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German Pages 201 Year 2006
Marcus Lange Anspruchspolitik im Rahmen der Patentanmeldung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum Produktionsmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Herfried Schneider und Professor Dr. Reinhard Haupt
Die Reihe prasentiert Forschungsergebnisse aus dem Bereich des Produktionsmanagements. Mit einem weitgefassten Verstandnis von Produktion als Prozess der Erstellung von Sachgutern und Dienstleistungen, einschlieBlich der notwendigen Vorbereitungsprozesse, sollen die Beitrage die integrativen Aspekte des Produktionsmanagements hervorheben und sowohl theoriegepragte wie praxisbezogene Dissertationen, Habilitationen und Forschungsberichte einbeziehen.
Marcus Lange
Anspruchspolitik im Rahmen der Patentanmeldung Miteinem Geleitwortvon Prof. Dr. Reinhard Haupt
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibiiothek Die Deutsche Bibiiothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibiiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.
Dissertation Universitat Jena, 2005
I.Auflage April 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auKerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0375-5 ISBN-13 978-3-8350-0375-0
Geleitwort Die Formulierung von Anspruchen in Patentanmeldungen hat erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen. Sie kann die Wettbewerbsstellung des Innovators und den Marktwert einer Innovation entscheidend beeinflussen. Die Enge bzw. Weite der Anspruchsdefinition, die Zuordnung von claims zu „unabhangigen" bzw. „abhangigen" Anspruchen, die Aufteilung von Anspruchen auf verschiedene Patentanmeldungen usw. sind Freiheitsgrade des Anmelders, die auf ein Optimierungsproblem der Anspruchsstrukturierung hinweisen. Das Anspruchsmanagement gehort, neben z. B. Fragen um die zeitliche und landerspezifische Patentanmeldepraxis, zum strategischen Potential der Technologiestarke von Innovatoren. Marcus Lange greift mit der vorliegenden Schrift dieses Problem auf und widmet sich der Formalisierung eines optimalen Patentanspruchsverhaltens. Dabei befasst er sich mit bisherigen Ansatzen im Schrifttum, die ein Optimum des Anspruchsumfangs unterhalb des maximalen Rahmens herleiten („weniger ist mehr"). Lange kann nun zeigen, dass diese Argumentation auf zwei speziellen Annahmen beruht, die von der Wirklichkeit des realen Patentverhaltens abweichen: Zum einen unterstellt sie eine dichotome Struktur der Patenterteilung (Erteilung oder Nichterteilung), zum anderen abstrahiert sie von den Kosten von Patentauseinandersetzungen im Gefolge einer Patenterteilung. Zur ersten Frage, der Durchsetzungs-Wahrscheinlichkeit von Patentanspriichen, diskutiert Lange die realistische Moglichkeit von Ruckzugsoptionen eines Patentanmelders unterhalb des Anspruchsvolumens bei Patentanmeldung. Dabei geht er von einer Menge von Riickzugsoptionen und einer schrittweisen Verringerung des Anspruchsniveaus im Priif-, Einspruchsbzw. Nichtigkeitsprozess aus. Im Ergebnis kann er nachweisen, dass der optimale dem maximalen Anspruchsumfang bei Anmeldung entspricht, was auch durch intuitive Praxisusancen und Literaturempfehlungen plausibel gestiitzt wird. Die andere Pramissenerweiterung gegenuber bisherigen Arbeiten, die Beriicksichtigung der Kosten von Patentauseinandersetzungen, erklart die Praxis von moderaten Anspruchsvolumina (unterhalb des Anspruchsmaximums) bei Anmeldung bzw. die Strategic der Anspruchsmaximierung bei starker Wettbewerbsstellung, wenn namlich keine Patentauseinandersetzungen zu befurchten sind. SchlieBlich nimmt Lange mit empirischen Untersuchungen auf eine Patentstichprobe im Bereich der Herzschrittmacher-Technologie Bezug. Aufgrund einer Reihe von sorgfaltig und systematisch begriindeten Hypothesen wird zunachst nachgewiesen, dass eine moglichst umfassende Anspruchsdefmition bei Patentanmeldung iiberwiegend gangig ist, wie aus der signi-
VI fikant geringeren Zahl von unabhangigen Anspriichen, von abhangigen Anspriichen (Riickzugsoptionen) und aus anderen Beobachtungen der Patenterteilung hervorgeht. Auch die zweite Beobachtung des Theorieteils, die geringeren Anspruchsvolumina bei Erwartung von Kosten der Patentauseinandersetzungen, konnen mindestens indirekt bestatigt werden: Ein Verzicht auf den maximalen Anspruchsumfang umgeht sowohl Einschrankungen des Anspruchsumfangs im Priifprozess als auch wahrscheinliche Einspruchs- bzw. Nichtigkeitsauseinandersetzungen mit dem Wettbewerb. Mit anderen Worten flihrt die Antizipation von Patentrechtsstreitigkeiten mit den entsprechenden Kostenkonsequenzen zu moderateren Anspruchsvolumina bei der Anmeldung. Mit diesem Beitrag gelingt Marcus Lange unter anderem eine formale Operationalisierung von zwei wichtigen Annahmen des Anspruchsmanagements, namlich der Einschrankung der Anspruchsbasis im Erteilungsverfahren sowie des Stellenwerts der zu antizipierenden Kosten von Patentauseinandersetzungen. Fur beide Fragestellungen bietet die Schrift zudem eine anschauliche empirische Verifizierung. Alles in allem stellt die Studie einen soliden Baustein und einen hoffnungsvollen Ansatz zur Entscheidungsunterstiitzung des Patentanspruchsmanagements dar. Reinhard Haupt
VII
Vorwort Die Anspruchspolitik im Rahmen der Patentanmeldung hat entscheidenden Einfluss auf den resultierenden Gewinn aus der Patentierung, auf den resultierenden Patentwert und auf die Nachahmungsresistenz der technologischen Wettbewerbsvorteile des patentierenden Unternehmens. Der state-of-the-art der Betriebswirtschaftslehre beinhaltet lediglich fiir die Wahl des anzumeldenden Anspruchsumfangs widerspruchliche pauschalierte Handlungsempfehlungen und steht somit im Missverhaltnis zur okonomischen Bedeutung der Patentpolitik. Dieses Buch soil durch umfassende formale und empirische Analysen der Anspruchspolitik im Rahmen der Patentanmeldung einen Beitrag zur Reduktion des genannten Missverhaltnisses leisten. Die vorliegende Dissertationsschrift entstand wahrend meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fur Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Produktion/Industriebetriebslehre an der Friedrich-Schiller-Universitat Jena. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herm Prof Dr. Reinhard Haupt. Die von ihm gepragte breite methodische und thematische Ausrichtung der Forschungsarbeit an seinem Lehrstuhl und die angenehme Arbeitsatmosphare haben entscheidend zum ziigigen Gelingen des Dissertationsvorhabens beigetragen. Ebenso danke ich Herm Prof Dr. Uwe Cantner fur die bereitwillige Ubemahme des Koreferats und die zeitnahe Begutachtung. Mein Dank gilt auBerdem meinen Kollegen, Herm Prof Dr. Axel BraBler, Herm PD Dr. Martin Kloyer, Herm Dr. Lars-Peter Brautigam, Frau Dipl.-Kffr. Sandra Brautigam, Frau Dipl.-Kffr. Christiane Gotze, Herm Dipl.-Kfm. Christoph Grau und Herm Dipl.-Kfm. Martin Zimmermann, fiir die freundschaftliche Zusammenarbeit und die zahlreichen inspirierenden Diskussionsabende. Herm Dr. Wolfgang Ziegler (Leiter der Patentinformationsstelle Jena) danke ich fur seine Unterstiitzung bei den ausflihrlichen Patentrecherchen. Nicht zuletzt stellt die Gmndlage fiir das Gelingen meiner Arbeit der uneingeschrankte Riickhalt im privaten Bereich dar. Fiir ihre bedingungslose Unterstiitzung mochte ich mich an dieser Stelle bei meiner ganzen Familie sowie bei meiner lieben Partnerin Kirsten bedanken. Ich widme dieses Buch meinen Eltem. Marcus Lange
