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German Pages 232 Year 2011
Gisela Bieling Age Inclusion
GABLER RESEARCH Neue Perspektiven der marktorientierten Unternehmensführung Herausgegeben von Professor Dr. Ruth Stock-Homburg, Technische Universität Darmstadt Professor Dr. Jan Wieseke, Ruhr-Universität Bochum
Gisela Bieling
Age Inclusion Erfolgsauswirkungen des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen in Unternehmen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Darmstadt, 2010 D 17
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-2889-4
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Vorwort der Reihenherausgeber Aktuelle Entwicklungen wie sich rasant wandelnde Kundenbedürfnisse, verkürzte Produktlebenszyklen, zunehmende Globalisierung und demographischer Wandel in Verbindung mit Fach- und Führungskräftemangel stellen Unternehmen vor völlig neue Herausforderungen. Der erfolgreiche Umgang mit diesen Herausforderungen erfordert die Entwicklung neuer Konzepte der Unternehmensführung. Diese sollten insbesondere an folgenden Punkten ansetzen: -
-
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der Steigerung der Markt- und Innovationsorientierung des Unternehmens (z. B. durch Anpassung von Unternehmensstrukturen bzw. die Förderung der Innovations- bzw. Kundenorientierung der Mitarbeiter), der Implementierung neuer Arbeitsformen (z. B. kundenbezogene und virtuelle globale Teams), der langfristigen Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit von Führungskräften und Mitarbeitern (z. B. durch den Auf- und Ausbau interkultureller Kompetenzen bzw. gezielte Maßnahmen zur Förderung der Work-Life-Balance) bis hin zum dem Erhalt und Ausbau humaner Ressourcen (z. B. durch Personalmarketingaktivitäten bzw. gezielte Maßnahmen zur Förderung älterer und weiblicher Mitarbeiter als Unternehmenspotenzial).
Die Vielfalt möglicher Ansatzpunkte macht deutlich: Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung allein aus einer einzigen betriebswirtschaftlichen Disziplin heraus wird diesen mannigfaltigen Herausforderungen nur in Ansätzen gerecht. Der Reihe „Neue Perspektiven der marktorientierten Unternehmensführung“, die sich Konzepten des erfolgreichen Umgangs mit aktuellen und zukünftigen Entwicklungen in der Unternehmenspraxis widmet, liegt daher eine interdisziplinäre Perspektive zugrunde. Der Interdisziplinarität wird dadurch Rechnung getragen, dass verschiedene Disziplinen innerhalb der Betriebswirtschaftslehre beleuchtet werden (insbesondere Marketing, Innovationsmanagement und Personalmanagement). Darüber hinaus erfährt die Schnittstelle zwischen verschiedenen Facetten der Betriebswirtschaftslehre und der Psychologie (insbesondere Arbeits- und Organisationspsychologie) besondere Bedeutung. Die in der Reihe „Neue Perspektiven der marktorientierten Unternehmensführung“ erscheinenden Arbeiten orientieren sich inhaltlich und konzeptionell an internationalen wissenschaft-
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Vorwort der Reihenherausgeber
lichen Standards. Ausgehend von einer stringenten theoretischen Fundierung erfolgt die qualitative bzw. quantitative empirische Untersuchung des jeweiligen Forschungsgegenstands. Die vorliegenden Titel setzen sich mit zentralen Fragestellungen der marktorientierten Unternehmensführung auseinander. Damit bieten die einzelnen Bände für Wissenschaftler neue Erkenntnisse und Anregungen für Forschungen in den jeweils behandelten Themengebieten. Für die Unternehmenspraxis liefern die verschiedenen Arbeiten Implikationen für den Umgang mit aktuellen und zukünftigen Herausforderungen marktorientierter Unternehmensführung.
Darmstadt und Bochum, im Januar 2009
Ruth Stock-Homburg und Jan Wieseke
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Geleitwort Der demographische Wandel repräsentiert eine der zentralen Herausforderungen der Arbeitswelt der Zukunft; bis zum Jahr 2050 wird dadurch bedingt die Anzahl der Erwerbspersonen erheblich zurückgehen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung von zentraler Bedeutung, da der dadurch verstärkte Fach- und Führungskräftemangel zu einer erheblichen Wachstumsbremse werden kann. Die vorgelegte Arbeit ist als hochgradig relevant für die wissenschaftliche Durchdringung möglicher Begleiterscheinungen des demographischen Wandels einzustufen. Mit dem demographischen Wandel wird gemeinhin primär das Altern der Bevölkerung assoziiert. Diesbezüglich ist erwiesen, dass in allen Ländern weltweit das Durchschnittsalter der Bevölkerung erheblich ansteigen wird. Gisela Bieling arbeitet bereits sehr früh in ihrer Arbeit überzeugend heraus, dass dies nur eine, wenn auch wichtige, Herausforderung für Unternehmen in Verbindung mit dem demographischen Wandel darstellt. Sie macht darüber hinaus deutlich, dass auch die zunehmende altersbezogene Heterogenität der arbeitenden Bevölkerung eine wichtige Gestaltungsvariable unternehmerischen Handelns im Zuge des demographischen Wandels repräsentiert. Insofern nimmt sich die Verfasserin nicht nur eines außerordentlich aktuellen und wissenschaftlich relevanten Themas an; vielmehr erweitert sie den üblichen Betrachtungshorizont um eine wertvolle Perspektive – die zunehmende Altersheterogenität. Die vorgelegte Arbeit betrachtet die Besonderheiten einer im Durchschnitt alternden und zunehmend altersdiversen Belegschaft aus der wissenschaftlichen Perspektive der Managementbzw. Personalmanagementforschung. Ausgehend von der individuellen Ebene des einzelnen Mitarbeiters entwickelt die Verfasserin das Konstrukt Age Inclusion. In diesem Konstrukt erweitert sie den Fokus des „klassischen Age Managements“ im Sinne einer Förderung älterer Mitarbeiter hin zu einer sinnvollen Handhabung von zunehmender Altersheterogenität in Unternehmen. Aufbauend darauf beleuchtet sie, wie sich verschiedene Maßnahmen von Unternehmen im Rahmen von Age Inclusion-Programmen (z. B. Gestaltung von Kultur, Personalmanagement-Systemen, Mitarbeiterführung) auf die Einstellungen bzw. die Verhaltensweisen von Mitarbeitern auswirken. Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit der Einfluss von Age Inclusion auf die wahrgenommene Gerechtigkeit im Unternehmen vom Alter der Mitarbeiter abhängt. Sowohl mit der
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Geleitwort
Entwicklung und Definition des Konstrukts Age Inclusion als auch mit der Konzeptualisierung der Facetten von Age Inclusion und deren individuellen Auswirkungen, beschreitet Frau Bieling völliges Neuland in der betriebswirtschaftlichen Forschung. Die vorgelegte Arbeit erweitert den wissenschaftlichen Kenntnisstand über ein gleichermaßen relevantes wie interessantes Phänomen in wesentlichem Ausmaß. Auch für die Praxis werden interessante Erkenntnisse erarbeitet. So liefern die Facetten von Age Inclusion Ansatzpunkte für Unternehmen, mit der zunehmenden altersbezogenen Heterogenität ihrer Belegschaft gezielt umzugehen. Eine weite Verbreitung in Wissenschaft und Praxis ist dieser Arbeit zu wünschen.
Darmstadt, im Dezember 2010
Ruth Stock-Homburg
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Vorwort Der demographische Wandel und seine Folgen sind Themen, die in Wissenschaft und Unternehmenspraxis immer intensiver diskutiert werden. Im Zentrum der Diskussion stehen das steigende Durchschnittsalter und die zunehmende altersbezogene Heterogenität der Beschäftigten in Unternehmen. Es müssen Konzepte für eine Form des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen entwickelt werden, die einen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele leisten. Angesichts dieser Herausforderung beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Frage, inwieweit sich der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Ausgehend von einer umfassenden Sichtung theoretisch-konzeptioneller Ansätze der Altersforschung, die aufzeigen und erklären, welche Faktoren den menschlichen Alterungsprozess beeinflussen und welche Auswirkungen das Altern auf den Menschen und seine Umwelt hat, werden zunächst Implikationen für den Umgang mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters abgeleitet. Den Kern der vorliegenden Arbeit bildet die Entwicklung eines Konstrukts, welches erfasst, inwieweit in der subjektiven Wahrnehmung eines Mitarbeiters unterschiedliche Altersgruppen in das Unternehmen und seine Wertschöpfungsprozesse integriert werden. Dieses Konstrukt, Age Inclusion, bildet den Ausgangspunkt für eine empirische Untersuchung mit Daten von mehr als 2.000 Beschäftigten eines IT-Unternehmens. Im Rahmen dieser Untersuchung wird überprüft, inwieweit und über welche Mechanismen sich Age Inclusion auf individuelle Erfolgsgrößen wie die Zufriedenheit, die Motivation oder die Leistung eines Mitarbeiters auswirkt. Die vorliegende Dissertation ist das Ergebnis meiner dreieinhalbjährigen Forschungsarbeit am Fachgebiet Marketing & Personalmanagement der Technischen Universität Darmstadt. Es ist ein schöner Brauch, sich nach dem erfolgreichen Abschluss einer Promotion an ebendieser Stelle bei denen zu bedanken, die zu diesem Erfolg beigetragen haben. An erster Stelle gilt mein Dank meiner akademischen Lehrerin Frau Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg. Sie hat nicht nur durch fachliche Ratschläge und konstruktive Diskussionen entscheidend zum Gelingen dieses Promotionsprojekts beigetragen. Frau Prof. Stock-Homburg hat zudem am Fachgebiet Marketing & Personalmanagement ein außerordentlich förderliches Umfeld für wissenschaftliches Arbeiten geschaffen, das sich insbesondere durch regen fachlichen Austausch sowohl innerhalb des Lehrstuhlteams als auch mit international erfolgreichen Forschern anderer Lehr-
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Vorwort
stühle auszeichnet. Dies hat meine Freude an wissenschaftlicher Arbeit und meine Fähigkeit zu kritischer Reflektion entscheidend geprägt. Zudem gilt mein Dank Prof. Dr. Ralph Bruder für die bereitwillige Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu dieser Arbeit. Der empirische Teil der vorliegenden Arbeit basiert auf Daten, die im Rahmen des Projekts „Age Diversity @ hp“ bei der Hewlett-Packard Deutschland GmbH erhoben wurden. Das Projekt wäre ohne das persönliche Engagement von Herrn Ernst Reichart und Frau Ursula Wiehl-Schlenker nicht möglich gewesen; ihnen gebührt besonderer Dank. Darüber hinaus haben viele weitere Mitarbeiter der Hewlett-Packard Deutschland GmbH zum Gelingen des Projekts beigetragen und mich so in meiner Promotion unterstützt. Auch ihnen möchte ich danken. Während meiner Promotionszeit habe ich sehr vom fachlichen und persönlichen Austausch mit Kollegen profitiert. An erster Stelle ist hier Dr. Nadine Genisyürek zu nennen, die mir weit über ihre Zeit am Fachgebiet Marketing & Personalmanagement hinaus mit Rat und Tat zur Seite stand und eine liebe Freundin geworden ist. Auch Björn Six und Nicolas Zacharias waren stets wichtige Austauschpartner für mich. Mein lieber Freund, Jin Gerlach, hat mich während der Schlussphase meiner Promotion auf einem entscheidenden Wegstück begleitet. Sein Verständnis für alle Stimmungslagen und seine Zuversicht haben mich aufgefangen und mir Kraft gegeben. Dafür danke ich ihm von Herzen. Mein größter Dank gilt meiner Familie. Meine Geschwister und besonders meine Eltern haben mich während meiner Kindheit und Ausbildung in jeder erdenklichen Hinsicht unterstützt und mich durch Höhen und Tiefen meiner Promotionszeit begleitet. Ohne ihr unerschütterliches Vertrauen wäre diese Arbeit nicht entstanden.
Darmstadt, im Dezember 2010
Gisela Bieling
XI
Inhaltsverzeichnis 1
2
Einleitung ........................................................................................................................... 1 1.1
Relevanz der Arbeit .................................................................................................................. 1
1.2
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit .......................................................................................... 4
Alter und Altern im organisationalen Kontext .............................................................. 9 2.1
Begriffsdefinition...................................................................................................................... 9
2.2
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext ................................................................................................................................... 14
2.2.1
Ansätze zu Einflussfaktoren des Alterungsprozesses .................................................... 17
2.2.1.1
Theorien des erfolgreichen Alterns ........................................................................ 17
2.2.1.2
Modell des arbeitsinduzierten Alterns ................................................................... 25
2.2.2
Ansätze zu Auswirkungen des Alterungsprozesses ....................................................... 26
2.2.2.1 2.2.2.1.1
Defizitansätze ...................................................................................................... 26
2.2.2.1.2
Phasenansätze ..................................................................................................... 27
2.2.2.1.3
Wachstumsansätze .............................................................................................. 30
2.2.2.1.4 2.2.2.2
3
Theorien und Modelle ............................................................................................ 26
Motivationsbezogene Ansätze ............................................................................ 32 Empirisch gestützte Ansätze .................................................................................. 38
2.2.2.2.1
Ansätze zur Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit .......................... 39
2.2.2.2.2
Ansätze zur Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit ....................... 40
2.2.2.2.3
Ansätze zur Entwicklung der Persönlichkeit ...................................................... 44
2.2.2.2.4
Ansätze zur Entwicklung von Emotionsempfindung und -verarbeitung ............ 45
2.2.2.2.5
Ansätze zur Entwicklung der beruflichen Leistung ............................................ 46
2.3
Bestandsaufnahme: Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung .......... 49
2.4
Zusammenfassung .................................................................................................................. 55
Das Konstrukt Age Inclusion ......................................................................................... 57 3.1
Bestandsaufnahme .................................................................................................................. 57
3.2
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen................................................................................. 63
3.3
Begriffsdefinition.................................................................................................................... 65
XII
Inhaltsverzeichnis
4
3.4
Konzeptualisierung ................................................................................................................. 67
3.5
Zusammenfassung .................................................................................................................. 68
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion ................................................................................ 71 4.1
5
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen................................................................................. 72
4.1.1
Theorien der organisationalen Gerechtigkeit ................................................................. 72
4.1.2
Soziale Austauschtheorie ............................................................................................... 76
4.1.3
Verknüpfung der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie ............................................................................................................ 80
4.2
Bestandsaufnahme .................................................................................................................. 82
4.3
Zusammenfassung .................................................................................................................. 89
Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit ................................................................. 91 5.1
Der Bezugsrahmen im Überblick ........................................................................................... 91
5.2
Hypothesenformulierung ........................................................................................................ 95
5.2.1
Hypothesen zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit ................................................. 95
5.2.1.2
Hypothesen zum Zusammenhang zwischen wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit und der Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitsumfeld ......................................................................................................... 98
5.2.1.3
Hypothesen zum Zusammenhang zwischen der Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitsumfeld und den arbeitsbezogenen Einstellungen von Mitarbeitern ............................................................................ 100
5.2.1.4
Hypothesen zum Zusammenhang zwischen den arbeitsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern ....................................... 102
5.2.2
6
Hypothesen zu Haupteffekten ........................................................................................ 95
5.2.1.1
Hypothesen zu moderierenden Effekten ...................................................................... 102
Grundlagen der empirischen Untersuchung .............................................................. 105 6.1
Datenerhebung und Datengrundlage .................................................................................... 105
6.1.1
Prozess der Datenerhebung .......................................................................................... 105
6.1.2
Beschreibung der Datengrundlage ............................................................................... 107
6.2
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse ............................................................................. 109
6.2.1
Methodik der Gütebeurteilung der Konstruktmessung ................................................ 109
6.2.2
Methodik der Dependenzanalyse ................................................................................. 117
6.2.2.1
Methodik der Analyse von Haupteffekten ........................................................... 117
6.2.2.2
Methodik der Analyse moderierender Effekte ..................................................... 123
Inhaltsverzeichnis
7
Ergebnisse der Untersuchung ...................................................................................... 127 7.1
Operationalisierung der Konstrukte...................................................................................... 127
7.1.1
Operationalisierung der unabhängigen Variablen ........................................................ 128
7.1.2
Operationalisierung der als Mechanismen fungierenden Variablen ............................ 140
7.1.3
Operationalisierung der Erfolgsgrößen ........................................................................ 145
7.1.4
Operationalisierung der moderierenden Variable und der Kontrollvariablen.............. 149
7.2
Deskriptive Statistiken und Korrelationsanalysen ................................................................ 149
7.3
Hypothesenprüfung .............................................................................................................. 156
7.3.1
Prüfung der Hypothesen zu Haupteffekten .................................................................. 156
7.3.2
Prüfung der Hypothesen zu moderierenden Effekten .................................................. 168
7.4
8
XIII
Diskussion der Ergebnisse .................................................................................................... 174
Zusammenfassende Bewertung der Arbeit ................................................................ 179 8.1
Wissenschaftliche Bewertung und Implikationen für die Wissenschaft .............................. 179
8.2
Implikationen für die Unternehmenspraxis .......................................................................... 183
Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 187
XV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Aktuelles und prognostiziertes Durchschnittsalter nach Nationen in den Jahren 2005 und 2050 ....................................................................................... 2 Abbildung 1-2: Ziele und Struktur der vorliegenden Arbeit ...................................................... 5 Abbildung 1-3: Vorgehen zur Analyse von Erfolgsauswirkungen der Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen ............. 7 Abbildung 2-1: Überblick über Forschungsgegenstand und Erkenntnisinteresse verschiedener Wissenschaftsdisziplinen im Bereich originärer Altersforschung............................................................................................... 15 Abbildung 2-2: Überblick über Forschungsgegenstand und Erkenntnisinteresse nichtoriginärer Altersforschung im Kontext organisationaler Fragestellungen ..... 16 Abbildung 2-3: Überblick über Ansätze der Altersforschung mit Erklärungsbeitrag zu Einflussfaktoren und Auswirkungen des Alterungsprozesses mit Relevanz im organisationalen Kontext ........................................................................... 17 Abbildung 2-4: Modell erfolgreichen Alterns nach der Selektions-OptimierungsKompensations-Theorie .................................................................................. 21 Abbildung 2-5: Relevanz wissensbezogener und emotionsbezogener sozialer Ziele über die Lebensspanne .................................................................................................. 33 Abbildung 2-6: Verlauf verschiedener motivationsrelevanter Zusammenhänge in Abhängigkeit vom Alter ................................................................................. 37 Abbildung 2-7: Verlauf der Entwicklung von fluider bzw. kristalliner Intelligenz in Abhängigkeit vom Alter ................................................................................. 42 Abbildung 2-8: Pfadanalytisches Modell der Berufsleistung nach Schmidt/Hunter/ Outerbridge (1986) ......................................................................................... 47 Abbildung 2-9: Four-Category Framework nach Warr (1993, 1994) ...................................... 48 Abbildung 3-1: Definition und Ausprägungen des Konstrukts Age Inclusion ........................ 67 Abbildung 3-2: Graphische Veranschaulichung des Konzepts der Age Inclusion .................. 69 Abbildung 4-1: Grundmodell der Arbeitsleistung ................................................................... 71 Abbildung 4-2: Auf Basis der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie erweitertes Modell der Arbeitsleistung ............... 89 Abbildung 5-1: Grober Bezugsrahmen zu Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion .............. 91 Abbildung 5-2: Verfeinerter Bezugsrahmen zu Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion ..... 92 Abbildung 6-1: Altersstruktur der Stichprobe ........................................................................ 108
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 6-2: Überblick über den Einsatz der Verfahren zur Analyse von Haupteffekten in der vorliegenden Arbeit .................................................... 122 Abbildung 6-3: Graphische Darstellung eines positiv bzw. negativ moderierenden Effekts am Beispiel eines bivariaten Zusammenhangs ................................ 123 Abbildung 7-1: Ergebnisse der Kausalanalyse....................................................................... 166
XVII
Tabellenverzeichnis Tabelle 2-1: Wissenschaftliche Ansätze zur Definition der Begriffe „Alter“ und „Altern“ .... 10 Tabelle 2-2: Definitionen der Begriffe „älterer Mitarbeiter“ bzw. „ältere Erwerbsperson“ in der öffentlichen Diskussion ............................................................................. 13 Tabelle 2-3: Zentrale Merkmale der Theorien des erfolgreichen Alterns ................................ 19 Tabelle 2-4: Gegenüberstellung der Selektions-Optimierungs-Kompensations-Theorie und des Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping ....... 24 Tabelle 2-5: Zentrale Merkmale des Modells des arbeitsinduzierten Alterns ......................... 26 Tabelle 2-6: Zentrale Merkmale der Defizitansätze ................................................................. 27 Tabelle 2-7: Zentrale Merkmale der Phasenansätze ................................................................ 30 Tabelle 2-8: Zentrale Merkmale der Wachstumsansätze ......................................................... 32 Tabelle 2-9: Zentrale Merkmale der Socioemotional Selectivity Theory ................................ 35 Tabelle 2-10: Zentrale Merkmale des Modells altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation ............................................................................................... 38 Tabelle 2-11: Gegenüberstellung der Aussagen verschiedener Ansätze der Altersforschung zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung............................................ 50 Tabelle 2-12: Metaanalysen zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung .................... 54 Tabelle 3-1: Handlungsfelder des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen ...................................................................................................... 60 Tabelle 4-1: Gegenüberstellung der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie.................................................................................. 80 Tabelle 4-2: Studien zum Zusammenhang zwischen organisationaler Gerechtigkeit, der Qualität des sozialen Austauschs in Unternehmen und diversen Erfolgsgrößen ..................................................................................................... 83 Tabelle 4-3: Studien zu Moderatoren des Zusammenhangs zwischen organisationaler Gerechtigkeit und Konstrukten des sozialen Austauschs ................................... 87 Tabelle 6-1: Überblick über die Vorgehensweise zur Gütebeurteilung der Konstruktmessung ............................................................................................ 117 Tabelle 7-1: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Unternehmensstrategie) ................................................................ 129 Tabelle 7-2: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalbedarfsplanung) .............................................................. 130 Tabelle 7-3: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalgewinnung) ..................................................................... 130
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 7-4: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalentwicklung) ................................................................... 131 Tabelle 7-5: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Karrieremanagement) ................................................................... 132 Tabelle 7-6: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Aufgabenverteilung) ..................................................................... 133 Tabelle 7-7: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Arbeitszeitgestaltung) ................................................................... 133 Tabelle 7-8: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Gesundheitsmanagement) ............................................................. 134 Tabelle 7-9: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalfreisetzung) ..................................................................... 135 Tabelle 7-10: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalbeurteilung) ..................................................................... 136 Tabelle 7-11: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalvergütung) ....................................................................... 136 Tabelle 7-12: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Wertschätzungskultur) .................................................................. 137 Tabelle 7-13: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Lern- und Kooperationskultur) ..................................................... 138 Tabelle 7-14: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Einstellungen und Verhalten von Vorgesetzten) .......................... 139 Tabelle 7-15: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Einstellungen und Verhalten von Kollegen) ................................ 140 Tabelle 7-16: Operationalisierung des Konstrukts distributive Gerechtigkeit ....................... 141 Tabelle 7-17: Operationalisierung des Konstrukts prozedurale Gerechtigkeit ...................... 142 Tabelle 7-18: Operationalisierung des Konstrukts informationale Gerechtigkeit ................. 142 Tabelle 7-19: Operationalisierung des Konstrukts interpersonelle Gerechtigkeit ................. 143 Tabelle 7-20: Operationalisierung des Konstrukts Perceived Organizational Support.......... 144 Tabelle 7-21: Operationalisierung des Konstrukts Leader-Member-Exchange ..................... 144 Tabelle 7-22: Operationalisierung des Konstrukts Team-Member-Exchange ....................... 145 Tabelle 7-23: Operationalisierung des Konstrukts Affektives Commitment ......................... 146 Tabelle 7-24: Operationalisierung des Konstrukts Arbeitszufriedenheit ............................... 146 Tabelle 7-25: Operationalisierung des Konstrukts Lernmotivation ....................................... 147 Tabelle 7-26: Operationalisierung des Konstrukts Motivation zum Wissensaustausch ........ 148 Tabelle 7-27: Operationalisierung des Konstrukts Engagement ............................................ 148 Tabelle 7-28: Operationalisierung des Konstrukts Effektivität.............................................. 149 Tabelle 7-29: Mittelwerte und Standardabweichungen der untersuchten Konstrukte ........... 150 Tabelle 7-30: Korrelationen zwischen den Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion ...... 152
Tabellenverzeichnis
XIX
Tabelle 7-31: Korrelationen zwischen (a) den Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion und (b) den Dimensionen der Konstrukte organisationale Gerechtigkeit bzw. Qualität sozialer Austauschbeziehungen .......................................................... 153 Tabelle 7-32: Korrelationen zwischen den Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion und den Erfolgsgrößen ..................................................................................... 154 Tabelle 7-33: Korrelationen zwischen (a) den Dimensionen der Konstrukte organisationale Gerechtigkeit bzw. Qualität sozialer Austauschbeziehungen und (b) den Erfolgsgrößen ................................................................................................... 155 Tabelle 7-34: Korrelationen zwischen (a) den Konstrukten des Bezugsrahmens und (b) den Moderator- und Kontrollvariablen ....................................................... 156 Tabelle 7-35: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit .................................................................................................... 158 Tabelle 7-36: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit .................................................................................................... 159 Tabelle 7-37: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit .................................................................................................... 160 Tabelle 7-38: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit .................................................................................................... 161 Tabelle 7-39: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener informationaler Gerechtigkeit .................................................................................................... 162 Tabelle 7-40: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener informationaler Gerechtigkeit .................................................................................................... 163 Tabelle 7-41: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener interpersoneller Gerechtigkeit .................................................................................................... 164 Tabelle 7-42: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener interpersoneller Gerechtigkeit .................................................................................................... 165 Tabelle 7-43: Signifikante Effekte der Kontrollvariablen im Rahmen der Kausalanalyse .... 167 Tabelle 7-44: Ergebnisse der Prüfung der Hypothesen zu direkten Effekten ........................ 168 Tabelle 7-45: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit ........................................... 169 Tabelle 7-46: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit ............. 170
XX
Tabellenverzeichnis
Tabelle 7-47: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit .......................................... 171 Tabelle 7-48: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit ............ 171 Tabelle 7-49: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener informationale Gerechtigkeit ....................................... 172 Tabelle 7-50: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener informationale Gerechtigkeit ......... 172 Tabelle 7-51: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener interpersonelle Gerechtigkeit ....................................... 173 Tabelle 7-52: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener interpersonelle Gerechtigkeit......... 173
XXI
Abkürzungsverzeichnis CFI
Comparative Fit Index
DEV
Durchschnittlich erfasste Varianz
FR
Faktorreliabilität
IR
Indikatorreliabilität
IT
Informationstechnologie
LMX
Leader-Member-Exchange
ML
Maximum Likelihood
NNFI
Non-Normed Fit Index
OCB
Organizational Citizenship Behavior
POS
Perceived Organizational Support
RMSEA
Root Mean Square Error of Approximation
SD
Standardabweichung (standard deviation)
SOK-Theorie
Selektions-Optimierungs-Kompensations-Theorie
SRMR
Standardized Root Mean Residual
TMX
Team-Member-Exchange
1
1 1.1
Einleitung Relevanz der Arbeit
“[The] aging of the global workforce will be the dominant factor for business and organizations in the next two decades“ (Peterson/Spiker 2005, S. 153). Die Altersstruktur des Arbeitskräfteangebots und damit auch die demographische Zusammensetzung der Beschäftigten in Unternehmen werden sich erheblich verändern: Das Durchschnittsalter wird steigen, die altersbezogene Heterogenität zunehmen (u. a. Caldwell/Farmer/Fedor 2008, S. 311; Veen/Backes-Gellner 2009, S. 29 f.). Der konstruktive Umgang mit diesen Veränderungen wird in den kommenden Jahren zur zentralen Herausforderung für Unternehmen (Caldwell/Farmer/Fedor 2008, S. 311; Ng/Feldman 2008, S. 392). Im Folgenden soll zunächst erläutert werden, welche Entwicklungen zu den veränderten Altersstrukturen in Unternehmen führen. Anschließend wird aufgezeigt, wie die vorliegende Arbeit dazu beiträgt, die Herausforderungen, die sich hieraus ergeben, zu bewältigen. Zwei Faktoren beeinflussen die Altersstruktur in Unternehmen: die demographische Entwicklung im Umfeld der Unternehmen und die internen Rahmenbedingungen. Derzeit zeichnen sich in beiden Bereichen gravierende Veränderungen ab. Die demographische Entwicklung im Umfeld der Unternehmen hängt von zwei Größen ab: der Lebenserwartung und der zusammengefassten Geburtenziffer, d. h. der durchschnittlichen Kinderzahl je Frau (Statistisches Bundesamt 2006, S. 13 ff.). Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt derzeit weltweit, wenn auch je nach Land in unterschiedlichem Ausmaß. Dies führt dazu, dass sowohl in Industrie- und Schwellenländern als auch in Entwicklungsländern die Bevölkerung altert, wobei das Ausgangsniveau und das Ausmaß der Entwicklung erheblich variieren (Ilmarinen 2009, S. 51; van der Heijden/Schalk/vanVeldhoven 2008, S. 85). Abbildung 1-1 verdeutlicht dies anhand der Entwicklung des Durchschnittsalters in verschiedenen Ländern der Welt. Der Anstieg der Lebenserwartung wird in einigen Ländern von einem Sinken der Geburtenziffer begleitet, wodurch die Bevölkerung nicht nur altert, sondern auch schrumpft. Neben Deutschland sind von einer gleichzeitigen Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung beispielsweise auch Italien, Japan, Portugal, Russland, die Tschechische Republik, die Ukraine und Ungarn betroffen (OECD 2007; United Nations 2007, S. 60).
