nimmt. Wenn Jesus zwölf Jünger in die besondere Nachfolge ruft, so soll diese Zeichenhandlung signalisieren, dass Jesu Heilsbotschaft ganz Israel zugedacht ist. Israel aber hat sich zum großen Teil verweigert, wie die genannten Gerichtsreden erkennen lassen. Eine Antwort auf das sich stellende Problem könnte das allerdings höchst umstrittene Israel-Logion geben, das wohl den Schluss der Spruchquelle bildet, dessen Rückführung auf den historischen Jesus allerdings nicht sicher ist und dessen Heils- oder Unheilsaussage über Israels Geschick davon abhängt, ob man das entscheidende Verbum mit „richten“ oder „herrschen“ zu übersetzen hat (Q 22,28.30): „Ihr…, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet… auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.“

Vor einer Überbewertung des Israel-Logions für die Frage nach Israels Zukunft warnt die Einsicht, dass das Logion primär eine Verheißung für die Jünger und deren eschatologische Vollmacht macht, weniger den Ton auf die Folge für Israel legt. Andererseits ist nicht zu leugnen,

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dass doch wohl die Sammlung der zerstreuten Stämme vorausgesetzt scheint: Sie sind das Gegenüber der Jünger Jesu, die über sie herrschen bzw. sie richten werden. Doch muss man beim „Richten“ der Jünger gar nicht so alternativ interpretieren. Es muss nicht ein Strafgericht sein. Berücksichtigt man die Aufgabe des Messias, Israel zu sammeln und die Stämme des Volkes zu richten (PsSal 17,26.43), meint das fragliche Verbum „ein königliches Regieren in Gerechtigkeit, das die Möglichkeit des Richtens einschließt, aber grundsätzlich positiv zu verstehen ist.“66 Dieser Deutung des Logions auf eine königliche Herrschaft der Jünger hat man die Interpretation entgegengehalten, wonach im Israel-Logion die Vorstellung vom apokalyptischen Gericht der Gerechten über die Ungerechten aufgegriffen sei, was letztlich im Sinne eines Strafgerichtes zu verstehen wäre.67 Dieser Deutung des fraglichen Verbums kri,nein ist aber zu widersprechen, insofern zahlreiche Septuaginta-Stellen die Bedeutung „Recht verschaffen“ oder „Durchsetzen der Rechtsordnung Gottes“ in Israel aufweisen.68 Im übrigen könnte die Verbindung von Stämmen Israels und Thronen in Q 22,28.30 durch Ps 122,5 bedingt sein.69 Denn nach Ps 122,4 wallfahren die Stämme nach Jerusalem: „… dort standen Throne zum Gericht, Throne des Hauses Davids.“ (122,5). Das hier erwähnte Gericht ist kein Strafgericht, sondern bringt Frieden und Heil für Israel (V.6-9). Q 22,28.30 dürfte auf dem Hintergrund von Ps 122 deshalb eine Heilsaussage für die Jünger Jesu enthalten, die für das Eschaton die Durchsetzung der Rechtsordnung unter den Stämmen Israels sichern. Ob dieses Wort dem historischen Jesus zuzusprechen ist, ist unsicher. Ob es nur „wegen des kompensatorischen Charakters“ Jesus abzusprechen ist,70 leuchtet nicht ein (vgl. Lk 12,8f.). Ein Problem bleibt aber die sachliche Differenz gegenüber den Gerichtsreden gegen die „galiläischen Städte“ (Q 10,13-15) oder „diese Generation“ (Q 7,31-34; 11,31f.). Doch ist dieser mögliche Widerspruch nicht überzuberwerten; denn der Ausdruck „diese Generation“, der die Generation vor dem eschatologischen Ende meint, lässt sich nicht einfach mit Israel als ganzem identifizieren. Die Erinnerung an die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob in Q 13,29.28 oder die jüdischen Märtyrer ist zudem ein Hinweis 66

67 68 69 70

G. THEIßEN, Gruppenmessianismus. Überlegungen zum Ursprung der Kirche im Jüngerkreis, in: DERS., Jesus als historische Gestalt (FRLANT 202), Göttingen 2003, 255-281: 267, ähnlich H. ROOSE, Eschatologische Mitherrschaft (NTOA 54), Fribourg / Göttingen 2004, 53-57. Z.B. ZELLER, Zukunft Israels, in: LINDEMANN (Hg.), Sayings Source (Anm. 57), 363. Bezogen auf den König: Ps 71,2 LXX; bezogen auf die Gestalt der Richter in Israel: LXX Ri 3,10; 10,2.3; 12,7.9.14; 15,20a; 1Reg 4,18; für den Makkabäer Jonathan 1Makk 9,73. THEIßEN, Gruppenmessianismus (Anm. 66), 268. ZELLER, Zukunft Israels (Anm. 57), 364.

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auf ein ganz anderes Israel als das gegenwärtige, das sich Jesus verweigert hat, d.h. das Israel der vollendeten Gottesherrschaft.71 Der mögliche Widerspruch würde ganz entfallen, falls das Israel-Logion zeitlich vor jenen Gerichtsreden gesprochen wäre, die ans Ende der Wirksamkeit Jesu gehören und auf die weitgehende Ablehnung reagieren. Doch ist dies unwahrscheinlich, weil das Israel-Logion die eschatologische Zusage an die Jünger aufgrund ihres lange bewiesenen Beharrens in der Nachfolge Jesus zu machen scheint. In der Tat könnte die Verheißung an die Jünger gerade in den letzten Tagen Jesu erfolgt sein. Jesus selbst hat mit Mk 14,25 eine verhüllte Todesprophetie ausgesprochen, gleichzeitig aber eine Vollendungsansage für seine Person gemacht, die seine Teilnahme am eschatologischen Mahl der vollendeten Gottesherrschaft impliziert. Er hat für sich mit einer neuen Tischgemeinschaft im Eschaton gerechnet. In diesem sachlichen und auch zeitlichen Kontext wird die Verheißung an die Jünger im Israel-Logion ihren Ort haben. Sie konkretisiert dann im Blick auf den Zwölferkreis, was die Verheißung Lk 12,8 für diejenigen aussagt, die sich zu Jesus vor den Menschen bekannt haben. Sie ordnet und bestimmt die zukünftige Rolle der Jünger – sozusagen als testamentarische Verfügung. Dabei ist eines noch gesondert zu beachten: Hat Jesus trotz möglichen Todes seine Teilnahme am eschatologischen Heilsmahl der Gottesherrschaft erwartet (Mk 14,25), dann hat er selbstverständlich auch mit Mahlgenossen gerechnet. Das werden nicht nur die Patriarchen und jüdische Märtyrer gewesen sein (vielleicht auch Angehörige der Völker Q 13,29.28), sondern gerade die Jünger und ihr 71

Q 13,29.28 bereitet allerdings erhebliche Interpretationsprobleme. Ursprüngliche QFormulierung dürfte dabei in Mt 8,12 erhalten sein. „Die Söhne des Reiches“ in Mt 8,12 ist trotz Mt 13,38, wo der Ausdruck wiederkehrt, nicht matthäische Redaktion, vielmehr scheint Matthäus den Ausdruck in 13,38, angeregt durch 8,12, wiederaufzunehmen, allerdings in anderer Bedeutung, jetzt bezogen auf die Christen. In Lk 13,28 erweist sich die Anrede in der 2. Person „ihr“ als redaktionell, weil durch den Kontext bedingt, in den das Wort durch Lukas zum Zweck der durchgehenden Anrede in der 2. Person eingefügt ist. Ist also die Mt-Fassung am ehesten die ursprüngliche Q-Fassung und geht das Wort in dieser Form auf Jesus zurück, sind „die Söhne des Reiches“ nur die fiktiven Adressaten, über die geredet wird. Die wirklich intendierten Adressaten dürften die Jünger Jesu sein, die tatsächlichen Zuhörer der Rede Jesu (vgl. dazu WOLTER, Gericht und Heil [Anm. 11], 382). Der Ausdruck „die Söhne des Reiches“ meint dabei Israel, das der eigentliche bzw. ursprüngliche Ansprechpartner der von Jesus proklamierten Gottesherrschaft ist. Doch will das Wort nicht (als prophetisches Machtwort) Israel dem eschatologischen Unheil preisgeben, wie dies wohl die Gerichtsworte an die galiläischen Städte beabsichtigen, da es gar nicht unmittelbar an Israel gerichtet ist. Es will eher die Verunsicherung von Jüngern Jesu abfangen, die sich angesichts der Ablehnung Jesu durch Israel einstellen musste. Ihnen wird durch den Blick auf das drohende Unheilsgeschick Israels indirekt bestätigt, dass sie durch die Annahme der Botschaft Jesu auf der Heilsseite zu stehen kommen.

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Gegenüber, das eschatologische Israel, auch wenn dies menschliche Vorstellungskraft sprengen mochte. Die eschatologische Heilswende, die der Visionsbericht Lk 10,18 anzeigt, ist trotz aller Widerstände für Jesus unaufhaltsam. Dass dies auch für die Zwölf galt, beweist der nach Jesu Hinrichtung alsbald entstehende Osterglaube, wonach Christus auferweckt wurde am dritten Tag, erschienen dem Kephas und den Zwölfen (1Kor 15,3-5). Jesus hatte die Jünger aufgefordert, um das Kommen der Gottesherrschaft zu beten (Lk 11,2), d.h. Gott um die Verwirklichung der endgültigen Heilswende zu bitten, die sich im Zuge seiner eschatologischen Theophanie realisieren würde. Diese Theophaniehoffnung blieb für die Jünger trotz des Todes Jesu wirksam. Ja, sie erfüllte sich auf ganz überraschende Weise, wenn der Osterglaube die erwartete Theophanie Gottes in Gestalt der Christophanie Jesu erfuhr72. Jesus hatte sich den Jüngern als der entscheidende Repräsentant der Gottesherrschaft gezeigt, wenn er „mit dem Finger Gottes“ die Dämonen austrieb (Lk 11,20). Bekannte sich Gott aber zu seinem irdischen Agenten, indem er ihn trotz Tod rehabilitierte, dann konnte dies in den Augen der Jünger bedeuten, dass mit Ostern der irdische Repräsentant der Gottesherrschaft zum himmlischen avancierte. Gottes Heilsangebot an Israel, das im Wirken des irdischen Jesus offenbar wurde, war durch den Tod Jesu nicht aufgehoben, vielmehr setzte es sich in der nachösterlichen Mission der Jünger fort (vgl. die Spruchquelle Q), auch wenn „dieses Geschlecht“ sich weiterhin verweigerte.

72

Näheres dazu U.B. MÜLLER, Auferweckt und erhöht (Anm. 33), 201-220.

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„Nicht einmal in Israel habe ich einen so großen Glauben gefunden.“ Die Boteninstruktion als Fokus der Logienquelle Eckhard Rau Was ist das missiologische Konzept der Logienquelle? Und was lässt sich über den literarischen, aber auch über den historischen Zusammenhang sagen, in dem es unter Berufung auf Jesus propagiert worden ist? Das sind die beiden Fragen, die ich im Folgenden erörtern möchte. Sie führen ins Zentrum der Probleme, mit denen uns das Konstrukt ’Q’ konfrontiert, und werden in der Forschung zu Recht in erster Linie im Anschluss an die Boteninstruktion von Q 10,2-16 behandelt. Wenn ich mich dem anschließe, kann ich mich in der Einzelexegese weithin auf die Ausführungen anderer berufen. Neu ist erst der Versuch, die Boteninstruktion in doppelter Weise zu kontextualisieren. Einerseits soll sie in der Sicht derer gelesen werden, die ihr im Rahmen einer fortlaufenden Lektüre der Logienquelle begegnen. Und andererseits möchte ich Beziehungen zu Texten außerhalb der Logienquelle zur Sprache bringen. Erst bei letzterem geht es um die Frage nach dem historischen Ort von Q, und so sei schon hier betont, dass ich dazu nicht mehr als eine Hypothese anbieten kann, deren Unwägbarkeiten groß sind. Doch hoffe ich, dass eine neue Idee der eingefahrenen Diskussion trotzdem einen neuen Impuls zu geben vermag.

1. Forschungsgeschichtliche Konturierung der Fragestellung Seit ihren Anfängen vor einem halben Jahrhundert hat sich die neuere Q-Forschung außerordentlich intensiv mit dem redaktionsgeschichtlichen Profil der Logienquelle befasst. Seit geraumer Zeit konzentriert sich die Diskussion auf eine Reihe von Versuchen, besonders den von John S. Kloppenborg, in Q mehrere, sukzessiv ineinander gearbeitete

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Eckhard Rau

Überlieferungsschichten zu unterscheiden1, und auch unabhängig von Stratigrafien wird meist wie selbstverständlich mit einem längeren Wachstumsprozess gerechnet, der sich an einer großen Fülle kleinerer und größerer Eingriffe und Ergänzungen ablesen lasse. Was dabei jeweils als Redaktion identifiziert wird, ist allerdings methodologisch und sachlich so stark umstritten2, dass sich nachvollziehen lässt, warum sich der erste große Q-Kommentar aus der Feder von Harry T. Fleddermann unter Verleugnung aller analytischen Fragestellungen ausschließlich der synchronen Ebene des Wortlauts der Logienquelle zuwendet, der mit erstaunlicher Sicherheit – wenn auch unabhängig von der ‚Critical Edition’ – rekonstruiert wird3. Bei der Lektüre gewinnt man geradezu den Eindruck, der Autor von Q sei der autonome Produzent seiner sprachlich, literarisch und theologisch ungemein kohärenten Texte – und dies, obwohl es heißt: „Most of the words we find in Q come from Jesus' lips“4. Doch lesen wir weiter, es sei schwierig, wenn nicht unmöglich, die Logienquelle für die Jesusforschung in Anspruch zu nehmen, weil Jesus uns hier ausschließlich als literarische Figur begegne, die den Christen zwischen Auferstehung und Parusie die Botschaft und das Wirken Jesu nahe bringen wolle5. Ich glaube kaum, dass Fleddermanns Position aus dem Engpass der gegenwärtigen Forschung herausführt. Das größere Recht gegenüber Schichtungstheorien und komplizierten Redaktionsprozessen dürfte noch heute bei Frans Neirynck liegen, der bereits am Ende seines großen Forschungsberichts von 1982 lapidar konstatiert: „The more common approach describes the redaction as mainly compositional“6. Denn, so lässt sich mit Gerd Theißen hinzufügen: „Redaktionelle Zusätze und Kommentare lassen sich nicht eindeutig von traditionellen Elementen unterscheiden. Nur Auswahl, Kombination und Komposition von Jesusüberlieferungen sind sicher Redaktion“7.

1

2 3 4 5 6 7

J.S. KLOPPENBORG, The Formation of Q. Trajectories in Ancient Wisdom Collections, Philadelphia (PA) 1987. Vgl. H.T. FLEDDERMANN, Q. A Reconstruction and Commentary (Biblical Tools and Studies 1), Leuven/Paris/Dudley (MA) 2005, 33f., der neben Kloppenborg nennt M. Sato, A. Jacobson, D. C. Allison. Zur Kritik an Kloppenborgs Ansatz vgl. die bei E. RAU, Q-Forschung und JesusForschung. Versuch eines Brückenschlags, EThL 82 (2006), 373-403: 380 Anm. 56 genannte Literatur. FLEDDERMANN, Q (Anm. 1). Ebd., 171. Ebd., bes. 169-172. F. NEIRYNCK, Recent Developments in the Study of Q, in: J. DELOBEL (Hg.), Logia – Les Paraboles de Jésus – The Sayings of Jesus, FS J. Coppens (BEThL 59), Leuven 1982, 29-75: 75. G. THEIßEN, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition (NTOA 8), Fribourg/Göttingen 21992, 214.

Boteninstruktion der Logienquelle

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Die Überlieferungen, von denen Theißen spricht, sind überwiegend Worte Jesu, die oft bereits zu kleineren Clustern verbunden sind8, und die Kompositionen sind Reden, zu denen die Worte unter formalen und thematischen Gesichtspunkten miteinander verknüpft worden sind. Narrative Strukturen sind demgegenüber nur rudimentär ausgebildet. Sie sind, wie ich zu zeigen hoffe, für das redaktionelle Verständnis der Worte gleichwohl von kaum zu überschätzender Bedeutung. Dieter Lührmann ist die Einsicht zu verdanken, dass die Redekompositionen der Logienquelle ihr redaktionelles Profil nicht zuletzt aus der Platzierung der Gerichtsdrohung gewinnen9. Diese findet ihre schärfste Zuspitzung in Worten, die die Repräsentanten ‚dieses Geschlechts’ unwiderruflich dem Unheil überantworten, weil sie Jesus und sein Wirken abgelehnt haben10. Adressaten sind: 2. Pers. Pl. (11,47f), Chorazin, Bethsaida, Kapernaum und Jerusalem (10,13-15; 13,34f), die Söhne der Basileia (13,28f), die Erstgeladenen zum Mahl der Basileia (14,16-24) – oder eben: h` genea. au[th (7,31-35; 11,29f; 11,31f; 11,49-51). Der Ausdruck meint nicht etwa ganz Israel, sondern in Aufnahme der pejorativen Konnotationen, die ihm insbesondere von der Sintflut- und Wüstengeneration her anhaften, die Masse derjenigen Zeitgenossen der jetzt lebenden Generation, die sich trotz ihrer genealogischen Wurzeln bei den Vätern Israels in Israel halsstarrig gegen Jesus verschlossen haben11. Ihre Ablehnung Jesu betrifft das Gesamtspektrum seines Wirkens: die Verkündigung (11,31f), die Krafttaten (10,13-15), die Mahlgemeinschaft (7,31-35; 14,16-24), ja Jesu Sendung im Ganzen (13,34f). Mit alledem begibt sich ‚dieses Geschlecht’ in die Kontinuität mit den Taten seiner Väter (11,47f), deren Schuld in der Tötung der Propheten kulminiert (11,49-51; 13,34f). Die ersten beiden Reden mit je einem Wort dieser Art finden sich zu Beginn des Hauptteils von Q, der von Q 7,18 bis 22,30 reicht12. Die erste widmet sich in 7,18-35 Johannes dem Täufer, die zweite in 9,57-11,13 der Jüngerschaft. Die dritte Rede in 11,14-52, die vier Worte gegen ‚dieses Geschlecht’ besitzt13, setzt sich mit Gegnern auseinander. Sie verfügt

8 9 10 11 12 13

Vgl. bes. die entsprechenden Mk-Parallelen. D. LÜHRMANN, Die Redaktion der Logienquelle (WMANT 33), Neukirchen-Vluyn 1969. Vgl. Q 7,31-35; 10,13-15; 11,29-30; 11,31-32; 11,47-48; 11,49-51; 13,28-29; 13,34-35; 14,16-24. Vgl. M. MEINERTZ ‚Dieses Geschlecht’ im Neuen Testament, BZ 1 (1957), 283-289; E. LÖVESTAM, Jesus and „This Generation“. A New Testament Study (ConB.NT 25), Stockholm 1995. Zur Gliederung der Logienquelle vgl. Anm. 24. Q 11,29f.31f.47f.49-51.

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über eine für Q singuläre Exposition (11,14-16), die gegenüber den beiden vorausgehenden Reden einen deutlichen Neuansatz markiert14. Die Rede über den Täufer besitzt in dem Gleichnis von den spielenden Kindern in Q 7,31-35 ein Wort gegen ‚dieses Geschlecht’15, das zwei Besonderheiten aufweist: Erstens bezieht sich die Anklage nicht wie sonst auf das Verhalten gegenüber Jesus allein, sondern auch gegenüber Johannes: Wie die Kinder beim Spiel finden beide trotz der konträren Form ihres Auftretens keine Resonanz, die dieser Form gerecht wird, sondern werden auf übelste Weise beschimpft. Zweitens folgt auf die Anklage keine Gerichtsankündigung, sondern die Aussage, dass die Weisheit, die Johannes und Jesus in Kontinuität mit den Propheten gesandt hat16, von ihren Kindern17 ins Recht gesetzt wird. Das zeigt: Der erdrückenden Mehrheit ‚dieses Geschlechts’ steht die Minderheit derer gegenüber, die Jesus und Johannes als Boten der Weisheit anerkennen und die sich durch die Worte gegen ‚dieses Geschlecht’ tröstend vergewissern, dass sie trotz ihrer Minderheit auf der richtigen Seite stehen18.

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Für Rekonstruktion und Interpretation von Q-Texten sind im Folgenden regelmäßig zu Rate gezogen worden: FLEDDERMANN, Q (Anm. 1); IQP und CritEd nach F. NEIRYNCK, Q-Parallels. Q-Synopsis and IQP/CritEd Parallels (SNTA 20), Leuven 2001, 65-119; KLOPPENBORG, Formation (Anm. 1); A. POLAG, Fragmenta Q. Textheft zur Logienquelle, Neukirchen-Vluyn 1979; S. SCHULZ, Q. Die Spruchquelle der Evangelisten, Zürich 1972; D. ZELLER, Kommentar zur Logienquelle (SKK NT 21), Stuttgart 1984. Für Q 7,1-10 kommt hinzu: U. WEGNER, Der Hauptmann von Kapernaum (Mt 7,28a; 8,5-10,13 par Lk 7,1-10). Ein Beitrag zur Q-Forschung (WUNT II 14), Tübingen 1985. Für Q 9,57-10,16: P. HOFFMANN, Studien zur Theologie der Logienquelle (NTA NF 8), Münster 1972, 235-311; J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte. Studien zur Rezeption der Logienüberlieferung in Markus, Q und Thomas (WMANT 76), Neukirchen-Vluyn 1997, 144-217. Ich gehe mit U. LUZ , Das Evangelium nach Matthäus, Teilbd. 1-2 (EKK I/1-2), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1985/1990, hier: I/2, 182-190, von der Einheitlichkeit von Q 7,31-35 aus, lässt sich doch zeigen, dass die These vom sekundären Charakter der Anwendung, aber auch der Aussage über die Rechtfertigung der Weisheit die Schwierigkeiten des Textes nicht behebt. Zur Auslegung vgl. neben Luz bes. P. MÜLLER, Vom misslingenden Spiel (Von den spielenden Kindern). Q 7,31-35 (Mt 11,16-19 / Lk 7,31-35), in: R. ZIMMERMANN (Hg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 100-109. Vgl. Q 11,49-51. Vgl. Prov 8,32; Sir 4,11. Dies ist ausführlich begründet worden von M. WOLTER, ‚Gericht’ und ‚Heil’ bei Jesus von Nazareth und Johannes dem Täufer. Semantische und pragmatische Beobachtungen, in: J. SCHRÖTER / R. BRUCKER (Hg.), Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung (BZNW 114), Berlin/New York 2002, 355-392. Vgl. jedoch schon HOFFMANN, Studien (Anm. 14). 170; A. POLAG, Die Christologie der Logienquelle (WMANT 45), Neukirchen-Vluyn 1977, 130; KLOPPENBORG, Formation (Anm. 1), 167f.

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Die Rede über die Jüngerschaft, die deutlich zweigeteilt ist, soll hier nur in ihrem ersten Teil ins Auge gefasst werden. Er umfasst Q 9,5710,16 und enthält die von zwei Nachfolgeworten eingeleitete Boteninstruktion, die seit Paul Hoffmann als Schlüssel für das Selbstverständnis der Q-Gruppe gilt19. Sie besitzt in 10,13-15 einen Weheruf über Repräsentanten ‚dieses Geschlechts’, der als Hauptargument für die verbreitete, kaum je in Frage gestellte These dient, die Logienquelle spiegele das drohende oder bereits vollzogene Scheitern der Q-Mission Galiläas wider. Und in der Tat: Das Wort kündigt drei Orten im Nordwesten des Sees Gennesaret das Gericht an, weil sie Jesus abgelehnt haben. Liegt es da nicht nahe, dass hier der eigene Misserfolg die Feder führt? Gegen den Konsens, den diese Interpretation für sich in Anspruch nehmen kann, hat Marco Frenschkowski geltend gemacht, es gebe keinerlei „tragfähige Indizien für frühchristliche Gruppen in Galiläa20, die parallel mit der Jerusalemer Urgemeinde existiert haben könnten“. In Q hätten wir vielmehr „das Dokument einer Tradition vor uns ..., die sich ihrer galiläischen Wurzeln bewusst ist und diese nicht verdrängt oder überlagert“21. Ich selber möchte hinzufügen: Diese Wurzeln sind das Wirken Jesu, und da speziell Q 10,13-15 in der Regel für authentisch gehalten wird, dürfte hier nicht das Scheitern der Q-Mission ins Auge gefasst sein, sondern der negative Ausgang des Auftretens Jesu22. Dann aber stellt sich die Frage: Wie ist zu erklären, dass diejenigen, die durch die Komposition der Boteninstruktion ihr eigenes Wirken legitimieren wollen, die Aufmerksamkeit auf das eschatologische Unheil von galiläischen Orten des Wirkens Jesu lenken? Wirkt die Q-Gruppe selber außerhalb Galiläas? Aber wo? Um hier eine Antwort zu finden, wende ich mich in Weiterführung früherer Äußerungen23 zunächst der Boteninstruktion selber zu. Es folgt ein Gang durch die vier Stücke des Einleitungsteils von Q, der 3,77,10 umfasst. Das sind: 1. Zwei Worte Johannes des Täufers (3,7-9.16f); 2. die Versuchungsgeschichte (4,1-13); 3. die Eröffnungsrede (6,20-49); 4. die Geschichte über den Hauptmann von Kapernaum (7,1-10). Denn 19 20 21 22

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Vgl. HOFFMANN, Studien (Anm. 14), 235-311. Vgl. auch die Kritik von B.A. PEARSON, A Q Community in Galilee?, NTS 50 (2004), 476-494, bes. 489-493. M. FRENSCHKOWSKI, Galiläa oder Jerusalem? Die topographischen und politischen Hintergründe der Logienquelle, in: A. LINDEMANN (Hg.), The Saying Source Q and the Historical Jesus (BEThL 108), Leuven 2001, 535-559: 540f. Vgl. z. B. M. REISER, Die Gerichtspredigt Jesu. Eine Untersuchung zur eschatologischen Verkündigung Jesu und ihrem frühjüdischen Hintergrund (NTA NF 23), Münster 1990, 207-215; C. RINIKER, Die Gerichtsverkündigung Jesu (EHS.T 653), Bern u.a. 1999, 301-333, bes. 317-320. RAU, Q-Forschung (Anm. 2), bes. 389-400.

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meine zentrale These lautet: Die Sequenz dieser vier Stücke macht den Leser und die Leserin mit den Voraussetzungen vertraut, die sie brauchen, um die Boteninstruktion des Hauptteils zu verstehen, die geradezu als Fokus der Logienquelle verstanden werden kann24. Vertieft man sich in die Vierersequenz, fällt zweierlei besonders auf. Erstens beginnt nicht nur der Einleitungsteil, sondern auch der Hauptteil von Q mit dem Rekurs auf den Täufer. Es ist deshalb von vornherein zu erwarten, dass Jesu Verhältnis zu ihm für den Gesamtzusammenhang, also auch für die Boteninstruktion, von großer Bedeutung ist. Zweitens wird die Eröffnungsrede von den beiden einzigen ausgeführteren Erzählungen gefasst, die Q besitzt und deshalb schon immer besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Wie sich zeigen wird, haben sie für die Deutung der Worte, die Q überliefert, eine Schlüsselfunktion, und da die Geschichte über den Hauptmann von Kapernaum das Achtergewicht besitzt, ist auch hier schon vor jeder Einzelexegese damit zu rechnen, dass gerade sie uns Aufschluss darüber gibt, wie der Einleitungsteil auf die Boteninstruktion zu beziehen ist.

2. Nachfolge und Sendung Die Boteninstruktion wird in Q 9,57-60 durch zwei dialogisch situierte Worte Jesu eingeleitet, die zeigen, wie hart die Konsequenzen der Nachfolge sind. Das erste verrät, warum sie an dieser Stelle in Q platziert sind: Es konfrontiert mit der ‚Hauslosigkeit’ des Menschensohns, deren Lebensform die Instruktion im Einzelnen thematisiert. Das zweite Wort schärft den Bruch mit der Herkunftsfamilie ein, der dabei vorausgesetzt, wenn auch nirgends direkt zur Sprache gebracht wird.

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Der Blick in FLEDDERMANN, Q (Anm. 1), 110-112 zeigt, dass Q in der Regel entweder gegliedert wird in 11 bis 14 kleinere Einheiten (A. Polag, W. Schenk, J.S. Kloppenborg) oder in 4 bis 5 größere Blöcke mit jeweils mehreren Untereinheiten (T.W. Manson, J.D. Crossan, A.D. Jacobson, H.T. Fleddermann). Verleitet durch die beiden Passagen über den Täufer (Q 3,7-9.16f. und 7,18-35), wird bei der zweiten Alternative durchweg davon ausgegangen, dass 3,7-7,35 eine Einheit darstellt, der es um das Thema ‚Johannes und Jesus’ geht. Der eigene Vorschlag, einen Einleitungsteil mit vier Stücken (3,7-7,10) und einen Hauptteil mit einer Reihe von Redekompositionen (7,18-22,30) zu unterscheiden, basiert primär auf Beobachtungen zur Platzierung der Worte gegen ‚dieses Geschlecht’. Ob sich mehrere Reden des Hauptteils zu größeren Blöcken zusammenfassen lassen, braucht hier nicht diskutiert zu werden. Vgl. jedoch bereits die Gliederung von 9,57-11,13 in 9,57-10,16 und 10,21-11,13 oder den Neuansatz von 11,14-16, der die Kompositionen von 7,18-35 und 9,57-11,13 gegenüber der Fortsetzung als zusammengehörig erkennen lässt.

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Die eigentliche Instruktion, die die Boten in Q 10,2-16 mit Ausnahme von 10,13-15 durchgehend in 2. Pers. Pl. anspricht, enthält fünf Worte Jesu. Das erste bringt den eschatologischen Horizont der Sendung zur Sprache (10,2), das zweite den gefahrvollen Kontext (10,3), das dritte die Durchführung im Einzelnen (10,4-12)25, das vierte die Gerichtsperspektive (10,13-15) und das fünfte die ideelle Basis (10,16). Zu Beginn werden die Angesprochenen in Q 10,2 aufgefordert, vor Gott dafür einzutreten, dass er mehr Arbeiter in den qerismo,j schickt als die wenigen, die sie selber sind26. Qerismo,j zielt dabei auf die Sammlung derer, die sich der Nähe des Reiches Gottes öffnen (10,9)27. Doch sind die Ernte-Metapher und ihr Bildfeld nicht erst beim Täufer (3,16f) primär auf den Vollzug des Gerichts ausgerichtet28, so dass schon hier und nicht erst in 10,12.13-15 der Gerichtshorizont der Arbeit der Boten zur Sprache kommt29. Das bestätigt der in Q 10,3 anschließende Vergleich von der Sendung wie Schafe unter Wölfe: So wie Gott bzw. dessen Weisheit die Propheten und in Kontinuität mit den Propheten Jesus sendet30, so sendet Jesus selber die, die zuvor Arbeiter genannt wurden, die Gott sendet (10,2), als Wehrlose unter Feinde, die sich der Sammlung für das Reich Gottes widersetzen.

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Die Einheitlichkeit von Q 10,4-12, die hier vertreten wird, ist in der Forschung sehr umstritten. Anlass zu literarkritischen Operationen ist neben der Doppelung des Essensmotivs in Q 10,7 und 10,8 insbesondere die Parallelität der Formulierung vom Kommen in ein Haus und Kommen in eine Stadt, mit der die beiden Abschnitte 10,57 und 10,8-12 eingeleitet werden. R. ZIMMERMANN, Folgenreiche Bitte! (Arbeiter für die Ernte). Q 10,2 (Mt 9,37f. / Lk 10,2 / EvThom 73), in: DERS. (Hg.), Kompendium (Anm. 15), 111-118: 116, vertritt in Form einer Frage die Auffassung, dass „die Bittenden am Ende zugleich die Gesandten“ sind. Er macht dadurch darauf aufmerksam, dass zwischen Q 10,2 und 10,3-12 nicht die Spannung besteht, die postuliert D. ZELLER, Redaktionsprozesse und wechselnder ‚Sitz im Leben’ beim Q-Material, in: DELOBEL (Hg.), Logia (Anm. 6), 395-409: 402, nach dem sich 10,2 an eine Gemeinde richtet, „die man sich wie Apg 13,1-3 zum Gebet vor der Aussendung versammelt denken kann“, während 10,3-12 die Regeln der Ausgesandten selber darbietet. Dadurch verliert ZELLERs These, ebd. 408, „dass die Tradition der Wanderprediger in den von ihnen initiierten Gemeinden einen neuen SiL (sc. Sitz im Leben) fand“, eine ihrer wichtigsten Stützen. Vgl. Mk 4,26-29. Vgl. P. VON GEMÜNDEN, Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung (NTOA 18), Fribourg/Göttingen 1993, bes. 182204; ZIMMERMANN, Bitte (Anm. 26), 114-116. Vgl. bes. REISER, Gerichtspredigt (Anm. 22), 243-245; ZIMMERMANN, Bitte (Anm. 26), 114-116. Vgl. Q 10,16; 11,49-51; 13,34-35.

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3. Im Horizont des Gerichts: Übergeht die Reinheitstora beim Mahl, heilt Kranke und verkündigt die Nähe des Reiches Gottes! Q 10,4-12, das dritte Wort und zugleich das Zentrum der Boteninstruktion, das eine eigene kleine Rede darstellt, wird in 10,4 durch die sog. Ausrüstungsregel eröffnet, die zwei Imperative enthält. Der erste fordert die Boten auf, vier Dinge nicht bei sich zu tragen, ohne die sich normalerweise niemand auf den Weg in die Fremde macht: Kein Geld zum Kauf dessen, was sie brauchen, keinen Reisesack zur Mitnahme von Brot gegen den Hunger, keine Sandalen zum Schutz vor Verletzung der Füße, keinen Stock zur Abwehr von Räubern und wilden Tieren (10,4a)31. Mit anderen Worten: Wehrlos wie Schafe unter Wölfen, sollen sich die Boten den Gefahren der Reise aussetzen, und sie sollen dies, dem Mammon entsagend (16,13), als Arme tun, die das Reich Gottes suchen und die Sorge um Nahrung und Kleidung ihrem himmlischen Vater anvertrauen (12,22-31), der sie Menschen finden lässt, die ihnen die Sorge abnehmen. Wie stark die Ausrüstungsregel auf dieses Ziel ausgerichtet ist, zeigt der zweite Imperativ: Die Boten sollen unterwegs niemanden grüßen (10,4b). Erlaubt ist der Gruß erst dort, wo er die Tür zu einem Quartier öffnet, das als Basis für die Arbeit an der Einholung der Ernte dienen kann. Die Ausführung dieses Gedankens erfolgt in drei Schritten: Der erste fasst in 10,5-7 die Ankunft in einem Haus ins Auge, bei dem vorausgesetzt wird, dass es sich in einem Ort befindet, der als Wirkungsstätte geeignet ist. Hier soll der Gruß als Symbolon eingesetzt werden, das die Auffindung des richtigen Gastgebers ermöglicht32. Entsprechend der Friedfertigkeit, die besonders der Verzicht auf den Stock verrät, lenkt er Frieden und Heil auf das Haus herab. Je nach dem, wie darauf – zweifellos nach Aufklärung über den Zweck der erbetenen Gastfreundschaft – vom Hausherrn reagiert wird, sei erkennbar, ob es sich bei ihm um einen ‚Sohn des Friedens’ handelt. Wenn ja, erhalte er an der Segenskraft des Grußes Anteil, wenn nein, kehre diese zum Grüßenden zurück. Ist ersteres der Fall, stellt der ‚Sohn des Friedens’ den Boten mehr zur Verfügung als für kurze Zeit ein Dach über dem Kopf, wie in der Fremde üblich seit je. Dies Mehr 31 32

Bei der Frage nach der Q-Fassung der sog. Ausrüstungsregel ist Lk 10,4 z.T. von Lk 9,3 her zu korrigieren. Vielleicht war in Anlehnung an Mk 6,9; Mt 10,10 und Lk 9,3 ursprünglich auch noch der Verzicht auf ein zweites Gewand gefordert. Zum Symbolon vgl. O. HILTBRUNNER, Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum, Darmstadt 2004, 43-45.

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jedenfalls ist vorausgesetzt, wenn die Fortsetzung davor warnt, das Haus zu wechseln, sondern im einmal gefundenen Quartier zu bleiben, um vom Gastgeber in Form von Essen und Trinken den Lohn zu empfangen, den jeder Arbeiter verdient. Summa: Hier erhalten die Boten, worauf sie bei der Ausrüstung im Vertrauen auf Gottes Fürsorge verzichten, und hier ist – offensichtlich für längere Zeit – der Stützpunkt für ihre Mitarbeit an der Einholung der Ernte. Der zweite und dritte Schritt der Anweisung regelt in 10,8-12, wie sich die Angesprochenen zu verhalten haben, wenn sie in eine Stadt kommen und dort so, wie es 10,5-7 ins Auge fasst, entweder gastlich aufgenommen oder nicht aufgenommen werden. Für den Fall der Aufnahme werden die Boten in 10,8-9 in drei Imperativen zur Durchführung der eigentlichen Aufgabe ihrer Sendung aufgefordert. Als erstes heißt es: "Esst das euch Vorgesetzte". Das bezieht sich kaum erneut auf die Beköstigung im Quartier, sondern auf die Teilnahme an der Mahlgemeinschaft, bei der es nicht nötig sei, die von Bewohnern des Ortes – z. B. Zöllnern – gestifteten Speisen33 auf Einhaltung der (pharisäischen?) Reinheitstora zu überprüfen (11,3941)34. Zweitens sollen die Boten die Kranken der Stadt heilen und drittens ihren Bewohnern sagen, das Reich Gottes sei ihnen nahe gekommen. Sie lassen also den Ort, in dem sie auftreten, an den wichtigsten Aspekten des Wirkens Jesu teilhaben. Diese begegnen uns z.B. auch in der Antwort an den Täufer (7,22-23), wo der Makarismus zugleich verrät, dass es die Möglichkeit gibt, sich der jesajanischen Dignität des Auftretens Jesu zu verschließen und dadurch an Jesus bzw. der Deutungshoheit, die er für sich beansprucht, zu ‚ärgern’. Bei Nichtaufnahme sollen die Boten nach Q 10,10-11 an der Stadt eine Fluchgeste vollziehen, die sie gleichwohl nicht verunsichern dürfe in der Erkenntnis, dass das Reich Gottes nahe ist. Die Geste selber hat weitreichende Folgen. Denn, so beteuert Jesus in 10,12, Sodom werde es am Tag des Gerichts erträglicher gehen als jener Stadt. Unabhängig von der Frage, ob wir hier eine redaktionelle Analogiebildung zu 10,14 vor uns haben35, wird auf diese Weise deutlich: Die Boteninstruktion läuft 33 34

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Vgl. M. EBNER, Jesus von Nazaret in seiner Zeit. Sozialgeschichtliche Zugänge (SBS 196), Stuttgart 2003, 157-159. Vgl. EvThom 14(4-5), wo das Gebot, das Vorgesetzte zu essen, mit einer Mt 15,11 (par. Mk 7,15) entlehnten Formulierung begründet wird. Anders als SCHRÖTER, Erinnerung (Anm. 14), 189-192 annimmt, stellt sich das Problem kultischer Verunreinigung beim Essen keineswegs erst in heidnischen Städten. Vgl. E. RAU, Jesus – Freund von Zöllnern und Sündern. Eine methodenkritische Untersuchung, Stuttgart 2000, 128-133. Vgl. LÜHRMANN, Redaktion (Anm. 9), 62f., nach dem Q 10,12 gebildet worden ist, um 10,13-15 mit der Boteninstruktion zu verknüpfen. Dagegen spricht, dass Analogiebildungen in der Regel nicht vor, sondern nach dem Wort platziert sind, an dem

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auf eine Gerichtsdrohung zu, die den Adressaten der Sendung die Möglichkeit zur Umkehr offen hält. Der Drohung aber wird durch das Wort gegen Repräsentanten ‚dieses Geschlechts’, das in 10,13-15 folgt, allergrößter Nachdruck gegeben. Denn hier wird das Motiv vom erträglicheren Geschick von Fremdvölkern eingesetzt, um hervorzuheben: Chorazin, Bethsaida und Kapernaum haben die Möglichkeit zur Umkehr ein für allemal verspielt.

4. Das Wehe über Chorazin und Bethsaida und Kapernaums Sturz in die Unterwelt Statt wie bisher die Boten spricht Jesus in Q 10,13-15 diejenigen an, denen die Gerichtsankündigung gilt. Das sind nicht Orte des Wirkens der Boten, sondern des Wirkens Jesu: Zunächst Chorazin, das in der Jesusüberlieferung außer dieser Stelle keinen Niederschlag gefunden hat, danach, parallel dazu, Bethsaida, das auch sonst als Ort des Auftretens Jesu bezeugt ist36, und zum Schluss, deutlich zugespitzt formuliert und mit Achtergewicht versehen, Kapernaum, das das Zentrum des Wirkens Jesu gewesen sein dürfte37. Über Chorazin und Bethsaida ruft Jesus 10,13 das Wehe der Totenklage aus, weil sich die Bewohner durch seine Krafttaten nicht zur Umkehr bewegen ließen. Sie haben, so lässt sich konkretisieren, die Heilungen und Exorzismen offensichtlich nicht als Zeichen der Präsenz des Reiches Gottes verstanden, sondern sich deren Aussagekraft durch den Beelzebul-Vorwurf entzogen (11,14-23). Dieser Gedanke hat großes Gewicht, wird er doch mit der Fiktion untermauert, wären Tyrus und Sidon an ihrer Stelle, hätten diese die Umkehr längst vollzogen. Deshalb lautet die Unheilsankündigung von 10,14: Den beiden in den Fremdvölkerorakeln der Propheten wegen ihres Reichtums und des daraus erwachsenden Hochmuts verurteilten Handelsmächten38 werde es entsprechend dem, was den Boten über Sodom zugesichert worden ist (10,12), im Gericht besser ergehen als den Orten des Auftretens Jesu.

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sie sich orientieren. M. E. kann der Vers genauso gut den ursprünglichen Abschluss von 10,4-12 markieren. Dann würde 10,13-15 auf Chorazin und Bethsaida applizieren, was die Instruktion von Anfang an als Möglichkeit ins Auge gefasst hat. Auch dann allerdings hat 10,12 die Aufgabe, 10,13-15 mit der Boteninstruktion zu verknüpfen. Vgl. Mk 6,45; 8,22; Lk 9,10; Joh 1,44. Vgl. Q 7,1; Mk 1,21; 2,1; 9,33; Mt 4,13; 9,1; 17,24; Lk 4,23; Joh 2,12; 4,46; 6,17.24.59. Vgl. Jes 23; Ez 26-28; Joel 4,4-8; Sach 9,2-4.

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Doch damit nicht genug! Den Höhepunkt markierend, wird dem Fischerort Kapernaum in 10,15 dasselbe Geschick in Aussicht gestellt, wie Jes 14,13-15 es für das mächtige Babylon, die Inkarnation allen Frevels unter den Völkern, ins Auge fasst: Statt, wie es als Hoffnung unterstellt wird, in den Himmel erhöht zu werden, werde der Hauptschauplatz des Wirkens Jesu in die Unterwelt hinabsteigen. Nach Auffassung des Sprechers rechneten es sich die Bewohner offensichtlich als Auszeichnung zu, Jesus in ihrer Mitte zu haben. Sie könnten stolz darauf gewesen sein, seine Worte zu hören, verdienen aber das Gericht, weil sie dem Hören keine Taten folgen ließen (6,47-49). Ja, sie könnten sich der Gemeinschaft beim Mahl und der Lehre der Worte gerühmt haben, die Jesus auf ihren Straßen vortrug, werden aber das Tor zum Reich Gottes verschlossen finden, weil der Mahlherr sie wegen ihres Eintretens für den Frevel verleugnet (13,24-27)39. In der Unheilsankündigung an die galiläischen Orte begegnen wir zum ersten Mal dem mehrfach belegten, viel diskutierten Phänomen, dass Vertretern der Völker das Heil oder gar die Mitwirkung am Gericht über ‚dieses Geschlecht’ in Aussicht gestellt wird. In 11,31-32 wird nicht ein fiktives, sondern ein tatsächliches Verhalten zur Anklage genutzt: Die Südkönigin kam von weither, um die Weisheit Salomos zu hören, und die Nineviten kehrten auf die Botschaft des Jona hin sogar um. Beide werden deswegen über ‚dieses Geschlecht’, das sich weder von der Weisheit Jesu anlocken noch durch seine Botschaft zur Umkehr bewegen ließ, zu Gericht sitzen. 13,28-29 fasst statt der Vergangenheit die Zukunft ins Auge, und da wir eine Unheilsankündigung ohne Begründung vor uns haben, wird auf das Verhalten nicht rekurriert. Gesagt wird nur dies: Das Herbeiströmen der Völker zum Mahl des Reiches Gottes an der Seite der Väter Israels kontrastiert dem Hinauswurf der Söhne der Basileia40. Die Parallele in 14,16-24 dagegen thematisiert, 39

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Die Bezeichnung als evrga,tai avdiki,aj (Lk 13,27) bzw. als evrgazo,menoi th.n avnomi,an (Mt 7,23) legt es nahe, dass es sich bei den Angesprochenen nicht um einfache Juden handelt, sondern um Antipoden der evrga,tai von Q 10,2, die sich in den Umkreis des Wirkens Jesu begeben, um dort so, wie es besonders deutlich in Q 11,52 zum Ausdruck kommt, gegen seinen Einfluss auf ’die Menschen’ zu arbeiten. Dies könnte sich im Kontext der Mahlgemeinschaft speziell gegen Vertreter des pharisäischen Standpunktes richten. Vgl. RAU, Jesus (Anm. 34), bes. 133-143. Seit D.C. ALLISON, Who Will Come from East to West? Observations on Matt. 8.11-12 – Luke 13.28-29, IBS 11 (1989), 158-170 wird das Herbeiströmen der Vielen oft nicht auf die Völker, sondern auf die Diasporajuden bezogen. Vgl. M.F. BIRD, Who Comes from the East and the West? Luke 13.28-29 / Matt 8.11-12 and the Historical Jesus, NTS 52 (2006), 441-457 (Lit.). So sehr es für diese Vorstellung biblische Belege gibt, so sehr scheint mir deren Inanspruchnahme für die Erklärung von Q 13,28f eine apologetische Konstruktion zu sein, die – der Sache nach zu Recht, aber auf falsche Weise – verhindern will, dass die Verurteilung ‚dieses Geschlechts’ ganz Israel im Auge hat: Sie gelte den Opponenten Jesu, nicht aber der Diaspora.

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warum die Erstgeladenen ‚dieses Geschlechts’ vom Mahl ausgeschlossen werden, verschweigt aber erneut, wodurch sich die Ersatzgäste aus den Völkern für die Teilnahme qualifizieren. Wenn Repräsentanten der Völker ein positives Verhalten gegenüber Jesus unterstellt wird, geht der Blick zurück in die große Vergangenheit Israels. Die Gegenwart spielt nur beim Schuldaufweis gegen ‚dieses Geschlecht’ eine Rolle, und wo die Aufmerksamkeit auf die eschatologische Zukunft gelenkt wird, sucht man vergeblich nach einer Antwort auf die Frage, ob und wie das Herbeiströmen der Völker durch ihr Verhalten gefördert werden kann. Dies alles unterstreicht, dass sich der, dem wir hier begegnen, in keiner Weise um Anerkennung und Erfolg unter den Völkern bemüht hat. Deren positive Charakterisierung ist primär ein Reflex auf sein Widerfahrnis der Ablehnung durch ‚dieses Geschlecht’ und unterstreicht so kontrastiv wie nur möglich, dass das Gericht über die, die sich in Israel Jesus gegenüber verschlossen haben, unerbittlich ist41. Die Boteninstruktion wird in 10,16 durch ein Wort abgeschlossen, das uns in Anlehnung an die verbreitete Vorstellung vom Gesandten42 verrät, was die Angesprochenen dazu befähigt, an der Sendung durch Jesus auch dann festzuhalten, wenn dieser nicht bei ihnen ist. Auch dann nämlich gilt: Wer sie hört, hört Jesus zu sich sprechen, tun die Boten doch nichts anderes, als dessen Worte weitersagen. Dies allerdings ist nur die Basis für die Pointe, die die Fortsetzung bringt: Da die Boten in den Worten, die sie sagen, deren Sprecher repräsentieren, verwerfen die, die die Boten verwerfen, Jesus selbst und mit Jesus den, der Jesus gesandt hat. Das verleiht der vorausgehenden Gerichtsdrohung die denkbar größte Autorität. Durch 10,16 erfahren wir, warum die Worte Jesu festgehalten werden: Damit die Boten sie weitersagen. Ausschließlich hier finden sie die Orientierung für ihre Arbeit, setzen sie doch lediglich fort, was Jesus ihnen aufgetragen hat. Die Bedürfnisse der eigenen Gegenwart lassen sich deswegen weniger an den Veränderungen ablesen, die die Worte selber erfahren, als an der Platzierung, die sie in einer Redekompositi-

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Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, ob die Boten Jesu in diesen Worten nicht mit einer Offenheit gegenüber den Völkern konfrontiert werden, die so ungewöhnlich ist, dass sie in einer neuen Konstellation den Blick auf deren Repräsentanten in der eigenen Gegenwart verändern kann. An Q 7,1-10 möchte ich zeigen, dass dies in der Tat der Fall gewesen sein dürfte. Vgl. J.A. BÜHNER, Der Gesandte und sein Weg im 4. Evangelium (WUNT II 2), Tübingen 1977, bes. 118-166.181-271.

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on erhalten. Was die Boteninstruktion betrifft, ist der redaktionelle Eingriff in den Wortlaut jedenfalls außerordentlich gering43.

5. Der Kommende, der Feuertäufer und das Feuergericht Es ist singulär, dass eine Schrift, die der Autorität Jesu verpflichtet ist, mit Worten einer anderen Autorität eröffnet wird, die weder hier noch an anderer Stelle relativiert oder gar außer Kraft gesetzt werden. Es handelt sich um zwei Worte Johannes des Täufers, die nach allem, was wir wissen, das Zentrum seiner Verkündigung markieren44. Sie leben von ihren Metaphern von Baum und Frucht, von Ernte, Weizen und Spreu, deren Bildfelder im zeitgenössischen Judentum eine breite Basis haben45. Das erste Wort ist die Unheilsankündigung von Q 3,7-9, die sich aus dem Scheltwort von 3,7-8 und dem Drohwort von 3,9 zusammensetzt. Das Scheltwort unterstellt den in einer ersten Charakterisierung als Otterngezücht beschimpften Hörern und Hörerinnen in einer rhetorischen Frage die Auffassung, sie könnten dem kommenden Zorn entrinnen, ohne karpoi, zu erbringen (poiei/n), die der von Johannes geforderten meta,noia entsprechen. Von der Notwendigkeit zur Umkehr, so lautet die Zuspitzung, entlaste nicht einmal die Berufung auf Abraham als Vater. Das Drohwort verweist daraufhin auf das unmittelbar vor der Tür stehende Gericht, das pa/n ou=n de,ndron mh. poiou/n karpo.n kalo,n im Feuer vernichten werde. Das zweite Wort spezifiziert in 3,16-17: Es ist der Kommende, der die Angesprochenen (mit heiligen Geist und) mit Feuer taufen und durch Scheidung der Spreu vom Weizen das angekündigte Feuergericht vollstrecken wird46. Fragt man, was den Autor zu dieser ungewöhnlichen Eröffnung der Logienquelle durch Täuferworte motiviert haben mag, richtet sich der Blick als erstes auf Q 7,18-23, führt Jesus hier doch gleich zu Beginn der Rede über Johannes aus, inwiefern er selber der Kommende ist. Von Frucht und Umkehr, vom Feuergericht und Feuertäufer ist dabei allerdings weder hier noch in den anderen Worten der Komposition die 43

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Man kann erwägen, ob die Redaktion neben der Zufügung von Q 10,12 auch noch dafür verantwortlich ist, dass der Ort des Wirkens der Boten in 10,8.10(12) als po,lij bezeichnet wird. In diesem Fall könnte to,poj in Mk 6,11 das Ursprüngliche bewahrt haben. Die Überlegung erübrigt sich allerdings, wenn semitisches ry[ im Hintergrund steht. Vgl. bes. REISER, Gerichtspredigt (Anm. 22), 154-182. Vgl. VON GEMÜNDEN, Vegetationsmetaphorik (Anm. 28), bes. 122-141. Falls das Geistmotiv primär ist, ist es auf den positiven Aspekt des Erntevorgangs bezogen, das Einsammeln des Weizens.

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Rede. Folgt daraus, dass der Jesus der Logienquelle die Gerichtserwartung des Täufers abrogiert? Zur Vorsicht mahnt bereits die Beobachtung, dass es zwischen dem Schelt- und Drohwort gegen das Otterngezücht und den Worten gegen ‚dieses Geschlecht’ mannigfache Beziehungen gibt. Beim Täufer heißt es, vor dem Gericht rette nur die der meta,noia entsprechende Frucht, nicht aber die Berufung auf die Herkunft von Abraham, dem Gott selbst aus Steinen Kinder erwecken könne. Und bei Jesus wird die Härte des Gerichts durch den Blick auf ein positives Verhalten von Repräsentanten der Völker unterstrichen. Ja, zweimal ist dabei ganz im Sinne des Täufers von meta,noia die Rede (10,13-15; 11,31f)47. Und einmal heißt es sogar, dass die Völker zum Mahl der Basileia mit Abraham, Isaak und Jakob herbeiströmen, während die Söhne der Basileia herausgeworfen werden (13,28f). Werden hier nicht die, die sich auf Abraham als ihren Vater berufen, durch dessen aus Steinen erweckte Kinder verdrängt? Mir scheint, der Blick auf die Worte gegen ‚dieses Geschlecht’ signalisiert: Der Jesus von Q sagt sich keineswegs los von der Gerichtserwartung des Täufers. Liest man die Logienquelle zwei Stücke weiter, zeigt sich spätestens beim Doppelgleichnis vom Hausbau zum Abschluss der Eröffnungsrede, dass er sie seiner Verkündigung des Reiches Gottes in eindrucksvoller Weise amalgamiert.

6. Der Mandatar des Reiches Gottes In einer vom Dialog dominierten Narratio, einer Art ’Wortgeschichte’, die uns in der Logienquelle sonst nur noch beim Hauptmann von Kapernaum begegnet, führt uns die Versuchungsgeschichte von Q 4,1-13 in drei Szenen vor Augen, wie schriftkundig und schlagfertig Jesus im Kampf mit dem Teufel seine Gottessohnschaft bewährt, von der in den ersten beiden Szenen die Rede ist. Wie Christopher M. Tuckett gezeigt hat48, ist ui`o.j tou/ qeou/ hier weder christologischer Titel noch im engeren Sinne messianisch konnotiert, sondern zeichnet Jesus aus als den, der einerseits Repräsentant aller Söhne ist, die Gott im Sinne der Logienquelle zu ihrem Vater haben, der als Sohn in ausgezeichnetem Sinne andererseits aber auch die einzigartige Vollmacht besitzt, den Seinen Gottes Vatersein zu offenbaren49. Mit der Eröffnungsklausel wendet 47 48 49

Vgl. außerhalb von Q nur noch Lk 13,1-5. C.M. TUCKETT, The Temptation Narrative in Q, in: F. VAN SEGBROECK u.a. (Hg.), The Four Gospels 1992, FS F. Neirynck I-III (BEThL 100), Leuven 1992, I, 479-507. Vgl. Q 6,35f.; 10,22; 11,2-4.11-13; 12,22-31.

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sich der Teufel dementsprechend „to one who is/claims to be/struggles to be an obedient son of God: i.e. to Jesus and by implication to Q Christians who claim God as their Father“50. Dem korrespondiert, dass die Versuchungsgeschichte ungewöhnlich zahlreiche Beziehungen zu Einzelüberlieferungen von Q aufweist51. Tuckett folgert daraus: „By placing such a story to the start of the document, the Q-editor provides the reader with an important hermeneutical key for what is to follow“52. Man wird sogar sagen dürfen, dass der Text niemals selbständig existiert hat, sondern ein literarisches Produkt ist, das erst für den Kontext der Logienquelle geschaffen worden ist53. Vermutlich rekurriert der Autor zu Beginn (Q 4,1-2a) auf eine ähnlich knappe, für Deutungen offene Tradition vom peirasqh/nai Jesu wie Mk 1,12-1354. Er erläutert jedoch, dass das lange Fasten zum Hunger führt, und nutzt dies als Exposition für die erste Szene (Q 4,2b-4), die ihrerseits eine Art Introitus für die zweite und dritte Szene ist (4,9-12.58). Er verschafft sich auf diese Weise die Möglichkeit, den Motiven seiner Überlieferung, an denen ihm besonders gelegen ist, gleich am Anfang seiner Schrift einen signifikanten Haftpunkt zu geben. Anders formuliert: Hier kommt weder eine späte Redaktion zu Wort, die von einer früheren unterschieden werden könnte55, noch haben wir eine späte „addition“ zu Q1 und Q2 vor uns56. Wir können vielmehr demjenigen auf die Finger sehen, der auf die Redaktion der Logienquelle, und dass heißt ja: auf ihre kompositionelle Strukturierung, maßgeblichen Einfluss hatte57. Dass die Redaktion ‚später’ ist als die Worte Jesu, die sie in Form von Reden überliefert, versteht sich dabei von selbst. Vom 40-tägigen Fasten hungrig geworden, widersteht Jesus in der ersten Szene von Q 4,1-4 der Aufforderung des Teufels, sich durch die Macht seines Wortes Brot zu verschaffen. Wissend, dass keiner von Brot 50 51

52 53

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TUCKETT, Narrative (Anm. 48), 495f. TUCKETT, Narrative (Anm. 48), bes. 494-506. Vgl. L. SCHOTTROFF / W. STEGEMANN, Jesus von Nazareth – Hoffnung der Armen (UB 639), Stuttgart 1978, 72-77; A. LINDEMANN, Die Versuchungsgeschichte Jesu nach der Logienquelle und das Vaterunser, in: D.-A. KOCH / G. SELLIN / A. LINDEMANN (Hg.), Jesu Rede von Gott und ihre Nachgeschichte im frühen Christentum, FS W. Marxsen, Gütersloh 1989, 91-100; SCHRÖTER, Erinnerung (Anm. 14), 446-448. TUCKETT, Narrative (Anm. 48), 506. Vgl. M. WOLTER, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008, 178, der allerdings nicht Q, sondern Lk im Blick hat, wenn er meint, die Versuchungsgeschichte sei „von vornherein mit der Erzählung von der Taufe Jesu, der Geistverleihung und der Proklamation als Gottessohn verbunden“ gewesen. Für Q ist dies zumindest umstritten. Vgl. die Diskussion bei SCHRÖTER, Erinnerung (Anm. 14), 443-445. Anders SCHULZ, Q (Anm. 14), 182, der in Mk ein Exzerpt der Q-Überlieferung sieht. So POLAG, Christologie (Anm. 18), 15-17.146-151. So KLOPPENBORG, Formation (Anm. 1), 246-262. Anders LÜHRMANN, Redaktion (Anm. 9), 56, nach dem Q 4,1-13 keinerlei Aussage über die Redaktion von Q erlaubt.

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allein lebt, wird er dadurch zum Vorbild derer, die er im Vaterunser lehrt, mit dem Kommen des Reiches Gottes zugleich um das Brot zu bitten, mit dem dort zu rechnen ist (11,2-4)58. Ja, Jesus stellt sich an die Seite der Armen, denen er die Sättigung verheißt, die ihnen das Reich Gottes bringt (6,20-21). Und er demonstriert, auf welcher Basis er seine Boten ohne jeden Proviant in die Fremde schickt, um dort die Nähe des Reiches zur Wirkung bringen (10,4-12). Konkret: Er lebt vor, warum er sie auffordern kann, sich in Vertrauen auf die Fürsorge Gottes nicht um Nahrung und Kleidung zu sorgen, sondern alle Energie auf die Suche des Reiches Gottes zu richten (12,22-31). In der zweiten und dritten Szene tritt Jesus als Anwalt der Sache des Gottes Israels auf. In deutlicher Steigerung gegenüber dem Eintreten für den Sinn des Fastens stellt er sich zunächst der Verpflichtung, ku,rion to.n qeo,n sou nicht zu versuchen, und danach erweist er sich sogar als Protagonist des Hauptgebotes, ku,rion to.n qeo,n sou allein zu verehren. In der zweiten Szene von 4,9-12 möchte der Teufel Jesus dafür gewinnen, Gott durch den Sturz von der Zinne des Tempels dazu herauszufordern, seine Macht zur Rettung zu offenbaren. Er agiert dabei als Archetyp derer, die von Jesus in versucherischer Absicht ein Zeichen vom Himmel fordern, weil sie sich der Einsicht entziehen, dass die Exorzismen die Präsenz des Reiches Gottes bezeugen (11,16-23). Jesus dagegen weiß: ouvk evkpeira,seij ku,rion to.n qeo,n sou (4,12). Er stellt dadurch seine Fähigkeit zur Zurückweisung der Zeichenforderung unter Beweis (11,29f.). Ja, er weiß, was auf dem Spiele steht, wenn er die Seinen im Vaterunser um Bewahrung vor dem peirasmo,j zu bitten lehrt (11,2-4). Um Gottes kurio,thj geht es erst recht in der dritten Szene von 4,5-8, mit der die Versuchungsgeschichte ihren Höhepunkt erreicht. Um den Preis der Proskynese verspricht der Teufel seinem Antipoden die Herrschaft über pa,saj ta.j basilei,aj tou/ kosmou/. Jesus weist dies entschieden zurück, weiß er doch: ku,rion to.n qeo,n sou proskunh,seij kai. auvtw|/ mo,nw| latreu,seij (4,8). Er qualifiziert sich dadurch, so ist die unausgesprochene Konsequenz, zum Mandatar der Alternative zu den Reichen der Welt: der basilei,a tou/ qeou/. Man sieht: Der Kampf mit dem Teufel gibt dem Autor der Logienquelle die Möglichkeit, Jesus vorzustellen als den, der seine Gottessohnschaft unter Beweis stellt, indem er – ohne dass der Ausdruck selber fällt! – dem Reich Gottes in all seinen Facetten Raum schafft. „God“, fasst Tuckett zusammen, „is the God who demands exclusive worship. 58

Zu den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten vgl. z. B. LUZ, Matthäus I/1 (Anm. 15), 345-348.

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Hence neutrality is impossible. But part of the claim of God is via the claims associated with His Kingdom; and any rival 'kingdom' is here claimed to be demonic in origin“59. Dagegen sucht man vergeblich nach einer Spur der Gerichtsperspektive, die der Täufer eingeführt hat, und offen bleibt auch, warum so nachdrücklich auf der Alleinverehrung des Gottes Israels insistiert wird. Ersteres klärt sich, wenn die Lektüre der Logienquelle zum Schluss der Eröffnungsrede vorgedrungen ist, letzteres, wenn sie sich auch auf die daran anschließende Geschichte über den Hauptmann von Kapernaum erstreckt.

7. Wer meine Worte hört und nicht tut Nachdem der Teufel ihn geschlagen verlassen hat (Q 4,13), wendet Jesus sich nach Q 6,20a an seine maqhtai,, deren Kreis bei den Leserinnen und Lesern der Logienquelle als bekannt vorausgesetzt wird. Er hält ihnen in 6,20b-49 seine erste Rede, die als drittes Glied des Einleitungsteils einen völlig anderen Charakter hat als die übrigen Redekompositionen von Q. Sie wird in 6,20b-21 in markanter Korrespondenz zur Klimax der Versuchungsgeschichte mit dem programmatischen, triadisch aufgefächerten Makarismus der Armen eröffnet, die hungern und weinen, weil ihnen der Zugang zur Lebensfreude versperrt ist, die das Essen den Menschen bereitet: Das Reich Gottes wird ihren Hunger stillen und ihre Tränen beim Festbankett mit den Vätern in Lachen verwandeln60. Der Makarismus gilt zweifellos auch denen, die sich der Nähe des Reiches Gottes öffnen, mit der die Boten Jesu sie konfrontieren (10,9). Er gilt aber auch den Boten selbst, werden diese durch den Verzicht auf die Mitnahme von Proviant doch selber zu Armen, die hungern, solange Gott ihnen nicht einen Sohn des Friedens schickt, der sie als Lohn für ihre Arbeit in seinem Haus beköstigt (10,4-7). Der vierte Makarismus in 6,22-23 macht die Applikation auf die Boten sogar ausdrücklich. Denn Hass und Verleumdung, deretwegen die Jünger hier in direkter Anrede selig gepriesen werden, gehören zweifellos mit zu dem Leidensgeschick, das den Adressaten der Boteninstruktion mit dem Vergleich von der Sendung wie Schafe unter Wölfe in Aussicht gestellt wird (10, 3).

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TUCKETT, Narrative (Anm. 48), 506. Vgl. E. RAU, Arm und Reich im Spiegel des Wirkens Jesu, in: C. BÖTTRICH (Hg.), Eschatologie und Ethik im frühen Christentum, FS G. Haufe (Greifswalder theol. Forschungen 11), Frankfurt a. M./Berlin u.a. 2006, 249-268.

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Mit einer Beteuerungsformel neu einsetzend, folgt den Makarismen in 6,27-49 eine Komposition von Worten Jesu, bei denen es sich überwiegend um Mahnungen handelt. Dazu gehört an erster Stelle das Gebot der Feindesliebe in 6,27-36, wo uns in den Einzelforderungen gleich zu Beginn ein Ethos begegnet, das ausgezeichnet zu der demonstrativen Wehrlosigkeit passt, mit der Jesus seine Boten aussendet (10,4) – auch wenn sich nur Weniges speziell auf Gefahren bezieht, denen der Wanderer ausgesetzt ist. Das könnte noch am ehesten der Fall sein bei der paradoxen Reaktion, mit der nach 6,29-30 auf Backenstreich, Kleiderraub und Forderungen jederlei Art geantwortet werden soll. Gegen Ende der Rede gibt es in 6,43-46 eine Sequenz, die in einem Dreischritt das poiei/n zum Thema macht61. Sie beginnt mit einer weisheitlichen Belehrung, nach der es einen unlösbaren Zusammenhang gibt zwischen der Qualität eines Baumes und seinem poiei/n des karpo,j: Ein guter Baum bringt gute und ein schlechter Baum bringt schlechte Frucht hervor, so dass aus der Art der Frucht auf die Art des Baumes zurück geschlossen werden kann (6,43f). Dies wird anschließend auf den Menschen übertragen: Der gute Mensch bringt aus dem Schatz seines Herzens Gutes hervor, der böse Böses, das mit Nachdruck als böse Rede spezifiziert wird (6,45). Am Schluss fordert Jesus in Form einer rhetorischen Frage dazu auf, nicht bei der ehrfurchtsvollen Anrede als Kyrios stehen zu bleiben, sondern zu tun, was er sagt: poiei/te a] le,gw (6,46). Wer die Logienquelle bis zu dieser Stelle gelesen hat, weiß, dass hier die Metaphorik von Q 3,7-9 zum Tragen kommt: So wie Johannes der Täufer das Tun der Frucht fordert, die der vor ihm zu vollziehenden Umkehr entspricht, fordert Jesus das Tun der Frucht seiner Worte. Johannes bringt dies in einem Scheltwort zur Sprache, das mit dem Feuergericht droht, während Jesus mit der Gesetzmäßigkeit der Schöpfung argumentiert. Folgt daraus, dass er das Gerichtsmotiv beiseite schiebt? Das in Q 6,47-49 unmittelbar anschließende Doppelgleichnis vom Hausbau, das den Schluss der Eröffnungsrede markiert, verrät das Gegenteil62. Es verheißt jedem, der die lo,goi Jesu hört und tut (o` poiw/n), Bewahrung vor dem Gericht, und es droht jedem, der sie hört und nicht tut (o` mh. poiw/n), den Untergang an. Letzteres besitzt das Achtergewicht, so dass wir eine Parallele zu 3,7-9 vor uns haben, die zeigt, wie der Je61 62

Vgl. bes. VON GEMÜNDEN, Vegetationsmetaphorik (Anm. 28), 141-151. Zur Einzelexegese vgl. bes. RINIKER, Gerichtsverkündigung (Anm. 22), 275-287; B.H. GREGG, The Historical Jesus and the Final Judgement Sayings in Q (WUNT II 207), Tübingen 2006, 79-91; M. MAYORDOMO, ‚Einstürzende Neubauten’ (Hausbau auf Felsen oder Sand). Q 6,47-49 (Mt 7,24-27 / Lk 6,47-49), in: ZIMMERMANN (Hg.), Kompendium (Anm. 15), 92-99.

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sus der Logienquelle die Gerichtsverkündigung des Täufers seinem eigenen Anliegen adaptiert. Dabei ist sachlich ohne Gewicht, dass die Vernichtung nicht dem Feuer, sondern einer Art Sintflut zugeschrieben wird63. Belangvoll sind dagegen zwei andere Besonderheiten: Das Gericht orientiert sich an der Stellung zu den Worten Jesu, und der Drohung geht eine Verheißung voraus64. Es gibt noch eine dritte, für unsere Fragestellung besonders wichtige Differenz: Während der Täufer die, denen er das Gericht androht, direkt anspricht, führt Jesus seinen Jüngern vor Augen, was jeder, der seine Worte hört, vom Eschaton zu erwarten hat. Anders formuliert: Er lehrt diejenigen, die sich selber längst auf die Seite derer geschlagen haben, die die Worte tun, welches die theologische Basis der Gerichtsdrohung ist, zu der er sie in der Boteninstruktion bevollmächtigt (10,1012.13-15): Wer sie nicht aufnimmt, hat in den Worten der Boten, die ihnen die Nähe des Reiches Gottes zusprechen, die Worte Jesu gehört, ohne sich auf deren Praxis einzulassen, und wird deshalb dem Unheil überantwortet werden. Mehr noch: Die Eröffnungsrede im Ganzen ist mit ihrer programmatischen Verheißung des Reiches Gottes am Anfang, mit den Mahnungen, die daran anschließen, und mit dem Doppelgleichnis vom Hausbau am Schluss eine Einweisung in die Grundlagen der Boteninstruktion. Zugespitzt lässt sich geradezu sagen: Statt mit Geld, Ranzen, Sandalen und Stock schickt Jesus seine Boten mit der Eröffnungsrede wie Schafe unter die Wölfe in die Fremde, um dort Mahlgemeinschaft zu halten, Kranke zu heilen und die Nähe des Reiches Gottes zu ver-

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Vgl. die Erwähnung der Gehenna als Strafort in Q 12,5 und die auch im übrigen Judentum geläufige Parallelisierung von Endzeit und Sintflut in 17,26-27. Das eine wie das andere signalisiert eine Veränderung der Perspektive, die sich auch in der Rede von 7,18-35 über Johannes den Täufer widerspiegelt. Bei der Antwort auf die Frage nach dem Kommenden spricht Jesus in 7,18-23 bezeichnenderweise nicht vom Feuertäufer, sondern von der Erfüllung der jesajanischen Heilsverheißungen und preist selig, wer sich nicht an ihm ärgert. Selig ist demnach, wer sich der Deutung des Wirkens Jesu von Jesaja her, die Jesus selber – in einem Wort! – vornimmt, nicht entzieht. Dabei wird vorausgesetzt, wenn auch nicht zum Thema gemacht, dass es auch die Möglichkeit des Ärgerns gibt, die das Gericht zur Folge hat. Die Verschiebung von 3,7-9 zu 6,47-49 macht aber auch verständlich, warum Jesus den Täufer in 7,24-28 anschließend in den höchsten Tönen preist, im Blick auf die Basileia dagegen herabsetzt. Ersteres dürfte die Hochschätzung seiner Verkündigung widerspiegeln, letzteres die Unzulänglichkeit von deren Heilsperspektive im Blick haben. Und schließlich: Auch im Gleichnis von 7,31-35 werden Übereinstimmung und Differenz ins Auge gefasst, wenn es heißt, Johannes und Jesus sähen sich trotz der konträren Form ihres Auftretens gemeinsam der Ablehnung durch ‚dieses Geschlecht’ ausgesetzt. Auch hier wird vorausgesetzt, dass ‚dieses Geschlecht’ dem Gericht verfällt. Gesagt aber wird dies nicht, weil die Aufmerksamkeit denen gilt, die der Weisheit Recht geben, indem sie deren Boten Folge leisten.

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kündigen. Wer sie aufnimmt, entgeht dem Gericht, wer nicht, kommt darin um.

8. Kapernaum – Ort des Scheiterns, Ort des Aufbruchs Im Anschluss an die Eröffnungsrede heißt es in Q 7,1, nachdem Jesus deren Worte beendet hatte, sei er nach Kapernaum gegangen. Dies ist eine für Q singuläre Verknüpfung zweier Texte, die noch vor jeder Beobachtung inhaltlicher Art vermuten lässt, dass die Eröffnungsrede für das Geschehen in Kapernaum, von dem wir in 7,2-10 erfahren, von großer Bedeutung ist. Aus dem Weheruf von Q 10,13-15 wissen wir, dass Kapernaum für Jesus ein Ort größter Erniedrigung war. Die Bewohner rechneten sich seine Präsenz in ihrer Mitte offenbar als Auszeichnung zu – vielleicht, weil sie seine Worte hören konnten. Sie werden jedoch dem Gericht verfallen, weil sie die Präsenz nicht nutzten – vielleicht schenkten sie den Worten keinen Glauben, ‚taten’ sie also nicht. Wenn der Ort am See Gennesaret jetzt noch einmal erwähnt wird, kann dies trotz der Seltenheit, in der in Q Ortsnamen vorkommen65, auf Zufall beruhen, aus dem nicht allzu viel gefolgert werden darf – zumal die Lokalisierung des Geschehens traditionell ist. Denkbar ist aber auch, dass Q 7,1 eine Geschichte ankündigt, die erzählt, wie es in Kapernaum zur Zurückweisung Jesu gekommen ist, die der Weheruf thematisiert. Ich hoffe zeigen zu können, dass zwischen 10,13-15 und 7,1-10 in der Tat eine enge Beziehung besteht. Doch sagt uns 7,1-10 nichts über die näheren Umstände der Ablehnung, die Jesus in Kapernaum widerfuhr. Wir erfahren vielmehr, dass er am Ort seines Scheiterns einem neuen Aufbruch das Wort redet. Angekommen in Kapernaum, tritt nach 7,2-5 ein Hauptmann an Jesus heran und legt ihm den Fall seines schwer erkrankten Sklaven vor66. Er tut damit dasselbe, was der Helfer immer tut, wenn sich eine Kranke oder ein Kranker wegen der Schwere ihres bzw. seines Gebrechens nicht selber zu Jesus begeben kann67. Das gilt auch für die Parallele in Joh 4,46-54. Diese verrät, dass der Autor der Logienquelle in Q 7,1-10

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Über Q 7,1 und 10,13-15 hinaus kann nur noch auf 13,34f. (Jerusalem) hingewiesen werden. Der Q-Version kommt Mt 8,5b-6 am nächsten. Vgl. Mk 5,22-24.35-43 (V.22f.); 7,24-30 (V.25f.); 9,17f. sowie Fragment 1 des geheimen EvMk (GMk) (Exposition). Vgl. G. THEIßEN, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur Erforschung der synoptischen Wundergeschichten (StNT 8), Gütersloh 1974, 59f.

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auf eine Überlieferung zurückgreift68, die er, wie immer sie gelautet haben mag, vermutlich vollständig neu formuliert. Ähnlich wie bei der Versuchungsgeschichte ergreift er insbesondere nach der Exposition im Dialog des Hauptteils (7,6-10) selber das Wort – allerdings nicht, um Jesus erneut zu zentralen Aspekten der Q-Überlieferung im Ganzen in Beziehung zu setzen, sondern um den Schluss der Eröffnungsrede in ein neues Licht zu rücken. Letztlich tut er dabei allerdings nichts anderes, als in souveräner Beherrschung der Erzähltechnik einer Fernheilung zwei Motive seiner ‚Vorlage’ zu spezifizieren: Erstens rückt er ins Zentrum der Aufmerksamkeit, was wir in Joh 4,50 über den Glauben des Helfers erfahren, von dem es heißt: evpi,steusen tw/| lo,gw|| o]n ei=pen auvtw/| o` VIhsou/j) Zweitens legt er fest, dass statt eines basiliko,j (Joh 4,46.49), bei dem es sich um einen Beamten oder Söldner von Herodes Antipas handeln wird, ein e`kanto,ntarcoj auftritt. Denn nur ein Militär vom Rang eines Centurio ist in der Lage, Jesus mit dem für die Pointe wichtigen Wort gegenüberzutreten, dass er unter einer evxousi,a steht, die er im Befehl, der Gehorsam verlangt, auch für sich selber in Anspruch nimmt69. Gedacht ist dabei wohl nicht an einen Centurio im Dienst des Landesherrn, sondern der Römer. Dessen Präsenz in Kapernaum mag unter historischen, nicht aber unter literarischen Gesichtspunkten anachronistisch sein70. Sachlich von Gewicht ist allein, auch wenn es erst aus der Gegenüberstellung zu Israel in Q 7,9 zu erschließen ist: Mit dem Hauptmann betritt ein Repräsentant der Völker die Bühne des Geschehens71, der anders als bei den Worten gegen ‚dieses Geschlecht’ weder der großen Vergangenheit Israels entlehnt ist noch der eschatologischen Zukunft, sondern in der erzählten Gegenwart zu Hause ist. Auf Intervention des Helfers hin kommt es in den vergleichbaren Wundergeschichten durchweg, wenn auch in sehr verschiedener Weise, dazu, dass Jesus sich des bzw. der Kranken erbarmt. Einmal heißt es sogar, dass er mit dem Helfer zu ihr geht (Mk 5,24)72. Bei Q 7,6a dagegen legt der Erzähler Jesus nur die Absicht des Kommens in den Mund:

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Vgl. bes. WEGNER, Hauptmann (Anm. 14), 18-74. Vgl. D.R. CATCHPOLE, The Centurion's Faith and its Function in Q, in: VAN SEGBBROECK u.a. (Hg.), Four Gospels I (Anm. 48), 517-540: 528. Anders z. B. K.-H. OSTMEYER, Armenhaus und Räuberhöhle? Galiläa zur Zeit Jesu, ZNW 96 (2005), 147-170: 52 Anm. 33, der aus der Abwesenheit des römischen Militärs in Galiläa folgert, der Hauptmann „an der Grenzstation zur Tetrarchie des Philippus dürfte als ausländischer Offizier im Heer des Antipas gedient haben“. Vgl. CATCHPOLE, Faith (Anm. 69), 527, der meint, dass ein Centurio "is in itself ethnically neutral", diesen ebd. 539f. allerdings auch in Q 7,9 nicht als Vertreter er Völker qualifiziert sieht. Vgl. GMk Fragment 1.

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evgw. evlqw.n qerapeu,sw avuto,n73. Er lässt die Absicht jedoch nicht zur Tat werden, weil er einzig daran interessiert ist, dem Hauptmann in 7,6b-8 die Chance einer Entgegnung zu geben, die es Jesus in 7,9 ermöglicht, dessen pi,stij zu rühmen. Nach Q 7,6b macht der Centurio zunächst geltend, er sei nicht wert, dass Jesus sein Haus betritt. Heißt das, dass er einen Juden nicht zur Verletzung der Reinheitstora verleiten will74? Aufgrund der ehrfurchtsvollen Anrede mit ku,rie, aber auch der stilistischen Parallele in 3,16 ist eher davon auszugehen, dass er seine Unwürdigkeit und Niedrigkeit betont75. Statt Jesus einen Besuch zuzumuten, bittet er ihn 7,7b in Explikation der Exposition von 7,2-5: avlla. eivpe. lo,gw|| kai. ivaqh,tw o` pai/j mou. Zur Erläuterung seines Vertrauens auf die Macht des lo,goj Jesu weist er in 7,8a zunächst auf die Autoritätsstruktur seines Berufes hin: So wie er selber u`po. evxousi,an eines Vorgesetzten steht, hat er seinerseits Soldaten unter der Befehlsgewalt. Letzteres entfaltet er 7,8b in drei Beispielen, die zeigen, dass es für das Verhältnis zu seinen Untergebenen nur ein einziges Gesetz gibt: das von Befehl und Gehorsam. Das erste und zweite Beispiel, das unanschaulich ‚diesen’ und einen ‚anderen’ (sc. Soldaten) als Befehlsempfänger nennt, bezieht sich auf das zweck- und ziellose Gehen und Kommen) Das dritte Beispiel dagegen, auf dem das Achtergewicht ruht, gibt dem Befehlsempfänger ein Gesicht. Es ist der Sklave, dessen Aufgabe es ist, das Befohlene zu tun. Dementsprechend heißt es: kai. (zu ergänzen: le,gw) tw/| dou,lw|| mou/\ poi,hson tou/to( kai. poiei/) Sein Berufsethos befähigt den e`kato,ntarcoj, in bewundernswerter Weise zu erkennen, dass Jesus das Gehorsam heischende Wort nicht aus eigener Autorität für sich in Anspruch nimmt: „As with the centurion's being under authority so that he has power to issue commands which are obeyed, so also Jesus' authority which derives from God implies that he needs only to speak and the demons of sickness will obey“. David R. Catchpole, dem wir diese Formulierung verdanken76, scheint freilich nicht gesehen zu haben, dass der Centurio in seiner Rede im Kontext der Logienquelle mehr offenbart als sein Vertrauen auf die Macht des Heilungswortes. Denn wenn er in unüberbietbarer Prä73

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Schon angesichts von Mk 5,24 empfiehlt es sich nicht, Q 7,6a mit LUZ, Matthäus I/2 (Anm. 15), 14 als Frage aufzufassen, die Jesus ähnlich wie Petrus in Apg 10,28 einen Vorbehalt gegenüber dem Kontakt mit dem Hauptmann zuschreibt, wie er auch der Reserve gegenüber der Syrophönizerin in Mk 7,27 entspricht. An diesem für die Struktur der Geschichte wichtigen Punkt besteht zwischen Q 7,1-10 und Mk 7,24-30 ein gravierender Unterschied. So z. B. WEGNER, Hauptmann (Anm. 14), 375-380; LUZ, Matthäus I/2 (Anm. 15), 12 Anm. 1. Vgl. CATCHPOLE, Faith (Anm. 69), 526f.; FLEDDERMANN, Q (Anm. 1), 350f.; WOLTER, Lukasevangelium (Anm. 53), 272. CATCHPOLE, Faith (Anm. 69), 533f. unter Berufung auf SCHULZ, Q (Anm. 14), 243.