IX
Inhaltsverzeichnis Abkiirzungsverzeichnis Tabellenverzeichnis
XV
Symbolverzeichnis 1
2
XIII
XVII
Einfiihrung in die Themenstellung
1
1.1
Bedeutung und Grenzen der Anspruchspolitik
1
1.2
Zielsetzungen und Aufbau der vorliegenden Arbeit
4
Grundlagen der Anspruchs- und Patentpolitik
6
2.1
Zielsetzungen der Patentierung und Patentiunktionen
6
2.2
Aufgabenfelder im Rahmen der Patentierung
8
2.2.1
Patentinformation
8
2.2.2
Patentpolitik und Anspruchspolitik
9
2.2.3
Patentstrategie
2.3
2.4
13
Juristische Grundlagen
17
2.3.1
Die Patentanmeldung
17
2.3.2
Die Voraussetzungen der Patenterteilung
20
2.3.3
Priifungs-, Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren
23
2.3.4
Anderungsmoglichkeiten des Patents
26
Determinanten des Patentwertes
31
2.4.1
Die Operationalisierung des Patentwertes
31
2.4.2
Der Umfang des Patentschutzes
34
2.4.3
Die zeitliche Ausrichtung des Patentschutzes
40
2.4.4
Die regionale Ausrichtung des Patentschutzes
43
2.4.5
Systematisierung der identifizierten Determinanten
46
X 3
Die Optimierung der Anspruchsstruktur. Eine formale Analyse
49
3.1
Grundlagen der formalen Analyse von Anspruchsumfangen
49
3.1.1
Der Ansatz von Harhoff und Reitzig (2001)
49
3.1.2
Die Ubertragbarkeit auf das reale Optimierungsproblem
51
3.2
Optimierung unter Vemachlassigung der Kosten
54
3.2.1
Voriiberlegungen
54
3.2.1.1
Anspruchsumfang und Patentwert
54
3.2.1.2
Eigenschaften des Zufallsprozesses
57
3.2.2
3.3
Analyse des Optimierungsproblems
59
3.2.2.1
Annahme eines binaren Zufallsprozesses
59
3.2.2.2
Annahme eines stetigen Zufallsprozesses
62
3.2.2.3
Annahme eines allgemeinen diskreten Zufallsprozesses
65
3.2.2.3.1
Die Optimierung des Anspruchsumfangs
65
3.2.2.3.2
Die Anzahl an Riickzugsoptionen
71
3.2.3
Einflussfaktoren auf den erwarteten Anspruchsumfang
75
3.2.4
Interpretation fiir die Patentierungspraxis
82
Optimierung unter Berlicksichtigung der Kosten
84
3.3.1
Analyse des Optimierungsproblems
84
3.3.2
Einflussfaktoren auf die erwarteten variablen Kosten
89
3.3.3
Interpretation fur die Patentierungspraxis
92
3.4 Optimierung der Teilanmeldungsanzahl
3.5
96
3.4.1
Analyse des Optimierungsproblems
3.4.2
Einflussfaktoren auf die Wahl der Teilanmeldungsanzahl
100
3.4.3
Interpretation fiir die Patentierungspraxis
102
Zwischenresumee der formal gewonnenen Ergebnisse
96
105
XI 4
Die Optimierung der Anspruchsstruktur. Ansatze der empirischen Analyse
Ill
4.1 Problemstellungen empirischer Analysen der Anspruchsstruktur
Ill
4.2 Methodische Losungsansatze der Operational!sierung
114
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
Die Anspruchsstruktur von Patenten
114
4.2.1.1
114
Die Kategorie der unabhangigen Anspriiche
4.2.1.2 Die Anzahl der unabhangigen Anspruche
116
4.2.1.3 Die Anzahl der abhangigen Anspruche
120
Die Struktur einzelner Anspruche
122
4.2.2.1
122
Die Anzahl der Merkmale
4.2.2.2 Die Anzahl der Worte
125
Der Herzschrittmacher als Beispielfall
128
4.2.3.1
128
Exkurs zur Methodik des T-Tests
4.2.3.2 Die Wahl der Stichprobe
129
4.2.3.3
135
Die Umsetzung der Datenerhebung
Empirische Kontrolle der Funktionalitat der Indikatoren
4.3 Empirische Evidenz der Optimierung der Anspruchsstruktur
5
137 142
4.3.1
Der resultierende Anspruchsumfang und die variablen Kosten
142
4.3.2
Der Offenbarungsgehah
144
4.3.3
Der angemeldete Anspruchsumfang
146
4.3.4
Der Skalenumfang
157
4.4 Zwischenresumee der empirisch gewonnenen Ergebnisse
160
Zusammenfassung und Reslimee
163
Literaturverzeichnis
167
XIII
Abkiirzungsverzeichnis AG
Aktiengesellschaft
DPMA
Deutsches Patent- und Markenamt
EPA
Europaisches Patentamt
EPO
European Patent Office
Epoline
Europaisches Patentamt online
EPU
Europaisches Patentubereinkommen
F&E
Forschung und Entwicklung
IEEE
Institute of Electrical and Electronics Engineers
Ifo
Institut fiir Wirtschaftsforschung
Inc.
Incorporated
INPADOC
International Patent Documentation Center
IntPatUG
Gesetz iiber intemationale Patentubereinkommen
lO
Industrielle Organisation
IP
Intellectual Property
LES
Licensing Executives Society
M&A
Mergers and Acquisitions
NBER
National Bureau of Economic Research
OCR
Optical Character Recognition
PatG
(deutsches) Patentgesetz 1981
PCT
Patent Cooperation Treaty
R&D
Research and Development
SPSS
Superior Performing Software System
SQL
Sequel Structured Query Language
TRIPS
Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights
USPTO
United States Patent Office
WACC
Weighted Average Cost of Capital
WIPO
World Intellectual Property Organisation
WPINDEX
World Patents Index
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Einflussfaktoren auf den Patentwert (eigene Darstellung)
47
Tabelle 2: Situative Handlungsempfehlungen (eigene Darstellung)
107
Tabelle 3: Zuordnung der IPC-Klassen (vgl. Haupt/Jahn/Lange/Ziegler 2004, S. 10)
132
Tabelle 4: ABC-Analyse der Publikationslander und Regionen (eigene Darstellung)
134
Tabelle 5: Ergebnis zu der Hypothese HI (eigene Darstellung)
137
Tabelle 6: Ergebnisse zu den Hypothesen H2, H3 und H4 (eigene Darstellung)
138
Tabelle 7: Ergebnisse zu den Hypothesen H5 und H6 (eigene Darstellung)
140
Tabelle 8: Ubersicht iiber die identifizierten Ersatzindikatoren (eigene Darstellung)
142
Tabelle 9: Ergebnisse zu den Hypothesen H7 und H8 (eigene Darstellung)
145
Tabelle 10: Ergebnisse zu den Hypothesen H9 und HIO (eigene Darstellung)
148
Tabelle 11: Ergebnisse zu den Hypothesen HI 1 und H12 (eigene Darstellung)
152
Tabelle 12: Ergebnisse zu den Hypothesen H13 und H14 (eigene Darstellung)
154
Tabelle 13: Anderungen und erhobene Einspruche (eigene Darstellung)
157
Tabelle 14: Ergebnisse zu den Hypothesen H16, H17 und HI8 (eigene Darstellung)
159
XVII
Symbolverzeichnis A
Marktanteil
A,
Marktanteil in Periode t
b
Anzahl der unabhangigen Anspruche in Teilanmeldung j
C
Parameter des Patentwertes
Cj
Parameter der Durchsetzungswahrscheinlichkeit
C^o
Parameter der originaren variablen Kosten
D
zusatzlicher Deckungsbeitrag, der durch das Patent entsteht
D,
zusatzlicher Deckungsbeitrag, der durch das Patent in Periode t entsteht
e
Erkennbarkeit von Patentverletzungen
e,
Erkennbarkeit von Verletzungen des Patents 1 der Patentfamilie
E(G)
erwarteter Gewinn aus der Patentierung
E(G"p«,)
erwarteter aggregierter Gewinn aus der Patentierung aller Teilanmeldungen, der sich aus dem Priifiingsverfahren ergibt
E(G,)
erwarteter aggregierter Gewinn aus der Patentierung aller Teilanmeldungen
E(K)
erwartete Kosten der Patentierung
E(K^)
erwartete variable Kosten der Patentierung