G. Bieling, Age Inclusion, DOI 10.1007/978-3-8349-6204-1_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
Einleitung
Abbildung 1-1: Aktuelles und prognostiziertes Durchschnittsalter nach Nationen in den Jahren 2005 und 2050 (United Nations 2007, S. 8)
Der demographische Wandel zieht weltweit tief greifende makroökonomische Veränderungen nach sich, die alle volkswirtschaftlich relevanten Märkte, darunter insbesondere die Arbeitsmärkte, betreffen (Börsch-Supan 2009, S. 22; Peterson/Spiker 2005, S. 153). Am Beispiel Deutschlands soll im Folgenden dargelegt werden, wie sich die beschriebenen demographischen Entwicklungen auf den Arbeitsmarkt auswirken. Unter der Annahme, dass die Erwerbsquoten von Frauen und älteren Erwerbspersonen konstant bleiben, werden im Jahr
Relevanz der Arbeit
3
2050, verglichen mit 2010, etwa 9,6 Millionen Erwerbspersonen weniger zur Verfügung stehen (Börsch-Supan/Wilke 2007, S. 13). Der Anteil der Erwerbspersonen, die älter als 55 Jahre sind, wird sich von aktuell knapp 12 auf fast 25 Prozent mehr als verdoppeln (BörschSupan/Düzgün/Weiss 2009, S. 54); das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung wird von heute 29 auf über 42 Jahre im Jahr 2035 steigen (Veen/Backes-Gellner 2009, S. 31). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Altersstrukturverschiebungen im Erwerbspersonenpotenzial kein Übergangsphänomen sind, sondern dauerhafte Veränderungen darstellen (Börsch-Supan 2009, S. 27). Die internen Rahmenbedingungen in Unternehmen unterliegen ebenfalls massiven Veränderungen (Schalk 2004, S. 286). Zunächst ist ein Trend weg von vertikal integrierten Unternehmen zu kleineren, stärker spezialisierten Organisationen zu beobachten. Dabei wird das Management zunehmend dezentralisiert, und es kommen verstärkt kollaborative Arbeitsformen wie beispielsweise Teams zum Einsatz (Czaja/Sharit 2009b, S. 261; Farr/Ringseis 2002, S. 62). Zudem gewinnt intellektuelles Kapital für den Unternehmenserfolg immer mehr an Bedeutung (Schalk 2004, S. 286). Diese Trends erhöhen den Bedarf an hochqualifizierten Arbeitnehmern, die über ein breites Wissen sowie über Kommunikations-, Problemlöse- und Wissensmanagementfähigkeiten verfügen, sich rasch an veränderte Rahmenbedingungen anpassen können sowie fähig und bereit sind, sich kontinuierlich weiterzubilden (u. a. Capelli 2009, S. 118; Kanfer 2009, S. 210; Yeatts/Folts/Knapp 2000, S. 566). Körperliche Fähigkeiten verlieren dagegen zunehmend an Bedeutung. Zudem reduzieren neue Technologien die physischen Belastungen der Beschäftigten (Czaja/Sharit 2009a, S. 3; Kanfer 2009, S. 212). Die beschriebenen Entwicklungen externer und interner Rahmenbedingungen führen dazu, dass eine verstärkte Beschäftigung älterer Mitarbeiter nötig und möglich wird (Börsch-Supan 2009, S. 29; Czaja/Sharit 2009a, S. 2). Dies führt langfristig zu den oben beschriebenen Veränderungen der Altersstrukturen in Unternehmen: Zum einen wird das Durchschnittsalter der Beschäftigten steigen. Zum anderen wird sich die Altersspanne, d. h. der Altersunterschied zwischen dem jüngsten und dem ältesten Mitarbeiter, vergrößern und die altersbezogene Heterogenität der Belegschaft zunehmen (u.a. Caldwell/Farmer/Fedor 2008, S. 311; Veen/Backes-Gellner 2009, S. 29 f.). Dies stellt Unternehmen vor die Herausforderung, das Potenzial, das in Arbeitnehmern unterschiedlicher Altersgruppen steckt, aktiv in den Wertschöpfungsprozess einzubinden und mögliche negative Auswirkungen von Alterung bzw. steigender Altersheterogenität der Belegschaft zu verhindern (Börsch-Supan 2009, S. 26; Schalk et al. 2010, S. 92; Veen/Backes-Gellner 2009, S. 30). Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel zu untersuchen, inwieweit die Gestaltung des Umgangs mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters hierzu einen Beitrag leisten kann.
4
Einleitung
Bereits heute haben viele Unternehmen die demographischen Herausforderungen erkannt und investieren in Aktivitäten zum Management einer altersheterogenen bzw. alternden Belegschaft (u. a. Hanson/Lesser 2009, S. 90; Kanfer 2009, S. 211; Pape/Beisheim 2010, S. 72). Ein wissenschaftlicher Beleg für die Wirksamkeit solcher Maßnahmen liegt zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht vor, d. h. es ist unklar, inwieweit der Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen zum Unternehmenserfolg beiträgt. Diese Fragestellung ist Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Sie hat zum Ziel zu analysieren, ob und durch welche Mechanismen der wahrgenommene Grad der Integration von Beschäftigten unterschiedlichen Alters durch das Unternehmen, im Folgenden als Age Inclusion bezeichnet, die Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern beeinflusst. Damit ist die vorliegende Arbeit sowohl aus praktischer als auch aus wissenschaftlicher Sicht relevant. Der praktische Beitrag der Arbeit besteht in der Analyse der Erfolgswirksamkeit von Age Inclusion. Insbesondere wird aufgezeigt, wie der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters gestaltet werden sollte, um die Einstellungen und Verhaltensweisen der Beschäftigten positiv zu beeinflussen. Damit bildet die vorliegende Arbeit den Grundstein für einen erfolgreichen Umgang mit den Auswirkungen des demographischen Wandels in der Unternehmenspraxis. In der vorliegenden Arbeit wird das Konzept der Age Inclusion erstmals einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen. Der wissenschaftliche Beitrag der Arbeit besteht damit zum einen darin, das Konstrukt der Age Inclusion auf Basis theoretischer Ansätze zu definieren, konzeptualisieren und operationalisieren. Zudem schließt die Arbeit durch die Entwicklung eines theoretisch fundierten Bezugsrahmens und die Durchführung einer empirischen Studie die Forschungslücke hinsichtlich der Mechanismen, über welche sich Age Inclusion auf die Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern auswirkt (Kanfer 2009, S. 211). Schließlich wird untersucht, ob Beschäftigte unterschiedlicher Altersgruppen unterschiedlich auf Age Inclusion reagieren, d. h. ob das Alter eines Mitarbeiters die gefundenen Zusammenhänge moderiert. Damit widmet sich die vorliegende Arbeit einer weiteren Forschungslücke: den Moderatoreffekten des Alters in Bezug auf die Erfolgsauswirkungen organisationaler Rahmenbedingungen (u. a. Barnes-Farrell/Matthews 2007, S. 139; Caldwell/Farmer/Fedor 2008, S. 312; Kanfer 2009, S. 211).
1.2
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Zentrales Ziel dieser Arbeit ist es zu analysieren, inwieweit der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet. Aus diesem Erkenntnisinteresse ergeben sich drei untergeordnete Ziele, die mit ihren jeweiligen Fragestellungen in Abbildung 1-2 dargestellt sind. Diese Unterziele geben der vorliegenden Arbeit ihre Struktur, welche im Folgenden näher erläutert wird.
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
5
Abbildung 1-2: Ziele und Struktur der vorliegenden Arbeit
Hauptziel: Analyse der Erfolgsauswirkungen des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen
1. Unterziel:
2. Unterziel:
3. Unterziel:
Aufbereitung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum menschlichen Alterungsprozess mit Relevanz im organisationalen Kontext
Entwicklung des Konstrukts „Age Inclusion“
Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion
• Welche altersbedingten Veränderungen charakterisieren die menschliche Entwicklung? • Wodurch lassen sich diese Veränderungen erklären? • Inwieweit unterscheiden sich Beschäftigte unterschiedlichen Alters? • Welche Faktoren beeinflussen den Alterungsprozess?
• Wie kann der Begriff Age Inclusion definiert werden? • Welche Ansätze im Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters können unterschieden werden? • Welche Facetten umfasst Age Inclusion?
• Auf welche Erfolgsgrößen wirkt sich Age Inclusion aus? • Über welche Mechanismen beeinflusst Age Inclusion diese Erfolgsgrößen? • Inwieweit unterscheiden sich die gefundenen Zusammenhänge in Abhängigkeit vom Alter eines Mitarbeiters?
Æ Kapitel 2
Æ Kapitel 3
Æ Kapitel 4 bis 7
Im Fokus der vorliegenden Arbeit steht der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema setzt zum einen Kenntnisse über altersbedingte Veränderungen und damit über Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern voraus. Zum anderen sind Kenntnisse der Faktoren erforderlich, welche den Alterungsprozess beeinflussen. Aus diesem Grund erfolgt in Kapitel 2 eine umfassende Sichtung theoretisch-konzeptioneller bzw. empirisch gestützter Ansätze der Altersforschung, die beschreiben und erklären, welche Entwicklungen Individuen mit zunehmendem Alter durchlaufen und welche Größen diese Entwicklungen beeinflussen. Zweites Unterziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung des Konstrukts „Age Inclusion“ (vgl. Abbildung 1-2). Zu diesem Zweck wird in Kapitel 3 zunächst der Begriff definiert und erläutert, welche Ansätze im Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters unterschieden werden können. Hierzu werden zwei grundlegende Perspektiven der Altersforschung, die Defizit- und die Potenzialperspektive, gegenübergestellt und erläutert, welche Konsequenzen sich jeweils für den Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen ergeben. Anschließend werden auf Basis einer Sichtung bestehender Literatur die verschiedenen Dimensionen, welche das Konstrukt Age Inclusion umfasst, identifiziert. Das dritte Unterziel bildet den Kern der vorliegenden Arbeit: die Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion (vgl. Abbildung 1-2). Aufbauend auf den in Kapitel 2 und 3 erläuterten konzeptionellen Grundlagen soll im Rahmen einer empirischen Untersuchung geklärt werden, welchen Beitrag die Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters zum Unternehmenserfolg leisten kann. Dabei stehen drei Fragestellungen im Fokus (vgl. Abbildung 1-2):
6
Einleitung
1. Welche Erfolgsgrößen werden durch Age Inclusion beeinflusst? In der bestehenden Literatur zum Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters wird überwiegend von der Annahme ausgegangen, dass ein „altersgerechtes“ Management von Mitarbeitern deren Einstellungen, Wohlbefinden und Leistung positiv beeinflussen (Becker 2010, S. 70; Koper 2006, S. 69). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll diese Annahme erstmals einer umfassenden wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen werden. 2. Über welche Mechanismen wirkt sich Age Inclusion auf diese Erfolgsgrößen aus? Eine umfassende Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion schließt nicht allein das „Ob“, sondern auch das „Wie“ ein. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel zu analysieren, welche zwischengelagerten Größen den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und den jeweiligen Erfolgsgrößen mediieren. Erst ein theoretisch fundiertes Verständnis für diese Wirkungsmechanismen ermöglicht es, valide Aussagen über die Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion zu treffen. 3. Unterscheiden sich Beschäftigte unterschiedlichen Alters in ihrer Reaktion auf den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen in Unternehmen? Obwohl zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass individuelle Merkmale wie beispielsweise die kognitiven Fähigkeiten, die Persönlichkeitseigenschaften oder die Ziele und Interessen einer Person altersbedingten Veränderungen unterliegen, ist bisher weitgehend unklar, „how age may moderate the effect of organizational practices on individual performance“ (Caldwell/Farmer/Fedor 2008, S. 312). Angesichts einer zunehmenden altersbezogenen Heterogenität der Beschäftigten gewinnt diese Fragestellung sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmenspraxis an Bedeutung. Das dritte Unterziel dieser Arbeit, die umfassende Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion, soll in drei Schritten erreicht werden (vgl. Abbildung 1-3).
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
7
Abbildung 1-3: Vorgehen zur Analyse von Erfolgsauswirkungen der Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen
3. Unterziel: Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion
1. Schritt:
2. Schritt:
3. Schritt:
Identifikation von Wirkungsmechanismen
Entwicklung eines Bezugsrahmens und Formulierung von Hypothesen
Durchführung und Auswertung der empirischen Untersuchung sowie Diskussion der Ergebnisse
• Welche theoretisch-konzeptionellen Ansätze können herangezogen werden, um die Erfolgsrelevanz von Age Inclusion zu erklären? • Welche Erkenntnisse lassen sich aus bestehenden empirischen Studien zu diesen Ansätzen für die vorliegende Arbeit ableiten?
• Auf welche Erfolgsgrößen kann sich Age Inclusion auswirken? • Welche kausalen Ketten sind auf Grund theoretisch-konzeptioneller Überlegungen im Hinblick auf die Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion zu postulieren? • Inwieweit ist zu erwarten, dass die formulierten Zusammenhänge durch das Alter eines Beschäftigten moderiert werden?
• Welche Stichprobe liegt der Studie zu Grunde? • Wie wird bei der Datenanalyse vorgegangen? • Inwieweit können die formulierten Hypothesen zu W irkungszusammenhängen und Moderatoreffekten bestätigt werden? • Welche Schlussfolgerungen können aus den Ergebnissen der empirischen Untersuchung gezogen werden? • Welche Restriktionen müssen bei der Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung berücksichtigt werden?
Æ Kapitel 4
Æ Kapitel 5
Æ Kapitel 6 und 7
Um die Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion zu analysieren, müssen zunächst die zu Grunde liegenden Wirkungsmechanismen identifiziert werden (vgl. Abbildung 1-3). Dies erfolgt in Kapitel 4. Hierzu werden zwei Theorien aus dem Bereich des Organisationalen Verhaltens, die Theorie der organisationalen Gerechtigkeit und die Soziale Austauschtheorie, vorgestellt und deren Annahmen und Kernaussagen erläutert. Anschließend werden beide Theorien herangezogen, um zu erklären, über welche Mechanismen Age Inclusion zentrale Erfolgsgrößen beeinflussen könnte. Auf Basis der in Kapitel 4 identifizierten Wirkungsmechanismen wird in Kapitel 5 der Bezugsrahmen für die eigene empirische Untersuchung entwickelt. Dieser bildet die Basis für die Formulierung von Hypothesen über die Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion. Neben direkten und indirekten Zusammenhängen werden auch moderierende Effekte des Alters der betroffenen Mitarbeiter postuliert. Die Herleitung der Hypothesen zu Moderatoreffekten erfolgt auf Basis der in Kapitel 2 dargelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Unterschieden zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern. Kapitel 6 widmet sich den Grundlagen der empirischen Untersuchung. Zum einen werden die Vorgehensweise bei der Datenerhebung sowie die Zusammensetzung der Stichprobe beschrieben. Zum anderen werden die methodischen Grundlagen erläutert, d. h. es wird aufgezeigt, wie die Güte der verwendeten Messinstrumente bestimmt wird und auf welche Weise die in Kapitel 5 formulierten Hypothesen geprüft werden.
8
Einleitung
In Kapitel 7 wird zunächst die Operationalisierung der Konstrukte des in Kapitel 6 vorgestellten Bezugsrahmens erläutert. Eine zentrale Größe der empirischen Untersuchung ist Age Inclusion. Dieses Konstrukt wird in der vorliegenden Arbeit erstmals empirisch erhoben. Deshalb ist die umfassende Validierung des Messinstruments von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus wird in Kapitel 7 die Güte der weiteren Messinstrumente berichtet. Anschließend werden die Ergebnisse der Hypothesenprüfung dargelegt und der Bezugsrahmen in seiner Gesamtheit auf seine Gültigkeit hin überprüft. Kapitel 7 schließt mit einer Diskussion der Ergebnisse der empirischen Untersuchung, in der auch Restriktionen der Studie berücksichtigt werden. Im letzten Kapitel, Kapitel 8, werden die Implikationen, die sich aus der vorliegenden Arbeit für die Wissenschaft und die Unternehmenspraxis ergeben, erläutert. Zunächst werden die gewonnenen Erkenntnisse einer kritischen wissenschaftlichen Bewertung unterzogen. Dabei werden sowohl die wichtigsten Beiträge der Arbeit zur bestehenden Forschung zum Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters herausgearbeitet als auch Implikationen für die zukünftige Forschung auf diesem Gebiet gegeben. Anschließend werden Handlungsempfehlungen für den Umgang mit einer altersheterogenen Belegschaft in der Unternehmenspraxis abgeleitet.