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zision zur Sprache bringt, was er über den Zusammenhang von Befehl und Gehorsam weiß, demonstriert er zugleich: Aus täglichem Umgang mit dem, dessen Heilung ihm schon aus Eigennutz am Herzen liegt, weiß er auch, dass jemand wie Jesus, der in der Autorität Gottes handelt, die Vollmacht hat, von jedem, der seine lo,goi hört, am Ende der Eröffnungsrede zu fordern, was über Heil und Unheil entscheidet: poi,hson auvtou,j. Zu tun, was Jesus verlangt, ist aus der Sicht des Soldaten deshalb eine ganz und gar selbstverständliche Pflicht. Wird der Hauptmann auf diese Weise nicht zum Vorbild für alle, die Jesu Worte hören77? Dafür spricht, dass Jesus sich vor der Konstatierung der Heilung (7,10), die den Schluss der Geschichte markiert78, in 7,9 bemerkenswerterweise nicht dem Hauptmann selber zuwendet, sondern toi//j avkolouqou/sin) VAkolouqei/n aber begegnet uns in Q erst wieder in den beiden Nachfolgeworten von Q 9,57-6079, die der Einleitung von 10,2-16 dienen. Daraus folgt: Jesus spricht nicht den o;cloj an (so Lk 7,9), sondern die in der Nachfolge stehenden maqhtai,80, die er durch die Eröffnungsrede befähigt, der Boteninstruktion Folge zu leisten. Was aber gibt Jesus den Seinen in Kapernaum als Lehre aus der Wundergeschichte mit auf den Weg? Voll Staunen über die Einsicht, die der Hauptmann in seiner Rede offenbart, beteuert er: le,gw u`mi/n( ouvde. evn tw/| VIsrah.l tosau,thn pi,stin eu-ron. Auffällig ist hier der Aorist) Er signalisiert, dass Jesus bereits an dieser Stelle der Logienquelle – noch vor den ersten beiden diesbezüglichen Worten in 7,31-35 und 10,13-15 – die negative Bilanz seines Auftretens kennt: ‚Dieses Geschlecht’ hat ihn abgelehnt81. Das ist die dunkle Folie, auf deren Hintergrund er an dem Ort, an dem sich diese Bilanz in zugespitzter Weise konstelliert (10,1315), eine pi,stij preist, die genauso wie in Joh 4,50 eine pi,stij an den lo,goj dessen ist, der die Macht zur Heilung hat. Groß aber ist dieser Glaube, weil er sich der Logik beugt, die für jeden gilt, der Jesu Worte hört: Sie müssen getan werden. 77 78

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Vgl. LÜHRMANN, Redaktion (Anm. 9), 58; CATCHPOLE, Faith (Anm. 69), 537. Ich halte es mit WEGNER, Hauptmann (Anm. 14), 221-235 anders als z.B. FLEDDERMANN, Q (Anm. 1), 344-346 für ausgeschlossen, dass die Geschichte bereits mit dem Wort Jesu in Q 7,9 abschloss – ohne jeden Hinweis auf den Erfolg der Therapie des Sklaven. Wie auch CATCHPOLE, Faith (Anm. 69), 522 ohne nähere Begründung vermutet, kommt Mt 8,13 dem ursprünglichen Schluss m. E. am nächsten. Dafür spricht nicht nur der Rekurs auf das pi,stij-Motiv von Q 7,9 und die sprachliche Nähe zu Q 7,7, sondern auch die weitgehende Übereinstimmung mit Mt 15,28. Denn so richtig es ist, dass Mt 15,28 eine Neufassung von Mk 7,30 vorliegt, so unwahrscheinlich ist es, dass die frühere Stelle an die spätere angeglichen ist. Sehr viel plausibler ist der umgekehrte Vorgang, dass Mt 15,28 in Anlehnung an Mt 8,13 (= Q) formuliert worden ist. Vgl. außerdem die beiden unsicheren Belege in Q 14,27 und 22,28. Vgl. CATCHPOLE, Faith (Anm. 69), 539. Vgl. LUZ, Matthäus I/2 (Anm. 15), 15.

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Was bedeutet es, dass das Lob einem römischen Centurio zuteil wird? Soll dies den Boten den Aufbruch zu den Völkern ans Herz legen82? Auch wenn die nach wie vor kontroverse Diskussion83 darauf aufmerksam macht, wie ambivalent das Wort Jesu letztlich ist, spricht im Blick auf die Logienquelle im Ganzen m. E. mehr dafür, dass der Glaube des Römers Israel reizen soll, seine Reserve gegenüber Jesus aufzugeben84. Dies gilt umso mehr, als Jesus durch die Versuchungsgeschichte gegen den Verdacht geschützt ist, dass sein positives Votum über den Repräsentanten der Völker die Alleinverehrung des Gottes Israel in Frage stellt. Er sagt ja auch nicht, Israel habe keinen Glauben, sondern konstatiert im Blick auf ‚dieses Geschlecht’ einen Mangel an Glauben in Israel85. Ouvde. evn tw/| VIsrah,l meint deshalb: Soweit es ‚dieses Geschlecht’ betrifft, ist Jesus nicht einmal im Volk Gottes, wo es eigentlich anders sein sollte, auf einen so großen Glauben gestoßen. Denn Catchpole, der anders als ich selber den Centurio nicht als Repräsentanten der Völker auffasst, hat Recht, wenn er schreibt: „When the centurion is praised for his quite remarkable faith it is within the setting of the mission of Jesus to Israel. He has done what no one in Israel has previously done“86. Sein Glaube soll die Boten Jesu ermutigen, Israel jenseits ‚dieses Geschlechts’ zum Nacheifern zu verlocken87. Das aber provoziert die Frage: Wohin machen sich die Boten mit dem, was die Eröffnungsrede sie über das Reich Gottes, über die Mahnungen Jesu und über das Verhältnis zu seinen Worten lehrt, auf den Weg? Wo kann realistischerweise damit gerechnet werden, dass sie bei ihrer Arbeit an der Einholung der Ernte einer Gestalt wie der des e`kato,ntarcoj von Kapernaum begegnen? Und schließlich: Ist es möglich, die Boten und ihre Praxis in die uns bekannte Geschichte des Urchristentums einzeichnen?

82 83 84 85 86 87

So LÜHRMANN, Redaktion (Anm. 9), 60.86-88. Vgl. WEGNER, Hauptmann (Anm. 14), 304-334.425-428. Vgl. die sorgfältige Abwägung des Pro und Contra bei WEGNER, Hauptmann (Anm. 14), 327-334. Vgl. CATCHPOLE, Faith (Anm. 69), 538. Ebd., 540. Indirekt lässt sich dies auch von Q 22,28-30 her stützen, der zweiten Stelle, an der die Logienquelle von Israel spricht. Hier geht aus dem Hinweis auf die zwölf Stämme hervor, dass das Gericht über Israel sehr viel weiter ausgreift als nur auf ‚dieses Geschlecht’. Ja, das Thronszenarium zeigt, dass das Gericht auch als forensisches Geschehen aufgefasst werden kann, das einen doppelten Ausgang hat. Anders als ‚diesem Geschlecht’ bringt es Israel im Ganzen nicht nur Unheil, sondern auch Heil.

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9. Von Jerusalem über Cäsarea nach Syrophönizien Das Wort, das in Q 10,16 die Boteninstruktion abschließt, beginnt: „Wer euch hört, hört mich...“ Es erhellt, warum wir in der Logienquelle selber weder über die Träger ihrer Überlieferung noch über deren Aktualisierung direkte Auskunft erhalten. Das eine wie das andere ist versteckt in dem, was Jesus sagt. Konkret: Weil die Konsequenzen, die Q aus Jesu Ablehnung durch ‚dieses Geschlecht’ zieht, in die Worte Jesu eingezeichnet sind (und nur in sie!), stößt die Frage nach dem historischen Kontext ihrer Tradierung, ihrer Neufassung und ihrer kompositionellen Strukturierung immer wieder ins Leere. Alles, was trotzdem über die ‚Anwendung’ des missiologischen Konzepts der Logienquelle gesagt werden kann, ist schon deshalb ungleich hypothetischer als alles, was Q-intern geklärt werden kann. Es hängt einzig davon ab, ob es gelingt, Beziehungen zu Texten außerhalb der Logienquelle zu entdecken. Mit guten Gründen ist hierzu in der Q-Forschung bisher nur Weniges gesagt worden. Es wäre deshalb schon viel, wenn der eigene Beitrag der Diskussion einen neuen Impuls zu geben vermag. Eine erste denkbare Spur liefert die Geschichte von der Syrophönizerin in Mk 7,24-30. Wie seit langem gesehen, steht sie der Q-Erzählung über den Hauptmann von Kapernaum nahe, ist aber kaum zufällig außerhalb Galiläas lokalisiert: Im Gebiet von Tyrus, vor der Durchreise durch Sidon (Mk 7,31) – also dort, wo das Wehe von Q 10,13-15 sein positives Bild von Fremdvölkern festmacht! – gelingt es einer Frau, Jesus durch einen ebenso geschickten wie klugen lo,goj für den Exorzismus an ihrer Tochter zu gewinnen (Mk 7,29). Jesus rühmt sie freilich nicht gegenüber Dritten – seinen Boten –, sondern spricht sie selber an, und er beugt sich ihr nicht, weil der lo,goj ihre pi,stij unter Beweis stellt, sondern weil er ‚auch’ (kai,) den ‚Hündlein’ die Teilhabe am Brot der ‚Kinder’ ermöglicht (7,28), ohne das von Jesus eingeforderte prw/ton der Sättigung der Kinder (7,27) in Frage zu stellen88. Zu alledem gibt es in Q 7,1-10 keinerlei strukturelle Entsprechung. Es ist deswegen auch kein Zufall, dass die Frau – dazu fehlt erst recht eine Entsprechung! – vorgestellt wird als [Ellenij syrophönizischer Herkunft (7,26), die anders als der Hauptmann sich erst gegen Jesu Wunsch nach Verborgenheit durchsetzen muss, bevor sie ihm ihre Bitte um Heilung der Tochter vorlegen kann (7, 24f.). Dies alles zeigt, dass es nicht darum geht, Israel über die Vermittlung der Boten durch eine Vertreterin der Völker zum Glauben zu verlocken. Eingezeichnet in die Narratio seiner Vita, akzep88

Zu beachten ist, dass Jesu Einsatz für das prw/ton der Kinder von vornherein den Platz für das kai, der Hündlein offen hält, den die Frau in ihrer Entgegnung geschickt nutzt.

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tiert der mk Jesus hier vielmehr das ihm abgenötigte missionarische Programm, dem auch Paulus verpflichtet ist, wenn er schreibt, das Evangelium sei „eine Kraft Gottes zur Rettung für jeden Glaubenden, VIoudai,w| te prw/ton kai. [Elleni“ (Röm 1,16)89. Mk 7,24-30 könnte widerspiegeln, dass es auf Dauer kaum möglich war, die Position von Q 7,1-10 vor dem Umschlag in eine aktive Hinwendung zu den Völkern zu schützen, und die Vorbehalte, die Jesus in seinem Votum äußert, könnten ein Reflex der Einwände sein, die dagegen vorgebracht worden sind. Erfolgt aber ist der Umschlag offensichtlich im Umkreis der phönizischen Küstenstädte, die Mk zum Ort einer Weichenstellung macht, die weder von den Trägern der Logienquelle noch gar von Jesus selber vorgenommen worden ist, sondern von den Hellenisten der Urgemeinde. In Apg 11,19-21 jedenfalls heißt es in erstaunlicher Nähe zur Struktur von Mk 7,24-30: Vertrieben aus Jerusalem, seien die Hellenisten bis nach Phönizien, Zypern und Antiochien gekommen und hätten dort, so wird in deutlicher Entsprechung zu Jesu Eintreten für das ‚Zuerst’ der ‚Kinder’ betont, niemandem das Evangelium ausgerichtet eiv mh. mo,non VIoudai,oij) Erst in Antiochien seien einige von ihnen in nicht weniger deutlichen Entsprechung zum Eintreten der Griechin ‚auch’ für die ‚Hündlein’ auf die Idee gekommen, sich mit der Verkündigung Jesu als des ku,rioj zu wenden kai. pro.j tou.j [Ellenaj( also nicht etwa: „auch an die Völker“, sondern: „auch an die Griechen“. Denn nur durch diese sprachliche Differenz kommt der Anspruch zur Geltung, ein für allemal das Trauma der Überfremdung durch die [Ellenej überwunden zu haben, das die VIoudai,oi seit Antiochus IV. Epiphanes verfolgte90. Daran partizipiert auch Paulus – lange, nachdem er sich von der antiochenischen Gemeinde getrennt hatte. Kombiniert man Apg 11,19-21 mit Mk 7,24-30, liegt es nahe zu vermuten, dass es die Hellenisten waren, die die innerisraelitische Orientierung des missiologischen Konzepts der Logienquelle durchbrachen. Nach Lk allerdings haben sie in Antiochien nur in eine überaus erfolgreiche Praxis überführt, was den Ertrag der in Apg 10,1-11,18 unmittelbar zuvor platzierten Geschichte über die Bekehrung des Hauptmanns Cornelius ausmacht, die den Abschluss der Reise markiert, die Petrus von Jerusalem aus über Lydda und Joppe an der Küste bis nach Cäsarea und von dort zurück nach Jerusalem führt (Apg 9,32-11,18). Hier jedenfalls wird in Entsprechung zur antiochenischen Öffnung für die Griechen, wenn auch ausgeweitet auf die Völker im Ganzen, in großer 89 90

Vgl. Röm 2,9-11; Apg 3,26; 13,46. Vgl. E. RAU, Von Jesus zu Paulus. Entwicklung und Rezeption der antiochenischen Theologie im Urchristentum, Stuttgart 1994, bes. 73-75.79-117 in Anlehnung an H. WINDISCH, Art. [Ellhn ktl, ThWNT II (1935), 501-514, bes. 504f.

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Breite begründet, inwiefern Jesus Christus ist pa,ntwn ku,rioj))) evn panti. e;qnei (10,34-36). Die ursprüngliche, kaum rekonstruierbare Form der Bekehrungsgeschichte war zweifellos nicht der Ausweitung des antiochenischen Missionsprogramms verpflichtet. Es ist deshalb wohl kaum ein Zufall, dass Cornelius ein römischer e`kantonta,rchj ist, und auch nicht, dass nicht die Hellenisten, sondern Petrus der Protagonist des Vorstoßes zu den Völkern ist. Mir scheint, beides könnte verraten, dass die Darstellung, die unverkennbar spätere Verhältnisse widerspiegelt91, gleichwohl noch erkennen lässt, wem wir das missiologische Konzept der Logienquelle zu verdanken haben: Dem Einflussbereich derer, die Jesus in Galiläa nachgefolgt und als Boten unterstützt hatten. Weil sie der Ablehnung durch ‚dieses Geschlecht’ nicht das letztes Wort überlassen wollten, wären sie nach dieser These noch einmal aufgebrochen, diesmal von Jerusalem aus zunächst nach Westen und dann entlang der Küste nach Norden über Cäsarea – vorbei am verloren gegebenen Galiläa! – bis Syrophönizien, um unter Juden im Sinne der Boteninstruktion der Logienquelle für die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu zu werben. Angesichts der Ethnografie der durchwanderten Gebiete würde es nicht wundern, wenn es auch zu ermutigenden Kontakten mit einzelnen Heiden kam, und so mag es nahe gelegen haben, Israel beim Vorstoß nach Norden durch den exorbitanten Glauben eines Vertreters der römischen Besatzungsmacht zum Nacheifern zu verlocken92. Wollte man dem in der Logienquelle einen Platz geben, bot sich ganz besonders eine Wundergeschichte an, die in Kapernaum lokalisiert ist. Sie ermöglicht es Jesus, am Ort seiner bittersten Niederlage zugleich einem Neuanfang das Wort zu reden. Zwar ist die Geschichte über die Bekehrung des Hauptmanns Cornelius von Cäsarea sowohl formal als auch inhaltlich weit entfernt von der Geschichte über den Glauben des anonymen Hauptmanns von Kapernaum. Doch lassen die zahlreichen göttlichen Eingriffe, das hartnäckigen Sträuben des Petrus und die massive Kritik, deren er sich in Jerusalem zu erwehren hat, mehr als deutlich erkennen, wie konflikthaft es gewesen sein muss, die Instrumentalisierung des Glaubens des e`kato,ntarcoj für die Werbung unter Juden zugunsten der antiochenischen Öffnung zu den Griechen hinter sich zu lassen.

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Nach allem, was wir wissen, ist die Position, die Petrus hier vertritt, erst denkbar, nachdem die Jerusalemer Säulen auf dem Apostelkonzil die antiochenische Zuwendung zu den e;qnh akzeptiert hatten (Gal 2,9). Zur Möglichkeit einer von jüdischer Seite positiven Sicht auf einen römischen Hauptmann vgl. THEIßEN, Lokalkolorit (Anm. 7), 237f.

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Mir ist bewusst, dass die Lokalisierung der Logienquelle in Jerusalem nahezu die gesamte Q-Forschung gegen sich hat. Sie ist die Kehrseite der Infragestellung ihrer Zuweisung an Galiläa, für die ich mich auf Marco Frenschkowski berufen habe. Dieser meint, Q sei „in Jerusalem gesammelt und zusammengestellt – wenn auch aus galiläischem Traditionsgut“ über – so füge ich selber hinzu – das Auftreten Jesu. Ja, Frenschkowski vertritt die These, die Logienquelle sei „ein, wenn nicht sogar das entscheidende Dokument der Jerusalemer Urgemeinde“93. Er scheint freilich nicht bedacht zu haben, was es bedeutet, der Urgemeinde die Abfassung einer griechischen Schrift zuzutrauen, als welche die Logienquelle zu gelten hat94. Ich selber werde dieses Problem erst im nächsten Abschnitt aufgreifen und möchte an dieser Stelle nur noch die Frage stellen, ob die Logienquelle nicht vielleicht speziell mit den Zwölferkreis in Verbindung gebracht werden kann, wird diesem doch in Q 22,28-30 eine Mitwirkung am Gericht über die zwölf Stämme Israel zugesichert95. Könnte es nicht sogar sein, dass das programmatische Schlusslogion von Q den Impuls dazu gegeben hat, die Aussendung auszudehnen über Galiläa hinaus? Das Gericht, dem man verfallen, aber auch entgehen kann, so wäre dann vorauszusetzen, hat einen sehr viel größeren Horizont als den begrenzten Radius des Wirkens Jesu, dem sich ‚dieses Geschlecht’ verschlossen hat.

10. Ausblick und Resümee Wenn es richtig ist, dass sich die Träger der Q-Überlieferung mit denen identifizierten, die Jesus wie Schafe unter Wölfe sandte, dann setzen sie deren Sendung zu Israel fort im Horizont des Gerichtes, das Jesus ‚diesem Geschlecht’ ankündigte, als es sich ihm in Galiläa mit Kapernaum als Zentrum definitiv verschloss. Die Boten selber machen sich diese Ankündigung zu eigen, um die Drohung zu erhärten, dass dem Gericht auch diejenigen verfallen, die sich der Zusage der Nähe des Reiches Gottes verschließen, mit der sie sich im Vertrauen auf Gottes Fürsorge in demonstrativer Armut und Wehrlosigkeit zu ihnen auf den Weg machen. Sie berufen sich dafür auf die Gerichtsverkündigung Johannes

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FRENSCHKOWSKI, Galiläa (Anm. 21), 549 (Hervorhebungen getilgt). Vgl. FLEDDERMANN, Q (Anm. 1), bes. 155-157; KLOPPENBORG, Formation (Anm. 1), 51-64; C.M. TUCKETT, Q and the History of Early Christianity. Studies in Q, Edinburgh 1996, 83-92. Zur Exegese vgl. bes. J. VERHEYDEN, The Conclusion of Q: Eschatology in Q 22,8-30, in: LINDEMANN (Hg.), Sayings Source (Anm. 21), 695-718 (Lit.).

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des Täufers, die nach Auffassung von Q durch Jesus folgendermaßen rezipiert worden ist: Um der Alleinverehrung des Gottes Israels Raum zu schaffen, hat Jesus sich im Kampf mit dem Teufel durch Zurückweisung der Versuchung zur Herrschaft über ‚alle Reiche der Welt’ zum Mandatar des ‚Reiches Gottes’ qualifiziert, der seine Boten durch Einweisung in dessen Magna Charta für die Armen dazu bevollmächtigt, die Adressaten ihrer Sendung vor die Alternative von Heil und Unheil zu stellen – je nachdem, ob sie die Worte Jesu nicht nur hören, sondern auch tun. Denn die Ablehnung durch ‚dieses Geschlecht’ ist nicht das Letzte, was zur Sache des Reiches Gottes zu sagen ist: Ausgerechnet in Kapernaum, wo die Ablehnung für Jesus besonders schmerzhaft ist, tritt ein Repräsentant der Völker auf, der einen so erstaunlichen Glauben an die Macht des Wortes Jesu hat, dass dieser ihn seinen Boten als Ansporn für ihre Weiterarbeit in Israel ans Herz legt. So etwa stellt sich mir das missiologische Konzept der Logienquelle dar. Es basiert auf der Boteninstruktion von Q 9,57-10,16, wird als Ganzes aber erst erkennbar, wenn man die Instruktion von dem Zusammenhang her liest, der ihr vorausgeht. Dieser umfasst die vier Stücke von 3,7-7,10, die den Einleitungsteil von Q bilden, erstreckt sich aber auch auf die Rede von 7,18-35 über den Täufer, mit der der Hauptteil eröffnet wird. Fragt man, welcher Mittel sich die Redaktion bedient, um ihr Anliegen zur Sprache zu bringen, so ist als erstes hervorzuheben, wie meisterhaft sie die Worte Jesu zu größeren Einheiten ‚komponiert’. So kann ein einzelnes Wort so geschickt platziert werden, dass es zum Schlüssel für das Verständnis einer ganzen Rede wird. Das erhellt z. B. die Bedeutung, die der Makarismus von Q 6,22f für die Kontextualisierung der Eröffnungsrede hat oder der Weheruf von 10,13-15 für die Pointe der Boteninstruktion. Beachtlich ist aber auch die Fähigkeit, das hermeneutische Potenzial der Akoluthie zu nutzen: Nur wer das Scheltund Drohwort des Täufers in Q 3,7-9 kennt, wird merken, worauf Jesus in der Belehrung von 6,43-46 abhebt, und nur wer beides im Kopf hat, besitzt die Chance, die Pointe des Doppelgleichnisses von 6,47-49 zu verstehen, die ihrerseits das Fundament für die Gerichtsdrohung von 10,12 legt, deren Gewicht durch 10,13-15 unterstrichen wird. Bei alledem ist wichtig: Der Akoluthie geht es nicht ums ein Nacheinander in der Zeit, sondern im Prozess des Lesens. Das zweite Mittel der Redaktion, dessen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist die narrative Einbettung der Worte Jesu. Sie reicht von der Adressierung und Situierung eines Wortes wie in Q 7,18-23 und 9,57-60 oder einer Rede wie in 3,7a; 6,20a und 10,2a

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über die Verknüpfung, die 7,1 vornimmt, bis zu den beiden Erzählungen von 4,1-13 und 7,1-10, die, was Q im Ganzen betrifft, insbesondere um 11,14-16 zu ergänzen sind. Die hier vorliegende, so verschiedenartige ‚Narrativierung’ der Überlieferung, bei der oft nur schwer zwischen Tradition und Redaktion zu unterscheiden ist, erlaubt es, die Deutung zu profilieren, die den Worten Jesu durch die Platzierung in einer Redekomposition gegeben wird. Ja, wahrscheinlich stellt erst die Narratio die Mittel bereit, die erforderlich sind, um die Fülle der Worte trotz ihrer Disparatheit zu einem Gesamtbild von der Gestalt Jesu zusammenzuführen. Das alles zeigt, wie notwendig es ist, die quantitativ so differente Erzähl- und Wortüberlieferung zu unterscheiden, nicht aber voneinander zu isolieren oder gar gegeneinander auszuspielen. Die beiden einzigen ausgeführten Erzählungen der Logienquelle verraten, dass der Autor trotz seiner Konzentration auf die Wortüberlieferung Zugang zu Jesusgeschichten hat, ja, dass er die Technik ihrer stilgemäßen Generierung beherrscht – auch wenn wir uns keinerlei Urteil über die Breite des Formrepertoires erlauben können, das ihm vertraut ist. Doch darf über diesem Befund, der sich differenzieren lässt96, nicht übersehen werden, dass die Narrativierung selbst in Q 7,1 nicht die Darstellung einer Abfolge von Ereignissen intendiert, wie es der Erzählfaden eines Mk, Mt, Lk und Joh in je verschiedener Weise suggeriert. Schon deshalb dürfte es problematisch sein, die Logienquelle als Evangelium zu bezeichnen oder auch nur auf dem Weg zum Evangelium zu sehen – ohne dass mit dieser Abgrenzung bereits die nach wie vor offene Frage ihrer literarischen Form beantwortet wäre97. M. E. ist Q ein Unikum, das jenseits seiner Rezeption durch Mt und Lk keine eigene Zukunft hatte98. Vielleicht ist die Bindung an eine sehr frühe Phase der Konzeptualisierung der Gestalt Jesu dafür verantwortlich, vielleicht das Fehlen eines narrativen Fadens, vielleicht die Einbindung in das Mt- und Lk- Evangelium, die Q der Substanz nach aufbewahrt, aber als eigene Größe überflüssig macht, und vielleicht kommt eine Kombination all dieser und noch anderer Faktoren der Wahrheit am nächsten99. 96 97

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Vgl. FLEDDERMANN, Q (Anm. 1), 92-100. Vgl. z. B. KLOPPENBORG, Formation (Anm. 1), bes. 8-40.317-328; TUCKETT, Q (Anm. 95), 103-106; SCHRÖTER, Erinnerung (Anm. 14), zusammenfassend 459-461; FLEDDERMANN , Q (Anm. 1), 100-110; P. HOFFMANN / C. HEIL (Hg.), Die Spruchquelle. Studienausgabe Griechisch und Deutsch, Darmstadt/Leuven 2002, 17-19. Vgl. D. ZELLER, Eine weisheitliche Grundschrift in der Logienquelle? in: VAN SEGBROECK u.a. (Hg.), Four Gospels I (Anm. 48), 389-401: 401. Auch das EvThom stellt keine formgeschichtliche Parallele dar. Vgl. z. B. SCHRÖTER, Erinnerung (Anm. 14), zusammenfassend 478-481; E. RAU, Jenseits von Raum, Zeit

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Vergegenwärtigt man sich die Begrenztheit der Mittel, verdient Bewunderung, wie umfassend es der Redaktion gelingt, die Neuakzentuierung des Überkommenen mit dessen Bewahrung zu verbinden. Dass es sich beim Überkommenen um Worte des Erhöhten aus dem Munde von Propheten handelt, die sekundär dem Irdischen zugeschrieben wurden, ist ebenso wie deren Zuweisung an späte Schichten ein apologetisches Konstrukt, das einzig die Funktion hat, Jesus von der Verantwortung für Apokalyptik und Gericht freizusprechen100. Wir haben es in der Logienquelle vielmehr mit Worten zu tun, die nahezu durchweg auf die historische Gestalt Jesu von Nazareth zurückgehen, was selbstverständlich einschließt, dass sie im Prozess ihrer mündlichen und schriftlichen Überlieferung ebenso vielfältigen wie verschiedenartigen, ja gegenläufigen Veränderungen ausgesetzt sind und dass auch mit einer kleinen – m. E. sehr begrenzten – Zahl von Neubildungen zu rechnen ist101. An vielen Stellen lässt sich zeigen, dass sich die Bewahrung des Überkommenen sogar auf den Sinn erstreckt, den die Worte Jesu im Kontext seines Auftretens haben. So ermöglicht es die weithin redaktionell formulierte Versuchungsgeschichte, den triadisch aufgefächerten Makarismus der Armen zum Motto einer Redekomposition zu machen, die die Boten Jesu für ihre Arbeit im Horizont der Nähe des Reiches Gottes ausrüstet. Dass darin, aber auch in der Versuchungsgeschichte selber, eine sachgemäße Auffassung der Gestalt Jesu zu Wort kommt, wird sich nicht gut bestreiten lassen. Ja, wer Q mit einem Rekurs auf den Täufer eröffnet, bringt zum Ausdruck, dass er weiß, welch fundamentale Bedeutung dieser für Jesus hat102. Es wundert deswegen nicht, dass der Weg, der vom Schelt- und Drohwort des Täufers zum Doppelgleichnis vom Hausbau und von dort zur Gerichtsdrohung der Boteninstruktion führt, weitgehend dasselbe zur Sprache bringt wie Marius Reisers Vergleich von Gericht und Heil bei Johannes und Jesus103. Im Übrigen ist es ja auch primär die Logienquelle, die uns ge-

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und Gemeinschaft. „Christ – Sein“ nach dem Thomasevangelium, NT 65 (2003), 138159. Dies habe ich ausführlich an anderer Stelle dargelegt und begründet: RAU, Jesus (Anm. 34), 44-69. Vgl. DERS., Q-Forschung (Anm. 2), bes. 381-389. Vgl. RAU, Jesus (Anm. 34), 49-67.71-74, wo unter dem Stichwort der Kontextualisierung auch zur Diskussion gestellt wird, welche Faktoren und Motive für die Veränderungsprozessen verantwortlich sind. Vgl. bes. J. BECKER, Johannes der Täufer und Jesus von Nazareth (BThSt 63), Neukirchen-Vluyn 1972; DERS., Jesus von Nazaret, Berlin/New York 1996, 58-99. Vgl. REISER, Gerichtspredigt (Anm. 22), 307: „Der Täufer sagt: Wer dem Gericht entrinnt, gelangt ins Heil. Jesus sagt: Wer das Heil verwirft, verfällt dem Gericht. Gericht und Heil sind zwei Seien einer Medaille. Der Täufer hält dem Volk die Gerichtsseite vor, Jesus de Heilsseite; aber beide wissen, was auf de anderen Seite ist, und machen auch keinen Hehl daraus. Wie es beim Worfeln Stroh zum Verbrennen

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genwärtig dazu zwingt, der Gerichtsverkündigung in unserem Jesusbild den Platz einzuräumen, der ihr lange verweigert worden ist104. Grundsätzlich formuliert, folgt aus solchen Beispielen: Die QForschung hat Redaktion und Tradition voneinander zu unterscheiden, darf sie aber nicht gegeneinander ausspielen, und die Jesusforschung hat nicht nur, wie üblich seit je, die von Q überlieferten einzelnen Worte Jesu zu berücksichtigen, sondern muss sich auch der redaktionellen Perspektive der Logienquelle stellen105. Mir scheint, mit der für Q charakteristischen Fähigkeit, das eigene Anliegen in Treue gegenüber den Worten Jesu zur Sprache zu bringen, ist am ehesten im Einflussbereich der Jünger zu rechnen, die Jesus in Galiläa nachgefolgt und mit ihm nach Jerusalem gezogen sind. Die Träger der Q-Überlieferung so nah an Jesus selber heranzurücken, führt zugegebenermaßen zu großen Problemen. Dazu gehört weniger, dass diejenigen, die ihn nach Jerusalem begleitet hatten, selbstverständlich wussten, was dort zu seinem Tod führte, die Logienquelle dagegen weder direkt noch indirekt darauf Bezug nimmt – m. E. auch nicht im Jerusalemwort von 13,34-35106. Sehr viel schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob im Umkreis derjenigen, die ihre Wurzeln in Galiläa hatten und von denen nur Einzelne zweisprachig gewesen sein werden, Leute namhaft gemacht werden können, die in der Lage waren, aber auch willens, eine griechische Schrift zu verfassen oder verfassen zu lassen. Anders formuliert: Der Autor von Q muss unter Griechisch Sprechenden gesucht werden, die in der Frühzeit des Christentums unserer begrenzten Kenntnis nach eigentlich nur unter den Hellenisten zu finden sind. Diese aber haben die innerjüdische Orientierung von Q spätestens in Antiochien hinter sich gelassen. Das nötigt zu der Frage: Ist es denkbar, dass das missiologische Konzept der Logienquelle von einem Mitglied der Urgemeinde aus dem Kreis der Hellenisten literarisch gleichwohl vertreten worden ist? Besonders wenn Q tatsächlich „ein, wenn nicht das entscheidende Dokument der Jerusalemer Urgemeinde“ gewesen sein sollte (Frenschkowski), kann erwogen werden, ob der Autor – nicht zuletzt auch im Interesse der Galiläer – zum Ausdruck bringen möchte, wie viel die Öffnung gegenüber den Griechen dem galiläischen Flügel der Gemeinde zu verdanken hat. Die Logienquelle wäre dann ein Dokument der Versöhnung, das historisch gesehen erst einige Zeit nach der gegenseigibt, aber auch Weizen zum Einsammeln, so gibt es beim eschatologischen Mahl Gäste, aber auch Ausgeschlossene.“ 104 Vgl. REISER, Gerichtsverkündigung (Anm. 22); RINIKER, Gerichtsverkündigung (Anm. 22); RAU, Q-Forschung (s. Anm. 2), bes. 381-384. 105 Vgl. RAU, Q-Forschung (Anm. 2), bes. 389-393. 106 Vgl. ebd., bes. 392.399-402.

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tigen Akzeptanz denkbar ist, zu der es auf dem Apostelkonzil kam. Es kommt hinzu: Obwohl es höchst unwahrscheinlich ist, dass schon Petrus die Parole von Jesus Christus als dem Kyrios aller, aus jedem Volk, vertreten hat, könnte die Abfolge der Geschichten von der Bekehrung des Cornelius (Apg 10,1-11,18) und von der Entstehung der antiochenischen Gemeinde (Apg 11,19-21) ja durchaus etwas Richtiges festgehalten haben. Stärker noch gilt dies für die Geschichte von Jesu Begegnung mit der Syrophönizerin (Mk 7,24-30). Sie lässt sich als Variante der Geschichte über die Begegnung mit dem Hauptmann von Kapernaum verstehen, geht aber ganz und gar eigene Wege. Danach ist es Jesus selber, der gezwungenermaßen akzeptiert, dass es im Gebiet der syrophönizischen Küstenstädte zur Sprengung der Fessel kommt, die er dem Hauptmann trotz der Vorbildlichkeit seines Glaubens auferlegt: Das Brot steht zuerst den Kindern (Juden / Jüdinnen) zu, zugleich aber auch den Hündlein (Griechen / Griechinnen). Ist es ein Zufall, dass der Erzähler dafür nicht einen Soldaten aufbietet, sondern eine Frau, nicht einen Römer, sondern eine Griechin, d. h. eine Anhängerin der griechischen Kultur, die ihre Wurzeln vor Ort hat?107 Mir scheint, beides könnte widerspiegeln, wo und unter welchen Bedingungen der von der Logienquelle vorbereitete, wenn auch nicht selbstvollzogene Aufbruch zu den Völkern in Angriff genommen worden ist. Mir ist bewusst, wie hypothetisch es ist, neben den ‚Hebräern’, zu denen die Galiläer der Urgemeinde gehören, auch die Hellenisten mit der Logienquelle in Verbindung zu bringen, wenn man sich zugleich genötigt sieht, diesen die Missiologie von Q abzusprechen. Aber ich denke, die Nähe von Mk 7,24-30 zu Q 7,1-10 einerseits und zu Apg 11,19-21 andererseits ist ein Argument, das Beachtung verdient. Außerdem: Könnte es nicht sein, dass diejenigen, die der Parole des VIoudai,w| te prw/ton kai. [Elleni von Mk 7,24-30 und Apg 11,19-21 verpflichtet sind, das Lob des Hauptmanns von Kapernaum als Ermutigung für ihren eigenen Aufbruch zu den Griechen / Völkern verstehen mussten? Noch die kontroverse Exegese von heute zeigt ja, wie ambivalent Jesu Wort über den Glauben des Hauptmanns ist an die, die er, ausgerüstet mit der Eröffnungsrede, bettelarm, friedfertig und wehrlos zu Menschen Israels schickt, um ihnen die Nähe des Reiches Gottes zuzusprechen und sie an dessen Prolepse in Mahlgemeinschaft und Krankenheilung teilhaben zu lassen, aber auch dem Unheil zu überantworten, wer sich dem Angebot des Heils verschließt. Die Überlegungen im Anschluss an die Bemerkung zur griechischen Sprache zeigen, dass der historische Ort der Logienquelle, den 107 Vgl. THEIßEN, Lokalkolorit (Anm. 7), 73-75.

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ich zur Diskussion stelle, eine Reihe schwieriger Fragen aufwirft. Das Risiko des Scheiterns ist deshalb groß. Aber ich glaube, in der gegenwärtigen Situation ist es produktiver, das Risiko einzugehen, als sich weiterhin auf den eingefahrenen Gleisen der Q-Forschung zu bewegen. Und außerdem: Die Beobachtungen zur Missiologie, aber auch zu den literarischen Phänomenen der Logienquelle werden von einer Infragestellung des vorgeschlagenen historischen Kontextes ebenso wenig berührt wie die Überlegungen über die Nähe zur historischen Gestalt Jesu.

Der Beitrag von Mk 7,24-30 zum christlichen Völkerevangelium im Kontext antiker Haushaltsführung Ulrich Mell Zu den theologischen Voraussetzungen, damit aus der innerjüdischen Jesusbewegung um die Aufrichtung der Gottesherrschaft eine eigenständige Religionsgemeinschaft werden konnte, gehört ohne Zweifel das Völkerevangelium. Die Überzeugung des Urchristentums, dass das Heil nicht auf Israel beschränkt ist, sondern allen Völkern gilt, ist für viele neutestamentliche Schriften eine Selbstverständlichkeit.1 Und wenn einmal doch die Verkündigung unter Nichtjuden und ihre Zugehörigkeit zur Kirche Jesu Christi als Besonderheit angesprochen wird, bleibt dieses Geschehen mit der verbalen Stilisierung als Reichtum eines göttlichen Geheimnisses (vgl. Kol 1,27) als ein offenes Problem bestehen oder wird durch Kennzeichnung als Friedensevangelium (vgl. Eph 2,14-18) in eine Sphäre gerückt, die eine Erklärung als irdisch bedingtes Ereignis kaum noch zuzulassen scheint. Bei der geschichtlichen Frage nach der Entstehung des Völkerevangeliums verbergen neutestamentliche Schriften nicht, dass das Angebot einer göttlichen Zuwendung zu allen Menschen nicht von Anfang an bestand, sondern sich erst etablieren musste: Nach der Darstellung des MtEv geht die weltweite Mission zwar auf Jesus zurück, aber dieser habe den zu seinen Lebzeiten auf Israel beschränkten Missionsauftrag (Mt 10,5f.23, vgl. 15,24) als Auferstandener korrigiert und um Taufe und Belehrung aller Völker erweitert (28,18-20). Etwas anders schildert es die lk Apg, die erst Petrus mit der Taufe des röm. Hauptmanns Kornelius im palästinischen Cäsarea zum Bahnbrecher der Völkermission erklärt (Apg 10,1-11,18) und der Gemeinde im syrischen Antiochia unter Führung von Barnabas die erste systematische Missionsverkündigung unter „Griechen“ zuspricht (11,20). Wieder anders stellt sich der Ursprung der allgemeinen Mission in der Sicht von Paulus dar, der behauptet, dass mit seiner damaszeni1

Vgl. Mt 28,18-20; Mk 13,10 par. (später 16,15f); Lk 24,47; Joh 3,16; 4,42c; 1Tim 3,16. Anders nur Apk 14,6f, wonach für die Völker durch das „Gerichtsevangelium“ eine Umkehr erst für das Ende der Zeiten erwartet wird.

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schen Berufung zum Apostel der Missionsauftrag an die Völker verbunden ist (vgl. Röm 1,1.5; 15,16; Gal 1,16). In der neutestamentlichen Forschung setzt sich zunehmend die Ansicht durch, dass erst nach Jesu Tod, als die christliche Gemeinde mit der Auferstehungsverkündigung im Frühjudentum wirkte, die Heilsbeteiligung von Nichtjuden eingesetzt hat.2 Ist nicht auszuschließen, dass Jesus von Nazaret in seinem galiläischen Wirkungsgebiet3 oder durch eine Wanderung durch die an seine Heimat nördlich angrenzende röm. Provinz Syrien4 oder erst recht in der hellenisierten Stadt Jerusalem Kontakte zu Nichtjuden gehabt haben könnte,5 so hat er seine Sendung allein auf Israel bezogen.6 Das belegt am eindeutigsten die symbolische Zeichenhandlung der Berufung von zwölf Jüngern.7 Für diese historische Sicht spricht, dass in frühester Zeit die christliche Gemeinde nur aus Israelchristen bestand, sich in der Anfangszeit die Verkündigung ausschließlich an Juden richtete8 und große Teile des Israelchristentums die spätere Heilspartizipation von Nichtjuden ohne gesetzliche Mindeststandards ablehnte.9

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Vgl. W. HEITMÜLLER, Zum Problem Paulus und Jesus, ZNW 13 (1912), 320-337: 332 (Nachdr. in: K.H. RENGSTORF (Hg.), Das Paulusbild in der neueren deutschen Forschung, [WdF 24], Darmstadt 1969, 124-143: 138); M. HENGEL, Zwischen Jesus und Paulus. Die ‚Hellenisten’, die ‚Sieben’ und Stephanus (Apg 6,1-15; 7,54-8,3), ZThK 72 (1975), 151-206: 199f (Nachdr. in: DERS., Paulus und Jakobus. Kleine Schriften III [WUNT 141], Tübingen 2002, 1-56, Nachtrag: 57-67: 49f); F. HAHN, Theologie des Neuen Testaments Bd. 1, Tübingen 22005, 298, u.a.m. Vgl. Q 7,1-10; Mk 3,8 par.; 5,1-25; Mt 10,5. Vgl. z.B. die biografische Deutung von Mk 7,24-30 durch G. THEIßEN, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition (NTOA 8), Fribourg/Göttingen 21992, 83 (aufgenommen von TH. SCHMELLER, Jesus im Umland Galiläas. Zu den markinischen Berichten vom Aufenthalt Jesu in den Gebieten von Tyros, Caesarea Philippi und der Dekapolis, BZ 38 [1994], 44-66, bes. 60), die von einer tatsächlichen Reise des historischen Jesus in nichtjüdisches Gebiet ausgeht. Dazu J. ZANGENBERG, Nichtjuden in Palästina, in: K. ERLEMANN u.a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur 3, Neukirchen-Vluyn 2005, 53-58. Gegen A. JÜLICHER, Die Gleichnisreden Jesu 2 Tle., Tübingen 21910 (Nachdr. Darmstadt 1976), II 259, der Mk 7,27f als Beleg für den „Universalismus“ des historischen Jesus ansieht. – Die Lk 10,1-12 par. noch zu Jesu Lebzeiten berichtete Aussendung von 70 bzw. 72 Jüngern, deren Symbolzahl die Völker der Welt anzeigt (vgl. die Völkerliste Gen 10), dürfte als Rückprojektion beurteilt werden, insofern die bestehende urchristliche Völkermissionspraxis auf eine Anordnung des Religionsstifters Jesus zurückgeführt wird, dazu F. BOVON, Das Evangelium nach Lukas, Bd. 2 (EKK III/2), Neukirchen-Vluyn u.a. 1996, 62f. Vgl. Mk 3,14f parr., dazu J. BECKER, Jesus von Nazaret, Berlin/New York 1996, 32-34. Vgl. Q 22,30; Lk 24,21; Apg 6,1-7. Israelchristlichen Widerstand belegen u.a. die Berichte einer Nachmission von Völkerchristen in Antiochia (vgl. Gal 2,4) und später in Galatien (vgl. 5,1-4; 6,12f) sowie das Scheitern einer Tischgemeinschaft von Israel- und Völkerchristen in Antiochia (vgl. 2,12f).

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Dürfte geschichtlich zwischen verschiedenen Entwicklungsstadien der Völkermission zu unterscheiden sein, der vereinzelten Heilsbeteiligung von Nichtjuden,10 der regionalen Einrichtung von separaten Völkergemeinden11 und einer „weltweit“12 betriebenen Völkermission, so soll im Folgenden der gewiss spannende Gang der urchristlichen Missionsgeschichte nicht im Vordergrund stehen.13 Die folgende Erörterung beschäftigt sich vielmehr mit der Frage, mit welchen Konzepten eine durch jüdische Exklusivitätsansprüche geprägte Urchristenheit die Israels Grenzen sprengende Universalisierung theologisch begründete. Zu den neutestamentlichen Texten, die eine Heilsbeteiligung von Nichtjuden berichten, gehört dabei zweifelsohne die Erzählung von Jesu Heilung der Tochter einer Syrophönizierin Mk 7,24-30. Mit dieser Wundererzählung hat sich Ulrich B. Müller in einem Aufsatz zur Rezeption gesetzeskritischer Jesusüberlieferung im frühen Christentum beschäftigt und angenommen, dass sie „die Heidenmission urchristlicher Missionare durch Verweis auf ein Tun Jesu begründen“ will.14 Träger seien galiläische Christen, die Mission in Syrien, u.a. im Gebiet von Tyrus, trieben. Mit seinen Hinweisen gibt Ulrich B. Müller einen exegetischen Konsens wieder.15 Ob und wenn ja, in welcher Weise seine bzw. diese Einschätzung zutreffend ist, soll in diesem Aufsatz untersucht werden.

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Vgl. Apg 10,48; Gal 2,3. Vgl. Apg 11,20f. Vgl. Röm 15,16.19f. Vgl. dazu E. DASSMANN, Kirchengeschichte I. Ausbreitung, Leben und Lehre der Kirche in den ersten drei Jahrhunderten (StTh 10), Stuttgart 22000, 34-41. U.B. MÜLLER, Zur Rezeption gesetzeskritischer Jesusüberlieferung im frühen Christentum, NTS 27 (1981), 158-185: 178 (Nachdruck in: DERS., Christologie und Apokalyptik. Ausgewählte Aufsätze [ABG 12], Leipzig 2003, 59-88: 80). Vgl. L. SCHENKE, Die Wundererzählungen des Markusevangeliums (SBB), Stuttgart 1974, 262f; R. PESCH, Das Markusevangelium I (HThK II/1), Freiburg u.a. 31980, 390, u a.m. – Die Ansicht von R. FELDMEIER, Die Syrophönizierin (Mk 7,24-30) – Jesu „verlorenes“ Streitgespräch?, in: DERS. / U. HECKEL (Hg.), Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden (WUNT 70), Tübingen 1994, 211-227: 222f, einen Zusammenhang mit der Gottesherrschaftsverkündigung des historischen Jesus herstellen, konnte sich nicht durchsetzen.

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1. Zur formkritischen Analyse Der griechische Text von Mk 7,24-30 ist bis auf zwei kleinere Unsicherheiten in den V. 24c16 + 28b17 gut überliefert und lautet in deutscher Übersetzung: (24) Von dort (sc. Gennesaret, s. Mk 6,53) aber brach er (sc. Jesus, s. 6,30) auf und ging in das Gebiet von Tyrus. Und er ging (dort) in ein Haus und wollte, dass es niemand erfährt; doch konnte es nicht verborgen bleiben. (25) Vielmehr hörte sogleich eine Frau von ihm, deren Töchterchen einen unreinen Geist hatte, (und) sie kam und warf sich zu seinen Füßen nieder. (26) Die(-se) Frau aber war eine Griechin, der Herkunft nach eine Syrophönizierin. Und sie bat ihn, dass er den Dämon aus ihrer Tochter austreibt. (27) Und er sprach zu ihr: „Lass vorrangig die Kinder satt werden! Denn es ist nicht recht, den Kindern ihr Brot wegzunehmen und es den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.“ (28) Sie aber antwortete und sprach zu ihm: „Herr! Und doch ernähren sich die unter dem Tisch befindlichen Hunde von den von Mädchen und Jungen [fallen gelassenen] Brotkrümeln!“ (29) Und er sagte ihr: „Wegen dieses Wortes gehe! Der Dämon ist aus deiner Tochter ausgefahren.“ (30) Und sie ging fort in ihr Haus und fand das Kind auf dem Bett liegend, und der Dämon war ausgefahren.

Dieser in Bibelausgaben mit der Überschrift „Die Syrophönizierin (Kanaanitin)“18 inhaltlich nur unzureichend markierte Abschnitt stellt eine überaus spannende Erzählung dar. Sie schildert, wie der um Hilfe an einem namentlich nicht genannten Mädchen gebetene Wundertäter Jesus erst auf die sachlich überzeugende „Argumentation“ (Mk 7,29a: lo,goj, nicht „Glaube“, so anders Mt 15,28a!)19 ihrer gleichermaßen ano-

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In Mk 7,24c ist trotz schlechterer Bezeugung der Aorist hvdunh,qh der epischen und ionisch-hell. Schreibweise vorzuziehen, mit B. ALAND e.a. (Ed.), Novum Testamentum Graece post Eberhard et Erwin Nestle, Stuttgart 272006 (9. Druck). Aufgrund der bei der Vervielfältigung von Evangelienhandschriften zu beobachtenden Gesetzmäßigkeit, dass Kopisten dazu neigen an den Paralleltext anzugleichen – i.d.F. Mt 15,28 –, wird in Mk 7,28b aufgrund der guten Bezeugung durch u.a. die Handschrift P45 mit ALAND, Novum Testamentum Graecum (s. Anm. 16), ein kürzerer griech. Text vorausgesetzt. Viele deutsche Übersetzungen folgen noch dem textkritischen Urteil älterer NT-Ausgaben (u.a. Nestle-Aland 25. Aufl.). K. ALAND (Ed.), Synopsis Quattuor Evangeliorum. Locis parallelis evangeliorum apocryphorum et patrum adhibitis, Stuttgart 131986, 220. Eine paradigmatische Auslegung von Mk 7,24-30, die im Verhalten der syrophönizischen Frau ein Beispiel für den auch gegen Widerstände am Zutrauen zu Jesus festhaltenden Glauben sieht (so herausragend M. LUTHER, Auff den andern Sontag ynn der fasten Euangelion. Matthei 15 [Fastenpostille 1525], WA 17/II, 200-204: 200, vgl. J. ROLOFF, Das Kerygma und der irdische Jesus, Göttingen 1974, 159-161), kann sich nicht auf den Text Mk 7,24-30 stützen, sondern interpretiert die synoptische Parallele Mt 15,21-28.

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nym bleibenden Mutter bereit ist, mittels Fernheilung ihre kranke Tochter von einem Dämon zu befreien (Mk 7,29bf). In formkritischer Hinsicht enthält die Erzählung alle Motive, die sie der Gattung einer Wundergeschichte, präziser gesagt einer „Fernheilungswundererzählung“20 zuweisen lassen:21 Auf das eingangs der Geschichte in zwei Schritten berichtete Auftreten von Jesus in einem Haus in der Gegend von Tyros (Mk 7,24) folgt die Einführung einer Gesandtin, in diesem Fall einer besorgten Mutter, die für eine räumlich entfernt lebende Hilfsbedürftige, ihre Tochter, beim Wundertäter um Heilung nachsucht (V.25f). Charakterisiert wird die Notsituation der jungen Frau als eine Form von schwerer psychosomatischer Krankheit und geschildert wird mittels einer Proskynese, dass die bittende Gesandtin vollkommenes Vertrauen in die göttliche Heilungsmacht des Wundertäters hat. Der Wundertäter aber erschwert mit einem abweisenden Wort das in ihn gesetzte Zutrauen zu seiner Wundertätigkeit (V.27), worauf der Wunderglaube der Mutter sich in einer als unbedingte Vertrauenserklärung zu wertenden Entgegnung äußert (V.28). Erst daraufhin folgt der Zuspruch des sich zur Wundertat bereitfindenden Wundermannes, sodass das Wunder, die Heilung bzw. der Exorzismus an der jungen Frau, abschließend festgestellt werden kann (V.30). An der Wundergeschichte fällt auf, dass der Ort des Zusammentreffens von Bittstellerin und Wundertäter unklar bleibt, nämlich wo genau in der relativ großen „Region von Tyrus“ (Mk 7,24a) das von Jesus betretene Haus lag und warum sein Versuch misslingen musste, seinen Aufenthalt den Bewohnern gerade durch das Aufsuchen eines bewohnten Hauses zu verbergen. Die redaktionskritische Erforschung des MkEv hat darauf aufmerksam gemacht, dass das Motiv des Nicht-Verborgen-Bleiben-Könnens Jesu auch Mk 1,45; 2,1f; 3,20; 6,31-33; 9,30 vorliegt und unter den Evangelienschriften nur die narrative Konzeption des MkEv von einer Reise Jesu in nördlich von Galiläa gelegene Gebiete – die sog. „Nordreise“ (7,24-37) – weiß. Darum nimmt die Markusforschung an, dass der Evangelist die von jeglichem Lokalkolorit der Gegend um Tyrus frei seiende Wundergeschichte aus seiner Gemeindetradition übernommen und um das sog. „Messiasgeheimnismotiv“ (= 7,24bc) erweitert hat.22 20 21 22

PESCH, MkEv (s. Anm. 15), 386 (Hervorhebung R. Pesch). Vgl. G. THEIßEN, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien (StNT 8), Gütersloh 1974, 57-89. Mit W. WREDE, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums, Göttingen 31963, 142; K. KERTELGE, Die Wunder Jesu im Markusevangelium. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung (StANT 23), München 1970, 151; SCHENKE, Wundererzählungen (s. Anm. 15), 254f;

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Auch die Ortsangabe „Tyrus“ hat der Redaktor der Kennzeichnung der Frau als Syrophönizierin entnommen23 und für seine Reiseschilderung in V.24a (und V.31a) hinzugesetzt.24 Die vormarkinische Wundergeschichte begann etwa mit den Worten: „(Und) eine Frau hörte von Jesus25, deren Töchterchen …“ (vgl. V.25).26 Sieht man sich die vormarkinische Wundertradition (= Mk 7,25-30*) jetzt textanalytisch näher an, so fällt sogleich ihre Uneinheitlichkeit auf: Völlig unmotiviert wechseln nämlich Bezeichnungen: Ist zunächst von einem „Töchterchen“ (quga,trion, Deminutiv von quga,thr) die Rede, das einen „unreinen Geist“ (pneu/ma avka,qarton) hat (Mk 7,25), so später von einer „Tochter“ (quga,thr), die von einem „Dämon“ (daimo,nion) geheilt wird (V.26b.29b.30b). Zudem ist das aus Wundergeschichten bekannte Komplementärmotiv von Erschwernis und Überwindung, nämlich dass der Wundertäter sich zunächst entzieht und erst durch einen Beweis über den Wunderglauben des Bittstellers zur helfenden Tat überwunden wird, sprachlich umfangreich entfaltet (V.27f). Legt sich aus dem Missverhältnis zwischen extensiv ausformulierten Kurzdialog und reduziert erzähltem Wunder, insofern die Heilungstätigkeit nur noch angedeutet wird (vgl. Mk 7,29b), in formkritischer Hinsicht nahe, nicht mehr von einer Heilungsgeschichte, sondern von der im Markusevangelium anzutreffenden Mischgattung einer

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D.-A. KOCH, Die Bedeutung der Wundererzählungen für die Christologie des Markusevangeliums (BZNW 42), Berlin 1975, 90; H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten (NTA NF 13), Münster 1978, 273; J. GNILKA, Das Evangelium nach Markus I (EKK II/1), Neukirchen-Vluyn u.a. 1978, 290; Z. KATO, Die Völkermission im Markusevangelium. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung (EHS.T 252), Bern u.a. 1986, 82f; M. FANDER, Die Stellung der Frau im Markusevangelium. Unter besonderer Berücksichtigung kultur- und religionsgeschichtlicher Hintergründe (MThA 8), Altenberge 21990, 63-66, u.a.m. gegen PESCH, MkEv (s. Anm. 15), 387. Die Ortslage „Gegend von Tyrus“ stellt auf der synchronen Textebene eine Doppelung zur Kennzeichnung der Frau als gebürtige Syrophönizierin (V.26a) dar. Da die Frau als gebürtige Nichtjüdin stilisiert ist (s.u.), lag es für den Redaktor von der atl.jüd. Tradition her nahe, die Region von Tyrus als nächste Ortslage zu Galiläa zu wählen, gilt die Stadt doch zusammen mit Sidon als „Inbegriff einer heidnischen Stadt“ (PESCH, MkEv [s. Anm. 15], 387), vgl. Ez 26-28 (auch Mt 11,21f). S. die ähnliche Formulierung Mk 10,1; mit R. BULTMANN, Die Geschichte der Synoptischen Tradition (FRLANT 29), Göttingen 91979, 38.68; KERTELGE, Wunder (s. Anm. 22), 151; KOCH, Bedeutung (s. Anm. 22), 91; GNILKA, MkEv (s. Anm. 22), 290; KATO, Völkermission (s. Anm. 22), 84; FANDER, Stellung (s. Anm. 22), 64, gegen SCHENKE, Wundererzählungen (s. Anm. 15), 254. Als eigenständige Erzählung wird sie am Beginn den Wundertäter namentlich eingeführt haben. S. die ähnliche Formulierung Mk 5,25f; mit KERTELGE, Wunder (s. Anm. 22), 151; GNILKA, MkEv (s. Anm. 22), 290; KATO, Völkermission (s. Anm. 22), 85.

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‚theologischen Wundergeschichte’ auszugehen, so dürften die inhaltlichen Spannungen entwicklungsgeschichtlich zu interpretieren sein: Eine gute Annahme ist,28 dass eine ursprüngliche Geschichte über einen Fernheilungsexorzismus29 am Beginn um die Charakterisierung der bittenden Stellvertreterin als Nichtjüdin (V.26a, s.u.) und die Krankheitsschilderung ihrer Tochter als Besitznahme von „einem unreinen Geist“ (V.25b)30 so verändert wurde, damit in einem Kurzgespräch zwischen Wundertäter und Bittstellerin (V.27f)31 die aus jüdischer Sicht zur Unreinheitsthematik gehörende Frage des Umganges von Juden mit Nichtjuden diskutiert werden kann: Denn aufgrund levitischer Reinheits-Thora meiden Juden den Umgang mit götzenverehrenden Nichtjuden (vgl. Ex 23,32f; Dtn 6,14f). Da in der sozio-kulturellen Metaphernwelt „Brot“ sowohl für „lebenswichtige Nahrung“ (vgl. Q 11,3) als auch für das umfassende „Lebensheil“ stehen konnte (vgl. Joh 6,48.51.58), lag ein inhaltlicher Zusammenhang bereit, das Heilungsgeschehen seelisch-körperlicher Gesundheit mit der Versorgungsthematik zu verbinden. Wie auch immer aber die Formierung der apophthegmatischen Wundergeschichte32 in diachroner Hinsicht erklärt werden kann, dem Evangelisten Markus lag eine auf literarische Weise entstandene33 und „mit Bedacht konzipierte Einheit“34 vor. Das vormarkinische Streitgespräch anlässlich eines provozierenden Anlasses besitzt dabei zwei inhaltlich aufeinander bezogene Schwerpunkte: 1. Da ist zunächst die sorgfältige Charakterisierung der Bittstellerin zu nennen:35 Die Bezeichnung als „Griechin“36 kennzeichnet die Frau zu27 28 29

30 31 32 33 34 35

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Vgl. im Mk z.B. noch 2,1-12; 3,1-5; 9,14-29. Mit KERTELGE, Wunder (s. Anm. 22), 152; SCHENKE, Wundererzählungen (s. Anm. 15), 260; PESCH, MkEv (s. Anm. 15), 385; KATO, Völkermission (s. Anm. 22), 85. Zur Form von Mk 7,25.26b.29bf* vgl. Q 7,3-9. – Das Problem dieser diachronen Vermutung ist, dass sowohl die exorzistische Wundererzählung als auch der mittige streitgesprächsartige Dialog (Mk 7,27f*) formanalytisch Fragment bleiben (so KLAUCK, Allegorie [s. Anm. 22], 275), vgl. dieselbe Problematik bei Mk 2,1-12. Vgl. das Unreinheitsthema in mk Wundergeschichten noch Mk 1,23.26; 5,2.8.13. Der Kurzdialog Mk 7,27f expliziert das zum Wundergeschichteninventar gehörende Erschwernismotiv sowie das Motiv der Vertrauensäußerung des Stellvertreters, dazu THEIßEN, Wundergeschichten (s. Anm. 21), 62-65.120f.252. So KOCH, Bedeutung (s. Anm. 22), 85.87, im Anschluss an BULTMANN, GST (s. Anm. 24), 38. Vgl. KOCH, Bedeutung (s. Anm. 22), 85-87. KLAUCK, Allegorie (s. Anm. 22), 275. Sie erfolgt stilgemäß zweiteilig, vgl. Apg 4,36c; 18,2a; Josephus, Vit. 427; c. Ap. 1,179f; Philo, Abr. 251. Darum ist die Annahme eines redaktionellen Zusatzes unbegründet, gegen SCHENKE, Wundergeschichten (s. Anm. 15), 255f; KLAUCK, Allegorie (s. Anm. 22), 273, u.a.m. Mit „Griechin“ ist aus jüd. Optik eine Angehörige der Völker gemeint. Der Begriff steht stellvertretend für „Nichtjüdin/Nichtjude“ (nicht: Heidin/e!), dazu H. WINDISCH, Art. [Ellhn ktl., ThWNT II (1935), 501-514, besonders: 504-514.

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nächst hinsichtlich ihrer kulturellen Identität,37 um sodann mit der Aussage „der Herkunft nach eine Syrophönizierin“, ihre landsmannschaftliche Zugehörigkeit festzulegen. Damit legt die theologische Erzählung Wert darauf, dass Mutter – und folglich auch ihre heilungsbedürftige Tochter – als gebürtige Nichtjüdinnen wahrgenommen werden, die aus der nördlich von Palästina liegenden Levante stammen. Und ohne dass die Erzählung einen entsprechenden Hinweis gibt, soll vom Rezipienten der Wundertäter antithetisch der Geburt und Herkunft nach dem Judentum zuordnet werden.38 2. Der zweite Höhepunkt des theologischen Apophthegmas liegt in der Erläuterung des für jüdische Sozialisation ungewöhnlichen Umstandes, dass ein jüdischer Wunderheiler seine ihm vom Gott Israels für die Gesundung des Gottesvolkes geschenkte Heilungskraft (vgl. Ps 103,3) zugunsten des Wohlergehens einer religionsfremden Person einsetzt. Auf diese Problemstellung geht der sprachlich farbig formulierte Dialog39 zwischen Wundertäter und Bittstellerin ein. Mk 7,27f sind als Einheit zu betrachten,40 weil der Gedanke der Versorgung aller Hausgenossen bemüht wird. Der Aufbau des Gesprächs ist folgender: 1. Jesus 1.1 Imperativische Versorgungsregel (V.27a) Mit „Lass zuerst die Kinder satt werden!“ wird in Befehlsform eine Regel vorgetragen, die die vorrangige Versorgung bestimmter Haushaltsglieder festlegt. 37

38 39 40

Dass Mutter (und Tochter) aufgrund der Bezeichnung als „Griechinnen“ in sozialer Hinsicht als Oberschichtangehörige gelten sollen, ist sprachlich nicht fundamentiert (gegen THEIßEN, Lokalkolorit [s. Anm. 4], 73-75). Auch die Annahme von S.H. RINGE, A Gentile Woman’s Story, in: L.M. RUSSEL (Ed.), Feminist Interpretation of the Bible, Philadelphia 1985, 65-72: 70, dass die Frau eine ledige Mutter oder gar eine Witwe sei, weil sie selbst und nicht etwa der Vater beim Wundertäter um das Wohl des Kindes bittet (vgl. Mk 5,22f parr.; 9,17 parr.), darf als eine historisierende Fehlinterpretation des feststehenden Motivinventars von Heilungsgeschichten gewertet werden. Schließlich ist nicht zu erkennen, dass die beiden Frauen entsprechend Gen 3,6 in der Figur der (den Mann) zur Sünde verführenden Frau erscheinen, gegen FELDMEIER, Syrophönizierin (s. Anm. 15), 221. Erst auf der mk Textebene wird die jüdische Abkunft des Wundertäters Jesus auf das palästinische Judentum hin präzisiert, vgl. Mk 1,9 (Geburtsort Nazaret); 6,3. Vgl. den Wechsel der Begriffe, so wird „Kind“ Griechisch einmal mit te,knon (Mk 7,27c), dann aber mit paidi,on (V.28fin.) bezeichnet. Anders in der Folge von JÜLICHER, Gleichnisreden (s. Anm. 6) II 256: BULTMANN, GST (s. Anm. 24), 38; KLAUCK, Allegorie (s. Anm. 22), 273; GNILKA, MkEv (s. Anm. 22), 290; MÜLLER, Rezeption (s. Anm. 14), 80, u.a.m. – Häufig wird prw/ton für sekundär gehalten, weil es angeblich nur den vorläufigen Vorrang der Kinder vor den Hündlein konzediere (vgl. SCHENKE, Wundererzählungen [s. Anm. 15], 256) und so die ablehnende Antwort von Mk 7,27b abmildere (vgl. KLAUCK, Allegorie [s. Anm. 22], 273). Dieser Einwand ist nicht schlüssig, wie die sozialgeschichtliche Analyse (s.u.) zeigen wird.

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1.2 Ethische Begründung (V.27b) Diese Position wird in ethischer Hinsicht mit den Worten „Denn es ist nicht recht, den Kindern ihr Brot wegzunehmen und es den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.“ fundiert. 2. Syrophönizische Frau 2.1 Höfliche Anrede (V.28a) Die Replik der Syrophönizierin beginnt mit dem höflichen Gruß „Herr!“, der Jesus als Autorität akzeptiert. 2.2 Hinweis auf Versorgungspraxis (V.28b) Der abschließende Hinweis „Und doch ernähren sich die unter dem Tisch befindlichen Hunde von den von Mädchen und Jungen [fallen gelassenen] Brotkrümeln!“ geht auf die Praxis der Versorgung von Hausgliedern ein. Der Einwand aus der Praxis ist für den Wundertäter so schlagend,41 dass er seinen eigenen Standpunkt als relativiert (an-) erkennt und sich als argumentativ Bezwungener zur (einmaligen) Wunderhilfe an einer Religionsfremden bereitfindet (Mk 7,29f).

2. Antike Haushaltstheorie und Haushaltswirklichkeit Mit der Sprachlichkeit von Tisch, gemeinschaftlichem Essen und Brot als Nahrungsmittel führt das „dialogisierte Bildwort“42 sozialgeschichtlich den Lebensbereich des antiken Haushaltes vor Augen. Vorausgesetzt ist eine alltägliche Hausszene: Die Speisen sind zur (frühabendlichen Haupt-?) Mahlzeit hergerichtet. In einem bescheidenen Haushalt nehmen seine (arbeitsfreien) Mitglieder auf dem Boden sitzend an einem niedrigen Tisch Platz, während in einem vermögenden in einem Speisezimmer getafelt wird: Man liegt auf Speisesofas43 oder sitzt auf Stühlen, umgeben von einem oder mehreren Tischen. Hauptbestandteil jeder Mahlzeit ist Brot.44 Mk 7,27f (par.) legen nahe, dass es als fest gebackenes, rundliches Fladenbrot gereicht wird.45 41 42 43 44 45

Im Griechischen wird Mk 7,28a durch den Gebrauch der griech. Präsensform, die im Deutschen mit dem Präteritum wiederzugeben ist, die Wichtigkeit der Entgegnung der Frau hervorgehoben. KLAUCK, Allegorie (s. Anm. 22), 273. Vgl. Mk 2,15. In der Antike ist Getreide das wichtigste Grundnahrungsmittel, vgl. Gen 3,12; Q 11,3, dazu U. FELLMETH, Essen und Trinken im antiken Palästina, in: U. MELL (Hg.), Pflanzen und Pflanzensprache der Bibel, Frankfurt a.M. u.a. 2006, 71-89, 73f. In der Regel aus Weizenmehl hergestellt (vgl. Q 13,21). Nur in ärmeren Haushalten wurde das mit Hefe angesetzte Fladenbrot aus Gerstenmehl hergestellt (vgl. Joh 6,9.13; Josephus, Bell. 5,427).

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Das mit der Hand in Stücke gebrochene bzw. zerrissene Brot wird mit einer Zukost aus Gemüse, Käse, Milch, Früchten und/oder (Salz-) Fisch (selten Fleisch) separat dazu oder auch mit ihnen gemischt verzehrt.46 Auch Hunde werden von dem Geruch der aufgetischten Speisen angezogen.47 Mit dem Deminutiv48 ist nicht der herrenlose Straßenhund,49 der sich streunend von Unrat, Blut, Aas und Tierkadavern ernährt,50 sondern der zum Haushalt gehörende gezähmte Haus- und Stubenhund gemeint.51

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Vgl. A.C. ANDREWS / TH. KLAUSER, Art. Ernährung, RAC 6 (1966), 219-239: 222.226.230; A. LUMPE, Art. Essen, RAC 6 (1966), 612-635: 613.623; M. SIGISMUND, Ernährung / Lebensmittel, in: K. ERLEMANN u.a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur 2, Neukirchen-Vluyn 2005, 31-33: 31f; FELLMETH, Essen (s. Anm. 44), 74-77; DERS., Brot und Politik. Ernährung, Tafelluxus und Hunger im antiken Rom, Stuttgart/Weimar 2001, 27-32. Vgl. Homer, Od. 17,309. Die Sitte, Haushunde zum Mahl mitzunehmen, war so eingeführt, dass Hunden, die nicht an einem Gastmahl teilnehmen konnten, von ihrem Halter die Leckerbissen mitgebracht wurden, so Od. 10,216f. Das in der Bibel nur Mk 7,27f par. Mt 15,28f gebrauchte griech. Wort für Hund (kuna,rion) ist ein Deminutiv (von ku,wn, wie kuni,dion, s. F. BLAß / A. DEBRUNNER, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, hg. v. F. REHKOPF, Göttingen 182001, § 111.3; H.G. LIDDELL / R. SCOTT [Comp.], A Greek-English Lexicon, Oxford 1996, s.v.) und in der Gräzität eher selten anzutreffen (so A.L. CONNOLLY, 66. kuna,rion, in: G.H.R. HORSLEY [Ed.], New Documents Illustrating Early Christianity Vol. 4, North Ryde 1987, 157-159: 158). Es kann einen kleinwüchsigen oder jungen Hund bezeichnen, der sich u.U. aggressiv verhält. Eine deutsche Übersetzung mit „Hündlein“ ist in einer modernen, hundefreundlichen Gesellschaft nicht angeraten, weil sie zu verniedlichenden Assoziationen führen würde. Vgl. Mt 7,6; Lk 16,21, dazu auch H. VON LIPS, Schweine füttert man, Hunde nicht – ein Versuch, das Rätsel von Matthäus 7,6 zu lösen, ZNW 79 (1988), 165-186: 171. Vgl. Ex 22,30; 1Kön 21,19.23f; 2Kön 9,36; Ps 68,24; Ps-Phokylides 147f. – Der Mk 7,27f gewählte Ausdruck für „Hund“ lässt also eine pejorative Interpretation nicht zu, wie sie besonders in atl.-jüd. Literatur für den (Paria-)Hund anzutreffen ist (dazu P. MAIBERGER, Art. Hund, NBL II [1995] 203f: 204; G.J. BOTTERWECK, Art. blk, ThWAT IV [1984] 156-166: 163; griech. und röm. Belege bei CHR. HÜNERMANN, Art. Hund, DNP 5 [1998], 755-758: 756f): Dieser wird verachtet (vgl. 1Sam 24,15; 2Kön 8,13; Spr 26,11; Koh 9,4), ist wegen seines Krankheit übertragenen Bisses (d.i. die Tollwut, vgl. Columella, agr. 7,12,10.14) gefürchtet (vgl. Ps 22,17) und gilt als unrein (vgl. Ex 22,30). Unter Streitenden kann darum „Köter“ als Schimpfwort gebraucht werden (LXX: ku,wn: 2Sam 3,8; 16,9), sodass in urchristlicher Polemik die Tiermetapher das Gefährliche an Vertretern von Irrlehre markiert (vgl. Mt 7,6; Phil 3,2; 2Petr 2,22; Apk 22,15; Did 9,5; IgnEph 7,1). Zu beachten ist, dass erst in der allegorischen Fassung Mt 15,26f durch den Zusatz V. 24 indirekt (!) Nichtjuden mit dem Deminutiv „Hund“ bezeichnet werden. Damit bereitet sich in israelchristlicher Sprache vor, was erst in nachntl. Zeit (gegen JÜLICHER, Gleichnisreden [s. Anm. 6] II 256: äthHen 89,42a.47; 90,4 sind „Hunde“ Deckname für ein Israel feindlich gesinntes Volk, wahrscheinlich die Philister) üblich wird, und zwar in rabb. Literatur, insofern ein Nichtjude abwertend als „(Paria-)Hund“ bezeichnet werden kann (Belege bei [H. STRACK] / P. BILLERBECK, Das Evangelium nach Matthäus [Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch Bd. I], München 1926 [Nachdr. München 81982], 725f). Mit W. BAUER, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hg. v. K. U. B. ALAND, Berlin/New York

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Das Halten von Haushunden war zu hell.-röm. Zeit in allen Bevölkerungsschichten verbreitet. Sie wurden als Nutztiere geschätzt,52 da sie für die Bewachung des Anwesens53 und für die Abfallbeseitigung in Haus und Hof sorgten:54 So stellen Hunde Käfern und Mäusen55 nach und ernähren sich von Küchenabfällen.56 Als an die Lebensweise des Menschen eng angepasstes und zu Gehorsam erzogenes Tier57 wurden Haushunde ikonografisch als beliebte Tischgenossen abgebildet.58 Als Gefährte des Menschen59 tragen sie Namen60 und werden im Haushalt vorwiegend von Kindern als tägliche Spielgefährten geschätzt,61 denen sie nicht zuletzt als Streichel- und Kuscheltiere62 willkommen sind. Das antike Mahl ist dabei von zwei sich widersprechenden Verhaltensweisen gezeichnet: 1. Im Unterschied zu den wenigen im Luxus schwelgenden Oberschichthaushalten, die ihre Schoßhündchen mit Speisen zu überfüttern beliebten,63 ist es für sonstige Mahlteilnehmer unüblich, ihre unter dem Tisch ständig nach Fressen geifernden Hunde (vgl. Jes 56,11)64 mit Brot, 1988, s.v.: „Stuben- und Schoßhund“, gegen JÜLICHER, Gleichnisreden (s. Anm. 6) II 256f; KLAUCK, Allegorie (s. Anm. 22), 275f, u.a.m. Vgl. Ps-Phokylides 202; Columella 7,12,3ff über den Hofhund im Unterschied zum streunenden Hund. Vgl. Jes 56,10; JosAs 11,1; TestHi 9,3; Columella 7,12,1.3ff. Vgl. BQ 80a+b, R. Jischmael, T 3 (BILL. I 722). Die Hauskatze wird in der röm. Antike erst im 4. Jh. n.Chr. im Zusammenhang von Mäuseplagen genannt. Es sei denn, man gibt den Haushunden besonderes (Kraft-)Futter, vgl. Columella 7,12,10. Vgl. 1Sam 17,43; Columella 7,12,6. Beispiele bei J. BORCHHARDT, Die Bauskulptur des Heroons von Limyra. Das Grabmal des lykischen Königs Perikles (Istanbuler Forschungen 32), Berlin 1976, 132 mit Taf. 55,2; E. SIMON, Die griechischen Vasen, München 21981, Abb. XI; O. KEEL, Gott weiblich. Eine verborgene Seite des biblischen Gottes, Fribourg 22008, 95, Abb. 114 (zum Grabkult vgl. H.-J. LOTH, Art. Hund, RAC 16 [1994], 773-828: 801). Auch werden Haushunde zu Füßen ihres Besitzers dargestellt (Beisp. aus Ägypten bei N. de G. DAVIES, The Rock Tombs of El Amarna vol. 4 [ASE 16], Oxford 1906, Table 25) und nicht selten werden sie auf Geräten des täglichen Gebrauchs abgebildet (ägypt. Belege bei H.G. FISCHER, Art. Hunde, LÄ III [1980], 77-81: 79). Als anhängliche Begleiter werden sie auf gefährlichen Reisen eingesetzt, vgl. Tob 6,1; 11,4; röm. Belege bei S. IHM, Art. Haustiere, DNP 12,2 (2003), 989-991: 990. Die Namen spiegeln ihre körperlichen oder psychischen Eigenschaften oder auch das innige Verhältnis zu ihrem Halter wider, vgl. AZ 54b, R. Gamaliel II., T 2 (BILL. I 725), griech. Belege bei LOTH, Art. Hund (s. Anm. 58), 787; HÜNERMANN, Art. Hund (s. Anm. 50), 757. Vgl. Plinius, Ep. IV 2,3f, griech. Belege bei G. VAN HOORN, Choes and Anthesteria, Leiden 1951, 47 mit Abb. 320ff. Vgl. Seneca, Trostschrift an Marcia 12,2. Vgl. Petronius 64,6; Carmina Latina Epigraphica 1176,7ff; Martial 1,109. Zur übertriebenen Zuneigung zu Haustieren s. Martial 7,87. Vgl. auch Varro, rust. 2,9; Apostolius, Centuria 16,83. 6

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(rohem) Fleisch oder anderen Speisen zu füttern: Handelt es sich doch um Lebensmittel, die für die menschliche Ernährung wichtig und mit viel Arbeit und Mühe hergestellt wurden.65 Diese Einstellung zum sorgsamen Umgang mit wertvoller Nahrung spiegelt sich in einem Grundsatz der antiken Ökonomik wider, einer Wissenslehre über die richtige Führung eines gegliederten Hauswesens.66 In der Frage der Versorgung lautet Aristoteles’ Empfehlung an den Hausherrn folgendermaßen (gen an 2,6 = 744b): „Denn wie ein guter Haushalter pflegt die Natur nichts fortzuwerfen, woraus sich noch etwas Brauchbares machen lässt. Und im Hauswesen ist die beste Nahrung für die Freien bestimmt, die geringere, die davon abfällt, für die Dienerschaft, während man den Abfall den Haustieren überlässt. So wie dies also für das Wachstum die äußere Vernunft anordnet, genau so tut es in den werdenden Geschöpfen selber die Natur ...“.

Das Prinzip einer rationalen Haushaltsführung legt darauf Wert, dass die in einem Haushalt erwirtschafteten Lebensmittel nicht verschwendet werden. Zu beachten ist, dass Haustiere zu den auf Versorgung Anspruch habenden Hausgliedern zählen. Jedoch haben u.a. Hunde einen so niedrigen Status, dass ihre Ernährung stets nachrangig und zudem nur mit Speiseabfällen zu erfolgen hat. Mk 7,27b (par.) drückt diesen Versorgungsgrundsatz antiker Ökonomik (ouv ... evstin kalo,n) in positiver und negativer Weise aus: Das wertvolle Lebensmittel Brot dient im Hauswesen vorrangig (prw/toj% der Ernährung des ersten Standes. Und: es ist untersagt, Brot an Hunde zu verfüttern. Bei der Befolgung dieser haushaltsethischen Regel ist es am Tisch Gang und Gebe, die für den menschlichen Verzehr sich als ungenießbar erweisenden Speiseanteile wie Knochen, Schalen, Fischgräten etc. auf den Boden fallen zu lassen.67 An diesen Tischabfällen können sich noch während des Mahles68 – und erst recht nach ihm! – Haushunde gütlich tun. Diese Tischsitte war so geläufig, dass sie zu einer stehenden Redefigur führte: „Selbst einem Hund gibst du zu fressen.“69 2. Auf der anderen Seite – und das ist für die Mahlpraxis genauso kennzeichnend – kann es von der bei Tisch versammelten Haus65 66

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Vgl. JosAs 10,13; Ber 50b Bar. (BILL. IV/2 637). Zur antiken Oikonomia-Literatur, die sich diskursiv um die Haushaltsthemen Bewahrung und Erwerb wie Wirtschaft etc. bemüht, vgl. K. LEHMEIER, OIKOS und OIKONOMIA. Antike Konzepte der Haushaltsführung und der Bau der Gemeinde bei Paulus (MThSt 92), Marburg 2006. Vgl. Apuleius, Met. 7,14. Vgl. Martial 3,82,19, auch Johannes Chrysostomos 17,2 (= PG 49,173f). Quintilian, inst. 8,3,22, vgl. Pes 118a, R. Eleazar b. Azarja, T 2 (BILL. I 724). S. die Abbildung am Ende dieses Beitrages aus: Simon, Vasen (s. Anm. 58), Abb. XI. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages Hirmer.