E( K^)
erwartete variable Kosten der Teilanmeldung j
E(K^)
erwartete aggregierte variable Kosten aller Teilanmeldungen
E(P)
erwarteter Patentwert
E(P^„)
erwarteter Patentwert, der sich aus Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren ergibt
E(P )
erwarteter Patentwert, der sich aus dem Priifungsverfahren ergibt
XVIII E(P,)
erwarteter aggregierter Patentwert aller Teilanmeldungen, der sich aus dem Pnifungsverfahren ergibt
E(U)
erwarteter Anspruchsumfang
E(Ui )
erwarteter Umfang des unabhangigen Anspruchs ij in der Teilanmeldung j
E(U^^"^)
erwarteter Umfang des unabhangigen Anspruchs ij in der Teilanmeldung j , der sich aus Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren ergibt
E(U-''0
erwarteter Umfang des unabhangigen Anspruchs ij in der Teilanmeldung j , der sich aus dem Pnifungsverfahren ergibt
E^(U)
erwarteter Anspruchsumfang einer Patentanmeldung, in die U^ aufgenommen wurde
E„ (U)
erwarteter Anspruchsumfang einer Patentanmeldung, die mit U„ vorgenommen wurde
E„ (U)
erwarteter Anspruchsumfang einer Patentanmeldung, die mit U„^ vorgenommen wurde
E^(U)
erwarteter Anspruchsumfang einer Patentanmeldung, aus der U^ gestrichen wurde
E .(U)
erwarteter Anspruchsumfang einer Patentanmeldung, die mit U* vorgenommen wurde
f .(U)
Dichtefunktion des ex post resultierenden Anspruchsumfangs U eincs Patents, das mit U angemeldet wurde
F .(U)
Verteilungsfunktion des ex post resultierenden Anspruchsumfangs U eines Patents, das mit U* angemeldet wurde
g
Grad der Offenbarung
G
Gewinn aus der Patentierung
G ,
aggregierter Gewinn aus der Patentierung aller Teilanmeldungen, der sich aus dem Pnifungsverfahren ergibt
G,
aggregierter Gewinn aus der Patentierung aller Teilanmeldungen
XIX i (1, ...,n)
Index der ex post realisierbaren AnspruchsumfUnge (Ergebnismoglichkeiten)
i (1, ..., bj)
Index der unabhangigen Anspriiche in Teilanmeldung j
I
Wettbewerbsintensitat
IJ
Wettbewerbsintensitat in Periode t
j (1, ..., m)
Index der Teilanmeldungen
k
Stiickkosten
Kf
fixe Kosten der Patentierung
K^"^"^
originare variable Kosten der Teilanmeldung j
K^
variable Kosten der Patentierung
K^
variable Kosten der Teilanmeldung j
K^^
originare variable Kosten
K^
aggregierte variable Kosten aller Teilanmeldungen
1 (1, ..., L)
Index der Patente in der Patentfamilie
L
Anzahl der Patente in der Patentfamilie
m
Anzahl der Teilanmeldungen
M
Erfmdungshohe
n
Anzahl der ex post realisierbaren Anspruchsumfange (Ergebnismoglichkeiten)
n,
Anzahl der ex post realisierbaren Anspruchsumfange einer Patentanmeldung, die mit U „ vorgenommen wurde
n2
Anzahl der ex post realisierbaren Anspruchsumfange einer Patentanmeldung, die von U„ auf U„ erweitert wurde
n^
Anzahl der ex post realisierbaren Anspruchsumfange einer Patentanmeldung, in die U^ aufgenommen wurde
XX n^
Anzahl der ex post realisierbaren Anspruchsumfange einer Patentanmeldung, aus der U^ gestrichen wurde
N
Durchsetzbarkeit
N,
Durchsetzbarkeit des Patents 1 der Patentfamilie
O
Offenbarungsgehalt
P
Preis einer Einheit
P
Patentwert
P^^
Patentwert, der sich aus Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren ergibt
?.
isolierter Patentwert des unabhangigen Anspruchs ij aus der Teilanmeldungj
p^*^"*
Patentwert der Teilanmeldung j , der sich aus Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren ergibt
p
Patentwert der Teilanmeldung j , der sich aus dem Priifiingsverfahren ergibt
P
Patentwert, der sich aus dem Priifiingsverfahren ergibt
Pp.
aggregierter Patentwert aller Teilanmeldungen, der sich i fungsverfahren ergibt
PF
Wert einer Patentfamilie
q
Zinssatz
R
Rohertrag
R,
Rohertrag, der dem Patent I der Patentfamilie zugeordnet ist
s
Substituierbarkeit (Umgehbarkeit)
s,
Substituierbarkeit (Umgehbarkeit) in Periode t
t ( 1 , . ..,T)
Index der Perioden
T
Zeithorizont
U
ex post realisierter Anspruchsumfang
XXI U*
ex ante urspriinglich angemeldeter Anspruchsumfang
Uj.„
Anspruchsumfang, der sich aus Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren ergibt
Uj
ex post realisierbarer Anspruchsumfang (Ergebnismoglichkeit) i
U^''^
ex post realisierbarer Anspruchsumfang i einer Patentanmeldung, in die Ug aufgenommen wurde
U^
ex post realisierbarer Anspruchsumfang i einer Patentanmeldung, aus der Uj gestrichen wurde
Uj
Umfang des unabhangigen Anspruchs ij in der Teilanmeldung j
U a
Die neu hinzugekommene Ergebnismoglichkeit U^ kann mit der Wahrscheinlichkeit ^i{^[^^) erzielt werden. Da die Gleichung (36) aber generell erfiillt sein muss, fuhrt die Aufnahme der zusatzlichen Ergebnismoglichkeit a zu einer Reduktion der Summe der urspriinglich vorhandenen Eintrittswahrscheinlichkeiten (siehe Gleichung (66)): (66)
£W3(U;"^) = ^W(U,) = 1
Unter der Annahme der vollstandigen Objektivitat im Rahmen der Patentdurchsetzung kann wiederum davon ausgegangen werden, dass sich die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten, mit denen sich ex post Anspruchsumfange einstellen, die groBer sind als der Anspruchsumfang U3, nicht verandem. Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten, mit denen sich Anspruchsumfange einstellen, die kleiner sind als der Anspruchsumfang U3, durch die Aufnahme der zusatzlichen Ergebnismoglichkeit a nicht erhohen werden. Dieser Sachverhalt wird in den Gleichungen (67) und (68) beschrieben: (67)
W(U.) = W3(U;:;) V i>a
(68)
W(Ui)>W3(U!^^) V i^W,(U|"^) V 0 < f U,„>0
Die variablen Kosten setzen sich zusammen aus den originar durch die juristische Auseinandersetzung hervorgerufenen Kosten Kvo(Up) wie Anwalts- und Verhandlungskosten und der Reduktion des Patentwertes, die durch eine Verringerung des Anspruchsumfangs im Rahmen des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens verursacht wird. Zu der funktionalen Abhangigkeit Kvo(Up) ist bekannt, dass mit wachsendem Anspruchsumfang Up die originaren variablen Kosten Kvo monoton wachsen und bei einem Anspruchsumfang von null ebenfalls null sind (vgl. Lange 2004, S. 985). Ein gesteigerter Anspruchsumfang fuhrt nicht nur zu einer Verschlechterung der Durchsetzungsmoglichkeiten, sondem auch zu einer Steigerung der Kosten, die im Rahmen juristischer Auseinandersetzungen um dieses Patent entstehen. Prinzipiell existieren wiederum mehrere Funktionsklassen, die diese Eigenschaften erflillen. Fiir eine spezielle Betrachtung erscheint es jedoch hinreichend, von dem Beispiel einer linearen Funktion auszugehen. Die funktionalen Abhangigkeiten Pp(Up) und Pen(Uen) sind mit der aus Gleichung (15) identisch und konnen als Differenz (Pp(Up) - Pen(Uen)) die Reduktion des Patentwertes aufgrund von Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren formal erfassen. Ftir diese Differenz muss aufgrund der Relation (81) die Relation (82) gelten (vgl. Lange 2004, S. 985): (82)
Pp(Up)-Pe„(U,J>0
Ex post konnen die variablen Kosten Kv durch Gleichung (83) erfasst werden:
(83)
K,=K,„(U,) + P,(U,)-P„(U„)
^^ Zum Ausschluss der Ausweitung des Anspruchsumfangs im Patentdurchsetzungsprozess siehe Abschnitt 2.3.4 dieser Arbeit.