9
2
Alter und Altern im organisationalen Kontext
2.1
Begriffsdefinition
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema setzt voraus, dass die Begriffe „Mitarbeiter“ sowie „Alter“ bzw. „Altern“ definiert und von verwandten Begriffen abgegrenzt werden. Unter Mitarbeitern versteht man im Allgemeinen Personen, die für öffentliche oder privatwirtschaftliche Organisationen Arbeit verrichten (Bruggmann 2000, S. 4 f.). Dazu gehören sowohl Beschäftigte mit als auch Beschäftigte ohne Führungsverantwortung. Die Begriffe Mitarbeiter und Beschäftigte werden im Folgenden synonym verwendet. Wird von Führungskräften gesprochen, ist ausschließlich die Gruppe derjenigen Mitarbeiter gemeint, die andere Mitarbeiter führen, also über Weisungsbefugnis gegenüber einer Gruppe von Beschäftigten verfügen.1 Zur Definition der Begriffe „Alter“ bzw. „Altern“ liegen zahlreiche unterschiedliche Ansätze vor (Schalk et al. 2010, S. 78). Dies ist darauf zurückzuführen, dass das menschliche Alter bzw. Altern Gegenstand verschiedenster Forschungsdisziplinen ist. Neben der Biologie, der Psychologie und der Soziologie, die jeweils eigenständige Forschungsstränge zum Komplex des Alters bzw. Alterns hervorgebracht haben, beschäftigen sich beispielsweise auch einzelne betriebswirtschaftliche und arbeitswissenschaftliche Arbeiten mit den Auswirkungen des Alters bzw. Alterns von Mitarbeitern in Organisationen. Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die Definitionen der Begriffe „Alter“ bzw. „Altern“ in wissenschaftlichen Arbeiten sowie deren Verwendung im praktischen Sprachgebrauch gegeben werden. Darauf aufbauend wird die dieser Arbeit zu Grunde liegende Definition der Begriffe entwickelt. Tabelle 2-1 stellt die verschiedenen Definitionen der Begriffe „Alter“ bzw. „Altern“ in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen gegenüber. Wie Tabelle 2-1 zeigt, hängt das Begriffsverständnis maßgeblich von der jeweiligen wissenschaftlichen Perspektive und dem Erkenntnisinteresse ab. Während beispielsweise aus biologischer Sicht altersbedingte physiolo1
Hier und im Folgenden werden die Bezeichnungen „Mitarbeiter“, „Beschäftigte“ etc. als Sammelbegriffe für Erwerbspersonen beiderlei Geschlechts verwendet. Geschlechtsspezifische Differenzierungen werden explizit gekennzeichnet.
G. Bieling, Age Inclusion, DOI 10.1007/978-3-8349-6204-1_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
10
Alter und Altern im organisationalen Kontext
gische und anatomische Veränderungen im Fokus stehen, beschäftigt sich die Psychologie im Zusammenhang mit dem Alter(n) insbesondere mit der Entwicklung von Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen, Motiven und Erwartungen sowie der Veränderung subjektiver Wahrnehmungen. Tabelle 2-1: Wissenschaftliche Ansätze zur Definition der Begriffe „Alter“ und „Altern“ Ansatz (Wissenschaftliche Disziplin)
Definition/Abgrenzung „Alter“
Definition „Altern“
Chronologisches Alter (nicht zuordenbar) (Bruggmann 2000, S. 7; Kimmel 1990, S. 604)
x x
auch: kalendarisches Alter Alter als absolute und objektiv erfassbare Größe gemessen als Anzahl der Lebensjahre seit der Geburt fungiert als Indikator für den Stand von Entwicklung bzw. Alterungsprozess
Eintritt in ein neues Lebensjahr
beruht auf Einschätzung der aktuellen Position eines Individuums hinsichtlich seiner potenziellen Lebensspanne bezieht sich auf physiologische und anatomische Veränderungen, welche mit dem Alterungsprozess einhergehen nicht exakt einem chronologischen Alter zuordenbar, da physiologische und anatomische Veränderungen individuelle Varianz aufweisen hohe Relevanz für körperliche Leistungsfähigkeit
Rückgang physischer Fähigkeiten, der die Auftretenshäufigkeit von umweltbedingtem Stress (z. B. Krankheiten, Unfälle) erhöht und dessen negative Auswirkungen verstärkt
x x
Biologisches Alter (Biologie/Medizin) (Bruggmann 2000, S. 7; Kimmel 1990, S. 364; Schroots/Birren 1990, S. 47)
x x x
x Psychologisches Alter (Psychologie) (Bruggmann 2000, S. 8; Schroots/Birren 1990, S. 50)
x
nicht eindeutig definiert
systematische altersabhängige Veränderungen von Persönlichkeitsmerkmalen, Bedürfnissen, Erwartungen und Verhalten, insbesondere adaptiver Kapazitäten
Subjektives Alter (Psychologie) (Shore/Cleveland/Goldberg 2003, S. 530)
x
bezieht sich darauf, als wie alt ein Individuum sich selbst wahrnimmt reflektiert die Altersgruppe, der sich das Individuum am nächsten fühlt korreliert mit zunehmendem chronologischem Alter abnehmend stark mit diesem
Veränderungen der wahrgenommenen Altersgruppenzugehörigkeit, in dem Sinn, dass sich das Individuum einer älteren Gruppe zuordnet
beschreibt den Status eines Individuums in Bezug auf sozial definierte Meilensteine der menschlichen Entwicklung, so genannte Altersnormen (z. B. Berufseinstieg, Heirat etc.) beruht auf Zuschreibung durch andere, also Fremdwahrnehmung
Durchlaufen einer Abfolge sozial definierter Meilensteine durch das Individuum
x x
Soziales Alter (Soziologie) (Cleveland/Shore 1992, S. 470; Kimmel 1990, S. 609; Lawrence 1988, S. 309)
x
x
Begriffsdefinition
11
Ansatz (Wissenschaftliche Disziplin)
Definition/Abgrenzung „Alter“
Definition „Altern“
Relatives Alter (Soziologie) (Cleveland/Shore 1992, S. 470)
x x
kontextbezogen bestimmt durch das Alter einer Person im Verhältnis zu einer Normgruppe, bspw. das Alter eines Mitarbeiters im Verhältnis zum Durchschnittsalter seiner Arbeitsgruppe
Veränderungen der Altersrelation von Individuum und Normgruppe, so dass das Individuum relativ älter ist als der Durchschnitt der Normgruppe
Funktionales Alter (Arbeits- und Organisationspsychologie/Arbeitswissenschaften/Medizin) (Bruggmann 2000, S. 8; Sterns/Miklos 1995, S. 252 ff.)
x x
leistungsorientierte Altersdefinition gemessen als Erfüllungsgrad von Leistungsanforderungen (als Ergebnis verschiedener, mit zunehmendem chronologischem Alter durchlaufener biologischer und psychologischer Veränderungen) Bezugsgrößen: Gesundheitszustand, physische und kognitive Leistungsvoraussetzungen, Arbeitsleistung an sich
Veränderung des Erfüllungsgrads der Leistungsanforderungen seitens des Individuums auf Grund altersbedingter biologischer und psychologischer Veränderungen
x
Arbeits- und betriebssoziologische Ansätze (Arbeits- und Betriebssoziologie/Arbeitswissenschaften) (Naegele/Frerichs 2004, Spalte 86)
Einstufung eines Arbeitnehmers in eine Altersgruppe hängt ab von: x Bildungsniveau x Grad der physischen und psychischen Anforderungen x Möglichkeit und Fähigkeit zu individuellen Dispositionen x Grad des technischen Fortschritts
Veränderung der Einstufung eines Arbeitnehmers in eine Altersgruppe auf Grund veränderter Indikatoren
Organisationales Alter (Arbeits- und Organisationspsychologie) (Bruggmann 2000, S. 9; Sterns/Miklos 1995, S. 258 ff.)
x
gemessen als Dauer des Verbleibs in einer organisationalen Rolle meist operationalisiert über Betriebszugehörigkeitsdauer oder Dauer der Tätigkeit in einer bestimmten Stellung beinhaltet evtl. auch soziale Elemente wie die Unternehmenskultur und damit die organisationsspezifische Wahrnehmung von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen
Zunahme der Dauer des Verbleibs des Individuums in einer organisationalen Rolle
bezieht sich auf Ausmaß sozialer Risiken eines Arbeitnehmers in Abhängigkeit seines Alters, das Anlass für sozialpolitisches Handeln gibt
Zunahme sozialer Risiken aus Sicht eines Arbeitnehmers auf Grund des Erreichens eines bestimmten chronologischen Alters
x x
Sozialpolitikwissenschaftlicher x Ansatz (Politikwissenschaften) (Bruggmann 2000, S. 10)
Die in Tabelle 2-1 aufgeführten Ansätze zur Definition der Begriffe „Alter“ bzw. „Altern“ lassen sich danach unterscheiden, ob sie sich ausschließlich auf das Individuum oder auf ein Wechselspiel zwischen dem Individuum und dessen Umfeld beziehen (Schalk et al. 2010, S. 79). Während biologische und psychologische Ansätze sich insbesondere mit den altersbedingten Veränderungen eines Individuums beschäftigten, beziehen sich soziologische Ansätze auf die Interaktion zwischen einem Menschen und dessen sozialem Umfeld. Das Zusammenwirken von Mensch und arbeitsbezogenem Umfeld ist Gegenstand arbeitssoziologischer und organisationspsychologischer Ansätze. Der sozialpolitikwissenschaftliche Ansatz bezieht sich schließlich auf das Zusammenspiel von Individuum und gesellschaftlichen Rahmenbedingun-
12
Alter und Altern im organisationalen Kontext
gen. Dies verdeutlicht noch einmal, wie stark das Verständnis der Begriffe „Alter“ und „Altern“ von der Forschungsperspektive und dem jeweiligen Erkenntnisinteresse abhängt. Wie Tabelle 2-1 zeigt, geht die Mehrzahl der wissenschaftlichen Definitionen des Alters über die rein chronologische Dimension hinaus – im Gegensatz zu dem im alltäglichen Sprachgebrauch verbreiteten Verständnis des Alters als zeitliche Maßgröße. Je nach Ansatz wird die zeitliche Dimension des Alters entweder mit anderen Dimensionen verknüpft (im Fall des biologischen Alters beispielsweise mit der physiologischen bzw. anatomischen) oder ganz durch andere Dimensionen ersetzt (im Fall des subjektiven Alters durch die subjektive Wahrnehmung der jeweiligen Person) (Bruggmann 2000, S. 6). Folglich variiert die Korrelation unterschiedlicher Alterskonzepte mit dem chronologischen Alter erheblich. Trotz der Vielzahl wissenschaftlicher Ansätze zur Definition des Begriffs „Alter“ wird in empirischen Untersuchungen, die sich mit Altersunterschieden beschäftigen, fast ausschließlich das kalendarische Alter als erklärende Variable herangezogen. Dazu werden die Probanden meist anhand ihres Geburtsjahres in Altersgruppen eingeteilt, wobei eine Begründung für die gewählte Anzahl und Abgrenzung der Altersgruppen in der Regel unterbleibt. Nur wenige Studien berücksichtigen zusätzlich zum chronologischen Alter theoretische Konzepte wie das subjektive Alter (z. B. Cleveland/Shore 1992; Shore/Cleveland/Goldberg 2003) oder das relative Alter (z. B. Cleveland/Shore 1992; Maurer/Weiss/Barbeite 2003). Cleveland und Shore (1992) konnten in ihrer Untersuchung zwar beiden Konzepten bei der Prognose verschiedener arbeitsbezogener Kriterien inkrementelle Validität gegenüber dem chronologischen Alter nachweisen, die Erklärungszuwächse waren allerdings gering (Cleveland/Shore 1992, S. 480). Neben der zunehmenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Themenkomplexen Alter und Altern ist auf Grund des in Abschnitt 1.1 beschriebenen demographischen Wandels zu beobachten, dass das Alter von Menschen im Allgemeinen sowie der Begriff des älteren Mitarbeiters im Besonderen in der öffentlichen Diskussion zunehmend an Bedeutung gewinnen. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Blick auf die Verwendung des Begriffs in öffentlichen Institutionen und der unternehmerischen Praxis lohnenswert (vgl. Tabelle 2-2). Auch hier zeigt sich die Dominanz des chronologischen Alters als Abgrenzungskriterium zwischen älteren und jüngeren Beschäftigten bzw. Erwerbspersonen (Sterns/Miklos 1995, S. 250). Gerade in der personalwirtschaftlichen Praxis kommt dem chronologischen Alter eine relativ hohe Bedeutung zu: Es wird als Indikator für andere Eigenschaften einer Person (wie bspw. ihrer Leistungs- und Lernfähigkeit oder ihrer Erfahrung) interpretiert und als solcher zur Grundlage von Auswahl-, Beförderungs- oder Freisetzungsentscheidungen gemacht (Koller/Gruber 2001, S. 482 f.; Sturman 2003, S. 610). Dass die in der öffentlichen Diskussion verwendete Altersgrenze um bis zu 20 Jahre schwankt (vgl. Tabelle 2-2), ist ein Indiz dafür, dass die Grenzziehung zwischen jüngeren und älteren Erwerbspersonen vom jeweiligen Zweck der Zuordnung beeinflusst wird (Bruggmann 2000, S. 11 f.).
Begriffsdefinition
13
Tabelle 2-2: Definitionen der Begriffe „älterer Mitarbeiter“ bzw. „ältere Erwerbsperson“ in der öffentlichen Diskussion Quelle
Definition älterer Erwerbspersonen
OECD
bezeichnet Arbeitnehmer, die sich in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens befinden, als „älter“; daraus ergibt sich eine Altersgrenze bei etwa 45 Jahren
WHO (World Health Organization)
weist Personen zwischen 60 und 75 Jahren als „ältere Menschen“ aus
Eurostat
weist Erwerbspersonen ab einem Alter von 55 Jahren als „älter“ aus
Bundesagentur für Arbeit, amtliche Arbeitsmarktstatistik
weist Beschäftigte ab einem Alter von 50 Jahren als „älter“ aus
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
bezeichnet Erwerbspersonen ab einem Alter von 50 Jahren als „älter“
Age Discrimination of Employment Act (USA 1976)
gilt für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende ab einem Alter von 40 Jahren
Altersteilzeitgesetz, § 2
begünstigt Personen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben
Teilzeit- und Befristungsgesetz, § 14 (Befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund)
gilt für Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr erreicht haben
Sozialgesetzbuch III, §421j (Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer)
gilt für Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben
Personalverantwortliche (in einer Befragung von 154 Personen; Koller/Gruber 2001, S. 487)
bezeichnen Mitarbeiter im Durchschnitt ab 50,7 Jahren als „älter“; 80% geben eine Altersgrenze zwischen 45 und 55 Jahren an
Um den vielfältigen, verschiedenste Bereiche betreffenden Veränderungen, die mit der Alterung eines Menschen einhergehen, gerecht zu werden, wird in der vorliegenden Arbeit ein ganzheitlicher Alternsbegriff zu Grunde gelegt, der die verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven des Alterns (vgl. Tabelle 2-1) zusammenführt. In Anlehnung an Schalk und Kollegen (2010, S. 78) wird Altern definiert als ein multidimensionaler Prozess, der im Zeitverlauf Veränderungen auf allen Ebenen des menschlichen Individuums bzw. seiner Interaktionen mit seinem Umfeld (z. B. biologische Merkmale, psychologische Eigenschaften, soziale Verhaltensweisen) nach sich ziehen kann. Diese Veränderungen können sich sowohl positiv als auch negativ auf das Individuum und sein Umfeld auswirken. Der Alterungsprozess ist nicht exakt vorhersehbar; sein Verlauf variiert vielmehr in Abhängigkeit von den früheren und aktuellen Charakteristika, Einstellungen und Verhaltensweisen eines Individuums. In der Folge ist eine eindeutige Abgrenzung zwischen jüngeren und älteren Personen nicht möglich.
14
Alter und Altern im organisationalen Kontext
2.2
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
Ziel des vorliegenden Abschnitts ist eine umfassende Sichtung theoretisch-konzeptioneller Ansätze der Altersforschung, die einen Erklärungsbeitrag zum Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen liefern. In diesem Zusammenhang sind zum einen Ansätze relevant, die Einflussfaktoren des menschlichen Alterungsprozesses identifizieren. Zum anderen stehen Ansätze im Fokus, welche sich mit den Auswirkungen des Alterns, d. h. altersbedingten Entwicklungen, auseinandersetzen, die im organisationalen Kontext von Bedeutung sind, beispielsweise weil sie die Einstellung zur Arbeit, das Arbeitsverhalten oder die Arbeitsleistung beeinflussen. Zu Beginn des vorliegenden Abschnitts wird ein kurzer historischer Abriss über die Entwicklung der Altersforschung gegeben und deren heutige Bedeutung dargelegt. Die Erforschung des Alterns, seiner Einflussfaktoren und Auswirkungen war und ist Gegenstand verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen. Die erste Auseinandersetzung mit den Themen „Alter“ und „Altern“ erfolgte in der Philosophie (Bengtson et al. 2009, S. 6). Bereits im vierten Jahrhundert vor Christus entwickelte Aristoteles eine erste Theorie des Alterns (Achenbaum 2009, S. 25). Er gliederte das menschliche Leben in vier Entwicklungsphasen, die durch unterschiedliche klimatische Zustände charakterisiert wurden. So wird beispielsweise die Jugend als heiß und feucht beschrieben, während das hohe Alter als kalt und trocken charakterisiert wird (Bengtson et al. 2009, S. 6). Die wissenschaftliche Disziplin, die sich als erste strukturiert mit der Erforschung von Alterungsvorgängen beschäftigte, war die Medizin. Mit dem Beginn systematischer Altersforschung zwischen den beiden Weltkriegen und der daran anschließenden „Expansionsphase der Altersforschung“ (Birren 1961, zitiert nach Lehr 2007, S. 12) kam es zu einer Ausweitung der wissenschaftlichen Aktivitäten auf weitere Disziplinen der Naturund Sozialwissenschaften. Diese Expansion sowie die Erkenntnis, dass es sich beim Altern um einen komplexen, vielschichtigen Prozess handelt, führten schließlich zur Entstehung der Gerontologie, einem interdisziplinär ausgerichteten Fachgebiet, das die menschlichen Alterungsvorgänge sowohl unter biologischen, medizinischen, psychologischen als auch sozialen Aspekten erforscht2 (Baltes 1994, S. 8; Lehr 2007, S. 5 ff.).
2
Hier hinkte Deutschland der internationalen Entwicklung um einiges nach: Während 1950 in Lüttich die „International Association of Gerontology“ und in den 70er Jahren durch Birren das Institut für Gerontologie an der Universität von Südkalifornien gegründet wurde, kam es in Deutschland erst 1967 zum Zusammenschluss der „Deutschen Gesellschaft für Gerontologie“; der erste deutsche Lehrstuhl für Gerontologie wurde 1986 in Heidelberg gegründet (vgl. Baltes 1994, S. 8 ff.; Lehr 2007, S. 19 ff.).
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
15
Der interdisziplinäre Ansatz hat sich heute weitgehend durchgesetzt: Seit Beginn des 21. Jahrhunderts konzentriert sich die Altersforschung auf die Zusammenführung der Erkenntnisse einzelner wissenschaftlicher Disziplinen sowie die Entwicklung ganzheitlicher Theorien und Konzepte, mit dem Ziel, ein umfassendes Verständnis des Alterungsprozesses und altersbezogener Zusammenhänge zu erlangen (Bengtson et al. 2009, S. 22). Der interdisziplinäre Ansatz der Altersforschung zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sowohl Zusammenhänge auf der Mikroebene (d. h. auf Ebene des Individuums), der Mesoebene (d. h. auf Ebene von Gruppen) als auch der Makroebene (d. h. auf der Ebene von Organisationen und Gesellschaften) berücksichtigt und deren Wechselwirkungen analysiert werden. In diesem Kontext ist auch die vorliegende Arbeit einzuordnen, die sich mit den Auswirkungen des organisationalen Umgangs mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters (Makroebene) auf die Einstellungen und Verhaltensweisen von einzelnen Mitarbeitern (Mikroebene) beschäftigt. Einen Überblick über die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit originärer Altersforschung beschäftigten, sowie deren Erkenntnisinteresse und Forschungsgegenstand gibt Abbildung 2-1. Abbildung 2-1: Überblick über Forschungsgegenstand und Erkenntnisinteresse verschiedener Wissenschaftsdisziplinen im Bereich originärer Altersforschung Theoretisch-konzeptionelle Ansätze zum Altern
Biologische Ansätze • Betrachtungsgegenstand: Organismus • Erkenntnisinteresse: Erklärung der Ursachen und des Verlaufs des Alterungsprozesses von lebenden Organismen
Psychologische Ansätze • Betrachtungsgegenstand: Individuum • Erkenntnisinteresse: Erklärung der altersbedingten bzw. alterskorrelierten Veränderungen psychologischer Konstrukte
Soziologische Ansätze
Gruppensoziologische Ansätze
Gesellschaftssoziologische Ansätze
• Betrachtungsgegenstand: Gruppe von Individuen • Erkenntnisinteresse: Erklärung der Auswirkungen des Alterns auf soziale Interaktionen/ Prozesse bzw. Erklärung des Einflusses gruppendynamischer Prozesse auf das Altern
• Betrachtungsgegenstand: Gesellschaft/Staat • Erkenntnisinteresse: Erklärung gesellschaftlicher Folgen demographischer Veränderungen bzw. Erklärung des Einflusses gesellschaftlicher Rahmenbedingungen auf das Altern
Interdisziplinäre Ansätze • Betrachtungsgegenstand : Individuum und Person-Umwelt-Interaktionen • Erkenntnisinteresse: Erklärung komplexer Zusammenhänge zwischen dem Altern eines Individuums, dessen Bedürfnissen, Motiven, Befindlichkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen sowie dessen Umwelt (Gruppen, Organisationen, Gesellschaft)
Mit dem demographischen Wandel und dem zunehmenden Bewusstwerden seiner gesamtgesellschaftlichen Relevanz, rücken der Alterungsprozess und seine Auswirkungen auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen wie beispielsweise der Betriebs- oder der Volkswirtschaftslehre in den Fokus. Um fachgebietsspezifische Fragestellungen zu beantworten, wird in konzeptionellen und empirischen Arbeiten auf Theorien, Konzepte und
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
empirische Erkenntnisse der originären Altersforschung zurückgegriffen; eigenständige Theorien werden in der Regel nicht entwickelt. Für die vorliegende Arbeit sind insbesondere solche Arbeiten von Interesse, die das Altern im Kontext organisationaler Fragestellungen zum Gegenstand machen. Abbildung 2-2 gibt einen Überblick über die verschiedenen in diesem Zusammenhang relevanten Disziplinen und deren jeweiligen Forschungsgegenstand. Abbildung 2-2: Überblick über Forschungsgegenstand und Erkenntnisinteresse nicht-originärer Altersforschung im Kontext organisationaler Fragestellungen
Forschungen zu altersbezogenen Fragestellungen im organisationalen Kontext
Betriebswirtschaftslehre
Arbeits-/Organisationspsychologie
• Betrachtungsgegenstand: Beschäftigung von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters im Unternehmen • Erkenntnisinteresse: Beschreibung und Analyse der Auswirkungen einer steigenden Altersheterogenität bzw. einer Alterung der Belegschaft auf unternehmensbezogene Erfolgsgrößen (z. B. Produktivität, Fluktuation)
• Betrachtungsgegenstand: Alternde Menschen als Mitarbeiter • Erkenntnisinteresse: Beschreibung und Analyse der alternsbedingten Veränderungen psychischer Merkmale und Mechanismen und ihrer Auswirkungen auf arbeitsbezogene Aspekte wie Leistungsmotivation oder Arbeitszufriedenheit
Arbeitssoziologie
Arbeitswissenschaften
• Betrachtungsgegenstand: Menschen unterschiedlichen Alters im Kontext von Arbeit und Gesellschaft • Erkenntnisinteresse: Beschreibung der sozialen Rollen von Menschen unterschiedlichen Alters und deren gesellschaftlicher Stellung unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Berufstätigkeit
• Betrachtungsgegenstand: physische und mentale Leistungsfähigkeit alternder Arbeitnehmer • Erkenntnisinteresse: Beschreibung und Analyse der alterns- und arbeitsbedingten Veränderungen der körperlichen und geistigen Funktionsfähigkeit sowie Ableitung von Implikationen für die Arbeitsorganisation und -gestaltung
Wie die vorangegangenen Ausführungen deutlich machen, existiert eine Vielzahl unterschiedlichster theoretischer Perspektiven zu den Themenkomplexen „Alter“ und „Altern“. In den folgenden Abschnitten sollen ausschließlich jene theoretischen sowie empirisch gestützten Ansätze erläutert werden, die Einflussfaktoren und Auswirkungen des menschlichen Alterungsprozesses identifizieren bzw. erklären, welche im organisationalen Kontext von Bedeutung sind. Dazu gehören Ansätze, die (a) erläutern, welche Faktoren im Arbeitsumfeld den Alterungsprozess von Mitarbeitern beeinflussen, oder (b) altersbedingte Veränderungen beschreiben bzw. erklären und dadurch Hinweise auf Unterschiede zwischen Mitarbeitern unterschiedlichen Alters geben. Abbildung 2-3 gibt einen Überblick über die im vorliegenden Kapitel behandelten wissenschaftlichen Ansätze. Dabei ist zwischen Theorien bzw. Modellen und empirisch gestützten Ansätzen zu unterscheiden. Während empirisch gestützte Ansätze lediglich empirische Befunde zu alterskorrelierten Entwicklungen verallgemeinern, ohne Aussagen über die ursächlichen Zusammenhänge zu treffen, liefern Theorien und Modelle Kausalitätsaussagen, d. h. es werden altersbedingte Veränderungen prognostiziert. Der Unterschied zwischen Theorien und Modellen besteht wiederum darin, dass erstere zusätzlich
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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zu ihren Aussagen über die Kausalität den zu Grunde liegenden Mechanismus erläutern, also beispielsweise erklären, warum sich ein Konstrukt mit zunehmendem Alter eines Menschen in einer bestimmten Art und Weise verändert. Abbildung 2-3: Überblick über Ansätze der Altersforschung mit Erklärungsbeitrag zu Einflussfaktoren und Auswirkungen des Alterungsprozesses mit Relevanz im organisationalen Kontext Wissenschaftliche Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
Ansätze zu Einflussfaktoren des Alterungsprozesses
Theorien erfolgreichen Alterns Selektions-OptimierungsKompensations-Theorie
Ansätze zu Auswirkungen des Alterungsprozesses
Theorien und Modelle
Empirisch gestützte Ansätze
Defizitansätze
... zur Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit
Phasenansätze
... zur Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit
Wachstumsansätze
... zur Entwicklung der Persönlichkeit
Motivationsbezogene Ansätze
... zur Entwicklung von Emotionsempfindung und -verarbeitung
Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping
Modell des arbeitsinduzierten Alterns
Socioemotional Selectivity Theory Modell altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation
... zur Entwicklung der beruflichen Leistung Pfadanalytisches Modell der Berufsleistung Four-Category Framework
2.2.1
Ansätze zu Einflussfaktoren des Alterungsprozesses
2.2.1.1 Theorien des erfolgreichen Alterns Die Theorien erfolgreichen Alterns (Approaches to Adaptive Regulation of Life Span Development) sind in der Life Span Psychology Theory verankert. Diese Theorie befasst sich mit der menschlichen Entwicklung, die sich von der Geburt bis zum Tod erstreckt, also das gesamte Leben eines Menschen umfasst (Lindenberger/Baltes 2000, S. 52; Schulz/Heckhausen 1996, S. 703). Die menschliche Entwicklung wird dabei als ein lebenslanger, dynamischer, multidimensionaler und nicht-linearer Prozess definiert, der die Aneignung, Aufrechterhaltung, Transformation sowie Abnutzung psychologischer Strukturen und Funktionen umfasst (Lindenberger/Baltes 2000, S. 52). Die Erkenntnisziele der Theorie sind die Erklärung interindividueller Regelmäßigkeiten und Unterschiede sowie das Verständnis intraindividueller Plastizität in Bezug auf die menschliche Entwicklung (Baltes/Staudinger/Lindenberger 1999, S. 472).