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gemeinschaft in keiner Weise verhindert werden, dass Hunde sich von unabsichtlich (!) herunterfallenden Speisen ernähren. Diese Ungeschicklichkeit wird bei allen Mahlteilnehmern vorkommen, die bei ihrer Sättigung keine Sorgfalt an den Tag legen. Mk 7,28 zufolge kommt diese Fahrlässigkeit besonders bei (kleinen) Kindern vor, die bei der Nahrungsaufnahme (noch) überfordert sind. Wird in der hellenistischrömischen Esskultur mit den Fingern von den auf Tabletts oder in Schüsseln bereitstehenden bzw. gereichten Speisen genommen,70 so gibt es genügend Speiseteile, die auf dem Weg zum Mund aus lauter Unachtsamkeit zu Boden fallen. Diese Kleinteile, darunter auch Brotkrümel, werden von den Haushunden genauso gierig vom Boden aufgefressen wie die ihnen absichtlich hingeworfenen Speiseabfälle. Summa: Ein genauer Beobachter der antiken Mahlpraxis wird einen widersprüchlichen Umgang des Hauswesens mit kostbaren Lebensmitteln feststellen müssen. Bei der täglichen Mahlzeit wird fahrlässig der Grundsatz antiker Ökonomiktheorie missachtet: Nämlich, dass Haustiere nur mit ungenießbarem Abfall, nicht aber mit den für die menschliche Ernährung vorgesehenen Speisen – auch wenn es sich nur um winzige Brocken Brot handelt! – versorgt werden dürfen. Und da die Hunde nicht vom Gemeinschaftsmahl etwa durch Anleinung ausgesperrt werden, gerät der Widerspruch zur allseits akzeptierten Normalität.71

3. Die erwählungstheologische Metaphorik unabsichtlicher Haustierversorgung Von der täglich bei Tisch stattfindenden Versorgung von Hunden wurde in antiker Literatur im übertragenen Sinn negativ72 und positiv Gebrauch gemacht. Interessanterweise ist bei Philostratos (Vit.Apol. 1,19, ca. 3. Jh. n.Chr.) ein formal Mk 7,27f ähnelndes Gespräch zwischen Damis von Ninive, einem großen Verehrer von Apollonios von Tyana, 70 71 72

Vgl. Ovid, Ars amatoria III, 755ff. Als Essbesteck dienten lediglich Messer und Messerchen und verschiedene Arten von Löffeln, vgl. FELLMETH, Brot (s. Anm. 46), 17f mit Abb. 1. Vgl. JÜLICHER, Gleichnisreden (s. Anm. 6), II 256. Als Zeichen tiefster Erniedrigung der Feinde erzählt davon Ri 1,7, wenn der von den Israeliten besiegte König Adoni-Zedek sich rühmt, siebzig an Händen und Füßen verstümmelte Könige hätten das unter seinen Tisch Gefallene für sich zum Essen (mit dem Mund) aufsammeln müssen. Und für den jüd. Morallehrer Ps-Phokylides ist das Bild einer sich von Tischabfällen anderer, d.i. vermögender Leute ernährende Person ein abzulehnender, weil schmarotzender Lebensentwurf, da er sich nicht durch den von eigener Arbeit erworbenen Lohn seine Autarkie bewahrt (156f).

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und einem namentlich unbekannten Schwätzer überliefert. Letzterer kritisiert Damis’ Schriftstellerei, nämlich Tagebücher mit dem bezeichnenden Titel „Brosamen“ anzulegen, in denen schlichtweg alles aufgezeichnet wird, was der große Meister Apollonios von sich gibt, und zwar auch das von ihm nur beiläufig Gesagte: „Es sei ja ganz recht, alle Lehren und Meinungen dieses Mannes aufzuschreiben, aber daß er auch solche Kleinigkeiten zusammenlese, stelle ihn den Hunden gleich, die die Abfälle vom Tisch vertilgen.“

Der mit dem abwertenden Vergleich vom ‚Brot der Hunde’ als subalterne Existenz gescholtene Damis weiß sich zu wehren und kontert: „Ja, wenn es sich um Mahlzeiten der Götter handelt und es Götter sind, die da schmausen, gibt es zweifellos auch Diener, denen viel daran liegt, dass nichts, was an Ambrosia übrigbleibt, verloren geht.“

Möchte der Autor dieses literarischen Dialogs, Flavius Philostratos, mit der von ihm verwendeten Metapher über die Nahrung der Hunde erreichen, dass literarische Fragmente die ehemals mündlich vorgetragene göttliche Weisheit des Apollonius vollgültig repräsentieren, so ist die haushaltsökonomische Metaphorik Mk 7,27f von Israels Erwählungstheologie geprägt. Dafür sprechen drei Hinweise: 1. Beobachtung: Hinsichtlich von Theorie und Praxis der Haushaltsversorgung ist auffällig, dass Mk 7,27f nur Vertreter zweier Gruppierungen genannt werden: Freie und Haustiere. Angehörige des Sklavenstandes fehlen. Diese Reduktion lässt sich zunächst aus dem Erzählzusammenhang erklären: Aus den fehlenden Angaben darf doch angenommen werden, dass die beiden phönizischen Frauen dem Stand der Freien angehören. Und da der Wundertäter um Hilfe an einem kranken Mädchen angegangen wird, werden im Bildwort anstelle von Erwachsenen Kinder, also junge Menschen im Alter von vier bis zwölf Jahren,73 erwähnt. Über das narrative Arrangement hinaus aber spielt die Kindeserwähnung an die im Frühjudentum weit verbreitete metaphorische Bezeichnung der Israeliten als Söhne und Töchter JHWHs an.74 Von R. Aqiba (T 1) ist dabei ein erwählungstheologisch begründetes jüdisches Selbstverständnis überliefert (Av 3,14, vgl. Jdt 9,4): „Geliebt sind die Israeliten, denn sie sind Kinder Gottes genannt.“ 2. Beobachtung: Ist Brot das Hauptnahrungsmittel der antiken Bevölkerung, so kann es aufgrund seiner ernährungsphysiologischen Qualität für den Lebensunterhalt im Allgemeinen stehen.75 Im Falle des provo73 74 75

Nach 2Makk 7,27 werden Kinder drei Jahre lang gestillt und nach Gen 17,25 tritt mit dem 13. Jahr die körperliche Reife ein. Vgl. Hos 2,1; Weish 9,7; 18,13. Vgl. Q 11,3; Mk 6,8 par.; 2Kor 9,10; 2Thess 3,12.

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kanten Apophthegmas bezieht sich „Brot“ auf die Gesundung des Mädchens und meint obendrein ihre uneingeschränkte Teilnahme am Leben. Damit greift die Brotmetapher die in jüdisch-christlicher Tradition symbolisierte Teilnahme am futurisch-eschatologischen (Lk 14,15): „Selig, wer am Brot in der Gottesherrschaft teilhaben wird!“ wie präsentisch-eschatologischen Heil (Joh 6,35, vgl. 48.51): „Ich bin das Brot des Lebens …!“ auf. 3. Beobachtung: Ist „Herr!“ gegenüber einer männlichen Autorität als wertschätzende Anrede bekannt,76 so liegt in urchristlicher Sprache mit ku,rioj ein christologischer Titel über Jesus als den durch Gottes Schöpfermacht zu neuem Leben Erweckten vor.77 Das Gemeindebekenntnis zu Jesus als dem einzigen „Herrn aller“78 besitzt dabei die Pointe, dass seine Homologie ohne erwählungstheologischen Unterschied Juden wie Nichtjuden rettet. So heißt es Röm 10,12: „Da gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen; ein und derselbe ist ja der Herr von allen, reich für alle, die ihn anrufen.“

Diese drei Beobachtungen zur metaphorischen Sprachtradition zusammen lassen ausschließen, dass es sich bei Mk 7,27f um eine Allegorie79 oder um eine Halballegorie80 handelt.81 Gemessen am Kriterium der Wirklichkeitsnähe zählt die Bildlichkeit zu der von Adolf Jülicher in die moderne Gleichnisauslegung eingeführte Kategorie eines Gleichnisses im eigentlichen Sinn82: Sind doch dem antiken Rezipienten die Rationalität hauswirtschaftlicher Versorgung und die dazu in Widerspruch stehende Mahlpraxis bekannt. Angesichts der Zuspitzung der Versorgungsmaxime auf Kinder als Teil der freien Hausgenossenschaft, des Verweischarakters von Brot auf erfülltes Leben und der christlichen Bekenntnisrede von Jesus als dem göttlichen Herrn aller Menschen

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Vgl. Mt 25,11; Joh 12,21; 20,15. Vgl. Mk 11,3 par.; als Anrede Q 7,6; Mt 8,2; Lk 5,8.12 u.ö. Vgl. auch die religiöse Bedeutung der Proskynese Mk 7,25fin., die Ausdruck totaler Unterwerfung unter einen Herrn ist, dazu H. GREEVEN, Art. proskune,w ktl., ThWNT VI (1959), 759-767, bes. 764ff. Vgl. Röm 10,9; 1Kor 12,3. So KLAUCK, Allegorie (s. Anm. 22), 276f; PESCH, MkEv (s. Anm. 15), 388, u.a.m. So JÜLICHER, Gleichnisreden (s. Anm. 6), II 256. Bereits die verschiedenen griech. Begriffe für „Kind“ und die Bezeichnung „Haushund“, die im Gegensatz zum „(Paria-)Hund“ nicht als konventionalisierte Metapher bekannt war, stehen gegen eine allegorische Verschlüsselung. Das Beispiel bei Philostrat erläutert zudem, dass antike Rhetorik die Metaphorik in unterschiedlichen Kontexten einsetzt. Zudem ist an dem Paralleltext Mt 15,21-28 zu studieren, wie erst durch den Zusatz V.24 eine hintergründige Allegorie entstanden ist, dazu U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus II (EKK I/2), Neukirchen-Vluyn u.a. 31999, 436f. Vgl. JÜLICHER, Gleichnisreden (s. Anm. 6), I 69-92.

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handelt es sich in Anlehnung an Wolfgang Harnisch gesprochen um eine „kühne“ Metaphorik83. Ihr argumentatives Ziel ist es gerade nicht, den für die Ordnung des antiken Hauswesens konstitutiven Unterschied zwischen Freigeborenen (und Sklaven) und Haustieren einzuebnen.84 Vielmehr unterscheidet die Haushaltsmetaphorik zwischen einem mit Absicht gewünschten und einem unabsichtlich zustande kommenden Handlungsresultat. Während in der Jesusrede die haushaltsökonomische Maxime präsentiert wird, Lebensmittel nur freien Hausgliedern zur Verfügung zu stellen und Haustiere nur mit Essensabfällen zu versorgen, macht die Gegenrede der Frau darauf aufmerksam, dass dieser Grundsatz in der Praxis durch ein unabsichtliches Tun durchbrochen wird: Bei Tisch können sich Haushunde auch an ihnen verbotenen Nahrungsmitteln sattfressen.

4. Die Theologie von Gottesverehrern außerhalb Israels Gehört es zu Israels essentiellen Glaubensüberzeugungen, dass Gottes Verheißung von Volksmehrung und Herrschaft ausschließlich den Nachkommen Abrahams gilt (vgl. Gen 17), so ist überraschenderweise in Israels ureigenen Heiligen Schriften davon zu lesen, dass es anerkannte JHWH-Verehrer außerhalb des einen Erwählungsvolkes gibt.85 Neben dem sog. Tempelweihgebet Salomos (vgl. 1Kön 8,41-43) ist dabei auf zwei mit Mk 7,25-30* gattungsmäßig verwandte Wundererzählungen zu verweisen: 1. In 2Kön 5,1-19 wird erzählt, dass Naaman, ein Heerführer des Königs von Aram, durch den israelitischen Wundertäter Elischa von seinem Aussatz geheilt wurde. Nach dem heilenden Bad im Jordan bekennt er (V.15c): „Wahrhaftig, nun weiß ich, dass es auf der ganzen 83 84 85

Vgl. W. HARNISCH, Die Gleichniserzählungen Jesu. Eine hermeneutische Einführung, Göttingen 42001, 125ff. Etwa in dem Sinne, dass die ‚hausständische Differenz’ von Kindern und Haushunden in ein geordnetes Miteinander verwandelt werde, so FELDMEIER, Syrophönizierin (s. Anm. 15), 213. Vgl. dazu V. HAARMANN, JHWH-Verehrer der Völker. Die Hinwendung von Nichtisraeliten zum Gott Israels in alttestamentlichen Überlieferungen (AThANT 91), Zürich 2008. – Im Lichte dieser Arbeit ist die Behauptung, die nichtisraelitischen Seeleute im Jon (1,14) seien durch ihre Umkehr zu „Proselyten“ geworden (U. MELL, Theologie östlich von Osten. Zum geschichtlichen Ort des Jona-Buches, in: K.-M. BULL / E. REINMUTH (Hg.), Erinnerung und Bekenntnis, FS H.-F. Weiß (Rostocker Theologische Studien 16), Münster 2004, 67-91: 77 [wieder abgedruckt in: DERS., Biblische Anschläge. Ausgewählte Aufsätze (ABG 30), Leipzig 2009, 11-40]) zu korrigieren.

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Welt keinen Gott gibt außer in Israel!“ und geht mit diesem Glauben geheilt ins JHWH-fremde Syrien zurück, nicht ohne jedoch vorher kiloweise Erde aus Samaria für seinen privaten JHWH-Kult in Damaskus zu akquirieren (vgl. V.17-19). 2. Und im Jonabuch ist 1,14-16 zu lesen, dass die wundervolle Rettung vor maritimem Tod aus nichtisraelitischen Seemännern JHWHVerehrer macht, die in der Furcht des Schöpfers JHWH86 dem Gott Israels Gelübde und – wie auch immer dies auf einem hölzernen Boot auf hoher See bewerkstelligt werden kann – diverse Schlachtopfer darbringen. Mit diesen alttestamentlichen Texten, dass es gewürdigte JHWHVerehrer außerhalb Israels gibt, die weder in das Gottesvolk integriert87 noch zu Proselyten werden müssen88, liegt für Israelchristen genügend Schriftgrund bereit, um die Außergewöhnlichkeit nichtjüdischer Heilspartizipation als thoragemäß und damit göttlich gewollt zu legitimieren. In Anknüpfung an diese jüdische Option lässt die ‚theologische Wundergeschichte’ Mk 7,25-30* einer Nichtjüdin Heil widerfahren, ohne auf ihren religiösen Statuswandel einzugehen: Weder muss sie einen Nachweis ihres rechten Glaubens vorlegen89 noch kultische Verehrung an den Gott Israels90 üben. Es reicht für den Erzähler aus, dass ihre dämonisch verzerrte Lebensexistenz ein unüberhörbarer Appell um Hilfe ist, damit ihr die Gesundheit wirkende Schöpferkraft des Gottes Israels vermittelt werde. Und, gemessen an Israels Identität als erwähltes Volk der Verheißung, bleibt sie auch nach ihrer Gesundung, was sie als Kranke schon war: eine Völkerfremde. Der Kontakt zum hilfsbereiten Judentum in Gestalt des jüdischen Wundertäters Jesus ist in der Erzählung auf ein Minimum reduziert: Nicht die Betroffene, das kranke Mädchen, sondern ihre Mutter kommuniziert in der Öffentlichkeit mit dem jüdischen Wundermann. Auch muss der Wundermacher aufgrund seiner überragenden Heilungskraft, die selbst über große Distanzen wirken kann, nicht in eigener Person das irgendwo in Phönizien liegende Haus aufsuchen, um mit seinem Exorzismus Erfolg zu haben. Auf diese erzählerische Weise wird im Ansatz jede Möglichkeit einer thorawidrigen Verunreinigung, die bei

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Vgl. zu Jon 1,14 Ps 115,3; 135,6. So Rut. Vgl. Mt 23,15. Vgl. anders JosAs. Vgl. anders Jon 1,16.

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der Begegnung von Juden und Nichtjuden entstehen könnte, unterbunden. Das thoraobservante Israelchristentum, dessen Handschrift bei der vormarkinischen Tradition unschwer zu erkennen ist, will aber mehr. Es gibt der Reihe von Exempeln fremder Gottesverehrer nämlich eine schlüssige Theorie. Genauer gesagt gibt es der Außergewöhnlichkeit israelabseitigen Heils mit dem dialogisierten Bildwort Mk 7,27f* eine handfeste theologische Begründung: Ausgangspunkt ist die allgemeine Erfahrung, dass menschliches Handeln absichtliche und unabsichtliche Resultate erzielen kann. Ethische Theoriebildung fasst die Empirie in den Grundsatz der Einheit menschlichen Handelns, das sich aus rational gewolltem und fahrlässig zustande kommenden Handeln zusammensetzt. Theologisch übertragen auf Gottes Handeln entsteht ein fürsorgliches Gottesbild: Als allmächtiger Hausvater seiner Schöpfung lässt Gott in seiner weisen Ökonomik des Menschenhauses auch nachrangig gesetzten Hausgliedern durch ein unbeabsichtigtes Handeln Segensglück zukommen. Dieses unabsichtliche Heilshandeln geschieht ebenso wie sein absichtliches (vgl. Dtn 7,7f) aus lauter unverdienter Liebe. Schließlich ergibt sich verheißungstheologisch ein Paradox, insofern abseits der Hauptlinie der Erwählung des Gottesvolkes Israel eine Nebenlinie entsteht, die sich als ein absichtlich-unabsichtliches göttliches Erwählungshandeln an Israelfremden bezeichnen lässt.

5. Vergleich mit israelchristlichen Missionskonzepten Basis einer theologiegeschichtlichen Verortung des israelfixierten Heilskonzeptes von Mk 7,25-30* im Urchristentum ist die Gegebenheit, dass es in urchristlicher Theologie verschiedene Missionskonzepte gab, die (noch) nicht von einem universalen Evangelium für alle Völker einschließlich Israel sprachen. Insbesondere ist auf zwei israelbezogene Entwürfe aufmerksam zu machen: 1. Im Jahre ca. 48/9 n.Chr. wurde in Jerusalem auf dem sog. „Apostelkonvent“ zwischen Vertretern der christlichen Gemeinde von Antiochia und der Jerusalemer Muttergemeinde im Angesicht des christusgläubigen, nichtjüdisch geborenen Titus aus dem syrischen Antiochia91 eine bilaterale Vereinbarung geschlossen. Sie hielt u.a. fest, dass in christlicher Verkündigung ein sog. „Evangelium der Unbeschnittenheit“ exi91

Vgl. Gal 2,1.

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stiert, das nichtjüdisch geborenen Menschen Heil ermöglicht und dabei von Moses rituellen Thoranormen befreit: Darum muss sich der gläubige Titus keiner Beschneidung unterziehen (vgl. Gal 2,3). Dieses Evangelium für Nichtjuden steht gleichberechtigt neben dem sog. „Evangelium für die Beschnittenheit“ (V.7). Die Existenz des „neuen“ Evangeliums wurde dabei in Jerusalem mit dem Hinweis gerechtfertigt, dass in ihm dieselbe Gnadentheologie präsent wird, die auch die petrinische (Erst-)Verkündigung an Israel auszeichnet (vgl. V.8). Jedoch legt das für nichtjüdisch Geborene Evangelium jedem Völkerchristen bzw. jeder völkerchristlichen (Einzel-)Gemeinde einen finanziellen Beitrag zur Linderung der Not Jerusalemer Christen auf (vgl. V.10). Theologischer Sinn der Verbindung von ‚geschenkter Gnade’ und zu ‚leistender Ökonomie’ ist es, jedem durch die Verkündigung des „Evangeliums der Unbeschnittenheit“ geretteten Nichtjuden das Israelzentrierte seines Heilsstandes zu verdeutlichen und zugleich die Einheit der jungen Christenheit zu wahren, in der Evangeliumsverkündigung bemerkenswerterweise auf zweierlei Wegen geschieht. Ein Vergleich von Mk 7,25-30* mit dem auf dem Jerusalemer Treffen vereinbarten Kompromiss zeigt wenig Übereinstimmung. Das einzig Gemeinsame dürfte darin bestehen, dass das Heil für Israel wie die Völker konzeptionell als Einheit gedacht wird: Evangeliumsbegriff hier, Handlungstheorie dort. 2. Deutlich mehr theologische wie auch erzählerische Nähe besteht zu einer für die Schrift „Q“ rekonstruierbaren ‚theologischen Wundergeschichte’, die die ‚Glaubensüberzeugung’ eines römischen Zenturios über die Wundermacht Jesu in den Mittelpunkt stellt (Lk 7,1-10 par.):92 Wie der imperiale Erfolg des Römischen Reiches auf dem militärischen Prinzip von Befehl und unbedingtem Gehorsam beruht, so ist es nach dem Zenturio auch mit der unbedingten Stärke des Wundertäters Jesus über alle schöpfungsfeindlichen Mächte bestellt (vgl. V.8). Das anerkennende Jesus-Wort: „Nicht einmal in Israel habe ich einen solch großen Glauben gefunden!“ (Q 7,10b) stellt dabei heraus, dass auch einige wenige Nichtisraeliten zum Gott Israels gehorsames Vertrauen aufbauen können.93 Und bestätigt die Realität dieses seltenen Glaubens durch die wunderbare Gesundung des sterbenskranken (römischen) Burschen (V.10).94 92 93 94

Dazu U. WEGNER, Der Hauptmann von Kafarnaum (Mt 7,28a; 8,5-10.13 par Lk 7,110). Ein Beitrag zur Q-Forschung (WUNT II 14), Tübingen 1985, mit einer QTextrekonstruktion 270f. Vgl. Röm 2,14f. Aufgrund der wunderhaften Bestätigung der Aussage über den nichtjüdischen Glauben des röm. Zenturio kennt „Q“ die vereinzelte Heilsbeteiligung von Nichtju-

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Analog zu dieser ‚theologischen Wundergeschichte’ und gleichzeitig sie fortführend legt Mk 7,25-30* mit dem dialogisierten Bildwort V.27f den Schwerpunkt auf die Zueignung des Heils an Nichtjuden. Ausgehend von der für Israel in Geltung stehenden Verheißung entwickelt die vormarkinische Tradition eine inklusive Heilsvorstellung, zu der einige wenige Angehörige der Völker gehören. Damit bedenkt sie den Fall, dass im außerpalästinischen Kontext, nämlich in der Diasporasynagoge, durch christliche Verkündigung Israels Heil unabsichtlich auch den aus jüdischer Sicht zu den Völkern gehörenden Menschen vermittelt wird: Im öffentlichen Gottesdienst der Synagoge treffen sich nämlich Sabbat für Sabbat Juden und Nichtjuden zum gemeinsamen Gebet an den wahren und lebendigen, den einen Gott. Um das synagogal im Glauben an JHWH sich konstituierende Israel hat sich dabei eine Glaubensschar von „Gottesfürchtigen“ eingefunden, die Israels Monotheismus wie seine Ethik der Nächstenliebe von ganzem Herzen bejaht, sich aber nicht dazu bereitfinden kann, die mosaischen Gesetze in ritueller Hinsicht umfassend zu befolgen und zur mosaischen Religionsgemeinde zu konvertieren. Nach jüdischer Thora zählt diese Gruppe von Gottesgläubigen trotz ihrer positiv-religiösen Einstellung zu Israel zur Masse der rettungsbedürftigen Völker.95 Von den Diasporagemeinden im syrischen Damaskus96 wie Antiochia97 ist nun bekannt, dass die zu ihnen geflohenen Israelchristen aus dem Kreis um den ehemaligen Diasporajuden Stephanus98 von ihrem christlichen Auferstehungsglauben erzählen und mit dem endzeitlichen Sammlungskonzept von ganz Israel sowohl jüdisch-heterodoxen Samaritanern99 als auch rituell deviantem Judentum100 das Israel verheißene Heil (vgl. 1Thess 1,9f) anbieten. Ihre Evangeliumsverkündigung trifft im öffentlichen Raum der Diasporasynagoge auch auf nichtjüdisch geborene Gottesfürchtige, von denen einzelne zu dem das Rettungsheil

den durch urchristliche Mission, mit D. LÜHRMANN, Die Redaktion der Logienquelle (WMANT 33), Neukirchen-Vluyn 1969, 87, gegen WEGNER, Hauptmann (s. Anm. 92), 334. 95 Zu den „Gottesfürchtigen“ vgl. jetzt B. WANDER, Gottesfürchtige und Proselyten, in: K. ERLEMANN u.a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur 3, Neukirchen-Vluyn 2005, 50-52 (Lit.). 96 Vgl. Gal 1,23; 2Kor 11,32f. 97 Vgl. Gal 2,3 und Apg 11,20. 98 Apg 11,19, dazu HENGEL, Hellenisten (s. Anm. 2). 99 Vgl. Apg 8,5-7.14-17; Joh 4,5ff. 100 Vgl. Apg 8,26-40, dazu A. LINDEMANN, Der „äthiopische Eunuch“ und die Anfänge der Mission unter den Völkern nach Apg 8-11, in: C. BREYTENBACH / J. SCHRÖTER (Hg.), Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung, FS E. Plümacher (AGJU 57), Leiden/Boston 2004, 109-133.

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verheißenden christlichen Auferstehungsevangelium finden (vgl. Apg 11,20f). Literatursoziologisch betrachtet, entstammt die ‚theologische Wundergeschichte’ Mk 7,25-30* einem sich in Hausgemeinden organisierenden Israelchristentum. Sie reflektiert die in Synagogen der röm. Provinz Syrien vereinzelt vorkommende Erfahrung, dass nichtjüdisch geborene „Gottesfürchtige“ zum Glauben an das Auferstehungsevangelium finden. Der diese Sonderfälle nachträglich legitimierende vormarkinische Wundertext datiert theologiegeschichtlich in das vierte Jahrzehnt des 1. Jh. n.Chr., als unter Israelchristen die Heilsweitergabe an Angehörige der Völker umstritten war (vgl. Mk 7,27b mit Gal 2,4.). Noch fehlt eine breite Erfahrung mit völkerchristlicher Mission101 und noch ist kein Paulus da, der als rhetorisch begabter Theologe die in der syrischen Diaspora stattfindende thorafreie Völkermission palästinischen Israelchristen als geistgewirkt vorstellen kann (vgl. Gal 2,2). Die ‚theologische Wundergeschichte’ gehört damit wie Q 7,1-10 zu den ersten tastenden Versuchen, die Praxis der vereinzelten Heilsbeteiligung von Nichtjuden an Israels Schalom zu rechtfertigen, ohne dabei den Grundsatz zu beschädigen, dass das göttliche Heil in erster Linie Israel meint. Im Gegensatz zur Jerusalemer Vereinbarung (vgl. Gal 2,3.10)102 eignet sich die in Mk 7,27f* zutage tretende inklusive Heilsvorstellung aufgrund ihrer Beschränkung auf den Einzelfall jedoch nicht zur Begründung einer aktiven Völkermission.103

6. Zur urchristlichen Wirkungsgeschichte von Mk 7,27f Auffälligerweise ist im Neuen Testament eine Israel und die Völker umfassende Darlegung des Evangeliums unter Verwendung von prw/toj (= „vorrangig“) sowohl Apg 13,46 (vgl. 3,26) als auch Röm 1,16 (vgl. 2,9f) bezeugt. Mit Bezug auf Ferdinand Hahn104 hat Ludger Schenke darum davon gesprochen, dass Mk 7,27 das „hellenistisch-juden-

101 Vgl. Apg 13f. 102 Vgl. Gal 2,9fin., gemeint sind nicht die Aufteilung der Missionsgebiete, sondern die Verständigung über die unterschiedlichen Zielgruppen der beiden Evangelien. 103 In Hinsicht der Interpretation der vormarkinischen Wundergeschichte Mk 7,25-30* ist der oben zitierten Auffassung des Jubilars also nicht zuzustimmen. 104 F. HAHN, Das Verständnis der Mission im Neuen Testament (WMANT 13), Neukirchen-Vluyn 1965, 63f.

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christliche Missionsprogramm“ repräsentiere.105 Die Frage stellt sich, ob Paulus und die Verfasser/-innen des Markusevangeliums wie des lukanischen Doppelwerkes auf dem missionstheologischen Grundsatz der ‚theologischen Wundergeschichte’ Mk 7,25-30* fußen. Ein Textvergleich erbringt dabei Folgendes: 1. Apg 13,46 ist erzählerischer Bestandteil des Berichtes über die von Barnabas und Paulus vom syrischen Antiochien aus geführte Missionsreise nach Zypern und Pisidien (= Apg 13f). Im pisidischen Antiochia kommt es zur Ablehnung des christlichen Rettungsevangeliums durch die ansässigen Juden, worauf Paulus und Barnabas folgende öffentliche Erklärung abgeben: „Euch (sc. den Juden) musste zuerst (prw/toj) das Wort Gottes verkündigt werden. Weil ihr es aber abweist und euch selbst des ewigen Lebens nicht wert erachtet, siehe, wenden wir uns an die Völker.“

Mit Mk 7,27f hat dieser geschichtliche Grundsatz christlicher Mission kaum eine Gemeinsamkeit. Er spiegelt die (relativ späte) Auffassung des lukanischen Doppelwerkes um 80/90 n.Chr. wider: Es lässt am Schluss seines Opus magnum in Apg 28,28 die völkerchristliche Geschichtstheorie vernehmen,106 dass nach einer gewissen Zeit vorrangig geübter Israelmission aufgrund von offenkundiger Ablehnung das christliche Rettungsevangelium sich (primär) den Völkern zuwendet.107 Diese Abkehr von einer auf Israel fixierten christlichen Mission dokumentiert die Apostelgeschichte mit vielen Beispielen108 und erklärt sie durch erzählerische Aufzählung zum Teil der vergangenen (!) urchristlichen Geschichte. Demgegenüber vertritt Mk 7,27f* die Überzeugung, dass vereinzelte Mitglieder der Völker gleichzeitig mit Israel, jedoch immer nachrangig, am Heil partizipieren können. Ein zeitliches Nacheinander von Israel- und Völkermission – wie von der Apostelgeschichte behauptet – liegt außerhalb des Gesichtskreises.

105 SCHENKE, Wundererzählungen (s. Anm. 15), 259. Während L. Schenke mit F. Hahn annimmt, dass Mk 7,27 ein späterer Einschub sei, ist der Vers nach der oben angestellten Analyse konstitutiver Bestandteil der vormarkinischen Tradition. 106 Dazu R. VON BENDEMANN, „Trefflich hat der heilige Geist durch Jesaja, den Propheten, gesprochen ...“ (Apg 28,25) – Zur Bedeutung von Jesaja 6,9f für die Geschichtskonzeption des lukanischen Doppelwerkes, in: N.C. BAUMGART / G. RINGSHAUSEN (Hg.), Das Echo des Propheten Jesaja. Beiträge zu seiner vielfältigen Rezeption (LThB), Münster 2004, 45-73. 107 Vgl. analog die israelchristliche Missionstheologie des Mt, nämlich erzählerisch in der Jesus-Biographie Mt 10,5f.23 (auch 15,24) mit 28,18-20 zu verbinden. 108 Zur lk Beweisführung gehört auch das Arrangement, dass sich die christliche Verkündigung zuerst den Juden, bei Ablehnung aber den Nichtjuden zuwandte, vgl. Apg 13,14ff, bes. 46; 16,11ff, bes. 31f; 18,1ff, bes. 7f.

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2. Mehr Gemeinsamkeiten stellen sich im Vergleich mit Röm 1,16 ein, ein Text, der programmatisch das Corpus des Römerbriefes109 eröffnet: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht. Denn es ist eine Gotteskraft zum Heil für jeden glaubenden (Menschen), vorrangig (prw/ton)110 für den Juden, dann aber auch für den Griechen.“

Gemeinsam mit Mk 7,27f* wird in diesem um ca. 56 n.Chr. entstandenen paulinischen Text die Gleichzeitigkeit des durch das Evangelium ausgelösten Heilsgeschehens an Israel und den Völkern behauptet, um zugleich – in dialektischer Ergänzung – den bleibenden heilsgeschichtlichen Vorrang von Israel zum Ausdruck zu bringen. Mit dem Text von Mk 7,25-30* ist zudem die Bezeichnung der nichtjüdischen Völker als „Griechen“111 und der Aspekt der göttlichen (Wunder-) Kraft112 gemein. Während aber die vormarkinische Tradition nur von Einzelfällen ausgeht, kommt Paulus in prinzipieller Weise auf die christliche Mission zu sprechen. Ist Röm 1,16 von paulinischem Sprachgebrauch geprägt,113 so zeigt doch der wiederholte Gebrauch der Formulierung VIoudai/oj te prw/ton kai. [Ellhnoj in 2,9ff, dass Paulus geprägte Formelsprache verwendet. Ist für sie jüdische Herkunft aufgrund der Völkerperspektive ausgeschlossen,114 so dürfte es sich um urchristlich entwickelte Terminologie handeln: Da im Kontext der Diasporasynagoge durch andauernde christliche Verkündigungsmission aus Einzelfällen Gruppen von heilsbegabten Gottesfürchtigen entstehen, ja, sich im weiteren Verlauf der von Antiochia ausgehenden Mission auch Gemeinden nur aus Völkerchristen etablieren (vgl. Apg 11,19f), wurde eine grundsätzliche Sprachregelung in einem von Israelchristen dominierten Urchristentum notwendig: Dass das in christlicher Mission vermittelte Evangeliumsheil für Israel wie für alle (gottesfürchtige) Völker offen stehe, dass es aber immer den heilsgeschichtlichen Vorrang Israels respektiert. Paulus, der ehemals in das Missionswerk der antiochenischen Gemeinde eintrat115 und über die Zeit zum sprachgewaltigen Vertreter der in dieser Gemeinde geübten Völkerbeteiligung ohne Thoraunterstel109 110 111 112

Röm 1,16-15,13. Zum Sprachgebrauch vgl. 2Kor 8,5. Vgl. Mk 7,26a. Vgl. Mk 7,29f. Zum Verständnis von du,namij Qeou/ auch als göttliche Wunderkraft vgl. Apg 8,10. 113 To. euvagge,lion s. 1Kor 4,15; 9,23; 15,1; Gal 2,6.14; Phil 1,7; 2,22; 1Thess 2,4; du,namij Qeou/ s. 1Kor 1,18.24; 2,5; 2Kor 6,7; 13,4; eivj swthri,an s. Röm 10,1; 10,10; 2Kor 7,10; Phil 1,19; panti. tw/| pisteu,onti s. Röm 10,4. 114 Die Wendung VIoudai/oj te kai. {Ellhn findet sich nur urchristlich, vgl. Apg 14,1; 18,4; 19,10.17; 20,21; Röm 3,9; 10,12; 1Kor 1,24. 115 Vgl. Apg 11,25.

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lung heranreifte,116 könnte sehr gut mit der in der syrischen Kirche entwickelten Einzelfalllegitimation von Mk 7,25-30* in Berührung gekommen sein. Im Römerbrief könnte Paulus eine Anleihe bei ihrer Missionstheologie machen117 und räumt mit der antiochenischen Formel „für den Juden zuerst als auch für den Griechen“ (Röm 1,16; 2,9) um „der Kontinuität des Heilsplanes willen dem Judentum eine Prävalenz“118 ein, ohne dabei den christlichen Grundsatz der soteriologischen Gleichberechtigung von Israel und den Völkern zu vernachlässigen. Im Fortgang seiner im Römerbrief im Diatribe-Stil präsentierten Theologie vertritt er dabei die Überzeugung, dass der im Evangelium offenbar werdende Glaube an Christus Juden und Griechen vor der zürnenden Gerechtigkeit Gottes rettet. Markiert Gottes Zorn u.a. jegliches Vorrechtsdenken Israels als Sünde (3,9, vgl. 3,22f; 10,12), so bleibt doch andererseits Gottes Verheißung für Israels Heil in Kraft (vgl. 3,1; 9,4-6). Der Widerspruch, so Paulus prophetisch in 11,25-36, wird sich erst in einem zukünftigen endgeschichtlichen Finale auflösen: Dann wird die derzeit von Völkerangehörigen im Glauben gefundene Gerechtigkeit, die Israel gehört, von einer Konversion ganz Israels zu eben diesem Glauben und seiner Gerechtigkeit bestätigt.

7. Der missionstheologische Erzählkontext im Markusevangelium Die eigenständig und ehemals ohne Zeit- und Ortsbestimmung überlieferte ‚theologische Wundergeschichte’ Mk 7,25-30* wurde bei ihrer Aufnahme in das um 70 n.Chr. geschriebene Markusevangelium in die vom Erzähler thematisch arrangierte Episode Mk 6,30-8,21 eingegliedert. Mit dem zumeist wunderhaften Kontext (vgl. Mk 6,30ff; 7,31-8,10) ist die ‚theologische Wundererzählung’ durch die Stichworte „Brot“ (vgl. 7,2.5; 8,5f.14.16f.19) und „Essen“ (vgl. 6,31.36f.42.44; 7,2-5; 8,1f.8) verbunden. Im neuen narrativen Zusammenhang erscheint die Hauptperson als der in Palästina gebürtige Wundertäter „Jesus“ (s. Mk 6,30) und der Ort, von dem der Wundertäter zur Reise aufbricht, wird von V. 53 her als nordpalästinische „Landschaft Gennesaret“ verständlich.

116 Vgl. Gal 2,2. 117 Vgl. HAHN, Mission (s. Anm. 104), 64: „Die bei Paulus so geläufige Wendung prw/ton VIoudai/oj … ist von ihm nicht erst geschaffen, sondern bereits übernommen worden“. 118 E. KÄSEMANN, An die Römer (HNT 8a), Tübingen 41980, 21.

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Der „konservative Redaktor“119 belässt aber die inhaltliche Komposition der ‚theologischen Wundergeschichte’ unkommentiert, um aber „die Gegend von Tyrus“ als allseits bekannte nichtjüdische Region zu einer Station auf dem Reiseweg Jesu zu machen (Mk 7,24a). Und da das Bekenntnis zu Jesus als (göttlichem) „Herrn“ erst aufgrund der glaubenden Zustimmung zu seiner Auferstehung von den Toten entstehen kann,120 gibt er der Geschichte, die er vor der Auferstehungserzählung 16,1-8 in der zur Vergangenheit zählenden Lebenszeit Jesu (s. 15,39) spielen lässt, das sog. Messiasgeheimnismotiv (7,24b) bei: Erst im göttlichen Licht der Auferstehung kann und soll das christliche Kyriosbekenntnis zu Jesus den lesenden und hörenden Rezipienten des Markusevangeliums retten. In der markinischen Erzählung über die öffentliche Wirksamkeit Jesu behandelt der fiktive Abschnitt der „Nordreise“ den Übergang des Evangeliums von Israel zu den Völkern, und zwar als eine Verstehensaufgabe für die nachfolgenden Jüngerschaft:121 Sie soll mit dem Überschuss göttlicher Gnade umgehen lernen (vgl. Mk 6,52) und bei der entstehenden Kirche aus Israel- und Völkerchristen auf ihre Einheit achtgeben (vgl. 8,14-21). Das Erinnerungszeichen (Mk 8,19) der zwölf Körbe (6,42f), die nach erfolgter wunderhafter Speisung der 5.000 (6,30-44) eingesammelt werden, bedeutet das Heil für ganz Israel, das sich nach traditioneller Überzeugung aus zwölf Stämmen zusammensetzt (vgl. Q 22,30; Apg 26,7). Diese göttliche Seligkeit, und das erläutert die sich anschließende Seewandelgeschichte (Mk 6,45-51), besitzt zudem einen großartigen Überfluss (V.52). Sie zielt auf das Heil für alle Völker, wie es die zweite Speisungswundergeschichte für die 4.000 (8,1-9) mit den sieben Körben (V.8)122 als Denkzeichen für die Jüngerschaft (8,20) festhält. Da aber die mosaische Reinheits-Thora den Übergang des göttlichen Segens zu den von ihr als unrein klassifizierten Nichtjuden hindert, kann erst nach einer Erzählung ihrer Überwindung durch die Konzeption einer ethischen Herzensreinheit das Heil zu der nichtjüdischen Menschheit gelangen (vgl. 7,1-23, bes. V.21-23, analog Apg 10). Die erste gerettete Nichtjüdin ist das per Fernheilung von einem unreinen Dämon befreite Mädchen, die für die markinische Narratio zur „‚Mutter der Heidenmission’“123 avanciert, während die sofort anschließend erzählte Thera119 Vgl. PESCH, MkEv (s. Anm. 15) 2, auch 15ff.48ff; GNILKA, MkEv (s. Anm. 22), 25. 120 Vgl. Mk 12,36; 13,20.35. 121 Dazu G. RAU, Das Markusevangelium. Komposition und Intention der ersten Darstellung christlicher Mission, ANRW II 25.3 (1985), 2036-2257, bes. 2116ff. 122 Zur Zahl „sieben“ als altorientalische Anzeige für eine universale Gesamtheit vgl. S. KREUZER, Art. Zahl, NBL 3 (2001), Sp. 1155-1169, bes. 1164f. 123 RAU, Markusevangelium (s. Anm. 121), 2126.

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pie eines Taubstummen in der nichtjüdischen Dekapolis (Mk 7,31-37) diesen geschlechterparitätisch zum ‚Vater der Völkermission’ erklärt. Wie die in Mk 8,17-21 für das Jüngerverstehen namhaft gemachte Zahlensymbolik der „zwölf“ und „sieben“ Körbe der vorher erzählten Speisungswundergeschichten anzeigt, geht es dem Markusevangelium in der Episode 6,30-8,21 um ein Israel und die Völker umfassendes Evangeliumsheil. In der Reiseerzählung erscheint Jesus, der auch einige nicht zum jüdischen Stammland zählende Gebiete wie Phönizien124 und die Dekapolis125 besucht, aufgrund zweier dort stattfindender exemplarischer Wundertaten an Nichtjuden als Stifter einer universalen Religion. Während die erste ‚theologische Wundererzählung’ die Völkermission mit Argumenten begründet (7,24-30)126, will die zweite schrifttheologisch überzeugen (V.31-37 in Verbindung mit Jes 35,5fLXX)127. Denn das Markusevangelium ist zu seiner (Publikations-) Zeit fest davon überzeugt, dass sich durch kirchliche Evangeliumsverkündigung die christliche Religion über die ganze Ökumene ausbreiten wird (vgl. Mk 13,10).

124 Vgl. Mk 7,24a und 31b. 125 Vgl. Mk 7,31c. 126 In Hinsicht der Interpretation von Mk 7,24-30 im markinischen Kontext ist der oben zitierten Einschätzung Ulrich B. Müllers mithin zuzustimmen. 127 Zu Mk 7,31-37 vgl. R. VON BENDEMANN, Auditus et Testamentum - Die Heilung des Tauben/Stummen in der Dekapolis (Mk 7,31-37), in: W. HÄRLE u.a. (Hg.), Systematisch Praktisch, FS R. Preul (MThSt 80), Marburg 2005, 55-69.

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Aus: E. Simon, Vasen, Abb. XI (s. Anm. 58). Mittelkorinthischer Kolonettenkrater. Gastmahl: Herakles bei Eurytos und seinen Söhnen; vor ihnen die Königstochter Jole (600/590 v.Chr.).

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Der theologiegeschichtliche Standort des lukanischen Doppelwerks Martin Meiser Theologiegeschichte ist nach den Ausführungen des Jubilars das Vorhaben, verschiedene frühchristliche Gruppen konkret nach Raum, Zeit und Soziologie zu beschreiben und das gegenseitige Verhältnis dieser Gruppen zueinander präzise zu erfassen.1 Will man diese Aufgabenbestimmung auf das lukanische Doppelwerk anwenden, so liegen die methodischen Probleme auf der Hand: Der Autor steht als schriftstellerische Persönlichkeit vor Augen, die das Christentum auch höheren Bildungsschichten als ernstzunehmende religiöse Option nahe bringen will – steht er nur für sich selbst2 oder steht er auch für eine wie auch immer zu beschreibende Gruppe?3 Lukas präsentiert seine Stoffe so, dass es vor allem in der Apostelgeschichte nicht gelingt, aus sprachlichen Gründen zwischen Tradition und Redaktion zu unterscheiden – doch wie kann man sicher sein, dass Indizien, die heute hinsichtlich einer bestimmten Lokalisierung ins Feld geführt werden, nicht einfach weitergegebener Tradition entstammen?4 Ferner schreibt Lukas eine historische Monographie in zwei Bänden – inwieweit ist das, was er über die Vergangenheit schreibt, auch für seine eigene Gegenwart theologisch relevant?5 Wie unmittelbar einleuchtet, ist davon eine der Kernfragen des lukanischen Doppelwerks berührt, die Israelthematik, deren 1

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U.B. MÜLLER, Zur frühchristlichen Theologiegeschichte. Judenchristentum und Paulinismus in Kleinasien an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n. Chr., Gütersloh 1976, 9.12; vgl. DERS., Zwischen Johannes und Ignatius. Theologischer Widerstreit in den Gemeinden der Asia, ZNW 98 (2007), 49-67. So M. HENGEL, Der Jude Paulus und sein Volk. Zu einem neuen Acta-Kommentar, ThR 66 (2001), 338-368: 348. So M. KLINGHARDT, Gesetz und Volk Gottes. Das lukanische Verständnis des Gesetzes nach Herkunft, Funktion und seinem Ort in der Geschichte des Urchristentums (WUNT II 32), Tübingen 1988, 312f. R. BULTMANN betont, „dass mit dem Nachweis der Einheit einer Komposition nicht über die etwaige Verwendung von Quellen entschieden ist“ (R. BULTMANN, Zur Frage nach den Quellen der Apostelgeschichte, in: DERS., Exegetica. Aufsätze zur Erforschung des Neuen Testaments, ausgewählt, eingeleitet und hg. v. E. DINKLER, Tübingen 1967, 412-423: 418). Vgl. P. HOFFMANN, Q 6,22 in der Rezeption durch Lukas, in: C. MAYER / K. MÜLLER, G. SCHMALENBERG (Hg.), Nach den Anfängen fragen, FS G. Dautzenberg, Gießen 1994, 293-326: 302.

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Erfassung wiederum Konsequenzen hat für die Verhältnisbestimmung des Lukas zu anderen frühchristlichen Schriftstellern. Schließlich teilt das lk Doppelwerk mit einem großen Teil anderer frühchristlicher Literatur gewisse Eigenheiten hinsichtlich der Einleitungsfragen: Es ist ursprünglich anonym überliefert, für die Zeit seiner Entstehung lassen sich gewisse Indizien beibringen, die Frage der Lokalisierung ist noch schwieriger lösbar. Allzu aufgeregt ist die Diskussion um all diese Fragen bisher nicht. Das liegt nicht nur daran, dass die eine Hälfte dieser Fragen nicht beantwortet werden kann, die andere Hälfte nicht beantwortet zu werden lohnt.6 Insgesamt gesehen dominierte in der Lukasforschung bisher weithin ein Konsens, das lukanische Doppelwerk als Werk eines Heidenchristen7 außerhalb der Landesgrenzen Israels am Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts anzusehen und in den Kreis der spätneutestamentlichen und frühen neben- bzw. nachneutestamentlichen Schriften einzureihen. Philipp Vielhauer hat in einer berühmt gewordenen Formulierung 1951 diesen Konsens zum Ausdruck gebracht; ihm zufolge steht Lukas „mit den Voraussetzungen seiner Geschichtsschreibung nicht mehr im Urchristentum, sondern in der werdenden frühkatholischen Kirche.“8 Die Fortsetzung dieses Zitates spiegelt aber Fragen, die damals wie heute diskutiert werden: „Seine (scil. des Lukas) Auffassung der Geschichte und sein Bild des Urchristentums sind auch die ihren (scil. der frühkatholischen Kirche); ob er sie ihr gegeben oder von ihr empfangen hat, ist eine Frage, deren Beantwortung nur von der breiteren Basis einer neutestamentlichen und patristischen Untersuchung aus versucht werden könnte.“9 Heute steht jedoch nicht mehr nur die Datierungsfrage wieder neu zur Diskussion, vielmehr ist auch die These der heidenchristlichen Herkunft des auctor ad Theophilum keineswegs mehr selbstverständlich; vielen gilt Lukas als Gottesfürchtiger10 oder als Judenchrist. In dieser Lage mag eine theologiegeschichtliche Neubesinnung durchaus angebracht sein. 6 7

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E. PETERSON, Der Brief an WEIß / F. HAHN, Würzburg W.G. KÜMMEL, Einleitung

die Römer, Ausgewählte Schriften, Bd. 6, hg. v. B. NICHT1997, 2. in das Neue Testament, Heidelberg 201984, 118; I. BROER, Einleitung in das Neue Testament, Bd. 1: Die synoptischen Evangelien, die Apostelgeschichte und die johanneische Literatur (NEB.E 2/I), Würzburg 1998, 131; U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 62007, 258f. PH. VIELHAUER, Zum „Paulinismus“ der Apostelgeschichte, in: DERS., Aufsätze zum Neuen Testament (ThB 31), München 1965, 9-27: 26. PH. VIELHAUER, Zum „Paulinismus“ der Apostelgeschichte, 26f. J.A. FITZMYER, The Gospel according to Luke. Introduction, Translation, and Notes, Vol. I: Luke I-IX (AncB 28), Garden City/New York 21983, 35-47; C.A. EVANS, Luke and the Rewritten Bible: Aspects of Lucan Hagiography, in: J.H. CHARLESWORTH / C.A. EVANS (eds.), The Pseudepigrapha and Biblical Interpretation (JSPE.S 14), Sheffield 1993, 170-201: 175; R. FELDMEIER, Das Lukasevangelium, in: K.-W. NIEBUHR

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1. Kriterien theologiegeschichtlicher Positionierung Bei dem Versuch einer Theologiegeschichte geht es bekanntlich um das Nacheinander, Miteinander und Gegeneinander einzelner Positionen. Als Kriterien für eine relative Chronologie will ich insgesamt vier benennen, von denen allerdings kaum eines für sich allein ausreichend ist für eine Aussage, die sich wenigstens als wahrscheinlich einstufen lässt. Das erste Kriterium ist: Je mehr sich Einflüsse aus verschiedenen Traditionsbereichen11 vermischen, umso eher legt sich eine Spätdatierung einer Schrift nahe. Das zweite Kriterium ist die Ausstrahlungskraft einzelner theologischer Zentralthemen in der Breite der in Frage stehenden Schrift. Beide Kriterien sind für sich allein nicht beweiskräftig, da sie ja einfach auf den Bildungsstand des Verfassers verweisen könnten; Ausschläge nach oben und nach unten würden so nicht erfasst. Darum nenne ich als drittes Kriterium die Entwicklung binnenkirchlicher technischer Alltagssprache und als viertes Kriterium die thematische Vergleichbarkeit. Je mehr aus diesen vier Bereichen konvergiert, umso wahrscheinlicher ist eine dementsprechende These.

2. Die Einleitungsfragen 2.1. Zur Datierung des lukanischen Doppelwerkes Wie schon angedeutet, ist der Konsens hinsichtlich der Datierung durch die Frühdatierung bei Alexander Mittelstaedt12 ebenso in Frage gestellt wie durch Versuche der Spätdatierung auf ca. 100 bei Barbara Shellard13, auf die Zeit zwischen 110 und 120 bei Richard I. Pervo14, auf

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(Hg.), Grundinformation Neues Testament. Eine bibelkundlich-theologische Einführung, Göttingen 2000, 109-126: 116; W. KRAUS, Lukas: Urchristlicher Schriftsteller zwischen Judentum und Hellenismus, in: C. BARNBROCK / W. KLÄN (Hg.), Gottes Wort in der Zeit: verstehen – verkündigen – verbreiten, FS V. Stolle, Münster 2007, 227-244: 244. Formuliert in Anlehnung an Th. HECKEL, Juden und Heiden im Epheserbrief, in: M. KARRER / W. KRAUS / O. MERK (Hg.), Kirche und Volk Gottes, FS J. Roloff, Neukirchen-Vluyn 2000, 176-194: 178. A. MITTELSTAEDT, Lukas als Historiker. Zur Datierung des lukanischen Doppelwerkes (TANZ 43), Tübingen/Basel 2005, 132, datiert das Lukasevangelium auf 59 und die Apostelgeschichte auf das Jahr 62. B. SHELLARD, New Light on Luke. Its Purpose, Sources and Literary Context (JSNT.S 215), London/New York 2002, 34. R.I. PERVO, Dating Acts. Between the Evangelists and the Apologists, Santa Rosa (CA) 2006, 343.

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die Zeit bis 130 bei Christopher Mount und Mogens Müller15, allgemein bis in die Mitte des 2. Jahrhunderts von Andrew Gregory.16 Auch die einst von Albrecht Ritschl vorgetragene These, das jetzige Doppelwerk enthalte nachmarcionitische Zusätze, wird wieder vorgetragen.17 Für seine Frühdatierung bringt Mittelstaedt i.w. folgende Argumente vor: Lk 19,41-44; 21,20-24 lassen sich nicht mit den tatsächlichen Vorgängen bei der Zerstörung Jerusalems in Einklang bringen; wenn Lukas drei gescheiterte Aufstandsversuche erwähnt, könnte man auch die Erwähnung der großen Katastrophe erwarten, ebenso wie man erwarten kann, dass Lukas auch das Ende des Paulusprozesses darstellt: Ein Martyriumsbericht hätte der lk Tendenz entsprochen, die Schicksale Jesu und Pauli einander anzunähern, ein erster Freispruch hätte aufs beste die politische Unverdächtigkeit des Christentums erwiesen. Auch die Datierung des Markusevangeliums auf die Zeit um 70 sei keineswegs sicher. Anfragen und Gegenargumente liegen auf der Hand: Die unpräzisen Verweise auf die Zerstörung Jerusalems könnten lediglich besagen, dass der Verfasser fernab der Ereignisse schreibt18, wie die Benutzung apokalyptischer Sprache eo ipso etwas anderes ist als reale Berichterstattung; dass Lukas die Katastrophe von 70 nicht erzählt, mag in seiner generellen Tendenz begründet liegen, dass ihm die Jerusalemer Urgemeinde je länger je mehr aus dem Blickfeld gerät. Wenn tatsächlich sowohl der Tod des Paulus als auch ein Freispruch so gut ins Konzept des Verfassers der Apostelgeschichte gepasst hätte, versteht man nicht, dass er nicht bis zum Ende des Paulusprozesses gewartet und 15

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J.C. O’NEILL, The Theology of Acts in its Historical Setting, London 1961, 17f.; C. MOUNT, Pauline Christianity. Luke-Acts and the Legacy of Paul (NT.S 104), Leiden 2002, 168; M. MÜLLER, The Reception of the Old Testament in Matthew and LukeActs: From Interpretation to Proof from Scripture, NT 43 (2001), 313-330: 330. A. GREGORY, The Reception of Luke and Acts in the Period before Irenaeus. Looking for Luke in the Second Century (WUNT II 169), Tübingen 2003, 353. J.B. TYSON, The Date of Acts. A Reconsideration, Forum 5 (2002), 33-51; M. KLINGHARDT, Markion vs. Lukas: Plädoyer für die Wiederaufnahme eines alten Falles, NTS 52 (2006), 484-513. KLINGHARDT zufolge hat ein kirchlicher Redaktor durch Lk 1,1-4 und Apg 1,1ff. überhaupt erst das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte zu einer Einheit verbunden, Lk 1-2 sowie Lk 3,1b-4,15 ergänzt sowie die Perikope von der Verwerfung Jesu in Nazareth gegenüber dem Exorzismus Lk 4,31-37 umgestellt und den Anfang mit dem Jesajazitat erst ergänzt, wodurch die Nazareth-Perikope eine Reihe von Vorausverweisen auf andere wichtige Texte des Lk Doppelwerkes ergebe. M. WOLTER, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008, 3, hält KLINGHARDT u.a. entgegen, „dass Markions Evangelium an vielen Stellen Formulierungen enthält, die eindeutig der lukanischen Redaktion zuzuweisen sind“; ferner enthalte das Evangelium Markions nicht nur lukanisches Sondergut und Q-Stoffe, sondern auch Markusstoff. Allerdings sieht WOLTER, Lukasevangelium, 10, durch Mittelstaedt gezeigt, dass Lk 19,41-44; 21,20-24 keine Datierungskriterien ergeben.

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seine Darstellung dem tatsächlichen Verlauf angepasst hat. Der Abstand zu Paulus ist sachlicher, aber auch zeitlicher Natur, wie schon der Verweis auf die Ältestenverfassung (Apg 14,23) nahe legt, und in Lk 1,1-4 bezeichnet sich Lukas als Mann der zweiten oder dritten Generation. Viele Einzelheiten in Terminologie und Theologie rücken das lukanische Doppelwerk in den Kreis der neutestamentlichen Spätschriften und der frühen nachneutestamentlichen Literatur.19 So ist eine Datierung vor 70 n. Chr. nach wie vor unwahrscheinlich. Für die vorgetragenen Spätdatierungen sind als Standardargumente das Schweigen des Papias zu nennen wie generell der Umstand, dass eine Rezeption des lk Doppelwerkes vor Justin20 überhaupt nicht und vor Irenäus nach dem Urteil einiger21 nicht zwingend nachweisbar ist. Barbara Shellard listet die Themen auf, die das lukanische Doppelwerk mit anderen Werken des frühen zweiten Jahrhunderts verbinden, die Sicherung der apostolischen Tradition, das Insistieren auf der Leiblichkeit der Auferstehung Jesu, die Betonung der Notwendigkeit der Perseveranz im Glauben (Lk 8,15) und die Furcht vor Apostasie (Lk 12,47f) sowie die Stellungnahme zugunsten einer Buße auch der Glaubenden selbst nach schwerer Sünde (Lk 22,31-34; Apg 8,22).22 Richard Pervo zufolge setzt Lukas das Ämtermodell des Ignatius voraus, hat aber gewisse Vorbehalte, wenn er die Ältesten von Ephesus in Apg 20,28 als „Bischöfe“ bezeichnet23; auch Beobachtungen zur Entwicklung kirchlicher Strukturen24 sowie ein breiter Fundus bestimmter Terminologie25 begründen literaturgeschichtlich seinen Ort in der Zeit der neutestamentlichen Spätschriften und der sog. Apostolischen Väter. Christo19 20

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Vgl. PERVO, Dating Acts, 207-258. Justin spricht nur allgemein im Plural von „den Evangelien“ (1. apol. 66). An Berührungen mit lk Tradition sind zu notieren: 1 apol. 26; 56 mit Apg 8 (Simon der Magier); 1. apol. 31 mit Lk 24,50-53 (Unterscheidung von Auferstehung und Himmelfahrt Jesu, die aber nicht datiert wird); 1. apol. 33,4f. mit Lk 1,32f. (Ankündigung der Geburt Jesu durch einen Engel an Maria mit der Bezeichnung „Sohn des Höchsten“; 1. apol. 39 „Von Jerusalem gingen Männer aus in die Welt, zwölf an der Zahl, ganz ungebildet und der Rede nicht mächtig, aber durch die Kraft Gottes haben sie dem ganzen Menschengeschlecht gezeigt, dass sie von Christus gesandt waren, allen das Wort Gottes zu predigen) mit Apg 4,11f. (Unbildung der Zwölf); 1. apol. 40 mit Lk 23,6-12; Apg 4,27f. (Rolle des Herodes Antipas beim Tod Jesu); 1. apol. 50,12 mit Lk 24,25-27.50-53). Alters- und Abhängigkeitsbeweis fehlen bei Lukas, begegnen aber bei einigen Apologeten des 2. Jhdts. (Justin, 1. apol. 59; 60; Tatian, apol. 31-41; Theophilus von Antiochien, Autol. 3,16; nur Athenagoras führt keinen Alters- und Abhängigkeitsbeweis; von Quadratus und Meliton ist zu wenig erhalten). – Zu der Rezeption des lk Doppelwerkes bei Justin vgl. jüngst GREGORY, Reception, 225ff.; WOLTER, Lukasevangelium, 3. Vgl. vor allem MOUNT, Pauline Christianity, passim. So die Auflistung bei SHELLARD, New Light on Luke, 27. PERVO, Dating Acts, 213. PERVO, Dating Acts, 220; 225. PERVO, Dating Acts, 229-292.

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pher Mount begründet seine Datierung mit der Zwischenstellung zwischen Clemens von Rom und Ignatius einerseits, Marcion andererseits; von antimarcionitischer Polemik lasse das lukanische Doppelwerk noch nichts verlauten.26 Mogens Müller greift Martin Reses Beobachtung auf, derzufolge der eigentliche Schriftbeweis weder bei Paulus noch in Q noch im Markusevangelium begegnet, und will diese Liste um Matthäus ergänzt wissen. Erst bei Lukas werde das anders: Die Heilige Schrift dient bei ihm, so Mogens Müller, dazu, Gottes Handeln in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu verstehen. Deuten die Erfüllungszitate bei Matthäus i.w. das Leben Jesu in der Vergangenheit, so ist Lukas an den Implikationen der Heiligen Schrift auch für die eigene Zeit interessiert. Nach Lukas ist die Schrift in sich selbst klar und verständlich. Die Selbstverweigerung der Juden demgegenüber ist allein auf ihre Verhärtung zurückzuführen.27 Andrew Gregory argumentiert rezeptionsgeschichtlich bei einem strengen Maßstab zur Beurteilung einer Vergleichbarkeit im Sinne einer literarischen Abhängigkeit. Seinen Ausführungen zufolge ist der Gebrauch des Lukasevangeliums in der Zeit vor Justin, die Rezeption der Apostelgeschichte in der Zeit vor Irenäus nicht nachweisbar; Gleichartigkeit des Stoffes kann auch auf Abhängigkeit von mündlicher oder anderer schriftlicher Tradition oder einer gemeinsamen Quelle statt auf Abhängigkeit von der Endredaktion der jeweiligen Synoptiker verweisen28; bestimmte Texte, die auf die lk Endredaktion zurückweisen, lassen sich ihrerseits nicht gesichert in die Zeit vor Justin bzw. Irenäus datieren.29 Die These einer Spätdatierung verdient jedenfalls erhöhte Aufmerksamkeit. Dies gilt umso mehr, als man gerade für wichtige Schriften, die bisher an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert oder in das frühe zweite Jahrhundert angesetzt wurden, immer wieder Spätdatierungen vorgelegt hat: Der erste Clemensbrief wurde in früheren Zeiten auf die Zeit um 14030 oder 15031, die Mandata des Hirten des 26 27 28 29 30 31

MOUNT, Pauline Christianity, 168. M. MÜLLER, Reception, 326-328. GREGORY, Reception, 88. 113. 137. 149. GREGORY, Reception, 158, zum Thomasevangelium; 172 zum Nag Hammadi-Corpus. G.A. VAN DEN BERGH VAN EYSINGA, La littérature chrétienne primitive, Paris 1926, 181-183, aufgrund der vermuteten Intention, die Macht des Klerus zu untermauern. H. DELAFOSSE, La lettre de Clement Romain aux Corinthiens, RHR 97 (1928), 53-89, aufgrund der antimarkionitischen Tendenz. Dass antignostische Polemik fehlt, hängt m.E. mit der strikt durchgehaltenen Intention des Briefes zusammen, die Unruhestifter in Korinth zur Unterordnung zu mahnen. – Daneben gibt es für den Ersten Clemensbrief aber auch die Datierung vor 70. Nach K. ERLEMANN, Die Datierung des ersten Klemensbriefes – Anfrage an eine communis opinio, NTS 44 (1998), 591-607: Die These einer domitianischen Christenverfolgung ist nicht zu halten, daher können die angeblichen Verfolgungsaussagen eine Datierung zur Zeit Domitians nicht erzwingen. Nach TH.J. HERRON, The Most Probable Date of the First Epistle of Clem-

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Hermas auf die Dekade 160-170,32 die Apologie des Aristides auf die nachhadrianische Zeit,33 die Ignatiusbriefe wurden mittlerweile auf die Zeit um 170,34 die Johannesoffenbarung auf die Zeit um 132 datiert.35 Auch wenn sich von diesen Spätdatierungen bisher keine wirklich durchsetzen konnte, zwingen sie doch zur methodischen Vorsicht. Zunächst seien die zur Widerlegung einer Spätdatierung unbrauchbaren Argumente genannt. Berührungen mit den sog. „Apostolischen Vätern“ können immer auch auf gemeinsame kirchliche Binnensprache verweisen36, sind kaum eindeutig literarkritisch zu verwerten. Dass Lukas den Monepiskopat nicht thematisiert und antimarcionitische Polemik nicht thematisiert, wäre bei einer Entstehung im Westen des Imperium Romanum wenig aussagekräftig, denn dies hat ähnlich wie die Zeichnung eines eigenen Witwenstandes Parallelen in dem immerhin um 140 zu datierenden „Hirt des Hermas“.37 Wenig aussagekräftig ist die relativ freundliche Beurteilung der römischen Staatsmacht; dass Lukas von der Bedrängnis der Christen durch den römischen Staat nichts weiß38, scheint mir unsicher; auch wurde die Herrschaft Domitians in den Provinzen wohl anders empfunden als in der Hauptstadt Rom.39 Ein zwingendes Argument gegen die Spätdatierung ist auch damit nicht gegeben, dass das Problem der Häresie in Apg 20,29 benannt

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ent to the Corinthians, in: E.A. LIVINGSTONE (ed.), StPatr 21, Leuven 1989, 106-121, sind 1Clem 40f. am ehesten verständlich, wenn der Tempel noch steht. Auch seien die synoptischen Evangelien und die Apostelgeschichte unbekannt. C. ANDRESEN, Die Kirche der alten Christenheit, Stuttgart u.a. 1971, 692. K.-G. ESSIG, Erwägungen zum geschichtlichen Ort der Apologie des Aristides, ZKG 97 (1986), 163-188. R.M. HÜBNER, Thesen zur Echtheit und Datierung der sieben Briefe des Ignatius von Antiochien, ZAC 1 (1997), 44-72, datiert die Ignatiusbriefe aufgrund der Polemik gegen die valentinianische Gnosis und der Christologie sowie der Martyriums- und Amtstheologie um 170. Zur Kritik vgl. A. LINDEMANN, Antwort auf die Thesen von Reinhard M. Hübner, ZAC 1 (1997), 185-194; G. SCHÖLLGEN, Die Ignatianen als pseudepigraphisches Briefcorpus. Anmerkungen zu den Thesen von Reinhard M. Hübner, ZAC 2 (1998), 16-25. TH. WITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse (FRLANT 221), Göttingen 2007. H. CONZELMANN, Die Apostelgeschichte (HNT 7), Tübingen 1963, 3. Im 1. Clemensbrief sind Episkopen in 1Clem 42,5; 44,4 erwähnt. Auch im „Hirt des Hermas“ stehen mehrere Presbyter an der Spitze der Gemeinde (vis II 4,3; auch in vis III 5,1 werden evpi,skopoi, dida,skaloi und dia,konoi im Plural erwähnt). H. KLEIN, Das Lukasevangelium übersetzt und erklärt (KEK I/3), Göttingen 2006, 69, für das Lukasevangelium. M. MEISER, Lukas und die römische Staatsmacht, in: M. LABAHN / J. ZANGENBERG (Hg.), Zwischen den Reichen: Neues Testament und Römische Herrschaft. Vorträge auf der Ersten Konferenz der European Association for Biblical Studies (TANZ 36), Tübingen/Basel 2002, 175-193, 181.

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wird, aber offensichtlich als nicht allzu bedrohlich erscheint40, und dass Lukas nur wenig erkennen lässt von den gruppenübergreifend analogen Erfahrungen der dritten christlichen Generation, dass sich ideologische Gegensätze verfestigen (1Joh 2,19; Jud 4) und das Gespräch fruchtlos bleibt (vgl. Apk 2,21; Tit 3,10) und man daher zur Distanz mahnen muss41. Das kann in seiner Einschätzung der kirchlichen Lage begründet sein, die andere zeitgenössische Autoren keineswegs teilen mussten. Dass Lukas die Briefe des Paulus nicht erwähnt42, wird gerne als Argument gegen die Spätdatierung verwendet.43 Tatsächlich sind in den Jahren nach 100 Paulusbriefe in Ein- oder Mehrzahl in Kleinasien, Griechenland und Rom bekannt.44 Was allerdings Lukas von Paulus wusste bzw. wissen konnte oder hätte wissen sollen, können wir nun einmal nicht wissen. Auch Justin setzt nirgends die Kenntnis der Paulusbriefe voraus. Dann ergibt sich daraus aber auch für das lukanische Doppelwerk kein Kriterium der Datierung. Argumente sind eher zu gewinnen, wenn man das Kriterium der thematischen Vergleichbarkeit und das Kriterium der Entwicklung binnenkirchlicher technischer Alltagssprache in drei Feldern heranzieht: in der Beschreibung des Verhältnisses zwischen dem Christentum und dem nicht an Jesus glaubenden Judentum45, in der Entwicklung der Christologie sowie in der Entwicklung der kirchlichen Strukturen. Wie wird bei Lukas, wie bei den Schriftstellern des zweiten Jahrhunderts das Verhältnis des Christentums zu dem nicht an Jesus glaubenden Judentum in Worte gefasst?

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Darauf verweisen auch P. POKORNÝ / U. HECKEL, Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick, Tübingen 2007, 533. Lukas ist mehr darum bemüht, „die Ausübung des Dienstes Pauli … als verpflichtendes, ideales Vorbild für den Dienst der Gemeindeleiter zu zeichnen“ (A. VÖGTLE, Exegetische Reflexionen zur Apostolizität des Amtes und zur Amtssukzession, in: DERS., Offenbarungsgeschehen und Wirkungsgeschichte. Neutestamentliche Beiträge, Freiburg u.a. 1985, 221-279: 261, in anderem Kontext). 2Tim 3,5; 2Joh 10f.; Apk 2,24f.; Did 11,2; IgnTrall 9,1 u.ö. Nach A. LINDEMANN, Paulus im ältesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion (BHTh 58), Tübingen 1979, 167-171, kennt der Verfasser der Apostelgeschichte den Römerbrief (wegen Röm 15,22-28, vgl. Apg 19,21), 2Kor 10-13 (wegen 2Kor 11,32f., vgl. Apg 9,23-25) und vielleicht auch den Galaterbrief (wegen Gal 2,12f.; vgl. Apg 15,1f.) und benutzt sie „als ‚historische’ Quellen für seine Darstellung“. Doch besteht hierüber in der Lukasforschung kein Konsens. KÜMMEL, Einleitung, 153; BROER, Einleitung, 157. 1Clem 47,1-4; 49,5; IgnEph 12,2; EpPolyk 3,2. Methodisch ähnlich J. NOLLAND, Luke 1-9:20 (WBC 35 A), Dallas 1989, xxxvii.

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Lukas erzählt, so die traditionelle Deutung, zur Legitimation des beschneidungsfreien Heidenchristentums46 in seinem Doppelwerk von der boulh, Gottes47, die das Evangelium zu den lukanischen Adressatinnen und Adressaten gelangen ließ. Die Kirche ist eingewurzelt im lao,j, dem Gottesvolk Israel. In ihm wirkt Jesus als Wohltäter; er gewinnt neben dem Zwölferkreis einen weiteren Kreis von Anhängern, und dieser weitere Kreis ist der Kern der Sammlung des Gottesvolkes, dem auch nachösterlich das Bundesangebot Gottes gilt; schließlich treten die Nichtjuden hinzu. Ein großer Teil Israels verweigert sich jedoch gegenwärtig48 dem in Jesus ergehenden göttlichen Heilsangebot (Apg 13,46f; 18,6; 28,25-28), obwohl dem Paulus der Apostelgeschichte keinerlei Tendenz zur Thoraabrogation unterstellt werden kann. Die innere Auseinanderentwicklung zwischen Christen und Juden sieht Lukas als weitgehend erfolgt, wie es m.E. auch in der Außenwahrnehmung durch Tacitus, Plinius und Sueton sichtbar wird. Dabei ist der Abstand des Lukas von den Autoren des zweiten Jahrhunderts jedoch unübersehbar. Denn die Art der lukanischen Auseinandersetzung mit dem Thema ist die Schuldzuweisung kurz nach einem Trennungsprozess, noch kein Rückblick aus langen Jahren Distanz. Das Faktum der Auseinanderentwicklung wird konstatiert, ist aber noch keine Selbstverständlichkeit.49 Im zweiten Jahrhundert ist der Antijudaismus bei christlichen Schriftstellern anderer Art, und dies gilt auch dann, wenn man die Bundestheologie des Barnabasbriefes nicht verallgemeinern will.50 Hier 46

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Zum Anliegen der Legitimierung vgl. G. WASSERBERG, Aus Israels Mitte – Heil für die Welt. Eine narrativ-exegetische Studie zur Theologie des Lukas (BZNW 92), Berlin/New York 1998, 365; U. SCHNELLE, Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 2007, 489. Der Begriff stammt aus LXX, vgl. Jes. 5,19; 14,26; 19,17; 46,10; 55,8; Jer 27 (50),45; 29 (49), 20. Vgl. J. SCHRÖTER, Heil für die Heiden und Israel. Zum Zusammenhang von Christologie und Volk Gottes bei Lukas, in: C. BREYTENBACH / J. SCHRÖTER / D.S. DU TOIT (Hg.), Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung, FS E. Plümacher (AGJU 57), Leiden 2004, 285-308: 307f. Er konstatiert hierin eine gewisse Nähe u.a. zu Röm 9 – 11. Das scheint mir aber, so wünschenswert es wäre, ein argumentum e silentio. V.A. LEHNERT, Die Provokation Israels. Die paradoxe Funktion von Jes 6,9-10 bei Markus und Lukas (NTDH 25), Neukirchen 1999, 203-296, interpretiert Apg 28,26f. als eine paradoxe Intervention, die Israel dazu provozieren soll, den Verstockungsvorwurf zu widerlegen. M.E. zu Recht betont W. STEGEMANN, Zur neueren exegetischen Diskussion um die Apostelgeschichte, EvErz 46 (1994), 198-219: 218, „wie sehr er (scil. Lukas) offensichtlich unter der traumatischen Erfahrung der Ablehnung der Evangeliumsverkündung durch die Mehrheit des Judentums leidet“. Zwar weiß auch Lukas von der sofortigen Selbstverweigerung der Israeliten in Form des goldenen Stierbildes zu berichten (Apg 7,39f.), doch betont Lukas, anders als der Verfasser des Barnabasbriefes (Barn 4,8; 5,12; 14,1-5), selbst noch nachösterlich das Bundesangebot Gottes an Israel (Apg 3,25f.).

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greift das dritte vorhin genannte Kriterium, die sich entwickelnde christliche Binnensprache. Die Juden sind in der Didache generell „die Heuchler“51, von deren Fastentagen man sich abgrenzt (Did 8,1), sind für Ignatius von Antiochien einfach das Frühere, Vergangene in der unumkehrbaren Heilsgeschichte52; die Rückwendung von Christen zu einer jüdischen Lebensweise zeigt den Einfluss des Fürsten dieser Welt!53 Umgekehrt vereinnahmt Ignatius die alttestamentlichen Propheten in der Weise, dass sie kata. Cristo,n vIhsou/n gelebt hätten und deshalb verfolgt worden wären54. In anderer Weise antijüdisch ist das Thomasevangelium in seinen späteren Schichten: Die Propheten Israels gelten ihm einfach als die Toten.55 Im Petrusevangelium ist das Fest der ungesäuerten Brote, der Verfasserfiktion zuwiderlaufend, „ihr Fest“, eben als jüdisches Fest (EvPetr 2/5); das Wort „Die Sonne darf über einem Getöteten nicht untergehen“ wird eingeleitet mit der Formel „Denn es steht ihnen geschrieben“ (EvPetr 5/15) – als ob das AT nicht auch im Christentum Bedeutung hätte! Der jüdische Tempelkult wird im Barnabasbrief als „beinahe heidnisch“ abqualifiziert (Barn 16,2), bei den Apologeten als Irrtum gebrandmarkt.56 Anders als bei Justin57 geht es bei Lukas noch nicht um die Diskussion einzelner Schriftstellen oder gar um Vorwürfe der Textverfälschung.58 Auch Vielzahl typologischer Auslegungen im zweiten Jahrhundert bei Autoren wie Barnabas und Justin hat bei Lukas noch keine Parallele. Umgekehrt sind Selbstbezeichnungen wie „dieses Volk“ (im Gegenüber zum „ersten Volk“)59, „das neue Volk“60 oder „das dritte Geschlecht“61 oder Charakterisie-

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Umgekehrt ist im zweiten Jahrhundert eine kleine Differenzierung wie Apg 19,9, dass es „einige“ waren, deren Verhalten Paulus zum Umzug in die Halle des Tyrannos veranlasst hat, nicht zu erwarten. IgnMagn 9,3. IgnPhilad 6,1f.; vgl. Barn 2,10. IgnMagn 8,2. EvThom 52,2 = NHC II,2 p. 42,12-18. Zur Problematik der genauen Beschreibung der abgelehnten Beziehung vgl. J. SCHRÖTER / H.-G. BETHGE, Das Evangelium nach Thomas, in: Nag Hammadi Deutsch: NHC I,1-V,1, eingel. und übers. von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch-Gnostische Schriften, hg. v. H.-M. SCHENKE / H.-G. BETHGE / U.U. KAISER (GCS NF 12), Berlin/New York 2001, 151-181: 173 Anm. 122. Kerygma Petri, bei Clemens von Alexandrien, str. VI,41,2 f.; Aristides, apol. 14,3. – H. PAULSEN, Das Kerygma Petri und die urchristliche Apologetik, ZKG 88 (1977), 1-37, rechnet mit der Entstehung zw. 100 und 120 n. Chr. Justin, dial. 72,1-73,6. Justin, 1. apol. 41,4 zu Ps 96,10; vgl. ferner dial. 72,1-73,6. Barn 13,1. Barn 5,7. Kerygma Petri, bei Clemens, str. VI 41,6.

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rungen wie „das neue Gesetz unseres Herrn Jesus Christus“62 Lukas noch nicht geläufig. Ein zweites Feld für eine relative Chronologie ist das Feld der Christologie. Einerseits bemerkt Vielhauer zu Recht, die Gestalt Jesu sei bei Lukas zu einer Gestalt der Vergangenheit geworden und markiere eine Phase im großen heilsgeschichtlichen Plan Gottes. Dies widerrät einer Frühdatierung63 ebenso wie der spätneutestamentliche Wortschatz hinsichtlich der Würdetitel64 und die Tatsache der Verehrung Jesu als Kyrios im Gottesdienst (Lk 24,5265; Apg 7,59f). Wie selbstverständlich gewisse Dinge vorausgesetzt sind, zeigt sich auch daran, dass man über die Funktion Christi gegenüber den Nichtjuden außer der Richterfunktion und der Notwendigkeit der Reinigung durch Glauben an ihn nicht viel erfährt.66 Dass Christus im Lukasevangelium noch nicht als „unser Gott“67 bezeichnet wird, mag wenig besagen. Wichtiger ist es, auf die Entfaltung der Christologie im zweiten Jahrhundert zu achten. In dieser Zeit entwickelt sich die Fleischwerdung Christi als ein Topos mit eigenständiger Ausstrahlungskraft. Sie wird nicht nur erzählt, sondern in Anfängen dogmatischen Denkens mit anderen christlichen Topoi verknüpft. Im Barnabasbrief wird sie mit der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen begründet (Barn 5,10), ist aber zugleich äußerer Ermöglichungsgrund der Passion (Barn 5,11, ähnlich Barn 6,7) und der Auferstehung Christi (Barn 5,6). Nach 2Clem 9,1-5 begründet sie christliche Ethik: Auch unser Fleisch wird auferstehen und unterliegt dem göttlichen Gericht. Bei Justin strahlt sie auf die Abendmahlstheologie aus: Wie Jesus Christus Fleisch und Blut angenommen hat, so sind die eucharistischen Gaben nicht gemeines Brot und nicht gemeiner Trank, son62 63

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Barn 2,6. Die Existenz adoptianischer Vorstellungen besagt nur, dass Lukas auch Traditionselemente aufnehmen konnte; zu bedenken ist aber das Nebeneinander der Vorstellung, Gott habe Jesus Christus auserwählt, und der Hohenpriestertitulatur in 1Clem 64,1, im selben Vers! Der Pais-Titel für Christus begegnet in 1Clem 59,2-4; Apg 3,13.26; 4,27.30; Did 9,2; 10,2f.; NHC VII,2, 133 = GCS NF 12, 670. Als der Richter der Lebendigen und der Toten wird Christus prädiziert in Apg 10,42; 2Tim 4,1; EpPolyk 2,1; 2Clem 1,1; Barn 7,2. Der Kyrios-Titel ist nach P. POKORNÝ, Theologie der lukanischen Schriften (FRLANT 174), Göttingen 1997, 117, „für die lukanische Theologie nicht typisch. Seine Entfaltung bei Lukas bestätigt nur, welche Autorität er in der Kirche gewonnen hat und wie er wegen seiner Rolle in der griechischen Religion und im Kaiserkult die Bedeutung Jesu im hellenistischen Milieu auszudrücken vermochte“. G. LOHFINK, Gab es im Gottesdienst der neutestamentlichen Gemeinden eine Anbetung Christi?, in: DERS., Studien zum Neuen Testament (SBAB.NT 5), Stuttgart 1989, 245-265: 247-249. U.a. dies legt für mich auch nahe, dass Theophilus doch wohl bereits Christ war, als ihm das lukanische Doppelwerk gewidmet wurde. So aber Hebr 1,8; Joh 1,1; 20,28; IgnEph praescr.; IgnEph 18,2; IgnRöm 3,3; 6,3.