86 Die Wahrscheinlichkeit Wen, mit der sich der Wettbewerb zu Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren entschlieBt, ist abhangig vom Anspruchsumfang Up, der sich als Ergebnis des Priifungsverfahrens ergibt. Zu der fiinktionalen Abhangigkeit Wen(Up) ist bekannt, dass die Wahrscheinlichkeit Wen bei einem Anspruchsumfang von null im Koordinatenursprung beginnt und sich mit wachsendem Anspruchsumfang dem Wert eins annahert (vgl. Lange 2004, S. 985). Ein gesteigerter Anspruchsumfang flihrt zu einer zunehmenden Behinderung des Wettbewerbs durch das zeitlich befristete Monopol, welches durch das Patent eroffnet wurde, wenn es zu einer Durchsetzung des Patents kame. Je groBer der Wettbewerb diese Behinderung einschatzt, desto starker tendiert er zu Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren. Die erwarteten variablen Kosten E(Kv) in Gleichung (84) ergeben sich durch die Substitution der Anspruchsumfange Up und Uen, die ex ante nicht gegeben sind, mit ihren Erwartungswerten E(Up) und E(Uen) (vgl. Lange 2004, S. 986): (84)
E(KJ = W,„(E(Up)).[K,„(E(Up)) + Pp(E(U^))-P,„(E(U,J)] VE(Up)>E(U,J>0
Gleichung (84) zeigt, dass eine Steigerung des erwarteten Anspruchsumfangs E(Up) sowohl zu einer Erhohung der Wahrscheinlichkeit Wcn(E(Up)), mit der es zu juristischen Auseinandersetzungen
kommt,
als
auch
zu
einer
Steigerung
der
erwarteten
Kosten
[K^^,(E(Up))+Pp(E(Up))-Pj„(E(U^J)], die aufgrund einer juristischen Auseinandcrsetzung entstehen, flihrt. Eine Reduktion des erwarteten Anspruchsumfangs E(Up) hatte den gegenteiligen Effekt (vgl. Lange 2004, S. 986). Fiir die Ermittlung des erwarteten Gewinns E(G) wird auBer den erwarteten Kosten der erwartete Patentwert benotigt, der sich aus dem Priiflingsverfahren ergibt. Gleichung (85) stellt die entsprechende Modifikation der Beziehung (18) fiir den erwarteten Patentwert dar: (85)
E(Pp) = Pp(E(Up))
Die funktionalen Abhangigkeiten der Beziehung (18) sind von der Modifikation in Gleichung (85) nicht betroffen. Fiir den erwarteten Gewinn ergibt sich die Gleichung (86) als Differenz aus dem erwarteten Patentwert und den erwarteten Kosten (vgl. Lange 2004, S. 986): (86)
E(G) = E(Pp)-K,-E(KJ -^max!
Durch Einsetzen der Gleichungen (84) und (85) in Gleichung (86) erhalt man Gleichung (87):
87 (87)
E(G) = P,(E(U,))-K, - W„(E(U,))[K,„(E(Up)) + P/E(U,))-P,„(E(U,„))] ^max!
Gleichung (87) zeigt, dass einer Steigerung des erwarteten Patentwertes Pp(E(Up)), die durch eine Ausdehnung des erwarteten Anspruchsumfangs E(Up) erzielt wird, sowohl eine Steigerung der Wahrscheinlichkeit Wen(E(Up)), mit der Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren angestrengt werden, als auch eine Steigerung der erwarteten variablen Kosten [K,^(E(Up)) + Pp(E(Up))-P,„(E(U^J)], die in diesem Fall auftreten, gegenuberstehen (vgl. Lange 2004, S. 987). Dem Patentanmelder ist folglich zu empfehlen, den erwarteten Anspruchsumfang E(Up) zu reduzieren, solange die resultierende Reduktion der erwarteten variablen Kosten E(Kv) die resultierende Reduktion des erwarteten Patentwertes E(Pp) iibersteigt (vgl. Lange 2004, S. 987).^"* Fiir die Ausgangsiiberlegung der Optimierung des Anspruchsumfangs unter Vemachlassigung der Kosten wurde hingegen aufgezeigt, dass generell der maximale ex post erwartete Anspruchsumfang zum angestrebten Optimum fiihrt. Die Empfehlung der Reduktion des erwarteten Anspruchsumfangs unter Beriicksichtigung der Kosten entspricht der Suche nach dem optimalen trade-off zwischen dem erwarteten Patentwert und den erwarteten Kosten. Die abgeleitete Handlungsempfehlung gilt unabhangig von der Art des zugrunde gelegten Zufallsprozesses, der vom ex ante angemeldeten Anspruchsumfang zum ex post resultierenden Anspruchsumfang fiihrt. Um die Empfehlung bezuglich des erwarteten Anspruchsumfangs auf eine Empfehlung bezuglich des ex ante urspriinglich anzumeldenden Anspruchsumfangs U herunterzubrechen, ist jedoch die Annahme eines konkreten Zufallsprozesses notwendig. Wie in den Abschnitten 3.2.2.2 und 3.2.2.3 gezeigt werden konnte, steigt der erwartete Anspruchsumfang sowohl im Fall einer stetigen Verteilung als auch im Fall einer allgemeinen diskreten Verteilung mit mehr als zwei Ergebnismoglichkeiten generell mit zunehmendem urspriinglich angemeldetem Anspruchsumfang U . Der Zusammenhang zwischen dem erwarteten Anspruchsumfang und dem ex ante angemeldeten wird durch eine stetige, monoton wachsende Funktion beschrieben. Folglich fiihrt eine Reduktion des ex ante anzumeldenden Anspruchsumfangs zu einer Reduktion des erwarteten Anspruchsumfangs. Das bedeutet, bei der Wahl des ex ante anzumeldenden Anspruchsumfangs U sollte der Anmelder in den Fallen einer stetigen und einer allgemeinen diskreten Verteilung soweit hinter dem maximal
^^ In Gleichung (87) sind die Gleichungen (84) und (85) als Term enthalten.
moglichen ex ante anzumeldenden Anspruchsumfang zuriickbleiben, dass der optimale tradeoff zwischen dem erwarteten Patentwert und den erwarteten Kosten entsteht. Das Ergebnis dieser Betrachtung des stetigen und des allgemeinen diskreten Zufallsprozesses mit mehr als zwei Ergebnismoglichkeiten unter Beriicksichtigung der Kosten bzw. des Wettbewerbseinflusses entspricht der Empfehlung, die Harhoff und Reitzig (2001) unter der Annahme des binaren Zufallsprozesses und Vemachlassigung der Kosten abgeleitet haben. Es widerspricht jedoch der pauschalen Handlungsempfehlung von Kolker (2001, S. 20), Koster (2002, S. 34) und van Venrooy (1996, S. 89), Patente generell so breit wie moglich anzumelden. Ein weiterer Unterschied zwischen den Betrachtungen mit und ohne Beriicksichtigung der Kosten ergibt sich in Bezug auf die Fragestellung, ob eine Patentanmeldung iiberhaupt empfehlenswert ist. Wahrend der ex ante erwartete Patentwert als ZielgroBe unter Vemachlassigung der Kosten ebenso wie der ex post tatsachlich realisierte Patentwert nicht negativ werden kann, ist eine negative Auspragung des erwarteten Gewinns als ZielgroBe unter Beriicksichtigung der Kosten moglich. Diese liegt genau dann vor, wenn die erwarteten Kosten den erwarteten Patentwert iibersteigen. Von der Patentanmeldung kann ganzlich abgeraten werden, wenn die zu maximicrende ZielgroBe negativ ausgepragt ist. Da dieser Fall ausschlicBlich fiir den erwarteten Gewinn auftreten kann, besteht nur unter Beriicksichtigung der Kosten die Moglichkcit, aufgrund der ZiclgroBenauspragung eincn Vcrzicht auf Patcnticrung zu empfehlen.^^ Ist die Wcttbcwcrbssituation so wcit cingeschrankt, dass das Auftreten von Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren
ausgcschlossen
werden
kann,
tendiert
die
Wahrscheinlichkeit
Wen(E(Up)), mit der es zu Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren kommt, gegen null. Hierdurch entsteht eine Vcreinfachung von Glcichung (87), die in Gleichung (88) dargcstcllt ist: (88)
E(G)-Pp(E(Up))-K,
->max!