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
Die Life Span Psychology Theory beruht auf fünf Annahmen über die menschliche Entwicklung (Baltes/Staudinger/Lindenberger 1999, S. 474 ff.; Lindenberger/Baltes 2000, S. 53 f.; Schulz/Heckhausen 1996, S. 703 f.): 1. Das Leben ist endlich, wodurch der menschlichen Entwicklung natürliche Grenzen gesetzt werden. Das Bewusstsein dieser Endlichkeit beeinflusst das Verhalten und die Gefühlszustände eines Menschen. 2. Die menschliche Entwicklung ist durch die genetische Ausstattung eines Menschen begrenzt. Der Nutzen, der sich aus einer vorteilhaften genetischen Ausstattung wie beispielsweise einer bestimmten Körpergröße oder der Resistenz gegen bestimmte Krankheiten ergibt, hat einen degressiven Verlauf. Dies bedeutet, dass mit dem Alter eines Menschen der Grenznutzen seiner genetischen Veranlagung abnimmt. 3. Mit dem Alter eines Menschen steigt dessen Bedarf an psychologischen, sozialen, materiellen und wissensbasierten Ressourcen, die im Lauf der Entwicklung der Menschheit hervorgebracht wurden. Diese Art von Ressourcen wird als kulturell bezeichnet. Zu den kulturellen Ressourcen zählen beispielsweise kognitive Fähigkeiten, motivationale Dispositionen, Sprachgebrauch oder Technologien. 4. Die Effizienz, d. h. der Grenznutzen des Einsatzes kultureller Ressourcen nimmt mit steigendem Alter ab. Je älter ein Mensch ist, desto mehr dieser Ressourcen sind erforderlich, um Entwicklungsziele zu erreichen. 5. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen beschränken die menschliche Entwicklung, indem sie für bestimmte Lebensereignisse und -abschnitte ein normatives Alter vorgeben. Darüber hinaus sind Entwicklungspfade (z. B. für die berufliche Spezialisierung) gesellschaftlich definiert, wodurch mit fortschreitender Entwicklung ein Übergang zu alternativen Entwicklungspfaden zunehmend erschwert wird. Gemäß der Life Span Psychology Theory ist es Ziel der menschlichen Entwicklung, die verfügbaren genetischen und kulturellen Ressourcen so einzusetzen, dass die individuelle Funktionsfähigkeit (a) gesteigert, (b) angesichts veränderter Umweltbedingungen oder altersbedingter Verluste stabil gehalten bzw. (c) unvermeidbare Verluste der Funktionsfähigkeit durch das Individuum kontrolliert werden können (Lindenberger/Baltes 2000, S. 54). Das Ziel des erfolgreichen Ressourceneinsatzes kann sich auf unterschiedliche Bereiche der menschlichen Entwicklung (z. B. Beruf, Paarbeziehung, Familie) beziehen. Häufig stehen diese Bereiche in Konkurrenz zueinander. Angesichts begrenzter Ressourcen und sich verändernder Rahmenbedingungen ist der Mensch deshalb gezwungen, im Lauf seines Lebens die Entwicklungsziele immer wieder neu zu priorisieren. Basierend auf den Grundannahmen der Life Span Psychology Theory wurden seit Ende der 80er Jahre verschiedene Ansätze des erfolgreichen Alterns entwickelt (Schulz/Heckhausen 1996, S. 702). Im Kern gehen diese Ansätze davon aus, dass die menschliche Entwicklung
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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durch ein Wechselspiel zwischen äußeren Rahmenbedingungen und dem Individuum beeinflusst wird und unterschiedlich erfolgreich verlaufen kann. Um zu bestimmen, ob einem Individuum eine erfolgreiche Entwicklung gelungen ist, können drei verschiedene Kategorien von Kriterien herangezogen werden (Schulz/Heckhausen 1996, S. 711): -
Kriterien erster Ordnung: Zeigen und Aufrechterhalten von Verhaltensweisen, welche die Langlebigkeit und die physische Funktionsfähigkeit eines Menschen maximieren. Kriterien zweiter Ordnung: Entwickeln und Aufrechterhalten von allgemeinen kognitiven, intellektuellen und sozialen Fähigkeiten. Kriterien dritter Ordnung: Entwickeln und Aufrechterhalten von Fähigkeiten und Leistungen in einem spezifischen Kompetenzbereich.
Bevor im Folgenden verschiedene Theorien erfolgreichen Alterns im Detail dargelegt und hinsichtlich ihrer Kernaussagen einander gegenübergestellt werden, werden in Tabelle 2-3 die wichtigsten Merkmale, die allen Ansätzen des erfolgreichen Alterns gemeinsam sind, beschrieben. Da der Erklärungsbeitrag zu Einflussfaktoren des Alterungsprozesses je nach Ansatz variiert, wird dieser Aspekt in Tabelle 2-3 nicht berücksichtigt. Tabelle 2-3: Zentrale Merkmale der Theorien des erfolgreichen Alterns Forschungsdisziplin/Wurzeln
Entwicklungspsychologie
Betrachtungsgegenstand
Individuum (ganzheitlich) und Umwelt
Erkenntnisinteresse
Identifikation von Voraussetzungen erfolgreichen Alterns
Zentrale Aussagen
Altern bedingt Veränderungen der inneren bzw. äußeren Lebenssituation; je nachdem, inwieweit es einem Individuum gelingt, sich an diese Veränderungen anzupassen, wird zwischen erfolgreichem und weniger erfolgreichem Altern unterschieden
Perspektive in Bezug auf den Prozess des Alterns
Altern als nicht vorhersagbarer Prozess, der durch Veränderungen geprägt ist, die vom Individuum Anpassungen erfordern Berücksichtigung interindividueller Unterschiede
Den Theorien des erfolgreichen Alterns ist die Annahme gemeinsam, dass Individuen sich an altersbedingte Veränderungen anpassen müssen, um erfolgreich zu altern. Der Alterungsprozess wird also maßgeblich durch die Anpassungsfähigkeit und das Anpassungsverhalten eines Menschen geprägt. Bezüglich der optimalen, also erfolgreichsten Form des Alterns gibt es unterschiedliche Ansichten. Nach der Aktivitätstheorie (Neugarten 1964) kann ein Mensch nur glücklich und zufrieden sein, solange er aktiv ist, gebraucht wird und etwas leisten kann. Erfolgreiches Altern erfordert deshalb die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und ein kontinuierliches Engagement in sinnstiftenden Aktivitäten. Die Disengagement-Theorie (Cumming/Henry 1961) sieht dagegen im Rückzug und einer weitgehenden Auflösung sozialer Kontakte die erfolgreichste Form des Alterns: „Aging is an inevitable, mutual withdrawal or disengagement, resulting in a decreased interaction between the aging person and others in the social system he or she belongs to“ (Cumming/Henry 1961, S. 14). Nach der Kontinuitätsthe-
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
orie (Atchley 1989) wiederum stellt der Erhalt innerer und äußerer Strukturen, also die Sicherstellung innerer und äußerer Kontinuität, die robusteste Anpassungsstrategie dar. Je älter ein Mensch wird, desto stärker ist er deshalb bestrebt, in vertrauten Situationen zu verbleiben und vertraute Strategien anzuwenden (Lehr 2007, S. 64 ff.). Während die drei bisher genannten Ansätze des erfolgreichen Alterns vor allem die nachberufliche Lebensphase in den Fokus stellen (Carstensen 1992, S. 331) und damit für die vorliegende Arbeit von peripherer Bedeutung sind, bezieht sich die Selektions-Optimierungs-Kompensations-Theorie (Selective Optimization with Compensation Theory, kurz: SOK-Theorie; Baltes/Baltes 1990) auf die gesamte Lebensspanne und kann folglich auch im organisationalen Kontext angewandt werden. Das Ziel erfolgreicher Entwicklung ist danach „the conjoint maximization of gains […] and minimization of losses“ (Baltes/Staudinger/Lindenberger 1999, S. 482). Um in diesem Sinne erfolgreich zu altern, können Individuen drei Mechanismen nutzen: Selektion, Optimierung und Kompensation (u. a. Lindenberger/Baltes 2000, S. 56; Schulz/Heckhausen 1996, S. 707). Angesichts beschränkter Ressourcen dient die Selektion der Auswahl und Priorisierung geeigneter Entwicklungsziele aus einer Reihe von Alternativen (Bajor/Baltes 2003, S. 349; Lindenberger/Baltes 2000, S. 56; Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 293). Das Individuum entscheidet unter Berücksichtigung der verfügbaren individuellen Ressourcen und der Umweltbedingungen, in welchen Bereichen es sich weiterentwickeln und spezialisieren will. Dabei wird zwischen „elective selection“ und „loss-based selection“ unterschieden: Erstere beschreibt die freie Wahl aus einer Reihe neuer Anforderungen oder Aufgaben; Letztere meint die Selektion, die auf Grund eines tatsächlichen oder antizipierten Ressourcenverlustes erforderlich wird (Bajor/Baltes 2003, S. 349 f.; Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 294). Hat sich ein Individuum Ziele gesetzt, so geht es im Rahmen der Optimierung darum, Strategien zu entwickeln und Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ziele zu erreichen. Die Optimierung umfasst damit alle Aktivitäten zur Aneignung, Verbesserung und Anwendung zielrelevanter Ressourcen (Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 294; Wiese/Freund/Baltes 2000, S. 276). Wird das Individuum mit einem altersbedingten Verlust zielrelevanter Ressourcen konfrontiert oder erwartet es einen solchen Verlust, kommt der Mechanismus der Kompensation zum Einsatz. Ziel der Kompensation ist es, erwartete oder tatsächlich aufgetretene Verluste zielrelevanter Ressourcen durch andere Ressourcen auszugleichen und so – trotz Ressourcenverlust – die Zielerreichung zu ermöglichen (Wiese/Freund/Baltes 2000, S. 276; Wiese/Freund/Baltes 2002, S. 322). Damit stellt die Kompensation eine Alternative zur verlustbasierten Selektion, also einer Anpassung der Zielsetzung, dar (Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 294).
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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Zur Veranschaulichung der eher abstrakten Prinzipien der SOK-Theorie wird häufig das Beispiel des 80-jährigen Pianisten Arthur Rubinstein herangezogen. Dieser wählte ausschließlich solche Stücke aus, die seinen Fähigkeiten entsprachen (Selektion). Diese wenigen Stücke übte er intensiv (Optimierung) und reduzierte schließlich bei Auftritten vor schnell zu spielenden Passagen das eigene Tempo, so dass die nachfolgenden Passagen durch den Kontrast dem Zuhörer umso schneller erschienen (Kompensation) (Baltes/Staudinger/Lindenberger 1999, S. 482 ff.; Lehr 2007, S. 65). Wie das Beispiel zeigt, erfordert erfolgreiche menschliche Entwicklung den koordinierten Einsatz der drei Mechanismen Selektion, Optimierung und Kompensation (Lindenberger/Baltes 2000, S. 56; Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 293). Das Zusammenspiel dieser Mechanismen im Rahmen der menschlichen Entwicklung verdeutlicht Abbildung 2-4. Mehrere empirische Studien belegen, dass der Mechanismus der Optimierung mit steigendem Alter an Bedeutung verliert, während die Strategie der Kompensation für ältere Menschen wichtiger ist als für jüngere (z. B. Ebner/Freund/Baltes 2006; Freund 2006). Der Fokus eines Menschen verschiebt sich demnach mit zunehmendem Alter von der Maximierung der Gewinne aus dem Einsatz der persönlichen Ressourcen zur Minimierung von Verlusten (Baltes/Staudinger/Lindenberger 1999, S. 477 f.; Freund 2006, S. 249). Abbildung 2-4: Modell erfolgreichen Alterns nach der Selektions-Optimierungs-Kompensations-Theorie (in Anlehnung an Schulz/Heckhausen 1996, S. 708) Selektion: Festlegung von Entwicklungszielen
Antizipierter oder tatsächlicher Ressourcenverlust
Kompensation: Entwicklung und Anwendung alternativer Zielerreichungsstrategien
Optimierung: Entwicklung und Anwendung von Zielerreichungsstrategien
Misserfolg: Nichterreichung des Entwicklungsziels
Erfolg: Realisierung des Entwicklungsziels
Verschlechterung/ Stabilisierung/Steigerung des individuellen Entwicklungsniveaus
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
Ein zentraler Beitrag der SOK-Theorie ist darin zu sehen, dass sie als so genannte Metatheorie nicht auf einen spezifischen Kontext zugeschnitten ist. Sie kann vielmehr auf alle Bereiche der menschlichen Entwicklung in verschiedenen soziokulturellen Kontexten und unter verschiedenen individuellen Rahmenbedingungen angewandt werden (Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 293). Dies ermöglicht es, Forschungen zum Altern in verschiedenen Situationen in einem übergreifenden theoretischen Bezugsrahmen zusammenzuführen (Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 306 f.). Übertragen auf den Arbeitskontext könnte eine Anwendung der in der SOK-Theorie beschriebenen Entwicklungsmechanismen beispielsweise zur Maximierung der individuellen Leistung eines Mitarbeiters beitragen. Zur Maximierung seiner Leistung muss der Mitarbeiter seine Aufgaben entsprechend seiner individuellen Fähigkeiten und Interessen auswählen, seine aufgabenspezifischen Fähigkeiten durch Training optimieren und (altersbedingte) Schwächen durch adäquate Kompensationsstrategien (z. B. der Delegation betroffener Teilaufgaben an Kollegen) ausgleichen. Entsprechend lassen sich Implikationen für das Management von Beschäftigten unterschiedlichen Alters ableiten. Durch einen selektiven Einsatz der Mitarbeiter wird eine maximale Passung zwischen Stellenanforderungen auf der einen und Kompetenzen, Leistungsfähigkeit und Interessen des Mitarbeiters auf der anderen Seite sichergestellt. Stellen- und personspezifische Personalentwicklungsmaßnahmen ermöglichen darüber hinaus die Optimierung der Leistung des einzelnen Mitarbeiters auf seiner Stelle. Zuletzt werden, wo erforderlich, Kompensationsmöglichkeiten wie beispielsweise die Arbeitsteilung in heterogenen Teams oder eine verbesserte Ausstattung mit technischen Hilfsmitteln geschaffen. Die Anwendungsbreite der SOK-Theorie bedingt jedoch auch zwei Kritikpunkte. Zum einen trifft die Theorie keine Vorhersagen in Bezug auf spezifische Ziele oder Motive menschlicher Entwicklung; jede Anwendung der Theorie bedarf zunächst einer Spezifizierung ihrer Aussagen auf einen bestimmten Bereich menschlicher Entwicklung (Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 176). Zum anderen können die Kernaussagen der SOK-Theorie nicht direkt falsifiziert werden. Sie können lediglich herangezogen werden, um – angewandt auf einen spezifischen Kontext – einen Bezugsrahmen erfolgreicher Entwicklung herzuleiten und die sich daraus ergebenden situationsabhängigen Hypothesen einer empirischen Überprüfung zu unterziehen (Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 290). Die Allgemeingültigkeit des Ansatzes ist folglich – trotz zahlreicher empirischer Studien, welche die Theorien unter bestimmten Rahmenbedingungen anwenden – bis heute nicht eindeutig belegt. Ein weiterer Ansatz erfolgreichen Alterns, der sich wie die SOK-Theorie auf die gesamte Lebensspanne bezieht und damit auch das Berufsleben mit einschließt, ist das Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping (Brandstädter 1989; Brandstädter/Renner 1990). Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass die persönlichen Ressourcen eines Men-
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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schen mit zunehmendem Alter grundsätzlich abnehmen. Erfolgreiches Altern ist dadurch gekennzeichnet, dass es gelingt, trotz zunehmender Ressourcenverluste ein Gefühl von Kontrolle, Kontinuität und Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und eine Kongruenz zwischen dem angestrebten Zustand (desired self) und dem tatsächlichen Zustand (actual self) zu erreichen (Brandstädter/Rothermund/Schmitz 1998, S. 367 ff.; Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 292). Zu diesem Zweck werden im Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping zwei Mechanismen beschrieben: Assimilation und Akkommodation. Assimilation meint die aktive Beeinflussung von Rahmenbedingungen, um die gewünschten Zustände zu erreichen oder zumindest die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu vermindern (Brandstädter/Rothermund/Schmitz 1998, S. 371 ff.; Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 292). Strebt beispielsweise ein Mitarbeiter eine Stelle als Führungsperson an, kann er durch die Teilnahme an Schulungen für Führungskräfte versuchen, die gegebenen Rahmenbedingungen zu verändern und so die Chancen einer Zielerreichung erhöhen. Im Rahmen der Akkommodation werden die individuellen Ziele und Präferenzen einer Person unbewusst an die bestehenden Rahmenbedingungen angepasst (Brandstädter/Rothermund/Schmitz 1998, S. 371 ff.; Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 292). Erkennt der Mitarbeiter aus dem oben angeführten Beispiel, dass es ihm nicht gelingen wird, eine Führungsposition zu erreichen, wird er unbewusst sein bisheriges Ziel revidieren und beispielsweise den Aufstieg in Form einer Fachkarriere ohne Führungsverantwortung zu seinem beruflichen Ziel erklären. Die beiden Mechanismen, Assimilation und Akkommodation, verhalten sich komplementär zueinander: Im Fall einer Diskrepanz zwischen angestrebten und tatsächlichen Zuständen wird zunächst der Assimilationsmechanismus eingesetzt. Nur wenn dieser nicht zum gewünschten Ziel führt, kommt es zu einer Anpassung der persönlichen Ziele bzw. Präferenzen (Brandstädter/Rothermund/Schmitz 1998, S. 371 ff.; Riediger/Li/Lindenberger 2006, S. 292). Ebenso wie die SOK-Theorie kann das Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping auf den Arbeitskontext übertragen werden. Um die Beschäftigten dabei zu unterstützen, einen erfolgreichen Entwicklungs- bzw. Alterungsprozess zu durchlaufen, können Unternehmen die Anwendung der beiden Mechanismen Assimilation und Akkommodation am Arbeitsplatz fördern bzw. diese im Rahmen des Personalmanagements selbst anwenden. So kann beispielsweise bei der Gestaltung von Arbeitsorganisation, Arbeitsplätzen und Arbeitszeiten gezielt eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Ressourcenausstattung und Präferenzen einzelner Mitarbeiter, d. h. eine Assimilation, vorgenommen werden. Andererseits kann im Rahmen der Karriereberatung und Personalentwicklung auf eine Akkommodation der persönlichen Ziele und Präferenzen eines Mitarbeiters hingewirkt werden. Das Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping ist dahingehend zu kritisieren, dass der Prozess des Alterns auf den Verlust von Ressourcen reduziert wird. Mög-
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
liche Ressourcenzuwächse oder Veränderungen der Ressourcenstruktur werden – im Gegensatz zur SOK-Theorie – nicht berücksichtigt. Dies reduziert die Allgemeingültigkeit des Ansatzes; er kann lediglich in solchen Bereichen angewandt werden, in denen mit steigendem Alter Ressourcenverluste einhergehen. Zudem wird im Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping nicht nach verschiedenen Lebensbereichen differenziert, die für das Individuum von unterschiedlicher Bedeutung sind. So wäre beispielsweise denkbar, dass in bestimmten Lebensbereichen auf Grund ihrer geringeren persönlichen Bedeutung der Akkommodationsmechanismus bereits zum Einsatz kommt, bevor die Möglichkeiten der Assimilation ausgereizt sind. Tabelle 2-4 fasst die wichtigsten Merkmale der SOK-Theorie und des Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping zusammen. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Ansätze verdeutlicht. Tabelle 2-4: Gegenüberstellung der Selektions-Optimierungs-Kompensations-Theorie und des Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping Selektions-OptimierungsKompensations-Theorie
Dual Process Model of Assimilative and Accommodative Coping
Forschungsdisziplin/Wurzeln
Entwicklungspsychologie (Life Span Psychology Theory)
Betrachtungsgegenstand
Individuum (ganzheitlich) und Umwelt
Erkenntnisinteresse
Identifikation von Strategien erfolgreichen Alterns durch Minimierung von Verlusten und Maximierung von Erträgen
Identifikation von Strategien erfolgreichen Alterns durch Sicherung von wahrgenommener Kontinuität und Effektivität angesichts abnehmender Ressourcen
Zentrale Aussagen
Erfolgreiches Altern erfordert die Minimierung von Verlusten und die Maximierung von Erträgen; hierzu können drei Mechanismen genutzt werden: Selektion (Auswahl der verlustminimierenden und ertragsmaximierenden Handlungsoption aus einer Reihe von Möglichkeiten), Optimierung (Aneignung, Verbesserung und koordinierter Einsatz der für die gewählte Handlungsoption erforderlichen Ressourcen), Kompensation (Einsatz von Ressourcen zur Minimierung von Verlusten durch Ausgleich von Ressourcenmangel)
Erfolgreiches Altern erfordert die Herstellung von Kongruenz zwischen gewünschten und tatsächlichen Zuständen mittels zweier komplementärer Mechanismen: Assimilation (Beeinflussung von Rahmenbedingungen im Sinne der gewünschten Zustände) und Akkommodation (Anpassung individueller Ziele und Präferenzen an bestehende Rahmenbedingungen)
Perspektive in Bezug auf den Prozess des Alterns
Altern als nicht vorhersagbarer Prozess, der Veränderungen nach sich zieht, die vom Individuum Anpassungen erfordern Berücksichtigung interindividueller Unterschiede
Erklärungsbeitrag zu Einflussfaktoren des Alterungsprozesses mit Relevanz im organisationalen Kontext
Der Alterungsprozess eines Mitarbeiters verläuft umso erfolgreicher, je sinnvoller die Mechanismen Selektion, Optimierung und Kompensation im Arbeitskontext eingesetzt und kombiniert werden
Der Alterungsprozess eines Mitarbeiters verläuft umso erfolgreicher, je sinnvoller die Mechanismen Assimilation und Akkomodation im Arbeitskontext eingesetzt und kombiniert werden
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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2.2.1.2 Modell des arbeitsinduzierten Alterns Im Fokus des Modells des arbeitsinduzierten Alterns stehen die Arbeit bzw. die Arbeitsbedingungen als Einflussfaktoren des Alterungsprozesses. Basierend auf der Annahme, dass bestimmte Tätigkeiten bzw. Arbeitsbedingungen die altersbedingten physiologischen oder psychologischen Veränderungsprozesse beschleunigen oder auch verlangsamen können, sollen interindividuelle Unterschiede im Alterungsprozess durch die Arbeitsbedingungen erklärt werden (Warr 1994, S. 529 f.). So können „Mängel in der Arbeits- und Organisationsgestaltung“, „die Nicht- oder Fehlnutzung maßgeblicher personeller Leistungsvoraussetzungen“ sowie „das Fehlen kontinuierlich auftretender arbeitsbezogener Lernanforderungen und Lernangebote“ (Koller/Plath 2000, S. 118) Ursache eines Leistungsabbaus sowie möglicher Qualifizierungs- und Lernprobleme älterer Mitarbeiter sein. Deren Leistungsprobleme sind also nicht Folge natürlicher altersbedingter Abbauprozesse, wie in den Defizitmodellen (vgl. Abschnitt 2.2.2.1.1) postuliert, sondern auf den „Disuse-Effekt“ (Koller/Plath 2000, S. 118) beeinträchtigender Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Im Umkehrschluss verweist das Modell des arbeitsinduzierten Alterns darauf, dass der Arbeits- und Organisationsgestaltung sowie der Personalentwicklung eine zentrale Bedeutung als Präventions- und Interventionsinstrument gegen den Leistungsabbau im Alter zukommt (Hacker 2004, S. 163). Aufbauend auf dieser Argumentation wurden in den letzten Jahren diverse Konzepte entwickelt (unter denen das Gesundheitsmanagement das populärste Beispiel ist), die aufzeigen, wie Unternehmen die Arbeits-, Lern- und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter im Alter erhalten und steigern können (z. B. Ilmarinen 2004, S. 38 ff.; Schemme 2002, S. 52 ff.; Semmer/Richter 2004, S. 107 ff.). Am Modell des arbeitsinduzierten Alterns ist zum einen kritisch anzumerken, dass es in empirischen Studien fast ausschließlich herangezogen wird, um negative Auswirkungen von „harten“ Faktoren des Personalmanagements wie beispielsweise Schichtarbeit oder mangelnder Personalentwicklung zu analysieren. Mögliche negative Konsequenzen „weicher“ Faktoren wie zum Beispiel der Führungs- oder Unternehmenskultur werden in der Regel vernachlässigt. Des Weiteren reduziert das Modell des arbeitsinduzierten Alterns die Arbeitsbedingungen auf ihre negative bzw. bestenfalls präventive Wirkung. Mögliche positive Effekte, wie sie beispielsweise im Rahmen des Job Demands-Resources Model (für einen Überblick siehe Stock-Homburg/Bieling/El Ouadoudi 2010, S. 44 ff.) postuliert werden, bleiben unberücksichtigt. Dabei ist denkbar, dass bestimmte Arbeitsbedingungen (z. B. ein erfahrungsbasiertes Personalentwicklungskonzept) in Interaktion mit bestimmten altersbedingten Entwicklungen (z. B. zunehmender Berufs- und Lebenserfahrung) im Lauf des Berufslebens die Leistungsfähigkeit steigern. Tabelle 2-5 gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale des Modells des arbeitsinduzierten Alters.