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dern Fleisch und Blut des inkarnierten Christus.68 Dogmatisches Denken ist bereits zu komprimierenden Formeln fähig wie „zuerst leidensfähig, dann leidensunfähig“ in IgnEph 7,2 oder zur Formel der zwei Parusien69, ebenso zum Ausgleich der einander scheinbar widersprechenden Traditionen bzw. Bibelstellen wie in den Worten „aus dem Samen Davids, aber vom Heiligen Geist“ (IgnEph 18,2). Pflanzenmetaphorik kann sich übersteigern: Die Pflanze der fremden Lehre würde, wenn sie eine Pflanzung Gottes wäre, sich als Äste des Kreuzes zeigen (IgnTrall 11,1f). Von all dem ist Lukas noch weit entfernt. Lk 24,36-49 wird gerne auf antidoketische Tendenzen gedeutet, aber das Motiv der Fleischlichkeit Christi ist noch nicht wie bei Ignatius mit der Inkarnation verbunden.70 Die lk Darstellung der Jungfrauengeburt sucht zwar die Vorstellung der sexuellen Zeugung von dem Geschehen fernzuhalten, trotzdem muss Justin den Vorwurf abwehren, die Christen wüssten auch nichts anderes zu erzählen als die Griechen mit der Geschichte von Zeus und Danae.71 So gilt für Jesu Jungfrauengeburt überspitzt gesagt: Lukas hat ein Problem überhaupt erst geschaffen, das Justin lösen muss. Ein drittes Feld mit Indizien für Datierungsfragen ist das Feld der kirchlichen Ordnung und der kirchlichen Sitte. Terminologische Überschneidungen mit anderen neutestamentlichen Spätschriften und Schriften des zweiten Jahrhunderts sind zu notieren, wenn to. plh/qoj für die Gemeinde72 und h`gou,menoi für ihre Vorsteher gebraucht werden kann73, ebenfalls in der Kennzeichnung der Presbyter als innergemeindlicher Amtsträger.74 Lukas sieht wie der 1. Clemensbrief theologisch das Amt der Presbyter bzw. der evpi,skopoi (Apg 20,28 begegnet der Begriff bei ihm das einzige Mal) mit der Aufgabe betraut, die Kontinuität der in Gott gründenden, von Christus den Menschen vermittelten und an die Apostel übergebenen Tradition zu wahren. Neben den Überschneidungen sind aber auch die Divergenzen in den Blick zu nehmen: Die Bezeichnung Cristianoi, wird in Apg 11,26; 26,28 noch als Fremdbezeichnung eingeführt, ist bei Ignatius von Antiochien bereits Selbstbezeichnung.75 Lukas kennt den „ersten Tag der 68 69 70 71 72 73 74 75

Justin, 1. apol. 66,2. Justin, dial. 49,2. IgnSmyrn 7,1. Justin, dial. 67,2. Apg 15,30; 19,9; 1Clem 54,2; IgnSmyrn 8,2. Hebr 13,7.17.24; Apg 15,22; 1Clem 1,3; vgl. die Bezeichnung prohgou,menoi bei Hermas, vis II,2,6 / 6,6. Apg 11,30; 14,23; 20,28; Jak 5,14; 1Petr 5,1.5; 1Clem 44,5; 2Clem 17,3 u.ö. IgnEph 11,2; IgnRöm 3,2; IgnMagn 10,3.

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Woche“ als Tag der Gemeindeversammlung (Apg 20,7), aber noch nicht die Bezeichnung „Herrentag“76 und die Begründung mit der Auferstehung Jesu.77 Das Vater Unser ist ihm ein von Jesus gelehrtes Modellgebet (Lk 11,1), aber noch nicht das dreimal täglich gebetete christliche Grundgebet (Did 8,3). Das Verbot des Götzenopferfleisches ist für ihn noch Regelung zum Ausgleich innerchristlicher Probleme, nicht wie in Apk 2,14; Did 6,3 Teil einer generellen Abgrenzungsstrategie gegenüber griechisch-römischer Religiosität. Von der präexistenten, geistlichen Kirche78 weiß Lukas auch noch nicht zu reden. Einen eigenen Stand der Märtyrer79 kennt Lukas ebenfalls nicht. Zur Datierungsfrage sei abschließend festgehalten: Mittelstaedts Frühdatierung des lukanischen Doppelwerkes ist unwahrscheinlich. Nach wie vor empfiehlt sich seine Einordnung in den Kreis der spätneutestamentlichen und frühen neben- und nachneutestamentlichen Schriften; aus der Gruppe der letzteren weist der 1. Clemensbrief die größte Nähe zum lukanischen Doppelwerk auf, während die Ignatiusbriefe doch schon eine fortgeschrittenere theologische und allgemeinkirchliche Entwicklung zeigen. Eine Datierung des lukanischen Doppelwerkes nach 120 n. Chr. lässt sich nicht wahrscheinlich machen; zwischen 90 und 120 scheint sie gut denkbar. Abschließend sei nochmals festgehalten, dass strikt evidente Beweisführungen nicht möglich sind.

2.2. Zur Lokalisierung des lukanischen Doppelwerkes Bisher diskutiert wurden Antiochia80, Cäsarea81, Kleinasien82, Griechenland im Allgemeinen83 oder speziell Makedonien84 bzw. der Raum der 76 77 78 79 80 81 82

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So aber Apk 1,10; Did 14,1; IgnMagn 9,1; EvPetr 12/50; EpAp 18/29 kopt. So aber IgnMagn 9,1; Justin, 1. apol. 67; Barn 15,9. 2Clem 14,1; vgl. Hermas, vis II 4,1/8,1. Hermas, vis III 4,3 neben vis III 5,2. Der antimarcionitische Prolog; A. STROBEL, Lukas, der Antiochener, ZNW 49 (1958), 131-134; R. GLOVER, ‚Luke the Antiochene’ and Acts, NTS 11 (1964), 97-106. H. KLEIN, Zur Frage nach dem Abfassungsort der Lukasschriften, EvTh 32 (1972), 467-477, von ihm im Kommentar revoziert (s.u.); A. MITTELSTAEDT, Lukas, 162. Für K. BERGER gilt Ephesus nicht unbedingt als Heimat des Lukas, sondern als „Zielort des lukanischen Doppelwerkes“: „der von Lk beabsichtigte Ausgleich zwischen Juden- und Heidenchristen war im 1. Jh. nirgends so aktuell wie dort. Lk lässt Paulus in Milet für die Ältesten aus Ephesus sein Testament machen. Querverbindungen zu den Pastoralbriefen sind längst beobachtet worden. Die Nachwirkungen paulinischer Theologie in Apg sind am ehesten vom Ort der paulinischen Schultradition her zu erklären“ (K. BERGER, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, Tübingen/Basel 1994, 697). W. WIEFEL, Das Evangelium nach Lukas (ThHK 3), Berlin 1987, 4; POKORNÝ, Theologie, 18.

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Ägäis85 und Italien86 bzw. Rom87. Vergleicht man diesen Katalog mit der geographischen Verbreitung des Christentums am Ende des 1. Jahrhunderts, dann ergibt sich ein nur wenig spektakulärer Befund: Lediglich Syrien und Israel fehlen auf der Landkarte88, letzteres angesichts der geringen diesbezüglichen geographischen Kenntnis des Lukas mit gutem Grund. Für eine Lokalisierung in Kleinasien sind der Ausgleich zwischen Juden- und Heidenchristen89 sowie Bezüge zu den Pastoralbriefen namhaft gemacht worden, für eine Lokalisierung in Griechenland u.a. die relativ genaue Wiedergabe verwaltungstechnischer termini vor allem hinsichtlich der Provinz Makedonien, für eine Lokalisierung in Italien die Bukolik in Lk 2,8-1490, das Interesse an der Romreise, die generelle Perspektive der Apostelgeschichte „von Jerusalem nach Rom“91, die Nähe zu 1Clem 5; 42 in Paulusbild und Amtsverständnis92 sowie die Verbreitung zunächst im Westen des Imperium Romanum93. Man wird allerdings mit Alfons Weiser festhalten: „Zu einer eindeutigen Ortsbestimmung reichen die Indizien … nicht aus“94. Methodische Einschränkungen sind namhaft zu machen: Geburtsort des Evangelisten und Abfassungsort seines Doppelwerkes müssen keineswegs iden-

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P. PILHOFER, Lukas als avnh,r Make,dwn, in: DERS., Die frühen Christen und ihre Welt. Greifswalder Aufsätze 1996-2001 (WUNT 145), Tübingen 2002, 106-112; H. KLEIN, Das Lukasevangelium übersetzt und erklärt (KEK I/3), Göttingen 2006, 68. H. CONZELMANN / A. LINDEMANN, Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Tübingen 142004, 360. J. ROLOFF, Die Apostelgeschichte übersetzt und erklärt (NTD 5), Göttingen 1981, 4f. Euseb, h.e. 2,22; Hieronymus, de viris inlustribus 7; THEOPHYLAKT, in Lc., PG 123, 684 A. SHELLARD, New Light on Luke, 36; S. SCHREIBER, Begleiter durch das Neue Testament, Düsseldorf 2006, 47. Manche Gelehrte verzichten verständlicherweise überhaupt auf eine Festlegung, so z.B. W. MARXSEN, Einleitung in das Neue Testament, Gütersloh 31964, 151; KÜMMEL, Einleitung, 154; PH. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter. de Gruyter Lehrbuch, Berlin/New York 1975, 407. MÜLLER, Zur frühchristlichen Theologiegeschichte, 18, unter Verweis auf Apg 15,28f. und Apk 2,24. WOLTER, Lukasevangelium, 10. U. SCHNELLE, Einleitung, 287. SCHREIBER, Begleiter, 47. H. OMERZU, Das Schweigen des Lukas. Überlegungen zum offenen Ende der Apostelgeschichte, in: F.W. HORN (Hg.), Das Ende des Paulus (BZNW 106), Berlin/New York 2001, 127-156: 155, vermutet jedoch aufgrund der mangelnden Informationen, die dem Evangelisten für die Gestaltung von Apg 28 zur Verfügung standen, dass Lukas nicht in Rom geschrieben habe. SCHNELLE, Einleitung, 287. ROLOFF, Apostelgeschichte, 4f. A. WEISER, Die Apostelgeschichte, Teilband 1: Apg 1-12 (ÖTK 5/1), Würzburg/Gütersloh 1981, 40.

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tisch sein95; ferner ist mit einer möglichen Reisetätigkeit des Evangelisten zu rechnen; schließlich ist nicht zwingend, dass Evangelium und Apostelgeschichte am selben Ort entstanden sein müssen. Die Bedeutung des Paulus, die ihm Lukas in der Apostelgeschichte zumisst, könnte darauf schließen lassen, dass die von Lukas anvisierten Leser in den Gemeinden des paulinischen Missionsgebietes zu suchen sind.96 Dass Papias von Lukas schweigt, vermag eine Lokalisierung im Westen (Griechenland oder Italien) ebenfalls zu stützen. M.E. sind die Indizien für den Westen etwas stärker als für den Osten, d.h. Kleinasien. Aber ein gesichertes Wissen ist nicht zu gewinnen.

2.3. Zur religiösen Herkunft des Verfassers Für die heidenchristliche Herkunft des Evangelisten hat man früher „eine durchgehende Distanz gegenüber jüdisch-palästinensischen Sitten und Gewohnheiten“ namhaft gemacht – so die Formulierung von Josef Ernst, die er noch 1993 wiederholt.97 Doch mehren sich in jüngster Zeit die Stimmen, die Lukas als Gottesfürchtigen, als Proselyten98 oder gar als gebürtigen Juden bezeichnen. Zugunsten der Beheimatung des Lukas im Judentum nennt Jakob Jervell 1991 den Sprachgebrauch von lao,j sowie das jüdische Bild der nichtjüdischen Geschichte in Apg 14,1799, Eckart Reinmuth 1994 die lukanische Verhältnisbestimmung zwischen Israel und den Völkern sowie zusätzlich die Parallelen zwischen Lukas und dem „Liber Antiquitatum Biblicarum“100, Rebecca Denova 1997 das Anliegen des Lukas, Juden gegenüber die Messianität Jesu zu erweisen und die Anwesenheit von Nichtjuden im Gottesvolk

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Auch dann sind immer noch mehrere Möglichkeiten denkbar. H. CONZELMANN, Der geschichtliche Ort der lukanischen Schriften, in: G. BRAUMANN (Hg.), Das LukasEvangelium. Die redaktions- und kompositionsgeschichtliche Forschung (WdF 280), Darmstadt 1974, 236-250: 245; F. BOVON, Das Evangelium nach Lukas, Bd. 1: Lk 1,19,50 (EKK III/1), Neukirchen-Vluyn/Zürich 1989, 23; SCHNELLE, Einleitung, 287, halten Makedonien für die Herkunftsregion des Lukas, aber nicht für den Abfassungsort des lukanischen Doppelwerkes; umgekehrt optiert KLEIN, Lukas, 69. 96 A. WEISER, Apostelgeschichte 1, 40. 97 J. ERNST, Das Lukasevangelium (RNT), Regensburg 61993, 31. 98 Diese Bestimmung ist nicht erst neueren Datums, vgl. Hieronymus, qu. Gen. 46,27 (CC.SL 72, 50). 99 J. JERVELL, Gottes Treue zum untreuen Volk, in: C. BUSSMANN / W. RADL (Hg.), Der Treue Gottes trauen. Beiträge zum Werk des Lukas, FS G. Schneider, Freiburg/Basel/Wien 1991, 15-27; ähnlich dann M. WOLTER, Das lukanische Doppelwerk als Epochengeschichte, in: C. BREYTENBACH u.a. (Hg.), Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung, FS E. Plümacher (AGJU 54), Leiden 2004, 253-284: 284. 100 E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas (WUNT 74), Tübingen 1994, 132-137.

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zu rechtfertigen101, Jervell 1998 das jüdische Christusbild, die um den Begriff lao,j konzentrierte Ekklesiologie, die Soteriologie, die Anschauung von der Weitergeltung der Thora für Judenchristen, die von Lk 1 bis Apg 28 erscheinende jüdische Begrifflichkeit, das Paulusbild als Bild des „ewigen Pharisäers“, die biblizistische Sprache.102 Sylvia Hagene zufolge steht die lukanische Geschichtsschreibung der jüdischen näher als der hellenistischen; Kriterien der Unterscheidung beider sind die religiöse Dimension der Geschichte und das Interesse am Volksganzen.103 Michael Wolter bescheinigt in seinem Lukaskommentar dem Evangelisten eine „ausgezeichnete Kenntnis der Septuaginta, die sogar so weit ging, dass er Septuaginta-Stil imitieren konnte …, und die ihn in die Lage versetzte, seine Jesusgeschichte als Fortsetzung der Geschichte Israels zu erzählen“104 und macht ferner seine Kenntnis der Lehrdifferenzen zwischen Pharisäern und Sadduzäern namhaft (Apg 23,6-8), seine präzise Schilderung jüdischer Milieus in Lk 1-2105 und vor allem „das herausragende Interesse an der Israelfrage, das Lukas allererst veranlasst haben dürfte, die Geschichte der Trennung von Christentum und Judentum als Bestandteil der Geschichte Israels zu schreiben“.106 Kerstin Schiffner schließlich wiederholt die bei Jervell und Reinmuth gegebenen Hinweise auf Apg 14,15-17, wo die Idolatrie und die Abwesenheit des Gottes Israels als für die Geschichte der Nichtjuden konstitutiv gezeichnet werden.107 Ausschlaggebend ist für Dietrich Rusam neben der profunden Bibelkenntnis das Interesse des Lukas, „Jesus als den in den Schriften Vorherverkündigten zu 101 R.I. DENOVA, The Things Accomplished Among Us. Prophetic Tradition in the Structural Pattern of Luke-Acts, (JSNT.S 141), Sheffield 1997, Kap. 7. 102 J. JERVELL, Die Apostelgeschichte übersetzt und erklärt (KEK III), Göttingen 1998, 50; zuvor schon KLINGHARDT, Gesetz und Volk Gottes, 305. – Noch darüber hinaus geht J. RIUS-CAMPS, El mesianismo de Jesús investigado por el rabino Lucas a partir de sus funetes juías y cristianas. Un escrito a modo de ‘demostración (evpi,deixij) dirigido al sumo sacerdote Teófilo, EstBib 63 (2005), 527-557. Seiner Ansicht nach ist das lk Doppelwerk von einem in Jerusalem groß gewordenen pharisäischen Rabbiner geschrieben und will dem Hohenpriester Theophilus die Frage nach der Messianität Jesu beantworten. 103 S. HAGENE, Zeiten der Wiederherstellung. Studien zur lukanischen Geschichtstheologie als Soteriologie (NTA NF 42), Münster 2003, 53-58. 104 WOLTER, Lukasevangelium, 9. 105 WOLTER, Lukasevangelium, 9, verweist auf W. RADL, Das Lukas-Evangelium, (EdF 261), Darmstadt 1988, 23. 106 WOLTER, Lukasevangelium, 9. 107 K. SCHIFFNER, Lukas liest Exodus. Eine Untersuchung zur Aufnahme ersttestamentlicher Befreiungsgeschichte im lukanischen Werk als Schriftlektüre (BWANT 172), Stuttgart 2008, 54. Man könnte noch ein kleines Detail ergänzen: Speisen für rein erklären (Apg 10,15) ist prinzipiell gesehen Erteilung von Thora, nicht deren Abrogation. Das Adjektiv kaqaro,j, auf Speisen bezogen, begegnet Lev 11,47, von kultisch reinen, opferungsfähigen Tieren TLevi 9,13; das Verbum kaqari,zein i. S. v. „für rein erklären“ bei Philo, sobr. 49 (dort auf den Stillstand des Aussatzes bezogen).

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erweisen“.108 Rick Strelan führt neben der Schriftkenntnis des Lukas die Tatsache ins Feld, dass einem jüdischer Lehrer, zumal einem Lehrer priesterlicher Abstammung, in der Urgemeinde größere Autorität für die Sammlung, Gestaltung und Weitergabe der Tradition zugebilligt werde als einem heidenchristlichen Lehrer.109 In der neueren Forschung wird zunehmend deutlich, wie schwierig es ist, zwischen der These des Gottesfürchtigen und der These des genuin jüdischen Lukas die Grenze zu ziehen. Drei allgemeine und drei für Lukas spezifische Gesichtspunkte erschweren die Grenzziehung. Die drei allgemeinen Gesichtspunkte sind die Gefahr des circulus vitiosus zwischen Gesamtkonzept und Einzelbeobachtungen, das eigene Präjudiz in der Frage, was man von einem genuin jüdischen Schriftsteller erwarten müsste und was auch als (partielle) Kenntnis des Judentums durch Nichtjuden plausibel ist, sowie die Entwicklung einer christlichen Binnensprache; die drei spezifisch lukanischen Gesichtspunkte sind die Benutzung von Traditionen durch Lukas, seine Intelligenz im Umgang mit Terminologien, die er nicht selbst geschaffen hat, und schließlich seine schriftstellerischen Tendenzen. So mag der folgende Versuch weniger in der definitiven Entscheidungsfindung als vielmehr in der Gewichtung der Argumente sein Recht haben. Aufgabe des Exegeten ist es in solchen Fällen, sich die Entscheidung schwer zu machen. Um mit dem Sicheren anzufangen: Das, was Lukas aus der ihm vorliegenden Tradition übernommen haben kann, sagt am wenigsten über die eigene jüdische Kompetenz aus. Dazu gehört der Verweis auf die Lehrdifferenzen zwischen Pharisäern und Sadduzäern ebenso wie der Verweis auf die Himmelsstimme. Auch die präzise Schilderung jüdischer Milieus in Lk 1; 2 kann sich dem Einfluss der Tradition verdanken. Aber schon im nächsten Fall wird die Entscheidung schwieriger, und ich wage sie nicht zu fällen: Timotheus als Sohn einer jüdi108 D. RUSAM, Das Lukasevangelium, in: M. EBNER / S. SCHREIBER (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart 2008, 184207: 195. 109 R. STRELAN, Luke the Priest. The Authority of the Author of the Third Gospel, Aldershot/Burlington 2008, 106. Der Verweis auf die dem Evangelisten zugebilligte Autorität (vgl. schon die Bemerkung bei R. PESCH, Das Markusevangelium, Bd. 1, [HThK II/1], 5. Aufl. Freiburg 1989, 11: „Ein Heidenchrist kommt … in früher Zeit kaum als die Jesustradition verantwortende Autorität in Frage“) ist bedenkenswert, auch wenn wir über das Verständnis zeitgenössischer menschlicher Autoritäten im Urchristentum an der Wende zum 2. Jh. nicht sehr viel wissen. Dass Lukas seinem Herkommen nach jüdischer Priester gewesen sein soll (R. STRELAN, Luke, 121), leuchtet indessen nicht ein. Bei STRELAN werden Texte wie Lk 4,16-21; 19,9 (129f) oder Lk 2,34 (137) überdeutet, die Unterschiede zwischen den eigentlich priesterlichen Interessen in Reinheits- und Kalenderfragen und der lukanischen Darstellung solcher Themen zu wenig gewürdigt.

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schen Mutter gilt halachisch als Jude und hätte eigentlich am achten Tag hätte beschnitten werden müssen, nicht erst im Erwachsenenalter (Apg 16,3). Entweder weiß Lukas das nicht; dann wäre dies ein Argument gegen seine jüdische Herkunft. Oder aber es liegt eine Tradition vor, die darauf hinausläuft, dass der genannte Grundsatz bei Timotheus tatsächlich nicht beachtet wurde – dann fiele Apg 16,3 als Basis jedweder diesbezüglichen Argumentation völlig aus. Die Intelligenz des Lukas im Umgang mit Terminologien, die er nicht selbst geschaffen hat, betrifft seine Kenntnis der Sprache der Septuaginta. Deren Kenntnis ist allerdings auch im Heidenchristentum vorauszusetzen, wie schon A. v. Harnack gegenüber Th. Zahn geltend gemacht hat.110 Die Adaption biblischen Stils111 bedingt zumeist keinen korrespondierenden Zugewinn an expliziten intertextuellen Bezügen, wie das andernorts für frühjüdische Exegese typisch ist.112 Für den angeblich durchgehenden biblizistischen Stil beruft sich Jervell auf eine einschlägige Aufstellung bei J.A. Fitzmyer,113 doch verweist diese, wenn man sie genauer in Augenschein nimmt, auf die ungleiche Verteilung einiger dieser Phänomene zwischen Apg 1-12 einerseits, Apg 13-28 andererseits, vor allem aber auf die ungleiche Verteilung zwischen Evangelium und Apostelgeschichte überhaupt.114 Die biblizistische Sprache

110 A. v. HARNACK, Probabilia über die Adresse und den Verfasser des Hebräerbriefes, ZNW 1 (1900), 16-41: 18f. 111 Die von ihm in Mk 1,9; 2,23 vorgefundene Wendung evge,neto evn ... (kai,) + folgender Verbalsatz trägt Lukas gegenüber den Markusparallelen genauso ein (Lk 5,12.17; 6,6.12; 8,22; 9,18.28.37), wie er sie in den redaktionell formulierten Einleitungen zu Q-Texten verwenden kann (Lk 11,1). Über die Hintergründe dieser ungleichmäßigen Behandlung der Markusvorlagen (warum sind Lk 4,31.33.38 nicht ebenso gestaltet?) kann man nur spekulieren. Bei einigen, aber nicht bei allen Belegen wird das jüdische Kolorit unterstrichen. – Biblischem Stil entspricht ferner das einleitende (kai,) ivdou, in seiner Häufigkeit bei Lukas gegenüber den 8 mk Belegen, von denen Lukas nur 2 Belege (Mk 10,28.33) übernommen hat. 112 Theologisch bedeutsam sind nur die Erweiterungen in Lk 4,16-30 gegenüber Mk 6,16a, die Verschiebung der Erzählpragmatik in Lk 10,25-29 gegenüber Mk 22,28-34 und die mögliche Veränderung von Mk 9,7 in Lk 9,35: Mit dem Begriff evlelegme,noj (statt wie Mk 9,7 avga,phtoj) könnte auf Jes 42,1 (dort allerdings evklektoj) angespielt, Jesus damit als Gottesknecht prädiziert sein. 113 JERVELL, Apostelgeschichte, 84 Anm 192. 114 Als markanteste Beispiele seien genannt: Die Formel kai. ivdou, begegnet 26 mal im Evangelium, aber nur sechsmal in Apg (5,28; 10,30; 27,24), davon dreimal als kai. nu/n ivdou, 13,11; 20,22.25. Die Konstruktion evge,neto de + finites Verb ohne Kopula begegnet 22 mal im Evangelium, mit der Ausnahme 10,25 nirgends in Apg., der substantivierter Infinitiv mit Artikel im Dativ und voranstehendem evn begegnet 32 mal im Evangelium, siebenmal in Apg (Apg 2,1; 3,26; 4,30; 8,6; 9,3; 11,25; 19,1). Das unbetonte kai. copulativum + auvto,j begegnet im Evangelium 20 mal, in der Apostelgeschichte an vier Stellen (15,27; 22,20; 24,16; 7,36). Die Wendung avpokriqei,j + verbum dicendi begegnet im Evangelium 39 mal, in Apg 8 mal, davon nur zweimal jenseits von Apg 16, nämlich in der Einleitung der Rede, mit welcher der Dämon die sieben Söhne des

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herrscht also vor allem in den Teilen, die im Lande Israel spielen, und zeigen so das Geschick des Historikers, der sich der Umgebung der erzählten Handlung auch in seiner Darstellung anzupassen hatte. Die theologische Funktion des biblischen Rückbezuges für Lukas, wie sie in letzter Zeit vor allem durch D. Rusam herausgearbeitet worden ist115, hilft ebenfalls nur bedingt zur Entscheidung, da man schwer abschätzen kann, was man einem Heidenchristen generell zutrauen darf. Apg 12,20-23; 14,15-17 sind zweifellos nur auf jüdisch-hellenistischem Hintergrund verständlich.116 Doch selbst in der Areopagrede sind biblische Anklänge festzustellen, so die Wendungen ceiropoihtoi. naoi, in Apg 17,24 und evx e`no,j, auf Adam oder Noah bezogen, in Apg 17,26. Allerdings können sich solche Einflüsse auch heidenchristlicher Bibellektüre verdanken, die ihrerseits nicht ohne Einfluss auf die sich ausdifferenzierende christliche Binnensprache geblieben ist. Jüdische und spätere christliche Apologetik argumentieren in diesen Themenfeldern ohnehin analog; die gemeinsamen Voraussetzungen erschweren methodisch jedoch, aus der Behauptung einer Analogie die Behauptung einer Genealogie zu machen. Richtig ist, dass das lukanische Doppelwerk einem ausschließlich durch griechisch-römische Tradition geprägten Zeitgenossen unverständlich wäre117; das ist schon an den nirgends erklärten Wendungen basilei,a tou/ qeou/ und ui`o.j tou/ avnqrw,pou ersichtlich. Doch verweist das nicht zwingend auf die Verwurzelung des Lukas im Judentum, sondern doch wohl eher auf eine sich entwickelnde christliche Binnensprache, der sich auch die Kenntnis der Septuaginta verdankt.118 Die schriftstellerischen Tendenzen des Lukas sind an einem Punkt in Anschlag zu bringen, der m.E. vorschnell gegen eine Herkunft des Lukas aus dem Judentum eingewandt wird, nämlich in der Exegese zu Lk 2,22-24. Bei der Reinigung der Mutter Jesu nach Lev 12,4 f. ist nur die Anwesenheit ihrer selbst erforderlich. Die Auslösung der Erstgeburt (nach Ex 13,2), mit der die Anwesenheit Josephs und Jesu in der

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Skevas des Hauses verweist, in Apg 19,15 (er tut es also, eingeführt in biblischer Sprache!), und in Apg 25,9. D. RUSAM, Das Alte Testament bei Lukas (BZNW 112), Berlin/New York 2003, 494. Zu Parallelen zwischen diesem Text und alttestamentlich-frühjüdischen Texten vgl. KRAUS, Lukas, 236f. A.D. NOCK, Rez. M. Dibelius, Aufsätze zur Apostelgeschichte, Gnomon 25 (1953), 497-506: 501. Dass der Adressat des lukanischen Doppelwerkes Theophilus nicht als Nichtchrist, sondern als Christ zu charakterisieren ist, wurde in der Forschung schon mehrfach begründet. Gestützt wird die Annahme auch durch den Umstand, dass das Verbum pisteu,ein zur Benennung des angemessenen Verhältnisses zu Gott stets unkommentiert erscheint und dass in der Apostelgeschichte nirgends thematisiert wird, welche die im Evangelium mitgeteilten Details über Jesus von Nazareth für den nichtchristlichen und nichtjüdischen Leser eigentlich haben sollen.

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Szene begründet werden soll, könnte bei jedem im Lande wohnenden Priester geschehen.119 Man muss dazu nicht nach Jerusalem kommen. Bevor man Lukas jedoch eine diesbezügliche Unkenntnis unterstellt, muss man seine literarische und theologische Tendenz berücksichtigen: Jesus soll im Tempel sein, an zentraler Stelle in Israel. Das soll für Simeons und Hannas Auftreten die passende Szenerie bereitzustellen und die bekannte Bedeutsamkeit der beiden Prophetien Lk 2,29-32; 2,34f. unterstreichen. Dass Lukas die fünf Schekel nicht erwähnt, mag als Zugeständnis an den Geschmack seiner Leser verständlich sein; Lukas will Pedanterie vermeiden. All das bedeutet aber: Lk 2,22-24 fällt für diese Frage als Argument weitgehend aus. Nun ist die Rezeption jüdischer Motive und Sachverhalte zu beleuchten. Zur jüdischen Christologie des Verfassers bemerkte schon Ph. Vielhauer: „Inwiefern seine eigene Anschauung sich mit den Vorstellungen vom pai/j qeou/ und avrchgo,j (Apg 3,13.26; 4,27.30; 3,15; 5,31) deckt, ist nicht sicher zu entscheiden. Er reproduziert sie, aber er expliziert sie nicht.“120 E. Plümacher rechnet mit einer bloßen archaisierenden Tendenz und verweist auf Parallelen bei Livius.121 Die Prophetenchristologie stellt Züge Elias und Elisas122, Jeremias123 und des endzeitlichen Propheten nach Dtn 18,15.18124 zusammen, deren Funktion unterschiedlich ist: Die Machttaten sollen Jesus als Messias auf Erden beglaubigen125, die Prophetenerwartung nach Dtn 18 als gegenwärtige Autorität für die Gläubigen126 wie als zukünftigen Richter. Daneben steht die Tradition vom gewaltsamen Geschick der Propheten, die das 119 Mekh Ex 13,2 (22b). 120 VIELHAUER, Zum „Paulinismus“ der Apostelgeschichte, 22; ähnlich H. CONZELMANN, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas (BHTh 17), Tübingen 51964, 158. 121 E. PLÜMACHER, Lukas als hellenistischer Schriftsteller. Studien zur Apostelgeschichte (StUNT 9), Göttingen 1972, 74f. 122 Lk 7,16; 24,19. Das Stichwort lo,goj begegnet von Elia Sir 48,1, von Elisa Sir 48,13, von den te,rata und den e;rga Elisas ist Sir 48,14 die Rede. Der Begriff du,natoj in Lk 24,19 ist in der LXX manchmal zur Charakterisierung des Wirkens der Richter verwendet (Ri 6,12; 11,1), gelegentlich auch zur Kennzeichnung der Macht Gottes (Jer 39 LXX (32 MT), 19). 123 Lk 13,34f.; 19,41-44; 23,27-31. 124 Apg 3,22f. 125 Vgl. U. BUSSE, Die Wunder des Propheten Jesus. Die Rezeption, Komposition und Interpretation der Wundertradition im Evangelium des Lukas (FzB 24), Würzburg 1977, 175: „Die Machtdemonstrationen haben bei Lukas propagandistische Wirkung“. Lukas knüpft mit dem Stichwort evpiske,ptesqai an Gottes Rettungstaten für einzelne (Gen 21,1; 1 Sam 2,21) wie für das Volk Israel an (Gen 50,24; Ex 3,16; 4,31; Judith 8,33; Ruth 1,6). Das Motiv erscheint nur selten in der Gebetssprache, vgl. aber Ps 79,15; 105,4; Jer 15,15. 126 Lk 9,35 („hört auf ihn“). Zum Bezug der Verklärungsperikope auf Dtn 18 vgl. W. KRAUS, Die Bedeutung von Dtn 18,15-18 für das Verständnis Jesu als Prophet, ZNW 90 (1999), 153-176: 164.

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Schicksal Jesu wie seiner Boten begreiflich macht. Auch das Leiden ist Erfüllung prophetischer Vorhersage (Apg 8,32-35) und deshalb weder die Widerlegung der Ansprüche Jesu noch auch allgemeiner Zeichen seines Scheiterns.127 Das Nebeneinander der verschiedenen Prophetenkonzeptionen bei Lukas kann auch als der Versuch verstanden werden, möglichst viel Biblisches auf Jesus zu beziehen, eben in der Absicht, Jesus als den Messias Israels zu erweisen.128 Dass Lukas in Bahnen biblischer, d.h. „alttestamentlicher“ Ethik denkt, ist offensichtlich129; zwischen dem Täufer und Jesus besteht nicht nur Unterordnung, sondern auch Parallelität der ethischen Forderung130. Wichtiger ist die Behandlung halachischer Fragen durch den Evangelisten. Zweifellos kennt Lukas die Funktion der Speisegesetze als Teil der Distanzierung zwischen Juden und Nichtjuden (vgl. Apg 10,15; 10,28 und 10,34 f. miteinander), allerdings ist solche Kenntnis auch aus der Außenperspektive denkbar. Dass Lukas in Apg 15 die Beschneidung auf Mose und nicht auf Abraham zurückführt, mag man damit erklären, dass sie pars pro toto für die Thorathematik insgesamt zu stehen kommt.131 Die Leute von Judäa werden die Beschneidung aber historisch gesehen wohl kaum als bloßes e;qoj bezeichnen132, wie es Lukas beschreibt; die Redeweise vom „Gesetz des Mose“133 ist auch schon als semantische Opposition zu „Gesetz Gottes“ gedeutet worden. Die Thora als Joch zu bezeichnen, das „weder unsere Väter noch wir tragen

127 Lukas ist hierin Apologet, wie insgesamt zu beachten ist, dass sich dem Christentum die apologetische Aufgabe seit dem Tag des irdischen Lebensendes Jesu gestellt hat. 128 Zum Thema der Soteriologie verweist J. JERVELL, Gottes Treue (s. Anm. 99), 21, auf den Sachverhalt, dass die dem Volk Israel und seinen Angehörigen gegebenen Heilsverheißungen niemals aufgehoben worden sind. Angesichts von Apg 13,46f.; 18,6; 28,25-28 ist das faktisch ein argumentum e silentio, das ich nicht übergewichten will. Auf Apg 28,26-28 hat kritisch dazu schon E. GRÄßER, Forschungen zur Apostelgeschichte (WUNT 137), Tübingen 2001, 39, verwiesen. 129 Vgl. Lk 16,29. 130 Vgl. Lk3,11/6,37; Lk 3,13/19,8b. 131 D.R. SCHWARTZ, God, Gentiles, and Jewish Law: On Acts 15 and Josephus’ Adiabene Narrative, in: H. CANCIK / H. LICHTENBERGER / P. SCHÄFER (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion, FS M. Hengel Bd. 1, hg. v. P. SCHÄFER, Tübingen 1996, 263-282: 279. Er vermutet, Lukas habe den Bericht des Josephus über die Konversion des Königshauses zu Adiabene gelesen – nur in dieser Erzählung sei ein analoges Verfahren zu erkennen. 132 D.R. SCHWARTZ, God, Gentiles, and Jewish Law, 272f. Er bezeichnet in diesem Zusammenhang Lukas als „non-Jew“ (273). Zur Redeweise von den jüdischen e;qh vgl. Lk 1,9; 2,42; 22,39; Apg 6,14; 15,1; 16,21; 21,21; 26,3; 28,7. 133 Zu diesem Sprachgebrauch vgl. Lk 2,22; 5,14; 16,19.31; 24,27.41; 26,32; Apg 6,11; 13,28; 15,1.8.21; 21,21; 24,27; 26,32; 28,23. Man kann allerdings fragen, ob damit stets eine Abwertung bzw. eine Opposition zum jüdischen Gesetz impliziert ist.

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konnten“ (Apg 15,10), ist nicht an Ps 1; 19; 119 orientiert.134 Dass jeder Glaubende gerechtfertigt wird in dem, worin er durch das Gesetz des Mose nicht gerechtfertigt werden konnte (Apg 13,38f), wirkt wie eine Zusammenfassung zentraler paulinischer Anliegen, aber eine Zusammenfassung, die deren Durchsetzung schon längst im Rücken hat, sie nicht erst erkämpfen muss. Speise- und Reinheitsgebote sowie das Gebot der Beschneidung interessieren Lukas nur insofern, als sie die Hereinnahme von Nichtjuden in den lao,j betreffen135; dabei wären auch andere halachische Fragen zu klären, etwa die Frage des Termins der regelmäßigen Gemeindeversammlung, die man kaum so ignorieren dürfte wie es Apg 20,7-11 tut. Ungenau sind die Angaben zum Nasiräat in Apg 18,18 und Apg 21,23f.136 In Num 6,12-20 ist die Auslösung des Nasiräats am Zentralheiligtum vorgesehen, und die Nachrichten über tatsächlich praktizierte Nasiräatsgelübde in der Zeit des Zweiten Tempels bestätigen, dass die Auslösung in Jerusalem erfolgte.137 Auch in späterer Literatur wird das Abscheren des Haares zumindest als im Mutterland Israel erfolgend gedacht.138 Apg 18,18 wäre diesbezüglich singulär in antiker Literaturgeschichte. In Apg 21,24 kann die Aufforderung „Reinige dich mit ihnen“ kaum ein Nasiräatsgelübde meinen, da dafür die Mindestzeit 30 Tage betrug, die aber nicht außerhalb Israels verbracht wurde.139 Apg 21,24 meint eher die Lösung leichterer levitischer Verunreinigun-

134 Die Niedrigkeitsdoxologien aus Qumran sind keine Parallele dazu, denn sie dienen der Verherrlichung, nicht der Relativierung der Thora. Einen möglichen Ausweg bietet W.R.G. LOADER, Jesus’ Attitude to the Law. A Study of the Gospels (WUNT II 97), Tübingen 1997, 373: Apg 15,10 wende sich nicht negativ gegen die Thora; gesagt sei vielmehr: „In effect Luke is having Peter remind his Jewish colleagues that they are just as much sinners as Gentiles are“. Lukas hätte damit die faktische Deutung von Aussagen wie Gal 2,16 rezipiert: Die e;rga no,mou rechtfertigen nicht, weil kein Mensch sie faktisch ganz erfüllt (so auch KLINGHARDT, Gesetz und Volk Gottes, 111f.). 135 Dieser Begriff ist tatsächlich zumeist für Israel gebraucht, bezeichnet jedoch an wichtiger Stelle, in Apg 15,14, aufgrund des Rückverweises auf die Petrusrede (Apg 15,7) als durch Petrus gesammeltes Gottesvolk aus den Heiden. 136 Historisch gesehen richtig an der Darstellung Apg 21,23f. ist jedoch, dass die Übernahme der nicht unerheblichen Kosten für die Auslösung durch andere überhaupt als möglich erachtet wurde, vgl mNaz 2,5. 137 In der Reihenfolge der referierten Ereignisse sind zu nennen: bNed 9b; 1 Makk 3,4753; jBer VII 2 (11b); Josephus, Ant 19,294; mNaz 3,6; Josephus, Bell 2,313f. – Dass das Nasiräatsgelübde in der Qumran-Literatur nicht eigens thematisiert wird, muss nicht verwundern: Die Qumrangemeinschaft verstand sich insgesamt als priesterlich und damit dem priesterähnlichen Status des Nasiräers von Haus aus überlegen. Immerhin: Der Priester soll eine Weihe (nezaer) sein für das Allerheiligste (1QSb 4,28). 138 NumR 10 (161 c). 139 mNaz 1,3.

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gen, zu denen auch der Aufenthalt des Paulus außerhalb des Landes Israel gehört.140 So halte ich die Gründe, die für eine jüdische Herkunft des Lukas sprechen, für beachtenswert141, aber nicht für völlig durchschlagend. Gleichwohl sind sie zu bedenken, wenn nun der theologiegeschichtliche Standort des Lukas erhoben werden soll. Aber selbst die These, Lukas sei Gottesfürchtiger, muss mit einer Schwierigkeit fertig werden, die meist übersehen wird: Der Widerstand gegen Jesus wie gegen seine Verkündiger entzündet sich mehrfach gerade daran, ob Nichtjuden in den lao,j einbezogen werden sollen oder nicht; Lukas schreibt den nicht an Jesus glaubenden Juden eine eindeutig negative, den an Jesus glaubenden Juden zunächst eine skeptische und dann eine tolerierende Haltung zu. Im Hinblick auf die bekannten Zeugnisse in griechischrömischer wie jüdischer Literatur, die die Anziehungskraft des Judentums auf Nichtjuden belegen,142 kann diese Darstellung des nicht an Jesus glaubenden Judentums nicht als historisch zutreffend beurteilt werden. Zusätzlich aber ist zu fragen: Ist sie seitens eines Gottesfürchtigen möglich? Lukas müsste eigenes Erleben vergessen – oder seinen polemischen Absichten geopfert haben.

3. Lukas zwischen Juden- und Heidenchristen? Für die theologiegeschichtliche Frage zum lukanischen Doppelwerk ist an die klassische These von F.C. Baur zu erinnern, derzufolge Lukas eine Aussöhnung zwischen der petrinischen und der paulinischen Partei im Urchristentum erstrebt.143 Nicht nur aus Gründen der wissen140 mNaz 7,3. 141 Allerdings müssen, betrachtet man das vor allem in Philo und Josephus greifbare hellenistische Judentum, auch Argumente relativiert werden, die gelegentlich die heidenchristliche Herkunft des Lukas begründen sollen, u.a. seine Beherrschung der griechischen Sprache und Literazität (so zu Recht STRELAN, Luke, 105) und seine Kenntnis in juristischen Fragen (dazu vgl. E. HEUSLER, Kapitalprozesse im lukanischen Doppelwerk. Die Verfahren gegen Jesus und Paulus in exegetischer und rechtshistorischer Perspektive [NTA NF 38], Münster 2000, passim). 142 Von jüdischen Missionsversuchen spricht Horaz, serm. I 4, 143; Übertritte von Nichtjuden zum Judentum sind bei Tacitus, Hist. V,5,2 vorausgesetzt. Von der erhofften Bekehrung von Nichtjuden vgl. in jüdischer Literatur Tob 14,6; Jdt 14,10; äthHen 10,21; vgl. ferner JosAs. Zur realen Überzeugungskraft jüdischer Bräuche auf Nichtjuden vgl. Seneca, bei Augustin, De civitate Dei 6,11 (victi victoribus leges dederunt); Plutarch, de superstitione 3, 166 A; zur Überzeugungskraft jüdischer Gesetze vgl. Josephus, Contra Apionem 2, 282f. passim. Auf die wahrscheinliche Existenz der sog. Gottesfürchtigen kann hier nur verwiesen werden. 143 SHELLARD, New Light on Luke, passim, trägt wiederum eine ähnliche Theorie vor, die mit einer die Zweiquellentheorie ablehnenden literarkritischen Rekonstruktion einhergeht: Lukas wolle durch sein um 100 geschriebenes Doppelwerk verschiedene

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schaftlichen curiositas sei auch eine bei Theophylakt von Ochrid aufbewahrte Tradition erwähnt, derzufolge Lukas das Evangelium mit Erlaubnis des Petrus, die Apostelgeschichte mit Erlaubnis des Paulus geschrieben habe.144 Gerade hier wird aber zu fragen sein, ob Lukas als Schriftsteller für sich allein steht, oder ob man Rückschlüsse auf seine Gemeinde ziehen kann, und wenn ja in welche Richtung, etwa dergestalt, dass Lukas nicht für eine rein heidenchristliche Gemeinde, sondern für eine aus Juden- und Heidenchristen zusammengesetzt Gemeinde schreibt. Matthias Klinghardt hat entschieden in letzterem Sinne votiert; ihm zufolge repräsentieren die Pharisäer im lukanischen Werk die strengen Judenchristen, die Schriftgelehrten die nichtchristlichen Juden, die o;cloi und die sozial Randständigen die gemäßigten Judenchristen, die Gottesfürchtigen die Heiden. Lukas steht den Randständigen am nächsten. Einwände sind jedoch nicht ausgeblieben. Zwischen Pharisäern und Schriftgelehrten wird, so R. von Bendemann, im Evangelium nicht streng unterschieden (vgl. die Erwähnung der farisai/oi in Lk 11,43, der grammatei/j in 11,53f); die erzählerische Rhetorik in puncto Pharisäer und Schriftgelehrte läuft der von Klinghardt behaupteten Integrationsleistung geradezu diametral zuwider.145 Man kann ergänzen: Lukas zeigt in Apg 6-8 sowie in Apg 15; 21 m.E. deutlich genug, dass er verschiedene Gruppierungen innerhalb des Judenchristentums vor Augen hat. Die Position der christlichen Pharisäer in Apg 15,5 teilt er nicht, aber er stellt sie keineswegs mit den in Lk 11 angesprochenen Pharisäern auf eine Linie. Es ist daher nicht nötig, zusätzlich die Darstellung

urchristliche Ströme versöhnen: die heidenchristlich/paulinische Tradition, in den Evangelien durch Mk verkörpert, das Judenchristentum des Mt und das sehr eigene Judenchristentum des Johannes. Die lukanische Abhängigkeit von Matthäus unter Verzicht auf die Q-Hypothese (83) begründet sie u.a. mit der Akoluthie und den „minor agreements“; dass Lukas das Johannesevangelium verarbeitet haben soll, begründet sie vor allem mit lukanischen Texten, die markinische und johanneische Eigenheiten kombinieren (218), mit dem Umstand, dass Lukas an den Stellen stärker von Markus abweicht, wo auch johanneische Parallelen vorliegen (236 u.ö.), und mit Texten aus der Passionsgeschichte, die bei Markus und Matthäus keine Parallele haben, und in die johanneische Formulierungen ohne den johanneischen Kontextbezug eingegangen sind (248). Ob dies literarische Abhängigkeit zu belegen vermag, bleibt indes zu fragen. 144 Theophylakt, in Lc., PG 123, 685 A. Dorotheus von Gaza wird als Urheber dieser These benannt. In den erhaltenen Werken dieses Autors lässt sie sich m.W. nicht nachweisen. 145 R. V. BENDEMANN, Zwischen DOXA und STAUROS. Eine exegetische Untersuchung der Texte des sogenannten Reiseberichts im Lukasevangelium (BZNW 101), Berlin/New York 2001, 398. Von den erzählten Pharisäern und Schriftgelehrten eröffnet sich kein Fenster zur Gegenwart von Judenchristen bzw. nicht an Jesus glaubenden Juden in der Welt des Evangelisten (a.a.O., 407).

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der Pharisäer und der Schriftgelehrten aus dem Evangelium auf innerchristliche Verhältnisse abzubilden. Nun aber zur eigenen Standortbestimmung des Lukas: 1) Er schreibt für Heidenchristen von einem heidenchristlichen Standort aus. 2) Judenchristen nimmt er wahr, hat aber kein selbständiges Interesse an ihnen. In den Reden gegenüber den nicht an Jesus glaubenden Juden werden die Judenchristen nirgends als nachahmenswertes Vorbild empfohlen, deren positive Erfahrungen in der neuen Gemeinschaft Sekundärkonversionen von bisher nicht an Jesus glaubenden Juden nach sich ziehen könnte. 3) Das Zusammenleben sieht er für die Kirchengebiete Antiochien, Syrien und Kilikien durch das Aposteldekret geregelt, für die übrigen Kirchengebiete ist kein verlässlicher Hinweis gegeben. ad 1. Diejenigen, die für sich Kontinuität zu dem lao,j qeou/ Israel beanspruchen dürfen, sind in den Augen des Lukas die Anhänger Jesu aus Juden und Heiden. Dass der Plan Gottes die endzeitliche Sammlung Israels impliziert, wird letztmalig in der Apostelgeschichte in der ersten Hälfte des Amoszitates Apg 15,16 gesagt. Der Plan Gottes sieht aber vor allem auch den Einbezug von Nichtjuden in das Gottesvolk vor; das ist „gottgewollt“146 und in der Heiligen Schrift angekündigt. Daran drohen die nicht an Jesus glaubenden Juden zu scheitern, und das haben auch einige der an Jesus glaubenden Juden erst lernen müssen, wie Apg 10,1-11,18 in aller Ausführlichkeit belegen. Es sind aber dann die Jerusalemer Autoritäten Petrus und Jakobus, die gegen die Bedenken anderer Judenchristen die beschneidungsfreie Heidenmission unter gewissen Auflagen nicht nur tolerieren, sondern als gottgewollt (Apg 15,15) und geistgewirkt (Apg 15,28) deklarieren. Doch ist der aktuelle Standpunkt des Lukas, wie ad 2. zu zeigen ist, nicht ein Standpunkt jenseits der Partikularität von Juden- und Heidenchristentum147: ad 2. Dass Lukas nur bei Juden auf Massenbekehrungen zu sprechen kommt, hat Jervell betont.148 Auch für die jüdische Diaspora vermerkt 146 D. RUSAM, Das Alte Testament bei Lukas, 494. 147 Vgl. auch H. GANSER-KERPERIN, Das Zeugnis des Tempels. Studien zur Bedeutung des Tempelmotivs im lukanischen Doppelwerk (NTA NF 36), Münster 2000, 378, mit dessen Sichtweise sich die hier vorgetragenen Aufstellungen eng berühren. 148 Der bis zu diesem Hinweis Jervells vorherrschende Eindruck einer erfolgreichen Mission des Christentums unter Nichtjuden ist durch Apg 13,48; 14,27; 15,12; 21,19; 28,28 bestimmt. Nichtjüdische Christen konnten in diesen Stellen ihre eigene Zugehörigkeit zur Kirche angekündigt finden.

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Lukas wiederholt, dass Juden zum Glauben an Jesus kommen; von Judenchristen weiß Lukas in Antiochia in Pisidien, Ikonium, Lystra, Beröa, Korinth, Ephesus und Rom.149 Im Hinblick auf diese Bekehrungen bezieht die Wendung evn panti. e;qnei (Apg 10,35) auch Israel mit ein. Dementsprechend stehen einige Belege für den Begriff vIoudai/oi nicht wie sonst zumeist für die die Verkündiger Jesu ablehnenden Juden, sondern für diejenigen, die zum Glauben kommen, vgl. Apg 13,43; 14,1b; 17,10-12; 18,19. Es ist durchaus im Sinne des Lukas, wenn für den Judenchristen Apollos Empfehlungsbriefe geschrieben werden (Apg 18,28). Die Rücksichtnahme des Paulus auf jüdisches (Apg 16,3) wie judenchristliches (Apg 21,26) Empfinden muss nicht pure Apologetik sein. Lukas teilt die Position der christlichen Pharisäer (Apg 15,5) nicht, aber er spricht ihnen nicht ab, Christen zu sein. Ein selbständiges Interesse an ihnen als einer Gruppe innerhalb der jeweiligen christlichen Gemeinde oder gar ein aktuelles, auf die eigene Gegenwart bezogenes Interesse an ihnen kann ich bei Lukas jedoch nicht erkennen.150 Die Legitimität der beschneidungsfreien Heidenmission steht für Lukas außer Frage; dass er sein Werk zu dem Zweck schreibt, um diese Legitimität zu erweisen, setzt jedoch eine aktuelle Gesprächssituation im Gegenüber zu Judenchristen voraus, wofür m.E. textinterne Signale nicht zwingend gegeben sind: Apg 15 kann auch als Darstellung der Vergangenheit gelesen werden, die zwar historisch die Gegenwart erklärt, aber theologisch darüber hinaus keine weiterreichenden Implikationen erkennen lässt. Die Mahnungen, an den Herrn zu glauben (Apg 16,31) und mit festem Herzen an dem Herrn zu bleiben (Apg 11,23; vgl. Apg 14,22) sind semantisch offen formuliert151 und haben nur indirekte Verweisfunktion auf die lukanische Jesusdarstellung mit ihrer Bezogenheit auf Israel; Apg 20,28-35 nimmt biblische Motive für die Rechtfertigung des Verhaltens des Apostels auf, die aber nur textextern zu erschließen sind und nicht textintern vermittelt werden; im übrigen fehlt selbst hier z.B. der Verweis, an der Schrift zu bleiben (anders 2Tim 3,14-17). Wirkungsgeschichtlich gesehen hat Lukas den späteren christlichen Antijudaismus nicht verhindert. Die von ihm wie von anderen geteilte Theorie, dass letztlich die jüdischen Oberen 149 Apg 13,43; 14,1; 16,1; 17,10-12; 18,8; 18,24-28; 21,20; 28,24. 150 Man muss auch mit der Möglichkeit rechnen, dass Lukas um die in Röm 15,31 angedeuteten Probleme weiß, vgl. Apg 24,17. 151 Allerdings bietet auch Paulus’ Formulierung zur Umschreibung christlichen Lebens oft in gewisser semantischer Offenheit und ohne unmittelbaren Bezug zur Thora als Quelle christlicher Ethik: „(des berufenden) Gottes würdig leben“ (1Thess 2,12); „für Gott leben“ (Gal 2,19; Röm 6,11); „für Gott Frucht bringen“ (Röm 7,4); „erkennen, was der Wille Gottes ist“ (Röm 12,2); „des Evangeliums von Christus würdig leben“ (Phil 1,27). Eine Ausnahme bildet nur Röm 8,4.

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schuld sind am Tod Jesu, hatte ohnehin nicht das Potential dazu, ebenso wenig die in der Apostelgeschichte zunehmend pauschalisierende Darstellung der Konflikte zwischen Paulus und (den) nicht an Jesus glaubenden Juden.152 ad 3. Das sog. Aposteldekret wirkt auf den Leser nicht als Konzession an die Judenchristen153, sondern als Erleichterung zugunsten der Heidenchristen, und man hat den Eindruck, nur dank geschickter Strategie des Petrus und des Jakobus kann sich die Position des Paulus und Barnabas mit Abstrichen behaupten. Das ergibt sich m.E. aus der Personenführung in Apg 15,6-21: Die Diskussionsbeiträge der christlichen Pharisäer werden nicht referiert, sondern sind dem Leser nur aus dem Hinweis auf den großen Streit zu entnehmen; es ist dann Petrus, der das eigene gegenteilige Erleben (s. Apg 10,1-11,18) als Erfahrung des Wirkens Gottes deutet und die theologischen Grundlagen der Kirchengemeinschaft zwischen Juden- und Heidenchristen benennt; dann ergänzen Barnabas und Paulus die bei Petrus angedeutete Faktizität des Handelns Gottes durch die Darbietung der Fakten aus ihrem eigenen Wirken; Jakobus nimmt nicht auf Paulus und Barnabas, sondern auf die in Jerusalem immer noch anerkannte Autorität des Petrus Bezug, beweist sodann, dass das soeben Gehörte der Heiligen Schrift entspricht und leitet, ohne dass den christlichen Pharisäern die Möglichkeit einer Reaktion eingeräumt würde, sofort zur Beschlussfassung über; diese firmiert als Erleichterung für die Heidenchristen und besagt nur implizit für den Leser, dass auch dem judenchristlichen Empfinden Rechnung getragen werden soll.

4. Zusammenfassung Zum theologiegeschichtlichen Standort des lukanischen Doppelwerkes sind keine Aussagen möglich, die Unwiderleglichkeit beanspruchen, 152 Im Vorderteil der Apostelgeschichte gelten zunächst nur die Führungsschichten Israels als Gegner der Jesusanhänger (vgl. selbst noch die Differenzierung zwischen den Jerusalemer Juden und anderen Juden in Apg 13,27.32), bis in Apg 12,3 von „den Juden“ als den Gegnern die Rede ist. Im zweiten Teil stehen differenzierende Angaben wie Apg 14,19; 19,9 und selbst noch Apg 17,13; 21,27; 28,24 neben den pauschalen Angaben (oi` vIoudai/oi) in Apg 13,45.50; 14,4 (zu Beginn der 1. Missionsreise!); 17,5; 18,12; 20,19; 21,11; vgl. ferner den Kontrast zwischen „ihnen“ und den Nichtjuden Apg 22,18.21 (im Munde Christi!). Die pauschalierende Angabe oi` vIoudai/oi in Apg 23,12 wird durch die Zahlenangabe Apg 23,13 erst nachträglich eingeschränkt. 153 Johannes Chrysostomus, comm. in Gal. (PG 61, 636). Die Nachgiebigkeit der anderen Apostel, den Judenchristen weiterhin die Beschneidung zu belassen, sei Klugheit, um sie nicht von vornherein zu verprellen.

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sondern nur Vermutungen, die anhand gewisser Textsignale plausibilisiert werden können, und zwar mit einem unterschiedlichen Grad an Gewissheit. Noch am ehesten lässt sich eine Datierung um die Wende zum zweiten Jahrhundert vermuten. Plausibel ist die Kennzeichnung des Autors als eines Gottesfürchtigen, sofern man die Schilderung des nicht an Jesus glaubenden Judentums der bloßen Polemik zuzuschlagen bereit ist. Wo das Lukasevangelium, wo die Apostelgeschichte entstanden ist, wissen wir nicht. Lukas will Theophilus und die für ihn stehenden Christen über das Leben und Wirken Jesu ebenso informieren wie über die geschichtliche Entwicklung seiner Bewegung. Der Standpunkt, von dem aus Lukas schreibt, ist ein Christentum unter den Völkern, für das m.E. ein Mehrfaches kennzeichnend ist: 1) Gegenüber dem nicht an Jesus glaubenden Judentum hat es sich auch organisatorisch verselbständigt; 2) eine Orientierung an religiösen Traditionen Israels besteht in Fragen des Monotheismus und des Bildes eines geschichtlich handelnden Gottes sowie in der Ethik, aber kaum mehr in rituellen Fragen; 3) gleichwohl sieht man sich in einer in Gottes Wollen begründete und in der Heiligen Schrift angekündigte Kontinuität mit Israel, die man den nicht an Jesus glaubenden Juden der eigenen Zeit nicht mehr zuerkennt. 4) Diese Ausprägung des Christentums um die Jahrhundertwende steht neben anderen Ausprägungen wie dem Judenchristentum in Israel und in Syrien. Sachlich mindestens ebenso weit entfernt steht es aber von den im zweiten Jahrhundert sichtbaren verschiedenen gnostischen Strömungen.

2. Alttestamentliche und antike Voraussetzungen frühchristlicher Theologie

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Ursprung der Bundestheologie

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Exodus 24 und die Frage nach dem Ursprung der Bundestheologie im Alten Testament mit einem Ausblick auf die Herrenmahlsüberlieferung im Neuen Testament Axel Graupner

1. Die Bundestheologie gilt gegenwärtig weithin als jüngeres theologisches Konzept, das frühestens in der Mitte des 7. Jh. entwickelt wurde. Wegweisend für diese Auffassung war die Einschätzung Julius Wellhausens: „Auch in der späterhin so sehr beliebt gewordenen Form des Bundes hat die Theokratie nicht seit Moses existiert. Das Verhältnis Jahves zu Israel war von Haus aus ein natürliches; kein zum Nachdenken geeignetes Zwischen trennte ihn von seinem Volke“. Erst durch die Verkündigung der Propheten „trat die Natur und der Inhalt der Bedingungen, die Jahve an das Volk zu stellen hatte, in den Vordergrund der Betrachtung … Sachlich entstand auf diese Weise der Begriff des Bundes … Der Name Berith aber findet sich bei den alten Propheten noch nicht … Der Name Berith hat wahrscheinlich einen ganz anderen Ausgangspunkt. Die alten Hebräer hatten für Gesetz keine andere Vorstellung und keine andere Bezeichnung als die des Vertrages … Dieser Sprachgebrauch, Berith (d.i. Vertrag) für Gesetz ließ sich nun sehr bequem der prophetischen Grundidee anpassen und nach derselben deuten, wonach das Verhältnis Jahves zu Israel bedingt war durch die Forderungen seiner Gerechtigkeit, deren Inhalt durch sein Wort und seine Weisung explicit wurde … Seit dem feierlichen und folgenschweren Akte, durch den Josia dies Gesetz einführte, scheint die Idee der Bundesschließung zwischen Jahve und Israel in den Mittelpunkt der religiösen Reflexion gerückt zu sein; sie herrscht im Deuteronomium, bei Jeremias, Ezechiel, in Isa. 40–66, Lev. 17–26, und am meisten im Vierbundesbuche [s.c. in der Priesterschrift].“1

1

J. WELLHAUSEN, Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin/Leipzig 1883. 61905 = 1927; ND 1981, 415–417.

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Bestimmend für die Einschätzung, dass die begriffliche Fassung der Gemeinschaft von Gott und Volk als tyrb „Bund“ wesenhaft nachprophetisch ist, war die enge Verbindung von Bund und Gesetz. Ist das Gesetz jünger als die Propheten, kann der theologische Gebrauch des Begriffs tyrb „Bund“ nicht älter sein. Lex post prophetas! Wellhausens Auffassung machte zunächst Schule2, traf aber im 20. Jh., genauer: zwischen 1920 und 1970, vielfach auf Widerspruch.3 Exemplarisch sei hier nur an Gerhard von Rads Deutung der Sinaiperikope als Festlegende eines seit der Frühzeit in Sichem gefeierten Bundes(erneuerungs)festes erinnert, das sich mit der Abfolge von Paränese, Rechtsvortrag, Bundesschluss sowie Segen und Fluch auch im Aufriss des Deuteronomiums spiegelt.4 Erinnert sei auch an die im Begriff „Bund“ zentrierte Theologie des Alten Testaments von Walter Eichrodt5 und den Versuch von Georg E. Mendenhall, auf der Grundlage eines Vergleichs zwischen der Formung hethitischer Staatsverträge und Elementen der Sinaiperikope die Wurzeln der Bundestheologie bis in die Spätbronzezeit hinauf zu verfolgen6.

2

3

4 5 6

Vgl. beispielsweise B. BAENTSCH, Exodus – Leviticus – Numeri (HK I/2), Göttingen 1903, 216 in Anschluss an R. KRAETZSCHMAR, Die Bundesvorstellung im Alten Testament in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Marburg 1896, 122ff, im Blick auf Ex 24,3–8: „Der Gedanke, dass das Verhältnis Jahves zu seinem Volke auf einer Berith mit wechselseitig festgesetzten Leistungen und Zusicherungen beruhe, ist nicht alt; selbst bei den Propheten des 8. Jahrhunderts wird diese Vorstellung noch nicht als gangbar vorausgesetzt. Ihre klassische Durchführung hat dieselbe erst im Deut[eronomium]. gefunden“ oder B. STADE, Biblische Theologie des Alten Testa5 ments I, Tübingen 1905. 1957, 192: Die Bundesvorstellung „hat in der alten Zeit keinerlei Rolle gespielt“ (vgl. auch S. 36). Zur Forschungsgeschichte vgl. E. KUTSCH, Art. Bund I. Altes Testament, TRE 7 (1981) 397–410 (Lit.!), bes. 397f, U. RÜTERSWÖRDEN, Art. Bund: (www.)wibilex(.de) (Stand Jan. 2006) und C. KOCH, Vertrag, Treueeid und Bund. Studien zur Rezeption des altorientalischen Vertragsrechts im Deuteronomium und zur Ausbildung der Bundestheologie im Alten Testament (BZAW 383), Berlin/New York 2008, 1–14. G. VON RAD, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (1938), in: DERS., Gesammelte Studien zum Alten Testament (ThB 8), München 41971, 9–86, bes. 28–48. W. EICHRODT, Theologie des Alten Testaments, Stuttgart/Göttingen I 1933. 81968, II 1935.61974, III 1939. 61974. G.E. MENDENHALL, Recht und Bund in Israel und im Alten Vorderen Orient (ThSt 64), Zürich 1960; DERS. / G.A. HERION, Art. Covenant, ABD 1 (1992) 1179–1202. Weitere einflussreiche Versuche, das bundestheologische Konzept von altorientalischen Verträgen abzuleiten: K. BALTZER, Das Bundesformular (WMANT 4), NeukirchenVluyn (1960) 21964, aufgenommen von G. VON RAD in seiner Kommentierung des Deuteronomiums (Das fünfte Buch Mose [ATD 8], Göttingen 1964); W. BEYERLIN, Herkunft und Geschichte der ältesten Sinaitraditionen, Tübingen 1961; D.J. McCARTHY, Treaty and Covenant (AnBib 21A), Rom 1963. Kritisch zu diesen Versuchen: F. NÖTSCHER, Bundesformular und „Amtsschimmel“, BZ 9 (1965), 181–214 und D.J. McCARTHY selbst in der zweiten, 1978 erschienen Auflage seines Buches (s. o.). Er hält zwar in Anschluss an J. HALBE (Das Privilegrecht Jahwes Ex 34,10–26 [FRLANT 114], Göttingen 1975) daran fest, dass sich der Begriff „Bund“ bereits beim Jahwisten

Ursprung der Bundestheologie

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Alle Versuche, die Annahme einer Verwurzelung der Bundestheologie bereits in der Frühzeit Israels zu plausibilisieren, haben sich nicht halten lassen. Die Gründe dafür sind eben so elementar wie durchschlagend. Von einem Bundes(erneuerungs)fest wissen das Alte Testament selbst, allem voran seine Festkalender (Ex 23,14–17; 34,18.22f; Dtn 16,1–16; vgl. Lev 23; Num 28f; ferner Ex 12f), nichts. Es ist ein Konstrukt. Die Propheten des 8. und noch des 7. Jh. verwenden tyrb „Bund“ wenn überhaupt, dann nicht als theologische Vokabel.7 Die hethitischen Staatsverträge sind räumlich wie zeitlich weit entfernt. Außerdem ergeben sich formale Übereinstimmungen etwa mit der Sinaiperikope nur, wenn man die Ergebnisse der Literarkritik und Redaktionsgeschichte übergeht.8 Es ist das Verdienst von Lothar Perlitt, mit seiner umfassenden Monographie zur „Bundestheologie im Alten Testament“9 die Einsicht Wellhausens, dass die Erfassung der Gemeinschaft von Gott und Volk mit Hilfe des Begriffs tyrb „Bund“ nicht in frühe Zeit zurückreicht, sondern ein relativ junges Konzept repräsentiert, dessen Ursprung im Deuteronomium liegt, durchgesetzt zu haben, und zwar bis in die Lehrbücher hinein10. Exempel ist der Grundbestand von Dtn 7 (V.9– 11.12b.13)11, die Probe aufs Exempel der Nachweis, dass die Prophetie des 8. Jh. „Bund“ noch nicht als theologische Vokabel kennt. Allerdings modifiziert Perlitt Wellhausens Einsicht in theologisch bedeutsamer Hinsicht, indem er mit Martin Noth12 in Dtn 7 V.12a ausscheidet und V.12b als eigenständigen Satz auffasst:

7 8

9 10

11 12

findet, und zwar in Ex 34,10*, meint aber: Die Sinaiperikope „combines many views of covenant, but none of them seems to reflect the genre of the treaty“ (276). So bereits L. KÖHLER, Alttestamentliche Theologie, ThLZ 7 (1935), 255–318, bes. 272f, in seiner Kritik an der Konzeption der Theologie W. EICHRODTS (s. Anm. 5). Möglich ist allenfalls eine Beeinflussung der alttestamentlichen Bundestheologie durch die Verträge aus Sefire (Mitte 8. Jh.) oder neuassyrische Vasallenverträge aus dem 8. und 7. Jh. E. OTTO, Das Deuteronomium (BZAW 284), Berlin/New York 1999; H. U. STEYMANS, Deuteronomium 28 und die adê zur Thronfolgeregelung Asarhaddons (OBO 145), Fribourg/Göttingen 1995. Vgl. dazu aber die kritischen Anmerkungen von U. RÜTERSWÖRDEN, Dtn 13 in der neueren Deuteronomiumforschung, in: A. LEMAIRE (Hg.), Congress Volume Basel 2001 (VT.S 92), Leiden/Boston 2002, 185–203. L. PERLITT, Bundestheologie im Alten Testament, WMANT 36, Neukirchen-Vluyn 1969. Vgl. beispielsweise W.H. SCHMIDT, Alttestamentlicher Glaube, Neukirchen-Vluyn 102007, 161–166 („Exkurs: Bund“), bes. 162f. Dabei ist „’die Sache’“ unstreitig „älter als der Begriff“ (163) und kann auch ohne ihn begegnen. Vgl. dazu U. RÜTERSWÖRDEN, Bundestheologie ohne berit, ZAR 4 (1998), 85–99. Bundestheologie (s. Anm. 9), 55ff. M. NOTH, „Die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch“ (1938), in: DERS., Gesammelte Studien zum Alten Testament (ThB 6), München 31966, 155–171, 166 Anm. 28.

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„Die tyrb wurde den Vätern zugeschworen ([bvn). Ihre Verknüpfung mit allen Geboten ist nicht im Begriff verankert, sondern bedarf des Neueinsatzes: v. 11.12b! Aber auch dort stehen das Halten der Gebote und die Geltung des Vätereides nicht in einem konditionalen, sondern in einem reziproken Verhältnis. tyrb ist in dieser Schicht nicht Chiffre für das Gesetz, sondern für die Verheißung, und damit ist ein gewichtiger Unterschied gegenüber der dtr Bundestheologie markiert.“13

Entstanden ist dieses Konzept in den Jahrzehnten nach Hiskia.14 Auffällig ist freilich, dass das Wort „Bund“ in Dtn 7,9.12b ganz selbstverständlich fällt. Obwohl der theologische Gebrauch des Begriffs eine Neuerung darstellt, wird er nicht eingeführt oder erläutert. Die Verfasser gehen vielmehr davon aus, dass der Leser weiß, was gemeint ist. Erst das Ende von V.13bβ: „auf dem Boden, den Jahwe deinen Vätern geschworen hat, dir zu geben“ füllt den Begriff, verweist damit aber auf etwas, was dem vorexilischen Dtn vorausliegt, von ihm literarisch nicht erfasst wird. Lothar Perlitt hat dieses Problem selbst gespürt und bestimmt Gen 15 als narrativen Referenztext für Dtn 7,9f.11.12b.1315: „An jenem Tag schloss Jahwe mit Abram einen Bund (ging Jahwe eine Verpflichtung zugunsten Abrahams ein16): ‚Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land vom Bach Ägyptens bis zum großen Strom, dem Euphrat’“.

Der Text wird – ein wenig unscharf – als „(proto-)dt Traditionsdeutung“ auf der Grundlage eines älteren (elohistischen) Textes ein- und „einer religiös und theologisch schöpferischen Bewegung“ zugeordnet,

13 14

15 16

PERLITT, Bundestheologie (s. Anm. 9), 61. PERLITT, Bundestheologie (s. Anm. 9), 63. Diese zeitliche Ansetzung ist allerdings nicht unumstritten geblieben. Vgl. etwa T. VEIJOLA (Das 5. Buch Mose. Deuteronomium 1,1 – 16,17 [ATD 8,1], Göttingen 2004, 4f), der im Anschluss an C. LEVIN (Die Verheißung des neuen Bundes [FRALNT 137], Göttingen 1985, bes. 83ff) die Bundestheologie im Dtn auf einen frühnachexilischen Redaktor (DtrB) zurückführt, und C. KOCH, Vertrag (s. Anm. 3), der mit einer „’verspäteten’ Rezeption“ (S. 264.313) des aramäischen und neuassyrischen Vertragsrechts rechnet und die Ausbildung der dtn Bundestheologie in die frühexilische Zeit datiert (315ff, bes. 317). Die Frage kann und muss hier nicht diskutiert werden. Angemerkt sei jedoch, dass der signifikante und theologisch gewichtige Unterschied zwischen dem Konzept des Bundes in Dtn 7,9–11.12b.13 und jenen Stellen, an denen tyrb „Bund“ Inbegriff der Verpflichtung Israels auf Gottes Willenskundgabe ist (4,13.23; 5,2f; 17,2; 28,69 u.a.), leichter verständlich wird, wenn man eine Entwicklung annimmt: ein älteres (vorexilisches) Verständnis des Begriffs ist später (in exilisch-nachexilischer Zeit) gesetzlich zugespitzt worden. Bundestheologie (s. Anm. 9), 68ff. H. SEEBASS, Genesis II/1. Vätergeschichte I (11,27 – 22,24), Neukirchen-Vluyn 1997, 64 in Anschluss an E. KUTSCH, Verheißung und Gesetz. Untersuchungen zum sogenannten „Bund“ im Alten Testament (BZAW 131), Berlin/New York 1973, 6f.

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„die im Dt ihren (auch literarisch) traditionsverknüpfenden Niederschlag gefunden hat“ – mit der Schlussfolgerung: „Darum gehört das Theologumenon vom ‚Väterbund’, besser: von der eidlichen Zusage des Landes an die Väter, in die Epoche, in der es schließlich auch Literatur geworden ist: in die deuteronomische. So erklärt es sich, dass dieses Theologumenon für Dtn 7 bereits brauchbar war und keiner pointierten Einführung bedurfte. Der Abraham-‚Bund’ ist wie der Väter‚Bund’ der Ausdruck des früh-dt Ringens um Vergewisserung der bedrohten Gabe Jahwes.“17

Gen 15 ist – das hat bereits das 19. Jh. empfunden – ein hoch komplexer Text. Er ist gewiss nicht quellenhaft18, aber auch nicht erst dtr Provenienz oder gar ein spätes, nachpriesterschriftliches Kompendium der Heilsgeschichte.19 In einem Grundbestand, der allerdings nicht leicht abzugrenzen ist, ist er vor-deuteronomisch, wahrscheinlich jehowistisch. Den Grundbestand dürften V.1.2a mit Versteil b als crux interpretum und V.4–6.9f.11.12aα(β)b* (ohne hk'vex] „Finsternis“).17f bilden. V.3.7f.(12aβ.)13–16.19f sind dagegen Zusätze: V.3 setzt unnötigerweise mit neuer Redeeinleitung ein und stellt eine Doppelung zu V.2 dar, ist aber kaum das Relikt einer Parallelfassung, sondern eine aus V.4 (vry „erben“) und V.5 ([rz „Nachkommenschaft“) entwickelte Reaktion auf die kaum mehr heilbare, weil schon früh eingetretene Textverderbnis in V.2b.20 V.7f setzen unvermittelt mit einer Selbstvorstellung Jahwes neu ein und geben dabei die in V.5 vorausgesetzte nächtliche Situation auf, fallen mithin aus dem Zusammenhang heraus. Zudem weisen beide Verse eine dem Kontext gegenüber jüngere Ausdrucksweise auf. V.7 lehnt sich an die dtr gefärbte Präambel des Dekalogs Ex 20,5; Dtn 5,6 an. Auch die Zielbestimmung „um dir dieses Land zu geben, damit du es in Besitz nimmst“ entspricht dtr Sprachgebrauch.21 Dabei knüpft V.7 mit der Vorstellung einer Herausführung des Erzvaters an den jahwistischen Faden22, mit der Angabe „aus Ur Chasdim“ dagegen an die

17 18 19 20 21 22

Bundestheologie (s. Anm. 9), 77. A. GRAUPNER, Der Elohist. Gegenwart und Wirksamkeit des transzendenten Gottes in der Geschichte (WMANT 97), Neukirchen-Vluyn 2002, 182–187 (Lit.!). So zuletzt auch M. KONKEL, Sünde und Vergebung. Eine Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte der hinteren Sinaiperikope (Exodus 32 – 34) vor dem Hintergrund aktueller Pentateuchmodelle (FAT 58), Tübingen 2008, 257. So bereits B.D. EERDMANS, Alttestamentliche Studien I. Die Komposition der Genesis, Gießen 1908, 39. H.D. PREUß, Deuteronomium (EdF 164), Darmstadt 1982, 192 mit Belegen. Vgl. Gen 12,1–3 J gegenüber 11,31f; 12,5 P: Abraham bricht nicht auf Jahwes Geheiß hin, sondern aus eigenem Antrieb auf.

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Priesterschrift an23, setzt mithin die Vereinigung beider Darstellungen bereits voraus. Die Vorhersage des Geschichtsverlaufs V.13–16 knüpft mit den Stichworten [dy „wissen“ (V.13aα; vgl. V.8) und [r:z< „Nachkommenschaft“ (V.13aα; vgl. V.5) wie mit dem Thema Landbesitz an den Kontext an, unterbricht aber den Zusammenhang zwischen V.12aα („Als die Sonne unterging“) und V.17 („Als nun die Sonne untergegangen und Finsternis eingetreten war“).24 Der Abschnitt weist mit der Angabe „400 Jahre“ (V.13) auf Ex 12,40 voraus und nimmt mit der Ankündigung eines Begräbnisses „in gutem Alter“ (V.15) Gen 25,8 im Wortlaut vorweg, setzt mithin wie V.7f bereits die priesterschriftliche Darstellung voraus, scheint aber älteres (vorexilisches) wie jüngeres (nachexilisches) Gut zu enthalten.25 Die Aufzählung der Völker V.19–21 schließt nur mühsam an V.18 an und bietet nach den geographischen Angaben V.18b eine zweite Beschreibung der Größe des Landes.26 Schwieriger ist das Nebeneinander der parallel formulierten Angaben V.12aβ/b „Da fiel ein Tiefschlaf auf Abram“ / „siehe, ein großer Schrecken '' fiel auf ihn“ zu beurteilen. Schließen sich hm'DEr>t; „Tiefschlaf“ und hm'yae „Schrecken“ aus? Hier warnt Hi 4,12–16 vor einem vorschnellen Urteil. Allerdings dürfte hk'vex] „Finsternis“ in Versteil b eine Glosse sein, die das seltene Lexem hj'l'[] in V.17 vorgreifend erläutern möchte.27 Für die Zuweisung des Grundbestandes an die jehowistische Redaktion spricht vor allem, dass er bereits eine Mischung von Eigenarten der jahwistischen und der elohistischen Darstellung bietet, außerdem mit der Verwendung der Wortereignisformel V.1aα2 und der Umstandsangabe „in einer Schauung“ V.1aβ sowie dem hi. von !ma (s.u.) die Prophetie des 8. Jh. voraussetzt, aber noch nicht die Priesterschrift und noch keine dtn/dtr Sprach- und Stileigentümlichkeiten aufweist. Aus J stammen neben dem Gebrauch des Gottesnamens die grundle23 24

25

26 27

Vgl. Gen 11,31 P; ferner – als Ausgleichsversuch zwischen jahwistischer und priesterschriftlicher Darstellung – 11,28bβ R JE/P. H. SEEBASS, Genesis II/1. Vätergeschichte I (11,27 – 22,24), Neukirchen-Vluyn 1997, 75. Nach anderer Auffassung beginnt der Einschub bereits mit V.12 (C. WESTERMANN, Genesis 12 – 36 [BK I/2], Neukirchen-Vluyn 1981, 268) oder gar V.11 (H. GESE, Die Komposition der Abrahamserzählung, in: DERS., Alttestamentliche Studien, Tübingen 1991, 29–51, 43 mit Anm. 43, u. J.-C. GERTZ, Abraham, Mose und der Exodus. Beobachtungen zur Redaktionsgeschichte von Gen 15, in: DERS. / K. SCHMID / M. WITTE [Hg.], Abschied vom Jahwisten. Die Komposition des Hexateuch in der jüngsten Diskussion [BZAW 315], Berlin/New York 2002, 63–81, 71ff). Eine literarische Fuge ist aber weder zwischen V.11/12 noch V.10/11 erkennbar. Vgl. S. KREUZER, 430 Jahre, 400 Jahre oder 4 Generationen – Zu den Zeitangaben über den Ägyptenaufenthalt der „Israeliten“, ZAW 98 (1986), 199–210, bes. 202ff, der V 13a.14.16 als Geschichtssummarium aus joschijanischer Zeit bestimmt, in dem sich die Hoffnung auf ein Ende des assyrischen Exils ausdrückt. Vgl. C. WESTERMANN, BK I/2 (s. Anm. 24), 273; H. SEEBASS, Genesis II/1 (s. Anm. 16), 78. H. SEEBASS, Genesis II/1 (s. Anm. 16), 64.