Da die fixen Kosten, die in Gleichung (88) vom erwarteten Patentwert abgezogen werden, fiir den Anspruchsumfang entscheidungsirrelevant sind, entspricht die resultierende Interpretation der Interpretation des erwarteten Patentwertes, der mit steigendem erwarteten Anspruchsumfang generell zunimmt (vgl. Lange 2004, S. 987). Fur den Fall einer stark eingeschrankten Wettbewerbssituation, in der das Auftreten von Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren ausgcschlossen werden kann, steigt der Gewinn generell mit zunehmendem erwarteten Anspruchsumfang E(Up). Dies entspricht der Ausgangsiiberlegung, die im Zusammenhang mit
Trotz einer positiv ausgepragten ZielgroBe kann der Verzichl auf Patentierung sinnvoll sein, wenn andere Moglichkeiten des Technologieschutzes wie beispielsweise die Geheimhaltung uberlegen erscheinen.
89 Gleichung (18) der Optimierung des ex ante anzumeldenden Anspruchsumfang U unter Vemachlassigung der Kosten zugrunde gelegt wurde.^^ Die bereits unter Vemachlassigung der Kosten fur die verschiedenen Zufallsprozesse gefundenen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen lassen sich somit uneingeschrankt auf den realistischeren Fall der Kostenberiicksichtigung fur die Situation einer stark eingeschrankten Wettbewerbssituation ubertragen. Der Grund fur einen Verzicht auf Anspruchsumfang ist, abgesehen von dem Sonderfall einer binaren Verteilung, ausschliefilich im eventuellen Auftreten von Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren zu sehen. Sofem der Patentanmelder schon ex ante davon ausgehen kann, dass keine Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren auftreten, sollte das Patent so breit wie moglich angemeldet werden. Ist hingegen ex ante mit dem Auftreten von Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren zu rechnen, empfiehlt sich ein gewisser Verzicht auf moglichen Anspruchsumfang, um den juristischen Auseinandersetzungen mit dem Wettbewerb aus dem Weg zu gehen und fur den Fall ihres Auftretens geringeren Kosten gegeniiberzustehen (vgl. Lange 2004, S. 987). 3.3.2
Einflussfaktoren auf die erwarteten variablen Kosten
Im vorangegangenen Abschnitt konnte als Handlungsempfehlung abgelcitet werden, auf einen Teil des moglichen Anspruchsumfangs zu verzichten, sofem mit Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren zu rechnen ist. Ausschlaggebend fur die Hohe des Verzichts auf Anspruchsumfang sind die erwarteten variablen Kosten (siehe Gleichung (63)). An dieser Stelle ist zu hinterfragen, welche Einflussfaktoren neben dem erwarteten Anspruchsumfang die erwarteten variablen Kosten dcterminicren. Hierzu bietet sich wiederum eine theoretische Betrachtung der flinktionalen Zusammenhange an, auf die in Abschnitt 3.3.1 hingewiesen wurde. Der erwartete Anspruchsumfang kann durch die Wahl des ex ante anzumeldenden Anspruchsumfangs zum Zeitpunkt der Patentanmeldung vom Anmelder variiert werden. Aus diesem Grund stellt er in den flinktionalen Abhangigkeiten der erwarteten variablen Kosten eine unabhangige Variable dar. Die weiteren Einflussfaktoren sind zum Zeitpunkt der Patentanmeldung vom Anmelder nicht beeinflussbar und gehen daher lediglich als Parameter in die zu betrachtenden flinktionalen Abhangigkeiten ein. Wie bereits dargelegt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit, mit der es zu Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren kommt bzw. mit der iiberhaupt variable Kosten anfallen, als erster Bestand-
^^ Siehe hierzu Abschnitt 3.2.2 der vorliegenden Arbeit.
90 teil der erwarteten variablen Kosten abhangig vom Anspruchsumfang der Patentanmeldung.^^ Uber den Anspruchsumfang entscheidet sich, wie storend das eventuell resultierende Patent fiir den Wettbewerb ist. Je groBer der Schaden wird, den der Wettbewerb durch das betrachtete Patent erleidet, desto groBer wird das Bestreben des Wettbewerbs, das Patent zu beseitigen. Der flinktionale Zusammenhang dieser GroBen wird bestimmt durch die Einflussfaktoren bzw. Parameter, die auf den Storeffekt des Anspruchsumfangs beim Wettbewerb einwirken. Diese Einflussfaktoren sind mit den Einflussfaktoren auf den Patentwert identisch. An dieser Stelle erscheint es geboten, wieder von der in Abschnitt 3.2.1.1 getroffenen nomischen Hypothese der linearen Auspragung des Zusammenhangs zwischen dem Anspruchsumfang und dem Patentwert auszugehen. GemaB der in Abschnitt 3.2.1.1 vorgenommenen theoretischen Betrachtung werden diese Einflussfaktoren, die auf den Storeffekt des Patents beim Wettbewerb einwirken, widergespiegelt durch die Determinanten des Parameters C, der den Zusammenhang zwischen dem Anspruchsumfang und dem Patentwert beschreibt (siehe Gleichung (16)). Weiterhin ist fur die Eintrittswahrscheinlichkeit Wen entscheidend, wie stark die Wettbewerbsintensitat I ausgepragt ist. Je groBer die Wettbewerbsintensitat I ist, desto groBer wird die Wahrscheinlichkeit, mit der es zu Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren kommt. Zum Zeitpunkt der Patentanmeldung ist die Wettbewerbssituation von auBen fest vorgegeben und vom Anmelder nicht variierbar. Aus diesem Grund geht die Wettbewerbsintensitat in die flinktionale Abhangigkeit der Wahrscheinlichkeit Wen nicht als eigenstandige Variable, sondem lediglich iiber einen konstanten Parameter ein. In Anbetracht der geschilderten Uberlegungen ergibt sich eine flinktionale Abhangigkeit der Wahrscheinlichkeit, mit der es zu Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren kommt, entsprechend der Gleichung (89): (89)
W,„(E(Up)) = C „ ( I , C ) E ( U p )
Neben der Wahrscheinlichkeit Wen, mit der die variablen Kosten auftreten, ist die Hohe der variablen Kosten im Falle ihres Auflretens der zweite Bestandteil der erwarteten variablen Kosten. Die originaren variablen Kosten sind Anwalts- und Gerichtskosten. Es sind die Kosten, die originar durch die Durchfuhrung der Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren ausgelost werden. Sie konnen als Bruchteil des Streitwertes aufgefasst werden. Der Streitwert entspricht dem Patentwert. Der Patentwert wird neben dem Anspruchsumfang von Parameter C bestimmt. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der Parameter Cvo, der den Anteil der originaren variablen Kosten am Patentwert beschreibt, in multiplikativer Verbindung mit dem Parameter C in die originaren variablen Kosten eingeht. Die genannten Parameter sind zum Zeitpunkt der Anmeldung fest vorgegeben und konnen vom Anmelder nicht beeinflusst wer-
Siehe hierzu Abschnitt 3.3.1 dieser Arbeit.