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
Tabelle 2-5: Zentrale Merkmale des Modells des arbeitsinduzierten Alterns Forschungsdisziplin/Wurzeln
Arbeitswissenschaften, Arbeits- und Organisationspsychologie
Betrachtungsgegenstand
Individuum (reduziert auf seine psychische, physische und kognitive Leistungsfähigkeit) und Arbeitsumfeld
Erkenntnisinteresse
Erklärung interindividueller Unterschiede im Alterungsprozess durch Arbeitsbedingungen
Zentrale Aussagen
Ungeeignete Gestaltung des Arbeitsumfeldes führt zur Beeinträchtigung leistungsrelevanter Merkmale eines Mitarbeiters und dadurch zu einer mit steigendem Alter abnehmenden Berufsleistung
Perspektive in Bezug auf den Prozess des Alterns
Altern als ein von den Arbeitsbedingungen abhängiger Prozess, der ggf. negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines Beschäftigten haben kann Berücksichtigung interindividueller Unterschiede
Erklärungsbeitrag zu Einflussfaktoren des Alterungsprozess im organisationalen Kontext
Der Alterungsprozess eines Mitarbeiters wird entscheidend durch die Arbeitsbedingungen geprägt; ältere Mitarbeiter können ausschließlich unter der Voraussetzung förderlicher Arbeitsbedingungen eine hohe Leistung erbringen
2.2.2
Ansätze zu Auswirkungen des Alterungsprozesses
2.2.2.1 Theorien und Modelle 2.2.2.1.1 Defizitansätze Die Defizitmodelle des Alterns haben ihre Wurzeln in der biologischen Altersforschung. Aus biologischer Sicht fasst der Begriff „Altern“ zeitabhängige, irreversible und vorhersagbare Veränderungen eines Organismus zusammen, die zu einem fortschreitenden Funktionsverlust und schließlich zum Tod führen. Diese Annahme eines altersbedingten Abbaus aller wichtigen Funktionen lag – zumindest implizit – auch den ersten empirischen Studien zum Zusammenhang zwischen Intelligenz, Reaktionsfähigkeit bzw. Gedächtnis und dem Lebensalter zu Grunde, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Forschern wie Jones und Conrad (1933), Miles (1934) oder Wechsler (1944) durchgeführt wurden. Tatsächlich konnten diese Studien belegen, dass die intellektuelle Leistungsfähigkeit (insbesondere Gedächtnis, Merkfähigkeit, geistige Wendigkeit und Umstellungsfähigkeit, abstrakt-logisches Denken, psychomotorische Geschwindigkeit und Kombinationsfähigkeit), zunächst steigt, ihren Höhepunkt im dritten Lebensjahrzehnt erreicht, dann abnimmt und ab Mitte des fünften Lebensjahrzehnts sogar deutlich abfällt (Lehr 2007, S. 47 ff.). Diese frühen Erkenntnisse der Intelligenzforschung wurden in späteren Publikationen verallgemeinert und als Indiz für einen generellen, allein vom Alter abhängigen Abbau der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit interpretiert (Lehr 2007, S. 50; Naegele/Frerichs 2004, Spalte 86). Daraus ergibt sich die zentrale Aussage der Defizitmodelle des Alterns, dass mit dem Alter eines Menschen dessen kognitive und körperliche Leistungsfähigkeit kontinuierlich und irreversibel abnimmt.
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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Wie wissenschaftliche Studien belegen, müssen die Aussagen der Defizitansätze relativiert werden. Zwar kann empirisch bestätigt werden, dass eine Reihe von kognitiven Fähigkeiten mit dem Alter abnehmen (vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 2.2.2.2.2). Dies gilt jedoch nicht generell für die kognitive und physische Leistungsfähigkeit eines Menschen. Ein weiterer Kritikpunkt an den Defizitansätzen ist, dass diese interindividuelle Unterschiede unberücksichtigt lassen (Becker 2010, S. 68). So wird beispielsweise den Auswirkungen unterschiedlicher Lebensstile auf die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit nicht Rechnung getragen. Zudem wird nicht berücksichtigt, dass die Leistung einer Person mit der Art der zu erledigenden Aufgabe variiert. Die wichtigsten Merkmale der Defizitmodelle des Alterns werden in Tabelle 2-6 zusammengefasst. Tabelle 2-6: Zentrale Merkmale der Defizitansätze Forschungsdisziplin/Wurzeln
Biologie, Kognitionspsychologie
Betrachtungsgegenstand
Individuum (reduziert auf physiologische und kognitive Merkmale)
Erkenntnisinteresse
Analyse der altersbedingten Entwicklung der körperlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit
Zentrale Aussagen
Altern bedingt einen kontinuierlichen und irreversiblen Abbau der körperlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit eines Menschen
Perspektive in Bezug auf den Prozess des Alterns
Altern als pathologischer und vorhersagbarer Prozess, der kontinuierliche Leistungsabfälle zur Folge hat Stereotype Betrachtung, welche die interindividuelle Variabilität im Alterungsprozess vernachlässigt
Erklärungsbeitrag zu Auswirkungen des Alterungsprozesses mit Relevanz im organisationalen Kontext
Jüngere Mitarbeiter erbringen eine höhere individuelle Leistung und leisten daher einen größeren Beitrag zum Unternehmenserfolg als ältere Mitarbeiter
2.2.2.1.2 Phasenansätze Die Phasenansätze des Alterns sind der Entwicklungspsychologie zuzuordnen. Sie untersuchen den menschlichen Lebenszyklus, beginnend mit der Geburt bis hin zum Tod, auf interindividuelle Regelmäßigkeiten in der Entwicklung. Es wird angenommen, dass die menschliche Entwicklung das gesamte Leben andauert und sequenziell erfolgt. Aufbauend auf dieser Annahme können bestimmte Entwicklungsstufen oder -phasen identifiziert werden, deren Auftreten und Abfolge die Phasenansätze zu erklären suchen (Baltes/Staudinger/Lindenberger 1999, S. 472; Kimmel 1990, S. 9). Zur Beschreibung der Entwicklungsstufen bzw. -phasen werden in der Regel Konstrukte wie beispielsweise soziale Rollen und Normen, Sozialisation oder Lebensziele herangezogen. Die meisten Phasenansätze beziehen sich hauptsächlich auf das Kindes- und Jugendalter, nur wenige berücksichtigen auch das Erwachsenenalter (Birren/Birren 1990, S. 7). Ist das Erwachsenenalter Teil der Betrachtung, wird dieses häufig in einer oder maximal zwei Phasen zusammengefasst; eine differenzierte Betrachtung des Entwicklungsverlauf innerhalb des
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
Berufslebens erfolgt nicht, so dass keine Rückschlüsse auf den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters gezogen werden können. Eine Ausnahme bilden hier die Karriereentwicklungsmodelle, die auf das Life Stage Development Model von Levinson (1978) oder das Career Stage Model von Super (1957) zurückgehen (Ornstein/Cron/Slocum 1989, S. 117). Die Karriereentwicklungsmodelle verstehen eine Karriere als „a sequence of positions occupied by a person during the course of a life-time“ (Super/Hall 1978, S. 334). Sie basieren auf der Annahme, dass Individuen im Lauf ihres Erwerbslebens verschiedene Karrierestufen durchlaufen, die durch spezifische Entwicklungsaufgaben und psychologische Bedürfnisse gekennzeichnet sind und damit eine unterschiedliche Arbeitshaltung und unterschiedliches Arbeitsverhalten der Individuen bedingen. Ausgehend von dieser Annahme wird versucht, Zusammenhänge zwischen der jeweiligen Karrierephase und erfolgsbezogenen Größen wie Leistung, Fluktuation oder Arbeitszufriedenheit zu identifizieren und zu erklären (Bedeian et al. 1991, S. 153). Während sich die verschiedenen Karriereentwicklungsmodelle hinsichtlich der Benennung und der Anzahl der Entwicklungsstufen (je nach Autor drei oder vier) unterscheiden, herrscht in den entscheidenden inhaltlichen Aspekten bezüglich der ersten und zweiten Phase Konsens. In der ersten Karrierephase („Trial Stage“ oder „Exploration Stage“) stehen das Lernen sowie die Erkundung des Arbeitsumfeldes im Vordergrund; in der zweiten Phase (beschrieben durch Begriffe wie „Establishment“ oder „Stabilization“) geht es darum, sich „einen Namen zu machen“ und auf dem eingeschlagenen Berufs- und Karriereweg zu etablieren. Bezüglich der letzten Phase(n) vor der Pensionierung weisen die Modelle inhaltliche Divergenzen auf: Während die einen diese als Phasen der Stagnation und Stabilität (z. B. Super 1957; Slocum/Cron 1985) beschreiben, sehen andere darin eine Zeit der Aktivität, in der das Individuum sein erworbenes Wissen und seine Erfahrung beispielsweise als Mentor an andere weitergibt und diese Personen dadurch beeinflusst (z. B. Tiedman/O’Hara 1963; Dalton/Thompson/Price 1977). Darüber hinaus unterscheiden sich die verschiedenen Karriereentwicklungsmodelle bezüglich der Determinanten des Beginns bzw. des Endes der einzelnen Phasen. Entsprechend ergeben sich auch Differenzen in der Operationalisierung der Phasen in empirischen Studien, die je nach Modell entweder über das Alter, die Betriebszugehörigkeit oder die Dauer der Arbeit in der derzeitigen Position erfolgt. Jede dieser Operationalisierungen weist allerdings erhebliche Schwächen bezüglich der psychometrischen Gütekriterien auf und kann insofern nur als Annäherung an die dahinter liegenden Konstrukte dienen (Cooke 1994, S. 384 ff.). Die Karriereentwicklungsmodelle treffen auch Aussagen über die Entwicklung der Leistung eines Mitarbeiters. Sie postulieren einen positiven, aber degressiv verlaufenden Zusammenhang zwischen der Karrierephase (und damit implizit dem Alter) und der Berufsleistung. Ein
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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Mitarbeiter in der ersten Phase seines Berufslebens verfügt über wenig Erfahrung und hat nur ein geringes Commitment gegenüber seiner Arbeit sowie seinem Arbeitgeber – beides führt zu einer verhältnismäßig geringen Leistung. Im Lauf seiner Karriere eignet sich ein Mitarbeiter dann das erforderliche Erfahrungswissen an, er baut Beziehungen und Netzwerke auf, die für seinen Berufserfolg förderlich sind, und entwickelt eine zunehmend starke Bindung an Beruf und Organisation, so dass seine Leistung im Zeitablauf steigt. Der leistungssteigernde Effekt erreicht in der mittleren Karrierephase seinen Höhepunkt, die Leistung bleibt auf dem erreichten Niveau stabil (Ornstein/Cron/Slocum 1989, S. 121 f.). Die Karriereentwicklungsmodelle weisen drei entscheidende Schwächen auf: Zum einen ist, wie oben erläutert, die Operationalisierung der verschiedenen Karrierephasen schwierig; die Zuordnung eines Probanden in eine bestimmte Phase kann immer nur näherungsweise erfolgen. Zum anderen werden unterschiedliche Karriereverläufe in verschiedenen Berufen und Branchen nicht berücksichtigt. Schließlich sind die Karriereentwicklungsmodelle in den 60er, 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden. Die strukturellen Veränderungen, die sich seither in der Arbeitswelt vollzogen haben, bleiben folglich unberücksichtigt (Sterns/Miklos 1995, S. 260). So zeichnen sich heutige Karrieren beispielsweise durch häufigere Wechsel des Arbeitgebers aus; zudem sind Wechsel des Berufsfeldes zunehmend verbreitet (Sullivan/Baruch 2009, S. 1563). Tabelle 2-7 fasst die wichtigsten Merkmale der Phasenansätze im Allgemeinen zusammen. Im Hinblick auf den Erklärungsbeitrag zur vorliegenden Arbeit wird insbesondere auf die Karriereentwicklungsmodelle eingegangen.
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
Tabelle 2-7: Zentrale Merkmale der Phasenansätze Forschungsdisziplin/Wurzeln
Entwicklungspsychologie
Betrachtungsgegenstand
Individuum (ganzheitlich)
Erkenntnisinteresse
Identifikation und Erklärung spezifischer Phasen im Lebenszyklus eines Menschen
Zentrale Aussagen
Die Entwicklung eines Menschen erstreckt sich von dessen Geburt bis zu seinem Tod und lässt sich in Entwicklungsstufen bzw. -phasen untergliedern, die bei jedem Menschen einer bestimmten Reihenfolge folgen
Perspektive in Bezug auf den Prozess des Alterns
Altern als vorhersagbarer stufenweiser Prozess, der weder generell negative noch generell positive Entwicklungen nach sich zieht Stereotype Betrachtung, die interindividuelle Variabilität im Alterungsprozess vernachlässigt
Erklärungsbeitrag zu Auswirkungen des Alterungsprozesses mit Relevanz im organisationalen Kontext (auf Basis der Karriereentwicklungsmodelle)
Es werden drei Gruppen von Mitarbeitern unterschieden, die jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Personalarbeit stellen: x Jüngere Mitarbeiter am Beginn ihres Berufslebens müssen sich im Unternehmen etablieren, Erfahrungen sammeln; sie weisen ein relativ geringes Commitment und eine vergleichsweise niedrige Leistung auf x Mitarbeiter mittleren Alters in der Mitte ihres Berufslebens befinden sich auf ihrem Leistungshöhepunkt, da sie ausreichend Erfahrung gesammelt und Netzwerke geknüpft haben x Ältere Mitarbeiter vor dem Ende ihres Berufslebens verfügen auf Grund ihrer Erfahrungen über stabile Leistungen; eventuell bringen sie sich verstärkt ein, indem sie jüngere Mitarbeiter einarbeiten und ihre Erfahrungen an diese weitergeben
2.2.2.1.3 Wachstumsansätze Der Grundgedanke der Wachstumstheorien, der erstmals in den 1950er Jahren von Jung (1946) formuliert wurde, steht dem der Defizitmodelle (vgl. Abschnitt 2.2.2.1.1) konträr gegenüber. Während letzteren die Annahme eines altersbedingten Abbaus der Funktionsfähigkeit zu Grunde liegt, wird in den Wachstumsansätzen ein alterskorrelierter Zuwachs an Reife und Weisheit postuliert. Je nach Definition des Weisheits- und Reifebegriffs bedeutet dies unter anderem eine verbesserte Problemlösekompetenz im Alltag, eine geringere Tendenz zu Impulsivität, stärkere Selbstkontrolle bzw. verbesserte Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen oder mit Unsicherheit (Bruggmann 2000, S. 101 f.; Lehr 2007, S. 66 ff.). Die Gruppe der Wachstumsansätze umfasst eine Reihe von Theorien, die alle zum Ziel haben, den Begriff der Weisheit zu konzeptualisieren und deren Entstehung zu erklären; für einen Überblick sei auf Brugman (2006) verwiesen. Im Folgenden sollen beispielhaft zwei Theorien vorgestellt werden, die jeweils einen der beiden grundlegenden Denkansätze im Bereich der Wachstumstheorien repräsentieren. Das Berliner Weisheitsparadigma, das von Paul B. Baltes und Kollegen in den 1980er Jahren erstmals beschrieben und bis heute stetig weiterentwickelt wurde, ist dem pragmatischen Denkansatz zuzuordnen (Brugman 2006, S. 449). Im Fokus
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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pragmatischer Theorien steht jenes Wissen, das eine aus ethischer Sicht richtige Lebensführung ermöglicht. Entsprechend versteht das Berliner Weisheitsparadigma unter Weisheit „Expertise in den fundamentalen Pragmatiken des Lebens“ (Staudinger/Dörner 2007, S. 662). Weisheit umfasst sowohl kognitive als auch emotionale und motivationale Kompetenzen, die dem Individuum geistige und moralische Exzellenz ermöglichen (Brugman 2006, S. 449). Weise Menschen zeichnen sich aus durch -
-
-
reiches Faktenwissen über die Natur des Menschen und dessen Entwicklung über die Lebensspanne, zwischenmenschliche Beziehungen, soziale Normen und deren Grenzen, reiches prozedurales Wissen bezüglich Strategien und Heuristiken zum Umgang mit Fragen des Lebenssinns oder der Lebensführung, Lebensspannenkontextualismus, d. h. die Fähigkeit, Lebensprobleme vor dem Hintergrund der persönlichen Lebenssituation zu lösen, Werterelativismus, d. h. die Fähigkeit, interindividuelle Unterschiede zwischen Wertesystemen anzuerkennen und zu tolerieren, solange diese auf die Ausbalancierung von persönlichen Interessen und dem Allgemeinwohl ausgerichtet sind, sowie Einsicht in die relative Ungewissheit des Lebens und die Fähigkeit, mit dieser Unsicherheit umzugehen (Staudinger/Dörner 2007, S. 662).
Im Gegensatz zu pragmatischen Weisheitstheorien betont der epistemische Denkansatz die Grenzen des menschlichen Bewusstseins und Handelns, insbesondere im Hinblick auf das Begreifen und Beeinflussen der Realität (Brugman 2006, S. 448). Hier ist Meacham’s Epistemic Theory of Wisdom einzuordnen. Danach sind Menschen weise, die erkennen, dass sich niemals alle Zweifel ausräumen lassen, und die ein ausgewogenes Maß an Sicherheit und Zweifel realisiert haben. Nach Meacham besteht Weisheit aus zwei Teilen: einem altersunabhängigen Kern, der individuellen Balance zwischen Sicherheit und Zweifel, und einer altersabhängigen Dimension, der Qualität bzw. Tiefe der Weisheit (Brugman 2006, S. 452 f.). Die ursprünglich zentrale Annahme der Wachstumsansätze, dass mit zunehmenden Alter auch der Grad an Reife bzw. Weisheit zunimmt, gilt heute als empirisch widerlegt. Zwar kann das Altern die Entwicklung von Reife und Weisheit fördern, es stellt jedoch keine hinreichende Bedingung dafür dar. Zum einen hängen Grad und Qualität der Reife bzw. Weisheit von der Art und Menge der im Laufe der Zeit gesammelten Erfahrungen ab; weitere entscheidende Einflussgrößen sind Persönlichkeit, Intelligenz, Kreativität, Erziehung und Ausbildung eines Menschen (Brugman 2006, S. 459 ff.). Des Weiteren ist kritisch anzumerken, dass das Konzept der Reife bzw. Weisheit kaum adäquat gemessen werden kann. Insbesondere ist unklar, nach welchen Maßstäben die Tiefe bzw. Qualität von Reife und Weisheit zu bewerten ist.