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genden Themen Nachkommenschaft (11,30; 12,2) und Landverheißung (12,7), an E erinnern neben der Einleitung „Nach diesen Ereignissen“ (V.1aα1) die nächtliche Situation der Offenbarung (V.5) und die Aufforderung ar:yTi-la; „Fürchte dich nicht!“ (V.1bα1).28 Vor-deuteronomisch bedeutet aber nicht „(proto-)dt“. Das Charakteristikum deuteronomischer Bundestheologie, die Zusammenstellung von „Bund“ und Willensoffenbarung Gottes, fehlt. Stattdessen verbindet der Text in Aufnahme eines Kennwortes der Verkündigung Jesajas (7,9; 28,16; 30,15) „Glaube“ (!ymah V.6) und „Bund“ (V.18). Dabei weist Gen 15 mit den Repräsentationen Jahwes V.17bα, !v'[' rWNt', einem „rauchenden Backofen“, und vae dyPil', einer „Feuerfackel“, die die Gasse zwischen den zerteilten Tieren durchschreitet (V.17bβγ), kaum zufällig auf die Begleitphänomene der Epiphanie Jahwes bzw. Gottes auf dem Sinai voraus29: !v'[' „Rauch“ und vae „Feuer“ Ex 19,18 J (vgl. 13,21 J) sowie ~dIyPil; „Fackeln“ V.20,18a RJE als Zusammenfassung der Phänomene ~yqir"b „Blitze“ V.16aα2 E und vae „Feuer“ V.18bα J.30 Die Verbindung !v'[' rWNT; „rauchender Backofen“ Gen 15,17aβ deutet außerdem auf den Vergleich des Berges mit einem rauchenden !v'b.Ki „Schmelzofen“ Ex 19,18 J voraus.31 Dabei dürfte der terminologische Unterschied beabsichtigt sein. rWNT; „Backofen“ ist in Jerusalemer Tradition Sinnbild für Jahwes Überlegenheit über die Feinde (Jes 31,9; Mal 3,19; vgl. auch Ps 21,10).32 Das Bild dient der Intention des Abschnitts: Angesichts der Infragestellung des Landbesitzes in assyrischer Zeit, die Gen 15,11 bildhaft zum Ausdruck bringt, höht der Jehowist die Landverheißung zur berith auf, zu einer einseitigen Selbstverpflichtung Jahwes, die durch Jahwes in Gestalt eines rWNT; „Backofen“ epiphane Macht (V.17bα1) garantiert und durch eine bedingte Selbstverfluchung (9f.17bα2βγ) affirmiert wird.33

.

28

29 30 31 32

33

Zur Einleitung „Nach diesen Ereignissen …“ vgl. Gen 22,1; 39,7; 48,1 E; 22,20 Rdtr; außerdem 40,1 J. Zur nächtlichen Situation der Offenbarung vgl. Gen 20,3.6; 28,12; 31,11.24; 37,5ff.9ff; 40,5ff; 41,1ff; 46,2; Num 22,20 E; ferner Gen 22,3 E; außerdem 31,10 RJE. Zur Aufforderung ar:yTi-la; „Fürchte dich nicht!“ vgl. 35,17 E; im Plural: 50,19.21; Ex 20,20 E; ferner Gen 26,17 RJE. M. OEMING, Art. rWNT' tannûr, ThWAT VIII (1995), 709–714: 712. GRAUPNER, Elohist (s. Anm. 18), 122ff.126ff. Vgl. außerdem hj'l'[] „Finsternis“ Gen 15,17 mit lp,r"[] „Wolkendunkel“ Ex 20,21. H. WILDBERGER, Jesaja (BK X/3), Neukirchen-Vluyn 1982, 1246–1248 (mit altorientalischen Parallelen), aufgenommen von H. Seebass, Genesis II/1 (s. Anm. 16), 74. Zu Mal 3,19 vgl. A. MEINHOLD, Maleachi (BK XII/8), Neukirchen-Vluyn 2006, 382. - Zur Verwurzelung des Jehowisten in spezifisch Jerusalemer Traditionen vgl. Ex 3,15 und W. H. SCHMIDT, Exodus (BK II/1), Neukirchen-Vluyn 1988, 132f z.St. Der Ritus V.9f.17bα2βγ lässt die Wendung tyrb trk, wörtlich: „einen Bund schneiden“, verständlich werden. Zu seinem Verständnis als bedingte Selbstverfluchung vgl. den vordtr Bestand von Jer 34 (V.8*.9–13), besonders V.18*: „Ich mache die Män-

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Damit stellt der Grundbestand von Gen 15 vor die Frage, ob die Bundestheologie tatsächlich erst im Rahmen deuteronomischer Theologie oder nicht doch vordeuteronomisch entstanden ist, nämlich im Rahmen der Sinaiperikope. Hier rückt wie von selbst der Bundesschluss in Ex 24 in den Blick34, ein Text, der im Neuen Testament prominent rezipiert wird, mithin für die urchristliche Theologiebildung grundlegende Bedeutung hatte.35

2. Ex 24 bietet ein Nach- und Ineinander sehr verschiedenartiger Motive: Weitergabe der Willensoffenbarung Gottes und Gehorsamsverpflichtung des Volkes, Blutritus und Bundesschluss sowie visio dei und Mahlgemeinschaft in der unverstellten Gegenwart Gottes. Eine Gliederung sucht zunächst einen Überblick zu geben: 1–2

3–8

9–11

34 35

Einleitung 1 Befehl an Mose, zusammen mit Aaron, Nadab und Abihu sowie 70 Ältesten zu Jahwe hinaufzusteigen (a) und „von ferne“ anzubeten (b) 2 Einschränkung: „Nur Mose soll sich nahen“ (a) und nach 19,12.13a erneute Tabuisierung des Berges für das Volk Blutritus am Fuß des Berges und Bundesschluss 3 Ausführungsbericht zu 20,22: Kundgabe „aller Worte Jahwes“ und „der Gesetze“ durch Mose Selbstverpflichtung des Volkes zum Gehorsam (vgl. 20,19) 4aα Verschriftung der Worte Jahwes 4aβγb Errichtung eines Altars, außerdem von zwölf Malsteinen als Symbol für die zwölf Stämme Israels 5 Darbringung von Opfern für Jahwe 6.8 Blutritus, davon umschlossen: 7 Verlesung „der Bundesurkunde“ mit neuerlicher Selbstverpflichtung des Volkes zum Gehorsam Ausführung der Anweisung V.1a

ner, die meinen Bund übertraten, [...] den sie vor mir schnitten, 'wie' (cj. BHS) das Kalb, das sie in Stücke schnitten und durch dessen Teile sie hindurchtraten [...]’“ (W. THIEL, Die deuteronomistische Redaktion von Jeremia 26–45 [WMANT 52], Neukirchen-Vluyn 1982, 38–43, bes. 41f). Zu vergleichen ist auch der Vertrag zwischen BarGa’yah von KTK und Mati’-Il von Arpad Sfire I A Z. 40 (TUAT I/2, 2005, 181f). Anders H. SEEBASS, Genesis II/1 (s. Anm. 16), 73f, der unter Berufung auf hethitische Texte V.9f.17bα2βγ als apotropäischen Ritus deutet. Zu Ex 34 s. u. Anm. 60. Mk 14,23 par. Mt 26,28 (vgl. 1 Kor 11,25; Lk 22,20), außerdem Hebr 9,1.15.18–22.

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9 10 11a 11b

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Aufstieg Moses mit Aaron, Nadab und Abihu sowie 70 Ältesten Gottesschau (√har „sehen“ – larfy yhla „den Gott Israels“) Feststellung: „Aber gegen die Vornehmen der Israeliten streckte er seine Hand nicht aus“ Gottesschau (√hzx „schauen“ – ~yhlah „Gott / die Gottheit“) und Mahl in der Gegenwart Gottes

Da die Anweisung zum Aufstieg V.1a erst in V.9 ausgeführt wird, zerfällt das Kapitel grob in zwei Erzählzusammenhänge, die Szene auf dem Berg V.9–11 mit visio dei und Mahlfeier der „Vornehmen Israels“ in der Gegenwart Gottes und den Blutritus am Fuß des Berges mit Gesetzesverkündigung, Verpflichtung des Volkes zum Gehorsam und Bundesschluss V.3–8. Da V.3–8 den Zusammenhang zwischen V.1–2.9–11 unterbrechen und anders als die Szene V.9–11, die den Gottesnamen meidet, von Jahwe redet, gehören die Teile kaum seit je zusammen.36 Zudem sind sie in sich kaum einheitlich. In V.1–2.9–11 stimmen Einleitung und Hauptteil in wesentlichen Punkten nicht überein. V.1f sprechen von Jahwe, V.9–11 meidet den " .yI yhel{a/ Gottesnamen und spricht stattdessen vom „Gott Israels“ (laerf / ; V.11). Entgegen dem Befehl V.1b ist von einer V.10) bzw. „Gott“ (~yhil{ah Verehrung Gottes auf dem Berg nicht die Rede. Die Repräsentanten Israels beten nicht „von ferne“ an, sondern feiern nach der Gottesschau auf dem Berg ein Mahl in der unverstellten Gegenwart Gottes. Erst recht weiß die Szene auf dem Berg nichts von der Einschränkung V.2: „Mose soll sich Jahwe allein nahen, aber sie sollen sich nicht nahen“. V.9 deutet zwar mit dem Singular des Prädikats einen Vorrang Moses an und hebt neben Mose Aaron sowie Nadab und Abihu namentlich heraus. Der Kern der Szene gibt aber jede Unterscheidung auf und spricht nur noch von „den Vornehmen der Israeliten“ als Gruppe. Diese Widersprüche zeigen zusammen mit dem Wechsel des Gottesnamens, dass die Einleitung V.1f der Szene auf dem Berg erst nachträglich vorangestellt wurde. V.1f sind nicht nur der Szene auf dem Berg gegenüber sekundär, sondern auch in sich uneinheitlich. Obwohl sich die Anweisung allein an Mose richtet (V.1aα1), geht V.1b zur Anrede an die Gruppe über, während V.2 von Mose zweifach in dritter Person redet, ein Umstand,

36

Anders E. OTTO, Die nachpriesterschriftliche Pentateuchredaktion im Buch Exodus, in: M. VERVENNE (Hg.), Studies in the Book of Exodus. Redaction – Reception – Interpretation (BEThL 126), Leuven 1996, 61–111, 78ff.

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der bereits für die Septuaginta als Anstoß gewirkt hat.37 Dies lässt nur den Schluss zu, dass eine zwar sekundäre, aber ältere Einleitung (V.1a) später noch einmal erweitert wurde (V.1b.2). Innerhalb des Abschnitts V.9–11 fällt auf, dass Mose seinen Vorrang als Anführer der Gruppe beim Aufstieg bereits in V.10 verliert („sie sahen“) und im Kern der Szene V.11 keine eigene Aufgabe mehr hat. Dasselbe gilt für Aaron sowie Nadab und Abihu. Außerdem lässt der Plural „die Vornehmen“ eher an eine Gruppe, die 70 Ältesten, denken als an herausragende Einzelgestalten der Frühzeit. Die Vermutung liegt nahe, dass die namentliche Hervorhebung einzelner in V.9 gegenüber V.11 überlieferungsgeschichtlich sekundär ist, Mose und Aaron sowie Nadab und Abihu erst später in die Szene integriert wurden.38 Ursprünglich wurde das Volk wohl nur von den „70 Ältesten“ vertreten, die in V.11 als „Vornehme der Israeliten“ bezeichnet werden. Dabei dürfte die Erwähnung Aarons sowie Nadabs und Abihus in V.9 sogar literarisch sekundär sein; denn im Unterschied zu Mose haben sie nicht einmal in der Einleitung der Szene V.9 eine Funktion.39 Seit langem ist erkannt, dass die Verlesung der „Bundesurkunde“ V.7 den Blutritus V.6.8 unterbricht, der Abschnitt V.3–8 mithin aus zwei Schichten besteht: dem Ritus und einer jüngeren Bearbeitung, die ihn mit Jahwes Willensoffenbarung verbindet.40 Der Grundbestand wird allerdings verschieden abgegrenzt. So rechnet E. Zenger nur V.4aβγb.5 37

38

39 40

Sie mildert den Anstoß ab, indem sie anstelle der zweiten die dritte Person bietet. Außerdem scheint sie einen Widerspruch zwischen der Anrede V.1b, die Mose mit seiner Begleitung zusammenschließt, und V.2 empfunden zu haben, der ausdrücklich zwischen ihnen unterscheidet. Jedenfalls stellt sie durch den Wechsel von der zweiten zur dritten Person von vornherein klar: Das „von ferne“ gilt nur für den weiteren Personenkreis, nicht für Mose. Vgl. J.W. WEVERS, Notes on the Greek Text of Exodus (SBL.SCSt 30), Atlanta (GA) 1990, 379. Zur Hinzufügung von tw/| kuri,w| am Ende des Verses und der mehrfach vom masoretischen Text abweichenden Wiedergabe des Gottesnamens in der Septuaginta s. GRAUPNER, Elohist (s. Anm. 18), 133 Anm. 506. M. NOTH, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, Darmstadt 21960, 196, vgl. 178.204f; A.H.J. GUNNEWEG, Leviten und Priester. Hauptlinien der Traditionsbildung und Geschichte des israelitisch-jüdischen Kultpersonals (FRLANT 89), Göttingen 1965, 86f. „Namen ohne Funktion soll man nicht trauen.“ L. PERLITT, Bundestheologie (s. Anm. 9), 183. B. BAENTSCH, Exodus (s. Anm. 2), 213–215 u. in seinem Gefolge v.a. Anders D.J. McCARTHY, Treaty (21978, s. Anm. 6) 266; E.W. NICHOLSON, The Covenant Ritual in Exodus xxiv 3–8, VT 32 (1982) 74–86, 77f; DERS., God and His People. Covenant and Theology in the Old Testament, Oxford 1986, 167ff; E. BLUM, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin/New York 1990; L. SCHMIDT, Israel und das Gesetz. Ex 19,3b–8 und 24,3–8 als literarischer und theologischer Rahmen für das Bundesbuch, ZAW 113 (2001), 167–185, 171. Dabei gesteht E. Blum immerhin zu, dass 24,3–8 eine „vorgegebene Überlieferung“ darstellt, die von KD teilweise neu geprägt“ wurde, allerdings „ohne dass Spuren einer solchen Bearbeitung im Text dingfest zu machen wären.“ (99) Die ältere Forschung hat hier schärfer gesehen.

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dazu41, während L. Perlitt42 und W. H. Schmidt43 noch V.6 bzw. V.8abα hinzunehmen. Letzteres ist das Nächstliegende, da V.6 und V.8a eng aufeinander bezogen sind, ohne V.8a die Funktion der zweiten Hälfte des Blutes offen bliebe44 und V 8bα als Deutung für den im Alten Testament singulären Ritus kaum verzichtbar ist.45 Darüber hinaus enthält der Abschnitt in V.4aβb ein Zeugma. Mazzeben werden nicht erbaut (hnb), sondern aufgestellt (bych) oder aufgerichtet (~yqh).46 Die zwölf Denksteine als Repräsentanten der zwölf Stämme sind wohl eine spätere Ausgestaltung der Szene, die ihre gesamtisraelitische Bedeutung unterstreicht. Der Zusatz ist allerdings kaum jung (exilisch-nachexilisch), da er in Widerspruch zum dtn Verbot der Errichtung von Masseben 16,22 steht.47 Umstritten ist außerdem das Nebeneinander der verschiedenen Opferarten in V.5, da der Opferterminus ~ymil'v. aus dem Satzbau herauszufallen scheint. Man erwartet 41

42 43

44 45

46 47

Die Sinaitheophanie. Untersuchungen zum jahwistischen und elohistischen Geschichtswerk (FzB 3), Würzburg 1971, 72–76.176; TH.B. DOZEMAN, God on the Mountain. A Study of Redaction, Theology and Canon in Exodus 19–24 (SBL.MS 37), Atlanta 1989, 28. PERLITT, Bundestheologie (s. Anm. 9), 191ff. W.H. SCHMIDT, Exodus, Sinai und Mose (EdF 191), Darmstadt 21990, 87f. So auch B. RENAUD, La théophanie de Sinai Ex 19–24. Exégèse et Théologie (CRB 30), Paris 1991, 75. Vgl. außerdem A. PHILLIPS, A Fresh Look at the Sinai Pericope, VT 34 (1984), 39– 52.282–294, 285. J. JEREMIAS, Theophanie. Die Geschichte einer alttestamentlichen Gattung (WMANT 10), Neukirchen-Vluyn 2 1977, 196. Allerdings wird man – gelegentlichen Zweifeln zum Trotz (J. L’HOUR, L’alliance de Sichem, RB 69 (1962), 355–361; E. RUPRECHT, Exodus 24,9–11 als Beispiel lebendiger Erzähltradition aus der Zeit des babylonischen Exils, in: R. ALBERTZ (Hg.), Werden und Wirken des Alten Testaments, FS C. Westermann, Göttingen 1980, 138–173, 164ff) – Ritus und Wort überlieferungsgeschichtlich zu unterscheiden haben: V 8bα fasst mit der Vokabel tyrb „Bund“ nachträglich in einen Begriff, was der Ritus anschaulich-symbolhaft zum Ausdruck bringt. – Dass der Ritus eine Übertragung des Ritus der Priesterweihe auf ganz Israel darstellt (so zuletzt L. SCHMIDT, Israel [s. Anm. 40], 170 in Anschluss an E. OTTO, Pentateuchredaktion [s. Anm. 36], 79; E. RUPRECHT [s.o.], 167; E.W. NICHOLSON, Covenant Ritual [s. Anm. 40], 83ff; E. BLUM, Studien [s. Anm. 40], 51f), ist weniger wahrscheinlich; vgl. W. GROß, Zukunft für Israel. Altttestamentliche Bundeskonzepte und die aktuelle Debatte um den Neuen Bund (SBS 176), Stuttgart 1998, 16–19, A. GRAUPNER, Elohist (s. Anm. 18); 130 Anm. 494; DERS., „Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein“. Erwägungen zur Funktion von Ex 19,3b–8 innerhalb der Sinaiperikope, in: DERS. / M. WOLTER (Hg.), Moses in Biblical and Extra-Biblical Traditions (BZAW 372), Berlin/New York 2007, 33–49, 41f; M. KONKEL, Sünde (o. Anm. 19), 272f, der allerdings 24,6–8 „insgesamt als Nachtrag“ einstuft und V.3–5 als hintere Verankerung des Bundesbuches im Erzählzusammenhang bestimmt (261–264). Vgl. Gen 35,14.20; 2Sam 18,18; 2Kön 17,16 bzw. Lev 26,1; Dtn 16,22 und dazu J. GAMBERONI, Art. hb'Cem;, ThWAT IV (1984), 1067f. M. KONKEL, Sünde (s. Anm. 19), 261f. Samaritanus und Septuaginta beseitigen den Widerspruch, indem sie in Anschluss an jüngere, nach-dtn Ausdrucksweise (Jos 4,1– 9.20f; 24,26) hbcm „Malstein(e)“ durch ~ynba „Steine“ ersetzen.

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entweder vor ~ymlv die Kopula (vgl. Jos 22,27) oder eine cstr.Verbindung (~ymlv yxbz; vgl. Ex 29,28; Lev 7,32.34; 10,14; 17,5; Num 10,10; Jos 22,23; 1Sam 10,8; 2Chr 30,22; 2Chr 33,16; Spr 7,14 sowie handschriftliche Zeugen des Samaritanus). Der Masoretische Text ist aber nicht singulär (vgl. 1Sam 11,15) und entgegen gelegentlich geäußertem Bedenken48 nicht zu beanstanden. „~ymlv ist Apposition zu ~yxbz“.49 Ein ausgestaltender Zusatz – möglicherweise mit Rückbezug auf das Altargesetz 20,23–26 (V.24) – bildet dagegen das tatsächlich syntaktisch nicht eingebundene ~yrIP' „Stiere“ am Ende des Verses.50 Muss man außerdem noch einmal innerhalb der Bearbeitungsschicht literarkritisch unterscheiden? Zwei Auffälligkeiten nötigen zu dieser Frage: Schon früh wurde erkannt, dass V.3 einen doppelten Bezug aufweist.51 Die Verbindung „alle Worte Jahwes“ kann sich nicht auf das Bundesbuch beziehen; denn die Wurzel rbd spielt in ihm keine Rolle. Dagegen ist sie für die Einleitung des Dekalogs und seine Überlieferung konstitutiv: hL,aeh' ~yrIb'D>h;-lK' tae ~yhil{a/ rBed:y>w: „Und Gott redete alle diese Worte …“ (20,1; vgl. Ex 34,28; Dtn 4,13; 10,4). Umgekehrt lässt sich der Ausdruck „und alle Rechtssätze“ nicht auf den Dekalog beziehen52, sondern schlägt auf die Überschrift 21,1 zurück: ~yjiP'v.Mih; hL,aew> ~h,ynEp.li ~yfiT' rv,a} „Und dies sind die Rechtssätze, die du ihnen vorlegen sollst“. Dieser doppelte Bezug fällt allerdings bereits in der Selbstverpflichtung des Volkes zum Gehorsam V.3b weg. In der Fortsetzung ist nur noch von den „Worten Jahwes“ die Rede. Daneben fällt auf, dass Gottes Willensoffenbarung zweifach promulgiert wird und sich das Volk zweifach zum Gehorsam verpflichtet. Beide Eigenarten sind verschieden erklärt worden: a) Der Ausdruck „und alle Rechtssätze“ in V.3 ist sekundär, eine Verbindung mit dem Bundesbuch erst nachträglich hergestellt worden.53 b) Die doppelte Promulgation der Willensoffenba48 49

50

51 52 53

W.H. SCHMIDT, Exodus (s. Anm. 43), 88 Anm. 119; vgl. GRAUPNER, Elohist (s. Anm. 18), 132. B. BAENTSCH, Exodus (s. Anm. 2), 215; vgl. B.K. WALTKE / M. O'CONNOR, An Introduction to Biblical Hebrew Syntax, Winnona Lake 1990, 12.3b (Nr. 1); T. SEIDL, Art. ~ymil'v., ThWAT VIII (1995), 101–111, 108 und zuletzt M. KONKEL, Sünde (s. Anm. 19), 262. Die Tendenz zur Ausgestaltung setzt sich in der Textgeschichte fort. So erweitert der Samaritanus die Angabe über die Opfertiere zu der in der Opfergesetzgebung geläufigen Form: rqb ynb ~yrp. Vgl. Num 28,11.19.27; 29,13.17; im sg. Ex 29,1; Lev 4,3.14 u.v.a. B. BAENTSCH, Das Bundesbuch Ex 20,22–23,33, Halle 1892, 29ff.77. So M. KONKEL, Sünde (s. Anm. 19), 262f. BAENTSCH, Exodus (s. Anm. 2), 212f.214; H. HOLZINGER, Einleitung in den Hexateuch, Freiburg i. Br./Leipzig 1893, 247; R. SMEND, Die Erzählung des Hexateuchs. Auf ihre Quellen untersucht, Berlin 1912, 160; M. NOTH, Das 2. Buch Mose. Exodus (ATD 5), Göttingen 61978, 160; E. ZENGER, Sinaitheophanie (s. Anm. 41), 74; E.W. NICHOLSON, God (s. Anm. 40), 165; L. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Das Bundesbuch (Ex 20,22–23,33) (BZAW 188), Berlin/New York 1990, 300.413; L. SCHMIDT, Israel (s.

Ursprung der Bundestheologie

141

rung Gottes wie die doppelte Selbstverpflichtung des Volkes – zunächst in V.3b als Antwort auf die mündliche Weitergabe der Worte Jahwes V.3a, dann in V.7b als Antwort auf die Verlesung ihrer Kodifizierung (V.4aα) im Rahmen des Ritus V.7a – legen es nahe, zwischen 24,3 als Ausführungsbericht zu Jahwes Befehl 20,22 und Verankerung des Bundesbuches im hinteren Erzählrahmen sowie V.4aα.7.8bβ als einer weiterführenden Bearbeitung, die Bundesbuch und Bundesschluss zu verbinden sucht, zu differenzieren. Tatsächlich geht V.4aα einen erheblichen Schritt über 20,22 hinaus, indem er erzählt, dass Mose die empfangene Offenbarung nicht nur – 20,22; 21,1 entsprechend – weitergegeben, sondern zusätzlich verschriftet und durch ihre Verlesung im Rahmen des Ritus zur Grundlage des Bundesschlusses gemacht hat.54 In diesem Fall müsste man allerdings die Verbindung „alle Worte Jahwes“ aus V.3a eliminieren.55 Beide Optionen überzeugen nicht. Zum einen: Weder die Verbindung hwhy yrbd-lk ta „alle Worte Jahwes“ noch der durch Kopula angeschlossene Ausdruck ~yjpvmh-lk ta „alle Rechtssätze“ sind in V.3 syntaktisch zu beanstanden. Ein formaler Grund, der dazu nötigt, sie aus V.3 herauszulösen, ist nicht erkennbar. Zum anderen: V.7 ist keine bloße Wiederholung von V.3. Vielmehr ist ein Erzählfortschritt erkennbar, insofern zwischen erste und zweite Kundgabe der Willensoffenbarung Jahwes ihre Verschriftung tritt. Die Auslegung wird zeigen, dass in dem doppelten Bezug in V.3a auf Dekalog und Bundesbuch, dem Wegfall des Bezuges auf das Bundesbuch bereits in der Selbstverpflichtung des Volkes V.3b und der Verlesung der Kodifizierung der Willensoffenbarung Jahwes mit anschließender erneuter Selbstverpflichtung des Volkes im Rahmen des Ritus wesentliche Intentionen der Bearbeitungsschicht zu Tage treten.

54 55

Anm. 40), 171f. Vgl. auch C. LEVIN, Der Jahwist (FRLANT 157), Göttingen 1993, 365f. Ihm zufolge schloss 24,3 (ohne ~yjpvmh-lk taw) ursprünglich unmittelbar an die Kundgabe des Dekalogs an und bildet zusammen mit 19,3a das älteste Stratum. Damit bleibt aber der Wechsel zwischen Elohim 19,3a; 20,1 und Jahwe 24,3 (V.3 LXX ist lectio facilior) und die im gegenwärtigen Zusammenhang isolierte Stellung des Dekalogs unerklärt. Die Mitteilung des Gesetzes ist „sekundär verdoppelt“. R.G. KRATZ, Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments (UTB 2157), Göttingen 2000, 143. W. OSWALD, Israel am Gottesberg. Eine Untersuchung zur Literargeschichte der vorderen Sinaiperikope Ex 19–24 und deren historischem Hintergrund (OBO 159), Fribourg/Göttingen 1998, 261f.91–94.119f.115f.

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Axel Graupner

3. Wie hat man sich die Entstehung des Kapitels vorzustellen? Klimax, Höhepunkt, auf den die Handlung in Ex 24 zuläuft, ist buchstäblich die Szene auf Berg V.9*–11. Sie dürfte das älteste Stratum bilden und aus der elohistischen Darstellung stammen. Diese Zuweisung war allerdings bereits in der älteren Forschung nicht unumstritten. Gegenwärtig gilt V.9–11 als jüngere oder gar junge Ausgestaltung der Sinaiperikope. Darum seien die Hauptgründe für die Zuweisung des Abschnitts an E kurz rekapituliert56: 1) Der Abschnitt meidet wie die elohistische Darstellung insgesamt den Gottesnamen. V.10 setzt an seine Stelle die Prädikation „der Gott Israels“, die im Tetrateuch sonst nur als Apposition zum Gottesnamen begegnet. V.11 gebraucht anstelle des Tetragramms Elohim. 2) Wie der Singular des Prädikats in V.9* anzeigt (l[yw), fällt Mose wieder eine Führungsrolle zu. So wie er das Volk aus dem Lager heraus Gott entgegen an den Fuß des Berges geführt hat (19,17b E), führt er nun die Repräsentanten Israels auf den Berg hinauf. 3) Mit der Mahlfeier in der Gegenwart Gottes auf dem Berg, bei der die „Vornehmen der Israeliten“ das Volk repräsentieren, während Mose nicht mehr namentlich erwähnt wird, kehrt ein Motivzusammenhang wieder, der bereits in 18,12* E begegnet. Dabei führt 24,11 die Szene 18,12* steigernd weiter. Die Mahlfeier findet nicht am Fuße des Berges, sondern auf dem Berg selbst statt. Da Gott sichtbar gegenwärtig ist, entfällt die in 18,12* nötige Opferhandlung. Die Unmittelbarkeit der Gottesbegegnung macht jede kultische Vermittlung überflüssig. 4) Außerdem spiegelt sich in dem Interpretament V.10, das den Überlieferungskern V.11 vorgreifend erläutert, indem es anstelle der aramäischen Wurzel hzx ihr hebräisches Äquivalent har verwendet und die epiphane Gottheit ausdrücklich als larfy yhla „Gott Israels“ identifiziert, ein Hauptanliegen des Elohisten: die Betonung der Transzendenz Gottes in seiner Kondeszendenz: „unter seinen Füßen (war etwas) wie das Gebilde eines Lapislazuli-Ziegels und wie der Himmel selbst an Reinheit (Klarheit)“. Gott wohnt nicht auf Erden, auf dem Berg, sondern im Himmel.57

56 57

GRAUPNER, Elohist (s. Anm. 18), 133ff.151ff (Lit.!). Vgl. auch die Interpretation der älteren, in Ex 19,3a E rezipierten Vorstellung, dass Gott auf dem Berg ständig gegenwärtig ist, mit Hilfe des Verbs awb in 20,20 E: Der Berg ist nicht Wohnstätte Gottes, sondern nur Ort seiner Epiphanie.

Ursprung der Bundestheologie

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Tatsächlich fügt sich V.9*–11 vorzüglich in den elohistischen Faden ein. Nachdem das Volk auf Gottes Furcht gebietende Epiphanie (19,16aα2b.17.19) in angemessener Weise reagiert hat, indem es Gottes Transzendenz in seiner Kondeszendenz anerkannt (20,18b) und so – Paradox der Gnade: durch Gott selbst bewirkt – die Prüfung bestanden hat (V.20a), die auf ein posse non peccare abzielt (V.20b), gewährt der königliche Gott 70 Ältesten als Repräsentanten des Volkes eine Audienz in seiner unverstellten Gegenwart und besiegelt damit in unüberbietbarer Weise seinen unbedingten Willen zu der in Herausführung und Errettung begründeten Gemeinschaft.58 V.1a, der als invertierter Verbalsatz formuliert ist, greift auf die kaum zufällig nur fragmentarisch erhaltene, weil der jahwistischen Darstellung diamentral widersprechende Anweisung an Mose zur Vorbereitung auf die Theophanie 19,3a.13b E zurück und dient der Einbindung von 24,9*–11 in die jahwistische Darstellung. Der Halbvers dürfte darum von RJE stammen. V.1b.2 knüpfen dagegen an die Tabuisierung des Berges 19,12.13a J an und tragen auf der Linie von 20,19.21, die der Einfügung und Verankerung des Bundesbuches im Erzählzusammenhang dienen59, das Konzept der exklusiven Mittlerschaft Moses ein und entwerfen damit geradezu eine Gegengeschichte zu V.9–11: Selbst Aaron, der in der nachgeholten Anweisung an Mose 19,21–24 (RJE?) ausdrücklich auf den Berg befohlen wurde, wird nun wieder aus der Gegenwart Gottes ausgeschlossen.60 Von welcher Hand stammt die Einschaltung 24,4aβγ.5ab*.6.8abα? Sprache wie Hauptzüge der Handlung – Altarbau (V.4), Opferdarbringung (V.5) und Blutritus (V.6.8) – schließen es aus, dass die Szene erst dtr oder gar nachpriesterschriftlich ist. Handelt es sich um eine jehowistische Schöpfung? Die Unsicherheit der älteren Forschung in der Zuweisung des Abschnitts an J oder E61 legt diese Vermutung nahe: Wie der Grundbestand von Gen 15 bieten 4aβγ.5*.6.8abα eine für jeho58 59 60

61

Zur komplexen Komposition der elohistischen Gottesbergperikope und ihren vielfältigen Intentionen vgl. GRAUPNER, Elohist (s. Anm. 18), 144ff. Vgl. GRAUPNER, Elohist (s. Anm. 18), 126ff. Das Konzept der exklusiven Mittlerschaft bestimmt auch den zweiten Bundesschluss innerhalb der Sinaiperikope, Ex 34. Der Bund wird nicht mehr mit Israel geschlossen – V.27fin dürfte Zusatz sein –, sondern nur dgh; trunnatürlicher< Sexualität“ (383386, Zitat 393). Die Erklärung als Abwehr von Mischehen ist historisch-sachlich einfacher.

Apokalypse und Aposteldekret

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rinnen und Verehren fremder Götter.72 Aber das brauchen wir nicht mehr zu verfolgen. Denn unser Kreis schließt sich. Die Offb gewinnt gerade durch den Versuch, eine unweigerliche Entwicklung aufzuhalten, einen markanten Ort in der Geschichte des frühen Christentums: Wie bei der Speisenfrage verlässt der Seher Lev 17-18 (den wahrscheinlichen Bezugspunkt der Kernregeln). Doch die Grundverpflichtung des sog. Aposteldekrets erhält er aufrecht. Die Völker sollen im Angesicht Israels so leben, dass das vom Gesetz festgelegte Gottesverhältnis Israels ungetrübt bleibt. Den Christen aus den Völkern legt das seines Ermessens keine schwere Last auf. Das Verbot von jüdischnichtjüdischen Mischehen bleibt für ihn unabdingbar, um das Gesetz bis zum nahen Ende nicht zu verletzen. Im Nachhinein gesehen, überschätzte er die Möglichkeiten frühchristlicher Gemeinden, Ehen zu steuern (nebenbei ein Indiz dafür, von welch hoher sozialer Kontrolle er in der Gemeinde ausgeht), und unterschätzte die Dauer der Geschichte. In sich gelesen, entsteht ein stringentes judenchristliches Gemeindekonzept.

4. Fazit Bündeln wir die Ergebnisse in knappen Thesen: 1. Das sog. Aposteldekret wird am Ausgang der neutestamentlichen Zeit nicht als starrer Text überliefert, sondern als Cluster von Regeln. Das Ziel der Regeln, das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in der Gemeinde zukunftsfähig zu machen, kann so neuen Situationen angepasst werden. 2. Die Offb rezipiert ausdrücklich zwei dieser Regeln, das Verbot des Verzehrs von Fleisch, das aus Opfern für die Götter der Völker stammt, und das Verbot sexueller Begegnungen, die nach dem jüdischen Gesetz unerlaubt sind. Schon die Rezeption als solche ist von hoher Bedeutung, da sie die Verbreitung des sog. Aposteldekrets in spätneutestamentlicher Zeit bestätigt.

72

Weil alle Ehen in der Antike in der Regel den Hauskult gemeinsam pflegten, drohte dort real und unmittelbar eine Verehrung der fremden Götter; vgl. CHR. MARKSCHIES, Das antike Christentum. Frömmigkeit. Lebensformen, Institutionen, München 2006, 146f, zu Tertullian, ad uxorem II 2-6 u.a. (Ausblick auch auf Verbot der Ehe mit Häretikern, Synode von Laodikeia can. 10).

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Martin Karrer

3. In der neuen Situation, dem Lebenszusammenhang von Christen unter den Völkern (jüdisch gesagt, der Diaspora), verschiebt sich der Begründungszusammenhang. Die Fremdenregeln von Lev 17-18, die für den Ausgangstext des sog. Dekrets Pate gestanden haben dürften, verlieren an Bedeutung. Die Überlieferung des sog. Dekrets verselbständigt sich, sobald sie den Ausdruck eivdwlo,quta („für Trugbilder geopfertes [Fleisch]“) verwendet, der in Lev 17-18 fehlt und von Lev 17,7 nicht unmittelbar herleitbar ist. 4. Das Verbot des Genusses von Fleisch, das aus Opfern für die Götter der Völker stammt, setzt sich im Christentum der spätneutestamentlichen Zeit nicht unangefochten, aber relativ breit durch, weil es sich zum sichtbaren Identitätsmerkmal der Gemeinde eignet. In einer Zeit der Bedrohung wird das Identitäts- sogar zum Differenzmerkmal. In Offb 2,14.20 wahrt das Differenzmerkmal die Forderung des jüdischen Gesetzes, Gottes Volk von allen fremden Kulten fern zu halten, nun übertragen auf das Christentum aus Juden und Nichtjuden. 5. Das Verbot unerlaubter sexueller Begegnungen gewinnt in der Überlieferung des sog. Aposteldekrets eine erhebliche Bandbreite; teils wird es in der Weitergabe von Apg 15,20.29 (und 21,25) nicht mehr zitiert (Apg 15,20 p45), teils ethisiert. Der Autor der Offb jedoch konzentriert sich auch in seiner geschichtlichen Situation noch auf das einstige Grundanliegen, die Reinheit Israels zu wahren. In seiner Interpretation verlangt das, sexuelle Beziehungen zwischen Gemeindegliedern jüdischer und nichtjüdischer Herkunft sowie allemal zwischen Gemeindegliedern jüdischer Herkunft und Partnerinnen / Partnern der Völker außerhalb der Gemeinde zu untersagen. Denn für den judenchristlichen Kern der Gemeinde muss gelten, was das Gesetz von Israel unter den Völkern forderte (vgl. bes. Ex 34,15f.), damit das für Gott versiegelte Israel unversehrt den Kern der eschatologischen Gemeinde zu bilden vermag (vgl. Offb 7). 6. Anders als das Differenzmerkmal der Speiseregel bewährte sich die Einschärfung der Trennung von Juden- und Völkerchristen durch die Offb nicht. Trotzdem behält die Offb auch hier hohe theologische Bedeutung. Sie wird zum eindrücklichen Dokument eines Judenchristentums, das eschatologisch radikal denkt und das Gesetz Gottes trotzdem unter neuen Bedingungen für die Gemeinde Jesu zu aktualisieren versucht.

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Die Offenbarung des Johannes und das Moselied (Dtn 32) Michael Tilly Die Johannesoffenbarung enthält mehr sprachliche Bezugnahmen, explizite Zitate und implizite Anspielungen auf biblische Texte, Themen und Motive als jede andere neutestamentliche Schrift.1 Immer wieder wird man bei der Lektüre des letzten Buches der christlichen Bibel auf die Sprache und auf die Bilderwelt der jüdischen Heiligen Schriften verwiesen. An neun Stellen verweisen die Loci citati vel allegati im Novum Testamentum Graece27 dabei auf das Moselied (Dtn 32,1-43).2 Im vorliegenden Beitrag werden diese angeführten Stellen zum einen danach befragt, ob die Annahme der Evidenz einer Bezugnahme des Verfassers der Johannesoffenbarung auf den – zum Abschluss des Pentateuchs gehörenden – Geschichtspsalm jeweils berechtigt ist. Zum anderen ist intendiert, die spezifischen Funktionen dieser innerbiblischen Intertextualität in der Johannesoffenbarung zu erkennen, zu verstehen und sie mit der generellen Verfasserabsicht des Sehers von Patmos in Beziehung zu setzen. Nur von punktuellem Interesse ist dabei die Frage nach der Textform des jeweiligen Prätextes. Das Bild, das sich hierbei ergibt, ist zwar von einer gewissen Einheitlichkeit, macht aber auch die Notwendigkeit einer erneuten kritischen Durchsicht der Loci deutlich.

1

2

Vgl. R.G. BRATCHER, Old Testament Quotations in the New Testament, London 1967, 74-76; E. LOHSE, Die alttestamentliche Sprache des Sehers Johannes, ZNW 52 (1961), 122-126; F. JENKINS, The Old Testament in the Book of Revelation, Grand Rapids (MI) 1972; J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften im Corpus Johanneum, in: M. HENGEL, Die johanneische Frage (WUNT 67), Tübingen 1993, 326-429 (insb. 337-339 u. 377f); G.K. BEALE, John´s Use of the Old Testament in Revelation (JSNT.S 166), Sheffield 1998; DERS. / S.M. McDONOUGH, Revelation, in: DERS. / D.A. CARSON (Hg.), Commentary on the New Testament Use of the Old Testament, Grand Rapids (MI) 2007, 1081-1161 (hier: 1081); J. PAULIEN, Dreading the Whirlwind: Intertextuality and the Use of the Old Testament in Revelation, AUSS 39 (2001), 5-22. Dtn 32,4 (Apk 15,3f; 16,5), Dtn 32,17 (Apk 9,20), Dtn 32,40 (Apk 1,18, 10,5f), Dtn 32,43 (Apk 6,10; 12,12; 19,2).

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Michael Tilly

1. Stilisiert als Teil der Vermächtnisrede Moses vor seinem Tod enthält das Moselied Dtn 32,1-43 theologische Unterweisung in poetischer Form sowohl in Gestalt kontrapräsentischer Erinnerung als auch in Gestalt hoffnungsstiftender Verheißung einer heilvollen Zukunft des Gottesvolkes.3 Einer ausführlichen Einleitung (Dtn 32,1-6) folgen ein beschreibender Lobpreis der Wohltaten Jahwes an seinem Volk (V.7-14), der Untreue Israels (V.15-18), die Ankündigung des Strafhandelns Jahwes mit Hilfe der Feinde Israels (V.19-25), eine breit ausgeführte Heilsankündigung (V.26-42) und ein abschließender Aufruf zum universalen Gotteslob (V.43). An mehreren Stellen der Johannesoffenbarung begegnen Zitate aus und Anspielungen auf das Moselied im Sinne einer heilsgeschichtlichtypologischen Verknüpfung des Exodusgeschehens – Gott rettet das Volk Israel vor seinen Feinden und bestraft diese – mit der Errettung der Gemeinde Christi als des Heilsvolkes der Endzeit aus der irdischen in eine himmlische Welt und dem Gericht über die widergöttlichen Mächte, die es bedrängen. Diese Stellen sind in den folgenden Abschnitten der Reihe nach zu untersuchen.

2. Apk 6,10; 19,2 Das Öffnen des fünften Siegels (Apk 6,9-11) thematisiert die Verwirklichung des Gerichts Gottes angesichts der Verfolgung und Ermordung der treuen Zeugen Jesu Christi. Ihre Hoffnung auf die baldige gerechte Vergeltung ihres bisherigen Blutopfers durch Gottes endgültiges Eingreifen in die Weltgeschichte und durch die Bestrafung ihrer gottlosen Verfolger kommt in dem kollektiven Klageruf am Fuß des himmlischen Altars (V.10) zum Ausdruck: 3

Vgl. E. BAUMANN, Das Lied Mose’s auf seine gedankliche Geschlossenheit untersucht, in: VT 6 (1956), 414-424; P. SANDERS, The Provenance of Deuteronomy 32 (OTS 37), Leiden 1996, 431f; C.J. LABUSCHAGNE, The Setting of the Song of Moses in Deuteronomy: M. VERVENNE, J. LUST (Hg.), Deuteronomy and Deuteronomic Literature, FS C.H.W. Brekelmans (BEThL 133), Leuven 1997, 111-129; J. TASCHNER, Das Moselied als Verbindung zwischen Tora und Propheten, in: E. BALLHORN / G. STEINS (Hg.), Der Bibelkanon in der Bibelauslegung, Stuttgart 2006, 189-197. Zu Moses als Gestalt der Endzeit vgl. Mal 3,22-24, LibAnt 19,12-16, Jub 48,1-19. Zur Rezeption des Moseliedes im frühen Christentum vgl. auch W. KRAUS, Die Septuaginta als Brückenschlag zwischen Altem und Neuem Testament? Dtn 32 als Fallbeispiel, in: H.-J. FABRY / D. BÖHLER, (Hg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta. Band III: Studien zur Theologie, Anthropologie, Ekklesiologie, Eschatologie und Liturgie der Griechischen Bibel (BWANT 174), Stuttgart 2007, 266-290.

Johannesoffenbarung und Moselied (Dtn 32)

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Apk 6,10 kai. e;kraxan fwnh/| mega,lh| le,gontej\ e[wj po,te( o` despo,thj o` a[gioj kai. avlhqino,j( ouv kri,neij kai. evkdikei/j to. ai-ma h`mw/n evk tw/n katoikou,ntwn evpi. th/j gh/jÈ „Und sie schrien mit lauter Stimme: Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächst nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen?“

Gleichsam als tröstende Antwort auf den klagenden Ruf nach gerechter Vergeltung in Apk 6,10 wird der Wortlaut des Verses in dem abschließenden himmlischen Lobgesang Apk 19,1-10 aufgenommen. Gott hat die Hure Babylon zur Rechenschaft gezogen; das vergossene Blut der Zeugen ist nun gerächt:4 Apk 19,2 o[ti avlhqinai. kai. di,kaiai ai` kri,seij auvtou/\ o[ti e;krinen th.n po,rnhn th.n mega,lhn h[tij e;fqeiren th.n gh/n evn th/| pornei,a| auvth/j( kai. evxedi,khsen to. ai-ma tw/n dou,lwn auvtou/ evk ceiro.j auvth/jÅ „Denn wahrhaftig und gerecht sind seine Gerichte, dass er die große Hure verurteilt hat, die die Erde mit ihrer Hurerei verdorben hat, und hat das Blut seiner Knechte gerächt, das ihre Hand vergossen hat.“

Die sehnsüchtige Hoffnung der Frommen auf das kommende Vergeltungshandeln Gottes, das die Verfolgung und Ermordung seiner treuen Diener rächen wird, begegnet auch im Aufruf zum Jubelgesang in Dtn 32,43 LXX, der den Abschluss des Moseliedes bildet. Der Vers weist in der griechischen Texttradition und in einem hebräischen Deuteronomiumfragment von Qumran (4Q40) gegenüber dem masoretischen Bibeltext gravierende Abweichungen auf.5 Diese griechische Übersetzung des Verses beruht wahrscheinlich auf einer längeren, von der (proto-)masoretischen Texttradition abweichenden (und hier möglicherweise sogar absichtlich veränderten) Vorlage (cf. 4Q44). Sie enthält einen poetisch gestalteten Aufruf zur hoffnungsvollen Freude über das machtvolle Eingreifen Jahwes, der das Blut des verfolgten Gottesvolkes rächen und die Bosheit seiner Feinde in seinem strafenden Gericht vergelten wird:

4 5

Allein an diesen beiden Stellen begegnet das Verb ekv dikew , in der Apokalypse.. Vgl. G.K. BEALE, The Book of Revelation (NIGTC), Grand Rapids u.a. 1999, 928; A. SATAKE, Die Offenbarung des Johannes (KEK XVI), Göttingen 2008, 222. Vgl. P.W. SKEHAN, A Fragment of the »Song of Moses« (Deut. 32) from Qumran, BASOR 136 (1954), 12-15; A. VAN DER KOOIJ, The Ending of the Song of Moses. On the Pre-Masoretic Version of Dtn 32,43, in: F. GARCÍA MARTÍNEZ u.a. (Hg.), Studies in Deuteronomy, FS C.J. Labuschagne (VT.S 53), Leiden u.a. 1994, 93-100.

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Michael Tilly

Dtn 32,43 euvfra,nqhte ouvranoi, a[ma auvtw/| kai. proskunhsa,twsan auvtw/| pa,ntej ui`oi. qeou/ euvfra,nqhte e;qnh meta. tou/ laou/ auvtou/ kai. evniscusa,twsan auvtw/| pa,ntej a;ggeloi qeou/ o[ti to. ai-ma tw/n ui`w/n auvtou/ evkdika/tai kai. evkdikh,sei kai. avntapodw,sei di,khn toi/j evcqroi/j kai. toi/j misou/sin avntapodw,sei kai. evkkaqariei/ ku,rioj th.n gh/n tou/ laou/ auvtou/. „Freut euch, ihr Himmel, zusammen mit ihm; alle Kinder Gottes sollen sich anbetend für ihn niederwerfen. Freut euch, Nationen, zusammen mit seinem Volk, und alle Engel Gottes sollen für ihn stark werden, denn das Blut seiner Kinder wird gerächt. Er wird Recht schaffen und den Feinden mit Strafe vergelten. Denen, die hassen, wird er heimzahlen, und der Herr wird das Land seines Volkes reinigen.“

Apk 6,10 und 19,2 weisen in der Tat mehrere auffällige Bezüge zu Dtn 32,43 LXX als Prätext auf. Zunächst lassen sich einige deutliche Parallelen in der Wortwahl erkennen.6 Weiterhin entspricht der literarische Kontext insbesondere von Apk 19,2 – ein hymnisches Finale, bei dem die Aufforderung zum jubelnden Lobgesang von einer Himmelsstimme an alle Gläubigen auf Erden weitergegeben wird – dem Aufruf zur allgemeinen Freude am Ende des Moselieds. Schließlich entsprechen sich Johannesoffenbarung und Deuteronomium hinsichtlich der Funktion der prospektiv tröstenden Aussage vom rächenden Eingreifen Gottes.7 Das Gericht und der strafende Zorn Jahwes sind in Dtn 32,43 die Erweise seiner Macht und seines tätigen Eintretens für sein Volk Israel. Der Seher Johannes überträgt diese (auch in 2Kön 9,7; Ez 14,21; Sach 1,12; Ps 9,12f; 78[MT 79],10 sowie 1Makk 6,22 begegnende) theologische Vorstellung auf die Gemeinde Jesu Christi und ihre gegenwärtigen Bedrücker,8 um durch die Aktualisierung einer massiv hoffnungsstiftenden Überlieferung aus dem jüdischen – bzw. judenchristlichen – Traditionsbereich das rettende radikale Eingreifen Gottes in die Geschichte angesichts einer wohl von vielen Christen in Kleinasien als bedrohlich empfundenen Diskrepanz zwischen ihren Glaubensüberzeugungen und ihrer Wahrnehmung der Gegenwart zu verdeutlichen.

3. Apk 9,20 Am Ende der sechsten Posaunenvision (Apk 9,13-21) beschreibt V.20 zusammenfassend die Wirkung aller bisherigen Visionen dieser Reihe 6 7 8

Vgl. BEALE, Book of Revelation, 393. D.E. AUNE, Revelation 17-22 (WBC 52 C), Nashville 1998, 408. Vgl. Apk 16,6; 17,6; 18,24; 19,2.

Johannesoffenbarung und Moselied (Dtn 32)

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und qualifiziert die durch die Signale eingeleiteten Plagen insgesamt als Machterweise Gottes gegenüber dem eigenmächtigen Widerstand der Menschheit. Ein Drittel aller ungläubigen Menschen wird getötet werden (V.15.18); dennoch bleiben die Übriggebliebenen trotz der bisherigen furchtbaren Machterweise Gottes bei ihrem treulosen und unbußfertigen Unglauben. Der jüdischen Tradition folgend (vgl. Ps 113,12[MT 115,4]; 134[MT 135],15; Jer 1,16; Dan 5,4.23) konkretisiert sich dieser verstockte Unglaube in ihrem sinnlosen Götzendienst9 und insbesondere in ihrer Verehrung machtloser Artefakte: Apk 9,20 kai. oi` loipoi. tw/n avnqrw,pwn( oi] ouvk avpekta,nqhsan evn tai/j plhgai/j tau,taij( ouvde. meteno,hsan evk tw/n e;rgwn tw/n ceirw/n auvtw/n( i[na mh. proskunh,sousin ta. daimo,nia kai. ta. ei;dwla ta. crusa/ kai. ta. Vargura/ kai. ta. calka/ kai. ta. li,qina kai. ta. xu,lina( a] ou;te ble,pein du,nantai ou;te avkou,ein ou;te peripatei/n. „Und die übrigen Leute, die nicht getötet wurden von diesen Plagen, bekehrten sich doch nicht von den Werken ihrer Hände, dass sie nicht mehr anbeteten die bösen Geister und die goldenen, silbernen, ehernen, steinernen und hölzernen Götzen, die weder sehen noch hören noch gehen können.”

Trotz der geschehenen Plagen lassen die Menschen nicht von ihren Lastern ab. Auch hier lässt sich ein Anklang an das Moselied erkennen. Die paränetisch motivierte Bezugnahme auf die fortgesetzte Verehrung fremder Gottheiten bzw. ihrer Kultbilder bzw. –figuren (vgl. Apk 21,8; 22,15), verbunden mit der Akzentuierung ihrer tatsächlichen Machtlosigkeit erinnert an Dtn 32,17 LXX, wo der Vorwurf der Verehrung ohnmächtiger und unbekannter Gottheiten Israels treuloses Handeln beschreibt: Dtn 32,17 e;qusan daimoni,oij kai. ouv qew/| qeoi/j oi-j ouvk h;|deisan kainoi. pro,sfatoi h[kasin ou]j ouvk h;|deisan oi` pate,rej auvtw/n. „Sie opferten Schutzgeistern und nicht Gott – Göttern, die sie nicht kannten. Frisch und neu kamen sie daher, von denen ihre Väter keine Kenntnis hatten.“

Der Deuteronomiumvers ist Teil einer scharfen Anklage gegen Israel (Dtn 32,15-18). Die explizite Bezugnahme auf die Idololatrie entspricht dabei einer verbreiteten Tendenz im antiken Judentum, jegliche Polemik gegen fremde Kulte mit dem Bilderverbot des Dekalogs (Ex 20,4f; Dtn 5,8f) zu verknüpfen.10 Dem Abschnitt geht innerhalb des Moselieds 9 10

Vgl. Jub 1,11; 11,4-6; 22,17 sowie AUNE, Revelation 17-22, 543; BEALE, Book of Revelation, 519: „The catalogue of sins is prefaced by a summary of the idol´s spiritual essence: behind the idols are demonic forces.” Vgl. M. TILLY, Die Sünden Israels und der Heiden, JSJ 37 (2006), 192-211 (hier: 205f).

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die preisende Schilderung der Annahme und Bewahrung des Gottesvolkes während der Wüstenwanderung und bei seiner Landnahme voran (Dtn 32,10-14), wodurch der Kontrast zwischen der Fürsorge Gottes und der Treulosigkeit Israels eine deutliche Betonung erfährt. Vergleicht man die Anspielung auf Dtn 32,17 LXX in Apk 9,20 mit dem expliziten Zitat dieses Verses in 1Kor 10,19f, wird eine wichtige Differenz in der frühchristlichen Bewertung paganer Gottheiten bzw. deren zeitgenössischer Verehrung deutlich. Während Paulus die Dämonen in 1Kor 10 nämlich als existent, aber als Geschöpfe dem einigeinzigen Schöpfergott prinzipiell untergeordnet ansieht, sind sie für den Seher Johannes nur machtlose Produkte menschlicher Einbildung.11 Zwar geht es in Dtn 32,15-18 um den mahnenden Aufweis des fortwährenden Abfalls ganz Israels einschließlich der Adressaten des Textes, während Apk 9,13-21 dem Lesepublikum die tröstende Identifikation mit den verbliebenden Gerechten ermöglicht, aber für eine intendierte Bezugnahme auf die in Dtn 32,17 als Prätext zum Ausdruck kommende Abwertung der Macht fremder Götter spricht 1. die durchgehende Entsprechung der Schilderung des endzeitlichen Gerichtshandelns Gottes und des Exodusgeschehens,12 2. die Beobachtung, dass auch in der Johannesoffenbarung ihre sinnlose abergläubische Verehrung mit ihrer entlarvenden Darstellung als tote Bilder kontrastiert wird13 und 3. die Tatsache, dass dieser Kontrast hier wie dort den Abschluss eines paränetisch motivierten Abschnittes bildet.

4. Apk 10,5f Der Abschnitt enthält eine Proklamation über die Nähe des Endes. Im Rahmen seiner erneuerten Beauftragung im Anschluss an die Posaunenvision, die die Nähe der erhofften Endzeit betont (Apk 10,1-11), sieht der Visionär eine Engelgestalt mit einem geöffneten Buch, die den Ratschluss Gottes für das kommende eschatologische Geschehen mit einem feierlichen Schwur bekräftigt:

11 12 13

Vgl. A. SATAKE, Offenbarung, 251. Zum Motiv der Herzensverhärtung der Ägypter angesichts der Plagen vgl. Ex 7,13.22f; 8,15.28; 9,12.34f u.ö. Vgl. Dtn 4,28; Ps 113,12-15 [MT 115,5-7]; 134[MT 135],15-17; Jer 10,5; Dan 5,23; Sir 30,19; Sib 5,78f.

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Apk 10,5f Kai. o` a;ggeloj( o]n ei=don e`stw/ta evpi. th/j qala,sshj kai. evpi. th/j gh/j( h=ren th.n cei/ra auvtou/ th.n dexia.n14 eivj to.n ouvrano.nkai. w;mosen evn tw/| zw/nti eivj tou.j aivwn/ aj tw/n aivw,nwn( o]j e;ktisen to.n ouvrano.n kai. ta. evn auvtw/| kai. th.n gh/n kai. ta. evn auvth/| kai. th.n qa,lassan kai. ta. evn auvth/|( o[ti cro,noj ouvke,ti e;stai. „Und der Engel, den ich stehen sah auf dem Meer und auf der Erde, hob seine rechte Hand auf zum Himmel und schwor bei dem, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel geschaffen hat und was darin ist, und die Erde und was darin ist, und das Meer und was darin ist: »Es soll hinfort keine Zeit mehr sein«.“

Sowohl die Geste der Engelgestalt als auch ihr Schwur bei Gott „der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit“ scheint Dtn 32,40 LXX zu entsprechen, wo es heißt: Dtn 32,40 o[ti avrw/ eivj to.n ouvrano.n th.n cei/ra, mou kai. ovmou/mai th/| dexia/| mou kai. evrw/ zw/ evgw. eivj to.n aivw/na. „Denn ich werde meine Hand zum Himmel aufheben und bei meiner rechten Hand schwören und werde sagen: »Ich, ich lebe für ewig«.“

Im Kontext des Moselieds wird in Dtn 32,40 von Gott selbst die zukünftige Rache über die Feinde Israels zugesagt. Der Septuagintatext bietet über die hebräische Texttradition hinaus kai. ovmou/mai th/| dexia/| mou („und ich werde bei meiner rechten Hand schwören“), wodurch die Geste, die im hebräischen Bibeltext auch als Zeichen einer aktiven Intervention des strafenden Gottes gedeutet werden kann,15 in akzentuierter Weise im Sinne eines Anthropopathismus vor dem Hintergrund der Praxis gedeutet wird, beim Ablegen eines Eides die Hand (bzw. beide Hände) in bekräftigender Absicht zum Himmel zu erheben (vgl. Gen 14,22; Ex 6,8; Dtn 4,26; Dan 12,7).16 Für die Annahme einer Bezugnahme der Johannesoffenbarung auf Dtn 32,40 LXX als Prätext spricht, dass die bildhafte Beschreibung des Gerichtes Gottes im unmittelbaren literarischen Kontext sowohl von Dtn 32,40 als auch von Apk 10,5f eine Reihe von Gemeinsamkeiten aufweist (Apk 9,19 [vgl. Dtn 32,32-35]; Apk 10,4 [vgl. Dtn 32,34f]; Apk 10,6 [vgl. Dtn 32,35]). Allerdings ist Apk 10,5-7 zumindest ebenso deutlich von Dan 12,7 beeinflusst, wo von einem Himmelswesen die 14 15

16

Im Codex Alexandrinus fehlt th.n dexia,n. Vgl. D.C. PARKER, New Testament Manuscripts and Their Texts, Cambridge 2008, 235. So J. LUST, For I Lift Up My Hand to Heaven and Swear: Dtn 32,40, in: F. GARCÍA MARTÍNEZ u.a. (Hg.), Studies, 155-164 (hier: 163) unter Verweis auf Ex 6,8; Ez 20,5f; 44,12; Ps 10,12 (LXX: 9,33). Vgl. DERS., The Raised Hand of the Lord in Deut 32:40 According to MT, 4QDeutq, and LXX: Textus 18 (1995), 33-45. Vgl. C. HOUTMAN, Der Himmel im Alten Testament (OTS 30), Leiden u.a. 1993, 352.

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Rede ist, das über den Wassern des Stromes steht, beide Hände zum Schwur erhebt17 und schwört to.n zw/nta eivj to.n aivw/na qeo,n („bei Gott, der ewiglich lebt“; vgl. Apk 1,18; Dan 4,34Th; Sir 18,1).18 Zwar ist allein in Dtn 32,40 LXX davon die Rede, dass die rechte Hand zum Schwur erhoben wird, doch weist nicht nur die durchweg hohe Bedeutung von Daniel 7-12 für die Ausgestaltung der Visionsberichte der Johannesoffenbarung, sondern auch das Motivrepertoire von Apk 10,5f und insbesondere der Hinweis, es werde nun keine Frist mehr verstreichen, bis der festgesetzte Zeitpunkt von Gericht und Erlösung nahegerückt ist (Apk 10,6; vgl. Philo, LA III 106), auf eine enge traditionsgeschichtliche Abhängigkeit, möglicherweise auch literarische Bezugnahme von Apk 10,5-7 auf Dan 12,7 hin.19 Die Verbindung zu Dtn 32,20 ist dagegen weitaus unsicherer.

5. Apk 15,3f; 16,15 Die Schalenvisionen Apk 15,1 – 16,22 dienen dem Erweis des strafenden Zornes Gottes über seine Widersacher, die die Gemeinde Christi bedrängen. Der Seher schaut zunächst die singende Schar der Überwinder im Himmel an einem gläsernen Meer, das sich rings um den Thron Gottes erstreckt (15,2f). Ihr Gesang wird in V.3a explizit gekennzeichnet als „das Lied des Mose, des Knechtes Gottes“ (th.n wv|dh.n Mwu?se,wj tou/ dou,lou tou/ qeou/). Im Kontext der himmlischen Vorbereitung der Ausgießung der sieben Schalen (Apk 15,1-8) loben die Erlösten auf dem gläsernen Meer den allmächtigen und einzig heiligen Gott in einem beschreibenden Hymnus: Apk 15,3f kai. a;|dousin th.n wv|dh.n Mwu?se,wj tou/ dou,lou tou/ qeou/ kai. th.n wv|dh.n tou/ avrni,ou le,gontej\ mega,la kai. qaumasta. ta. e;rga sou( ku,rie o` qeo.j o` pantokra,twr\ di,kaiai kai. avlhqinai. ai` o`doi, sou( o` basileu.j tw/n evqnw/n \ ti,j ouv mh. fobhqh/|( ku,rie( kai. doxa,sei to. o;noma, souÈ o[ti mo,noj o[sioj( o[ti pa,nta ta. e;qnh h[xousin kai. proskunh,sousin evnw,pio,n sou( o[ti ta. dikaiw,mata, sou evfanerw,qhsanÅ

17 18 19

Zum Gestus des beidhändigen Schwörens vgl. D.R. SEELY, The Raised Hand of God as an Oath Gesture, in: A.B. BECK u.a. (Hg.), Fortunate the Eyes that See, FS D.N. Freedman, Grand Rapids 1995, 411-421. Vgl. AUNE, Revelation 17-22, 564; BEALE, Book of Revelation, 537; SATAKE, Offenbarung, 256. Vgl. E.P. McGARRY, The Ambidextrous Angel (Daniel 12:7 and Deuteronomy 32:40): Inner-Biblical Exegesis and Textual Criticism in Counterpart, JBL 124 (2005), 211-228 (hier: 227f); BEALE, Book of Revelation, 537: „Dan 12:7 is a development of Deut 32:40, which also may be secondarily in mind here in Revelation.“

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„Und sie sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.“

Der Hymnus ist durch die Bezeichnung wv|dh, Mwu?se,wj deutlich als partielle Bezugnahme auf ein „Lied des Mose“ markiert, wobei diese Wendung sowohl auf das Schilfmeerlied (Ex 15,1-21; vgl. insb. Ex 15,1) als auch auf Dtn 32,1-43 bezogen werden kann (vgl. Dtn 31,19,22,30; 32,44).20 Während der Hymnus hinsichtlich seines Wortlautes erkennbar vom Schilfmeerlied abweicht und tatsächlich Entlehnungen aus bzw. Anspielungen auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Schriften enthält (Ps 110[MT 111],2; 138[MT 139],14; Am 4,13; Dtn 32,4; Ps 144[MT 145],17; Jer 10,7; Mal 1,11; Ps 85[MT 86],9f; Hos. 6,5), findet sich allein am Ende von Apk 15,3 eine deutliche Bezugnahme auf das Moselied in Deuteronomium 32: Dtn 32,4 qeo,j avlhqina. ta. e;rga auvtou/ kai. pa/sai ai` o`doi. auvtou/ kri,seij qeo.j pisto,j kai. ouvk e;stin avdiki,a di,kaioj kai. o[sioj ku,rioj „Was Gott anbelangt – seine Werke sind verlässlich, alle seine Wege richtige Entscheidung. Ein verlässlicher Gott ist er, und es gibt bei ihm keine Ungerechtigkeit; ein nach menschlichen und göttlichen Maßstäben gerechter Herr.“

Das preisende Lob der Wege Gottes und seiner Zuverlässigkeit in dem als Nominalsatz formulierten synonymen Parallelismus di,kaioj kai. o[sioj ku,rioj am Ende von Apk 15,3 entspricht in Form und Inhalt Dtn 32,4b. Der Vers ist Teil einer hymnischen Gerichtsdoxologie in der Einleitung des Moseliedes, in der Gottes Handeln von der Exodusgeneration als gerecht und seine Vergeltung als adäquat gepriesen werden.21 Die Kombination von di,kaioj und o[sioj begegnet in den griechischen Übersetzungen der hebräischen heiligen Schriften außer in Dtn 32,4 nur noch in Ps 144[MT 145],17 (vgl. noch PsSal 10,5; Odae 2,4). Der ebenfalls in dem Vers vorkommende Ehrentitel „Knecht Gottes“ (oivke,thj kuri,ou; hebr. hw"hy>-db,[,) begegnet auch in Dtn 34,5 LXX im Kontext des Berichtes vom Tod Moses. Eine direkte literarische Bezugnahme des Apokalyptikers auf diese Stelle ist indes nicht wahrscheinlich. Als Titel Moses kommt er in der biblischen Überlieferung ganz 20 21

Vgl. BEALE, Book of Revelation, 793. Vgl. J. MASSYNGBERDE FORD, Revelation (AncB 38), Garden City, NY 1975, 257; E.F. LUPIERI, A Commentary on the Apocalypse of John (Italian Texts and Studies on Religion and Society), Grand Rapids u.a. 2006, 238.

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unspezifisch und gehäuft vor (Ex 14,31; Num 12,7; Jos 1,1,7,13; 8,31; 9,24; 1Kön [LXX: 3Kgt] 8,53; 2Kön [LXX: 4Kgt] 18,12; 21,8; 2Chr 24,9; Neh 1,8; Ps. 105,26; Mal 3,22 [LXX: 4,4]; vgl. Bar 1,20; Josephus, Ant. 5, 39; 1Clem 4,17; 51,5,8). Vielmehr liegt in Apk 15,3 eine deutliche Bezugnahme auf Ex 14,31; 15,1 vor, wo die ehrende Bezugnahme auf Moses das Schilfmeerlied Ex 15,1-21 einleitet.22 Der Verfasser der Johannesapokalypse intendiert in Apk 15,2-4 offenbar vor allem eine typologische Entsprechung des endzeitlichen Erlösungshandelns Gottes zum Exodusgeschehen: So wie das Volk Israel beim Exodus unter der Führung Moses auf der Flucht vor den Ägyptern durch das Schilfmeer gerettet wurde, das für seine Feinde zum Ort des gerechten Strafgeschehens wurde, so wird das Gottesvolk der Endzeit vor den widergöttlichen irdischen Mächten gerettet werden, die es verfolgen und in seiner Existenz bedrohen. Die Rettung vor den widergöttlichen Mächten der gegenwärtigen Endzeit entspricht nach Auffassung des Apokalyptikers Johannes dem Rettungsgeschehen des Exodus. Gott war und ist gerecht. Solcherart qualifiziert erscheint auch das vom Seher geschilderte Ausgießen der sieben Schalen als Bestandteil des umfassenden göttlichen Zorngerichtes (Apk 16,1-21) als sinnhaft und als Grund für eine Gerichtsdoxologie (vgl. Ps 118[MT 119],75; Neh 9,8,33), mit dem der dritte Schalenengel sein verheerendes Tun kommentiert: Apk 16,5 Kai. h;kousa tou/ avgge,lou tw/n u`da,twn le,gontoj\ di,kaioj ei=( o` w'n kai. o` h=n( o` o[sioj( o[ti tau/ta e;krinaj) „Und ich hörte den Engel der Wasser sagen: Gerecht bist du, der du bist und der du warst, du Heiliger, dass du dieses Urteil gesprochen hast.“

Der Vers greift die Anspielung auf Dtn 32,4 auf, indem die in 15,3f von den Erlösten gepriesene Gerechtigkeit Gottes hier auf den Vollzug seines kosmischen Gerichtshandelns bezogen wird: Gott straft alle, die das Blut der Christen vergossen haben.23 Die Umschreibung des Gottesnamens durch die Formel „o` w'n kai. o` h=n“ (vgl. Apk 1,4.8; 4,8; 11,17) entspricht verbreiteter jüdischer Praxis.24 Wenn allerdings der Bezug von Dtn 32,4 auf die zukünftige Welt und auf das Endgericht in der späteren rabbinischen Traditionsliteratur (vgl. z.B. Sifre Dtn § 307; b Taan 11a) bereits zur Zeit des Sehers bekannt war, wofür die heilsgeschichtliche Deutung des Moseliedes bereits in LibAnt 19,4 spricht, aktualisiert der Seher Johannes auch hier vor allem eine hoffnungs22 23 24

Vgl. BEALE, Book of Revelation, 792. Vgl. BEALE, Book of Revelation, 817. Vgl. Ex 3,14 sowie TJon z.St; Weish 13,1; Josephus, Ant. 8,350; c.Ap. 2,190 u.ö.

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stiftende Tradition, indem er die im Moselied thematisierte Erwählung des Gottesvolkes durch Unheil in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hindurch auf die bedrängte Gemeinde Christi überträgt.

6. U.B. Müller schreibt in seinem Kommentar zur Offenbarung des Johannes: „Die Errettung Israels gilt für das Volk der Endzeit als Typos eschatologischen Gotteshandelns“25 Diese Aussage wird durch die in diesem Beitrag untersuchten Bezugnahmen auf das Moselied (unbeschadet ihrer unterschiedlichen Evidenz) rundum bestätigt. Auf der Basis von Dtn 32,1-43 schafft der Verfasser der Johannesoffenbarung eine typologische Korrespondenz des richtenden und rettenden Handelns Gottes während des Exodus aus Ägypten und seines eschatologischen Gerichts über die Feinde der bedrängten christlichen Gemeinde, d.h. seiner Selbstdurchsetzung gegen alle Widersacher und der rettenden Bewahrung der christlichen Kirche. Beide Zusagen sind Teil des Entwurfs einer (zugleich vorzeitlichen und endzeitlichen) idealen „Gegenwelt“ für das wahre Gottesvolk,26 der seine gegenwärtigen geschichtlichen Leidenserfahrungen gegenübergestellt sind. Dennoch zeigt die Durchsicht der Zitate und Anspielungen, dass sowohl die deutende Bezugnahme auf das Schilfmeerlied Ex 15,1-21 als auch auf das das Danielbuch mindestens ebenso deutlich wie das Moselied Dtn 32,1-43 die intendierte Textaussage prägen. Die Vergleichbarkeit bzw. Konvergenz einzelner Inhalte und Motive allein bedeutet also noch keine absichtliche intertextuelle Beziehung zwischen der Johannesoffenbarung und einem bestimmten Einzeltext bzw. Segment der jüdischen Heiligen Schriften. Vielmehr ist immer auch danach zu fragen, ob der jeweilige Kontext und die jeweilige narrative Funktion dieser Inhalte und Motive gemeinsame Merkmale aufweisen, die die Annahme einer tatsächliche Verbindung ermöglichen. Der Ertrag dieser kurzen Untersuchung zur Bezugnahme auf das Moselied (Dtn 32,1-43) in der Offenbarung des Johannes besteht zum einen darin, anhand der hier betrachteten Texte zeigen zu können, dass der Seher von Patmos zwar durchweg an verbreitete Formen der

25 26

U.B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes (ÖTK 19), Gütersloh 1984, 274. Vgl. S. SCHREIBER, Die Offenbarung des Johannes, in: M. EBNER / DERS. (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 6), Stuttgart 2008, 579.

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Schriftrezeption des antiken Judentums anknüpft,27 diese bei der „Einschmelzung“ in sein literarisches Werk allerdings eine strenge christologische Konzentration erfahren.28 Zum anderen ist es hierdurch möglich geworden, eine zentrale Aussage aus dem umfangreichen Werk des geehrten Jubilars zur Johannesoffenbarung erneut zu verifizieren, die in ihrer Sachgemäßheit und Prägnanz die hohe Bedeutung und Aktualität seiner Beiträge zum letzten Buch der christlichen Bibel gleichsam als pars pro toto unter Beweis stellt.

27

28

Vgl. S. SCHREIBER, Offenbarung, 564: „Die Interpretation der Tradition geschieht dabei in poetischer Kraft und schriftgelehrter Reflexion zugleich und bewegt sich damit strukturell im Bereich der prophetischen Verkündigung, bei der die Person des Propheten ebenfalls mit ihrer ganzen Reflexions- und Sprachkraft an der Interpretation des visionär Geschauten beteiligt ist.“ So M. KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel. Der Ezechieltext der Apokalypse, in: D. SÄNGER (Hg.), Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung (BThS 76), Neukirchen-Vluyn 2004, 84-120: 88. Vgl. G. THEIßEN, Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem (SHAW.PH 40), Heidelberg 2007, 263f.

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„Die Tiefen des Satans erkennen ...“. Überlegungen zur theologiegeschichtlichen Einordnung der Gegner in der Offenbarung des Johannes Ulrich B. Müller Der Seher Johannes wirft seinen Gegnern in der Gemeinde zu Thyatira vor – gemeint sind die Prophetin Isebel und ihre Anhänger, – sie beanspruchten, „die Tiefen des Satans“ erkannt zu haben, „wie sie sagen“ (Offb 2,24). Diese besondere Lehre ist im NT ohne direkte Parallele, und ihr Verständnis ist seit jeher höchst umstritten. Bereits W. Bousset1 charakterisierte die Diskussionslage in besonderer Weise: „Wir haben in dem Ausdruck ‚die Tiefen des Satans erkennen’ ... eine Selbstcharakteristik der Irrlehrer zu sehen. Diese Selbstcharakteristik erscheint freilich wunderbar, und deshalb nehmen viele Ausleger an, dass der Apokalyptiker den Irrlehrern ihre Selbstaussage in einer stark ironischen Weise im Mund verdreht habe ... Doch hat man diese Annahme einer Verdrehung der Worte der Gegner von Seiten des Sehers nicht unbedingt nötig.“ Gleichwohl geht der vorherrschende Trend der Forschung in diese Richtung2. Danach charakterisiert Johannes das negativ, was bei den Gegnern durchaus positiv und dementsprechend anders gemeint war. In Wirklichkeit behaupten sie betontermaßen, „die Tiefen Gottes“ zu erkennen (vgl. 1Kor 2,10). Ihre Erkenntnis ist ein Zeichen besonderer Vollkommenheit, die sie freimacht von gesetzlichen Bestimmungen, das Verbot etwa, „Unzucht zu treiben und Götzenopferfleisch zu essen“ (Offb 2,20). In der Sichtweise des Johannes verführten die Gegner die Gemeinde mit dieser Lehre dazu, sich götzendienerischen Lebensformen der heidnischen Gesellschaft bereitwillig anzupassen. Eine Leh1 2

W. BOUSSET, Die Offenbarung Johannis (KEK XVI), Göttingen 61906 (Nachdr. 1966), 220. z.B. H. KRAFT, Die Offenbarung des Johannes (HNT 16a), Tübingen 1974, 70; U.B. MÜLLER, Zur frühchristlichen Theologiegeschichte, Gütersloh 1976, 22f; J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes (ZBK.NT 18), Zürich 1984, 58; K. BERGER, Theologiegeschichte des Urchristentums, Tübingen/Basel 1994, 538. D.E. AUNE, Revelation 1-5 (WBC 52), Dallas 1997, 207f und R.H. CHARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John, Vol. I (ICC), Edinburgh 1920, entscheiden sich nicht für eine der beiden Interpretationsmöglichkeiten.

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re, die solches rechtfertigt, musste als Satanserkenntnis verurteilt werden. Doch dürfte diese Interpretation kaum zutreffen: „Denn immer sonst in den Sendschreiben, wo Johannes auf eine Selbstcharakterisierung anderer verweist, zitiert er den tatsächlich vorgebrachten Anspruch, selbst wenn er ihn direkt oder indirekt bestreitet ...“3 Die in Offb 2,2 erwähnten Gegner nennen sich wirklich „Apostel“, was Johannes allerdings zurückweist; die in 2,9 und 3,9 genannten „Juden“ erheben den berechtigten Anspruch, Juden zu sein, was Johannes wiederum in Frage stellt, wenn er sie als „Synagoge des Satans“ denunziert. Isebel bezeichnet sich als Prophetin, was Johannes nicht leugnen kann (2,20). Immer erwähnt Johannes den tatsächlich erhobenen Anspruch, so dass man auch für die besondere Lehre der Gegner in 2,24 Entsprechendes annehmen muss: Wie sie selbst sagen, haben sie „die Tiefen des Satans“ erkannt. Doch was ist damit konkret gemeint? Der Vorteil der häufig vertretenen Meinung, die Gegner hätten in Wahrheit eine besondere Gotteserkenntnis vertreten, liegt darin, dass man bei ihrer Position eine Nachwirkung von 1Kor 2,10 sehen konnte, wobei besonders das 1Kor 8,4 entsprechende Wissen, dass es keinen Götzen in der Welt gibt und Gott nur einer ist, eine grundsätzliche Freiheit in der Frage des Essens von Götzenopferfleisch ermöglicht4. Haben die Gegner dagegen explizit behauptet, „die Tiefen des Satans“ erkannt zu haben, scheint die Verortung der gegnerischen Position in der frühchristlichen Theologiegeschichte schwierig zu werden: „Es ist möglich, dass es im Zusammenhang mit der späteren Gnosis ... auch Satanskult gegeben hat. Die Kirchenväter behaupten das wenigstens ... Aber wenn die Nikolaiten ernst zu nehmen waren, ... kann hier nur von Gotteserkenntnis die Rede gewesen sein.“5 Letzteres wird sich zwar so nicht einfach halten lassen; die Gegner haben wirklich von Satanserkenntnis gesprochen. Andererseits lässt sich aber zeigen, dass eine Erkenntnis der „Tiefen des Satans“ unter Nachwirkung und in der Konsequenz von 1Kor 2,10 möglich war, ohne dass eine „aufklärerische“ Tendenz im Sinne von 1Kor 8,4-6 die entscheidende Rolle gespielt hat6. 3 4

5 6

J.-W. TAEGER, Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse, in: DERS., Johanneische Perspektiven (FRLANT 215), Göttingen 2006, 121-138: 130. Vgl. z.B. E. SCHÜSSLER FIORENZA, Apocalyptic and Gnosis in the Book of Revelation and in Paul, in: DIES., The Book of Revelation, Philadelphia 1985, 114-132; H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, in: DERS., Alte Welt und neuer Glaube NTOA 29, Fribourg/Göttingen 1994, 115-143: 130; U.B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes (ÖTK 19), Gütersloh/Würzburg 21995, 98f. KRAFT, Offenbarung (Anm. 2), 70. Es handelt sich eben nicht um bloße „Nichtigkeit bzw. Nichtexistenz“ irgendwelcher Gottheiten, und sei es Zeus Olympios, der angeblich hinter dem in Offb 2,13 und

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1. Es geht bei den Gegnern des Johannes, bei Isebel und ihren Anhängern, um eine dezidierte Lehre, die eine vom Seher Johannes verurteilte Praxis rechtfertigt. Schon in Offb 2,14f taucht diese Lehre auf, die inhaltlich wohl derjenigen in 2,18-29 entspricht. Der Gemeinde zu Pergamon wird vorgeworfen: „So (d.h. im Falle der Lehre Bileams 2,14) hast auch du (wie in Ephesus 2,6) solche, die an der Lehre der Nikolaiten gleicherweise festhalten.“ (2,15). Die Lehre Bileams verführt dazu, „Götzenopferfleisch zu essen und Unzucht zu treiben“. Dasselbe gilt für die Nikolaiten in 2,15 sowie für die Anhänger der Isebel, wie 2,20 verrät. Überhaupt ist gerade das Sendschreiben nach Thyatira aufschlussreich für die Auseinandersetzung, die Johannes mit seinen gemeindlichen Gegnern führt – ganz abgesehen von dem Vorwurf, „die Tiefen des Satans“ erkannt zu haben (2,24). Zunächst kann Johannes diese Gemeinde noch loben für ihre „Werke“, nach denen sie dereinst gerichtet wird (2,19 bzw. 2,23), wozu ihre „Glaubenstreue“ und ihr „Dienst“ für die Armen in der Gemeinde gehört (2,19). Ja, ihr zuletzt gezeigtes Verhalten demonstriert, dass ihre letzten „Werke“ mehr darstellen als die ersten, was ein Hinweis ist, dass die Christen in Thyatira auf den ersten Blick es an nichts fehlen lassen. Doch gilt dieser Gemeinde insofern scharfe Kritik, als sie Tendenzen in der Gemeinde toleriert, deren Gefährlichkeit sie anscheinend gar nicht erkennt: „Aber ich habe gegen dich, dass du das Weib Isebel gewähren lässt ... “. Diese verführt mit dem Anspruch, Prophetin zu sein, mit ihrer schon erwähnten Lehre Gemeindeglieder dazu, sich auf das soziale, wirtschaftliche und praktische Leben der heidnischen Gesellschaft einzulassen, was die mehr oder weniger intensive Teilnahme an heidnischen Kulten impliziert. Dies scheint der Gemeinde zu Thyatira als religiöses Problem gleichwohl nicht klar gewesen zu sein; sonst hätte sie angesichts der vom Seher Johannes so gelobten „Werke“ diese Isebel mit ihrer Lehre nicht gewähren lassen. Johannes kritisiert eine permissive Haltung gegenüber den religiös-kultischen Voraussetzungen der römisch bestimmten Umwelt mit ihrer Forderung des Kaiserkultes, was auch im 2,24 genannten Satan steht, dem wegen der Geltung von 1Kor 8,4-6 Bedeutungslosigkeit zukommt, weswegen die Gegner tatsächlich der Meinung sein konnten, „die Tiefen des Satans“ zu erkennen (so aber TH. WITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse (FRLANT 221), Göttingen 2007, 287f. 291). Es geht um mehr, um die Überzeugung von der endgültigen Unterwerfung des Satans (s.u.). Ohne nähere Begründung und damit letztlich unklar bleibt die These bei A. SATAKE, Die Offenbarung des Johannes (KEK XVI), Göttingen 2008, 173, Isebel und ihre Anhänger hätten sich „das Mysterium des Satans zueigen gemacht“ und könnten „jetzt darüber verfügen“.