91 den. Aus diesem Grund stellen diese GroBen im Gegensatz zum Anspruchsumfang in der flinktionalen Abhangigkeit der originaren variablen Kosten keine Variablen dar. Die originaren variablen Kosten ergeben sich entsprechend den Erorterungen gemafi Gleichung (90): (90)
KJE(Up)) = C , , C E ( U p )
V 0vurde erhoben
1
Tabelle 13: Anderungen und erhobene Einspriiche (eigene Darstellung) Die Merkmalshaufigkeiten in der Tabelle 13 entsprechen den Erwartungen. Urn sicherzustellen, dass die abweichende Auspragung der relativen Haufigkeiten nicht rein zufallig in der Stichprobe zustande gekommen sind, lasst sich mit Hilfe der Hypothese HI5 die Ubertragbarkeit dieses Ergebnisses auf die Grundgesamtheit iiberpriifen. Zu diesem Zweck ist die Anwendung des x'-Tests ublich (vgl. Buhl/Zofel 2000, S. 222 ff. und Kahler 1998, S. 350 f.). Es ergibt sich eine zweiseitige Signifikanz von 0,112. Der x^-Test tendiert jedoch dazu, fiir eine 2x2 Matrix, wie sie hier vorliegt, zu gute Signifikanzwerte abzuschatzen (vgl. Brosius 2002, S. 401 und Hartung/Elpelt/Klosener 2002, S. 414). Mit Hilfe des exakten Tests nach Fisher kann der Effekt eines falschlich zu guten Ergebnisses des x^ -Tests bei kleinen Freiheitsgraden (der 2x2 Matrix entspricht ein Freiheitsgrad von eins) umgangen werden (vgl. Brosius 2002, S. 406). Fishers exakter Test ergibt eine zweiseitige Signifikanz 0,119. Die Hypothese HI5 ist jedoch eine gerichtete Hypothese, fiir deren Auswertung die in der Beurteilung das in der Regel besser ausgepragte einseitige Signifikanzniveau zugrunde gelegt werden kann. Die einseitige Signifikanz, die sich aus Fishers exaktem Test ergibt, betragt 0,079. Damit erscheint die Hypothese HI5 als annahemd signifikant. Die Existenz des in Hypothese HI5 vermuteten Zusammenhangs wird insofem untermauert. Die Reduktion des ex ante anzumeldenden Anspruchsumfangs, die eine Reduktion der erwarteten variablen Kosten verursacht, fiihrt gleichermafien zu einer Reduktion der Wahrscheinlichkeit, mit der es zu Anderungen im Rahmen der Priifiing kommt. 4.3.4
Der Skalenumfang
Die bisher betrachtcten Determinanten sind der Offenbarungsgehalt und der ex ante urspriinglich angemeldete Anspruchsumfang. Weiterhin zu analysieren ist der Skalenumfang, der im Gegensatz zu den beiden voran beschriebenen Determinanten ausschlieBlich fur den Fall eines allgemeinen diskreten Zufallsprozesses, der mehr als zwei Ergebnismoglichkeiten fiir den ex post rcalisicrten Anspruchsumfang aufweist, relevant ist. Der Fall eines allgemeinen diskreten
158 Zufallsprozesses erscheint jedoch als der Regelfall einer Patentanmeldung. Der Skalenumfang der moglichen Ergebnisse ist direkt an die Anzahl der Riickzugsoptionen einer Patentanmeldung gebunden. Jede zusatzliche Riickzugsoption ist eine zusatzliche Ergebnismoglichkeit. In Abschnitt 3.2.2.3.2 konnte auf Basis der formalen Analyse gezeigt werden, dass mit einer wachsenden Anzahl an Ergebnismoglichkeiten der erwartete Anspruchsumfang zunimmt. Als Ersatzindikator flir die Anzahl der Ruckzugsoptionen wurde die Anzahl der abhangigen Anspruche identifiziert. Sofem der Anmelder einen ex ante anzumeldenden Anspruchsumfang wahlt, der an die Grenze des maximal moglichen stoBt, treten Anderungen der Patentanmeldung im Rahmen des Priifungsverfahrens mit einer erhohten Wahrscheinlichkeit auf. Dies wurde bereits mit dem Ergebnis zu den Hypothesen HI3 und H14 untermauert.^"^ Vermutet der Anmelder aufgrund seiner Wahl des ex ante anzumeldenden Anspruchsumfangs verstSrkt Anderungen im Rahmen der Prufung, wird er durch die Konkretisierung der Riickzugsoptionen in abhSngigen Anspriichen eine verbesserte Ausgangsposition fiir die bevorstehenden Anderungen generieren. Mit Hilfe der Hypothese H16 wird dieser Zusammenhang aberpnift. HI6:
Patente, die im Rahmen der Prufung geSndert werden, weisen mehr abhSngige An-
spriiche auf als Patente, die nicht geSndert werden. Neben den Konkretisierungen der Ruckzugsoptionen in den abhangigen Anspriichen existiert die M^Jglichkeit der Konkretisierung von Riickzugsoptionen in redundanten unabhSngigen Anspriichen. Dieser Aspekt kann mit Hilfe von Hypothese HI7 zusatzlich in die Betrachtung aufgenommen werden. HI7:
Patente, die im Rahmen der Priifting geandert werden, weisen mehr Anspruche auf als
Patente, die nicht geandert werden. Mit einer abweichenden Anzahl an unabhangigen Anspriichen in der Gruppe der geanderten und der nicht geanderten Patente konnte eine Abweichung der Anzahl der abhangigen Anspriiche einhergehen, die allein auf der unterschiedlichen Anzahl der unabhangigen Anspriiche basiert.^^ Diese Fehlerquelle lasst sich ausblenden, indem ausschlieBlich Patente betrachtet werden, die nur mit einem unabhangigen Anspruch angemeldet wurden. Hypothese H18 stellt die entsprechende Modifikation der Hypothese H16 dar.
Siehe hierzu Abschnitt 4.3.3 dieser Arbeit. ^' Siehe hierzu Abschnitt 4.2.1.3 dieser Arbeit.
159 HI8:
Patente, die im Rahmen der Priifung geandert werden und nur einen unabhangigen
Anspruch besitzen, weisen mehr abhangige Anspriiche auf, als Patente, die nicht geSndert werden. Die Ergebnisse zu den Hypothesen H16, H17 und HI8 sind in Tabelle 14 aufgeftihrt. 1 H16: Patente, die im Rahmen der Priifung geandert werden, weisen mehr abhSngige Anspriiche auf als
1
Variable
1 Anzahl der 1 abhMngigen
Anderung keine Anderung
Mitteiwert
Mittelwertdifferenz
12,60
N 84
3,74 8,85
68
Levene-Test fOr Varianzgleichheit
1
Signifikanz 1 (T-Test)
0,027 (Varianzen sind nicht gleich)
0,001
1
1 H17: Patente, die im Rahmen der Priifung geSnderi werden, weisen mehr Anspriiche auf als Patente, die nicht 1 1 geSndert werden (T-Test bei unabhSngigen Stichproben). 1 1
Variable Anderung
1 Anzahl der 1 Anspriiche
Keine Anderung
Mittelwert
Mittel^ertdifferenz
14,94
N 84
4,51 10,43
68
Levene-Test fUr Varianzgleichheit
Signifikanz (T-Test)
1 1
0,008 (Varianzen sind nicht gleich)
0,000
1
1 H18: Patente, die im Rahmen der PrUfung geflndert werden und nur einen unabhSngigen Anspruch besitzen, 1 weisen mehr abhangige Anspriiche auf als Patente, die nicht ge^nderi werden (T-Test bei unabh^ngigen 1 Stichproben). 1
Variable
1 Anzahl der 1 abhangigen 1 AnsprQche
Anderung
Mittelwert
Mittelwertdifferenz
9,80
N 35
2,15 Keine Anderung
7,65
48
Levene-Test fUr Varianzgleichheit 0,234 (keine Aussage mCglich)
Signifikanz (T-Test)
1 1 1 1 1
0,058 1 (gleiche Var.) 1 0,069 (ungleiche Var.)