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
Tabelle 2-8 stellt die zentralen Merkmale, die den verschiedenen Wachstumsansätzen gemeinsam sind, im Überblick dar. Auf Unterschiede zwischen verschiedenen Wachstumstheorien wird dabei nicht eingegangen. Tabelle 2-8: Zentrale Merkmale der Wachstumsansätze Forschungsdisziplin/Wurzeln
Entwicklungspsychologie
Betrachtungsgegenstand
Individuum (reduziert auf intellektuell-kognitive und psychologische Merkmale)
Erkenntnisinteresse
Analyse der geistigen Entwicklung eines alternden Menschen
Zentrale Aussagen
Altern bedingt einen kontinuierlichen Zuwachs an Reife und Weisheit, d. h. je älter ein Mensch wird, desto reifer und weiser ist und verhält er sich
Perspektive in Bezug auf den Prozess des Alterns
Altern als vorhersagbarer kontinuierlicher Prozess, der positive Auswirkungen hat Stereotype Betrachtung, welche die interindividuelle Variabilität im Alterungsprozess weitgehend vernachlässigt
Erklärungsbeitrag zu Auswirkungen des Alterungsprozesses mit Relevanz im organisationalen Kontext
Ältere Mitarbeiter verfügen über eine höhere Reife und größere Weisheit als jüngere; sie haben eine innerliche Balance gefunden, können besser mit Unsicherheit, Enttäuschungen und Konflikten umgehen
2.2.2.1.4 Motivationsbezogene Ansätze „Age-related changes in […] motivation and theoretical explanations of these changes can help to substantiate predictions about work behaviour of older employees” (Schalk et al. 2010, S. 88). Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Abschnitt zwei Ansätze der Altersforschung vorgestellt, die beschreiben und erklären, wie sich das Altern auf die Motivlage eines Menschen auswirkt: die Socioemotional Selectivity Theory und das Modell altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation. Darauf aufbauend werden Schlussfolgerungen über die Motivation und das Verhalten von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters im Arbeitskontext gezogen. Die Socioemotional Selectivity Theory wurde 1992 von Carstensen entwickelt, um zu erklären, weshalb sich Personen unterschiedlichen Alters hinsichtlich des Umfangs und der Art ihrer sozialen Kontakte unterscheiden (Carstensen 1992, S. 331). Im Fokus der Theorie steht folglich die Motivation, soziale Interaktionen einzugehen. Die Socioemotional Selectivity Theory basiert auf drei Grundannahmen (Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 166; Carstensen 1998, S. 342): -
Soziale Interaktionen sind für das Überleben des Menschen unentbehrlich. Das menschliche Verhalten ist auf die Realisierung individueller Ziele ausgerichtet. Da Menschen mehrere, teilweise konfliktäre Ziele verfolgen, geht dem Verhalten immer eine Auswahl bzw. Priorisierung individueller Ziele voraus.
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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Mit sozialen Kontakten können Menschen zwei unterschiedliche Ziele verfolgen: die Aneignung neuen Wissens und die Regulation von Emotionen, d. h. die mentale Verarbeitung emotionaler Zustände (Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 166). Die relative Bedeutung dieser Ziele für eine Person hängt davon ab, in welcher Lebensphase sie sich befindet (Carstensen 1992, S. 332). Für junge Menschen sind die Generierung neuer Informationen und die Aneignung neuen Wissens durch und über andere Personen die treibenden Motive für soziale Interaktionen, da diese für sie den größten Nutzen bringen (Carstensen 1998, S. 344). Folglich pflegen sie viele Kontakte mit möglichst vielen unterschiedlichen, ihnen bisher unbekannten Personen (Carstensen 1998, S. 346 f.). Mit zunehmendem Alter realisiert das Individuum jedoch, dass seine Lebenszeit begrenzt ist und die verbleibende Zeit immer weniger wird (Charles/Carstensen 2008, S. 496). Der Fokus des Individuums richtet sich nun weniger auf die Zukunft und stärker auf die Gegenwart (Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 167). Die Aneignung neuen Wissens verliert dadurch an Bedeutung; stattdessen steigt die Relevanz affektiver Motive wie zum Beispiel die Vermeidung negativer Gefühle, das Empfinden sozialer Einbettung und emotionaler Intimität (Carstensen 1992, S. 332; Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 166 f.). Abbildung 2-5 verdeutlicht, wie sich die relative Bedeutung wissensbzw. emotionsbezogener sozialer Ziele im Lauf des Lebens verändert, weil das Individuum durch sein Altern die individuelle Lebenszeit unterschiedlich wahrnimmt. Abbildung 2-5: Relevanz wissensbezogener und emotionsbezogener sozialer Ziele über die Lebensspanne (in Anlehnung an Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 167) Relevanz sozialer Motive
Emotionsbezogene Motive
Wissensbezogene Motive
Lebensphase Kindheit
Pubertät
Mittleres Lebensalter
Hohes Lebensalter
Die in Abbildung 2-5 dargestellten Verschiebungen der Motivlage äußern sich in einem lebenslangen Selektionsprozess, in dessen Rahmen Individuen “strategically and adaptively
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
cultivate their social networks to maximize social and emotional gains and minimize social and emotional risks” (Carstensen, 1992, S. 331). Dabei wird die Anzahl sozialer Kontakte mit Bekannten mit steigendem Alter reduziert, während die Zahl und Intensität der Interaktionen mit einem Kern von vertrauten Personen (engen Freunden, Familienangehörigen, Lebenspartner) steigt (Carstensen 1992, S. 335 ff.). In die Beziehungen zu diesen Personen wird besonders investiert: Negative Erfahrungen in diesen Beziehungen werden weniger stark gewichtet und das eigene Verhalten wird auf die Aufrechterhaltung der Beziehungen ausgerichtet (Birditt/Fingerman 2003, S. 237). Der entscheidende Faktor für die unterschiedlichen sozialen Motive von jüngeren und älteren Personen ist der Socioemotional Selectivity Theory zufolge nicht das Alter, sondern die Wahrnehmung eines nahenden Endes (Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 174). „[…] as people approach endings, they pay more attention to the emotional quality of social exchanges and engage in strategic attempts to optimize emotional aspects of important social relationships“ (Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 171). Übertragen auf den organisationalen Kontext kann das Ausscheiden aus einem Unternehmen oder aus dem Berufsleben als ein solches nahendes Ende betrachtet werden, das die soziale Motivation von Beschäftigten beeinflusst. Daraus lässt sich folgende Schlussfolgerung ableiten: Mitarbeiter am Anfang ihres Berufslebens oder mit geringer Betriebszugehörigkeit und Beschäftigte, die kurz vor dem Austritt aus dem Unternehmen oder dem Berufsleben stehen, unterscheiden sich im Hinblick auf ihre sozialen Motive. Da das Alter eines Mitarbeiters stark mit dessen Betriebszugehörigkeit und den Jahren bis zum Austritt aus dem Erwerbsleben korreliert (Bruggmann 2000, S. 23), kann es als Indikator für die soziale Motivlage eines Beschäftigten herangezogen werden. Für das Management von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters lassen sich auf Basis der Socioemotional Selectivity Theory eine Reihe von Schlussfolgerungen ziehen. Für jüngere Mitarbeiter sind die Generierung neuen Wissens durch neue Kontakte und ein großes Netzwerk wichtig (Barnes-Farrell/Matthews 2007, S. 152). Darum sollte jüngeren Mitarbeitern, besonders wenn sie gerade erst in das Unternehmen eingetreten sind, ermöglicht werden, sich mit vielen Kollegen aus möglichst unterschiedlichen Unternehmens- bzw. Funktionsbereichen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Umgekehrt ist für ältere Mitarbeiter wichtig, soziale Beziehungen im Arbeitskontext aufrechtzuerhalten und zu pflegen (Barnes-Farrell/Matthews 2007, S. 151). Deshalb könnten ältere Mitarbeiter eine besondere Motivation daraus ziehen, über längere Zeit als fachlicher und persönlicher Berater einigen wenigen Kollegen zur Seite zu stehen. Zudem legen die Aussagen der Socioemotional Selectivity Theory beispielsweise nahe, dass ältere Mitarbeiter besonders für die Pflege von langjährigen Kunden- und Lieferantenbeziehungen geeignet sind.
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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Obwohl die Socioemotional Selectivity Theory bereits in einigen empirischen Studien belegt werden konnte (für einen Überblick siehe Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999), ist sie nicht frei von Kritik. Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass das Alter bzw. die dadurch bedingte Wahrnehmung verbleibender (Lebens-)Zeit als alleiniger Prädiktor der Motivation zu sozialen Interaktionen betrachtet wird. Andere mögliche Einflussfaktoren, wie beispielsweise die Persönlichkeitsmerkmale der Interaktionspartner, werden nicht berücksichtigt. Zudem fasst die Socioemotional Selectivity Theory die soziale Motivation eines Menschen in lediglich zwei Kategorien zusammen: die Wissensakquise und die Emotionsregulation. Diese beiden Kategorien sind sehr grob und zudem nicht überschneidungsfrei (Carstensen/Isaacowitz/Charles 1999, S. 167); eine feinere Untergliederung würde differenziertere Aussagen über die altersbedingten Veränderungen der sozialen Motivlage eines Menschen ermöglichen. Tabelle 2-9 fasst die wichtigsten Merkmale und Aussagen der Socioemotional Selectivity Theory im Überblick zusammen. Tabelle 2-9: Zentrale Merkmale der Socioemotional Selectivity Theory Forschungsdisziplin/Wurzeln
Entwicklungspsychologie
Betrachtungsgegenstand
Individuum (ganzheitlich) und soziales Umfeld
Erkenntnisinteresse
Erklärung altersbedingter Veränderungen in Zahl und Art sozialer Beziehungen
Zentrale Aussagen
Altern bedingt Veränderungen der Wahrnehmung der Lebenszeit, die wiederum zu einer Veränderung sozialer Motive führen; wird die verbleibende Lebenszeit als begrenzt wahrgenommen, führt dies zu einer stärkeren Gewichtung emotions- statt informationsbezogener Motive in Zusammenhang mit sozialen Kontakten und damit zu einer Konzentration sozialer Aktivitäten auf eng verbundene Personen
Perspektive in Bezug auf den Prozess des Alterns
Altern als nicht vorhersagbarer Prozess, der Wahrnehmungsveränderungen nach sich zieht, die die sozialen Motive eines Individuums beeinflussen Berücksichtigung interindividueller Unterschiede
Erklärungsbeitrag zu Auswirkungen des Alterungsprozesses mit Relevanz im organisationalen Kontext
Jüngere Mitarbeiter haben zum Ziel, durch eine hohe Bandbreite sozialer Kontakte möglichst viele neue Informationen zu generieren; älteren Mitarbeitern ist dagegen ein enger Kontakt zu wenigen, emotional verbundenen Kollegen bzw. Kunden wichtig
Während sich die Socioemotional Selectivity Theory mit der Motivlage von Menschen in verschiedenen Lebensphasen im Allgemeinen beschäftigt, steht beim Modell altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation die arbeitsbezogene Motivation im Fokus. Ziel des von Kanfer und Ackerman (2004) entwickelten Modells ist zu erklären, welche Prozesse dazu führen, dass sich mit dem Alter die Arbeitsmotivation eines Menschen verändert. Dazu werden erstmals ein Ansatz der Entwicklungspsychologie (die Life Span Psychology Theory; vgl. Abschnitt 2.2.1.1) und ein motivationstheoretischer Ansatz (das Erwartungs-Valenz-Modell; Vroom 1964) zusammengeführt. Aus der Life Span Psychology Theory werden Erkenntnisse über die Entwicklung individueller Merkmale im Erwachsenenalter herangezogen. Mit Hilfe des Erwartungs-Valenz-Modells wird erklärt, wie sich diese Entwicklungen auf jene Variab-
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
len auswirken, welche die Motivation eines Individuums beeinflussen (Kanfer/Ackerman 2004, S. 441). Die Entwicklung eines erwachsenen Menschen ist nach Kanfer und Ackermann (2004, S. 442 ff.) je nach Funktions- bzw. Persönlichkeitsbereich durch eines der folgenden vier Entwicklungsmuster geprägt: -
-
-
-
Verlust (Loss): Die fluide Intelligenz eines Menschen, insbesondere das Arbeitsgedächtnis, das abstrakte Denken, die Aufmerksamkeit sowie die Verarbeitung neuer Informationen, nehmen mit zunehmenden Alter ab (vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 2.2.2.2.2). Wachstum (Growth): Mit dem Alter eines Menschen nimmt dessen kristalline Intelligenz, insbesondere das Allgemein- und Erfahrungswissen, der Wortschatz sowie das Sprachverständnis, zu (vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 2.2.2.2.2). Umstrukturierung (Reorganization): Die menschliche Entwicklung im Erwachsenenalter ist teilweise durch Brüche geprägt, die „a qualitative different constellation of motives for action“ (Kanfer/Ackerman 2004, S. 444) bewirken. Ein Beispiel für einen solchen Bruch ist die in der Socioemotional Selectivity Theory beschriebene Umstrukturierung sozialer Motive auf Grund einer veränderten Wahrnehmung der Lebenszeit. Austausch (Exchange): Gewisse menschliche Entwicklungen im Erwachsenenalter bewirken, dass bestimmte Handlungsmotive durch andere ersetzt werden. Mögliche Auslöser hierfür sind Veränderungen der Persönlichkeit (siehe hierzu ausführlich Abschnitt 2.2.2.2.3), der Werthaltungen, des Umgangs mit Emotionen und der Selbstwahrnehmung.
Aufbauend auf dem Erwartungs-Valenz-Modell erklärt das Modell altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation, wie sich die oben beschriebenen Entwicklungen im Erwachsenenalter auf die Arbeitsmotivation auswirken. Gemäß dem Erwartungs-Valenz-Modell setzen Menschen ihre Ressourcen in Abhängigkeit ihrer individuellen Wahrnehmung der folgenden Zusammenhänge ein: dem Zusammenhang zwischen Aufwand und Leistung sowie zwischen Aufwand bzw. Leistung und dem daraus entstehenden Nutzen (Kanfer/Ackerman 2004, S. 447). Je stärker der erwartete Zusammenhang, desto höher ist die Arbeitsmotivation. Der Verlauf des Zusammenhangs zwischen Aufwand und Leistung wird maßgeblich durch die altersbedingten Entwicklungen der Fähigkeiten eines Menschen, d. h. durch Verlust und Wachstum, bestimmt (Kanfer/Ackerman 2004, S. 448). Er variiert, je nachdem, ob es sich um eine Aufgabe mit hohen Anforderungen an die kristalline oder an die fluide Intelligenz handelt (vgl. Abbildung 2-6a bzw. Abbildung 2-6b). Die individuellen Erwartungen über den Verlauf des Zusammenhangs zwischen Aufwand bzw. Leistung und Nutzen werden dagegen von altersbedingten Entwicklungen der Persönlichkeit, der Werthaltungen, der Motive und der Selbstwahrnehmung eines Menschen und damit von Umstrukturierungs- und Austausch-
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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prozessen beeinflusst (Kanfer/Ackerman 2004, S. 448). Abbildung 2-6c und Abbildung 2-6d veranschaulichen graphisch, wie sich diese Prozesse auf den Verlauf der wahrgenommenen Zusammenhänge zwischen Leistung und Nutzen bzw. Aufwand und Nutzen auswirken. Abbildung 2-6: Verlauf verschiedener motivationsrelevanter Zusammenhänge in Abhängigkeit vom Alter (in Anlehnung an Kanfer/Ackerman 2004, S. 448) a) Altersabhängiger Verlauf des Aufwand-LeistungZusammenhangs in Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die kristalline Intelligenz
b) Altersabhängiger Verlauf des Aufwand-LeistungZusammenhangs in Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die fluide Intelligenz
Leistung
Leistung
0
100
Aufwand in Prozent
0
100
c) Altersabhängiger Verlauf des Leistung-NutzenZusammenhangs
d) Altersabhängiger Verlauf des Aufwand-NutzenZusammenhangs
Nutzen
Nutzen
Leistung 0 Mitarbeiter im Alter von 20 Jahren
Mitarbeiter im Alter von 40 Jahren
100
Aufwand in Prozent
Aufwand in Prozent
Mitarbeiter im Alter von 60 Jahren
Ein Hauptkritikpunkt am Modell altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation ist, dass es bisher nicht empirisch überprüft wurde. Insbesondere der konkrete Verlauf der verschiedenen motivationsrelevanten Zusammenhänge (vgl. Abbildung 2-6) ist rein hypothetisch und nicht empirisch belegt. Zum anderen ist kritisch anzumerken, dass im Modell keine Aussagen darüber getroffen werden, wie die verschiedenen Zusammenhänge bei der Entstehung von Arbeitsmotivation zusammenwirken. Insbesondere bleibt weitgehend offen, ob sich mit dem Alter eines Mitarbeiters die relative Bedeutung der betrachteten motivationsrelevanten Zusammenhänge verändert. Schließlich konzentriert sich das Modell hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Aufwand und Leistung auf Tätigkeiten mit unterschiedlichen kognitiven Anforderungen; es sind jedoch beispielsweise auch unterschiedliche Verlaufsformen für Tätigkeiten mit unterschiedlichen Anforderungen an soziale Kompetenzen denkbar.