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Schreiben an die Gemeinde zu Pergamon eine deutliche Rolle spielt (2,14f). „Dass dabei die christliche Identität der Gemeinden, die sie ansonsten durchaus zu wahren wissen (V. 13.19), auf dem Spiel steht, ist diesen nicht bewusst; was sie zulassen (V. 20a), haben sie in seiner Gefährlichkeit nicht durchschaut.“7 Dem Seher Johannes geht es bei diesem Streit um die für ihn entscheidende Substanz christlicher Existenz. Die Auseinandersetzung scheint schon eine gewisse Zeit anzudauern. Johannes hat Isebel Zeit gegeben, dass sie von ihrer Position abkehre; doch diese hat sich verweigert (2,21). So bleibt für Johannes nur die Gerichtsankündigung gegen sie und ihre Anhänger (2,22f). Dabei hat dieses Gericht eine die Kirche der Provinz Asia übergreifende Bedeutung; denn, „alle Gemeinden“ sollen darüber zur Einsicht kommen, dass der endzeitliche Richter Christus ihnen nach ihren Werken vergelten wird (2,23). Was aber ist der verführerische, zugleich aber das wahre Christsein in Frage stellende Kern der gegnerischen Lehre, die Isebel und ihre Anhänger vertreten? Sie beanspruchen, „die Tiefen des Satans“ erkannt zu haben (2,24). Dabei wird man an keinen Satanskult zu denken haben, jedenfalls keine Lehre, die auf den ersten Blick christlicher Glaubenskenntnis widerspricht, sonst hätten die zunächst so gelobten Gemeinden (2,13 und 2,19) die sich durchaus wohl christlich gebende Lehre der Isebel nicht so lange gewähren lassen.

2. Die Möglichkeit ist ernsthaft zu bedenken, dass Johannes die gegnerische Lehre zwar insofern korrekt wiedergibt, wenn er sie als Erkenntnis des Satans zitiert, dabei allerdings eine aufs Äußerste verkürzte Wiedergabe vornimmt, die nur das für ihn Anstößige dieser Lehre benennt, das seiner Meinung nach die theologische Rechtfertigung der von den Gegnern geübten permissiven Praxis darstellt. Ihre Lehre scheint ein Überlegenheitsbewusstsein über das Irdische provoziert zu haben, das es ihnen gestattete, ohne religiöse Skrupel am gesellschaftlichen Leben der römisch geprägten Stadtgesellschaft teilzuhaben. Ansonsten ist durchaus davon auszugehen, dass die Position der Isebel und ihrer 7

J.-W. TAEGER, Eine fulminante Streitschrift. Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes, in: DERS., Johanneische Perspektiven (FRLANT 215), Göttingen 2006, 105120: 112. Zum besonderen Charakter des Schreibens nach Thyatira, bei dem die Fiktion der Adressierung an den Gemeindeengel verlassen wird (V.22-23) und die direkte Anrede an die Gegner erfolgt, vgl. G. GUTTENBERGER, Johannes von Thyateira, in: F.W. HORN / M. WOLTER (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung, FS O. Böcher, Neukirchen-Vluyn 2005, 160-188.

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Anhänger im Rahmen auch sonst bekannter Lehrmöglichkeiten des frühen Christentums blieb, wobei die Satanserkenntnis eine Spitzenaussage ihrer Lehre darstellt. Die paulinische Aussage 1Kor 2,10 bleibt immer noch die nächste Parallele zur gegnerischen Position, „die Tiefen des Satans“ erkannt zu haben. Paulus argumentiert dort: „ ... der Geist ergründet alles, auch (= sogar) die Tiefen Gottes.“ Gemeint ist: Weil der göttliche Geist Christen an seinem Ergründen teilhaben lässt, das – aus der Perspektive der Menschen – sogar die „Tiefen Gottes“ erfasst, kommt Offenbarung zustande8. Der Geist gibt Anteil an der Erfassung nicht des innersten Wesens Gottes wie in der Gnosis, wo Gott und „Tiefe“ identifiziert werden können (ActThom 143), sondern am verborgenen Heilsplan Gottes (Röm 11,33f). Bei der Position der Gegner ist allerdings eine enthusiastische Glaubenserkenntnis im Spiele, die eine Formulierung wie Satanserkenntnis überhaupt ermöglicht. Zu beachten ist ja, dass auch bei Paulus und den Deuteropaulinen enthusiastische Wertungen eine Rolle spielen, wenn Röm 8,38f in feierlichem Ton den Sieg über (gottfeindliche) Mächte wie Engel, Mächte (avrcai,) und Gewalten (duna,meij) preist, zu denen „Höhe“ und „Tiefe“ treten, die vielleicht als Gestirnmächte aufzufassen sind9. Zufolge Kol 2,15 hat Christus „Mächte“ und „Gewalten“ ihrer Macht beraubt, insofern diese als „Tabuwahrer der Heilssphäre Gottes“ dem Heil der Gläubigen entgegenstehen; denn Herrschaft Christi impliziert auch die Entmachtung der Mächte.10 Eph 1,21f betont, dass Gott Christus „hoch über jede Macht, Kraft, Gewalt und Herrschaft“ gesetzt hat, ja „alles legte er ihm zu Füßen“. Sieht man diese Anschauungen aus dem paulinischen Traditionsbereich, könnte man die Position der Gegner des Johannes dahingehend deuten, dass sie in pointierter Form der Überzeugung waren: Gott bzw. Christus hat den Satan total entmachtet, ja in die „Tiefe“ gestürzt, so dass Christen seine Schadenseinwirkung in ihrer Umwelt nicht mehr zu fürchten brauchten. Ihre Position wäre ein Heilsenthusiasmus, wie er ansatzweise im Kolosser- und Epheserbrief oder auch bei den Gegnern in 2Tim 2,18 auftritt. Doch stellt sich die Frage, wie bei der skizzierten Annahme die besondere Formulierung über „die Tiefen des Satans“ (ta. baqe,a tou/ satana/) erklärlich ist. Von den „Tiefen“ Gottes kann jüdische Tradition 8 9 10

H. MERKLEIN, Der erste Brief an die Korinther. Kapitel 1-4 (ÖTK 7/1), Gütersloh/Würzburg 1992, 235f. U. WILCKENS, Der Brief an die Römer (Röm 6-11) (EKK VI/2), Neukirchen-Vluyn u.a. 1980, 177. M. WOLTER, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon (ÖTK 12), Gütersloh/Würzburg 1993, 137f.

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sprechen (TestHi 37,6): „Kann jemand erfassen die Tiefen des Herrn (ta. ba,qh tou/ kuri,ou) und seiner Weisheit, oder wagt jemand dem Herrn Unrecht zuzuschieben?“ Und in gnostischen Texten ist von den „Tiefen“ die Rede, die nur die Gnostiker erreichen können, weil sie allein „die Tiefen“ (ta. ba,qh) erkennen (HippRef V 6,4). In EvVer NHC I/3 (p. 22,25f) ist die Rede von der „Tiefe dessen, der jeden Raum umfasst, ohne dass es einen gibt, der ihn umfasst“11. Bei diesen Aussagen ist die „Tiefe“ eine entscheidend positive Kennzeichnung der Größe, die es für den Gnostiker zu erfassen oder zu ergründen gilt. Bei den von den Gegnern des Johannes erwähnten „Tiefen des Satans“ wird man dies in dieser Form schwerlich sagen können, will man nicht eine Extremposition postulieren, für die es im frühchristlichen Umkreis des Johannes keinen sicheren Hinweis gibt. Trotz dieser Schwierigkeit wird man aber bei der Deutung der Gegnerposition bleiben müssen, die in Offb 2,24 die tatsächliche Meinung derselben annimmt. Die oft vertretene Meinung, Johannes verdrehe deren Position, wenn er statt von der Erkenntnis der „Tiefen Gottes“ von den „Tiefen des Satans“ spricht, verstößt gegen die „natural sense of language, and would require some such indication of the turn given to the original words as appears in v. 9.“12 Eine Lösung der Problematik ergibt sich dann, wenn man die knappe Wiedergabe der gegnerischen Lehre berücksichtigt. Denn Johannes hat sicher kein Interesse, die Gegner ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Andererseits wird man mit der Möglichkeit zu rechnen haben, dass die gegnerische Parole ihrerseits dasjenige zugespitzt artikuliert, was sie in besonderer Weise charakterisiert. Die, die „die Tiefen des Satans“ erkannt haben, „wie sie sagen“ (2,24), haben möglicherweise beansprucht: „Wir haben die Tiefen Gottes ergründet, ja sogar die tiefen Abgründe geschaut, in die der Satan bereits gestürzt ist.“ Man könnte an Dan 2,22 LXX denken, wo es von Gott heißt: Er „enthüllt das Tiefe (ta. baqe,a) und Dunkle und weiß, was in der Finsternis und im Licht ist.“ Angenommen, Ähnliches sei von den enthusiastischen Gegnern behauptet und „das Tiefe“ sei auf den Satan bezogen worden, der von Gott bzw. Christus in „die Tiefe“ bzw. den „Abgrund“ gestürzt sei und damit aller Macht verlustig13 – eine solche Position hätte ihren 11 12 13

Zu den genannten Belegen vgl. H. SCHLIER, Art. ba,qoj, ThWNT I (1933), 515f; A. LINDEMAN, Der Erste Korintherbrief (HNT 9/I), Tübingen 2000, 68f. J. T. BECKWITH, The Apocalypse of John, New York 1919 (Nachdr. Grand Rapids 1979), 468. Bei dieser Deutung von Offb 2,24 könnte man die Schwierigkeit sehen, dass ta. baqe,a einmal im übertragenen Sinne verstanden ist (analog 1Kor 2,10), gleichzeitig aber eine räumliche Bedeutungsnuance erhält (mit Bezug auf „den Abgrund“), wofür das substantivierte Adjektiv sprechen könnte. Die Richtigkeit der Annahme wird sich dann erweisen, wenn klar wird, mit welcher Argumentation Johannes darauf rea-

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Anhängern eine vermeintliche Freiheit im Umgang mit der heidnischen Umwelt ermöglicht, die von anderen Christen, besonders von Johannes, als dämonisch oder gar satanisch infiziert betrachtet wurde. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für diese Rekonstruktion der gegnerischen Position ergibt sich schon dadurch, dass beim Seher Johannes ähnliche Vorstellungen eine Rolle spielen: Nach seiner Erwartung wird der Satan für tausend Jahre in den Abgrund (a;bussoj), die Unterwelt als Gefängnis ungehorsamer Geister, gestürzt werden (20,1-3), nur dass für Johannes eschatologische Zukunft ist, was für Isebel und ihre Anhänger bereits verwirklichtes Heil sein dürfte. Sie haben „die Tiefen Gottes“ erkannt, ja die Bedeutung des „tiefen Abgrunds“ erfasst, der für sie wohl die endgültige Ohnmacht des Satans besiegelt14. Vorsichtigerweise wird man allerdings damit rechnen müssen, dass diese Deutung der Gegnerposition am ehesten der Sichtweise entspricht, die Johannes von ihnen hat. Doch wird man nicht fehlgehen in der Annahme, Johannes habe seine Gegner sehr wohl verstanden, auch wenn man, wie geschehen, mit einer verkürzenden Wiedergabe ihrer Position zu rechnen hat. Johannes hat genug Gelegenheit gehabt, die theologische Haltung der Prophetin Isebel kennenzulernen. Das Sendschreiben nach Thyatira zeigt ja, dass die Auseinandersetzung schon eine geraume Zeit gedauert hat: „Ich habe ihr Zeit gegeben umzukehren, doch will sie nicht umkehren von ihrer Hurerei.“ (2,21). Diese Bemerkung bezieht sich explizit zwar nur auf die kritisierte Praxis der Isebel, gleichwohl zeigt der Kontext deutlich, dass diese Praxis Konsequenz einer bestimmten Lehre ist (2,20.24). Im Folgenden wird zu zeigen sein, wie der theologische Gegenentwurf des Johannes aussieht. Jedenfalls lässt sich präzisieren, wie die für Johannes allein akzeptable „Tiefenschau“ des Satans ausfällt, die er der christlichen Gemeinde präsentiert, um sie von den gegnerischen Vertretern der Satanserkenntnis abzubringen. Dabei steht zu erwarten, dass auf diese Weise indirekt klarer wird, welche theologische Lehre diese verkündet haben und sich auf diesem Wege der oben (2.) geleistete Rekonstruktionsversuch bestätigt.

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giert. Aus seinem Gegenentwurf wird ersichtlich werden, wie die Gegner ihre Meinung gemeint und begründet haben. Zur Vorstellung vom „tiefen Abgrund“ als Gefängnis bzw. Strafort für gefallene Engelwesen oder Geister vgl. äthHen 10,4; bes. 18,11f., aber auch 53,1; 54,1f.; im NT: Jud 6; 2Petr 2,4; Offb 9,1f; 9,11; 11,7; 17,8. Vgl. dazu J. JEREMIAS, Art. a;bussoj, ThWNT I (1933), 9.

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3. In seiner visionären ‚Enthüllungsstrategie’ Offb 4,1-22,5 versucht Johannes, seine Gegner, vor allem aber die Gemeinden darüber aufzuklären, was der wahre, ihnen anscheinend nicht bewusste Charakter des römischen Imperiums und der paganen Gesellschaft darstellt. Durch die Aufnahme der Drei-Zeiten-Formel aus 1,19 („Schreibe nun nieder, was du gesehen hast und was ist und was geschehen soll danach!“) in Offb 4,1 („ich will dir zeigen, was geschehen muss danach“) verweist der Seher Johannes auf seine durch Christus vermittelte Fähigkeit, die irdische Geschichte in ihrer Tiefendimension zu entschlüsseln.15 Gerade Offb 12f enthält dabei die für Johannes allein angemessene „Tiefenschau“ des Satans,16 der, auf die Erde herabgekommen, alle Erdenbewohner zum Götzendienst verführen will (12,9). Der im Himmel zwar entmachtete Satan treibt auf der Erde sein schreckliches Unwesen (12,12) und führt Krieg gegen alle, „die die Gebote Gottes bewahren und das Zeugnis Jesu festhalten“ (12,17). In Gestalt des Drachen gibt er dem „Tier“ „seine Macht und seinen Thron und große Gewalt.“ (13,2). Dieses „Tier“ erweist sich als das römische Imperium, das gleichzeitig mit einem seiner Herrscher identifiziert wird, wenn es wie zum Tode geschlachtet doch wunderbar geheilt erscheint (13,3).17 Dieses vom Drachen = Satan abhängige „Tier“ vermag seinen im Kaiserkult kulminierenden Anspruch weltweit durchzusetzen (13,4.8). In Gestalt des zweiten „Tieres“, das als Propagandist und Erfüllungsgehilfe des ersten „Tieres“ auftritt, gelingt es dem Imperium, die religiöse Verehrung des Kaisers durchzusetzen (13,12ff). Was Isebel und ihre Anhänger anscheinend nicht erkennen, ist eben dies: Hinter der Macht des römischen Imperiums steht Satan selbst, der „die Heiligen“, die wahren Christen, besiegen will (13,7). Die besondere Gefährdung der christlichen Gemeinden ist für Johannes dem Umstand geschuldet, dass die Prophetin Isebel in seiner Sicht in der christlichen Gemeinde letztlich dasselbe bewirkt, was das zweite „Tier“ als Erfüllungsgehilfe des römischen Imperiums betreibt. Sie verführt wie das zweite „Tier“ die Menschen zu einem anpassungs15 16 17

Vgl. M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief (FRLANT 140), Göttingen 1986, 156f. TAEGER, Begründetes Schweigen (Anm. 3), 133. WITULSKI, Johannesoffenbarung (Anm. 6), 149ff versteht das erste „Tier“ als die „individuelle Gestalt eines einzelnen römischen Kaisers“ (a.a.O., 155), der allerdings das Imperium Romanum als satanisches Ganzes vertritt. Seine zeitgeschichtliche Deutung des ersten „Tieres“ auf Kaiser Hadrian, des zweiten „Tieres“ auf den Sophisten Antonius Polemon bleibt fraglich, insofern dabei ein allzu gewagter Rückschluss von der Textebene auf die externe Sachebene vorliegt (a.a.O., 219-237).

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bereiten Verhalten, das in den Augen des Sehers letztlich Götzendienst bedeutet (2,20 parallel zu 13,14; 19,20). Isebel propagiert innerhalb der christlichen Gemeinde dasselbe, was im umfassenden Horizont des damaligen Imperiums das zweite „Tier“ tut, das im allmählichen Aufbau der apokalyptischen Visionsberichte schließlich als der „Pseudoprophet“ entlarvt wird (16,13; 19,20, 20,10). Beide verführen die Menschen zum Götzendienst des Kaiserkultes – einmal innerhalb der christlichen Gemeinde (2,20), sodann in der ganzen Welt (13,14; 19,20).

4. Nicht nur dass Johannes das römische Imperium als Agenten und Handlanger des Satans selbst offenlegt (Offb 12f), er bemüht sich auch darum, das anstehende eschatologische Drama so zu schildern, dass es den Vertretern der Satanserkenntnis die Basis ihrer Irrlehre entzieht. Sicher – die visionäre Schau des Sehers enthüllt es – ist der Satan aus seiner himmlischen Machtstellung gestürzt; doch gilt der Erde der Wehe-Ruf, dass der Zorn des Satans sich in seinen irdischen Agenten austobt (12,12; 13,1ff). Sein eigentliches Ende steht noch aus, was Isebel und ihr Anhang anscheinend nicht erkennen wollen. Dementsprechend sieht Johannes sich adressatenorientiert genötigt, das eschatologische Gerichtsdrama in seinen einzelnen Akten als noch ausstehende Abfolge endzeitlicher Ereignisse zu schildern (Offb 19,11-22,5). Dabei verrät dieser Gegenentwurf doch wohl via negationis, was die tatsächliche Position der Gegner bestimmt. Johannes pocht darauf, dass der Satan auf Erden noch nicht entmachtet ist, sondern erst im Himmel. Sein Unheil bringendes Wesen ist keinesfalls erledigt, sondern übt im Imperium Romanum seine gegenwärtige Macht aus. Christen sind zwar zum Königtum eingesetzt (1,5f), werden aber erst im Eschaton mit Christus herrschen (5,10; 20,6; 22,5). Die Satanserkenntnis der Gegner (2,24) hat demgegenüber das schon verwirklichte Heil betont. Es geht diesen dabei nicht bloß um die aufgeklärte Weltanschauung, dass es Satan nicht gibt, wie „kein Götze in der Welt existiert und kein Gott als der Eine“ (1Kor 8,4). Das Insistieren des Johannes, dass noch nicht realisiert ist, was die Gegner doch wohl behaupten, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass der Streit gerade diesen Konfliktpunkt zum Thema hat. Der vorliegende Versuch, aus dem Gesamtentwurf des Johannes via negationis die Position der Gegner zu bestimmen, kann hier gelingen, so riskant dieses Verfahren gelegentlich erscheinen mag. Denn Johannes konstruiert in 19,11-22,5 eine derartige Folge von endzeitlichen Ereignissen, die in dieser besonderen Komplexität nicht ein-

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fach nur traditionell vorgegeben ist, wobei sich in der besonderen Einfügung des Satans in die vorliegende Endzeitkonzeption zeigt, dass damit der eigentliche Nerv der Auseinandersetzung zwischen Johannes und den Gegnern, die ihrerseits Satanserkenntnis beanspruchen (2,24), getroffen ist. In Offb 19,11-22,5 fällt auf, dass Johannes endzeitliche Vorstellungen des Judentums aufgreift, sie aber so verändert, dass sie seinen Aussagetendenzen entsprechen. Johannes kombiniert die Abfolge endzeitlicher Ereignisse, wie sei bei 4Esr 7,26ff (bzw. 12,34) und syrBar 29f (bzw. 39,7-40,3) zu finden sind (begrenztes Messiasreich – Totenauferstehung – Endgericht – Neue Welt) mit der Abfolge, wie sie Ez 37-40 zeigt, wobei besonders der Kampf von Gog und Magog dazutritt (Ez 38-39), so dass sich für die Offb die Reihe ergibt: Tausendjähriges Reich des Christus (20,4-6), Gog und Magog (20,7-10), allgemeine Totenauferstehung zum Endgericht (20,11-15) und Neue Welt (21,1-22,5). Gegenüber den genannten Vorgaben erweitert ist die Darstellung in der Offb durch den Gedanken der „ersten Auferstehung“ (20,6), besonders aber der Fesselung des Satans im „Abgrund“ der Unterwelt (20,1-3), seiner erneuten Loslassung (20,7-9) sowie seiner endgültigen Vernichtung (20,10)18. In diesen gegenüber der Tradition neuen Aspekten drückt sich die redaktionelle Aussageabsicht des Johannes in eigentümlicher Weise aus. Dies gilt besonders für die Erwähnung des Satans im Rahmen dieses endzeitlichen Gerichtsdramas19. Erst nachdem der Satan durch den Engel Gottes gefesselt und im „Abgrund“ verschlossen ist (20,1-3) – so der Seher Johannes –, so dass er die Völker nicht mehr verführen kann, wird sich das tausendjährige Reich Christi auf Erden realisieren (20,4-6)20. Und nur wer zum Festhalten am Zeugnis Jesu konsequent bereit ist bis zum möglichen Martyrium, wird am tausendjährigen Reich teilhaben. In der Gegenwart aber ist der Satan als Feind der christlichen Gemeinden wirksam, die sich durch Glaubenstreue bewähren müssen, ehe sie denn als „Priester Gottes“ zu-

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T.J. BAUER, Das tausendjährige Messiasreich der Johannesoffenbarung. Eine literarkritische Studie zu Offb 19,11-21,8 (BZNW 148), Berlin/New York 2007, 251-253.274f. Nach J. FREY, Das apokalyptische Millenium. Zu Herkunft, Sinn und Wirkung der Milleniumsvorstellung, in: Millennium. Deutungen zum christlichen Mythos der Jahrtausendwende, Gütersloh 1999, 34f, ist die Abfolge der Endzeitereignisse direkt aus Ez 37-48 entnommen; ähnlich SATAKE, Offenbarung (Anm. 6), 384. Die mit Offb 20 parallele Abfolge endzeitlicher Akte in 4Esr 7,26ff und syrBar 29f kennt keine Aktion gegenüber dem Satan. Er ist diesem Schema eigentlich fremd. Wenn das Ende des Satans thematisiert wird, so ist es der eine entscheidende Akt, der die Heilszeit ermöglicht (AssMos 10; TestJud 25,3-5; TestDan 5,10-13), nicht lediglich ein Aspekt des endzeitlichen Dramas. BAUER, Messiasreich (Anm. 18), 287f.

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sammen mit Christus herrschen werden (20,6) und die in der Taufe bereits zugesprochene Heilsgabe (1,5f) sich realisieren wird. Der eschatologische Vorbehalt wird noch dadurch verstärkt, dass auch diese Herrschaft als vorläufige Periode des Heils erscheint, die durch die erneute Loslassung des Drachen = Satan ein Ende findet (20,7). Dieser versucht einen letzten Ansturm, indem er die Völkerheere Gog und Magog gegen „das Lager der Heiligen und die geliebte Stadt“ mobilisiert (20,8-9). Erst jetzt wird er endgültig scheitern und in den „Pfuhl von Feuer und Schwefel“ geworfen und ewige Pein erlangen (20,10). Bei dieser bewusst in mehrere Akte gedehnten Abfolge endzeitlicher Ereignisse ist das Bestreben des Sehers Johannes deutlich, gegen eine Überzeugung anzugehen, die eschatologisches Heil schon in der Gegenwart insofern realisiert sieht, als der Satan und widergöttliche Mächte im Grunde entmachtet sind, weswegen sich auf diese Welt und ihre hellenistisch-römische Stadtgesellschaft mit ihrem Götzendienst einzulassen, keine Gefährdung christlicher Glaubensexistenz nach sich zieht. Er entfaltet in seinem apokalyptischen Hauptteil 4,1-22,5 mit seiner Tiefenschau die visionäre Enthüllung der eigentlichen Wirklichkeit, die denen verschlossen ist, die ihrerseits behaupten, „die Tiefen des Satans“ erkannt zu haben, gleichwohl aber verkennen, was der göttliche Geschichtsplan in Wirklichkeit vorgesehen hat. Ein Gesichtspunkt sei noch gesondert berücksichtigt. Durch die redaktionelle Einfügung des Satans in das endzeitliche Gerichtsdrama, das für diesen die Fesselung und Gefangennahme vorsieht, damit die Herrschaft des Christus anbrechen kann (20,1-6), gerät die Darstellung des Millenniums in einen Kontext, der dem eschatologischen Vorbehalt des Johannes Rechnung trägt. Mit der Konzeption einer tausendjährigen Heilsperiode verfolgt Johannes jedoch vornehmlich ein positives Ziel. Neben der Adressatengruppe der angeblich „Vollendeten“, die in den Sendschreiben nach Thyatira (2,18-29) oder auch Sardes (3,1-6) bzw. Laodizea (3,14-22) – letztere in abgestufter Weise – die dominante Zielgruppe darstellen (s.u.), hat Johannes auch solche Kreise im Blick, „die sich in der Klage der Märtyrer (6,10) wiederfinden. Sie teilen die krisenhafte Wahrnehmung der Gegenwart, wie der Seher sie vertritt.“21 Diese Gruppe will Johannes trösten, wie er es im Sendschreiben nach Smyrna und Philadelphia auch tut. Zu der von ihm geforderten Standhaftigkeit gegenüber dem „Zeugnis Jesu“ (12,17) gehört auch die Zeugnisabgabe im Martyrium, die Johannes mit der Verheißung der Teilnahme an der Mitherrschaft mit Christus im Millennium stimulie21

H. ROOSE, Eschatologische Mitherrschaft. Entwicklungslinien einer urchristlichen Erwartung (NTOA 54), Göttingen/Fribourg 2004, 171f.

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ren will (20,4). Möglicherweise folgt er damit einer ‚apokalyptischen Märtyrerhoffnung’, wie sie ansonsten in 2Tim 2,11b-13a in hymnischer Sprache Gestalt annimmt, um die dortige Abgrenzung von Irrlehrern vorzubereiten, die die Parole vertreten: „Die Auferstehung ist schon geschehen“ (2Tim 2,18).22 Denen, die am „Zeugnis Jesu“ festhalten, gilt die Zusage Christi: „Siehe, ich komme bald.“ (22,7.12.20). Die grundsätzliche Naherwartung des Sehers Johannes steht für ihn nicht im Widerspruch zu dem Gerichtsdrama mit einer noch ausstehenden Abfolge endzeitlicher Akte, wie sie in Offb 19,11-22,5 zur Sicherung des eschatologischen Vorbehaltes geschildert ist. Es geht hier nicht um irdische Chronologie, sondern um das Geheimnis des göttlichen Geschichtsplans: Wenn das eschatologische Maß der Zahl der Märtyrer voll ist, geschieht die endgültige Heilswende (6,9-11).

5. Zum Schluss sei noch der Versuch gewagt, die gegnerische Position der Isebel und ihrer Anhänger theologiegeschichtlich zu verorten. Vieles spricht dafür, sie als Radikalisierung deuteropaulinischer Tradition zu verstehen.23 Dass der Satan wie alle widergöttlichen Mächte unterworfen ist, ließ sich bereits als Zuspitzung von Aussagen wie Kol 2,15 oder Eph 1,20-22 deuten. Wenn die erste Auferstehung im Millennium erst erfolgen kann, nachdem die Fesselung des Satans erfolgt ist, wenn zudem die Auferstehung zum Weltgericht (Offb 20,11-15) danach geschieht, so steht dies in klarem Kontrast zu einer Anschauung, die behauptet, „die Auferstehung ist schon geschehen“ (2Tim 2,18), wie immer diese präsentische Position gedacht wurde, sei sie sakramental in der Taufe bzw. pneumatisch vermittelt. Aber schon in Kol 2,9-15 ist der doppelte Gedanke bereits präformiert: einmal „die herrscherliche Suprematie des Erhöhten über alles, was in der Welt überindividuelle Macht ausübt“ (2,9f.15),24 zum anderen aber auch die Überzeugung, dass gerade der Getaufte „mitauferweckt“ wurde „durch den Glauben an die Kraft Gottes“ (2,12) und dass er in den „kosmischen Machtwechsel“ mit Christus einbezogen wurde mit der Folge, „dass der Getaufte der Herrschaft ‚jeder (anderen) Macht

22 23 24

A.a.O., 210-231. Vgl. MÜLLER, Theologiegeschichte (Anm. 2), 21-26; TAEGER, Begründetes Schweigen (Anm. 3), 129f; KARRER, Johannesoffenbarung (Anm. 14), 293-295. WOLTER, Brief an die Kolosser (Anm. 10), 127.

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und Gewalt’ entnommen ist.“25 Gleichwohl ist hier eine wesentliche Differenzierung vonnöten. Der präsentische Tenor des Kol, dass die Gemeinde in Christus die Fülle des Heils schon besitzt (2,9-15), hat argumentative Funktion gegenüber einer gegnerischen „Philosophie“ (2,8), die die Gemeinde drängt, sich andere Mechanismen der Heilssicherung zu verschaffen, sei es in Gestalt von Nahrungsaskese oder der Beobachtung bestimmter Festtage (2,16-23). Hier liegt kein Heilsenthusiasmus vor wie später wohl in 2Tim 2,18, zumal ein zeitlich und ethisch bestimmter Vorbehalt greift, der auf das endzeitliche Gericht verweist (Kol 3,24f). Ähnliches lässt sich auch beim Eph feststellen. Während für Christus gilt, das er bereits in der Gegenwart über das All herrscht (1,22) und die Kirche als Leib Christi daran partizipiert (1,23), sind Christen in der Gegenwart noch von „Mächten“ und „Gewalten“ bedroht (6,10ff). Ja, Christen müssen sich wappnen gegen „die Ränke des Teufels“ (6,11). Genau das Letztere scheint für Isebel und ihren Anhang als Problem erledigt zu sein. In Thyatira (Offb 2,18-29) und Pergamon (2,12-17) hat dieser Enthusiasmus praktische Konsequenzen gehabt, die Johannes dazu nötigten, die bisher treu gebliebenen Gemeindeglieder aufzufordern, „to abstain from the idolatrous practices of pagan society.“26 In anderen Gemeinden der Asia scheinen diese Gefahren nicht so offensichtlich zu sein. Immerhin kritisiert er die Christen in Sardes, die in dem Ruf stehen zu „leben“ und doch in Wahrheit „tot“ sind (3,1).27 Illusionäres Vollendungsbewusstsein bestimmt Christen in Laodizea, wenn sie behaupten, „reich“ zu sein, „reich“ geworden zu sein und nichts nötig zu haben (3,17), was auf ein ähnliches Selbstverständnis schließen lässt wie dasjenige, das schon Paulus in 1Kor 4,8 kritisiert. Johannes muss sich also in mehreren Gemeinden der Asia mit nachpaulinischen Strömungen auseinandersetzen, in besonders zugespitzter Form aber in Thyatira, weil dort jene Prophetin Isebel das ideologische Sagen hat, die mit scheinbar christlicher Lehre eine Anpassung an die pagane Umwelt rechtfertigt, damit in seiner Perspektive dem satanischen Pseudopropheten beisteht (13,11ff; 16,13; 19,20; 20,10) und die Gemeinde zum Götzendienst verführt (2,20).

25 26 27

A.a.O., 128. AUNE, Revelation (Anm. 2), 991. Dazu und zum Folgenden vgl. P. LAMPE, Die Apokalyptiker – ihre Situation und ihr Handeln, in: H. MERKLEIN / E. ZENGER (Hg.), Eschatologie und Friedenshandeln (SBS 102), Stuttgart 1981, 106f; H. ROOSE, „Das Zeugnis Jesu“. Seine Bedeutung für die Christologie, Eschatologie und Prophetie in der Offenbarung des Johannes (TANZ 32), Tübingen/Basel 2000, 128-137.

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Wie aber ist die theologische Herkunft des Sehers Johannes näher zu bestimmen, die ihn in so krasser Weise dazu drängt, Strömungen des nachpaulinischen Christentums zu bekämpfen? Man mag an die palästinische bzw. judenchristliche Verwurzelung denken, die ihn mit judenchristlichen Normen und der apokalyptischen Vorstellungswelt verbindet.28 In besonderer Weise scheint er zudem im gedanklichen Einflussbereich einer dualistisch geprägten Tauftheologie zu stehen, wie sie der (unpaulinische) Text 2Kor 6,14-7,1 (ähnlich Eph 5,3-14) entfaltet.29 Der dortige Aufruf zur Absonderung und zur Trennung von heidnischer Unreinheit 2Kor 6,17 ist in der Offb zum generellen Ruf, die römisch geprägte Welt und Gesellschaft, eben das dämonische „Babylon“ zu verlassen (Offb 18,4), gesteigert. Beide Texte, 2Kor 6,14-7,1 und die Offb, bestimmt eine dualistisch geprägte Weltsicht, wenn 2Kor 6,14ff nur die schroffe Alternative Christus oder Beliar kennt und Johannes die satanische Konstruktion der Wirklichkeit so weit zuspitzt, dass auf der einen Seite die „Sieger“ stehen, die getreu zu Christus halten (vgl. die Überwindersprüche in den Sendschreiben), auf der anderen Seite alle diejenigen, die der Wirklichkeit des satanisch beherrschten Imperiums angehören. Johannes ordnet die christlichen Gegner, die sogar „die Tiefen des Satans“ erkannt zu haben meinen, in das endzeitlich-apokalyptische Gerichtsdrama ein; damit aktualisiert er apokalyptische Vorstellungen für die Dämonisierung seiner Gegner. Die besondere Satanserkenntnis erlebten Isebel und ihre Anhänger gewiss als Befreiung von überholt geglaubten Normen, Johannes sah darin nur eine Versklavung an die dämonische Macht des Widerparts Christi, des Satans.

28 29

Vgl. MÜLLER, Theologiegeschichte (Anm. 2), 46-50; ROOSE, Zeugnis Jesu (Anm. 27), 166-174; BAUER, Messiasreich (Anm. 18), 315-321. Näheres dazu bei U.B. MÜLLER, Zwischen Johannes und Ignatius. Theologischer Widerstreit in den Gemeinden der Asia, ZNW 98 (2007), 49-67: 56-59.

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1. Einleitung Bei der Vorbereitung der Ausstellung „Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel“, 2007,1 fragte mich einer der Initiatoren, der über Luxuskritik für den Katalog schrieb2, ob es das Thema des Luxus im Neuen Testament gäbe. Sogleich kommt die königliche Hochzeitsfeier in den Sinn, die in Mt 22,4 beschrieben wird, wo ein König Sklaven mit der Botschaft aussendet: „Meine Stiere und das Mastvieh sind geschlachtet, und alles ist bereit“ (Mt 22,4); im weiteren Verlauf wird von einer hochzeitlichen Bekleidung gesprochen werden (Mt 22,12). Einzureihen ist hier vielleicht auch die Begrüßung des „Verlorenen Sohnes“: „Bringt schnell das beste Kleid her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und holt das gemästete Kalb und schlachtet es, und wir wollen essen und fröhlich sein“ (Lk 15,22f); das Fest wird dann mit Musik und Tanz (15, 25) gefeiert. In die Richtung der Luxuskritik geht Mt 11,8 über Johannes den Täufer: „Aber warum seid ihr ausgezogen? Um einen Menschen zu sehen in weichen Kleidern? Siehe: die weiche Kleider tragen sind in den Königspalästen.“ Der Reiche im Gleichnis Lk 16,19-31 kleidete sich in „Purpur und Byssos(leinwand)“ „und lebte alle Tage herrlich und in Freuden“ (Luther 1984). Schmuck- und Luxusvermeidung kennzeichnet eine fromme Frau (1Tim 2,9), der wahre Schmuck ist „innerlich“ (1Petr 3,2f). Den deutlichsten Bezug auf Luxus aber nimmt die JohApk, und hier kommt natürlich zuerst der „Warenkatalog“ der Luxuswaren der Kaufleute in den Sinn, die nun niemand mehr kauft (Offb 18,12-16): „Fracht von Gold und Silber und Edelstein und Perlen und feiner Leinwand und Purpurstoff und Seide und Scharlach, und das Thujaholz und all das Gerät aus Elfenbein und all das Gerät aus edelstem 1 2

R. ASSKAMP / M. BROUWER / J. CHRISTIANSEN / H. KENZLER / L. WAMSER (Hg.), Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel, Mainz 2007. D. RICHTER, Sodom und Gomorra. Luxuskritik und die Katastrophe als Strafgericht, in: ASSKAMP u.a. (Hg.), Luxus (s. Anm. 1), 46-55.

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Holz und aus Erz und Eisen und Marmor, und Zimt und Amomum und Räucherwerk und Salböl und Weihrauch und Wein und Öl und Feinmehl und Weizen und Rinder und Schafe, und (Fracht von) Pferden und Wagen und Sklaven und Menschenseelen. Und das Obst, woran deine Seele Lust hatte, ist von dir gegangen, und alles Kostbare und Glänzende ist dir verloren, und niemals mehr wird man sie finden.“3 Und dann zur Stadt gewendet: „Wehe, wehe, du große Stadt, die bekleidet war in feine Leinwand und Purpur und Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelstein und Perle; denn in einer Stunde ist solcher Reichtum verwüstet worden“ (18,12-17).4

2. Luxus und Luxuskritik 2.1. Luxus Was ist Luxus? Das lateinische luxus entstammt dem botanischen Bereich und bezeichnet ein wucherndes Wachstum von Saaten und Pflanzen, also für ein über das Normalmaß hinaus gehendes Wachstum. Wird dies auf die Lebensführung übertragen, so wird in der Üppigkeit eine Normabweichung gesehen und diese meist kritisch betrachtet. Luxuria kennzeichnet also eine Lebensweise, „die in unangemessener, übertriebener, verschwenderischer Weise Aufwand betreibt und damit moralisch gewissermaßen über die Stränge schlägt.“5 Kritiker sahen in luxuriosi Menschen, „die sich der ‚Schwelgerei’, der ‚Genusssucht’, der ‚Prunkliebe’ verschreiben und damit einem bedenklichen Sittenverfall, gar einer Dekadenz Vorschub zu leisten drohen.“6 Der luxuria steht dabei gegenüber die modestia bzw. die moderatio, also Mäßigung und Maßhalten, die zu den wichtigsten Tugenden der römischen Aristokratie gehören. Die Demonstration von Luxus bei den Eliten und vor allem den Parvenus ist ein bewusstes Ausbrechen aus dieser Norm. Zwei Orte solcher Demonstration von Luxus sind dabei bevorzugt und öffentlichkeitswirksam: Die Bekleidung mit dem angelegten Schmuck und die Speisetafel. Bei letzterer rufen nicht nur die Speisen in ihrer luxuriösen Vielfalt das Interesse hervor, sondern auch das Geschirr. Die Museen der Welt geben uns einen Staunen erweckenden Einblick. 3

Übersetzung nach U.B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes (ÖTK 19), Gütersloh 1995, 301. MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 3), 301. K.-W. WEEBER, Luxuria, das „süße Gift“, in: ASSKAMP u.a., Luxus (s. Anm.1), 3-15: 3; siehe auch DERS., Die Schwelgerei, das süße Gift... Luxus im Alten Rom, Darmstadt 22007, 7. WEEBER, Luxuria (s. Anm. 5), 3. 2

4 5 6

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2.2. Luxuskritik Grundlegend für die Beschreibung von Luxus und für die Luxuskritik ist das Werk Ludwig Friedlaenders.7 Friedlaender breitet nicht nur das ganze Material mit bewundernswürdiger Gelehrsamkeit aus, er warnt zugleich vor zu rascher moralischer Entrüstung: Erstens sind die hauptsächlichen Gewährsleute, Varro, Seneca und Plinius, Männer strenger Einfachheit der Lebensführung8, zweitens ist im Vergleich zum Luxus anderer Zeiten – bis in die Gegenwart – der römische Luxus keineswegs alles Maß überschreitend.9 Den Verfasser der JohApk auf der Seite der römischen Rigoristen zu sehen, verwundert nicht, doch sein Urteil über den Luxus kommt nicht aus dem Ideal der Bescheidenheit der Früheren, sondern aus jüdisch-christlicher Perspektive des Vergehens dieser Welt und ihrer Lust (vgl. 1Joh 2,17). Grundlegend jedoch ist, dass der Luxus Roms zutiefst in seinem Götzendienst begründet liegt.

3. Die Bewunderung von Roms Luxus Wie sehr Rom – nun in einer positiv-bewundernden Weise – mit dem Warenimport in Verbindung gebracht wurde, zeigt die Rom-Rede des Aelius Aristides aus dem 2. Jh. n.Chr.: „Ringsherum erstrecken sich ‚gewaltig in gewaltiger Ausdehnung’ die Festländer, welche euch stets reichlich mit dem versorgen, was es in ihnen gibt. Herbeigeschafft wird aus jedem Land und jedem Meer, was immer die Jahreszeiten wachsen lassen und alle Länder, Flüsse und Seen sowie die Künste der Griechen und Barbaren hervorbringen. Wenn jemand das alles sehen will, so muß er entweder den gesamten Erdkreis bereisen, um es auf solche Weise anzuschauen, oder in diese Stadt kommen. Was nämlich bei den einzelnen Völkern wächst und hergestellt wird, ist notwendi7

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9

L. FRIEDLAENDER, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von Augustus bis zum Ausgang der Antonine. Neunte neu bearbeitete und vermehrte Auflage besorgt von G. WISSOWA, I, Leipzig 1919, II, Leipzig 1920, hier II 263-379 „XI. Der Luxus“; siehe ausführlich WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 157-165 („’Symptom einer kranken Gesellschaft’? Luxusschelte in luxuriösem Ambiente“). FRIEDLAENDER, Sittengeschichte II (s. Anm. 7), 277: „Er [scil. Seneca], Plinius und Varro verdammen mehr oder minder unbedingt jede Bequemlichkeit, jede Verfeinerung des Genusses, ja sogar jeden entbehrlichen Genuss, und sind selbst von Anwandlungen einer Sehnsucht nach dem ursprünglichen Naturzustande nicht frei.“ „Ohne Zweifel hat der Luxus wie die ganze Kultur der frühen Kaiserzeit große Schattenseiten. Aber er war weder so töricht und unsittlich, wie ihn der einseitige Rigorismus damaliger Schriftsteller dargestellt hat, noch so fabelhaft und ungeheuerlich, wie er in der ungesicherten Kompilation von Meursius erscheint“, FRIEDLAENDER, Sittengeschichte II (s. Anm. 7), 179.

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gerweise hier stets vorhanden, und zwar im Überfluss. So zahllos sind die Lastschiffe, die hier eintreffen und alle Waren aus allen Ländern von jedem Frühjahr bis zu jeder Wende im Spätherbst befördern, daß die Stadt wie ein gemeinsamer Handelsplatz der ganzen Welt erscheint. Schiffsladungen aus Indien, ja – wenn man will – sogar aus dem ‚glücklichen Arabien’, kann man in solchen Mengen sehen, dass man vermuten könnte, für die Menschen dort seien fortan nur kahle Bäume übriggeblieben, und sie müssten hierher kommen, um ihre eigenen Erzeugnisse zurückzufordern, wenn sie etwas davon bräuchten. Man kann wiederum beobachten, wie babylonische Gewänder und Schmuckstücke aus dem noch weiter entfernten Barbarenland in viel größerer Zahl und leichter hierher gelangen, als wenn es nötig wäre, von Naxos oder Kythnos nach Athen zu fahren und Waren dorthin zu bringen. Eure Getreideländer aber sind Ägypten, Sizilien und der kultivierte Teil von Afrika. Das Ein- und Auslaufen der Schiffe hört niemals auf, so dass man sich nicht nur über den Hafen, sondern sogar über das Meer wundern muss, dass es, wenn überhaupt, für die Lastschiffe noch ausreicht. Und was Hesiod von den Grenzen des Ozeans sagte, dass es einen Ort gebe, wo alle Wasser zu einem Anfang und zu einem Ende ineinanderströmen, geradeso kommt auch alles hier zusammen, Handel, Schifffahrt, Ackerbau, Metallveredelung, Künste, wie viele es auch gibt und je gegeben hat, und alles, was erzeugt wird und auf der Erde wächst. Was man hier nicht sieht, zählt nicht zu dem, was existiert hat oder existiert.“10

4. Die Rom- und Luxuskritik der JohApk 4.1. Die „Frau“ und Rom Bevor wir uns Einzelelementen des „Warenkatalogs“ in 18,12-14 zuwenden, werfen wir einen Blick auf die „Frau“ in 17,3+4. Wird schon aus dem engeren Kontext von Kap. 17 evident, dass mit der Frau „Rom“ gemeint ist, wird dies in der Wiederholung der Beschreibung nun im Blick auf die Stadt vollends klar: 17,4: „Und die Frau war bekleidet mit Purpur und Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelsteinen und Perlen.“ 18,16: „Wehe, wehe, du große Stadt, die bekleidet war in Byssos [das geht über 17,4 hinaus] und Purpur und Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelsteinen und Perlen (sing!). „Die scharlachrote Farbe des Tieres (darauf sitzt die Frau) zeigt die Pracht des Reiches. Dieses konkretisiert sich in der Gestalt des vergöttlichten Kai10

11-13; Übersetzung nach R. KLEIN, Die Romrede des Aelius Aristides (TzF), Darmstadt 1983, 13-15.

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sers .... In der Bekleidung der Frau mit Purpur und Scharlach drückt sich der glanzvolle Prunk Roms aus, ebenso mit dem üppigen Schmuck den sie trägt.“11

Was Müller hier andeutet, lässt sich weiterführen. 1. Purpur (porfu,r): „Der Purpursaft, der als Farbstoff für Seide und Wolle diente, war die teuerste Flüssigkeit der Alten Welt.“12 Das Drüsensekret von 12.000 Schnecken war nötig, um 1,5 Gramm Farbstoff zu gewinnen. Neben der eigentlichen Purpurschnecke purpura, die den besten Farbstoff lieferte, verwendete man die Trompetenschnecke, bucinum bzw. murex. Unterschiedliche Farbtönungen ergaben sich aus den Mischungsverhältnissen. Der beste und berühmteste Purpur kam (auch) in der römischen Kaiserzeit aus Tyrus. Purpur ist Statussymbol derer, die ihn sich leisten können. Hinzu kommt aber ein anderer wichtiger Gesichtspunkt: Purpur war nicht nur Statussymbol der wohlhabenden Oberschicht, sondern wurde politisch instrumentalisiert. Augustus scheint beabsichtigt zu haben, den Purpur zum kaiserlichen Privileg zu machen, was angesichts des Symbolwerts des Purpurs für die reiche Oberschicht nicht gelingen konnte. Auch Neros Verbot, dass andere Purpur der höchsten Qualität trugen, ließ sich nicht durchsetzen. Die neuere Forschung vertritt zwar die Auffassung, dass die gängige Meinung, der Purpur sei ausschließlich kaiserliches Privileg gewesen, für die frühe Kaiserzeit nicht haltbar ist13, unbestritten davon bleibt, dass der Purpur den Princeps kleidet: „Der Triumphator trug während des Triumphzuges P(urpur)-Gewänder; in der Prinzipatszeit, in der nur der Princeps das Recht hatte, einen Triumph zu feiern, wurde das P(urpur)-Gewand zum Ornat des Imperators und Princeps.“14 Wenn also Simon bar Giora nach der Tempelzerstörung mit purpurnem Mantel an der Stelle, wo der Tempel gestanden hatte, auftaucht, dann benutzt er genau die kaiserliche Symbolik: es ist in jüdischer Sichtweise eine messianische Demonstration (Josephus, bell 7, 29). U.B. Müller hat also völlig richtig gesehen, dass im Purpurgewand der Frau nicht nur der Luxus Roms zum Ausdruck kommen soll, sondern eben der Herrschaftsanspruch des Kaisers. In der Gestalt der Frau 11 12 13 14

MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 3), 288. WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 91. WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 94: „erst seit dem 3. Jahrhundert wurden die besten Purpursorten immer mehr zum kaiserlichen Privileg.“ H. SCHNEIDER, Art. Purpur, DNP 10 (2001), 604f: 605.

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erscheint, im kaiserlichen (Luxus-)Gewand, der römische Kaiser als Inbegriff des Widergöttlichen. 2. Scharlach (ko,kkinoj) ist der rote Soldatenmantel Mit der Scharlachfarbe des Tiers, auf dem die Frau sitzt, wird die militärische Expansion Roms im Blick sein (dagegen der wiederkommende Christus und sein Heer reiten auf weißen Pferden und das Heer trägt rein weiße Byssosgewänder.15 Hier soll im Vorgriff zu 18,12 die Seide genannt werden: Sie gehört zu den 29 kostbarsten Produkten nach Plinius’ Liste.16 3. Der Schmuck der „Frau“ Perlen: (margari,tai) wurden aus Indien und dem persischen Golf eingeführt. Von den europäischen waren die britannischen am bekanntesten, aber von minderer Qualität.17 Perlen waren hoch gehandelte Importwaren, die Perlenhändler wurden wegen der Sucht der Frauen nach Perlen unermesslich reich. Plinius: „Perlen nehmen den ersten und höchsten Rang auf der Preisskala aller Gegenstände ein.“18 Seneca kritisiert, dass oft nicht nur eine Perle das Ohr zierte, sondern dass „zwei oder drei Vermögen an jedem Ohr hängen.“19 Perlen kennen wir auch als Colliers, auf Silber- oder Goldfäden aufgereiht, wir finden sie in Ringen, Armbändern, Stirnreifen und Haarnetzen. Mit Perlen waren andere Frauen zu beeindrucken und Männer anzulocken.20 4. Gold und Goldschmuck: Galt die Perle als höchstes Gut an Schmuck, so folgte ihr Gold direkt nach21: Wer über Geld verfügte, kaufte oder schenkte Schmuck, damit dieser gezeigt und gesehen würde. Plinius kritisiert, „’Überall’ trügen die Damen Goldschmuck (...), an den Armen und Fingern, am Hals und an den Ohren, im Haar, sogar die Hüften umgürteten sie mit Goldketten.“22 Die Richtigkeit dieser Beschreibung lässt sich in jedem 15 16 17 18

19 20 21 22

Christus wohl auch, aber sein Gewand ist blutbefleckt (19,13). Plinius, Nat.Hist. XXXVII, LXXVIII, 204. WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 106. Plinius, Nat.Hist. XXXVII, LXXVIII, 204: „Was aber die Produkte selbst anlangt, haben unter den im Meer vorkommenden die Perlen den höchsten Preis“, Übersetzung R. KÖNIG, C. Plinius Secundus d.Ä. Naturkunde. Lateinisch-deutsch. Buch XXXVII Steine: Edelsteine, Gemmen, Bernstein, Zürich 1994, 137. Nach WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 107. S. dazu ausführlich FRIEDLAENDER, Sittengeschichte II (s. Anm. 7), 323: „Der größte und deshalb am meisten gerügte Luxus wurde von Frauen mit Perlen getrieben; für diese wurden höhere Preise als für irgend welche Edelsteine bezahlt.“ S. aber die Reihenfolge der kostbarsten Güter bei Plinius, in der Gold erst an zehnter Stelle rangiert (Plinius, Nat.Hist. XXXVII, LXXVII, 204). WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 123.

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archäologischen Museum nachprüfen. Anhand des Schmucks von Statuen oder der Schmückung von Mumien aus Ägypten des 3. bis 1. Jahrhunderts lässt sich ein realistisches Bild über den Goldschmuck (und sonstigen Schmuck) von Frauen der Oberschicht gewinnen. Aus Herculaneum ist uns der Schmuck einer Frau erhalten, den sie bei ihrer Flucht bei sich hatte: zwei Goldringe mit Gemmen, ein Paar Ohrringe aus Golddraht und ein Paar Schlangenarmreife.23 Der Schmuck soll die „Frau“ also nicht in ihrer Schönheit, sondern als Rom charakterisieren. 5. Das Gegenbild der „Frau“ Das vom Himmel herabkommende Jerusalem ist das Gegenbild dieser Frau. Auch sie ist geschmückt, und zwar wie eine Braut zur Hochzeit (Offb 21,2). Ihre Pracht wird dann dem Seher gezeigt in ihrem überwältigenden Schmuck (21,10-22,5). Edelsteine (21,18-21)24 und Gold (21,18.21) sind die Baustoffe dieser Stadt. Nur hier sind sie legitim.

5. Der „Warenkatalog“ Kommen wir zum „Warenkatalog“ von 18,12-16: Der ganzen Szenerie von Kap. 18 mit der Klage der Könige der Erde (18,9-10), der Kaufleute (18,11-17a) und der Seeleute (18,17b-19) liegen Ez 26 und 27 zugrunde. Der „Warenkatalog“ bzw. das Handelsgut ist dort noch vielfältiger und wird geographisch-politisch mit Handelspartnern in Verbindung gebracht (Ez 27,12-22). Die einzelnen Handelsvölker werden in Offb 18 nicht mehr genannt, die Waren sind nicht ihrer Herkunft nach, sondern ihrer Zusammengehörigkeit geordnet. Der Handel ist globalisiert und in den Händen der Großhändler. Der Katalog in Offb 18,12-14 läßt sich wie folgt gliedern: Schmuck: Kleidungsstoffe: Geräte:

23 24

Gold und Silber, Edelsteine und Perlen Byssos, Purpur, Seide und Scharlach aus Citrusholz, aus Elfenbein, aus wertvollem Holz, aus Bronze, aus Eisen und aus Marmor

WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 125. S. O. BÖCHER, Das himmlische Jerusalem, in: W. ZWICKEL (Hg.), Edelsteine in der Bibel, Mainz 2002, 71-77; zu den einzelnen Steinen s. W. ZWICKEL, Die Edelsteine im Brustschild des Hohenpriesters und beim himmlischen Jerusalem, in: DERS. (Hg.), Edelsteine, 50-70.

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Parfumherstellung und Räucherwerk: Nahrungsmittel: Tiere: Sklaven: Abschluss:

Zimt, Amomum, Räucherwerk, Myrrhe und Weihrauch Wein und Öl, Feinmehl und Weizen Rinder und Schafe, Pferde und Wagen Leiber und Menschenseelen „Obst“ der Begierde, alles Fette und Glänzende

Er übernimmt dabei mindestens 14 Waren wörtlich, darunter die „Menschenseelen“ als Bezeichnung für Sklaven, weitere 3-5 der Sache nach (z.B. statt „Wolle“„Schaf“, statt „Kriegswagen“„Reisewagen“). Noch auffälliger aber ist, was er Neues bietet. Es sind Waren, die für Tyros – Ezechiel (noch) keine Rolle spielten, nun aber im Mittelpunkt des Interesses des römischen Luxus stehen: Perlen, Purpur, Seide und Scharlach, Zitrusholz(tische), Marmor. Die Reihe lässt sich fortsetzen. R. Bauckham25 hat nach Auffassung von J. Prigent26 die Abhängigkeit von Offb 18,12-14 von Ez 27,12-24 (Tyrus) zu gering eingeschätzt; der Verfasser der Apokalypse habe den Ezechieltext gewissermaßen „in the light of the registers of the Chamber of Commerce of the port of Rome“ gelesen. Dennoch ist die Liste in Offb 18,12-14 eindeutig auf Rom zugeschnitten. So kann auch Bauckham tatsächlich in Plinius’ Liste der 29 teuersten Produkte dreizehn in der JohApk finden.27 Diese Liste lautet: „Was aber die Produkte selbst anbelangt, haben unter den im Meer vorkommenden die Perlen den höchsten Preis; unter den auf der Erdoberfläche vorkommenden die Bergkristalle, unter denen im Erdinnern der Diamant, die Smaragde, die Edelsteine und die Flussspatkristalle; unter den aus der Erde wachsenden der Kermes und der Laser, unter den Laubarten die Narde, die seidenen Gewebe, unter den Bäumen der Citrus, unter den Sträuchern die Zimtstaude, die Zimtrinde, das Amomum, unter den Säften der Bäume oder Sträucher der Bernstein, der Balsam, die Myrrhe, der Weihrauch, unter den Wurzeln der Kostwurz; unter den Landtieren, die – wie man weiß – atmen, haben den höchsten Preis die Zähne der Elephanten, im Meere die Schalen der Schildkröten, unter dem Pelzwerk die Felle, welche die Serer färben, und das Haar der Ziegen Arabiens, das wir ladanum genannt haben; unter den auf dem Lande und im Meer lebenden Muscheln die Purpurschnecke. Was die Eigenschaft der Vögel anlangt, ist außer den kriegerischen Helmbüschen und dem Fett der 25 26 27

R. BAUCKHAM, The Economic Critique of Rome in Revelation 18, in: DERS., The Climax of Prophecy. Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 338-383. J. PRIGENT, Commentary on the Apocalypse of St. John, Tübingen 2001, 55. BAUCKHAM, Critique (s. Anm. 25), 350-371

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kommagenischen Gänse nichts Bemerkenswertes zu nennen. Es darf nicht übergangen werden, dass das Gold, nach dem alle Sterblichen wie verrückt begehren, kaum die zehnte, das Silber aber, mit dem man Gold kauft, kaum die zwanzigste Stelle in der Wertskala behauptet.“28

Gold, Silber, Perlen, Purpur, Scharlach und Seide sind schon genannt, begehrte Luxusgüter waren exotische Hölzer für die Inneneinrichtung, dabei ragt das sog. Zitrusholz (xu,lon qu,i?non) heraus.29 Begehrt waren die Mensae citreae, Tische aus Citrusholz. Nicht verwandt damit ist der Zitronenbaum30, es handelt sich vielmehr um eine Zypressenart, die in Nordafrika zuhause ist, griechisch heißt sie thyinon xylon (Offb 18,12), botanisch Thuia articulata. Die Besonderheit dieses Holzes besteht in seiner Härte, in seiner ungewöhnlichen Maserung und dem zitronenähnlichen Duft des ätherischen Öls dieses „immergrünen ‚Lebensbaums’“.31 „Die starke Maserung erzielte man dadurch, dass man die Bäume im oder unmittelbar über dem Boden regelmäßig kappte und die immer wieder aufgehenden Äste abschnitt. So wurde der ‚unglückliche Baum’ (Seneca) gezwungen, ständig knotenartige Windungen in Form von Rosetten zu ‚produzieren’, die ihn mit jedem Jahr wertvoller machten. Die größten der in der Regel rund gearbeiteten Tischplatten (...), die auf einem Marmorfuß ruhten, hatten Durchmesser zwischen 120 und 135 cm bei einer Dicke von bis zu 28 cm. Nach modernen Berechnungen dauert es über 200 Jahre, bis der Citrusbaum einen solchen Durchmesser erreicht“32. Diese Tische sind für die Männer gewissermaßen das, was die Perlen für die Frauen sind.33 Über die Preise berichtet Plinius: „Noch heute gibt es einen Tisch, der von M. Cicero bei dem damaligen Geldmangel und, was noch merkwürdiger ist, zu jener Zeit um 500.000 Sesterzen gekauft wurde. Auch wird ein Tisch des Asinius Gallus erwähnt, der 1 Million Sesterzen kostete. Ferner wurden zwei Tische aus dem Nachlasse des Königs Juba verkauft, der eine um 1.200.000 Sesterzen, der andere um etwas weniger. Kürzlich verbrannte ein aus dem Besitz der Cetheger

28 29 30 31 32 33

Plinius, Nat.Hist. XXXVII, LXXVIII, 204. Übersetzung nach R. KÖNIG, Naturkunde XXXVII (s. Anm. 18), 203-205. S. die ausführliche Beschreibung bei Plinius, Nat.Hist. XII, XXIX, 91-102; Text und Übersetzung in: R. KÖNIG, C. Plinius Secundus d.Ä. Naturkunde. Lateinisch-deutsch Bücher XII/XIII Botanik: Bäume, Heimeran Verlag (ohne Ort), 1977,152-159. S. Plinius, Nat.Hist. XIII, XXXI, 103: „Es gibt noch einen anderen Baum mit dem gleichen Namen, der eine apfelähnliche Frucht hat...“, Übersetzung: KÖNIG, Naturkunde XII/XIII (s. Anm. 29), 159. WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 112. WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 112. Plinius, Nat.Hist. XIII, XXIX, 92.

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stammender Tisch, der um 1.300.000 Sesterzen gekauft worden war, der Schätzung nach einem großen Landgute gleich.“34

Tische aus Citrusholz waren wertvoller als Gold, sie waren Liebhaberstücke der Reichen, die über das nötige Kapital verfügten. Natürlich stand dahinter ein ganzes System, bis ein Tisch im Haus eines Reichen zu stehen kam: Die barbari in Nordafrika waren für die Ernte und Rohbehandlung zuständig35; der Überseehandel lag in Händen römischer Kaufleute (deren Reichtum und Stand geht aus einer Zusammenstellung von „Elfenbeinhändlern und Citrusholzhändlern“)36 hervor, die ihren Schatz zuverlässigen Reedern übergaben. In Italien bzw. Rom angekommen wurden die Hölzer von Citrusholzschreinern weiterverarbeitet. Von dort gelangten die Tische in die Edelboutiquen Roms. Als das Citrusholz Mangelware wurde, begnügte man sich mit Furnieren.37 Es folgt pa/n skeu/oj evlefa,ntion (18,12)38 „Elfenbein (...) wurde aus den Stoßzähnen afrikanischer und indischer Elefanten gewonnen und gehört wie Seide, Bernstein, Weihrauch und Pfeffer zu jenen kostbaren Gütern, die aus Gebieten außerhalb des Imperium Romanum importiert werden mussten; nach Plinius war Elfenbein das wertvollste Material, das Landtiere lieferten (Plinius, Nat.Hist. XXXVII 204). Der Preis für E(lfenbein) war im 1. Jh. n.Chr. außerordentlich hoch.“39 Die Geräte aus Elfenbein in Offb 18,12 können Väschen, Flakons für Parfum und andere Kleingeräte sein, aber auch Stühle, Betten, Täfelungen, sogar Götterstatuetten.40 „Geräte aus wertvollem Holz und Bronze und Eisen und Marmor“ (18,12).

Das Citrusholz steht lediglich an der Spitze in der Verwendung edler Hölzer: „Die Hölzer, die sich in Blätter schneiden lassen und die man zum Furnieren anderer Holzarten verwendet, sind vornehmlich die des Citrusbaumes, des Terpentinbaumes, der Ahornarten, des Buchsbau34 35 36 37 38 39

40

Plinius, Nat.Hist. XIII, XXIX, 92-93; Übers. nach R. KÖNIG, Naturgeschichte XII-XIII (s. Anm. 29), 153. Plinius, Nat.Hist. XIII, XXX, 99. CIL VI 33885 nach WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 113. Zum Ganzen siehe WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 111-113; siehe auch BAUCKHAM, Critique (s. Anm. 25), 356f. Zum Ganzen siehe BAUCKHAM, Critique (s. Anm. 25), 357f. H. SCHNEIDER, Art. Elfenbein, DNP 3 (1997), 987; Elfenbein in der Liste der kostbarsten Güter Plinius, Nat.Hist. XXXVII, LXXVII, 204: „unter den Landtieren, die – wie man weiß – atmen, haben den höchsten Preis die Zähne der Elefanten“, Plinius, Naturkunde XXXVII (s. Anm. 18), 139. Plinius, Nat.Hist. XII, II, 5: „Aus Holz wurden früher auch die Götterbilder gemacht, als man den Tierleichen noch keinen Wert beimaß, und, nachdem das Vorrecht auf Luxus von den Göttern selbst ausgegangen war, aus dem gleichen Elfenbein das Antlitz der Götter und die Füße unserer Tische mit Bewunderung betrachtet wurden“, Übersetzung nach R. KÖNIG, Naturkunde XII-XIII (s. Anm. 29), 15.

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mes, der Palme, der Stechpalme, der Steineiche, der Holunderwurzel und des Feldahorns (...). Dies ist der Beginn des Luxus mit den Bäumen, wenn man ein Holz mit anderem bedeckt und auf schlechteres Holz einen Überzug aus wertvollerem macht.“41 Zu Bronze- und Eisengeräten siehe Bauckham;42 zu Marmor43 Friedlaender und Weeber. „Gewürze“, u.a. zur Parfumherstellung44 Zimt45 Zimt kommt aus Süd- und Süd-Ost-Asien (Indien), seine Herkunft war in der Antike nicht bekannt, man glaubte, er käme von der südwestarabischen Halbinsel und dem gegenüberliegenden Ostafrika. Er wurde aus der Rinde des Zimtstrauchs gewonnen. Zimt wurde bei Brand- und Rauchopfern verwendet (Ovid) und als Zusatz zu Parfumen und Salben. Seine Hauptverwendung war medizinisch. Außer Wein wurde in der Antike kein Lebensmittel mit Zimt gewürzt.46 Amomom (Kardamon)47 Aromatische Kapseln und Samen, die durch den Alexanderzug nach Europa kamen. Ätherische und fette Öle machen sie zu einem Heilmittel und interessant für Parfümerien48 und Konditoreien. „Das echte A(momom) der Antike ist jedoch verschwunden.“49

41 42 43 44

45 46 47 48 49

Plinius, Nat.Hist. XVI, LXXXIV, 231f; Übersetzung R. KÖNIG, C. Plinius Secundus (d.Ä.) Naturkunde. Lateinisch-deutsch. Buch XVI Botanik: Waldbäume, München/Zürich 1991, 145. BAUCKHAM, Critique (s. Anm. 25), 358f. FRIEDLAENDER, Sittengeschichte II (s. Anm. 7), 333f; K.-W. WEEBER, Luxus im Alten Rom. Die öffentliche Pracht, Darmstadt 2006, 139-156 („Marmora – Repräsentation in Stein“). „Unter allen Grundstoffen des Luxus sind die Salben wohl das, was am meisten überflüssig ist. Perlen nämlich und Edelsteine gehen doch auf den Erben über, Kleider halten eine gewisse Weile: Salben verdunsten rasch und verschwinden nach Ablauf ihrer Stunden. Ihre größte Empfehlung ist es, daß ihr Geruch, wenn eine Frau vorübergeht, sogar die anlockt, die anderweitig beschäftigt sind. Das Pfund kostet mehr als 40 Denare; so teuer erkauft man sich das Vergnügen für andere; denn wer den Duft an sich trägt, spürt selbst nichts davon“, Plinius, Nat.Hist. XIII,IV, 20; Übersetzung R. KÖNIG, Naturkunde XII-XIII (s. Anm. 29), 111. FRIEDLAENDER, Sittengeschichte, II (s. Anm. 7), 320. Anm. 5 verweist auf Mk 14,5 und Joh 12,3. S. Plinius, Nat.Hist. XII, XLII, 85-94. Siehe insgesamt BAUCKHAM, Critique (s. Anm. 25), 360. Plinius, Nat.Hist. XII, XXXVII, 48-50. Amomum ist Bestandteil des regale unguentum, Plinius, Nat.Hist. XIII, II,18. CH. HÜNEMÖRDER, Art. Amomon, DNP 1 (1996), 605.

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„Räucherwerk, Myrrhe und Weihrauch“50 Sie werden im Kult verwendet, aber auch zur Parfumherstellung und finden insbesondere Verwendung bei Begräbnissen. Die luxuria der Menschen kommt darin zum Ausdruck, dass die Menschen das, was „für die Götter geschaffen war, zum Verbrennen der Leichen verwendeten. Kenner versichern, dass der jährliche Ertrag nicht so hoch sei, wie Kaiser Nero beim Leichenbegängnis seiner Poppaea verbrannt habe.“51 „Wein“52 und Öl53 (vgl. Offb 6,6) Wein54 wurde hauptsächlich aus Sizilien und Spanien importiert; zur Zeit Domitians gab es ein Überangebot an Wein, der profitabler als Getreide war.55 Öl56 steht in Offb 18,13 als Nahrungsmittel57 Auch in Italien angebaut, wurde Öl aus Afrika und Spanien importiert, Olivenölhändler sind inschriftlich belegt. „Feinmehl und Weizen“: Der Getreidehandel Sizilien, Nordafrika und Sardinien bilden im 1. Jh. v.Chr. die tria frumentaria subsidia rei publicae. „Seit der Zeit des Augustus leistete auch Ägypten einen bedeutenden Beitrag zur G(etreide)-Versorgung der Stadt Rom und deckte deren Bedarf für vier Monate im Jahr.“58 „Da die Händler an möglichst hohen Gewinnen und steigenden Preisen interessiert waren, kam es zeitweise durch Hortung zu einer G(etreide)Knappheit in Rom (...). Claudius gewährte den Schiffseignern Privilegien, wenn sie Schiffe für den G(etreide)-Transport zur Verfügung stellten.“59

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Sie gehören zu den kostbarsten Gütern bei Plinius, Nat.Hist. XXXVII, LXXVIII, 204: „unter den Säften der Bäume oder Sträucher der Bernstein, der Balsam, die Myrrhe, der Weihrauch“, Übersetzung R. KÖNIG, Naturkunde XXXVII (s. Anm. 18), 139. Plinius, Nat.Hist. XII, XLI, 83; Übersetzung R. KÖNIG, Naturkunde XII-XIII (s. Anm. 29), 65-67; Plinius fährt fort mit dem Missverhältnis zwischen dem, was man zu Ehren der Toten aufwendet und dem, was man den Göttern darbringt. S. FRIEDLAENDER, Sittengeschichte II (s. Anm. 7), 311f. S. FRIEDLAENDER, Sittengeschichte II (s. Anm. 7), 310f. Zur Anpflanzung von Wein siehe Plinius, Nat.Hist. XVII,XXXV-XXXVII, 152-228. BAUCKHAM, Critique (s. Anm. 25), 361f. Zur Pflege der Ölbäume siehe Plinius, Nat.Hist. XVII, XXIX-XXX, 125-130. H. SCHNEIDER, Art. Speiseöle, DNP 12,2 (2002), 1118-1122. R. SALLARES, Art. Getreidehandel, Getreideimport, DNP 4 (1998), 1038-1042: 1042. SALLARES, Getreidehandel (s. Anm. 58), 1042.

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„Rinder und Schafe“: Der Viehhandel60 Rinder wurden hauptsächlich als Arbeitstiere und Milcherzeuger gebraucht; sie wurden u.a. aus Sizilien importiert.61 Schafe wurden aus Sizilien und Spanien als Wolllieferanten importiert.62 „Pferde und Wagen“: Reisen und Rennen Pferde und Wagen wurden für private Zwecke der Repräsentation und des Reisens importiert,63 aber auch zu Rennen.64 „Und Leiber und Seelen von Menschen“: Der Sklavenhandel – Sklavinnen und Sklaven65 Sklaverei kann hier nicht als ein Gesamtphänomen betrachtet werden, sonder nur streng bezogen auf den Kontext: Roms Freveltaten. Die „Warenlieferungen“ nach Rom und die Sklavenmärkte sind nun zu Ende: Mit dem Untergang Roms gibt es keine Abnehmer mehr. „Leiber und Seelen von Menschen“: „Menschenseelen sind plötzlich im Akkusativ angereiht und deshalb von den vorhergehenden Genitiven abgehoben und dadurch besonders betont. Hier könnte sich der Abscheu vor dem Verkauf von Sklaven aussprechen.“66

6. Die Luxuskritik der JohApk Die Luxuskritik an Rom in der JohApk bewegt sich nicht in den Bahnen moralisierender Kritik; höchstens an der letztzitierten Stelle „und Leiber, und Seelen von Menschen“ meint man ein Aufseufzen über das Unrecht des Sklavenhandels zu hören. Die Romkritik der JohApk ist viel grundsätzlicher: Sie betrifft den Götzendienst, den göttlichen Machtanspruch des Kaisertums, die Welt60 61 62 63 64 65

66

S. dazu BAUCKHAM, Critique (s. Anm. 25), 363-365. STRABO, Geographica 6,2.7. S. STRABO, Geographica 3,2,6 (nach BAUCKHAM, Critique [s. Anm. 25], 364). S. BAUCKHAM, Critique (s. Anm. 25), 365. S. WEEBER, Luxus (s. Anm. 43), 17-31 mit zahlreichen Abbildungen. Grundsätzlich FRIEDLAENDER, Sittengeschichte II (s. Anm. 7), 366-369 („Der Sklavenluxus“); siehe auch WEEBER, Schwelgerei (s. Anm. 5), 127-136; PRIGENT, Commentary (s. Anm. 26), 508: „It is certainly not by accident that the list ends by mentioning men who are treated like merchandise.” MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 3), 307. Die Stellung von 18,14 hat die Ausleger irritiert. Wenn ovpw,ra konkret „Obst“ meint, dann steht der Vers tatsächlich nachhinkend und hätte einen besseren Platz in Vers 13 bei den Lebensmitteln gehabt, nach gängiger Meinung aber zwischen 23 und 24 oder 21 und 22. Zur metaphorischen Bedeutung siehe H. KRAFT, Die Offenbarung des Johannes (HNT 16a), Tübingen 1974, 235: „Sommer des Lebens“.

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herrschaft mit der Ausbreitung römischer Kultur und Religion. Wir stehen heute staunend vor den Resten jener Kultur: von Schottland bis Nordafrika, von Spanien bis in den nahen Osten: die militärischen Anlagen, Tempel, Theater. Man konnte das auch anders sehen. Der Apokalyptiker hat das radikal anders gesehen. Der babylonische Talmud bShab 33b berichtet von einem Gespräch dreier Gelehrter der Mitte des 2. Jahrhunderts: „Einst saßen R. Jehuda, R. Jose und R. Shim´on beisammen, und der Proselytenabkömmling Jehuda war unter ihnen. Da begann R. Jehuda und sprach: Wie schön sind doch die Werke dieser Nation [gemeint: Rom]! Sie haben Straßen angelegt, Brücken gebaut und Bäder errichtet. R. Jose schwieg. Darauf nahm R. Shim´on b. Yochai das Wort und sprach: Alles, was sie errichtet haben, geschah nur in ihrem eigenen Interesse. Sie haben Straßen angelegt, um da Huren zu setzen, Bäder errichtet zu ihrem Behagen, Brücken gebaut, um Zoll zu erheben.“67 Die Grundsätzlichkeit dieser Kritik wird erst in der Fortsetzung der Erzählung, wie sie in der Anmerkung 67 genannt ist, deutlich.68 Die JohApk sah es auf ihre Weise viel grundsätzlicher: der Herrschaftsanspruch Roms und die religiöse Verehrung, die für ihn verlangt wird, stehen in unversöhnlichem Widerspruch zur Herrschaft Christi bzw. Gottes und des Lammes. Damit wird die JohApk zum romfeindlichsten Buch der Antike, das ich kenne. Darum geht es der JohApk nicht um Eindämmung des Luxus, um einen Ruf zur Bescheidenheit, sondern um die Zerstörung Roms; damit hat sich auch das Luxusproblem gelöst. Wenn es irgendwo – so ließe sich zugespitzt sagen – Luxus geben darf, dann im himmlischen Jerusalem. Nicht nur dass diese Stadt aus Edelsteinen und Gold gebaut ist, auch die Fruchtbarkeit der Bäume wird paradiesisch sein (22,2). Nun werden – in Aufnahme der Erwartung der Völkerwallfahrt – die Heiden ihre Schätze in diese Stadt bringen (21,26).

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Übersetzung nach L. GOLDSCHMIDT, Der babylonische Talmud nach der ersten zensurfreien Ausgabe unter Berücksichtigung der neueren Ausgaben und handschriftlichen Materials neu übertragen, Bd. I, Königstein/Ts. 31980, 532f. Jehuda berichtet von diesem Gespräch, daraufhin soll Jehuda, der gelobt hatte, belohnt werden, Jose, der geschwiegen hatte, nach Sepphoris verbannt werden, und Shim´on, der geschmäht hatte, hingerichtet werden. Es folgt die Erzählung vom 12-jährigen Verbergen des Shim´on b. Yochai in der Höhle. Zur jüdischen Romkritik siehe auch H. LICHTENBERGER, Das Rombild in den Texten von Qumran, in: H.-J. FABRY / A. LANGE / H. LICHTENBERGER, Qumranstudien. Vorträge und Beiträge der Teilnehmer des Qumranseminars auf dem internationalen Treffen der Society of Biblical Literature, Münster, 25.-26. Juli 1993 (Schriften des Institutum Judaicum Delitzschianum 4), Göttingen 1996, 221-231.

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Was die 4. jüdische Sibylle ankündigt, wenn sie im Vesuvausbruch des Jahres 79 n.Chr. eine göttliche Strafe für die Zerstörung Jerusalems69 im Jahr 70 und zugleich eine Vorabbildung70 der Zerstörung Roms sieht, ist in der JohApk schon Wirklichkeit: Die Klagelieder werden bereits gesungen. Es ist auch kein moralischer Protest, wie ihn der Jude (oder Christ) an eine Hauswand in Pompeji geritzt hat: Sodoma Gomora (ob vor oder nach dem Vesuvausbruch ist unklar), der Schreiber also einen Untergang wie Sodom und Gomorrah voraussieht oder eine Bestätigung findet).71 Nach dem Untergang der Städte am Golf von Neapel im Vesuvausbruch 79 klagte Martial: „Ach, dass sie dies vermocht, dauert die Götter nun selbst!“72 Wäre der Verfasser der JohApk zu einem solchen Satz im Blick auf Rom in der Lage gewesen?

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70 71 72

4. Sibylle 125-136:„Schießt im italischen Land aus einer Erdkluft eine Wolke aus Feuer hervorblitzend zum weiten Himmel empor und verbrennt gar viele Städte und tötet die Männer, und erfüllt den geräumigen Äther viel schwärzliche Asche, fallen ferner Tropfen, dem Mennig vergleichbar, vom Himmel, dann soll draus man erkennen des himmlischen Gottes Erzürnung, weil man der Guten und Frommen unschuldiges Volk will vernichten.“(129-136; Übersetzung nach J.-D. GAUGER, Sibyllinische Weissagungen. Griechisch-deutsch. Auf der Grundlage der Ausgabe von Alfons Kurfeß, Düsseldorf/Zürich 1998, 121. 4. Sibylle 159-161: „...dann sieht man ein, dass Gott nicht weiterhin gnädig mehr sein wird, dass er, knirschend vor Zorn, das ganze Menschengeschlecht will gänzlich auf Erden vernichten durch einen gewaltigen Weltbrand“ (a.a.O., 121-123). Corpus Inscriptionum Latinarum IV, 4976; die Abbildung ist jetzt bequem zugänglich im Katalog ASSKAMP u.a. (Hg.), Luxus (s. Anm. 1), 286. Martial, Epigramme IV,44. Übersetzung R. HELM, Martial, Epigramme, eingeleitet und im antiken Versmaß übertragen, Zürich/Stuttgart 1957, 173; vgl. D. RICHTER, Der Vesuv. Geschichte eines Berges, Berlin 2007, 19.

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6. Religionspädagogische Perspektiven

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Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments. Eine Sichtung der Befunde in religionspädagogischem Interesse Bernd Schröder Folgt man einer gängigen Einschätzung, scheint das Thema abwegig zu sein: „Das Urchristentum schützte und bewahrte seine Erkenntnisse nicht durch Pädagogik; es bemühte sich nicht, die nachwachsende Generation (Kinder und Jugendliche) systematisch in den Glauben einzuführen: Dem Neuen Testament ist der pädagogische Gedanke fremd.“1 Gleichwohl erledigt sich durch dieses Verdikt nicht die Fragestellung. Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments kann und muss in dreierlei Hinsicht Gegenstand von Reflexion in religionspädagogischem Interesse werden. Erstens insofern es als Muster oder Orientierungsmarke für die Konzeption, Organisation und inhaltliche Ausrichtung christlicher Erziehung und Unterrichtung heute herangezogen wird. Das geschieht in unterschiedlicher Weise: Neben dem Rekurs auf – tatsächlich rekonstruierbare oder nur angenommene – Formen des Lehrens und Lernens in neutestamentlicher Zeit oder auf „Jesus, den Lehrer“ als Ideal, von dem heute gebotene Formen des Lehrens und Lernens unmittelbar abzuleiten sind,2 stehen umsichtige Bezugnahmen auf einzelne bereits in der Bibel erkennbare Leitideen – so etwa jüngst in der „Religionspädagogik“ Friedrich Schweitzers. Er identifiziert einige „grundlegende biblische Motive“ als bis heute bedeutsam, nämlich die „Wertschätzung nachfolgender Generationen“, insbesondere die „Wertschätzung des Kindes“, die Einsicht in die Notwendigkeit religiöser Erziehung und auch die Anfänge einer „am Verstehen orientierten Vermittlung“. Bemerkenswerterweise werden diese Motive – mit Ausnahme der Wertschätzung des Kindes, die am deutlichsten im Markus-Evangelium artikuliert wird – vorrangig an alttestamentlichen Texten erkennbar: an 1 2

W. REBELL, Urchristentum und Pädagogik, Stuttgart 1993, 9; vgl. 68f. Programmatisch geschieht dies bei A. MAUERHOFER, Pädagogik nach biblischen Grundsätzen, 2 Bde., Holzgerlingen 2001; weniger prinzipiell, aber nicht minder gradlinig vollzog sich ein solcher Rekurs beispielsweise bei D. STOODT, genauer: in seinem für das Konzept des „Sozialisationsbegleitenden RU“ grundlegenden Aufsatz „Die Praxis der Interaktion im Religionsunterricht“ (in: EvErz 23 [1971], 1-10). Die moderne Sozialisationsbegleitung erscheint dort als Realisierung Jesuanischen Erbes: „Jesus hat offenbar einzelne geschädigte oder beschädigte Menschen nicht übersehen, sondern angesprochen, geheilt, geliebt, restituiert, resozialisiert, rehabilitiert ... Entsprechendes Tun ... ist eine Kontinuität mit Jesus und zu Jesus über die rein verbale hinaus“ (5).