1 1 1
Tabelle 14: Ergebnisse zu den Hypothesen H16, H17 und H18 (eigene Darstellung) Beztiglich der Hypothese H16 zeigt sich, dass die Patente, die im Rahmen der Priifung geandert wurden, im Mittel 12,60 abhangige Anspriiche aufweisen. Der Mittelwert der Patente, die im Rahmen der Priifung nicht geandert wurden, ist mit 8,85 abhangigen Anspriichen um 3,74 kleiner als der der geanderten Patente. Das Ergebnis entspricht dem vermuteten Zusammenhang. Die Varianzen der Stichproben sind als ungleich einzuschStzen. Der darauf basierende T-Test weist eine Signifikanz auf dem 1%-Niveau nach, das als sehr hoch einzuschatzen ist. Die aggregierte Betrachtung aller Anspriiche mit Hilfe der Hypothese HI7 ergibt ein ahnliches Bild. Fiir die Patente, die geandert wurden, ergibt sich ein Mittelwert von 14,94 Anspriichen, der um 4,51 Anspriiche kleiner ist als der Mittelwert von 10,43 Anspriichen der Patente, die nicht geandert wurden. Die Signifikanz dieses Ergebnisses, die auf Basis ungleicher Varianzen ermittelt wurde, liegt im 1%-Niveau und ist damit ebenfalls als sehr hoch einzuschat-
160 zen. Die Hypothese HI8 schrankt die Stichprobe auf die Patente mit nur einem unabhangigen Anspruch ein und isoliert somit die Wirkung der abhangigen Anspruche. Die Patente, die mit nur einem unabhangigen Anspruch angemeldet und im Rahmen der Priifung geandert woirden, weisen im Mittel 9,80 abhangige Anspruche auf. Das sind 2,15 Anspruche mehr als die mittlere Anzahl der abhangigen Anspruche der nicht geanderten Patente. Sie betragt 7,65 Anspruche. Die Abweichung der Mittelwerte entspricht der geauBerten Erwartung. Beziiglich der Varianzgleichheit der zugrunde liegenden Stichproben lasst sich keine Aussage treffen. Das Signifikanzniveau, das sich aus dem Levene-Test fur Varianzgleichheit ergibt, ist hierzu nicht hinreichend gering. Fiir den Fall ungleicher Varianzen ergibt sich aus dem T-Test der schlechtere Wert der beiden moglichen Signifikanzniveaus. Er betragt 0,069. Das Ergebnis der Hypothese HI8 kann somit als annahemd signifikant eingeschatzt werden. Der mogliche Kritikpunkt am Ergebnis der Hypothesen H16 und HI7, dass der beobachtete Effekt ausschlieBlich auf einer geanderten Anzahl unabhangiger Anspruche beruht, kann somit widerlegt werden. Es gilt damit als bestatigt, dass die Patentanmelder die zur Verfligung stehenden Riickzugsoptionen mit einer steigenden Wahrscheinlichkeit der Veranderung des ex ante angemeldeten Anspruchsumfangs verstarkt in abhangigen Anspriichen konkretisieren und fur ihren Einsatz im Priifungsverfahren vorbereiten. Hierin kann zumindest tendenziell eine empirische Bestatigung fiir den Einfluss des Skalenumfangs auf den Anspruchsumfang gesehen werden. 4.4
Zwischenrestimee der empirisch gewonnenen Ergebnisse
Die zu iiberwindende Schwierigkeit empirischer Untersuchungen im Rahmen der Anspruchspolitik ist die unzureichende Erfassbarkeit der interessierenden Merkmalsauspragungen. Lediglich fiir den Anspruchsumfang stellt der betriebswirtschaftliche state-of-the-art die Anzahl der IPC-Klassen als einen moghchen Ersatzindikator zur Verfugung. Wie in Abschnitt 4.1 aufgezeigt werden konnte, erscheint die Anzahl der IPC-Klassen jedoch fiir eine hinreichend treffsichere Erfassung des Anspruchsumfangs nicht geeignet. Um die Voraussetzungen fiir eine empirische Analyse der Anspruchspolitik zu generieren, wurden Ersatzindikatoren fiir den Anspruchsumfang, den Offenbarungsgehalt und den Skalenumfang normalsprachlich deduktiv aus der juristisch gepragten Anspruchsstruktur der Patente abgeleitet. Die identifizierten Ersatzindikatoren sind fiir den Anspruchsumfang die absolute bzw. relative Anzahl der Worte im kennzeichnenden Teil der unabhangigen Anspruche, fiir den Offenbarungsgehalt die absolute bzw. relative Anzahl der Worte im Oberbegriff der unabhangigen Anspruche und fiir den Skalenumfang die Anzahl der Anspruche bzw. die Anzahl der abhangigen Anspruche. Durch eine differenzierte Betrachtung der ursprunglich angemeldeten Of-
161 fenlegungsschriften und der spater realisierten Patentschriften lasst sich eine getrennte Erfassung sowohl der ex ante als auch der ex post vorliegenden Merkmalsauspragungen realisieren. Da ein Vergleich zwischen den identifizierten Ersatzindikatoren und den tatsachlichen Merkmalsauspragungen als nicht moglich erscheint, wurde fur die empirische BestStigung der Ersatzindikatoren in Abschnitt 4.2.4 der aus den juristischen Grundlagen resultierende Effekt des sinkenden Anspruchsumfangs und der damit verbunden Reduktion des Skalenumfangs von der Patentanmeldung bis zur Patenterteilung genutzt. Die zugrunde liegende Veranderung des Anspruchsumfangs und des Skalenumfangs wird auch durch die Ersatzindikatoren angezeigt. Aus diesem Grund kann darauf geschlossen werden, dass eine hinreichende Funktionalitat der Ersatzindikatoren gegeben ist. Eine empirische KontroUe der Funktionalitat der absoluten und relativen Anzahl der Worte im Oberbegriff als ein Indikator fiir den Offenbarungsgehalt erscheint nicht moglich, da eine systematische Veranderung des Offenbarungsgehalts im Verlauf des Priifungsverfahrens nicht gegeben ist. Die Funktionalitat der absoluten und relativen Anzahl der Worte im kennzeichnenden Teil der unabhangigen Anspriiche als ein Indikator fiir den Anspruchsumfang spricht jedoch auch fur die Funktionalitat des Indikators fiir den Offenbarungsgehalt. Unter der Voraussetzung, dass ein linearer Zusammenhang zwischen den interessierenden Variablen und der Anzahl der Merkmale sowie zwischen der Anzahl der Merkmale und der Anzahl der Worte vorliegt, sind fiir die absolute und relative Anzahl der Worte im kennzeichnenden Teil bzw. im Oberbegriff als Indikatoren fiir den Anspruchsumfang und den Offenbarungsgehalt die Eigenschaften der Intervallskala erfiillt. Diese Anforderung fiihrt dazu, dass auf Basis einer Intervallskala lediglich Untersuchungen innerhalb homogener Patentfelder ermoglicht werden konnen. Weiterhin ist kritisch zu beurteilen, dass durch die Anzahl der Anspriiche bzw. die Anzahl der abhangigen Anspriiche lediglich eine teilweise Erfassung der Ergebnismoglichkeiten vorgenommen wird. Trotz dieser Einschrankungen stellen die identifizierten Indikatoren einen grundlegenden Ansatz dar, der die Moglichkeit empirischer Untersuchungen
im Umfeld
der Anspruchspolitik
eroffnet.
Aufgrund
der
elektronischen
Erfassbarkeit der Ersatzindikatoren wird ihr Potential fur die Patentinformation beglinstigt. Um das Problem der mangelnden empirischen Erfassbarkeit des erwarteten Anspruchsumfangs und der erwarteten variablen Kosten zu iiberwinden, wurden die Patente der Herzschrittmacherstichprobe nach dem Vorliegen einer Anderung des Anspruchsumfangs im Priifungsverfahren und der Auslosung eines Einspruchs durch den Wettbewerb gruppiert. Mit Hilfe entsprechender Mittelwertvergleiche lieB sich bestatigen, dass eine Erhohung des Offenbarungsgehalts eine positive Wirkung auf den erwarteten Anspruchsumfang aufweist. Dieses Ergebnis untermauert die deduktiv abgeleitete Empfehlung, generell den maximal
162 moglichen Offenbarungsgehalt zu wahlen. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem angemeldeten Anspruchsumfang und dem Auftreten von Anderungen im Rahmen des Priiftingsverfahrens konnte nicht bestatigt werden. Dieser Einfluss wird durch die jeweiligen Auspragungen des Offenbarungsgehalts und die aktive Gestaltung der Anspruchspolitik durch den Patentanmelder verdeckt. Beziiglich des Zusammenhangs zwischen dem ex ante angemeldeten Anspruchsumfang und den variablen Kosten konnte anhand der gewahlten Stichprobe gezeigt werden, dass eine Reduktion des ex ante angemeldeten Anspruchsumfangs eine Reduktion der variablen Kosten verursacht bzw. das Auftreten von Einspruchsverfahren vermindert. Auf diese Weise bestatigt sich die Funktionalitat der zentralen, formal abgeleiteten Handlungsempfehlung, unter Berucksichtigung des Wettbewerbseinflusses auf einen Teil des ex ante maximal moglichen bzw. maximal vorstellbaren Anspruchsumfangs zu verzichten, um durch eine Reduktion der erwarteten variablen Kosten eine Annaherung an den optimalen trade-off zwischen dem erwarteten Patentwert und den erwarteten variablen Kosten zu erreichen. Weiterhin spricht das Ergebnis der empirischen Analyse dafiir, dass eine Ausdehnung des Skalenumfangs bzw. der Anzahl an Riickzugsoptionen eine positive Wirkung auf den erwarteten Anspruchsumfang aufweist.