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
Das Modell altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation ist extrem komplex. Die zentralen Merkmale des Modells sowie dessen wichtigste Implikationen für die Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters sind in Tabelle 2-10 aufgeführt. Tabelle 2-10: Zentrale Merkmale des Modells altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation Forschungsdisziplin/Wurzeln
Entwicklungspsychologie, Motivationspsychologie
Betrachtungsgegenstand
Individuum (ganzheitlich) und Umwelt
Erkenntnisinteresse
Erklärung altersbedingter Veränderungen der Arbeitsmotivation eines Menschen
Zentrale Aussagen
Wenn ein Individuum altert, prägen vier Muster seine Entwicklung: Verlust, Wachstum, Umstrukturierung und Austausch; diese altersbedingten Entwicklungen beeinflussen die Erwartungen und Valenzen des Individuums bezüglich seines Arbeitsverhaltens und damit seine Arbeitsmotivation
Perspektive in Bezug auf den Prozess des Alterns
Altern als nicht vorhersagbarer Prozess, der Veränderungen nach sich zieht, die die Arbeitsmotivation eines Individuums beeinflussen Stereotype Betrachtung, welche die interindividuelle Variabilität im Alterungsprozess weitgehend vernachlässigt
Erklärungsbeitrag zu Auswirkungen des Alterungsprozesses mit Relevanz im organisationalen Kontext
Jüngere und ältere Mitarbeiter unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Erwartungen über den Zusammenhang zwischen Aufwand und Leistung, Leistung und persönlichem Nutzen sowie Aufwand und persönlichem Nutzen; diese Unterschiede spiegeln sich in Unterschieden in der Arbeitsmotivation wider
2.2.2.2 Empirisch gestützte Ansätze Im Fokus empirisch gestützter Ansätze der Altersforschung steht die exploratorische und deskriptive Analyse des Alterungsprozesses. Empirisch gestützte Ansätze basieren entweder auf Querschnittuntersuchungen mit Stichproben, die aus Personen unterschiedlicher Altersgruppen bestehen, oder Längsschnittstudien, in deren Rahmen dieselben Personen zu verschiedenen Zeitpunkten und damit in unterschiedlichen Phasen des Alterungsprozesses untersucht werden. Anhand der empirischen Daten wird beschrieben, wie sich Personen mit zunehmendem Alter entwickeln und welche Veränderungen mit dem Alterungsprozess einhergehen. Darüber, welche Faktoren diese Entwicklungen verursachen, wird keine Aussage getroffen. Hieraus ergibt sich eine zentrale Schwäche empirisch gestützter Ansätze: Sie schließen von statistisch signifikanten Zusammenhängen (z. B. Mittelwertunterschieden oder Korrelationen) zwischen dem Alter und dem zu untersuchenden Konstrukt darauf, dass das Alter der auslösende Faktor für die gefundenen Zusammenhänge ist, und verallgemeinern die empirischen Ergebnisse. Die Möglichkeit, dass es sich nicht um altersbedingte, sondern lediglich alterskorrelierte Entwicklungen handelt, die durch andere Größen als das Alter zu erklären sind, wird nicht überprüft. Der Beitrag empirisch gestützter Ansätze zur Altersforschung ist darin zu sehen, dass sie Themenkomplexe erschließen, die in bestehenden theoretischen Ansätzen der Altersforschung nicht thematisiert werden. Damit geben die empirisch gestützten Ansätze den Anstoß zur
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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Entwicklung von Theorien und Modellen, welche die gefundenen Zusammenhänge erklären. So sind beispielsweise die Disengagement Theory (vgl. Abschnitt 2.2.1.1) und die Socioemotional Selectivity Theory (vgl. Abschnitt 2.2.2.1.4) entwickelt worden, um den empirisch nachgewiesenen alterskorrelierten Rückgang sozialer Kontakte zu erklären. Für die vorliegende Arbeit sind jene empirisch gestützten Ansätze relevant, die Aussagen über die Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters und damit Rückschlüsse auf im Arbeitskontext bedeutsame Unterschiede zwischen Beschäftigten unterschiedlicher Altersgruppen ermöglichen. Zunächst werden im Folgenden Erkenntnisse aus empirischen Untersuchungen zur Entwicklung der körperlichen (Abschnitt 2.2.2.2.1) und intellektuellen Leistungsfähigkeit (Abschnitt 2.2.2.2.2), der Persönlichkeit (Abschnitt 2.2.2.2.3) sowie von Emotionsempfindung und -verarbeitung (Abschnitt 2.2.2.2.4) dargelegt. Anschließend werden zwei Modelle der altersbedingten Entwicklung der Berufsleistung im Alter vorgestellt, die ebenfalls auf Basis empirischer Untersuchungen entstanden sind (Abschnitt 2.2.2.2.5). Diese Auflistung macht deutlich, dass sich die genannten empirischen Ansätze hauptsächlich mit der Entwicklung menschlicher Leistungsvoraussetzungen beschäftigen. In Abschnitt 2.3 wird im Rahmen einer Sichtung metaanalytischer Arbeiten der Frage nachgegangen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und dessen Berufsleistung besteht. 2.2.2.2.1 Ansätze zur Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit Die Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist eng verknüpft mit dem biologischen Alter(n) (vgl. Abschnitt 2.1) und wird maßgeblich durch physiologische Alterungsvorgänge bestimmt. Diese verursachen „a decline in physiological competence that inevitably increases the incidence and intensifies the effects of accidents, disease, and other forms of environmental stress“ (Timiras 1972, zitiert nach Kimmel 1990, S. 346). Es existiert eine Vielzahl theoretischer Ansätze zur Erklärung der Ursachen des physiologischen Alterns (für einen Überblick siehe Kimmel 1990, S. 339 ff.). Da im vorliegenden Abschnitt aber nicht die physiologischen Alterungsprozesse an sich, sondern die Frage nach deren Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit eines Menschen im Vordergrund steht, beschränkt sich die folgende Darstellung auf die empirischen Erkenntnisse der biologischen und medizinischen Altersforschung, die Konsequenzen für die körperliche Leistungsfähigkeit eines Menschen haben. Die körperliche Leistungsfähigkeit wird vor allem durch die Funktionsfähigkeit des HerzKreislauf-Systems, des Stütz- und Bewegungsapparates, der psychomotorischen Fähigkeiten sowie der beiden Sinnesorgane Augen und Ohren bestimmt (Ilmarinen 2004, S. 33). Maßgrößen für die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems sind der absolute (l/min) und relative (ml/min/kg) maximale Sauerstoffgehalt (VO2max). Beide nehmen spätestens ab dem 30. Lebensjahr deutlich und linear ab (Ilmarinen 2004, S. 33 f.). Als Indikatoren für die Leistungsfähigkeit des Stütz- und Bewegungsapparates dienen beispielsweise die Muskelkraft
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
sowie die maximale isometrische Dehn- und Beugefähigkeit der Rumpfmuskulatur. Für beide konnte in einer Vielzahl von Studien ein deutlicher altersbedingter Rückgang ab dem 30. respektive 45. bis 50. Lebensjahr gezeigt werden (Ilmarinen 2004, S. 35; Semmer/Richter 2004, S. 96; Spirduso/MacRae 1990, S. 187). Die psychomotorischen Fähigkeiten, gemessen als Koordinationsvermögen von Augen, Händen und Fingern sowie manuelle Geschicklichkeit, nehmen ab dem 3. Lebensjahrzehnt ab (Avolio/Waldman 1994, S. 432 ff.). Auch der Seh- und der Gehörsinn weisen insbesondere ab dem 40. Lebensjahr deutliche negative Korrelationen mit dem kalendarischen Alter auf. So verschlechtern sich unter anderem die Sehschärfe, die Anpassungsfähigkeit der Augen an schlechte Lichtverhältnisse, die Fähigkeit zum Hören besonders hoher Frequenzen und zum Ausblenden störender Hintergrundgeräusche (Fozard 1990, S. 164 f.; Kimmel 1990, S. 360 ff.; Schieber 2006, S. 138 ff.). Des Weiteren steigt mit dem Alter das Risiko akuter (verursacht z. B. durch Virusinfektionen) und chronischer Erkrankungen (wie z. B. Arthritis oder Bluthochdruck), welche die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen (Kimmel 1990, S. 364 ff.). Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit eines Menschen u-förmig verläuft, d. h. der Mensch erreicht im frühen Erwachsenenalter ein Maximum an körperlicher Leistungsfähigkeit, danach sinkt diese kontinuierlich ab (Schulz/Heckhausen 1996, S. 703). Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Facetten der körperlichen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf das Lebensalter, in dem das Leistungsmaximum erreicht wird. Im Ergebnis sind ältere Menschen im Durchschnitt körperlich weniger leistungsfähig als jüngere Personen (Warr 2001, S. 2). Allerdings ist anzumerken, dass die Gestaltung der Arbeits- und Lebensgewohnheiten (wie z. B. das Ausmaß von körperlicher Belastung und Stress bei der Arbeit oder die Ernährung) starken Einfluss auf den individuellen Verlauf der Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit hat, so dass das kalendarische Alter kein eindeutiger Indikator für die physische Funktionsfähigkeit ist. Vielmehr nehmen die interindividuellen Unterschiede bezüglich der körperlichen Leistungsfähigkeit innerhalb einer Altersgruppe auf Grund der individuell unterschiedlichen Lebensstile und arbeitsbedingten Einflüsse mit dem Alter zu (Schulz/Heckhausen 1996, S. 703; Ilmarinen 2004, S. 35 f.; Spirduso/MacRae 1990, S. 187 ff.). 2.2.2.2.2 Ansätze zur Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit Die frühen Ergebnisse der gerontologischen Intelligenzforschung, die einen negativen Zusammenhang zwischen dem Alter und der intellektuellen Leistungsfähigkeit postulierten und so die Grundlage für die Defizitansätze bildeten (vgl. Abschnitt 2.2.2.1.1), beruhten auf der Interpretation der durchschnittlichen Gesamtscores, die die Probanden einer Altersgruppe in einem Intelligenztest erreichten. Ein solches Vorgehen weist drei Schwächen auf. Zum einen handelt es sich um Querschnittstudien, bei denen zum gleichen Zeitpunkt verschiedene Altersgruppen getestet und miteinander verglichen werden, um Aussagen über die Entwicklung
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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der Intelligenz im Alter zu machen. Solche Untersuchungen sind anfällig für Kohorteneffekte. Dies bedeutet, dass die Ergebnisse eventuell nicht allein auf die untersuchte unabhängige Variable, das Alter, zurückzuführen sind, sondern zusätzlich auf jahrgangs- bzw. generationsspezifische, aber altersunabhängige Eigenschaften der verschiedenen Probandengruppen (Rhodes 1983, S. 330 ff.; Warr 1994, S. 496). Zum Zweiten führt die Durchschnittsbildung der Testergebnisse über eine Altersgruppe hinweg zur Vernachlässigung interindividueller Unterschiede innerhalb der Altersgruppen (Warr 2001, S. 8). Ein dritter methodischer Mangel ist in der Verwendung von Gesamtscores zu sehen, welche vernachlässigen, dass die Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit für verschiedene Facetten der Intelligenz variieren kann (Lehr 2007, S. 79 ff.). Tatsächlich konnte in späteren Studien nachgewiesen werden, dass die aus den frühen Intelligenztests gezogenen Schlüsse alle oben genannten methodischen Mängel aufweisen und deshalb revidiert oder zumindest relativiert werden müssen. Zahlreiche Längsschnittstudien, bei denen derselbe Proband zu verschiedenen Zeitpunkten an einem Test teilnimmt, zeigen, dass der Rückgang der intellektuellen Leistungsfähigkeit, der in den Querschnittstudien nachgewiesen wurde, weitgehend auf die unterschiedlichen Schulbildungsniveaus der Geburtenjahrgänge (also einen Kohorteneffekt) zurückgeführt werden kann. Der Anteil der durch das Alter erklärten Varianz sank in den Längsschnittstudien gegenüber den Querschnittstudien erheblich (Lehr 2007, S. 84 ff.). Des Weiteren wurde eine starke interindividuelle Variabilität gemessen, d. h. die Streuung innerhalb einer Altersgruppe war sehr hoch, so dass es durchaus ältere Probanden mit überdurchschnittlichen Testwerten gab, die wesentlich besser abschnitten als manche jüngeren mit relativ schlechten Testwerten (Lehr 2007, S. 76 ff.). Zuletzt zeigte eine detaillierte Analyse der Ergebnisse der frühen Querschnittstudien, dass ein unspezifisches Maß der Allgemeinen Intelligenz nicht ausreicht, sondern ein differenzierterer Intelligenzbegriff erforderlich ist, um die altersinduzierte Entwicklung intellektueller Fähigkeiten zu erfassen. Es wurde begonnen, Intelligenzmodelle zu entwickeln, die verschiedene Intelligenzbereiche berücksichtigen und jeweils differenziert analysieren. Ein solches, heute in gerontologischen Studien häufig verwendetes Faktorenmodell der Intelligenz ist das Intelligenzmodell von Horn und Catell (1966). Danach wird der generelle Faktor der Intelligenz (g) in zwei voneinander relativ unabhängige Dimensionen unterteilt. Als „fluid intelligence (Gf)“ werden „the processing and reasoning components of intelligence“ (Beier/Ackerman 2005, S. 341) bezeichnet, also die Fähigkeit zum Einsatz kognitiver Basisoperationen zur Bewältigung neuartiger kognitiver Probleme. Um die fluide Intelligenz zu erfassen, werden zum Beispiel Kombinationsfähigkeit, räumliches Vorstellungsvermögen oder Wahrnehmungsgeschwindigkeit, meist in „Speed-Tests“, also unter Zeitdruck, gemessen. Mit „crystallized intelligence (Gc)“ bezeichnet man die Fähigkeit zur Lösung vertrauter kognitiver Probleme, basierend auf durch Bildung und Erfahrung erworbenem Wissen. Die kris-
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
talline Intelligenz wird in Aufgaben gemessen, bei denen Gelerntes angewendet und Inhalte des Langzeitgedächtnisses abgerufen werden müssen, d. h. Aufgaben, die das Niveau von Fertigkeiten wie Kopfrechnen sowie das Ausmaß und die Qualität deklarativer Wissensbestände wie beispielsweise den Wortschatz erfassen (Beier/Ackerman 2005, S. 341; Bruggmann 2000, S. 86 f.; Lehr 2007, S. 79 ff.). Heute gilt als erwiesen, dass die fluide Intelligenz im Kindes- und Jugendalter rasch ansteigt und im Erwachsenenalter (etwa ab dem 20. Lebensjahr) linear abnimmt – ein Rückgang, der sich im hohen Alter noch beschleunigt. Im Gegensatz dazu steigt die kristalline Intelligenz bis Mitte 40 langsam an, um dann über weite Strecken des Erwachsenenlebens erhalten zu bleiben oder sogar durch entsprechendes Training gesteigert zu werden (u. a. Beier/Ackerman 2005, S. 341; Bruggmann 2000, S. 86; Kanfer/Ackerman 2004, S. 443; Lehr 2007, S. 79 ff.). Allerdings konnte mehrfach gezeigt werden, dass die Alterseffekte während des Erwachsenenalters bis zum 70. Lebensjahr, also im Zeitraum der Berufstätigkeit, relativ gering sind (Avolio/Waldman 1994, S. 438; Lehr 2007, S. 79 ff.). Abbildung 2-7 veranschaulicht die empirischen Erkenntnisse zur altersbedingten Entwicklung der beiden Intelligenzfacetten des Intelligenzmodells von Horn und Catell graphisch. Abbildung 2-7: Verlauf der Entwicklung von fluider bzw. kristalliner Intelligenz in Abhängigkeit vom Alter Leistung
mögliche Trainingseffekte
Fluide Intelligenz
Kristalline Intelligenz
ca. 25
ca. 50
ca. 75
Lebensalter in Jahren
Als Ursache für den differenziellen Altersverlauf der beiden Intelligenzdimensionen werden ihre unterschiedlichen „Quellen“ angeführt. Fluide Intelligenz beruht auf der Fähigkeit, Informationen schnell aufzunehmen und effizient zu verarbeiten (Bruggmann 2000, S. 87). Diese Informationsverarbeitungsprozesse werden durch physiologische Alterungsvorgänge beeinträchtigt. So führt die zunehmende Schädigung des Zentral-Nerven-Systems im späten Erwachsenenalter zu einem Rückgang der Funktionsfähigkeit der Aufmerksamkeits- und Reaktionsprozesse sowie des Gedächtnisses, insbesondere des Arbeitsgedächtnisses, das es ermöglicht, Informationen gleichzeitig zu speichern und zu bearbeiten (Hoyer/Verhaeghen 2006,
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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S. 217 ff.; Semmer/Richter 2004, S. 96 f.; Warr 1994, S. 518 f.). Darüber hinaus beeinträchtigt der Abbau des Seh- und Hörvermögens bereits die Informationsaufnahme (Lehr 2007, S. 90 f.). Zusammen bewirken diese Alterungsvorgänge den altersbedingten Rückgang der fluiden Intelligenz. Die kristalline Intelligenz ist dagegen erfahrungsgebunden. Sie beruht auf faktischem, prozeduralem Wissen, das im Laufe der menschlichen Entwicklung erworben wird. Dies erklärt zum einen ihren alterskorrelierten Anstieg, zum anderen, dass ihr Altersverlauf – im Gegensatz zu dem der fluiden Intelligenz – zunehmende interindividuelle Variabilität aufweist (Avolio/Waldman 1994, S. 430 f.; Bruggmann 2000, S. 86). Neben dem Intelligenzmodell von Horn und Catell kommen in der gerontologischen Intelligenzforschung einige weitere Intelligenzfaktorenmodelle zum Einsatz. So verwendeten beispielsweise Schaie und seine Kollegen in ihren vielfach zitierten Seattle-Längsschnittstudien (1963-1970) das Konzept der „Primary Mental Abilities“ oder „Primärfähigkeiten“, das fünf Intelligenzbereiche unterscheidet: Verbal Meaning (Verstehen von Vokabeln), Space (räumliches Vorstellungsvermögen), Reasoning (logisches Denken), Number (Rechenfähigkeiten) und Word Fluency (Wortgedächtnis und -flüssigkeit) (Kimmel 1990, S. 186 ff.). Ein dem Modell von Horn und Catell sehr ähnliches Konzept ist das Zweikomponentenmodell der intellektuellen Entwicklung von Baltes und Kollegen, das zwischen zwei Kategorien intellektueller Fähigkeiten unterscheidet: (1) die primär biologisch determinierte „Mechanik der Kognition“, deren Qualität durch Geschwindigkeit, Genauigkeit und Koordination elementarer Informationsverarbeitungsprozesse bestimmt wird, und (2) die „Pragmatik der Kognition“, die auf im Lauf des Lebens erworbenem, kulturspezifischem Wissen basiert. Die prognostizierten Altersverläufe entsprechen denen der fluiden bzw. kristallinen Intelligenz (Baltes/Staudinger/Lindenberger 1999, S. 486 ff.; Lindenberger 2000, S. 1 f.). Ebenfalls in Anlehnung an Horn und Catell unterscheidet Ackerman (1996) zwischen „intelligence as process“ und „intelligence as knowledge“ (Warr 1994, S. 3 ff.). Den verschiedenen Intelligenzkonzepten ist gemeinsam, dass Intelligenz als multidimensionales Konstrukt verstanden wird, also verschiedene Facetten umfasst, die jeweils unterschiedliche Altersverläufe aufweisen. Dabei werden „altersresistente“ und „altersvulnerable“ intellektuelle Fähigkeiten unterschieden (Lindenberger 2000, S. 1). Der Altersverlauf einer Intelligenzdimension kann aber interindividuell variieren. Dies bedeutet, dass nicht jeder Mensch demselben Entwicklungsmuster folgt. Darüber hinaus weist Intelligenz intraindividuelle Plastizität auf, d. h. durch entsprechendes Training können die intellektuellen Fähigkeiten, insbesondere die kristalline Intelligenz, erhalten oder sogar verbessert werden (Baltes/Staudinger/Lindenberger 1999, S. 495 ff.; Kimmel 1990, S. 185 f.). Zusammenfassend ist festzustellen, dass keine generelle Aussage über die Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit mit dem Alter möglich ist. Es muss vielmehr zwischen verschiedenen Formen intellektueller
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
Leistung unterschieden werden: Jene, die auf schneller und effizienter Informationsverarbeitung beruhen, sind von altersbedingten Leistungsrückgängen betroffen; solche, die den Einsatz von Wissen und Erfahrung erfordern, weisen ein mit dem Alter steigendes Leistungsniveau auf. 2.2.2.2.3 Ansätze zur Entwicklung der Persönlichkeit Neben der körperlichen und intellektuellen Leistungsfähigkeit werden die Einstellung und das Verhalten eines Mitarbeiters auch durch dessen Persönlichkeit beeinflusst. So belegt beispielsweise eine Metaanalyse zweiter Ordnung, welche die Ergebnisse von 15 Metaanalysen zusammenfasst, die prognostische Validität des Fünf-Faktoren-Modells der Persönlichkeit (Costa/McCrae 1985) in Bezug auf die Berufsleistung (Gewissenhaftigkeit: r = .27, Extraversion: r = .15, Verträglichkeit: r = .13, Neurotizismus: r = -.13, Offenheit: r = .07) (Barrick/ Mount/Judge 2001, S. 19 ff.). Im vorliegenden Abschnitt soll erläutert werden, inwieweit sich die Persönlichkeit im Lauf des Erwachsenenalters verändert und welche Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern sich hieraus ergeben. Entgegen der ursprünglich in der Persönlichkeitspsychologie weitverbreiteten Annahme, dass die Persönlichkeit im mittleren und hohen Erwachsenenalter weitgehend stabil sei (Kimmel 1990, S. 411 ff.), belegen neuere empirische Studien die Veränderlichkeit von Persönlichkeitseigenschaften (Lehr 2007, S. 135 ff.; Slaughter/Feldman 2009, S. 3). So konnten zum Beispiel McCrae und Kollegen (1999) durch die Auswertung der Daten von 7.363 Probanden aus fünf Ländern nachweisen, dass Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit im Alter von 18 bis mindestens 60 Jahren kontinuierlich und signifikant zunehmen, während die Werte für Extraversion und Offenheit mit dem Alter sinken. Die Ergebnisse ließen zudem auf eine mit dem Alter abnehmende Tendenz zu Neurotizismus schließen, waren hier aber nicht für alle Kulturkreise konsistent (McCrae et al. 1999, S. 469 ff.). Auch in den darauf folgenden Jahren wurde mehrfach der alterskorrelierte Zuwachs von Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit bzw. Rückgang von Neurotizismus nachgewiesen (Mroczek/Spiro/Griffin 2006, S. 366; Slaughter/Feldman 2009, S. 7 f.). Die meisten Studien zur Persönlichkeitsentwicklung basieren allerdings auf Mittelwerten verschiedener Altersgruppen, dadurch werden mögliche individuelle Differenzen im Altersverlauf der Persönlichkeitsentwicklung vernachlässigt. Tatsächlich zeigt sich bei einer individuellen Auswertung der Daten, dass die Heterogenität der Altersverläufe der Persönlichkeitsfaktoren enorm ist; Ausmaß und Richtung der Veränderlichkeit variieren zwischen den Probanden. Die Ergebnisse von McCrae et al. (1999) und ähnlichen empirischen Untersuchungen können also nur als Tendenzaussagen interpretiert werden (Mroczek/Spiro/Griffin 2006, S. 365 ff.).
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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Übertragen auf den organisationalen Kontext bedeutet dies, dass keine für jeden Mitarbeiter gültigen Rückschlüsse auf einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Persönlichkeit im Alter und berufsbezogenen Einstellungen, Verhaltensweisen oder der Berufsleistung gezogen werden können. Tendenziell lassen der durchschnittliche Anstieg von Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit sowie der Rückgang von Neurotizismus in Kombination mit den Ergebnissen der Metaanalyse von Barrick, Mount und Judge (2001) aber auf eine altersbedingte Verbesserung persönlichkeitsbezogener Leistungsvoraussetzungen schließen. 2.2.2.2.4 Ansätze zur Entwicklung von Emotionsempfindung und -verarbeitung Auch die Art und Weise wie Emotionen empfunden und verarbeitet werden, hat einen Einfluss auf die Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern. Im Folgenden sollen die wichtigsten Erkenntnisse zur Entwicklung von Emotionsempfindung und -verarbeitung im Rahmen des Alterungsprozesses dargelegt werden. Dabei stehen die Entstehung von Emotionen und der Umgang mit diesen im Fokus der Betrachtung. Im Zusammenhang mit der Entstehung von Emotionen belegt eine Reihe empirischer Studien, dass für ältere Menschen emotionale Stimuli wichtiger sind als solche, die keinen emotionalen Inhalt haben (Carstensen/Mikels/Mather 2006, S. 356). Auch die Verarbeitung emotionaler Stimuli variiert mit dem Alter der Probanden: Je älter die Personen, desto wahrscheinlicher ist es, dass positive Informationen gesucht, intensiv verarbeitet und leicht erinnert werden, während negative emotionale Informationen weniger wahrgenommen, eher oberflächlich verarbeitet und schneller vergessen werden (Carstensen/Mikels/Mather 2006, S. 347 ff.; Ng/Feldman 2009, S. 1061). Dieses Phänomen wird auch als „Positivity Effect“ bezeichnet (Carstensen/Mikels/Mather 2006, S. 349). In der Folge haben ältere Personen seltener Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen und sind eher bereit, ihrem Interaktionspartner Fehlverhalten zu verzeihen (Ng/Feldman 2009, S. 1061). Ein weiterer altersbezogener Unterschied ist hinsichtlich des Umgangs mit Emotionen zu konstatieren. Zum einen fallen bei älteren Menschen insbesondere negative emotionale Reaktionen schwächer aus und halten kürzer an als bei jüngeren Personen (Birditt/Fingerman 2008, S. 243; Carstensen/Mikels/Mather 2006, S. 346; Ng/Feldman 2009, S. 1060). Dies könnte auf mit dem Alter zunehmende Fähigkeiten zur Emotionsregulation, d. h. zur mentalen Verarbeitung emotionaler Empfindungen, zurückgeführt werden. In diesem Zusammenhang zeigt eine Vielzahl von Studien, dass ältere Menschen besser dazu in der Lage sind, ihre eigenen Emotionen zu verstehen und zu kontrollieren (Gross et al. 1997, S. 596; Ng/Feldman 2009, S. 1060). In der Folge empfinden sie selbst in schwierigen sozialen Interaktionen weniger Stress (Birditt/Fingerman/Almeida 2005, S. 335 f.; Charles/Carstensen 2008, S. 501). Zudem neigen ältere Personen in sozialen Interaktionen eher zu passiven Emotionen (z. B. Traurigkeit); ihre Emotionen kommen nicht so stark in ihrem Verhalten zum Ausdruck. Jüngere Menschen empfinden dagegen eher Emotionen, die Handlungen nach sich ziehen (z. B. Är-
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
ger) und sich dadurch dem Interaktionspartner mitteilen (Charles/Carstensen 2008, S. 501 f.; Gross et al. 1997, S. 591). Die in den vorangegangenen Absätzen vorgestellten empirischen Studien zu alterskorrelierten Entwicklungen von Emotionsempfindungen und -verarbeitung weisen eine große inhaltliche Nähe zu der in Abschnitt 2.2.2.1.4 vorgestellten Socioemotional Selectivity Theory auf. Während der zentrale Untersuchungsgegenstand dieser Theorie soziale Beziehungen sind und emotionsbezogene Aspekte dabei als ein erklärender Mechanismus herangezogen werden, analysieren die vorgestellten Studien das Emotionsempfinden und die Emotionsverarbeitung losgelöst von sozialen Beziehungen, auch wenn auf Grund des Untersuchungsdesigns teilweise soziale Interaktionen den Untersuchungsrahmen bilden. Zusammenfassend ist zu festzustellen, dass die Art und Weise, wie ältere Menschen auf emotionale Stimuli reagieren und mit den daraus entstehenden Emotionen umgehen, weniger Spannungen und Konflikte in sozialen Interaktionen nach sich ziehen (u. a. Birditt/Fingerman 2003, S. 242 f.; Charles/Carstensen 2008, S. 495). Dies kann sich gerade in beruflichen Tätigkeiten, die mit vielen bzw. intensiven zwischenmenschlichen Kontakten verbunden sind, positiv auf die Arbeitsleistung auswirken. 2.2.2.2.5 Ansätze zur Entwicklung der beruflichen Leistung Die bisher vorgestellten empirisch gestützten Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext beschreiben verschiedene alterskorrelierte Entwicklungen und ermöglichen so Rückschlüsse auf altersbedingte Veränderungen der Einstellungen, des Verhaltens oder der Leistung von Mitarbeitern. Im vorliegenden Abschnitt sollen zwei empirisch gestützte Modelle vorgestellt werden, die direkt den Zusammenhang zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und dessen Leistung zum Untersuchungsgegenstand machen. Um Art und Ausmaß der Effekte der Berufserfahrung auf die Berufsleistung zu untersuchen, entwickelten Schmidt, Hunter und Outerbridge (1986) auf Basis empirischer Daten das Pfadanalytische Modell der Berufsleistung. Abbildung 2-8 zeigt das Kausalmodell und die metaanalytisch ermittelten Pfadkoeffizienten. Die Berufserfahrung eines Mitarbeiters wirkt demnach direkt auf den Umfang seines berufsspezifischen Wissens und – wenn auch wesentlich weniger stark (.57 vs. .18) – auf seine praktische Leistung in einer Arbeitsprobe. Der Effekt der Berufserfahrung auf die Leistungsbeurteilung durch den Vorgesetzten ist dagegen indirekt; Berufswissen und das in der Arbeitsprobe erfasste Leistungspotenzial wirken hier als Mediatorvariablen. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass Berufserfahrung einem Mitarbeiter die Gelegenheit bietet, sich berufserfolgsrelevantes Wissen anzueignen (Schmidt/Hunter/Outerbridge 1986, S. 436 f.). Ausgehend von der Annahme, dass mit dem Alter eines Mitarbeiters dessen Berufserfahrung zunimmt, liefert das pfadanalytische Modell
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext
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der Berufsleistung einen Erklärungsansatz für einen positiven Zusammenhang zwischen dem Alter und der Berufsleistung. Abbildung 2-8: Pfadanalytisches Modell der Berufsleistung nach Schmidt/Hunter/Outerbridge (1986)
Berufserfahrung
.57
Intelligenz
.18
.46
berufsspezifisches Wissen
.66
.34
.08
Leistung in einer Arbeitsprobe
.09 Leistungsbeurteilung durch Vorgesetzten
Basierend auf theoretischen Ansätzen und empirischen Erkenntnissen zu altersbedingten Veränderungen der kognitiven und körperlichen Leistungsfähigkeit eines Menschen entwickelte Warr (1993, 1994) das Four-Category Framework. In diesem Modell wird jede berufliche Tätigkeit einer von vier Kategorien zugeordnet wird, für die jeweils ein anderer Zusammenhang zwischen dem Alter und der Leistung in der entsprechenden Tätigkeit prognostiziert wird. Den vier Kategorien liegt die Einordnung einer Arbeitsaufgabe anhand zweier Dimensionen zu Grunde (Warr 1994, S. 501 ff.): 1. Überschreitung der Basiskapazitäten durch die Aufgabenanforderungen: Als „Basiskapazitäten“ (auch „raw capacities“) bezeichnet Warr den Teil des Leistungsvermögens eines Menschen, der auf physiologischen Prozessen basiert, deren Funktionsfähigkeit tendenziell mit dem Alter abnimmt (Warr 1994, S. 501). Beispiele für solche Basiskapazitäten sind Muskelkraft, Hör- und Sehvermögen, psychomotorische Fähigkeiten oder auch Informationsverarbeitungskapazität und -geschwindigkeit (Warr 1994, S. 516 f.). Für Tätigkeiten, die hohe Anforderungen an die Basiskapazitäten eines Mitarbeiters stellen, ist zu erwarten, dass diese Kapazitäten mit zunehmendem Alter eher überschritten werden, was sich negativ auf die Leistung des Beschäftigten auswirkt. 2. Möglichkeit der Leistungssteigerung durch Erfahrung: Mit dem steigenden Alter eines Mitarbeiters geht eine Kumulation von Berufserfahrung einher. Für Tätigkeiten, in denen eine hohe Erfahrung eine bessere Leistung ermöglicht, ist ein positiver Effekt des Alters auf die Leistung zu erwarten. Aus den beiden oben beschriebenen Dimensionen, die jeweils dichotom sind, ergeben sich vier Tätigkeitskategorien, wie die in Abbildung 2-9 dargestellte Vier-Felder-Matrix zeigt. Für
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Alter und Altern im organisationalen Kontext
jede dieser Kategorien ergibt sich aus Kombination der beiden oben erläuterten Effekte auf die Arbeitsleistung ein spezifischer Alter-Leistung-Zusammenhang. Abbildung 2-9: Four-Category Framework nach Warr (1993, 1994)
Ja
Aufgabenkategorie C
Aufgabenkategorie A
Age-counteracted Activities
Age-enhanced Activities
Æ kein Alter-Leistung-Zusammenhang
Æ positiver Alter-Leistung-Zusammenhang
Möglichkeit der Leistungssteigerung durch Erfahrung
Nein
Aufgabenkategorie D
Aufgabenkategorie B
Age-impaired Activities
Age-neutral Activities
Æ negativer Alter-Leistung-Zusammenhang
Æ kein Alter-Leistung-Zusammenhang
Ja
Nein
Überschreitung der Basiskapazitäten durch die Aufgabenanforderungen
Bei Aufgaben, welche die Basiskapazitäten stark beanspruchen (von Warr als Typ D bezeichnet), nimmt die Leistung mit dem Alter ab. Kann dieser physiologisch bedingte Leistungsabbau dagegen durch eine Leistungssteigerung auf Grund von Erfahrung kompensiert werden (Typ C), gleichen sich die mit dem Alter einhergehenden negativen und positiven Effekte aus: Es besteht kein Zusammenhang zwischen Alter und Leistung. Gleiches gilt für Aufgaben, bei denen weder die Basiskapazitäten stark beansprucht sind, noch Erfahrung eine Leistungsverbesserung ermöglicht (Typ B). Hier bedeutet zunehmendes Alter weder einen Vor- noch einen Nachteil. Bei Aufgaben des Typs A ist die Beanspruchung der „raw capacities“ gering, gleichzeitig eröffnet Erfahrung ein Leistungssteigerungspotenzial. Für solche Aufgaben prognostiziert Warr einen positiven Alter-Leistung-Zusammenhang. Wichtig ist dabei anzumerken, dass Aufgaben, nicht aber Berufe den in Abbildung 2-9 aufgeführten Kategorien zugeordnet werden. Ein Beruf kann aus Tätigkeiten aus allen vier Kategorien bestehen, mit jeweils unterschiedlichen prozentualen Anteilen und entsprechend unterschiedlichen Implikationen für den Zusammenhang zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und dessen Gesamtleistung. Warr weist darauf hin, dass im Zuge der technischen Entwicklung und der zunehmenden Bedeutung wissensbasierter Aufgaben die Zahl der Berufe mit einem hohen Anteil an Aufgaben des Typs D zurückgeht und damit zunehmend weniger Berufe von einem altersbedingten Leistungsabfall betroffen sind (Warr 1994, S. 501 ff.).