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Genesis 1 und 12 und im Deuteronomium, in deren Licht aber eben auch im Neuen Testament: in Eph 6 u.a.3 In dieser Hinsicht werden die biblischen Schriften somit für die systematische Normenreflexion der Religionspädagogik relevant. Zweitens kommt Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments als eine Etappe in der Geschichte antiker Vorstellungen und Praxen religiöser Erziehung und Unterrichtung in den Blick. In dieser Hinsicht sind entsprechende Befunde einzuzeichnen in parallele, in Wechselwirkung mit ihr stehende Erziehungspraxen und -leitbilder der antiken Welt, v.a. also in die (hellenistisch-)jüdische Erziehung jener Zeit. In dieser historischen Hinsicht überschneiden sich potentielle Interessen neutestamentlicher Wissenschaft bzw. Kirchengeschichtsschreibung und historischer Religionspädagogik – wobei man einräumen muss, dass weder die eine noch die andere Disziplin (geschweige denn die historische Erziehungswissenschaft oder die althistorische Bildungsforschung4) nachhaltig Interesse an dieser Fragestellung entwickelt hat.5 Neutestamentliche Forschung hat abgesehen von ihrer Frage nach Jesus als Lehrer vor allem in einem weiten Sinne auf diese Thematik Bezug genommen, indem sie nach theologischen ‚Schulen’, v.a. der paulinischen und johanneischen Schule, und damit nach Traditionen theologischer Lehre fragte.6 Historisch-religionspädagogisches Interesse setzte in der Regel erst mit dem Taufkatechumenat der Alten Kirche und den Anfängen katechetischer Reflexion bei Johannes Chrysostomos oder Augustinus ein.7 Drittens insofern es als Thema von Unterrichtseinheiten und Lernprozessen heute in den Blick kommt – was allerdings selten genug der Fall ist. Ob und wie in neutestamentlicher Zeit Glaube und Gemeindezugehörigkeit mit pädagogischen bzw. pädagogisch reflektierten Mitteln – 3 4

5 6 7

F. SCHWEITZER, Religionspädagogik, Gütersloh 2006, 20-23. Das „Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike“, hg. v. J. CHRISTES / R. KLEIN / CHR. LÜTH, Darmstadt 2006, überspringt in eigentümlicher Ordnung die neutestamentliche Ära und referiert lediglich einerseits griechisch-römische Antike und (christliche) Spätantike, andererseits „Erziehung und Bildung im antiken Israel und im frühen Judentum“. Hinweise zur Geschichte der Forschung unter „1. Zum Forschungsstand“. Vgl. dazu TH. SCHMELLER, Schulen im Neuen Testament?, Freiburg u.a. 2001, und allgemeiner z.B. U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen (1994) 6., neu bearb. A. 2007. Vgl. etwa E. PAUL, Geschichte der christlichen Erziehung, Bd. 1.: Antike und Mittelalter, Freiburg u.a. 1993 und zu einzelnen einschlägigen Werken S. DÖPP / W. GEERLINGS (Hg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg u.a. 1998; zu neueren Arbeiten B. SCHRÖDER, Historische Religionspädagogik (Teil I), ThR 74 (2009), 290-308: 301-305. Sehr schön deutlich wird die historische Unschärfe an den einschlägigen TRE-Artikeln „Bildung“ und „Erziehung“ – beide enthalten keine Abschnitte zur neutestamentlichen Zeit.

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also nicht allein mittels Verkündigung und Taufe – tradiert wurden, ist kein Standardthema schulischen Religionsunterrichts und dementsprechend kaum einmal Gegenstand von Unterrichtsmaterialien;8 selbst in Lehrveranstaltungen des Theologiestudiums wird diese Thematik nur in Ausnahmefällen thematisiert. Doch unabhängig vom tatsächlichen Vorkommen dieser Art von Bezugnahme auf Lehren und Lernen in neutestamentlicher Zeit ist festzuhalten: In dieser Hinsicht wird bzw. würde es religionsdidaktisch reflektiert. Mein Beitrag lenkt das Augenmerk erneut auf die historische Fragehinsicht – nicht zuletzt weil die geschichtliche Rekonstruktion von Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments Grundlage systematischer Schlüsse ist. Das Besondere der religionspädagogischen Perspektive besteht dabei eben darin, das historische Panorama um für die Gegenwart „anschlussfähige[r] Einblicke“ willen9 zu entfalten. Zumal bei einem solchen Interesse, tatsächlich aber in jedem Falle historischer Prüfung gegenwärtiger Verhältnisse kann und muss der eigene Fragehorizont resp. das erkenntnisleitende Interesse u.a. durch eine Bestimmung einschlägiger Begriffe geklärt werden. In unserem Falle ist diesbezüglich insbesondere die Unterscheidung der Ebenen von Belang: Wissenschaftliches Nachdenken über Lehren und Lernen, also katechetische bzw. religionspädagogische Theoriebildung, ist ein Phänomen der Neuzeit, näherhin des 17. bzw. 20. Jahrhunderts, und schon deshalb im Neuen Testament nicht anzutreffen. Unbeschadet dessen ist explizite oder implizite Reflexion von Lehren und Lernen in der neutestamentlichen Ära denkbar – und auch tatsächlich anzutreffen. Die Gegenstände dieser Reflexion sind grob wie folgt zu unterscheiden: „Lernen“ meint die Veränderung von Verhaltensdispositionen durch den Aufbau von Kenntnissen, Fähigkeiten und Einstellungen; „Lehren“ bezeichnet gezielte äußere Anstöße zum Lernen. Lernen erfolgt in Gestalt von Bildung (hier im Sinne von Selbst-Bildung), Unterricht (also Lehren und Lernen innerhalb eines institutionell gesetzten Rahmens mit Hilfe qualifizierter Lehrer), Erziehung (also zielgerichtetes Lehren innerhalb wie außerhalb von Unterricht) und Sozialisation (also nicht-zielgerichtetes Lehren).10

8

9 10

Selbst Materialien, die das Alltagsleben von Juden zur Zeit Jesu thematisieren, blenden diese Thematik bislang in der Regel aus – siehe etwa W. BÜHLMANN, Wie Jesus lebte. Palästina vor 2000 Jahren: wohnen, essen, arbeiten, reisen, 4., total überarb. A. Luzern 2001. Das Kapitel „Tora – Buch des Lernens“ im Schulbuch „Religion 5/6: Hoffnung lernen“ von I. BALDERMANN u.a. (Stuttgart u.a. 1995, 68-77) stellt Schülerinnen „jüdisches Lernen“ einladend vor Augen, entfaltet es aber nicht im Blick auf die Lebenswelt Jesu. SCHWEITZER, Religionspädagogik (s. Anm. 3), 20. Vgl. die knappen Begriffsbestimmungen bei CHR. GRETHLEIN, Religionspädagogik, Berlin/New York 1998, 215f.

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Schließlich muss eine Differenz im Gegenstand der Reflexion bewusst bleiben: Während moderne Pädagogik unbeschadet aller Differenzierung der Lernorte bis hin zur Erwachsenen- und Seniorenbildung v.a. an Kindern und Jugendlichen interessiert ist, nimmt das Neue Testament Kinder kaum einmal in den Blick – die Jugend als Lebens- bzw. Entwicklungsphase war seinerzeit ohnehin noch unbekannt.

Meine Überlegungen gliedern sich in drei Schritte: Im ersten Schritt sichte ich den Forschungstand, im zweiten stelle ich – in religionspädagogischem Interesse – einige materiale Einsichten zum Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments zusammen und im abschließenden dritten Schritt ziehe ich ein Resümee.

1. Zum Forschungsstand Die Frage nach „Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments“ hat in der Forschung, sieht man von der bereits erwähnten Thematisierung der sog. Schulbildungen ab, in eigentümlich geringem Maße Beachtung gefunden – wohingegen etwa ‚Jesus, der Lehrer’ in der Kunst oder auch in der Belletristik durchaus ein beliebtes Motiv war und ist.11 Keineswegs hat sich jene Frage im Kreis der Grundfragen neutestamentlicher Theologie etabliert – im Gegenteil: Theologien des Neuen Testaments sparen sie in der Regel aus, obwohl die Frage nach gemeindlicher Erziehung und Traditionsweitergabe eng mit der Anthropologie, der Eschatologie und auch der religiösen Herkunft der neutestamentlichen Autoren zusammenhängt, mehr noch: als handlungsrelevanter Ausdruck dieser theologischen Positionen interpretierbar ist.12 Aber auch die neutestamentliche Zeitgeschichte verhandelt das Thema Erziehung in der Regel nur im Modus der Beschreibung frühjüdischer oder griechisch-hellenistischer Erziehungspraxis und -vorstellungen;13 die Frage nach Lehren und Lernen im Neuen Testament

11

12

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Ikonografisch dominieren diesbezüglich seit der Alten Kirche die Motive des „Zwölfjährigen Jesus im Tempel“ und die „Bergpredigt“ – als Beispiel diene Emil Nolde. Der zwölfjährige Christus (1911), in: W. SCHMIED (Hg.), Bilder zur Bibel, Stuttgart 2006, 38. Exemplarisch seien hier E. REINMUTH „Anthropologie im (sic!) Neuen Testament“ (Tübingen 2006) und U. WILCKENS „Theologie des Neuen Testaments“ (3 Bde., Neukirchen-Vluyn 2003-2008) genannt, die ohne Erörterung von Erziehungsvorstellungen auskommen. Vgl. etwa K. ERLEMANN u.a. (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur, 4 Bde., Neukirchen-Vluyn 2003-2006, hier nur Bd. 2, 2005, 234-237 oder E. LOHSE, Umwelt des Neuen Testaments (GNT 1), Göttingen 10., durchges. A. 2000.

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rückt erst über sozialgeschichtliche und alltagsorientierte Fragestellungen in den Blick.14 Im Laufe der Geschichte fand und findet die Frage nach dem Erziehungsverständnis des Neuen Testaments und, wenn auch nachgeordnet, nach der Erziehungspraxis, die sich darin spiegelt, gleichwohl in verschiedenen Epochen in charakteristischer Weise Eingang in die (deutschsprachige) Forschung:15 An (zeitlich) erster Stelle zu nennen ist die Reflexion dieses Themenfeldes als Grundlage von Katechetik bzw. Religionspädagogik. Beginnend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nachdrücklich indes erst ab den 1920er Jahren fragen Katechetiker bzw. Praktische Theologen nach den biblischen Fundamenten der evangelischen Pädagogik ihrer Zeit (in den Entwürfen vom Ende der 60er Jahre an fehlt diese Reflexionslinie wieder): auf Christian Palmer, Gerhard Bohne, Friedrich Delekat und Leopold Cordier ist exemplarisch hinzuweisen.16 Kennzeichnend für diese Arbeiten ist der systematische Zugriff, der exegetische und kontextuelle Zusammenhänge nachrangig behandelt. Ebenfalls in den 1920er Jahren finden sich erste umfänglichere exegetische Untersuchungen, etwa von Ernst von Dobschütz, Charles H. Dodd und Albrecht Oepke;17 doch breiteres Interesse am Themenfeld der Erziehung entsteht erst im Zeichen christozentrischer Theologie und einer Exegese, die auf die Unterscheidung des Neuen Testaments von den Zeugnissen seiner paganen oder ‚spät’-jüdischen Umwelt bedacht ist. Sowohl die erste umfassende einschlägige Monografie von Werner Jentsch aus dem Jahr 1951 als auch der Eintrag ‚paideu,w ktl.’ im „Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament“ aus dem Jahr 1954 und der programmatische Aufsatz Rudolf Bultmanns zum Verhältnis von „Erziehung und christliche[m] Glaube[n]“18 atmen diesen Geist, 14 15

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18

So wird die Thematik z.B. bei M. TILLY sehr wohl aufgegriffen (So lebten Jesu Zeitgenossen, Mainz 1997, etwa 99-101). Zur Forschungsgeschichte vgl. vor allem R. RIESNER, Jesus als Lehrer (WUNT II 7), Tübingen (1981) 3., erw. A. 1988, 74-79 und 505-507, sowie W. JENTSCH, Urchristliches Erziehungsdenken. Die Paideia Kyriu im Rahmen der hellenistisch-jüdischen Umwelt, Gütersloh 1951, 13-19. S. etwa CHR. PALMER, Pädagogik des N.T., in: K.A. SCHMID, Enzyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens 10 Bde, 2. verb. A., Gotha 1876-1887, hier V (1883), 695ff; G. BOHNE, Das Wort Gottes und der Unterricht, Berlin 1929, 109ff; F. DELEKAT, Von Sinn und Grenzen bewusster Erziehung, Leipzig 1927. L. CORDIER, Evangelische Pädagogik, Bd. II/1, Schwerin 1938, 68-108. E. VON DOBSCHÜTZ, Matthäus als Rabbi und Katechet, ZNW 27 (1928), 338-348, C.H. DODD, Jesus als Lehrer und Prophet, in: G.K.A. BELL / A. DEIßMANN, Mysterium Christi, Berlin 1931, 67-86, und A. OEPKE, Jesus und das Kind, AELK 65 (1932), 3336.55-59.74-78. JENTSCH, Urchristliches Erziehungsdenken; G. BERTRAM, Art. paideu,w ktl., ThWNT V (1954), 596-624; R. BULTMANN, Erziehung und christlicher Glaube (1959), in: DERS., Glauben und Verstehen IV, Tübingen (1965) 41984, 52-55.

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der beispielhaft an folgendem Zitat erkennbar wird: „So setzt das N.T. gegen die anthropozentrische Paideia des Hellenismus und gegen das nomozentrische Erziehungsdenken der Rabbinen ein spezifisch-neutestamentliches, nämlich das kyrio- oder christozentrische Erziehungsdenken, das imstande ist, die im A.T. gestellte theozentrische Erziehungsaufgabe wahrhaft zu erfüllen.“19 Hermeneutisch sind somit das sog. Differenzkriterium und das Verheißung-Erfüllung-Schema die Kategorien, nach deren Maßgabe eben auch neutestamentliche Erziehungsvorstellungen eingeordnet werden – gerade sie, weil die wenigen expliziten neutestamentlichen Bezugnahmen auf ‚Erziehung’ diesen Kategorien Rechnung zu tragen scheinen. Während das Thema „Erziehung in neutestamentlicher Zeit“ in den 1960er und 70er Jahren in Religionspädagogik und Exegese kaum Nachhall fand,20 zieht es seit den 1980er Jahren wieder vermehrt Forschungsinteressen auf sich. Dabei treten verschiedene Stränge hervor: Ein zentral wichtiger Strang ist die Erschließung Jesu als Lehrer, die mit Beginn des „third quest“ der Jesusforschung erfolgt: die Art und Weise der Lehre Jesu und des Lernens seiner Jünger, die Bildungsbiografie des Juden Jesus (im Lichte archäologischer und judaistischer Befunde), die Frage nach dem christologischen Rang des Titels „Lehrer“ sind Facetten dieser Erschließung.21 Dominant zur Geltung kam dabei das sog. historische Plausibilitätskriterium. Sofern die neutestamentlichen Texte keine elaborierten Erziehungsvorstellungen präsentieren, ist demnach davon auszugehen, dass die Antagonisten des Neuen Testaments und die Mitglieder urchristlicher Gemeinden so erzogen wurden wie es im hellenistischen oder pharisäisch geprägten Judentum üblich war. Ein zweiter Strang ist die Rekonstruktion des Schulwesens im Palästina des ersten Jahrhunderts, namentlich des rabbinischen Schulwesens und seiner Genese.22 Ein dritter Strang sichtet mit einer (religions-) pädagogisch verwurzelten Fragestellung die neutestamentlichen Quellen: etwa mit der Frage nach dem Umgang mit Kindern, nach den Ursachen dafür, dass „dem Neuen Testament der pädagogische Gedanke fremd“ sei, nach dem Umgang mit der „Generationentatsache“ (Friedrich 19 20 21

22

JENTSCH, Urchristliches Erziehungsdenken, 197. Zu den Ausnahmen gehört J. BLANK, Lernprozesse im Jüngerkreis Jesu, ThQ 158 (1978), 163-177. RIESNER, Jesus als Lehrer (s. Anm. 15). J.A. GRASSI, Teaching the way. Jesus, the early church and today, Washington 1982. J.T. DILLON, Jesus as a teacher. A multidisciplinary case study, Bethesda 1995. Vgl. zuvor schon DERS., The Effectiveness of Jesus as Teacher, LV 36 (1981), 135-162. Übersicht bei H.-J. KLAUCK, Art. Erziehung IV. Biblisch 2. NT, RGG4 II (1999), 1510f, und zuletzt bei J. SCHRÖTER, Jesus als Lehrer nach dem Zeugnis des Neuen Testaments, ZPT 53 (2001), 107-115. Vgl. C. HESZER, Jewish Literacy in Roman Palestine (TSAJ 81), Tübingen 2001, und J. CHRISTES / R. KLEIN / CHR. LÜTH (Hg.), Handbuch (s. Anm. 4.).

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Schweitzer) u.ä.m.23 Und ein vierter, jüngster Strang zieht mit historischem Interesse an Unterricht und Bildung den Übergang vom Neuen Testament zur Alten Kirche in Betracht; dabei kommt die Frage nach dem Verhältnis zwischen urchristlichen und altkirchlichen „Lehrern“ prominent zur Geltung.24 Aufs Ganze gesehen hängt dieses wachsende Interesse an Lehr-Lern-Prozessen u.a. mit einem verstärkten sozial- und alltagsgeschichtlichen Interesse historisch arbeitender Disziplinen zusammen. Angesichts der Verdichtung sowohl der primär exegetischen und kirchenhistorischen als auch der primär religionspädagogischen Forschung zur Thematik kann hier – schon Werner Jentsch schwebte dies vor – deren Zusammenschau versucht werden.

2. Materiale Einsichten zum „Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments“ In der Forschung besteht seltene Einigkeit darüber, dass das Urchristentum Lernprozesse in seiner Mitte nicht als solche analysiert und beschrieben hat, dass es nicht einmal in Ansätzen eine neutestamentliche Theorie christlicher Erziehung gibt. Allerdings muss man relativierend hinzufügen: Es gibt sie so wenig wie sich das Neue Testament zu anderen Sachverhalten, etwa zur Frage der Ehe, der Schöpfungstheologie oder der Kirche, „in systematischer Weise“ geäußert hat.25 Mit den Worten Werner Jentschs: „Das N.T. hat keine ausgeführte evangelische Pädagogik. ... Weder hat Jesus grundsätzliche Ausführungen zur Erziehungsfrage und ihrem Verhältnis zur basileia tu theu gemacht noch haben die Urgemeinde oder Paulus neue pädagogische Einzelanweisun23

24

25

P. MÜLLER, In der Mitte der Gemeinde. Kinder im Neuen Testament, NeukirchenVluyn 1992. REBELL, Urchristentum und Pädagogik. A. DIMPFLMAIER, Neues Testament und Glaubensweitergabe: zum Problem der Begründung theologischer Inhalte in der Religionspädagogik, St. Ottilien 1994. P. MÜLLER, Das frühe Christentum und die Bildung, in: H. RUPP / CHR. TH. SCHEILKE / H. SCHMIDT (Hg.), Zukunftsfähige Bildung und Protestantismus, Stuttgart 2002, 17-28. Anhand von Fallstudien spannen diesen Bogen B. EGO / H. MERKEL (Hg.), Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung (WUNT 180), Tübingen 2005. Vgl. A.F. ZIMMERMANN, Die urchristlichen Lehrer (WUNT II 12), Tübingen 1984; CHR. MARKSCHIES, Lehrer, Schüler, Schule, in: U. EGELHAAF GAISER/ A. SCHÄFER (Hg.), Religiöse Vereine in der römischen Antike, Tübingen 2002, 97-120, und z.T. DERS., Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, Tübingen 2007, 43-109; P. GEMEINHARDT, Das lateinische Christentum und die pagane Bildung (STAC 41), Tübingen 2007. So REBELL, Urchristentum und Pädagogik, 76. Vgl. exemplarisch die Einschätzung J. ROLOFFs hinsichtlich einer neutestamentlichen Ekklesiologie in: DERS., Die Kirche im Neuen Testament (GNT 10), Göttingen 1993, 15-19.

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gen erlassen. Wir suchen vergebens nach einer theologischen Reflexion über den Begriff ‚Paideia’, und kein urgemeindliches Dekret zur Jugendfrage liegt vor.“26 Mit dem eingangs zitierten Votum pflichtet jüngst Walter Rebell bei. In Anbetracht dieser Einschätzungen scheint es angemessen zu sein, die verschiedenen Töne, die im Neuen Testament zu unserer Thematik durchklingen, zu Gehör zu bringen. Dies soll hier überblicksweise geschehen, indem der Forschungsstand zu verschiedenen inhaltlichen und formalen Aspekten von „Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments“ referiert wird. In ihrer Summe können diese Beobachtungen m.E. durchaus als Indiz dafür gelten, dass bereits im frühen Christentum erzieherische Praxis und deren Reflexion eine beachtliche Rolle spielte!

2.1. Das Wissen um die Generationentatsache und deren theologische Reflexion Die biblischen Schriften, das Alte, nicht minder aber auch das Neue Testament handeln an prominenter Stelle von der sog. Generationentatsache, von dem Umstand also, dass menschliches Leben im Durchgang des Individuums durch verschiedene Altersstufen, in Fortpflanzung und (zunächst innerfamiliärer) Sozialisation bzw. kultureller Traditionsweitergabe sich vollzieht. Die Erzväter-Erzählkreise des Buches Genesis sind paradigmatischer Ausdruck dessen; im Neuen Testament stimmt gleich zum Auftakt die matthäische Jesus-Genealogie (Mt 1) in dieses Denkmuster ein, das später verhaltensorientierend v.a. in den sog. Haustafeln (Eph 5,21-6,9; Kol 3,18-4,1; 1Petr 2,18-3,7) reflektiert wird. Nicht ohne Grund kann in diesen Haustafeln u.a. die Erziehungsthematik zur Sprache kommen: 27 noch nicht als Auftrag und Handlungsfeld christlicher Gemeinde, wohl aber – in Übereinstimmung mit antiken Verhältnissen – als grundlegender Bestandteil familiären Zusammenlebens. Dieses Zusammenleben wird als gestaltbar gedacht, allerdings als asymmetrisch gestaltbar: Kinder schulden ihren Eltern Gehorsam und Ehrerbietung, Eltern, namentlich Väter, schulden ihren Kindern Erziehung (Eph 6,1-4). Worin diese Erziehung besteht, wird 26

27

JENTSCH, Urchristliches Erziehungsdenken, 194; vgl. 233: „Leider werden wir im N.T. für die Frage nach den Wegen der Erziehung und des Unterrichts junger Menschen ziemlich im Stich gelassen.“ Ähnlich urteilt BLANK, Lernprozesse im Jüngerkreis Jesu, 163f. Sie muss es nicht: Schon Kol 3 thematisiert nur das Eltern-Kind-Verhältnis, nicht aber Erziehung; 1Petr. 2 kann beide Topoi aussparen.

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nicht detailliert entfaltet: ihre Inhalte und Formen sind als bekannt vorausgesetzt, werden indes gewissermaßen christologisch ‚überdacht’ (s.u. 2.2).28 Unbeschadet solcher Unbestimmtheit sind sich die neutestamentlichen Autoren des Umstands bewusst, dass die jeweils junge Generation mit den Traditionen, insbesondere dem Glauben(swissen) der Älteren, vertraut gemacht muss und insofern zu erziehen ist.

2.2. Das Leben mit und die Übernahme von alttestamentlichen Lehr-Lern-Traditionen im Judenchristentum; die Einbettung der Heidenchristen in pagane Bildung Jesus und seine Jünger, das Gros derer, die „Cristianoi,“ (Apg 11,26) genannt wurden, waren unstrittig Juden, die mit der „Schrift“, also dem Tenach, und den von dieser Schrift geprägten Lebensformen vertraut waren. Somit sind sie auch als Teil „Israels als religiöser Lehr- und Lerngemeinschaft“29 vorzustellen: Sie haben die Schriften des Tenach, namentlich die Tora, die Psalmen, die Weisheitsliteratur als Lehr- und Lernbücher kennen gelernt; ihnen war aus Texten wie Psalm 1 oder dem Schema Jisrael bewusst, „dass die geschichtliche Zuwendung Gottes zu seinem Volk ... der ständigen Erinnerung und Wiederholung im Lernen bedarf“30 und sie werden das (laut) Lesen, Memorieren, Verstehen und Handeln gemäß der Tora nach ihren Möglichkeiten praktiziert haben.31 Kurz: Auch wenn Institutionen wie Schulen und Unterricht für das erste Jahrhundert unserer Zeit auf Grund der Quellenlage nur schwer archäologisch und historisch nachweisbar sind, ist doch davon auszugehen, dass das Christentum im Kontext einer hochstehenden Lernkultur entstanden ist, die sich ihrerseits in Verlängerung des Tenach32 ent28

29 30 31 32

Diese christologische Grundierung und der in alttestamentlicher Tradition stehende Inhalt dieser Erziehung entwickelte sich in altkirchlicher Zeit zu einer der Attraktionen des Christentums für die pagane Umwelt – dazu E. DASSMANN, Zeugnis des Glaubens. Familienleben in frühchristlicher Zeit, in: Lebendiges Zeugnis 49 (1994), 21-36, und DERS., Weitergabe des Glaubens in frühchristlicher Zeit, in: G. BITTER / A. GERHARDS (Hg.), Glauben lernen – Glauben feiern, Stuttgart u.a. 1998, 68-81. K. FINSTERBUSCH, Mose als Lehrer der Tora, in: EGO / MERKEL (Hg.), Religiöses Lernen, 27-45: 42. B. EGO, Zwischen und Aufgabe und Gabe, in: EGO / MERKEL (HG.), Religiöses Lernen, 3-26: 3. Vgl. die oben genannten neutestamentlichen Zeitgeschichten, etwa TILLY, Zeitgenossen, 87-110. Zur Rekonstruktion der Lernkultur des Tenach s. J. CRENSHAW, Across the deadening silence. Education in Ancient Israel, New York u.a. 1998, sowie K. FINSTERBUSCH, Weisung für Israel. Studien zu religiösem Lehren und Lernen im Deutero-

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wickelt hatte. Das gilt sowohl im Raum eines eher hellenistisch inspirierten als auch im Raum eines eher pharisäisch-rabbinischen Judentums. Christengemeinden (ent-)standen in dieser Tradition und da sie das Erbe des Tenach bejaht, Tora und Propheten liturgisch gelesen und um das rechte Verständnis ihrer Glaubenserfahrungen mit Jesus Christus im Licht dieser Schriften gerungen haben, werden sie auch die darin implizit und explizit enthaltene Wertschätzung von Lehren und Lernen geteilt haben.33 Gilt dies für das Judenchristentum, so ist auch im Heidenchristentum nicht von „prinzipielle[r] Bildungsabstinenz“ auszugehen, sondern vom Besuch der zeitgenössischen Schule und Rezeption ihres inhaltlichen Programms.34

2.3. Das sozialgeschichtlich rekonstruierbare Bildungsmilieu urchristlicher Gemeinden Das Neue Testament enthält in nicht wenigen Passagen eine Polemik gegen pagane und jüdisch-schriftgelehrte Bildung sowie gegen im herkömmlichen Sinne – sei es in jüdischer, sei es in paganer Tradition – Gebildete (man denke etwa an Röm 2,20; 1Kor 1,18-3,3 oder Mt 16,512).35 Dies war und ist im Verein mit anderen Indizien Anlass für die Annahme, die Gemeindeglieder des ersten (und zweiten) Jahrhunderts seien überwiegend arme und ungebildete Menschen gewesen. (Exegetisch-)Sozialgeschichtliche Einsichten vermögen demgegenüber plausibel zu machen, • dass Armut und Rechtlosigkeit resp. Sklavenstatus vieler früher Christen keineswegs zwingend mit deren Unbildung einhergehen müssen (so wenig wie Reichtum mit Bildung verbunden sein muss), vielmehr hinreichend viele unter ihnen waren, die das „Bewusstsein und [die] Fähigkeit besaßen, eine Überlieferung gepflegt

33

34 35

nomium und in seinem Umfeld (FAT 44), Tübingen 2005, und F. UEBERSCHAER, Weisheit aus der Begegnung. Bildung nach dem Buch Ben Sira (BZAW 379), Berlin/New York 2007. Genauso präsent wie der Auftrag und die Verpflichtung zu lernen wird den Christengemeinden, die sich dieses alttestamentlichen Wurzelgrundes bewusst waren, allerdings auch eine gewisse Skepsis gewesen sein, ob ganz Israel in hinreichend nachhaltiger Weise zu diesem Lernen in der Lage ist (vgl. Dtn 31; Dtn 4,25-31 und 30,1-10); s. B. EGO, Zwischen und Aufgabe und Gabe, in: EGO / MERKEL (Hg.), Religiöses Lernen, 3-26: 3-5. GEMEINHARDT, Lateinisches Christentum, 9 u.ö. Zum „Wertwandel im Umgang mit der Weisheit“, der an den genannten Passagen erkennbar wird, siehe G. THEIßEN, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh (2000) 2., durchges. A. 2001, 148-156.

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weiterzugeben“36 – man erinnere sich etwa an Schlüsselfiguren christlicher Überlieferung wie Petrus37 und den Herrenbruder Jakobus38, die fraglos aus sozial bescheidenen Verhältnissen stammten, • dass innerhalb der frühen Gemeinden komplexe Fragen auf hohem theologischem Niveau diskutiert wurden und dabei Menschen sozial niedriger wie sozial hoher Herkunft beteiligt waren,39 • dass Schreibkunst und Argumentationsweise neutestamentlicher Autoren, z.B. im Gebrauch der hebräischen wie der griechischen Sprache, im Rückgriff auf pharisäisch-rabbinischen Midraschkultur, bei ihrer Auswahl ‚alttestamentlicher’ Stoffe, bei der Zurückweisung paganer Polemik, nicht zuletzt durch die Qualität ihrer schriftstellerischen Arbeit insgesamt, implizit deren respektable ‚Bildung’ verrät (auch wenn diese nicht mit einem angenommenen Bildungskanon der griechisch-römischen Welt oder des schriftgelehrten Judentums identisch ist) – beispielhaft wäre etwa die Areopagrede des Paulus gemäß der Apostelgeschichte anzuführen, die ihn als „Kenner griechischer philosophischer Tradition“ darstellt.40 • Schließlich setzt der Umstand, dass die Verfasser des Neuen Testaments zum größten Teil auf hohem sprachlichen, rhetorischen und theologischem Niveau schreiben, implizit auch seitens der Adressaten zumindest elementare Bildung voraus.41 Kurz: „Die These von der Bildungsferne der frühen Christen lässt sich ... in der vielfach geäußerten pauschalen Form nicht bestätigen.“42 Ihre Bildung müssen die frühen Christen erworben haben und sie waren sich dessen auch bewusst – nicht umsonst erinnert z.B. Paulus an seinen Lehrer Gamaliel (Apg 22,3) oder der Autor des Timotheusbriefes an den Lernweg seines Adressaten (1Tim 3,15). Zwar ist es neutestamentlich nicht zu belegen, dennoch aber soziologisch nicht minder plau-

36 37 38 39

40

41 42

RIESNER, Jesus als Lehrer, 68. M. HENGEL, Der unterschätzte Petrus, Tübingen (2006) 22007. W. PRATSCHER, Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition (FRLANT 139), Göttingen 1987. G. THEIßEN, Studien zur Soziologie des Urchristentums (WUNT 19), Tübingen (1979) 3., erw. A. 1989, darin etwa „Die Starken und Schwachen in Korinth“ (1975), 272-289; des Weiteren z.B. P. LAMPE, Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten (WUNT II 18), Tübingen 1987, v.a. 298ff. Vgl. A. LINDEMANN, Das Neue Testament und das Bildungsproblem, in: J. OCHEL (Hg.), Bildung in evangelischer Verantwortung auf dem Hintergrund des Bildungsverständnisses von F.D.E. Schleiermacher. Eine Studie des Theologischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union, Göttingen 2001, 101-121: 109f. So mit MÜLLER, Das frühe Christentum und die Bildung, 17-28: 25, und GEMEINHARDT, Lateinisches Christentum, 7. MÜLLER, Das frühe Christentum und die Bildung, 28.

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sibel, dass die frühen Christen ihrerseits der folgenden Generation solche Lernwege eröffnet haben.

2.4. Jesu Wirken und Identifikation als Lehrer Der wichtigste Anlass und sachliche Grund dafür, dass die urchristlichen Gemeinden Lehren und Lernen geschätzt und gepflegt haben, liegt in dem Umstand – und dies vermochte auch die immer stärker wachsende Zahl der Heidenchristen auf eine solche Lernkultur einzustimmen – dass Jesus als „Lehrer“ gewirkt hat; er wurde bereits von seinen Zeitgenossen und nicht minder deutlich von den Leser/innen neutestamentlicher Schriften als solcher wahrgenommen. „Dass Jesus als Lehrer aufgetreten ist, gehört zu den zentralen Aspekten seiner Wirksamkeit, wie sie in den Evangelien geschildert wird. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass in diesem einhelligen Zeugnis Erinnerungen an sein tatsächliches Auftreten bewahrt wurden.“43 Jesus ist also lehrend durch Palästina, insbesondere Galiläa, gezogen und hat Zeichenhandlungen zur Untermauerung seiner Lehre eingesetzt – so exemplarisch in Mk 1,21-28.44 Er hat einen Jünger- bzw. Schülerkreis um sich gesammelt und – wie die anderen jüdischen Lehrer bzw. Schriftgelehrten seiner Zeit – die Tora ausgelegt; entsprechend berichten die Evangelien von Jesu Schriftauslegen, etwa in seiner Antrittspredigt (Lk 4,18-27), und von (Lehr-)Gesprächen bei Tisch (z.B. Lk 7,36-50).45 Er hat wohl über eine virtuose Gabe verfügt, sich sprachlich auf seine Zuhörer einzustellen, seine Lehre anschaulich und einprägsam zu gestalten: Etliche Texte der Jesusüberlieferung lassen höchstwahrscheinlich von ihm verwendete mnemotechnisch geformte Spruchdichtungen, bildhafte Reden bzw. Gleichnisse oder auch prägnante Pointierungen erkennen.46 Seine „Lehre [wurde] als autoritativ und neuartig wahrgenommen“.47 Dies demonstrieren etwa die Berichte 43 44 45

46 47

SCHRÖTER, Jesus als Lehrer, hier 107 (Heft 2, 105-204, dieses Jahrgangs ist ein Themenheft „Rabbi Jesus und die Anfänge einer christlichen Lernkultur“). Siehe R. KAMPLING, Jesus von Nazaret – Lehrer und Exorzist, BZ NF 30 (1986), 237248. Dazu besonders RIESNER, Jesus als Lehrer, bes. Kapitel IV: „Die öffentliche Lehre [Jesu]“, 353-407. Ihm zufolge vollzog sich Jesu Wanderpredigen i.W. im Stil der Schriftgelehrten, also als ‘Lehren’. Näherhin trat Jesus als „messianischer Lehrer der Weisheit“ auf (499 mit M. HENGEL). Das jesuanische Erbe setzt sich im Wirken des Jüngerkreises, in Tradierung des Evangelienstoffes und Schulbildungen (z.B. ‘johanneische Schule’) fort. Dazu G. THEIßEN / A. MERZ, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen (1996) 3., durchges. und um Literaturnachträge erg. A. 2001, §§ 8 und 11. SCHRÖTER, Jesus als Lehrer, 111; vgl. 115; ausführlich THEIßEN /MERZ, Jesus, § 12.

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von seinem öffentlichen Lehren in der Synagoge zu Nazareth (Mk 6,2f.) oder vom Auftreten des 12-jährigen Jesus im Tempel (Lk 2,51-52); die Neuartigkeit kristallisiert sich aus an der Rede vom Anbruch der Gottesherrschaft und an seinem Umgang mit der Tora, der diese mal radikalisiert, mal ermäßigt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde er schon zu Lebzeiten in Entsprechung zum aramäischen „Rabbi/Rabbuni“ als „Lehrer“ (dida,skale) angeredet (Mt 8,19 u.ö.; Joh 1,38 und 20,16 setzen explizit den hebräischen und den griechischen Ausdruck gleich) und hat sich selbst so verstanden (Mk 14,14parr).48 Allerdings: „Die ntl. Quellen lassen ... auch erkennen, dass das Wirken Jesu mit der Kategorie des Lehrers nicht vollständig zu erfassen ist [...] Der Grund dafür liegt in dem Anspruch Jesu, derjenige Repräsentant [Gottes] zu sein, mit dem Gott seine Herrschaft aufzurichten beginnt.“49

2.5. Die Hinwendung zu bildungsfernen Erwachsenen und die Wertschätzung von Kindern als Merkmal der Lehre Jesu An der Lehrtätigkeit Jesu sticht neben deren Inhalten (s.o.) ihr äußerer Rahmen hervor. Jesus wirkte – Mk 1,38 und v.a. die Summarien deuten es an – als Wanderprediger und wandte sich im Zuge dessen mit seiner Lehre dezidiert Menschen zu, die ansonsten wahrscheinlich keinen Zugang zu einem Schulwesen und beruflicher oder synagogaler Bildung hatten, nicht zuletzt auch Kindern. Das Wanderpredigertum verband Jesus mit einigen anderen Rabbinen der tannaitischen Zeit ebenso wie mit kynischen Wanderlehrern – ob man sein Wanderpredigen von dem einen oder anderen Vorbild ableiten kann und muss, ist strittig.50 Seine programmatische Hinwendung zu Menschen, die gemeinhin nicht an religiösen Lehr-Lern-Prozessen teilhatten, muss demgegenüber als Besonderheit Jesu gelten.51 Als Adressaten seiner Lehre rücken die Evangelien vor allem ‚das Volk’, o` o;cloj, also den #rah ~[ (exem48 49 50 51

SCHRÖTER, Jesus als Lehrer, 109f., sowie RIESNER, Jesus als Lehrer, 246-276 und jüngst G. THEIßEN, Vom historischen Jesus zum kerygmatischen Gottessohn, EvTh 68 (2008), 285-304: 292-294. SCHRÖTER, Jesus als Lehrer, 115. Zu rabbinischen Wanderpredigern s. RIESNER, Jesus als Lehrer, 355f; zu kynischen Wanderlehrern als Vorbild Jesu etwa J.D. CROSSAN, Der historische Jesus, München 1994. So mit RIESNER, Jesus als Lehrer, 356.357, und THEIßEN, Religion der ersten Christen, 150f, der summarisch von einem „Abwärtstransfer von Oberschichtbildung“ durch Jesus spricht, „die dabei ... ihren Charakter verändert“ (152).

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plarisch Mt 5,1), ,Unmündige, Mühselige und Beladene’ (exemplarisch die Jüngerberufungen und Mt 11,25-30), Frauen (exemplarisch Lk 10,38-42), Zöllner und Sünder (exemplarisch Mt 9,9-13) und schließlich auch Kinder (exemplarisch Mk 10,13-16) in den Blick. Insofern damit eine breit dokumentierte Kritik an Schriftgelehrten und ToraKundigen einhergeht, drückt sich in Jesu Zuwendung zu bildungsfernen Gruppen jedenfalls Kritik an einem elitären Verständnis religiösen Lehrens und Lernens aus, womöglich auch Kritik an einem Verständnis vom ‚Verstehen der Weisung Gottes’, das eher traditions- und bildungsbasiert ist als kairologisch. In der Tat legt der Jesus der Evangelien im Umgang mit seinen Hörerinnen und Hörer größten Wert auf aufmerksames Hören und intuitives Verstehen im Moment der Begegnung – wohingegen die gelehrige Vorbereitung auf die Begegnung mit ihm bzw. seinen Worten, allgemeiner noch: ein „Sich–Bilden–Wollen auf Gott hin“ (Norbert Mette) des öfteren als irreleitend oder irrelevant dargestellt wird. In diesem Sinne sind etwa die „Aufmerksamkeitsaufforderungen“ wie das wiederholte „Wer Ohren hat zu hören, der höre“52 oder auch Perikopen wie Mk 10,17-27, Lk 7,36-50, Lk 10,38-42, Lk 19,1-10 zu lesen, in denen Jesus den Kairos des Verstehens lobt. In diesem Sinne ist möglicherweise auch die Wertschätzung von Kindern zu interpretieren – sie zeichnen sich ja u.a. eben dadurch aus, im Augenblick ganz präsent sein, bitten und annehmen zu können.53

2.6. Das Evangelium Jesu Christi als zentraler Inhalt des Lernens So sehr die Wahrnehmung Jesu als eines begnadeten Lehrers zur Wertschätzung von Lehren und Lernen im Urchristentum beigetragen haben wird, so sehr ist dafür auch der Wunsch maßgeblich gewesen, das, was Jesus gelebt und gelehrt hat, zu bewahren und weiterzugeben. „Ob wir an Paulus, an den urchristlichen Lehrern, an der vorsynoptischen Überlieferung, an der Schule des Matthäus oder Johannes, oder an den Erzählungen der Evangelien interessiert sind, haben wir immer mit einer über alle anderen Interessen herrschenden Konzentration auf Jesus zu rechnen [...] Jesus ist das Zentrum der pädagogischen Aktivität

52 53

Dazu RIESNER, Jesus als Lehrer, 371-379. Vgl. MÜLLER, In der Mitte der Gemeinde (s.o.) sowie N. METTE, Kinder in der Bibel, und H. ULONSKA, Die Kinder und das Reich Gottes, in: Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hg.), Aufwachsen in schwieriger Zeit – Kinder in Gemeinde und Gesellschaft, Gütersloh 1995, 79-91 und 91-96, dazu auch F.F. SPENGLER, Kindsein als Menschsein. Beitrag zu einer integrativen theologischen Anthropologie, Marburg 2005, hier v.a. 101-182.

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im Urchristentum. Religiöses Lernen ist vor allem das Lernen der Jesusgeschichte“.54 In besonderem Maße greifbar wird dies an den Evangelien, die biografisch-narrativ Leben und Lehre Jesu erinnern wollen; doch auch bei Paulus „geht es [wie in der urchristlichen Bekenntnistradition] zunächst um die Person Jesu und ihre Geschichte. In den Aussagen über Jesu Person hat das Evangelium seinen Ausgangspunkt … Dabei ist für Paulus nicht das konkrete geschichtliche Geschehen im einzelnen ausschlaggebend …, es geht ihm in Weiterführung der kerygmatischen Tradition des Urchristentums um die entscheidenden Ereignisse der Menschwerdung, des Todes, der Auferstehung und der Erhöhung Jesu …“. „Das Evangelium hat einen konkreten Inhalt: es ist die heilstiftende Botschaft vom Handeln Gottes in der Geschichte Jesu Christi.“ „In der Wendung‚ Evangelium Jesu Christi’ ist insofern die Bedeutung als genitivus obiectivus und genitivus subiectivus eng miteinander verknüpft: der im Evangelium Verkündigte ist zugleich der durch das Evangelium Wirkende.“55

2.7. Das Interesse an Überlieferung von christologischen Glaubensaussagen, u.a. in Formeln und Liedern Die Weitergabe der Jesus-Geschichte und des Glaubens an den Christus Jesus ist ein Lehr-Lern-Prozess gewesen; die (ersten) Zeugen gaben ihr Glaubenswissen weiter. „Schon sehr früh goß man die grundlegenden Glaubensaussagen in einprägsame, lernbare Formeln“, so belegt es eindrücklich die älteste erhaltene kerygmatische Überlieferung (1Kor 15, 3-5). „Die Rolle dieser Formel ergibt sich aus ihrer Einführung: in V.3 ist vom >Überliefern< und vom >Empfangen< die Rede“56 – ein Vokabular, das die gebotene Traditionsweitergabe anspricht, modern formuliert: einen bewussten, zielgerichteten Lehr-Lernprozess zwischen Apostel und Gemeinde. Neben dieser und weiteren Formeln und Hymnen, darunter 1Thess 1,9f und 1Tim 3,16, sind nicht zuletzt auch Jesus-Worte, Gleichnisse und Wundergeschichten als Medien solcher Überlieferung anzuspre-

54 55 56

S. BYRSKOG, Das Lernen der Jesusgeschichte nach den synoptischen Evangelien, in: EGO / MERKEL (Hg.), Religiöses Lernen, 191-209: 206. F. HAHN, Theologie des Neuen Testaments, 2 Bde., Tübingen 2002, hier Bd. 1, 202 und 203; vgl. 323-329. J. ERNST, Anfänge der Christologie, Stuttgart 1972, 58f, hier zit. nach REBELL, Urchristentum und Pädagogik, 55f.

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chen.57 Der Umstand, dass sie vielfach zum Urgestein neutestamentlicher Texte zählen, erlaubt den Schluss, dass den Christen von den Anfängen ihrer Selbstbewusstwerdung als Schüler Jesu und Bekenner des Christus Jesus an die Aufgabe der Tradierung des von ihm bzw. über ihn Gelernten vor Augen stand. Insofern gilt auch hier wieder: Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden mit diesen Medien zielgerichtete Lernprozesse angestrebt. Freilich sind sie nicht für einen institutionalisierten Vorgang der Tradierung entworfen (zumindest ist ein solcher Sitz im Leben nicht rekonstruierbar) und wohl auch noch nicht auf ihre Eigenschaften als Medien reflektiert worden. Doch unbeschadet eschatologischer Naherwartung hat man keineswegs allein auf die unmittelbare Wirkung des Heiligen Geistes vertraut, sondern das Überliefern i.S. eines Lehr-LernProzesses als Aufgabe wahrgenommen. Pointiert kommt dies in einem Diktum zum Ausdruck, das die matthäische Gleichnisrede abschließt: Mt 13,52. Demnach haben die Schriftkundigen unter den Jüngern sowohl aus dem Neuen, „Jesu Evangelium vom Gottesreich“, als auch aus dem Alten, den (alttestamentlich-)biblischen Schriften, zu schöpfen und insofern Überlieferung lehrend fruchtbar zu machen.58 Sitz im Leben dieser Formeln und Lieder ist vor allem die gottesdienstliche Versammlung; im Modus des gemeinsamen Vollzugs von Lesungen und Riten wurden sie memoriert und tradiert. Eine Art Katechismus für Proselyten ist demgegenüber weder in den neutestamentlichen Schriften noch bei den Apostolischen Vätern zu erkennen.59

2.8. Der katechetische Charakter neutestamentlicher Schriften Das soeben Gesagte gilt – rmwxw lq – für die Abfassung vieler neutestamentlicher Schriften als solcher. Mag man die paulinischen Briefe z.T. als bloße Gelegenheitsschriften einstufen, die nicht auf dauerhaften Erhalt und Tradierung hin geschrieben wurden, so gilt dies spätestens für die Evangelien nicht mehr: Ergebnis aufwendiger Sammel- und Redaktionsprozesse, Ausdruck unterschiedlicher Kontexte und theologi57 58 59

Eine gedrängte Zusammenstellung kerygmatischer Formeln und anderer, prinzipiell für katechetische Zwecke geeigneter, memorierbarer Gattungen bietet J. ROLOFF, Neues Testament, Neukirchen-Vluyn (1977) 7., vollständig überarb. A. 1999, 53ff. U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, Teilb. 2 (EKK I/2), Neukirchen-Vluyn u.a. 1990, 364. Gegen A. SEEBERG, Der Katechismus der Urchristenheit, Leipzig 1903 (Nachdruck München 1966); vgl. O. PASQUATO / H. BRAKMANN, Art. Katechese (Katechismus), RAC XX (2004), 422-496: 487f und 492f, und W. THÜSING, ‚Milch’ und ‚feste Speise’ (1Kor 3,1f u. Hebr 5,11-6,3). Elementarkatechese und theologische Vertiefung in neutestamentlicher Sicht, TThZ 76 (1967), 233-246 und 261-280.

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scher Konzeptionen, Schriften mit verschiedenen Verständnissen von ‚Zeit’ dokumentieren sie einen über eine etwaige Naherwartung hinausweisenden Überlieferungswillen. Mit anderen Worten: Sie sind verfasst worden, um Menschen in einen Lehr-Lern-Prozess zu verwickeln – auch wenn ihre Intention sich keineswegs in Informationsweitergabe oder Erinnerung erschöpft, sondern darüber hinaus Überzeugung und Vergewisserung der Leser/innen in ihrem Glauben an Jesus als den Christus anstrebt. Als einzige Schrift expliziert das Lukas-Evangelium diese ‚katechetische’ Absicht in seinem Proömium – es will aufgeschrieben worden sein, „damit du [Theophilus] die Zuverlässigkeit der Worte einsiehst, in denen Du unterrichtet [kathch,qhj] wurdest“ (Lk 1,4).60 Eine ähnliche, wenngleich anders akzentuierte (be-)lehrende Intention wird zudem dem Matthäus-Evangelium zugebilligt, das im sog. Missionsbefehl die Unterrichtung der Getauften (dida,skontej auvtou.j threi/n pa,nta o[sa Veneteila,mhn u`mi/n; Mt 28,20) zur dauerhaften Aufgabe der Jünger resp. Schüler (oi` maqhtai. !) Jesu erklärt – und eben dieses Unterrichten ist neben dem Taufen das, was das ‚zu-Jüngern-machen’ (maqhteu,ein; Mt 28,19) konstituiert!61 „Für Matthäus ist Kirche – gut jüdisch! – ‚Schule’ Jesu. Er versteht sie als Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger Jesu, die auch nach ihrer Taufe dauernd zu Jesus in die ‚Schule’ gehen ...“.62 ‚Katechetischer’ Charakter wird zudem bisweilen etwa dem 1. Petrusbrief63 und Teilen des Hebräerbriefes64 zugebilligt, vor allem aber frühen außerkanonischen Schriften wie der Didache, dem 2. Clemensbrief und dem Hirten des Hermas.65

60 61

62 63 64 65

Vgl. F. BOVON, Das Evangelium nach Lukas, Teilb. 1 (EKK III/1), Neukirchen-Vluyn u.a. 1989, 30 und 40f. Dazu U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, Teilb. 4 (EKK I/4), Neukirchen-Vluyn u.a. 2002, 429. 443f und 454f, sowie dezidiert S. BYRSKOG, Jesus the Only Teacher. Didactic Authority and Transmission in Ancient Israel, Ancient Judaism and the Matthean Community, Stockholm 1994. LUZ, Matthäus 4, 454/5. N. BROX, Der 1. Petrusbrief (EKK XXI), Neukirchen-Vluyn u.a. 1979, 19.22. E. GRÄSSER, An die Hebräer, Teilb. 1 (EKK XX/1), Neukirchen-Vluyn u.a. 1990, 333.345. PASQUATO / BRAKMANN, Katechese, 426-428. Vgl. auch A. TURCK, Évangélisation et catéchèse aux deux premiers siècles, Paris 1962, Auszüge in: DERS., ‚Catéchein’ et ‚catéchésis’ chez les premiers Pères, RSPhTh 47 (1963), 361-372.

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2.9. Die Vorstellung von der Taufe als Erneuerungsbzw. „Bildungs“-Vorgang Namentlich in den (pseudo-)paulinischen Briefen wird Jesus Christus mehrfach als „Bild Gottes“ vorgestellt (2Kor 4,4; Kol 1,15: eivkw.n tou/ qeou/); auf der Linie dieser Vorstellung gelten die Glaubenden als solche, die „in sein Bild verwandelt werden“ (2Kor 3,18: th.n auvth.n eivko,na metamorfou,meqa; vgl. Gal 4,19). Der Apostel sieht sich selbst als Erstling dieses Anverwandlungsprozesses (2Kor 4), die Taufe als dessen Initial (Röm 6,3f.).66 „So wächst der Apostel – und mit ihm jeder, der Christus nachfolgt – immer mehr in das Bild Christi hinein, wird seines Lebens und Sterbens teilhaftig und so ein in das Leben Christi ‚hineingebildeter’ Mensch (Phil 3,10-12).“67 Die zitierten Briefpassagen zeichnen diesen Vorgang der Verwandlung nicht als Lernprozess aus, doch in der Sache geht es, sofern dieser Vorgang überhaupt von menschlicher Aktivität bestimmt wird, genau darum: den ‚neuen’ Menschen anziehen und sich als solcher in der Lebensführung bewähren. Ohne dass hier Bildungs-Terminologie zur Geltung käme, wird der Sache nach ein Element dessen angesprochen, was in der späteren Begriffs- und Bedeutungsgeschichte von „Bildung“ zum Tragen kommt: Bildung als Prozess, im Laufe dessen der Mensch seiner Ebenbildlichkeit Gottes gerechter wird (Kol 3).

2.10. Die Verwendung „pädagogischen“ Vokabulars In neutestamentlichen Schriften wird Vokabular verwendet, das aus dem damaligen Profangriechischen und v.a. aus der späteren, altkirchlichen Begriffsgeschichte als pädagogisches geläufig ist. Zu nennen sind insbesondere die Termini „dida,skein“, „kathcei/n“ und „paide,uein“ (bzw. die zugehörigen Wortfelder). Mit Abstand am häufigsten ist von diesen drei Verben bzw. den einschlägigen Wortfeldern im Neuen Testament dida,skein / dida,skaloj / didach, / didaskali,a anzutreffen: Alle gut 210 Belege dieses Stammes sind ausnahmslos mit „(be-)lehren“ / „Lehrer“ oder „Lehre“ zu übersetzen. Im Gebrauch dieser Worte bilden sich fraglos tatsächliche Lehr-LernProzesse ab; allerdings sind es allesamt Prozesse informellen Lernens – mit Jesus selbst, seinen Jüngern oder den Aposteln als Lehrenden, den 66 67

Dazu G. BARTH, Die Taufe in frühchristlicher Zeit, Neukirchen-Vluyn (1981) 2., verb. A. 2002. G. KITTEL / W. SCHRAGE, Bildung als Verwandeltwerden in das Bild Christi, in: OCHEL (Hg.), Bildung, 123-127: 125.

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Jüngern oder Menschen, die an der Botschaft Jesu interessiert sind, als Lernenden.68 Wenn „dida,skein“ (ohne Objekt) zusammenfassend Jesu verkündigendes Wirken zum Ausdruck bringt (so etwa Mk 2,13),69 „o` dida,skaloj“ geradezu titular für ihn verwendet wird (so etwa Mt 14,14; 26,18; Lk 22,11),70 der Begriff „kainh. didach,“ die Qualität seiner Botschaft etikettiert (so Mk 1,27), dann ist deutlich, dass – eingedenk der Gleichnisse und Sprüche Jesu als Musterbeispiele zielgenauwirkmächtiger Kommunikation71 – in der Rede von „didac-“ zwar ein Moment gekonnter Bezugnahme auf die jeweiligen Adressaten mitschwingt, Lehren hier indes in der Regel enger mit Verkündigen als mit Unterrichten verwandt ist. Institutionalisierte Lernformen und didaktische Reflexion (die im modernen Sinne strictu sensu auf Unterricht bezogen ist) ist mit diesen Begriffen jedenfalls schwerlich zu assoziieren; am ehesten wird in einigen Passagen ein eigens für Unterricht entworfenes Gefüge von Inhalten erkennbar.72 Die wortgeschichtliche Untersuchung des Wortes „kathcei/n“ hat deutlich unterscheiden gelehrt zwischen dem altkirchlichen Sprachgebrauch – hier bezeichnet es, beginnend wohl noch nicht mit 2Clem 17,1, sondern erst ab Ende des 2. Jahrhunderts, je länger, desto deutlicher gemeindliches Unterrichten sog. Katechumenen und das asymmetrische Kommunizieren73 – und neutestamentlicher Verwendung: In 1Kor 14,19, Röm 2,18, Gal 6,6 u.a. meint „kathcei/n“ wohl nichts Spezifischeres als ein „werbendes Ansprechen“ bzw. (im Passiv) Angesprochen-werden und damit den in neutestamentlicher Zeit im Umgang mit Nicht-Christen erforderlichen Typ „aufrufend-werbende[r], herausfordernde[r] Information“ über den christlichen Glauben.74 „Die Bedeutung ‚Anfangsunterricht im Christenglauben’ scheint [jedenfalls im

68 69 70 71 72 73 74

K. WEGENAST, Art. Lehre – dida,skw, ThBLNT II (1997), 1256-1265. WEGENAST, a.a.O., 1257. F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, Göttingen (1963) 51995, 78f. Dazu bündelnd G. THEIßEN / A. MERZ, Der historische Jesus, Göttingen 3., durchges. und erg. A. 2001, §§ 11f., sowie etwa G. THEIßEN, Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004, 47. So sieht WEGENAST, ThBLNT II, 1264, mit didach, in den Pastoralbriefen und im Hebräer (2Tim 4,2; Tit 1,9; Hebr. 6,2) „schon ... festes und einzuprägendes Lehrgut“ bezeichnet. Die vielzitierte Bedeutung ‚von oben herab tönen’ leitet sich von einer Passage aus Lukian ab; dazu A. KNAUBER, Zur Grundbedeutung der Wortgruppe kathce,w / catechizo, Oberrheinisches Pastoralblatt 68 (1967), 291-304: 299. So mit KNAUBER, Grundbedeutung, 302f. Nachdrücklich verstärkt diese Deutung O. MERK, ‚Katechein’ als Begriff des Unterrichtens im Neuen Testament?, in: H.F. RUPP u.a. (Hg.), Denk - Würdige Stationen der Religionspädagogik, FS Rainer Lachmann, Jena 2005, 29-39: 39.

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Neuen Testament] an keiner Stelle vorzuliegen“;75 überhaupt schwingt kein Moment didaktischer Reflexion in dieser Vokabel mit. Anders verhält es sich beim Begriff „paideu,ein“. Er ist von seiner sprachlichen Vorgeschichte wie vom Wortgebrauch im NT her in den meisten Fällen pädagogisch spezifiziert. Von 24 neutestamentlichen Belegen der Wortgruppe trifft dies auf die acht Referenzen im Hebräerbrief, zudem auf die zwei in der Apostelgeschichte, in den Paulus(Gal 3,24f.; Gal 4,1-5; 1Kor 11,32; 2Kor 6,9) und Pastoralbriefen (1Tim 1,20; 2Tim 3,16; Tit 2,11-13) zu.76 Allerdings: Sieht man einmal von Apg 7,22 und 22,3 ab, die unzweideutig die Erziehung bzw. Ausbildung eines Menschen durch einen anderen Menschen bezeichnen, ist hier stets Gott das Subjekt des Erziehungsvorgangs – er erzieht entweder direkt oder mittelbar, sei es durch das Gesetz (Gal 3,24), sei es durch den Satan (1Tim 1,20) oder durch Menschen (Eph 6,4). An dieser letzten Stelle – für unser Thema von prominenter Bedeutung – dürfte in der Tat „Gott [als] hinter dem Erziehen des Menschen ste[hend]“ gedacht sein.77 Ebenso auffällig wie diese Pädagogik Gottes ist die Häufigkeit, mit der das Moment der Züchtigung mit dem Wortfeld „paid-“ verbunden ist (so in Hebr 12, 1Kor 11 und 2Kor 6); hier folgt der neutestamentliche Sprachgebrauch der Septuaginta.78 Kurz: Die recht häufige Verwendung eines Vokabulars, das im profanen Griechisch ‚pädagogische’ Sachverhalte bezeichnet und/oder in der Zeit der Alten Kirche eine katechetische Spezifikation erfuhr, zeigt an, dass in der Kommunikation mit Jesus und innerhalb der frühchristlichen Gemeinden durchaus Lehr-Lern-Prozesse stattgefunden haben, diese aber weder terminologisch noch institutionell bereits eine bestimmte Form fanden.

2.11. Ansätze programmatischen Nachdenkens über Lehren und Lernen Lässt der Gebrauch einzelner einschlägiger Wortfelder noch keine Konzeption von Lehren und Lernen erschließen, so sind in späteren Schriften des Neuen Testaments vereinzelt Ansätze zu einer programmatischen 75 76 77 78

KNAUBER, Grundbedeutung, 302. Nicht zutreffend ist es für Lk 23,16.22 (hier fehlt dem Term die Erziehungskomponente; er bezeichnet lediglich ‚schlagen’ / ‚geißeln’) und Off 3,19. So mit D. FÜRST / S. WIBBING, Art. Erziehung / Selbstbeherrschung - paideuw, ThBLNT I (1997), 409-412: 412. Dazu schon G. BERTRAM, Der Begriff der Erziehung in der griechischen Bibel, in: H. BORNKAMM (Hg.), Imago Dei. Beiträge zur theologischen Anthropologie, FS G. Krüger, Gießen 1932, 33-51.

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Reflexion auf das Erziehen bzw. Unterrichten in christlichen Gemeinden zu erkennen, namentlich in Hebr 12,4-13 und Eph 6,4. In beiden Fällen wird „Erziehung“ unter dem Leitwort der Zucht / Züchtigung verhandelt. So schreibt etwa Hans-Josef Klauck im Blick auf Hebräer 12, nach seinen Worten ein „kleine[r] Traktat über die ... paideía“: „Wie die atl. Vorlage [Spr 3,11f] versteht der Hebräerbrief Erziehung als ‘Züchtigung’ ..., die dazu dient, durch teils harte Eingriffe erwachsene [!] Gläubige auf dem Weg der geistlichen Vervollkommnung voranzubringen“.79 In Eph 6,4 wird dasselbe, in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur entfaltete Verständnis von Erziehung auf das Verhältnis von Eltern und Kindern angewendet: „Ihr Väter ... erzieht eure Kinder in der Zucht und Ermahnung des Herrn“(oi` pate,rej ... evktre,fete auvta. [sc. ta. te,kna u`mw/n] evn paidei,a| kai. nouqesi,a| kuri,ou).80 Diese durch ihren Zusatz „kuri,ou“ singuläre81 Passage (wahrscheinlich als Genitivus subjectivus mit „des Herrn“ zu übersetzen), wurde von Werner Jentsch als Ausdruck von „kyriozentrischem Erziehungsdenken“ gewertet, das – so sein Tenor – für das ganze Neue Testament charakteristisch sei. „Die Paideia Kyriu wäre dann die Erziehung, mit der der Kyrios den Menschen erzieht und die er deshalb gleichzeitig zwischen den Menschen geübt haben will.“82 Mit dieser Bindung von Erziehung an den Herrn möchte der Autor – des Epheserbriefes, aber eben auch Werner Jentsch (!) – „ ... realiter eine ... Erneuerung der Paideia proklamieren ... Die Ordnung der Paideia bleibt Ordnung, aber das Stehen und Handeln in ihr wird ‘neu’.“83 Doch verallgemeinern zu einer neutestamentlichen Konzeption christlicher Erziehung lassen sich diese Passagen schon deshalb nicht, weil sie die vielen anderen Passagen, die erziehendes oder unterrichtendes Handeln spiegeln, nicht deuten helfen. Die neutestamentlichen Schriften führen eben je für sich unterschiedliche Termini, Vorstellungen und Kontexte zusammen.

79 80 81

82 83

KLAUCK, Erziehung, 1510f. Diese Traditionslinie markiert z.B. R. SCHNACKENBURG, Der Brief an die Epheser (EKK X), Neukirchen-Vluyn u.a. 1982, 268f. Vgl. aber 1Clem 21,8: paidei,a evn Cristw/| „Die Beschreibung der Heilsbotschaft als paidei,a begegnet seitdem immer wieder, wird von den frühchristlichen Apologeten … vertreten und schließlich von den alexandrinischen Theologen in großem Stil ausgebaut.“ (G. RUHBACH, Bildung in der Alten Kirche, in: H. FROHNES / U.W. KNORR [Hg.], Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, 2 Bde., München 1974, hier Bd. 1, 293-310). JENTSCH, Urchristliches Erziehungsdenken, 194. Zitate aus JENTSCH, Urchristliches Erziehungsdenken, 193 und 200.

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2.12. Das Fehlen von Hinweisen auf institutionalisierten Unterricht Die neutestamentlichen Schriften lassen nicht erkennen, dass die frühchristlichen Gemeinden schon gemeindlichen Unterricht oder gar katechetische Schulen institutionalisiert hatten. Dieser Umstand muss nicht verwundern: Auf der einen Seite hat das Christentum bis ins 4. Jahrhundert hinein nicht versucht „die paganen Elementar-, Grammatiker- und Rhetorikschulen durch christliche zu ersetzen“,84 sondern den Katechumenat lediglich als Korrektiv bzw. Ergänzung neben die klassisch-heidnische Schule gestellt.85 Auf der anderen Seite ist es bisher nicht gelungen, diejenigen Aussagen in der rabbinischen Literatur, die die Existenz jüdisch-rabbinischer Schulen schon für die Zeitenwende, nämlich für die Zeit seit Schimon ben Schetach oder Jehoshua ben Gamla,86 behaupten, archäologisch zu belegen.87 Mit anderen Worten: In Palästina ist für das erste Jahrhundert zwar das Bestehen hellenistischer Schulen und wohl auch von „~yrdx“ oder „vrdm ytb“ anzunehmen, aber nicht verlässlich zu belegen. Wenn dies schon für das Judentum insgesamt gilt, um wie viel mehr dann für das noch kaum davon gelöste (Juden-) Christentum? Die Spärlichkeit der Quellen oder gar ein Schweigen muss indes nicht notwendig ein Nichtvorhandensein von etwas anzeigen.

2.13. Die wiederholte Erwähnung von Lehrern in den christlichen Gemeinden Um so bemerkenswerter ist der Umstand, dass im Neuen Testament häufig Lehrer innerhalb der christlichen Gemeinde erwähnt werden: Nach Apg 13,1 gab es Inhaber dieser Funktion neben Propheten in Antiochien; nach 1Kor 12,28 neben Aposteln, Propheten u.a. in Korinth (vgl. Eph 4,11 ohne Ortsbezug; Terminus jeweils: dida,skaloi), nach Gal 6,6 wohl auch in Galatien (kathcw/n). 1Tim 5,17 bezeichnet Presbyter als diejenigen, die sich mühen in der Lehre (vgl. auch Hirte des Hermas). Paulus selbst wird an zwei Stellen „Lehrer der Heiden(völker)“ genannt (1Tim 2,7 und 2Tim 1,11) und in Apg 19,9 als solcher umschrieben (wenn es heißt, er habe evn th/| scolh, Tura,nnou gelehrt). Der Jakobus84 85 86 87

LAMPE, Christen, 298 (Kursivierung von mir, B.S.); vgl. auch GEMEINHARDT, Lateinisches Christentum, 12. M. METZGER / W. DREWS / H. BRAKMANN, Art. Katechumenat, RAC XX (2004), 497-574. jKet VIII,11,32c. und bBaba Batra 21a. S. zuletzt HESZER, Jewish Literacy, 39-89 (-109). Zum traditionellen Bild von der Genese eines jüdischen Schulwesens etwa H. LICHTENBERGER, Lesen und Lernen im Judentum, in: A.TH. KHOURY (Hg.), Glauben durch Lesen?, Freiburg u.a. 1990, 23-38.

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brief unterstreicht, dass nicht jeder Lehrer werden sollte (Jak 3,1), weil diejenigen, die lehren, von Gott strenger zur Rechenschaft gezogen werden.88 Auch die Apostolischen Väter, etwa die Didache (11,1-2) und der Hirte des Hermas (mand. IV, 3,1), erwähnen Wanderlehrer ebenso wie theologische Lehrer einzelner Gemeinden. Liest man diese Passagen zusammen mit den vielen, die ein „Lehren“ Jesu, der Jünger oder eben der Gemeinde als Tun (nicht als Funktion oder Amt) erwähnen, lässt sich vermuten, dass die Verkündigung der Christen zwar von Anfang ein Lehren einschloss, dass aber die Wahrnehmung dieser Funktion, konkret also wohl die Erteilung von Katechumenenunterricht, lediglich sukzessive spezialisiert wurde. Ob bzw. ab wann von einem „Amt“ des Lehrers i.S. einer „institutionell mit Macht und Aufgaben ausgestatteten, rechtlich klar festgelegten Position“89 oder gar von einem „urchristliche[n] Lehrerstand“ i.S. einer sozialen Gruppe mit definierten Zugangsregeln90 zu sprechen ist, steht somit dahin. Dergleichen hat es sicher erst im 2., vielleicht auch schon im 1. Jahrhundert gegeben.91 In welchem Rahmen diese Lehrer wen unterrichteten, ist anhand neutestamentlicher Texte nicht zu spezifizieren; mit großer Wahrscheinlichkeit waren allerdings nicht Kinder ihre primäre Zielgruppe, sondern Erwachsene, die sich dem Christentum näherten oder nach ihrer Taufe ein tieferes Verstehen suchten.

2.14. Teilhabe am Gemeindeleben als sozialisatorischer Akt Überhaupt muss man sich klarmachen, dass die Lehr-Lernvorgänge, die bisher andeutungsweise erkennbar wurden, nicht Heranwachsende betreffen, sondern in der Regel Erwachsene (dabei allerdings im Rahmen der antiken Hausgemeinschaft deren Kinder einschließen). Von jungen Menschen wird – wenn sie überhaupt erwähnt werden – nur 88 89 90 91

Dazu H. FRANKEMÖLLE, Der Brief des Jakobus (ÖTK 17/1,2), Gütersloh/Würzburg 1994, hier Bd. 2, 487-490. FRANKEMÖLLE, .a.a.O., 487f. Gegen H.-F. WEIß, Art. dida,skw/ / dida,skaloj EWNT I (1981), 21992, 764-769: 768. ZIMMERMANN, Die urchristlichen Lehrer (s. Anm. 24), v.a. 92-207, kommt zu dem Schluss, dass es früh schon judenchristliche Lehrer gab, die allerdings durch ihre „Superioritätsansprüche“ alsbald sich selbst und ihre Aufgabe in Verruf brachten (218). U. NEYMEYR, Die christlichen Lehrer im zweiten Jahrhundert. Ihre Lehrtätigkeit, ihr Selbstverständnis und ihre Geschichte, Leiden 1989, sieht die Lehrer des 2. Jh.s in Selbstverständnis und Stand als deutlich von den urchristlichen Lehrern verschieden an (154 u.ö.), dagegen etwa D. WYRWA, Religiöses Lernen im zweiten Jahrhundert und die Anfänge der alexandrinischen Katechetenschule, in: EGO / MERKEL (Hg.), Religiöses Lernen, 271-305.

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erwähnt, dass sie am Leben der Gemeinde und der Familie teilhaben (vgl. Apg 20,7-12 und die sog. Oikos-Formeln 1Kor 1,16 u.ö.). Von daher legt sich die Vermutung nahe, dass sie am ehesten durch Sozialisation, vor allem also wohl durch die Hineinnahme in ein christlich ritualisiertes Familienleben92 und in das gottesdienstliche Leben93 erzogen werden. Es verhielt sich wohl so wie Werner Jentsch zusammenfassend notiert: „Die Geschlossenheit des christlichen oikos, die Teilnahme am christlichen Gottesdienst, das Zusehen und Zuhören bei christlichen Lehrvorträgen, das Mitsingen der Hymnen, das Mitbeten der proseuchai, alles das waren Gelegenheiten, die dem jungen Christen halfen, in das Evangelium der Väter hineinzuwachsen. ... Man traute eben der Paideia des Kyrios mehr zu als der eigenen Paideia im Namen des Kyrios.“94

2.15. Die Anschlussfähigkeit für katechetisches Bemühen der Alten Kirche Sei es auf Grund von Missverständnissen, sei es auf Grund richtigen Verstehens: Die Alte Kirche hat, als sie ihrerseits – nachweislich im letzten Drittel des zweiten Jahrhunderts – Unterricht für Katechumenen institutionalisierte,95 für dessen Legitimierung und Ausgestaltung auf Passagen des Neuen Testaments zurückgegriffen und zurückgreifen können. So kann Clemens von Alexandrien in Röm 10,7 den grundlegenden Anstoß zum Taufunterricht und in der Nachahmung Christi – also einem Lernprozess – den Weg zur Vollkommenheit erkennen,96 so kann Ignatius die Katechumenen als „Schüler Jesu Christi, unseres einzigen Lehrers“ (maqhtai. Ihsou/ Cristou/ tou/ mo,nou didaska,lou h`mw/n) bezeichnen und ihren Auftrag darin sehen, zu „lernen, dem Christentum entsprechend zu leben“ (ma,qwmen kata. Cristianismo.n zh/n),97 so kann Tertullian das Lernen dessen, was Christus lehrte, zur Voraussetzung der Taufe 92 93 94 95 96 97

Dazu etwa P. LAMPE, Zur gesellschaftlichen und kirchlichen Funktion der ‚Familie’ in neutestamentlicher Zeit, Reformatio 31 (1982), 533ff. Dazu HAHN, Theologie Bd. 2, 582-592 (mit 507-532 und 533-564), sowie jüngst A. FÜRST, Die Liturgie der alten Kirche, Münster 2008. JENTSCH, Urchristliches Erziehungsdenken, 249/250. Vgl. die „Traditio Apostolica“ des Hippolyt und die Berichte Tertullians; dazu hier nur METZGER / DREWS / BRAKMANN, Katechumenat, 497-574. Clemens von Alexandrien, Protreptikos und ders., Paidagogos, hier zit. nach PASQUATO / BRAKMANN, Katechese, 432f. IgnMagn 10,1 und 9,1, hier zit. nach P. PILHOFER, Von Jakobus zu Justin, in: EGO / MERKEL (Hg.), Religiöses Lernen, 253-269: 266.

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erklären,98 so hat Hieronymus aus Mt 28,19f die Abfolge von anfänglicher Verkündigung – Taufe – vertiefendem Unterricht abgeleitet.99 Dass die Alte Kirche in dieser Weise Anschluss an ‚katechetische’ Passagen im Neuen Testament findet, bringt zwar primär ihr eigenes Schriftverständnis und die Notwendigkeiten ihrer Zeit zur Geltung, bezeugt sekundär jedoch auch den Umstand, dass trotz des Mangels an systematischer Reflexion pädagogischer Fragen im Neuen Testament zumindest zwischen den Zeilen eine Wertschätzung von Lehren und Lernen und somit ein Ansatzpunkt für den Aufbau eines Unterrichtswesens für Interessenten am Christentum bzw. Taufbewerber erkennbar wurde.

3. Resümee Das Neue Testament verdankt sich sowohl in seiner Sache als auch in seiner Form Lehr-Lern-Prozessen: In der Sache, insofern als die Zeugen von Wirken, Kreuzestod und Auferweckung Jesu durch dieses Geschehen die Welt und ihr eigenes Leben neu sehen gelernt haben. Zudem bilden die Lehre (d.h. deren Inhalte) und die Lehrtätigkeit Jesu die materiale Grundlage der neutestamentlichen Schriften. In der Form insofern, als die zunächst mündliche Tradierung dieser Lehre, dann ihre Überführung in sorgsam reflektierte Schriften die Basis des Neuen Testaments als eines Kanons der Überlieferung darstellt. In beiden Hinsichten, also sowohl beim Erinnern bzw. Lernen der Jesusgeschichte als auch bei der Formgebung der neutestamentlichen Schriften, ist die – wie auch immer im Einzelnen geartete – Bildung Jesu sowie die Bildung der Tradenten und Autoren des Neuen Testaments vorausgesetzt. Vorauszusetzen ist auch, dass sich diese Tradenten und Autoren der Tatsache ihrer Bildung und ihres Bildungsweges bewusst waren. Einzelne Passagen, die eine Erinnerung an eigene Lehrer spiegeln (wie etwa Apg 22,3), weisen darauf hin. Die Schriften des Neuen Testaments sind im Wissen um die Notwendigkeit von Lehren und Lernen für den Fortbestand des Glaubens an Jesus Christus verfasst worden. Ihre Autoren sind sich insbesondere der Notwendigkeit von Erziehung und Unterricht unter denen, die sich Christen nennen, bewusst. Eben deshalb stellen sie ihre eigene Bildung in den Dienst der Weitergabe des Evangeliums an Dritte! 98 99

Tertullian, Bapt. 18,5, hier zit. nach PASQUATO / BRAKMANN, Katechese, 437. Hieronymus, Commentariorum in Matthaeum libri IV, hier zit. nach LUZ, Matthäus I, 443.

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Auch wenn sie primär den Anspruch haben, Dritte verkündigend zu überzeugen – der Ausdruck euvaggeli,zein scheint ihr Anliegen am besten zum Ausdruck zu bringen – ist festzuhalten, dass sie ihre Leser/innen im Medium ihrer Schriften zunächst einmal immer auch informieren und (be-) lehren: über das Geschick Jesu, über ihre Deutung desselben und über das, was eine christliche Gemeinde für ihr geistliches Leben benötigt. Auch wenn die Weitergabe des Evangeliums nicht in einem solchen Informieren und Belehren aufgeht, ist sie doch zu einem guten Teil als Lehr-Lern-Prozess zu rekonstruieren. De facto praktizieren die Autoren des Neuen Testaments somit auf diese Weise theologische Erwachsenenbildung. Indem die historisch-kritische Exegese die unterschiedlichen theologischen Konzeptionen dieser Autoren, ihre unterschiedlichen Zielgruppen, Anliegen, Vorgehensweisen bzw. Argumentationsstrategien aufdeckt, weist sie implizit (d.h. ohne ihrerseits darauf Augenmerk zu legen) nach, dass die Evangelisten, Paulus und die anonymen Verfasser der übrigen Schriften sehr wohl die Lehr-Lern-Prozesse reflektiert und gestaltet haben, die sie anstoßen wollten. Insofern spiegelt das Neue Testament implizit katechetische Reflexion – auch wenn diese selbstredend nicht den Kriterien wissenschaftlichpädagogischer Theoriebildung, die in der Moderne herausgebildet und definiert wurden, genügt und auch wenn sich erst im 2. Jahrhundert, ansatzweise gespiegelt in Hippolyts Kirchenordnung, im Zusammenhang mit der Entstehung eines institutionalisierten Taufkatechumenats Anfänge einer expliziten katechetischen Reflexion herausbilden. Eine Vielzahl von Elementen in den neutestamentlichen Schriften regt diesen Übergang von der impliziten zur expliziten Reflexion an (oder erleichtert ihn zumindest), v.a. das Beispiel des begnadeten Lehrers Jesus, das Wissen darum, dass schon die neutestamentlichen Autoren auf unterschiedliche Weise versucht haben, ihre Leser/innen zu überzeugen, die alttestamentliche Wertschätzung von Lehren und Lernen, das in der biblischen Tradition tief verankerte Wissen um die Generationentatsache und die Notwendigkeit von Überlieferung des Glaubenswissens, die Verwendung eines Vokabulars, das sich für eine pädagogische Aufladung eignet, das Vorhandensein memorierfähiger Überlieferungsbestände wie etwa Formeln, Hymnen und Herrenworte und das vereinzelte Vorkommen ausdrücklicher Anweisungen zur Erziehung (Eph 6,4 und Mt 28,20!). Die Spärlichkeit expliziter Hinweise auf Erziehung und Unterricht im Neuen Testament stand jedenfalls der Entwicklung und Pflege institutionalisierter Lernformen in der Zeit der Alten Kirche augenscheinlich nicht im Weg. Im Gegenteil: Diese Hinweise werden von der Alten

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Kirche als Stimulans zur Entwicklung geeigneter Lehr-Lern-Formen, insbesondere des Katechumenats, wahrgenommen worden sein. Allerdings: Nur an ganz wenigen Stellen wird ein Sensorium für die Erziehung und Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen erkennbar; diese gelten augenscheinlich – antikem Konsens entsprechend – als Aufgabe der Familie bzw. gemeindlicher Sozialisation. Auch lässt das Neue Testament noch keinen formalisierten Unterricht, kein Interesse an bestimmten Methoden, kein etabliertes „Amt“ der Weitergabe des Evangeliums erkennen. Unbeschadet dessen wurden de facto bereits in neutestamentlicher Zeit verschiedene Lernorte in den Dienst der Weitergabe des Evangeliums gestellt: etwa die gottesdienstliche Versammlung, in der man Texte aus Tora, Propheten und Briefen des Paulus las, Riten, Formeln und Hymnen memorierte, oder die familiale Erziehung, die vorausgesetzt und vereinzelt angemahnt wird. Nur institutionalisierter Unterricht ist als Lernort noch unbekannt; die existierenden Schulen – sei es das Beit Midrasch, sei es die Schule griechisch-römischer Tradition – sind für die Weitergabe christlicher Inhalte unzugänglich. Heutige Religionspädagogik hat sich angesichts dieses Befundes für „Lehren und Lernen im Spiegel des Neuen Testaments“ als erste, unverzichtbare, wenn auch rudimentäre Etappe in der Geschichte von „Erziehen, Lehren und Lernen im Christentum“ zu interessieren. Sie kann aus dem Blick auf die neutestamentlichen Verhältnisse allerdings – nicht nur wegen der Spärlichkeit der einschlägigen Angaben, sondern wegen der seitdem grundlegend veränderten Umstände, also aus hermeneutischen Gründen – kein religionspädagogisches Programm gewinnen: Das Neue Testament enthält weder eine explizite noch eine implizite Katechetik respektive Religionspädagogik. Wohl aber sind verschiedene Merkmale des Lehrens und Lernens, die das Neue Testament erkennen lässt, auch für eine moderne Religionspädagogik wegweisend: • das große Gewicht von Sozialisation als Mittel, die Zugehörigkeit von Menschen zur christliche Gemeinde zu stabilisieren und ihr Glaubenswissen zu stärken, • die Verknüpfung von Lehr-Lern-Prozessen mit Handlungen (Wunder, Tischgemeinschaft mit Zöllnern u.a., Zeichenhandlungen) und rituellen Vollzügen (Taufe, Herrenmahl), • die Aufgabe und das Zutrauen, auch (materiell) arme, nach den Maßstäben der Zeit als ungebildet oder nicht bildungswürdig geltende Menschen mit den Gehalten des Evangeliums erreichen zu können, • die Wertschätzung des Kindes (Mk 10),

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das Bewusstsein, auch im Medium der Erziehung Gott dienstbar sein zu können und zu sollen (Eph 6,4 und Mt 28,19f), • kritische bzw. selbstkritische Distanz gegenüber denen, die sich ihrer Bildung gewiss sind (1Kor), • das Streben danach, das Evangelium nicht abstrakt, sondern im Blick auf verschiedene Situationen und Adressaten zum Ausdruck zu bringen (paulinische Briefe), • die Konzentration auf das für wesentlich Erachtete, die sich in Formeln und programmatischen Wendungen wie etwa 1Kor 15, 3-5; Röm 1,16f; Lk 10,27 ausdrückt. Andere Elemente neutestamentlichen Denkens mit religionspädagogischer Relevanz gelten aus heutiger Sicht als anachronistisch, etwa das Moment der Züchtigung. Sie können angesichts unserer hermeneutischen Maßgaben keine Geltung beanspruchen, bedürfen aber – gerade weil sie im Neuen Testament eine gewisse Prominenz haben – stets wieder argumentativer Prüfung und Zurückweisung. Dafür, dass im Neuen Testament sowohl eine Beschreibung des lehrenden Handelns der frühchristlichen Gemeinde als auch ein systematisches katechetisches Nachdenken fehlt, gibt es mehrere Gründe. Ein wesentlicher Grund liegt wohl im „aenologische(n) Denken der ersten Christen“, also in ihrer Erwartung des nahen Endes der Welt und des Anbruchs eines neuen Äons.100 Wer zu Lebzeiten das Ende der Welt erwartet, schenkt der Erziehung zukünftiger Generationen keine besondere Aufmerksamkeit. Ein zweiter Grund dürfte im theonomen oder pneumatischen Vorbehalt liegen. Die Autoren des Neuen Testaments haben die Wirkung der Verkündigung des Evangeliums nicht auf menschliche Vermittlung oder Bemühung zurückgeführt, sondern sie als unverhoffte Gabe Gottes, als Geschenk des Heiligen Geistes begriffen – Lehren und Lernen sind somit eher die Folge von Glauben und Taufe als deren Voraussetzung.101 Und schließlich werden im Neuen Testament die Handlungen und Denkfiguren, die selbstverständlich sind, in der Regel nicht oder nur selten thematisiert. Das gilt etwa für die Figur der „Schöpfung“, für die Gottesdienst- und Taufpraxis – und eben womöglich auch für die Praxis christlicher Erziehung. Im Judentum dieser Zeit wurde religiöses Lehren und Lernen hoch geschätzt und wohl bereits systematisch praktiziert; dass Lehren und Lernen konstitutiv ist für christliches Leben, war den Christinnen und Christen von daher ebenso selbstverständlich wie vom Wirken Jesu als Lehrer her. 100 So mit JENTSCH, Urchristliches Erziehungsdenken, 194. 101 So angedeutet bei REBELL, Urchristentum und Pädagogik, 77.