163
5 Zusammenfassung und Resiimee Durch die aktive Gestaltung der Anspruchspolitik beeinflusst der Patentanmelder maBgeblich den erwarteten Wert des entstehenden Schutzrechts und den erwarteten Gewinn aus der Patentierung. Da sich der state-of-the-art der Betriebswirtschaftslehre im Themenkreis der Anspruchspolitik noch auf ungesichertem Boden befindet, wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Wirkmechanismen der Anspruchspolitik zunSchst formalsprachlich deduktiv analysiert (Kapitel 3). Der Erkenntnisgewinn der formalen Analysen besteht neben der Strukturierung der Fragestellungen, die im Rahmen der Anspruchspolitik zum Zeitpunkt der Patentanmeldung zu beantworten sind, in der Formulierung von pauschalierten, situationsabhangigen Handlungsempfehlungen beziiglich der Wahl des Anspruchsumfangs, der Anzahl der Ruckzugsoptionen und der Anzahl der Teilanmeldungen. Die situative Unterscheidung der formulierten Handlungsempfehlungen bezieht sich auf die Art des Zufallsprozesses, aus dem sich der ex post resultierende Anspruchsumfang ergibt, sowie auf die Beriicksichtigung des Wettbewerbseinflusses^^ In einem weiteren Schritt (Kapitel 4) wurden Ersatzindikatoren, die die Mdglichkeit einer empirischen Analyse der Anspruchspolitik eroffnen, normalsprachlich deduktiv identifiziert und mit Hilfe der Stichprobe von Herzschrittmacherpatenten auf ihre Wirksamkeit uberpriift. Auf diese Weise wurde es ermOglicht, die empirische Evidenz der zentralen Ergebnisse der formalen Betrachtung zu hinterfragen und zu bestatigen. Die Basis sowohl fur die formale (Kapitel 3) als auch fur die empirische Analyse der Anspruchspolitik (Kapitel 4) bildeten die umfassenden Erorterungen der juristischen Grundlagen und der Determinanten des Patentwertes (Kapitel 2). Die zentralen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen. FUr den Fall, dass im Rahmen der Anspruchspolitik auf die Beriicksichtigung des Wettbewerbseinflusses verzichtet werden kann, ergibt sich aus der formalen Betrachtung, dass sowohl bei einer stetigen Verteilung als auch bei einer allgemeinen diskreten Verteilung mit mehr als zwei Ergebnismoglichkeiten des ex post resultierenden Anspruchsumfangs das Patent ex ante generell mit dem maximal moglichen Anspruchsumfang angemeldet werden sollte. Selbst wenn der Patentanmelder einen Anspruchsumfang wahlt, der iiber dem maximal vorstellbaren Mafi liegt, wird dieser im Priifungsverfahren bis auf das maximal durchsetzbare MaB gestutzt. Im Gegensatz dazu zeigt sich flir den Fall einer binSren Verteilung, dass auf einen Teil des maximal moglichen ex ante anzumeldenden Anspruchsumfangs zu verzichten ist,
um
den
optimalen
trade-off
zwischen
Anspruchsumfang
^^ Siehe hierzu auch die zusammenfassende Tabelle 2 in Abschnitt 3.5 dieser Arbeit.
und
Durchsetzungs-
164 wahrscheinlichkeit zu erreichen. Im Rahmen von weiterftihrenden theoretischen Betrachtungen wurde aufgezeigt, dass der maximal mogliche Anspruchsumfang durch den Offenbarungsgehalt des Patents bestimmt wird. Dem Patentanmelder ist zu empfehlen, durch die Wahl eines Grads der Offenbarung von eins die gesamte Erfmdungshohe in die Patentanmeldung aufzunehmen. Die empirische Untersuchung des Herzschrittmacherfalls bestatigt in diesem Zusammenhang die formal gefundene Handlungsempfehlung und die positive Wirkung des Offenbarungsgehalts auf den zu erwartenden Anspruchsumfang. Die Anzahl der Riickzugsoptionen bzw. der Skalenumfang kann nur im Fall einer allgemeinen diskreten Verteilung variiert werden. Formal konnte gezeigt werden, dass generell alle zur Verfiigung stehenden Riickzugsoptionen in die Patentanmeldung aufgenommen werden sollten. Eine groBere Anzahl an Riickzugsoptionen bzw. ein zunehmender Skalenumfang erhoht den ex post erwarteten Anspruchsumfang. Die Wirkungsweise des Skalenumfangs wird durch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung visualisiert und untermauert. Fiir den Fall, dass der Wettbewerbseinfluss bzw. das eventuelle Auftreten von Einspruchsund Nichtigkeitsverfahren beriicksichtigt werden muss, ergibt sich aus der formalen Betrachtung, dass unabhangig vom zugrunde liegenden Zufallsprozess auf einen Teil des maximal denkbaren Anspruchsumfangs verzichtet werden sollte, um den optimalen trade-off zwischen dem erwarteten Patentwert und den erwarteten Kosten fur Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren anzunahem. Zu dieser zentralen Handlungsempfehlung bestatigt die empirische Analyse des Herzschrittmacherfalls, dass der Verzicht auf einen Teil des maximal moglichen Anspruchsumfangs, der aus der Relation zwischen dem ex ante angemeldeten Anspruchsumfang und dem vorliegenden Offenbarungsgehalt erkennbar ist, zu einem verminderten Auftreten von Einspruchsverfahren und damit zu einer Verringerung der variablen Kosten fiihrt. Als weitere Einflussfaktoren auf die erwarteten variablen Kosten konnten die Wettbewerbsintensitat, der Anteil der originaren variablen Kosten am Patentwert und die sonstigen Determinanten des Patentwertes (Marktvolumen, Zentralitat, Zinssatz, erfmderisches Potential, Verfolgbarkeit von Patentverletzungen und Rohertrag) identifiziert werden. Beziiglich der Teilanmeldungsanzahl wurde formal unter Beriicksichtigung der Moglichkeit von Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren aufgezeigt, dass eine Aufspaltung von einheitlichen unabhangigen Anspruchen auf mehrere Teilanmeldungen sinnvoll ist, solange die resultierende Reduktion der erwarteten variablen Kosten die Erhohung der fixen Kosten betragsmaBig iibersteigt. Als zusatzliche Voraussetzung fur die Generierung von Teilanmeldungen muss ein uberproportionaler Zusammenhang zwischen dem erwarteten Anspruchsumfang und den erwarteten variablen Kosten vorliegen. Die Teilung eines Patents mit binar verteiltem Anspruchsumfang ist nicht moglich.
165 Aufgrund der Differenzierung der geflindenen Handlungsempfehlungen wird eine Annaherung sowohl an die Empfehlung von Harhoff und Reitzig (2001), auf einen Teil des Anspruchsumfangs zu verzichten, als auch eine Annaherung an die entgegengerichtete Empfehlung von Kolker (2001, S. 20), Koster (2002, S. 34) und van Venrooy (1996, S. 89), immer so breit wie moglich anzumelden, erzielt. Auf diese Weise erklart sich der scheinbare Widerspruch, den der state-of-the-art der Anspruchspolitik beinhaltet. Die gegeniiber den bisherigen formalen Analysen der Anspruchspolitik von Harhoff und Reitzig (2001) und Lange (2004) originar neue Ausweitung der Betrachtung auf einen allgemeinen diskreten Zufallsprozess und die Wirkung der Ruckzugsoptionen stellt eine zusatzliche Annaherung der formalsprachlich gewonnenen Erkenntnisse an das reale Optimierungsproblem in der Patentierungspraxis dar.
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