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Anhang

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Bibliographie Ulrich B. Müller

Bibliographie Ulrich B. Müller

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Bibliographie Ulrich B. Müller (zusammengestellt von Jörg Rauber) U. Müller, W. Schmücker, H. Stegemann, Nachträge zur „Konkordanz zu den Qumrantexten“, hg. v. K.G. Kuhn, RdQ 4, 1963/64, 163-234. Messias und Menschensohn in jüdischen Apokalypsen und in der Offenbarung des Johannes (StNT 6), Gütersloh 1972. Die christologische Absicht des Markusevangeliums und die Verklärungsgeschichte, ZNW 64 (1973), 159-193. Die Parakletenvorstellung im Johannesevangelium, ZThK 71 (1974), 3177. Die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu im Johannesevangelium, KuD 21 (1975), 49-71. Die Geschichte der Christologie in der johanneischen Gemeinde (SBS 77), Stuttgart 1975. Prophetie und Predigt im Neuen Testament. Formgeschichtliche Untersuchungen zur urchristlichen Prophetie (StNT 10), Gütersloh 1975. Zur frühchristlichen Theologiegeschichte. Judenchristentum und Paulinismus in Kleinasien an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n. Chr., Gütersloh 1976. Die griechische Esra-Apokalypse (JSHRZ V/2), Gütersloh 1976, 85-102. Vision und Botschaft. Erwägungen zur prophetischen Struktur der Verkündigung Jesu, ZThK 74 (1977), 416-448. Krankheit und Heilung, in: K. Seybold / U.B. Müller, Krankheit und Heilung (ub Biblische Konfrontationen 1008), Stuttgart u.a. 1978, 80-169. 174-176.

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„Sohn Gottes“ – ein messianischer Hoheitstitel Jesu, ZNW 87 (1996), 132. Zur Eigentümlichkeit des Johannesevangeliums. Das Problem des Todes Jesu, ZNW 88 (1997), 24-55. Die Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu. Historische Aspekte und Bedingungen (SBS 172), Stuttgart 1998. – Italienische Ausgabe: L’origine della fede nella risurrezione di Gesù. Aspetti e condizioni storiche. Traduzione di R. Carelli, Cittadella Editrice, Assisi 2001. – Spanische Ausgabe: El origen de la fe en la resurrección de Jesús. Aspectos y condiciones históricas. Traducción M. Montes, Editorial Verbo Divino, Estella (Navarra) 2003. „Das Wort Gottes”, Der Name des Reiters auf weißem Pferd (Apk 19,13), in: B. Kollmann u.a. (Hg.), Antikes Judentum und Frühes Christentum, FS H. Stegemann (BZNW 97), Berlin/New York 1999, 474-487. Biblischer Schöpfungsglaube in der Spannung zwischen Schöpfung und Neuschöpfung, in: K. Hilpert / G. Hasenhüttl (Hg.), Schöpfung und Selbstorganisation, Paderborn u.a. 1999, 54-67. Der Brief aus Ephesus. Zeitliche Plazierung und theologische Einordnung des Philipperbriefes im Rahmen der Paulusbriefe, in: U. Mell / U.B. Müller (Hg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte, FS J. Becker (BZNW 100), Berlin/New York 1999, 155-171. Parusie und Menschensohn, ZNW 92 (2001), 1-19. Johannes der Täufer. Jüdischer Prophet und Wegbereiter Jesu, Biblische Gestalten 6, Leipzig 2002. Christologie und Apokalyptik. Ausgewählte Aufsätze (ABG 12), Leipzig 2003. Jesus als „der Menschensohn“, in: D. Sänger (Hg.), Gottessohn und Menschensohn. Exegetische Studien zu zwei Paradigmen biblischer Intertextualität (BThSt 67), Neukirchen-Vluyn 2004, 91-129.

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Register Sachregister Abendmahlsparadosis 146-148, 150, 174 Abgrund, Tier aus dem 472f Abrahamskindschaft 13, 26, 28, 49f, 86, 282, 287, 295 Agonistische Metaphorik 312f, 315f Akklamationen 238 Allegorie, Allegorese, allegorisch 80, 85, 201 Alte Kirche, Katechese 520f Am-ha-aretz ((#rah ~[) 509f Antipaulinismus, antipaulinisch 248, 277, 280, 295, 321-323 Anthropomorphismus 188, 197, 206, 401 Antijudaismus 107f, 124, 211f, 223, 225 Antikes Mahl 81f Antike Ökonomik 79, 82f Antiochien, Gemeinde, Theologie 62f, 93, 271f, 284 Antiochenischer Zwischenfall 263, 266, 270, 287, 303, 431 Apokalyptik, apokalyptisch 11-13, 429, 476, 478, 481 Apollos, Apollospartei 124, 277f, 295, 302 Apologetik, christliche 103, 105, 108, 117, 119, 190, 209-212, 216, 517 Apophthegma 78, 85 Aposiopese 22 Aposteldekret 123, 125, 429-452 Apostelkonvent, Apostelkonzil 63, 69, 88, 265, 267, 271, 279, 282, 284-287, 303, 306 Armut, bewusst gewollte, der Boten in der Logienquelle 44 Auferstehung Jesu 90f, 94f, 103, 109, 111, 293, 335, 379, 417, 420f, 423, 425 Auferstehungserwartung 301, 474, 476

Augustin 248 Ausrüstungsregel

44

Barnabas 72, 254, 262f, 265-267, 270f, 301 Bedrängnis 353-355, 357, 359, 361f Beliar 16, 18, 478 Beschneidung 119f, 199, 212, 269f, 277-281, 283-285, 287-293, 295f, 305, 333, 337. 379, 389 Bilderverbot 457 Bildungsmilieu urchristlicher Gemeinden 506-508 Bileam 447, 467 Binnensprache, kirchliche 88, 93, 105, 108, 110, 115, 117, 232, 241, 419 Blutritus 136f, 141, 144 Boteninstruktion 41, 42, 44, 45, 48, 55, 65 Brot, Herstellung in der Antike 79 Brot, Wertigkeit in der Antike 83f Bund 107, 130, 131, 145, 250 Bundes(erneuerungs)fest 130f Bundesbuch 139-141, 143-146 Bundesnomismus 250, 252 Bundesschluss 130, 136f, 141, 143, 145, 147 Bundestheologie im Alten Testament 129-132, 135f, 144f Bundesurkunde 136, 138, 145 Christentum, griechisch-römische Fremdwahrnehmung 183-185 Christentum, Identitätsmerkmale 444, 452 Christentum und Judentum 99f, 104, 106-109, 123, 126, 210-212 Christliche Mission 93 Christologie 15, 85, 109f, 114, 118f, 150, 165, 168, 172, 330, 332f, 336,

532 340, 355f, 367-369, 387, 393, 397, 406, 423, 464, 504f, 511f Christophanie 35 Christusgeschehen, Bedeutung 327, 333, 336, 341 Christusmystik 252 Christuspartei 277, 302 Chronologie, relative, Kriterien 101, 106 Citrusholz 485-488 Claudius, Claudiusedikt 202, 234, 284f, 298f Collegia licita, religio licita 293, 300, 305 Dämonen, Dämonenaustreibungen 16-18, 25, 29, 197, 458 Danielbuch 12 Dekalog 140f, 144-146 deuteronomistisch 132-134, 143f Deuteronomium, deuteronomisch 130, 132-134, 136, 144f Diasporagemeinde 90 Diasporajuden 90 Diasporasynagoge 90 Dionysos 233f, 238 Divination 186-188 Drei-Zeiten-Formel 472 Edelsteine 479f, 482, 485, 486, 492 Ehreninschriften 312 Ehrenpreise 313, 315 Ehrung am jüngsten Tag 308-310, 313, 315f Ehrung verdienter Bürger 310, 312 Ekstase 233, 235, 239, 242f Elohist 142f Endgericht 11-14, 19, 21-26, 28-32, 39, 45-50, 53-56, 64f, 67f, 273, 312f, 316, 355f, 359-363, 454, 458, 462, 468, 473-478 Engel 232, 236-238, 243, 295, 458f, 462, 468, 471 Engelverehrung 381-383, 386-388, 393f Enthusiasmus, Enthusiasten, enthusiastisch 237, 278-281, 283, 290, 469, 477 Entwicklung der paulinischen Theologie 252-255, 275 Epikur, epikureisch 187, 189, 197-199, 291 Erlösung 460 Erniedrigung und Erhöhung 163, 172 Eröffnungsrede 41

Register Ersatzleistung 157, 158 Erwählungstheologisch 84 Eschatologie, eschatologisch 11-13, 48, 307-310, 313f Eschatologie, Konzepte 351f, 355f, 358-361 eschatologischer Vorbehalt 474f Ethik 119, 126, 421 Euergetismus als metaphorisches Feld 310-312 315 Exorzismen Jesu 16-19, 46, 52, 61, 77, 169 Erwählung 84, 88 Festtage, Beachtung 212, 378-380, 383, 387-389, 393, 477 Feuergericht 13f, 29-31, 49, 54 Feuerrichter 30 Formeln, katechetische 511 Frame (linguistischer Terminus: Sprach- und Sachzusammenhang) 325f, 328f Fremdgötterverehrung 233-235, 457f Galaterbrief, Datierung 261, 264, 283f Galaterbrief, Lokalisierung 256-267 Galatien, Landschaft 258 Galiläische Krise 11, 25 Gallio, Gallioprozess 296, 297, 298, 300 Gegner(polemik) 327, 337, 338 Geistverständnis 241 Gemeinschaft, koinwni,a 332 Generation, diese 23, 33, 35, 39 Gerechtigkeit Gottes 94, 273f, 357, 359, 363, 462 Gerechtigkeit des Menschen vor Gott 94, 273f, 308, 327 Geschlecht, dieses 23, 33, 35, 39 Gesetz, Gesetzesverkündigung im AT 130, 132, 137 Gesetzeskritik im Urchristentum 73 Gewissen 421-424 Gleichnisse 19f, 85, 511f, 515 Glossolalie 231f, 235f, 238-246 Gnosis, Gnostiker, gnostisch 126, 248, 277f, 280f, 292, 369, 466, 469f Gog, Magog 474f Gold 479, 480, 482, 484f, 487f Goldene Regel 431-433 Götterbild 188, 204, 217f, 235, 432f, 435, 441, 488 Gottes Thron 237, 315f, 340f, 460 Gottesbild 88, 188, 401f

Sachregister Gottesfürchtige 90, 91, 93, 100, 113, 115, 121f, 286 Gottesherrschaft 16-22, 25f, 29-32, 34f, 71, 73 Gottesknecht 149, 150, 158, 162, 163165 Gottesverehrer außerhalb Israels im Alten Testament 86f Göttliches Erwählungshandeln 88 Götzendienst 457, 47f, 481, 491 Götzenopferfleisch 111, 304, 442, 444, 465f Griechisch-römische Religion, christliche Wahrnehmung 208-210, 218220, 224f, 432, 441, 481, 491f Halachische Fragen 119-121, 126 Hauptmann Cornelius 63 Hauptmann von Kapernaum 56-59, 63 Hausgemeinde 91 Haushaltsökonomische Maxime 86 Haushunde 81 Heidenchristen, heidenchristlich 107, 111f, 116f, 121-125, 266f, 270f, 277, 279-281, 283, 285, 288, 303-305, 322, 385, 505f, 508 Heidenmission 73, 91, 95, 245f, 272, 284f, 302 Heidenmission, beschneidungsfrei 107, 123f Heiland, Titel swth/r als Bindeglied zwischen Kolosser- und Epheserbrief und den echten Paulinen 329 Heilsenthusiasmus 278, 289, 469-471, 475-477 Heilsgeschichtlicher Vorrang Israels 93 Heilsteilhabe von Nichtjuden 47, 71, 248f Heimholung der Diaspora 47 Hellenisten 62, 68f Herrenmahlsüberlieferung 129, 146 Herrscherkult 294 Honour-and-Shame 317 Hunde 80, 82 Hunger 51 Hymnus 461 Identitätsmerkmale, jüdisch 277, 284, 286-288, 292, 296 Inkarnation 109f Inklusive Heilsvorstellung 47, 90f

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Intertextualität 325, 328, 330f, 346, 349f, 453, 456, 459, 463 Isebel 466-468, 471, 476f Israel als Adressat der Verkündigung Jesu und der Christen 12, 24, 29, 32f, 35, 48, 52, 60, 71f, 89, 92, 107, 118f, 123f, 167 Israel, Land, Heiligkeit und Reinheit 430f, 439, 452 Israel-Logion 32, 34 Jakobus 430, 432, 435, 437, 442 Jehowist 133, 143, 144, 145 Jerusalem 25-29, 429f, 433, 439f, 442 Jesaja-LXX 154, 164f Jesu Wirken, Phasengliederung 12, 20f, 25f Jesus als Lehrer 502, 508-510 Jesus, Gerichtsverkündigung 19-23, 26-32, 54f, 67f Jesus, Initiation seiner Heilsverkündigung 11, 19 Jesus, Verhältnis zu Johannes dem Täufer 14, 50, 54f Jesus, Verständnis seines eigenen Todes 34 Johannes der Täufer 12-14, 16, 21-23, 25f, 30, 39, 49f, 53, 55, 64 Judaisten 277-280, 282f, 288, 289, 294 Judaistenthese 281 Judenchristen 72, 80, 87-93, 100, 114, 121-125, 241, 244, 251, 270f, 273, 279f, 282, 284-286, 288, 293, 304, 306, 338, 369f, 430, 433f, 450-452, 456, 478, 505, 519 Judentum, antikes 11f, 49, 55, 72, 84, 90, 113-115, 117, 121, 126, 184 Judentum, christliche Wahrnehmung 210-212, 223 Judentum, nichtchristliche Wahrnehmung 188, 190, 198f, 202f, 205207, 212, 220, 300 Ius talionis 357 Kaiser, röm. 482-484, 491f Kaiserkult 448, 467, 472f Kapernaum 41, 56 Katechese 424 Katechetische Reflexion, altkirchliche 522 Katechumenat, altchristlicher 498, 518, 521, 523 Kelchwort 146-148

534 Kinder als Adressaten antiker christlicher Erziehung 504, 517, 519 Kohärenz als Beschreibungskriterium 364 Kollekte für Jerusalem 89, 259-262 Korinthische Korrespondenz 261 Kybele 234f, 412 Landschaftshypothese 257, 259, 264, 267 Landverheißung 135 Lebenshingabe 149f, 158, 162 Lehren und Lernen 497 Lehrer, urchristliche 519 Leidender Gerechter siehe Passio iusti Leidenstheologie, frühjüdische 359f Lernen im Urchristentum 497 Lernorte im Urchristentum 523 „Leseanweisung“ als texttheoretisches Modell 350-352, 362, 364 Libertinismus 289, 290, 306 Liebe 401-404 Literarkritik 412 Lob durch Gott am Jüngsten Tag siehe Ehrung durch Gott am Jüngsten Tag Logienquelle siehe Q Lohnmetaphorik 315, 317 Lokalisierung, methodische Probleme 112f Lukanisches Doppelwerk, Datierung 101-111 Lukanisches Doppelwerk, Lokalisierung 111-113 Lukanisches Doppelwerk, Rezeptionsgeschichte 103f Lukas, religiöse Herkunft 113-121 Luxus, luxuria, luxuriosi 479, 481, 483, 486, 489, 492 Luxuskritik 479, 481, 491f Magie 184, 187-189, 191f, 214f, 219 Mahlgemeinschaft 45 Mahlpraxis 82f, 85 Mänaden 233f Maranatha 32 Märtyrer 476 Märtyrerhoffnung 475 Martyrium 474, 475 Mazzeben, Dtn Verbot der Errichtung von M. 139 Messiasgeheimnismotiv 75, 95 Messiasreich 474

Register Millennium 475f mirror-reading, Probleme 280, 287, 292, 369-374 Mischehe zwischen Juden(-christen) und Nichtjuden 445-451 Misseonstheologie, missionstheologisch 35 37 61-63 65 68-70 71-73 88 91 94-97 167f Moses 461 Mysterienkult 209, 238, 369f, 242 412 414 Mythos 400f, 404f Nachneutestamentliche Literatur, Datierungsthesen 104f Nasiräat 120f Neuer Bund 147f Neumonde als jüdische Feiertage 378380 New Perspective on Paul 249, 251f Nichtjüdischer Heilspartizipation 87 Nikolaiten 443, 466f Ökonomik 79-83 Oikos-Formel 520 Opfer 178 Opferfleisch 438, 440, 442, 444-446, 450 siehe auch Götzenopferfleisch Opfergedanke 162 Opferkult 147 pagane Umwelt, religiöse Vorstellungen 186-192, 196-198, 231235, 238f, 242, 417, 420, 443, 472, 477 Parusie 110, 301, 310, 355f, 361, 363 Passahlamm 170 Passio iusti 162, 165, 172 Paulinischer Traditionskreis 430, 434, 438f, 469, 477f Paulinismus 321-323 Paulus 430, 433, 441-443 – erste Missionsreise 254, 259, 263, 267, 272 – Gefangenschaft 326, 329, 332, 334, 336, 339, 340, 341 Paulusbriefe, Rezeptionsgeschichte 106, 321, 324-341 Pauluspartei 277, 303 Paulusschule 321, 323f Paulustradition 321, 324f, 344f Peripatetiker, peripatetisch 195f, 200 Perlen 479f, 484, 486f

Sachregister Permissive Haltung von Christen gegenüber ihrer griechischrömischen Umwelt 467f Petrus 58, 63, 69, 71, 123, 240, 263, 270f, 282, 303, 306, 430, 432 Petruspartei 240, 277f, 295f, 302, 306 Pharisäer, pharisäisch 20, 45, 47, 114f, 122, 124, 204, 247, 272, 502, 506f Philipperbrief 307-317 Philippi 311 Platon, platonisch, Platoniker 195f, 209, 218f, 236, 341, 396, 400-405, 147 Polyvalenz biblischer Texte, polyvalent 346-348 Prophetie, urchristliche 231f, 236, 447449, 465-467, 471f, 477 Proselyten 443, 492 Proselytentaufe 418 Provincia Galatia 257 Provinzhypothese 257, 259, 265, 267, 269 Pseudepigraphie 347f, 352, 361 Pseudonymie 344, 346 Pseudoprophet 473, 477 Purpur 479f, 482f, 485-487 Pythia 234, 239, 242f Q – Autor 38 – Forschung 37 – Gerichtsbotschaft 33, 38 45-48, 55, 64f – historischer Ort 37 – Literarkritik 38, 51 – Lokalisierung 41f, 63f, 68f – Missionskonzept 61, 63, 68 – Redaktion 37-39, 51, 65-68 – Trägergruppe und Jesusforschung 38, 68 Qumran, qumranisch 243, 416f, 424, 455 Rechtfertigungslehre 249-252, 256, 272f, 275 Redaktionskritische Erforschung des MkEv 75 Redekomposition 39 Reflexionszitat 168 Reich Gottes 43 Reinheits-Tora, mosaische 44f, 58, 77, 95, 114, 304 Religionsgeschichtliche Schule 409, 411f

535

Religionskritik, antike 188-191, 195200, 217-219, 224 Religionskritik, christliche 458 Rhetorik, antike 368 Rhetorik, antike, christlich angewandt 435 Rom 81, 482, 483, 485, 486, 488, 490, 491, 492, 493 Römisches Imperium 472, 473 Romkritik 491 Ruhm vor Gott 309 Sabbat 378-380, 389 Sapientia Salomonis 165 Satan 469, 472-476 Satanserkenntnis 466, 468f, 471, 473f Satanskult 466, 468 Satanssturz 11f, 14-20, 29, 32, 469-471, 473 Schmuck 479, 480, 484, 485 Schrift(bezug) 327, 334, 338, 339, 340 Schuldausgleich 157f Schuldtilgung 150, 157f Schulwesen im antiken Israel 502 Selbstverfluchung 135 Selbstverpflichtung Jahwes 135 Septuaginta 152, 153 Septuaginta Deutsch 153 Septuaginta/Masoretischer Text 152, 154, 166 Sexualregeln 436f, 444 Sinaiperikope 130, 133, 136, 144f Sozialgeschichte, sozialgeschichtlich 79, 506f Sozialisation, religiöse, im Urchristentum 518-520 Soziolekt, christlicher siehe Binnensprache, kirchliche Speise-Tora 119f, 277, 279, 279, 283, 284, 285, 287, 289, 291, 293, 295, 296, 304, 305, 378-380, 384-389, 393,432.,435, 444, 452 Sprache der Engel (Engelssprache) 232, 236f, 243 Sprache, apokalyptische 102 Sprache, biblizistische 114, 116f Stellvertretendes Leiden und Sterben 168f, 178f Stellvertretung 149, 151, 158, 159, 160, 162, 165, 171, 174, 177 Stellvertretungsaussage 157, 172 Stellvertretungsvorstellung 162f Stipulatio 422

536 Stoiker, stoisch 188, 195, 197, 200f, 206, 217f, 314, 403 Strukturen, kirchliche 103, 105, 110f Substanz 241 substanzhaft 240 Süd- und Nordgalatische Hypothese 256 Südgalatische Hypothese 258 Sühne 150 Synagoge des Satans 466 Syrophönizerin 61 Tag des Herrn 307f, 313, 316, 327, 355f Taufakt 414 Taufansprache 413, 415 Taufe 242, 474, 476, 514 Taufgottesdienst 414 Taufliturgie 415 Taufpraxis 409 Taufpredigt 410f, 411 Tauftheologie 409, 478 Tauftradition 410 Tauftypologie 410, 420 Tausendjähriges Reich 474 Taxo 13 Tempel in Jerusalem 26-29, 32, 105, 284, 442 Tempelkult, jüdischer 108, 163, Tempelkult, griechischer, Kritik 218, 220 Tempelprophetie 26 Tempelreinigung 26 Tempelzerstörung 28, 105, 483 Textpragmatik 372-374, 512f Theologie, philosophische 188-190, 197, 217-219, 224f Theologiegeschichte, methodische Probleme 99-101 Theophanie 21, 35 Thessalonicherbriefe 343, 347 Tiefen des Satans 465, 466, 469, 470, 475, 478 Tiefen Gottes 465, 469, 470, 471

Register Tier aus dem Abgrund 472 Tod Jesu, Deutungen 149f Todesprophetie Jesu 34 toragemäß / torawidrig 87 Tradition, Wertigkeit in der Antike 376, 385, 393 Typologie, typologisch 304, 420-425, 454, 462f Überlieferungsprozess 343f Umkehrung der jetzigen Situation nach apokalyptischer Vorstellung 357 Unterhaltsverzicht 309 Unterschicht als Adressaten urchristlicher Bemühungen 225, 510, 523 Väterbund 33 Vätereid(e) 132 Verfasserperspektive 373f Verzögerung, Verzögerungsproblematik 14, 19 Visio dei 137 Vollendung, Vollkommenheitsbewusstsein 280, 286, 289, 290, 292, 293, 477 vordeuteronomisch 133 135 Wehe-Rufe 12, 21, 23f, 41, 46-48, 56, 58, 61, 65, 473, 484 Weltelemente 278, 367, 376f, 384, 388 Werke des Gesetzes 272 Wettkampf als bildspendendes Motiv siehe agonistische Metaphorik Wiedergeburt 410, 412, 414-419, 425 Wohltäter 311f, 315 Zucht als Leitwort altkirchlichen Erziehungsverständnisses 517 Zwei-Fronten-Hypothese (Lütgert) 278, 279 Zwölftafelgesetz 192 Zweites Tier 472, 473

537

Stellenregister (Auswahl)

Stellenregister (Auswahl) Altes Testament Genesis 2,24 14,22 15 17

338 459 133-135, 143, 144 86

3Kgt 16,18f

Exodus 14,31 15,1 19,3-8 20,1-17 20,12 20,19.21 20,22 21,1 23,19 23,32f 24 32,32f 34,15f

462 462 145 140f 338 143f 141 140f 27 77 136f, 142-144 15 445-447

Leviticus 3,17 5,7 17–18 17,7

439 158 430f, 440f, 445, 451f 442, 445

Numeri 25,1f

446f

Deuteronomium 5 6,14f 7 7,6-8 18,15.18 32,4 32,17LXX 32,40LXX 32,43LXX

145f 77 131-133 402 118 461f 457f 459f 455f

Richter 1,7 18,31

83 27

1. Samuel 10,6 2. Samuel 12,20

1. Könige 1Kön 8,16-21.31ff 1Kön 8,41-43

232 27

27 86

75

2. Könige 5,1-19

86

Hiob 1,6-12

15

Psalmen 4,5 8,7 68,19 69,28f 103,3 110,1 113,12LXX [MT 115,4] 122,5 134,15LXX 150,5LXX Jesaja 4,3f 9,7 10,24LXX 12,6 14,13-15 28,11f 30,27f 42,1LXX 43,3f 45,23 49,4 49,1-6LXX 52,13-53,12LXX 52,13-15 52,15LXX 53 53,1-3 53,1LXX 53,4f 53,4MT 53,4LXX

338 339, 340 338 15 78 339, 340 457 33 457 235

15 25 164 16 24, 47 240 30 164 179 337, 340 309 164 155 160 151, 168 149-179 160 151, 167, 169 160 151, 168, 169 151, 162

538 53,5LXX 53,6 53,6LXX 53,7f LXX 53,7 53,8 53,9fLXX 53,10MT 53,11 53,11LXX 53,12 53,12LXX 55,10f 56,10 66,15f Jeremia 1,16 31 (LXX 38), 31-34 5,14; 6,11f Ezechiel 10f 21,36 26–27 26–28 37–40 Daniel 2,22LXX 5,4.23 8,13 8,14 12,1 12,6 12,7 12,11 12,12

Register 151, 162, 176 159, 162 151, 173 151 160 160 151, 156 162 161 151, 162 161 151, 176-178 25 81 30

457 147f 25

27 30 485f 76 474

Frühjüdische und rabbinische Literatur Apokalypse des Zephanja 8 237 11,3; 12,6 237 14,2f 237 Assumptio Mosis 7,1 9,7 10 10,1

13 13 13, 474 16-18

äthiopischer Henoch 14,2 47,3f 49 84,1-3 89,50f.56 90,28-30 92-105 94,1.6.7 96,1.6 97,10 98,16 104,1

237 15 237 237 27 27 12 13 13 13 13 15

4Esra 7,26ff 474 470 457 12 12 15 12 459f 12 12

Zwölfprophetenbuch Hos 2,1 84 Joel 2,28-32LXX 245 Joel 3,4 308 Jon 1,14-16 87 Nah 1,6 30 Zeph 3,14-17 16 Sach 2,14 16 Sach 3,1-4 15 Sach 8,16 338 Mal 3,19 30

1. Makkabäer 8,2

258

2. Makkabäer 2,4-8 6,7 6,12-16

443 442 360

3. Makkabäer 3,17

310

4. Makkabäerbuch 5,2

313 442

Joseph und Aseneth 12,2 419 8,9 402 Josephus Antiquitates 12,5-9 14,258 15,268-279

205f 203 203f

539

Stellenregister (Auswahl) 19,290 20,38-48

202f 281, 287

Bellum 1,108.112 2,174 2,230 6,299f 7,29

204 203 203 27 483

Ps.-Phokylides 31 156f 202

441 83 81

Psalmen Salomos 17,26.43

33

Qumrantexte 4Q40

455

Contra Apionem 1,179f 1,205-212

77 206f

Sibyllinische Orakel 4,125-136; 493 159-161

Vita 427

77

Syrischer Baruch 13,3-19 29f 48,48-50 52,5-7 78,5

Jubiläenbuch 19,9

15

Liber Antiquitatum Biblicarum 19,4 462 20,2 232 Philo De Abrahamo 252

77

De Cherubim 42

201

De praemiis et poenis Quis heres sit 79 Leges allegoricae 1,34f

312f

419

403f

De mutatione nominum 138 201 Quaestiones in Exodum 2,117 397 Quod Deus immutabilis sit 102f 200f De Sacrificiis Caini 15 201 De somniis 1,128

397

360 474 360 360 360

Testamente der Zwölf Patriarchen TestDan 5,10-13 474 TestDan 5,10f 16 TestJud 25,3-5 474 TestLevi 18,10-14 18 TestLevi 18,12 16 TestSim 6,6 18 Testament Hiobs 37,6 47-52 48-50

470 237 232

Tobit 1,6f

25

Weisheit Salomos 2,10-5,23 2,12-20 5,1-6 9,7; 18,13

165 165 165 84

Mischna mAv 3,14 84 mNaz 1,3; 2,5; 3,6 120 Babylonischer Talmud bShabb 33b 492 bTaan 11a 462 R.Aqiba

84

Sifre Dtn § 307

462

540

Register

Griechisch-römische Literatur Aristoteles Nikomachische Ethik B 6, 1106 b 36 197 Zeugung der Tiere 2,6=744b 82 Agatharchides von Knidos

198

Horaz Satiren 2,3,89f

187

Juvenal Satiren 3,62

190

Livius 1,31

187

Lukan 5,161-174 5,208-224

239 239

Chrysipp Fragmenta Moralia 394,16; 408,4

197

Cicero De natura deorum II 72 CIL IV 4976

Lukian Alexander von Abonuteichos 9 195

186f. 493

Philopseudes 37

195

Columella 1,8,6 7,12,3f 12,1.3

187f 81 187

Lukrez De rerum natura 1,62-83 5,1203

198 189

Dio Cassius 61,35,2ff

297

Martial Epigramme 4,44

493

Philostratos Vita Apollonii 1,19

83

Platon Leges 908d-910d 932e-933e

196 196

De re publica 394b-c

400

Phaidon 113d-e

315

Timaios 29d-e 71e-72b

400-402 239

Plautus Amphitrio 323

187

Diodorus Siculus 38/39, 7,1.12

196

Diogenes Laertios 6,24.37f.42.73

194

Epiktet Dissertationes 2,19,19-28 Euripides Bakchen 159 Gellius Noctes Actticae 4,9,1 Homer Odyssee 10,216f 17,809

314

238

187

80 80

541

Stellenregister (Auswahl) Captivi 550 Plinius d.Ä. Naturalis Historia 12, 41f/83-94 13,29-31/91-103 28,5/24 30,1-2/1.7 30,2,7 37,78/204 Plinius d. J. Epistulae 10,96

194

489f 487f 189 189 187 484, 486-488, 490

184f, 442f

Plutarch De superstitione 197, 213f Polybius 6,56,9-12

190f 184

Historien 5,4 5,13

380 184

Theophrast Charaktere 16

193f.

Varro

187

Vergil Aeneis 6,46-51.77-80 6,99-102 12,817

239 239 187f

Neues Testament 189f

Polystrat col. 20b

198

Quintillian Inst. Orat. 3,9,1.6

368f

Seneca De Clementia 2,5,1

185, 187

De superstitione 188f Ep. 108,22

13,32 15,44

191

Soranus von Ephesus Gynäkologie 1,4; 2,80-88 196 Strabo Geographica 16,2,37

198f

Sueton Nero 16

184

Tacitus Annalen 12,59

184, 190f

Matthäusevangelium 5,44f.48 403f 6,1-18 314f 8,17 151, 166, 168 9,9-13 509f 10,5f.23 71, 92 11,25-30 509f 13,52 512 15,24 80 92 15,26f 80 15,28f 80 15,28 74 18,12f 19 21,31 20 23,26 par 21 26,28 146-148 28,18-20 71, 92 28,19f 513, 520f, 523 Markusevangelium 1,21-28 1,9 2,17 3,14f 3,27 6,30-8,21 6,42f 6,45-51 7,24 7,24-30 7,24-30 7,24-37

508 14 16, 19 32 17f 94f 95 95 75, 94f 57, 61, 62, 69 71-96 75

542

Register

7,25-30 7,25f 7,25 7,26b.29b.30b 7,27f 7,27 7,28 7,29f 7,30 7,31-37 8,1-9 8,19 8,20 9,31 10,13-16 10,17-27 10,37 10,45 11,15-16 13,2 14,4 14,25 14,58 16,17

76-79, 87 75 76 76 78, 84, 85, 90 75, 78, 82 75, 79, 83 75, 79 75 95 95 95 95 405f 510f, 523 510 315 179, 405f 25f 26, 29 146-148 31, 34 26, 29 245

Logienquelle 3,7-7,10 3,7-9 3,16f 3,16 3,17 4,1-13 4,1-4 4,5-8 4,9-12 6,20-49 6,20f 6,22f 6,29-30 6,43-46 6,47-49 7,3-9 7,10 7,1-10 7,18-22,30 7,18-23 7,18-35 7,22f 7,22 7,23 7,31-34;11,31f 7,31-35 7,6b 9,57-10,16

65 13, 22, 41, 49, 54, 65 41 13, 30 13 50, 66 51f 52 52 41, 53 16, 52 65 54 54, 65 47, 54, 65 77 89 41, 56, 61, 62, 66, 69 39 49, 65 55 (Fn 64 ?), 65 45 16 16 33 40, 59 58 65

9,57-60 10,10-11 10,12 10,13-15 10,2-16 10,13-15 10,13f 10,15 10,16 10,23f 10,4-12 10,5-7 10,8-12 10,8-9 11,2-4 11,14-16 11,14-23 11,19f 11,31f. 11,39-48 11,39-41 11,42.39b.44 12-31 13,21 13,24-27 13,29.28 13,34f 14,16-24 22,28 22,28-30 Lukasevangelium 1–2 1,1-4 1,4 2,22-24 3,16 4,18-27 6,35f 7,1-10 7,36-50 8,15 10,17-20 10,18 10,20 10,38-42 11,2 11,20 12,8 12,8f 12,10 12,47f.

42, 59, 65 45 65 33 37, 43 41, 46-49, 56, 59, 65 23-26 23-26 48, 61 16 43, 44, 52 44 45 45 52 40, 42, 66 46 17 23 24 45 21 52 80 47 23, 34, 35 26-29, 68 47 60 32f, 64

114f 103 513 117f 244 508 403f 89 510 103 14f 11f, 14-16, 18f, 29, 32, 35 14-16, 18-20, 29, 32 509f 21, 31, 35 16,17, 25, 26, 29, 30, 31, 35 34 33 244 103

543

Stellenregister (Auswahl) 12,49 12,49f 12,50 13,1-5 13,6-9 13,31f 14,15 15 15,4f 15,8f 15,11-32 15,29 18,10-14 18,11f 18,14 19,1-10 19,41-44 21,20-24 22,19f 22,27 22,37 24,36-49

26, 30f 29, 31, 32 30, 31 21-23 22, 23 25 85 20 19 19 20 20 20 20 20f 510 102 102 147f 179 151, 170f 110

Johannesevangelium 1,29.32 170 3,6 416 3,22 14 4,46-54 56f 4,50 59 6,35.48.51 85 12,38 151, 169 Apostelgeschichte 2 2,16-21 2,18 2,20 4,36 7,22 7,47 8,23f 8,32f 10,1-11,18 10,34-36 10,35 10,44-46 11,19-21 11,20f 11,26 12,17 13,13-14,24 13,14ff 13,38f. 13,4-14,26

244 244 245 308 77 516 27 170-172 151 69, 71, 123, 125 63 124 244 62, 69 272 272 263 264 92 120 262

13,46 13,7 13f 14,15-17 14,19 14,23 15,1 15,1-21 15,1-35 15,5 15,10 15,20

15,36-41 16,1 16,1-6 16,3 16,11ff 17,6f 17,22-31 17,32-34 18,1ff 18,2 18,11 18,12-17 18,18 18,23 19,6 20,28 20,29 20,7 20,7-12 21,1-26,32 21,24 21,25 22,3 22,3 23,6; 26,5; 22,3 23,6-8 28,28

91, 92 267 259, 263 113f. 117 267 103 119, 269 125 263 122, 269 120 111, 125, 431f, 438, 452 430 431, 433 111, 125, 431-433, 438, 452 262f 450 263 115f 92 285 117, 217-220 220 92 77, 299 262 296 120 263 245 103 105f 111 519 221-223 120f 442 507 516 247 114 92

Römerbrief 1,1.5 1,16 1,18-3,20 2,9f 2,16 2,18 2,26-28 2,28f

72 91-94 273 93 316 515 313f 249, 314

15,21 15,28 15,29

544

Register

3,21-4,25 3,22f; 10,12 3,27f 4,25 5,1-8,39 5,15-19 7,22 8,32 8,38f 9,32 10,7 10,9 10,12 10,13 10,16 11,25-27 12,1-15,13 13 13,3f 14,6 15,16 15,21 15,25 15,25-27 16,23

273 248 274 176f, 405f 273 166 236 405f 469 274 520 85 85 245 151, 167, 168 148 273 311 311 385 72 151, 168 260 260 261

1. Korintherbrief 1-4 1,8 1,12 1,13 1,16 5 1,18.23 2,2 2,10 3,8 4,5 4,7 7,19; 10,25f 8,4-6 8-10 9,6 9,25 10,3f 10,19 10,30f 11,2 11,2ff 11,5 11,25 12,1 12,2f 12,3 12,13

277 308 302 242 19 268 268 465f, 469 314 314, 315, 316 317 249 466, 473 304 263 309 241 458 385 397 233 233 147 241 233 85, 231 241, 248

12,23 12-14 13,1 14,6 14,7 14,14-19 14,18 14,19 14,21ff 14,23 14,26 15,3 15,3-5 15,23 15,29 15,55f 16,1 16,3

292 231, 236 235f 231 235 236 239 515 239 236 231 161, 174f 32, 35, 511, 524 308 242 274 259, 261 260f

2. Korintherbrief 1,14 3,4-18 5,10 6,14-7,1 8,10; 9,2 8,16-9,5 11,10 11,22 11,25 12,12 13,3

308, 316 305 316 478 261 261 309 295 267 240 232

Galaterbrief 1,1 1,6 1,6-9 1,6-9; 3,1; 5,3 1,14 1,15f 1,16 1,18 1,23 2,1-10 2,1-3.9 2,1f 2,1 2,2 2,2f 2,3 2,3-5 2,5 2,6 2,7 2,8

261, 266 266 268 256 247 261, 265 72 254 265 287 272 265, 267 254 309 272 89, 267 269 247, 266, 268 272 89 89

545

Stellenregister (Auswahl) 2,9 2,10 2,11-14 2,12.14 2,13f 2,14-21 2,14 2,15-21 2,15-17 2,16 2,19 3,1-4,7 3,1 3,3 3,5 3,28 4,3.8f 4,12-20 4,13 4,13f 5,3 5,6 5,13-6,10 5,13ff 6,1 6,6 6,6-10 6,13 6,15 6,17

91, 267, 271 89, 259-261, 263 247, 249, 263, 265f, 270, 272, 287 268 267 270 247, 266, 268 268 271 270, 272, 274 266 268, 274 266, 268, 271 286 245 248 233 265 263, 267 264 269, 287 249, 273 272 289 241 515 260 288 249 247

Epheserbrief 1,1 1,20 1,20-22 1,4 2,11 2,11-22 2,14-18 3,1 3,2 3,14f 4,1 4,8 4,25f 5,1 5,3-14 5,31 6,1-4 6,2 6,4 6,10-17 6,11

398 337 336, 469, 476f 402, 405 337 338 71 336 336 337 336 338 338 337 406f 338 504f. 516f, 523 338 517, 522, 524 477 477

6,20 6,21

336 336

Philipperbrief 1,3-11 1,5; 3,10 1,11 1,15-18 1,19 1,21 1,28 1,7.13.14.17 1,6.10; 2,16, 4,5 2,1 2,9f 2,9 2,10f 2,10 2,12-18 2,15 2,16 3 3,2-7 3,5 3,10 3,10-12 3,12 3,13-15 3,17-21 3,18 3,19 3,19-21 3,21 4,1 4,15 4,8

307-317 307 327 309 247 327 332 358, 359 326 327 327 338-341 336 327 337 309 327 316 327 290 247 281, 327 514 280 293 291 292-294 281 339-341 281, 336, 338 309 265 310

Kolosserbrief 1,1 1,11 1,15-20 1,16 1,20 1,24 1,28 2,1-5 2,1 2,2 2,4 2,6-23 2,8 2,9-15 2,11 2,12f

331 331 367 334 334 331f, 334, 397 334 367 331, 333 405 375, 377, 390 366-369, 372, 388-390 333, 375-377, 390 389, 393, 476f 333, 334, 337, 379 334

546 2,15 2,16-19 2,18 2,20-23 3 3,1-4 3,1 3,2 3,4 3,11 4,3 4,7 4,12 4,18

Register 469, 476 378-383, 390 373 383-387, 390f 514 367 331, 333, 369 331 331, 332 248 332 332 332 331f

1. Thessalonicherbrief 1,3 274 1,4 357, 358 1,6 353 1,6f 399 1,10 273 2,14 399 2,19 316 2,19 308 2,19f 310 3 354 3,3 354, 357 3,5 309 3,13 308 4,13-17 350, 355, 362, 363 4,15 208 5,1-11 350, 356, 362, 363 5,19 241 5,28 308 2. Thessalonicherbrief 1,3-12 349, 362, 363 1,5 359 1,6f 357, 359 1,7-8 360 2,1-12 349, 362, 363 2,1f 360 2,2 348, 350, 359,362 2,2f 349 3,2 147 1. Timotheusbrief 3,15 4,2-4

507 385

2. Timotheusbrief 2,18 3,11

469, 476 267

Titusbrief 3,5

416

Hebräerbrief 2.4 9,28 12,4-13

245 177, 178 517

1. Petrusbrief 1,1 1,3 1,3-12 1,3f 1,22f 1,23 2,1-3 2,2 2,3 2,14 2,19 2,22 2,24 2,25 3,16 3,18 3,20f 3,21

420 410, 415 417 417 418 410, 415, 419 418, 419 410, 416 419f 311 424 151, 172f 151, 172f 173 424 172 410, 419 421, 423

Judasbrief 6ff

393f

Offenbarung 1,19 2,12-17 2,14f 2,14 2,17 2,18-29 2,20-23 2,20 2,21 2,22 2,24 4,1 6,9-11 6,10 7 9,20 10,5f 11,1f 12,7-10 12f

472 477 467f 111, 434-436, 438, 443, 446f, 452 443 467f, 477 443, 447-451 434-436, 438, 446f, 452, 465, 473 471 435f, 448 465, 470, 473 472 475f 454-456 450 456-458 458-460 442 15 472f

547

Stellenregister (Auswahl) 15,3f 16,5 17,4 18,12-14 19,2 19,11-22,5 19,20 20,1-3 21,1-22,5

460-463 462 482-485 485-491 455f 473-476 473 471 485 492

Altkirchliche Literatur Ambrosius Lc. 3,26

Evangelium Veritatis NHC I/3 p. 22,25f 470 Hippolyt ref. V 6,4

470

Ignatiusbriefe IgnMagn 8,2 IgnMagn 9,1 IgnMagn 9,3 IgnMagn 10,1

108 520 108 520

Justin Apologien 1. apol. 1. apol. 66 2. apol 3,5

103 109f 209

211

Barnabasbrief 5,6 5,7 5,10.11 13,1 16,2

109 108 109 108 108

2. Clemensbrief 9,1-5

109

Clemens von Alexandrien stromata 6,41,2f.6 108 Protrepticus 2,25,1

Thomasevangelium 52 108

209f

Didache 6,2f 8,1

444 108

Diognetbrief 1,1 3,2

211f 212

Epiphanius haer. 48,11,9

232

Petrusevangelium 2/4; 5/15

108

Dialog mit Trypho 34,3f 444 67,2 110 72,1-73,6 108 Minucius Felix 1,5; 9,2; 25,8 33,2 38,7

210 211 190

Origenes Cels. VII 41

211

Pseudoclementinische Homilien H VII 4,2f 429-433 H VIII 1f 429, 432 Tatian Or. 22

209

Tertullian adv. Marc. I 9,2 II 18,3

210 211

apol. 6,8, 24,2

210

548

Register

Autorenregister Achtemeier, P.J. 412, 415, 418, 419, 420, 422, 423,424 Aejmelaeus, L. 282, 356 Agersnap, S. 409 Aland, B. 74, 80, 158, 355 Aland, K. 80, 74, 158, 355 Aland, K. und A. 375, 397 Albertz, R. 139, 214 Alexander, Ph.S. 250 Alkier, S. 328 Allison, D.C. 38, 47, 314 Alvarez, D. 285 Anakarloo, B. 185, 192, 214 Andresen, C. 105 Andrews, A.C. 80 Arbandt, S. 332 Arbesmann, R. 379 Arnold, C.E. 366 Asskamp, R. 479, 480, 493 Attridge, H.W. 188, 189, 195, 197, 198, 201 Aubin, M. 215 Aune, D.E. 439, 456, 457, 460, 465, 477 Avemarie, F. 250, 409 Bachmann, M. 271 Back, F. 416 Baentsch, B. 130, 138, 140 Bailey, D.P. 154 Baldermann, I. 499 Ballhorn, E. 454 Baltzer, K. 130, 180 Balz, H. 214 Barbaglio,G. 235 236 Barclay, J.M.G. 211, 241, 249, 314, 370, 371 Barnbrock, C. 101 Barnett, E.A. 343 Barth, G. 417, 418, 514 Barth, K. 248 Bassler, J. 360 Bauckham, R. 262, 486, 488, 489, 490, 491 Bauer, T.J. 474, 478 Bauer, W. 80, 158, 161, 181, 182, 321, 322, 355, 375, 376, 380, 384, 386, 397 Baum, A.D. 344 Baumann, E. 454 Baumeister, T. 354 Baumgart, N.C. 92 Baur, F.C. 277, 321, 322

Beale, G.K. 453, 455, 456, 457, 460, 461, 462 Beard, M. 185, 188, 189, 191, 192, 207 Beck, A.B. 460 Becker, E.-M. 248, 364 Becker, J. 17, 18, 19, 67, 146, 241, 244, 256, 260, 269, 271, 272, 279, 281 Becker, M. 214, 215 Beckwith, J.T. 470 Behlke, K. 257 Behm, J. 238 Beintker, M. 252 Bell, G.K.A. 501 Bellinger Jr., W.H. 155 Benko, S. 183, 184 Benviste, É. 186 Berchmann, R.M. 209 Berger, K. 111, 280, 370, 465 Bertram, G. 220, 501, 516 Bethge, H.-G. 108 Betz, H.D. 195, 213, 214, 256, 259, 269, 271, 315, 416 Beyerlin, W. 130 Billerbeck, P. 80 Bird, M.F. 47 Bitter, G. 505 Blank, J. 502, 504 Blaschke, A. 270, 290 Blaß, F. 80 Bleek, F. 242 Blum, E. 138, 139 Blume, H.-D. 194 Bockmuehl, M. 309, 430 Böcher, O. 440, 485 Böhler, D. 153, 154, 454 Böttrich, C. 53, 211 Böttrich, J.M. 211 Bohne, G. 501 Boismard, M.-É. 433 Bolkenstein, H. 193 Borchhardt, J. 81 Borgen, P. 287 Bormann, L. 331, 335 Bornemann, W. 413, 414 Bornkamm, H. 516 Borse, U. 269 Botermann, H. 264 Botterweck, G.J. 80 Bousset, W. 465 Bovon, F. 513 Brändl, M. 204, 309, 316

Autorenregister Brakmann, H. 512, 513, 518, 521 Brandis 257 Brandy, D. 214 Bratcher, R.G. 453 Braumann, G. 113 Braun, H. 213 Brenk, F.E. 217, 218, 219 Breytenbach, C. 90, 107, 113, 172, 173, 281, 286 Brock, S. 153 Brodie, T.L. 331, 346 Broer, I. 100, 106, 410 Brouwer, M. 479 Brox, N. 173, 215, 419, 513 Bruce, F.F. 256, 258, 270 Brucker, R. 14, 25, 40 Büchsel, F. 416, 425 Bühlmann, W. 499 Bühner, J.A. 48 Bürchner, L. 257 Büttner, G. 345 Bujard, W. 397 Bull, K.-M. 86 Bultmann, R. 76, 78, 99, 321, 322, 323, 501 Burchard, Chr. 266, 272, 402 Burnett, A. 258 Busch, P. 215 Busse, U. 118 Bussmann, C. 113 Byrskog, S. 511 Caird, G.B. 329 Calderone, S. 190 Cancik, H. 119, 204 Carson, D.A. 250, 410, 453 Catchpole, D.R. 57, 58, 59, 60 Charles, R.H. 465 Charlesworth, J.H. 100 Chester, St.J. 236 Choi, S.B. 232 Christes, J. 498, 502 Christianssen, J. 479 Christophersen, A. 244 Clark, S. 185., 192, 214 Classen, C.J. 207 Cohen, S.J.D. 266 Collins, D. 192 Collins, R.F. 347, 358, 359 Colson, F.H. 201 Colwell, J.E. 420, 424 Connolly, A.L. 80 Contra, E. 250

549

Conzelmann, H. 105, 112, 113, 118, 233, 396 Cordier, L. 501 Cornelius, P. 380 Cranfield, C.E.B. 176 Crenshaw, J. 505 Cross, A.R. 420 Cross, F.L. 414 Crossan, J.D. 42, 509 Daniélou, J. 414 Das, A.A. 270 Dassmann, E. 73, 505 Dauer, A. 271 Dautzenberg, G. 236, 237 Davies, G. 81 Davies, W.D. 249, 314, 448 De Wette, W.M.L. 422 De Witt Burton, E. 256, 269 Debrunner, A. 80 Deines, R. 431, 439, 450 Deißmann, A. 310, 501 Delafosse, H. 104 Delekat, F. 501 Delkurt, H. 146 Delling, G. 30, 31, 214 Delobel, J. 38, 43, 233 Denova, R.I. 114 Detges, U. 326 Dibelius, M. 217, 218, 219 Diebner, B.J. 237 Dillmann, A. 146 Dillon, J.T. 502 Dimpflmaier, A. 503 Dinkler, E. 410 Dodd, C.H. 501 Döpp, S. 498 Doering, L. 150 Donfried, K.P. 354 Dozeman, Th.B. 139 Drecoll, V.H. 248 Drews, W. 518, 520 Du Toit, D.S. 107 Dübbers, M. 366, 377 Dunderberg, I. 282 Dunn, J.D.G. 176, 249, 251, 253, 260, 270, 382, 385 Easterling, P.E. 239 Ebel, Eva 312 Ebner, M. 11, 12, 17, 18, 45, 115, 195, 263, 410, 434, 463 Eckey, W. 329 Eerdmans, B.D. 133

550 Egelhaaf-Gaiser, U. 503 Ego, B. 503, 505, 506, 511, 519, 520 Eichrodt, W. 130, 131 Eisen, U. 211 Ekblad, E.R. 156 El Khoury, N. 213 Eliade, M. 400, 405 Elliger, W. 217, 297, 300 Elliott, J.H. 410, 412, 413, 415, 419, 420, 422, 423, 424 Engel, H. 154 Erlemann, K. 80, 90, 104, 196, 500 Ernst, J. 113, 397, 511 Ernst, W. 343 Esler, Ph.F. 244, 271 Essig, K.-G. 105 Euler, K.F. 156 Evans, C.A. 100 Fabry, H.-J. 153, 154, 454, 492 Fander, M. 76 Farmer, W.R. 155 Fascher, E. 163 Faßbeck, G. 196 Feldman, L.H. 211 Feldmeier, R. 73, 78, 86, 100, 172, 173, 412, 416, 417, 418, 419, 420, 421, 423 Fellmeth, U. 79, 80, 83 Finsterbusch, K. 505, 506 Fischer, G. 154 Fischer, H.G. 81 Fischer, K.M. 282 Fitzmyer, J.A. 100, 176 Fleddermann, H.T. 38, 40, 42, 58, 59, 64, 66 Förster, N. 215 Forbes, Ch. 237 Fotopoulos, J. 447 Fox, K.A. 443 Francis, F.O. 382 Francis, J. 418 Frankemölle, H. 413, 419, 424, 518, 519 Frateantonio, C. 186 Frenschowski, M. 41, 64, 214 Frey, J. 172, 174, 175, 177, 253, 261, 262, 406, 431, 453, 474 Fridrichsen, A. 314 Friedlaender, L. 481, 484, 489 490, 491 Friedrich, G. 281 Friedrich, J. 281 Friesen, St.J. 234 Frohnes, H. 517 Fürst, A. 520 Fürst, D. 516

Register Fuhrmann, S. 178 Fung, R.Y.K. 260 Gäckle, V. 442 Gamberoni, J. 139 Ganser-Kerperin, H. 123 García Martínez, F. 455, 459 Garleff, G. 444 Garrett, S. 215 Gärtner, B. 217 Gathercole, S.J. 271 Gauger, J.-D. 493 Gebauer, R. 171 Geerlings, W. 498 Gehrke, H.-J. 311 Gemeinhardt, P. 503, 506, 507, 518 Gempf, C.H. 263 Georgi, D. 260, 261, 281 Gerber, C. 204, 208 Gerhards, A. 505 Gertz, J.-C. 134 Gese, H. 134 Gielen, M. 410 Given, M.G. 217 Glover, R. 111 Gnilka, J. 76, 78 , 265, 396 Görgemanns, H. 180 Goldschmidt, L. 492 Goppelt, L. 173, 175, 176, 413, 416, 419, 423 Gordon, R. 192, 215 Gräßer, E. 119, 178, 252, 513 Graf Reventlow, H. 201 Graf, F. 196 Grassi, J.A. 502 Graupner, A. 133, 135, 138, 139, 142, 143, 145, 146 Gray, P. 188, 193, 196, 197,198, 201, 205, 207, 210, 214, 219 Greeven, H. 85, 217 Gregg, B.H. 54 Gregory, A. 102, 104 Grethlein, Chr. 499 Grodzynski, D. 186, 187, 188, 189, 190, 208 Grouzel, H. 213 Grundmann, W. 309 Grypeou, E. 443 Gunneweg, A.H.J. 138 Gunther, J.J. 366 Gutherie, D. 410 Guttenberger, G. 449, 448, 468 Gzella, H. 195

Autorenregister Haag, H. 150 Haacker, K. 253 Haarmann, V. 86 Haenchen, E. 217, 222 Härle, W. 96 Hagene, S. 114 Hagner, D.A. 249 Hahn, F. 72, 91, 93, 100, 253, 275, 511, 515, 520 Halbe, J. 130 Hanhart, R. 155, 180 Hansen, G.C. 206, 207 Harl, M. 152 Harland, Ph.A. 443 Harmening, D. 214 Harnisch, W. 86 Hartenstein, J. 147 Hartmann, L. 358, 411, 415, 424 Hatina, T.R. 346 Haupt, E. 396 Hayes, M.A. 420 Hays, R.B. 327, 328 Hebel, U.J. 328, 329 Heckel, Th.K. 101, 343 Heckel, U. 73, 106, 256, 259, 261, 329, 410 Heil, Chr. 66, 442 Heil, J.P. 356 Heiligenthal, R. 443 Heinrici, C.F.G. 242 Heitmüller, W. 72 Helm, R. 493 Hemer, C.J. 263, 448 Hengel, M. 72, 90, 99, 154, 155, 162, 163, 164, 165 ,181, 247, 253, 267, 272, 448, 450, 453, 507, 508 Henrichs, A. 234, 238 Hepding, H. 234 Herion, G.A. 130 Hermisson, H.-J. 149, 156, 157, 159 Herron, Th.J. 104 Herzer, J. 211 Heszer, C. 502, 518 Heusler, E. 121 Hilgenfeld, A. 348 Hill, D. 231, 422 Hiltbrunner, O. 44 Hirsch, E. 281, 288 Hirschberg, P. 448 Hirschmann, V.-E. 450 Hoffmann, P. 11, 27, 40, 41, 66, 99 Hofius, O. 161, 166, 173, 174, 175, 176, 178, 243, 268, 313 Holland, G.S. 359

551

Hollenbach, P.W. 18 Holtz, T. 170, 171, 310, 351, 353, 354, 355, 356 Holtzmann, H.J. 348 Holzberg, N. 198 Holzinger, H. 140, 143 Hooker, M. 390 Hoppe, R. 147 Horbury, W. 249 Horn, F.W. 112, 239, 240, 241, 242, 244, 245, 263, 266, 445, 468 Horsley, G.H.R. 80 House, W. 238 Houtman, C. 459 Hübner, H. 253, 396, 398, Hübner, R.M. 105 Hünemörder, Ch. 489 Hünermann, Chr. 80, 81 Hunn, D. 270 Hurtado, L.W. 260 Huther, J.E. 422, 423 Ihm, S. 81 Ilan, T. 204 Jacobson, A.D. 38, 42 Janowski, B. 149, 150, 154, 156, 157, 161, 174 Janowski, J.Ch. 174 Jegher-Bucher, V. 270 Jenkins, F. 453 Jenni, E. 308 Jentsch, W. 501, 502, 504, 517, 520, 524 Jeremias, J. 21, 22, 23, 139, 176, 471 Jervell, J. 113, 114, 116, 119, 161, 172, 216, 218, 219, 222 Jewett, R. 176, 313, 347 Jörns, K.-P. 150 Jones, A.H.M. 257 Joosten, J. 214 Jülicher, A. 23, 72, 78, 80, 81, 83, 85 Jüngel, E. 248 Jürgens, B. 259 Kabiersch, J. 180 Käsemann, E. 94, 176, 260, 281 Kaiser, U.U. 108 Kalms, J.U. 205, 207, 215 Kampling, R. 508 Karrer, M. 101, 153, 154, 158, 162, 169, 173, 178, 179, 436, 445, 464, 472, 476 Kato, Z. 76, 77 Keel, O. 81 Kenzler, H. 479

552 Kertelge, K. 75, 76, 77, 343 Khoury, A.Th. 518 Kiley, M. 330 Kim, S. 253 Kippenberg, H.G. 214 Kittel, G. 514 Klän, W. 101 Klauck, H.J. 76, 77, 78, 79, 81, 85, 185, 215, 217, 220, 434, 442, 466, 502, 517 Klauser, Th. 80 Klein, G. 301 Klein, H. 105, 111, 112, 113, 170 Klein, R. 482, 498, 502 Kleinknecht, H. 190, 243 Kleinschmidt, F. 446 Klinghardt, M. 99, 102, 114, 120, 429, 430, 437, 439, Kloppenborg, J.S. 38, 40, 42, 51, 64, 66 Klutz, T.E. 215 Knauber, A. 515, 516 Knauf, E.A. 450 Knorr, U.W. 517 Koch, C. 130, 132 Koch, D.-A. 51, 76, 77, 166, 167, 168, 169, 173, 176, 240, 263, 265, 328 Köhler, L. 131 König, R. 484, 487, 488, 489, 490 Köpf, U. 214 Koester, H. 292, 321, 323, 324, 354, 356, 357, 358, 361 Koets, P.J. 193, 194, 197, 201, 202, 208 Köves-Zulauf, T. 189 Kollmann, B. 17, 215, 262 Konkel, M. 133, 139, 140, 143, 144, 145, 146 Konradt, M. 244, 308, 316 Kosala, K.C.P. 410 Kraetzschmar, R. 130 Kraft, H. 465, 466, 491 Kratz, R.G. 141 Kraus, W. 26, 101, 117, 118, 150, 152, 153, 154, 158, 163170, 171, 176, 179, 430, 445, 454 Kremendahl 269 Kreuzer, S. 95,134, 153 Kroeger, C. 233 Kroeger, R. 233 Krüger, A. 174 Kügler, J. 372 Kümmel, E.G. 311 Kümmel, W.G. 100, 106, 112, 253, 279 Kunst, C. 188 Kuss, O. 176 Kutsch, E. 130, 132

Register Labahn, M. 105, 188, 214, 215 Labuschagne, C.J. 454 Lähnemann, J. 370 Lamouille, A. 433 Lampe, P. 147, 349, 477, 507, 518, 520 Landmesser, Chr. 273 Lang, F. 281 Lang, J. 326 Lange, A. 450, 492 Latte, K. 187 Lattke, M. 377 Laub F. 347 Lausberg, H. 368 Lausberg, M. 188, 210, Lautenschlager, M. 356 Leaney, A.R.C. 415 Leenhardt, F.J. 176 Légasse, S. 353, 354, 355, 356, 418 Lehmeier, K. 82 Lehnert, V.A. 107 Lemaire, A. 131 Lémonon, J.-P. 254, 256, 268 Leppä, O. 330 Lesch, J.P. 153 Levick, B. 257, 264 Levin, C. 132, 141 Lichtenberger, H. 119, 204, 492, 518 Lichtenberger, H.P. 174 Liddell, H.G. 80, 237, 292, 423 Lincoln, A.T. 396 Lindars, B. 390 Lindemann, A. 28, 33, 41, 51, 64, 90,105, 106, 112, 236, 238, 248, 274, 301, 322, 348, 358, 470, 507 Livingstone, E.A. 105, 418 Loader, W.R.G. 120 Löhr, H. 435, 443, 442 Lövestam, E. 39 Lohfink, G. 109 Lohmeyer, E. 265, 327 Lohse, E. 261, 385, 386, 453, 500 Lona, H.E. 210, 211, 212 Longenecker, R.N. 256 270 Loth, H.-J. 81 Luchesi, B. 214 Luck, G. 185, 186, 188 Lüdemann, G. 282, 297, 321, 322 Lührmann, D. 39 ,45, 51, 59, 60, 89, 183, 184, 185, 280, 370 Lütgert, W. 278 Lüth, Chr. 498, 502 Lumpe, A. 80 Lupieri, E.F. 461 Lust, J. 436, 454, 459

Autorenregister Luther, M. 74 Luz, U. 25, 28, 31, 40, 52, 58, 59, 85, 168, 169, 256, 314, 330, 335, 396, 512, 513, 521 MacDonald, D.R. 331, 346 Macheiner, W. 332 Magie, D. 257 Maisch, I. 366, 369, 380, 392 Malherbe, A.J. 353, 356 Manson, T.W. 42, 239 Marguerat, D. 325 Markschies, Chr. 451, 503 Martin, D.B. 183, 189, 193, 195, 197, 208, 215 Martyn, J.L. 256, 260, 261 Marxsen, W. 51, 112, 348, 353, 356 Massey, P.T. 233 Massyngberde Ford, J. 461 Matera, F.J. 256 Mathy, D. 337 Mauerhofer, A. 497 Mayer, C. 99 Mayordomo, M. 54 Mc Mullen, R. 185 McCarthy, D.J. 130, 138 McDonough, S.M. 453 McGarry, E.P. 460 McKnight, S. 266 Meeks, W. 382 Meinertz, M. 39 Meinhold, A. 135 Meiser, M. 105, 153, 171, 257, 432, 444 Meißner, S. 430 Mell, U. 79, 86, 190 Mendenhall, G.E. 130 Merk, O. 101, 515 Merkel, H. 503, 505, 506, 511, 519, 520 Merklein, H. 301, 469, 477 Merz, A. 14, 26, 147, 179, 344, 345, 346, 508, 515 Mette, N. 510 Metzger, B.M. 151 Metzger, M. 518, 520 Metzger, P. 350, 353 Metzner, R. 267, 297, 300 Meyer, B.F. 234 Michaels, J.R. 415, 416, 422, 424 Michel, O. 176 Migne, J.-P. 234 Milligan, G. 310 Mitchell, S. 257, 258, 259, 263, 264 Mitford, T.B. 267 Mittelstaedt, A. 101, 102, 111

553

Mittmann-Richert, U. 170, 171 Moo, D.J. 410 Moreau, A. 234 Morris, L. 410 Moulton, J.H. 310 Mount, C. 102, 103, 104 Moyise, S. 328 Mrázek, J. 268 Müller, K. 99, 430 Müller, M. 102, 104 Müller, P. 40, 335, 503 Müller, U.B. 11, 15, 16, 21, 35, 73, 78, 99, 112, 232, 245, 265, 277, 283, 292, 294, 307, 309, 337, 355, 356, 362, 463, 465, 466, 476, 478, 480, 483, 491, 507, 510 Müller-Fieberg, R. 437, 443 Muir, J.V. 239 Munnich, O. 153 Murphy-O’Connor, J. 254 Mußner, F. 11, 25, 256, 269, 335, 396 Muth, R. 187, 190, 191 Nauck, W. 217 Neirynck F. 38, 40, 50 Nesselrath, H.-G. 195, 196 Nestle, Eberhard 74 Nestle, Erwin 74 Neudorfer, H.-W. 344 Neumann, J. 196 Neumann-Holzschuh, I. 326 Neymeyr, U. 209, 519 Nicholl, C. 351, 356, 359 Nicholson, E.W. 138, 139, 140 Nichtweiß, B. 100 Nickelsburg, G.W.E. 13 Nicklas, T. 432 Niebuhr, K.-W. 100, 281 Niederwimmer, K. 444 Nock, A.D. 117, 417 Nötscher, F. 130 Nolland, J. 106 North, J. 185, 188, 189, 191, 192, 208 Noth, M. 131, 138, 140 O’Brian, P.T. 250 O’Connor, M. 140 O’Neill, J.C. 102 Ochel, J. 507, 514 Öhler, M. 262, 263, 431 Oeming, M. 135 Oepke, A. 310, 501 Offerhaus, U. 153, 154 Ollrog, W.-H. 323

554 Omerzu, H. 112 Ostmeyer, K.-H. 57, 415, 418, 420, 421 Oswald, W. 141 Otto, E. 131, 137, 139 Otto, W. F. 187 Paesler, K. 26, 27 Palmer, Chr. 501 Parker, D.C. 459 Pasquato, O. 512, 513, 520, 521 Patsch, H. 176 Paul, E. 498 Paulien, J. 453 Paulsen, H. 108, 210 Pearson, B.A. 41 Pedersen, S. 287 Peerbolte, B.J.L. 188, 214, 214 Perdelwitz, R. 411, 414, 415 Perlitt, L. 131, 132, 138, 139 Pervo, R.I. 101, 103 Pesch, R. 73, 75, 76, 77, 85, 94, 115 Petersen, J.H. 400 Petersen, S. 147 Peterson, E. 100 Pezzoli-Olgiatti, D. 214, 215 Philip, F. 241 Phillips, A. 139 Pietersma, A. 153 Pilhofer, P. 112, 248, 293, 312, 376, 520 Plümacher, E. 118 Pohlenz, M. 197 Pokorný, P. 106, 109, 111, 256, 259, 261, 329, 330, 334, 335, 338, 396, 410 Polag, A. 40, 42, 51 Popkes, W. 406, 419 Poplutz, U. 309, 313, 315 Porter, J. 201 Porter, S.E. 215, 331, 346, 420 Powers, D.G. 176 Pratscher, W. 431, 507 Preisker, H. 413, 414, 415, 421, 422 Preuß, H.D. 133 Price, S. 185, 188, 189, 191, 192, 193, 207, 239 Prigent, J. 486 Rabens, V. 241 Radl, W. 113, 114 Räisänen, H. 253, 255, 270, 443 Rahlfs, A. 180, 181 Rahn, H. 368 Ramsay, W.M. 257, 258 Randy, D. 215 Ratschow, C.H. 214

Register Rau, E. 11, 20, 21, 23, 38, 41, 45, 47, 53, 62, 66, 67, 68, 272 Rau, G. 95 Rebell, W. 497, 503, 511, 524 Rehkopf, F. 80 Reimer, A.M. 215 Reinhardt, R. 213 Reinmuth, E. 86, 113, 349, 350, 352, 353, 356, 357, 358, 500 Reiprich, T. 211 Reiser, M. 11, 24, 41, 43, 49, 67, 68 Renaud, B. 139 Rengstorf, K.H. 72, 251, 255 Restle, M. 257 Ribbat, R. 195 Richard, E. 353, 356, 358 Richards, G.C. 422 Richter, D. 479, 493 Riesner, R. 353, 356, 501, 502, 507, 508, 509, 510 Ringe, S.H. 78 Ringshausen, G. 92 Riniker, Chr. 21, 23, 24, 29, 41, 54, 68 Ripat, P. 197, 215 Rius-Camps, J. 114 Robinson, J.M. 321, 323 Rösel, M. 154, 446 Roloff, J. 74, 112, 161, 172, 179, 349, 385, 436, 465, 503, 512 Roose, H. 345, 346, 347, 348, 349, 475, 477, 478 Roskovec, J. 268 Ross, R. 187, 188 Rühle, O. 411 Rüterswörden, U. 130, 131, 146 Rufener, R. 315 Rupp, H. 503, 515 Ruppert, H.-J. 214 Ruppert, L. 162 Ruprecht, E. 139, 162 Rusam, D. 115, 117, 123 Russel, L.M. 78 Saebo, M. 154 Sänger, D. 190, 244, 261, 266, 268, 269, 274, 464 Safrai, S. 184 Saldarini, A.J. 247 Sallares, R. 490 Sals, U. 449 Sanders, E.P. 234, 249, 250, 251, 255 Sanders, P. 454 Sandnes, K.O. 291 Sapp, D.A. 155

Autorenregister Satake, A. 435, 455, 458, 460, 467 Sato, M. 24, 38 Schäfer, A. 503 Schäfer, G. 190, 205, 211 Schäfer, P. 119, 204 Schäfer, R. 254, 256, 259, 260, 263, 264, 267, 271 Schaller, B. 237 Scheilke, Chr.Th. 503 Schelkle, K.H. 416, 423 Schenk, W. 42, 309, 422 Schenke, H.-M. 108, 282 Schenke, L. 73, 75, 76, 77, 78, 91, 92 Schenker, A. 149 Scherberich, K. 195 Schewe, S. 261 Schiffner, K. 114 Schimanowski, G. 205, 206 Schlegel, J. 253 Schleiermacher, D.F.E. 239 Schlier, H. 176, 256, 270, 271, 396, 399, 470 Schlund, Ch. 170, 446 Schmal, S. 183, 190 Schmalenberg, G. 99 Schmeller, Th. 323, 324, 352, 498 Schmid, I. 366, 372 Schmid, K. 134 Schmid, K.A. 501 Schmidt, H. 366, 372, 503 Schmidt, K.H. 259 Schmidt, L. 138, 139, 140, 145 Schmidt, W.H. 131, 135, 139, 140, 143, 144, 146, 148 Schmied, W. 500 Schmithals, W. 147, 278, 292 Schnabel, E.J. 235, 236, 238, 245, 344 Schnackenburg, R. 169, 518 Schneider, H. 483, 488, 490 Schnelle, U. 100, 107, 112, 113, 235, 251, 253, 258, 262, 275, 279, 344, 348, 349, 409. 410, 419, 498 Schöllgen, G. 105 Scholder, K. 277, 321 Scholten, C. 209 Schoon-Janßen, J. 327 Schottroff, L. 51 Schowalter, D.N. 234 Schrage, W. 233, 235, 239, 301, 442, 514 Schreiber, S. 112, 115, 263, 410, 434, 463, 464 Schröder, B. 498 Schröger, F. 178, 410

555

Schröter, J. 14, 147, 172, 25, 40, 45, 51, 66, 90, 107, 108, 268, 406, 502, 508, 509 Schürer, E. 447 Schüssler Fiorenza, E. 466, 449 Schulz, S. 40, 51, 58 Schwartz, D.R. 119 Schweitzer A. 26, 251, 251 Schweitzer, F. 498, 499 Schweizer, E. 314 Schwemer, A.M. 253, 267, 272, 450 Schwertheim, E. 257 Schwienhorst-Schönberger, L. 140, 144 Schwindt, R. 337 Scott Fitzgerald, F. 328 Scott, R. 80, 237, 292, 423 Scriba, A. 355 Scurlock, J.A. 214 Seebass, H. 132, 134, 135, 136 Seeberg, A. 512 Seeligmann, I.L. 155 Seely, D.R. 460 Seidl, T. 140 Seland, T. 447 Sellin, G. 51, 201, 274, 335, 337, 338, 397, 398 Selwyn, E.G. 410, 421 Shellard, B. 101, 103, 112, 121 Sherk, R.K. 257 Sieffert, F. 254, 260, 269, 270 Sigismund, M. 80 Simon, E. 81 Simon, M. 430 Slater, T.B. 436 Smend, R. 140 Smith, M. 196, 213, 219 Söding, Th. 273 Spengler, F.F. 510 Spicq, C. 310 Spieckermann, H. 155 Stähelin, F. 257 Standhartinger, A. 147, 268, 330, 366, 381 Stanton, G.N. 241 Stegemann, W. 51, 107, 298 Steib, H. 214 Stein, H.-H. 436, 439, 442 Stein, M. 193 Steinmann, A. 256 Steins, G. 454 Stemmer, P. 201 Stendahl, K. 249 Stern, M. 184, 199, 205, 211 Stern, S. 450

556 Steymans, H.U. 131 Stipp, H.J. 154 Stocker, P. 328 Stoodt, D. 497 Strack, H. 80 Strecker, Chr. 249 Strecker, G. 235, 251, 253, 280, 370 Strelan, R. 115, 121 Strobel, A. 111, 311, 414 Strobel, K. 257 Stuhlmacher, P. 149, 150, 151, 154, 158, 161, 169, 170, 171, 172, 174, 176, 249 Sumney, J.L. 279, 280, 281, 286, 287, 291, 292, 303, 371, 372 Sweet, J.P.M. 239 Taeger, J.-W. 466, 468, 472, 476 Takacs, S.A. 380 Tannehill, R.C. 217, 218, 222 Taschner, J. 454 Theißen, G. 14, 24, 26, 33, 38, 56, 63, 69, 72, 75, 77, 78, 147, 179, 261, 282, 283, 286, 301, 349, 352, 464, 506, 507, 508, 509, 515 Theobald, M. 15, 17, 147, 213, 263, 271, 272 Thiel, W. 136 Thießen, W. 436 Thiselton, A.C. 238 Thüsing, W. 512 Tilly, M. 432, 457, 501, 505 Tönges, E. 147 Tolmie, D.F. 268, 269 Tombs, D. 420 Trebilco, P.R. 324, 269 Trilling, W. 347, 353, 357, 361 Trowitzsch, M. 398 Troxel, R.L. 155 Trummer, P. 324, 343, 344 Tuckett, Chr.M. 50, 51, 53, 64, 66, 282 Turcan, R. 234 Turck, A. 513 Tyson, J.B. 102 Ueberschaer, F. 506 Ulonska, H. 510 Ulrich, J. 211 Utzschneider, H. 154 Vahrenhorst, M. 158 Van den Bergh van Eysinga, G.A. 104 Van den Hoek, A. 209 Van der Horst, P.W. 441 Van der Kooij, A. 149, 155, 159, 163, 164, 165, 455

Register Van Ruiten J. 155 Van Segbroeck, F. 50, 57, 66 Van Unnik, W.C. 311 Vanhoye, A. 233 Veijola, T. 132 Verheyden, J. 64 Vervenne, M. 137, 155, 454 Vielhauer, Ph. 100, 112, 118, 278, 279, 302, 303, 321, 322, 323, 410 Viering, F. 410 Vögtle, A. 106 Vollenweider, S. 240, 294, 311, 317 Von Bendemann, R. 92, 96, 122, 190, 195, 196, 253 Von Dobschütz, E. 501 Von Gemünden, P. 43, 49, 54 Von Harnack, A. 116, 448 Von Hoorn, G. 81 Von Lips, H. 80, 261 Von Lübke, J. 253 Von Rad, G. 130 Von Tischendorf, K. 434 Vouga, F. 270 Vretska, H. 380 Wagner, G. 409 Walereit, R. 326 Wallraff, M. 214 Walter, N. 349, 443 Waltke, B.K. 140 Wamser, L. 479 Wanamaker, C.A. 353, 356 Wander, B. 90 Wanke, J. 343 Wasserberg, G. 107 Watson, F. 262 Waubke, H.-G. 150 Weber, E. 446 Webster, T.B.L. 193 Wedderburn, A.J.M. 234, 236, 241, 429, 430, 445 Weeber, K.-W. 480, 481, 483, 484, 485, 487, 488,489, 491 Wegenast, K. 515 Wegner, U. 40, 57, 58, 59, 60, 89 Wehnert, J. 429, 430, 433, 436, 439, 440, 441, 443, 444, 445 Weiser, A. 112, 113, 172, 267 Weiß, H.-F. 178, 519 Weiß, J. 233, 235, 242, 259 Wellhausen, J. 129 Westerholm, S. 248 Westermann, C. 134 Westfall, C.L. 420

Autorenregister Wevers, J.W. 138, 154 Weyel, B. 149 Whitaker, G.H. 201 White, J.L. 363 Wibbing, S. 516 Wichmann, W. 359, 360 Wiefel, W. 111 Wiggermann, F. 214 Wikenhauser, A. 410 Wilckens, U. 176, 253, 414, 500 Wildberger, H. 135 Wilk, F. 150, 167, 168, 169, 180, 327 Williams, Ch.K. 234 Williams, S.K. 268 Wilson, S.G. 429, 436, 441 Windisch, H. 62, 77, 413, 414, 415, 416, 421, 422 Winter, B.W. 311 Wischmeyer, O. 261 Wischmeyer, W. 248 Wissowa, G. 481 Witetschek, S. 434 Witherington III., B. 260 Witte, M. 134

557

Witulski, Th. 105, 259, 429, 436, 443, 448, 467, 472 Wolff, Chr. 235, 240, 244 Wolff, H.W. 151, 167, 168 Wolter, M. 17, 23, 24, 25, 30, 31, 34, 40, 51, 58, 102, 103, 112, 113, 114, 139, 145, 148, 252, 324, 330, 368, 379, 383, 397, 445, 469, 476 Wooden, R.G. 152,153, 154 Wrede, W. 75, 251, 255, 347 Wright, B. 153 Wright, N.T. 249 Wyrwa, D. 519 Zahn, Th. 448 Zangenberg, J. 72, 105 Zeller, D. 28, 33, 40, 43, 66, 242 Zenger, E. 140, 143, 477 Ziegler, J. 155, 180, 181 Zillessen, A. 155 Zimmermann, A.F. 503, 519 Zimmermann, R. 40, 43, 54, 406, 448 Zumstein, J. 364 Zwickel, W. 485