Bestandsaufnahme: Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung
49
Den beiden empirisch gestützten Ansätzen zur Entwicklung der Berufsleistung, dem Pfadanalytischen Modell der Berufsleistung und dem Four-Category Framework ist gemeinsam, dass im Fokus der Argumentation die Berufserfahrung steht. In beiden Ansätzen wird argumentiert, dass mit dem Alter eines Beschäftigten dessen arbeitsbezogene Erfahrung steigt, was wiederum Implikationen für die Leistung des Mitarbeiters hat. Während im Pfadanalytischen Modell der Berufsleistung von einem generell positiven Effekt der Erfahrung auf die Leistung ausgegangen wird, berücksichtigt das Four-Category Framework unterschiedliche Tätigkeitskategorien, in denen die potenziell positiven Auswirkungen von Erfahrung in unterschiedlichem Maße zum Tragen kommen.
2.3
Bestandsaufnahme: Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung
Wie die vorangegangenen Erläuterungen deutlich machen, haben die in Abschnitt 2.2 dargestellten Ansätze der Altersforschung entsprechend der jeweiligen Forschungsdisziplin und des Erkenntnisinteresses unterschiedlichste Aspekte des Alterungsprozesses zum Gegenstand. Je nachdem, welche Konstrukte im Fokus stehen, ergeben sich unterschiedliche Implikationen für den Zusammenhang zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und dessen Leistung. Tabelle 2-11 gibt einen Überblick über den jeweils postulierten Zusammenhang zwischen Alter und Leistung. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass einige Ansätze explizit Aussagen zu den Auswirkungen des Alterns auf die berufliche Leistung treffen (z. B. die Defizitmodelle oder die Ansätze zur Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit), während für Ansätze wie die Theorien des erfolgreichen Alterns oder die Ansätze zur Entwicklung der Persönlichkeit Aussagen über den Alter-Leistung-Zusammenhang aus den theoretisch-konzeptionellen Annahmen abgeleitet werden müssen.
50
Alter und Altern im organisationalen Kontext
Tabelle 2-11: Gegenüberstellung der Aussagen verschiedener Ansätze der Altersforschung zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung Ansatz
Postulierter Zusammenhang zwischen Alter und Leistung Ansätze zu Einflussfaktoren des Alterungsprozesses
Theorien des erfolgreichen Alterns
negativ oder positiv (je nachdem, wie erfolgreich die empfohlenen Strategien umgesetzt werden)
Modell des arbeitsinduzierten Alterns
negativ oder nicht signifikant (in Abhängigkeit von der Belastungsintensität der Arbeitsbedingungen)
Ansätze zu Auswirkungen des Alterungsprozesses: Theorien und Modelle Defizitmodelle
negativ
Phasenansätze (Karriereentwicklungsmodelle)
positiv bzw. umgekehrt u-förmig
Wachstumsansätze
positiv
Motivationsbezogene Ansätze
negativ oder positiv (je nachdem, inwieweit die Tätigkeitsinhalte und Arbeitsbedingungen motivationsförderlich sind)
Ansätze zu Auswirkungen des Alterungsprozesses: Empirisch gestützte Ansätze Ansätze zur Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit
negativ
Ansätze zur Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit
negativ für Leistung der fluiden, nicht signifikant oder positiv für Leistung der kristallinen Intelligenz
Ansätze zur Entwicklung der Persönlichkeit
im Durchschnitt positiv
Ansätze zur Entwicklung der Emotionsempfindung und -verarbeitung
positiv für Tätigkeiten, die einen konstruktiven Umgang mit negativen Emotionen erfordern
Ansätze zur Entwicklung der beruflichen Leistung
negativ für Tätigkeiten mit hohen körperlichen Belastungen bzw. hohem Zeitdruck; positiv für Tätigkeiten, in denen Erfahrung leistungsförderlich wirkt; nicht signifikant für Tätigkeiten, auf die beide oder keine dieser Beschreibungen zutreffen
Im Folgenden steht die Frage im Fokus, inwieweit die postulierten Zusammenhänge zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und dessen Leistung empirisch bestätigt werden können. Der Alter-Leistung-Zusammenhang war bis heute Gegenstand von mehr als hundert empirischen Studien (Sturman 2003, S. 619). Die darin ermittelten Korrelationen zwischen dem Alter als unabhängige und der Leistung als abhängige Variable variieren zwischen r = -.44 und r = .66 (McEvoy/Cascio 1989, S. 13). Dabei sind die einzelnen Ergebnisse kaum miteinander vergleichbar, da sich die Studien bezüglich Methodik sowie Zusammensetzung und Umfang der untersuchten Stichproben erheblich unterscheiden (Bruggmann 2000, S. 13). Insbesondere die Operationalisierung der abhängigen Variable Leistung, die Art der untersuchten Tätigkeiten, die Streuung der Variable Alter innerhalb der Stichprobe sowie die Anzahl der Probanden je Altersgruppe variieren sehr stark. Eine rein qualitative, vergleichende Darstellung der verschiedenen Untersuchungsergebnisse beispielsweise in tabellarischer Form wäre folglich wenig aussagekräftig. Deshalb sollen im Folgenden die Ergebnisse von Metaanalysen vorgestellt werden. Diese Sekundärstudien ermöglichen durch „eine systematische, nach transparenten Kriterien vollzogene Zusammenführung […] von unterschiedlichen empirischen Einzelstudi-
Bestandsaufnahme: Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung
51
en zur gleichen Fragestellung“ (Höft 2006, S. 769) unter gleichzeitiger Korrektur potenzieller Stichproben- oder Messfehler sowie von Variabilitätseinschränkungen eine Generalisierung der berichteten Korrelationen (Höft 2006, S. 769 ff.). Die erste Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung wurde 1986 von Waldman und Avolio durchgeführt. Dabei ergab sich auf Basis von 40 unabhängigen Stichproben mit einem Gesamtumfang von N = 10.027 im Durchschnitt eine leicht positive Korrelation von rc = .06. Weitere Analysen verdeutlichen, wie stark der ermittelte Zusammenhang von der Art der Leistungsmessung (also der Operationalisierung der abhängigen Variable) sowie der Art der Tätigkeit der Probanden (Waldman und Avolio unterschieden Professional und Non-Professional) abhängig ist. So ergab sich beispielsweise eine positive Korrelation (rc = .27) zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und der Produktivität gemessen anhand von objektiven Kriterien. Dagegen war die Korrelation zwischen dem Alter und der Vorgesetztenbeurteilung als Leistungsmaß negativ (rc = -.14). Besonders schlecht schnitten die NonProfessionals mit steigendem Alter in den Augen ihrer Vorgesetzten ab (rc = -.18); bei Professionals betrug die Korrelation zwischen Alter und Vorgesetztenbeurteilung dagegen rc = -.05. Insgesamt ist festzustellen, dass die Art der Leistungsmessung einen erheblichen Teil der Varianz der Einzelergebnisse erklärt, während die Einteilung in lediglich zwei Tätigkeitskategorien wenig aussagekräftig scheint (Waldman/Avolio 1986, S. 34 ff.). Drei Jahre später ermittelten McEvoy und Cascio in ihrer Metaanalyse von insgesamt 96 Stichproben (N = 38.983) ebenfalls eine Alter-Leistung-Korrelation von rc = .06. Auch sie berücksichtigten verschiedene Leistungsmaße (objektiv vs. subjektiv) und Berufskategorien (Professional vs. Non-Professional); zusätzlich untersuchten sie die Moderatorwirkung der Altersverteilung innerhalb der Stichproben. Die Ergebnisse von Waldman und Avolio bezüglich der Relevanz der Art der Leistungsmessung für den Zusammenhang zwischen Alter und Leistung konnten McEvoy und Cascio nicht bestätigen. Des Weiteren fanden sie für Professionals einen leicht negativen Zusammenhang zwischen Alter und Leistung (rc = -.08), für NonProfessionals dagegen einen leicht positiven (rc = .06). Hinsichtlich der Altersverteilung der Stichproben ergab sich für sehr junge Stichproben (Durchschnittsalter < 26 Jahre) ein deutlich stärkerer Alter-Leistung-Zusammenhang (rc = .16) als für Stichproben, die auch Probanden mit mehr als 49 bzw. 59 Jahren enthielten (rc = .04). Dies zeigt, dass mit steigender Streuung der Altersvariable innerhalb einer Stichprobe der lineare Zusammenhang zwischen Alter und Leistung immer schwächer wird, was ein Indiz für eine kurv-lineare Beziehung zwischen den beiden Größen sein könnte (McEvoy/Cascio 1989, S. 12 ff.). Diese Vermutung überprüfte Sturman (2003) in seiner Metaanalyse von 167 Stichproben mit einem Gesamtumfang von N = 96.866. Zunächst kann auch er nur eine relativ schwache Korrelation zwischen Alter und Leistung (rc = .03) feststellen. Dabei moderiert das Durchschnittsalter der Stichproben den Zusammenhang: Bei einem Durchschnittsalter von 34 Jahren be-
52
Alter und Altern im organisationalen Kontext
trägt die Korrelation rc = .06, bei einem Durchschnittsalter von 49 Jahren geht sie gegen Null, liegt das Durchschnittsalter über 49 Jahren so wird sie negativ. Dies ist ein Hinweis auf einen umgekehrt u-förmigen Verlauf des Zusammenhangs zwischen Alter und Leistung. Berücksichtigt man als zusätzlichen Moderator die Aufgabenkomplexität, so ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Für Aufgaben mit geringer Komplexität kann die umgekehrte U-Kurve bestätigt werden. Bei Aufgaben mit hoher Komplexität zeigt sich dagegen ein positiver, allerdings nicht linearer Zusammenhang. Für die Art der Leistungsmessung findet Sturman keine signifikante Moderatorwirkung (Sturman 2003, S. 622 ff.). Die bisher diskutierten Metaanalysen basieren auf einer eindimensionalen Betrachtung des Leistungskonstrukts. Es wird ausschließlich die Leistung in den Kernaufgaben eines Mitarbeiters als abhängige Variablen herangezogen, andere Facetten der Berufsleistung werden nicht berücksichtigt. Dadurch ist es nicht möglich zu untersuchen, ob der Zusammenhang zwischen Alter und Leistung in Abhängigkeit von verschiedenen Dimensionen der Leistung variiert (Cleveland/Lim 2007, S. 118). Dagegen berücksichtigt die aktuellste Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und dessen Leistung zehn verschiedene Dimensionen der Berufsleistung (Ng/Feldman 2008). Basierend auf 438 unabhängigen Stichproben mit mehreren zehntausend Probanden finden Ng und Feldman (2008) wie in den vorangegangenen Metaanalysen schwach negative (rc = -.04) bis schwach positive (rc = .06) Korrelationen zwischen dem Alter und der Leistung in Kernaufgaben je nachdem, wie die Leistung gemessen wurde. Weitere schwache, gegen Null tendierende Korrelationen bestehen zwischen dem Alter und der Kreativität, der Leistung in Trainingsmaßnahmen und den krankheitsbedingten Fehltagen. Dagegen existieren für fünf weitere Facetten der Arbeitsleistung (jeweils durch den Vorgesetzten oder Kollegen beurteilt) Korrelationen im zweistelligen Bereich. Das aufgabenbezogene Organizational Citizenship Behavior weist eine positive Korrelation mit dem Alter auf (rc = .27). Stark negative Korrelationen finden sich zwischen dem Alter und kontraproduktivem Arbeitsverhalten (rc = -.12), Verspätungen (r = -.28), allgemeinem sowie nicht krankheitsbedingtem Absentismus (rc = -.26 bzw. -.10) (Ng/Feldman 2008, S. 401). Die Ergebnisse von Ng und Feldman machen deutlich, dass ältere Mitarbeiter durchaus einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können. Dieser ergibt sich jedoch nicht allein aus ihrer Leistung in jenen Arbeitsaufgaben, die in Stellenbeschreibungen definiert wurden, sondern insbesondere aus ihrem sonstigen Arbeitsverhalten (Ng/Feldman 2008, S. 403). Um ein vollständiges Bild der Leistung eines Beschäftigten zu erhalten und valide Aussagen über den Alter-Leistung-Zusammenhang zu treffen, ist deshalb die Berücksichtigung verschiedener Dimensionen der Arbeitsleistung unerlässlich (Ng/Feldman 2008, S. 407). Tabelle 2-12 stellt die Ergebnisse der vier diskutierten Metaanalysen im Überblick dar. Sie zeigt, dass kein genereller linearer Zusammenhang zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und
Bestandsaufnahme: Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung
53
seiner Leistung besteht. Die in der öffentlichen Diskussion weit verbreitete, auf den Defizitansätzen (vgl. Abschnitt 2.2.2.1.1) basierende Annahme, dass mit steigendem Alter die Leistungsfähigkeit kontinuierlich zurückgeht, kann folglich als widerlegt gelten. Dagegen zeigt sich in der Metaanalyse von Sturman (2003) für Berufe mit geringer Komplexität ein umgekehrt u-förmiger Zusammenhang zwischen Alter und Leistung, für Tätigkeiten mit hoher Aufgabenkomplexität sogar ein positiver Zusammenhang – ein Beleg dafür, dass bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen Alter und Leistung eine Differenzierung nach der Art der untersuchten Berufe bzw. Tätigkeiten erforderlich ist, wie sie beispielsweise von Warr (1994) mit dem Four-Category Framework (vgl. Abschnitt 2.2.2.2.5) vorgeschlagen hat. Der Überblick über die vorliegenden empirischen Erkenntnisse zeigt, dass, wie von den meisten Ansätzen der Altersforschung postuliert (vgl. Tabelle 2-11), keine allgemein gültige Aussage über den Zusammenhang zwischen dem Alter und der Berufsleistung möglich ist. Vielmehr hängt die Form und Stärke des Zusammenhangs von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise der Art der Tätigkeit, der Art der Leistungsmessung sowie den untersuchten Facetten der Berufsleistung ab. Die vorgestellten Metaanalysen weisen jedoch einige Grenzen auf. So werden die Art der Tätigkeit und damit die Arbeitsanforderungen nicht oder nur in Form sehr breit definierter Kategorien berücksichtigt (Tsang 2009, S. 280 ff.). Zudem liegt der Fokus ausschließlich auf passiven Leistungskriterien (d. h. Verhaltensweisen, die normenkonform sind). Der Zusammenhang zwischen dem Alter und proaktiven Verhaltensweisen wie beispielsweise dem Austausch mit Kollegen oder dem Engagement in Weiterbildungsmaßnahmen wird nicht untersucht (Tsang 2009, S. 280 ff.). Schließlich bleibt der Einfluss von unterstützenden Technologien am Arbeitsplatz auf den Alter-LeistungZusammenhang weitgehend unberücksichtigt (Tsang 2009, S. 280 ff.).
54
Alter und Altern im organisationalen Kontext
Tabelle 2-12: Metaanalysen zum Zusammenhang zwischen Alter und Leistung Autor/en (Jahr); Journal
Stichprobe1
K = 96/ McEvoy/ N = 38.983 Cascio (1989); Journal of Applied Psychology
Sturman (2003); Journal of Management
K = 438/ N = 612 bis 72.631
K = 167/ N = 96.866
Waldman/ K = 40/ N = 10.027 Avolio (1986); Journal of Applied Psychology
Abhängige Variable2
Alter
-
Leistung
Alter
Berufskategorie: x Professional (-) x Non-Professional (+)
Leistung
Art der Leistungsmessung: x Produktivität (objektiv) (+) x Beurteilung (subjektiv) (-)
Leistung
Altersverteilung in den Stichproben: x Durchschnittsalter < 26 (+) x einige Probanden älter 49 (-) x einige Probanden älter 59 (-)
Leistung
Art der Leistungsmessung (s.) Art der Studie (Querschnitt vs. Längsschnitt) (s.) Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie (s.)
Leistung in Kernaufg.
Alter
Alter
Ng/ Feldman (2008); Journal of Organizational Behavior
Moderatorvariable(n)2
Unabhängige Variable
Alter
Alter
-
Empirisches Ergebnis rc = .06 x rc = -.08 x rc = .06 x rc = .07 x rc = .03 x rc = .16 x rc = .04 x rc = .04
rc = -.04 bis .06
Kreativität
rc = -.01 bis .02
Leistung in Trainings
rc = -.04
OCB
rc =.05 bis .27
Sicherheitsbezogenes Verhalten
rc = -.08 bis .10
Kontraproduktives Verhalten
rc =-.12 bis -.09
Aggression am Arbeitsplatz
rc = -.08
Medikamenten-/ Drogenmissbrauch
rc = -.07
Verspätungen
rc =-.28 bis -.12
Absentismus
rc = -.26 bis .04
Leistung
rc = .03
Art der Leistungsmessung: x Produktivität (objektiv) (+) x Vorgesetztenbeurteilung (-)
x rc = .08
Aufgabenkomplexität: x niedrig (+) x hoch (-)
x rc = .05
x rc = .01
x rc = -.02
Alter
-
Leistung
Alter
Art der Leistungsmessung: x Produktivität (objektiv) (+) x Vorgesetztenbeurteilung (-) x Beurteilung durch Kollegen (+)
Leistung
rc = .06 x rc = .27 x rc = -.14 x rc = .10
Leistung Berufskategorie + Art der Leistungsmessung x rc = .27 x Professional + Produktivität (+) x rc = -.05 x Professional + Vorgesetztenbeurt. (-) x rc = .26 x Non-Prof. + Produktivität (+) x rc = -.18 x Non-Prof. + Vorgesetztenbeurt. (-) 1 K = Anzahl der integrierten, von einander unabhängigen Stichproben; N = Summe der Probanden aller Stichproben 2 (+) = signifikant positiver Effekt; () = signifikant negativer Effekt; (s.) = signifikanter Effekt; (n.s.) = nicht signifikanter Effekt Alter
Zusammenfassung
55
2.4
Zusammenfassung
Im Folgenden sollen die in den Abschnitten 2.1 bis 2.3 herausgearbeiteten Erkenntnisse zum Alter und Altern im organisationalen Kontext zusammengefasst werden, die für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind. Eine zentrale Erkenntnis aus Abschnitt 2.1, der sich mit den definitorischen Grundlagen der Arbeit beschäftigt, ist darin zu sehen, dass das Altern ein multidimensionales Konstrukt ist. Der Alterungsprozess hat Veränderungen in verschiedensten Bereichen des menschlichen Lebens zur Folge und betrifft nicht allein das Individuum, sondern auch dessen Schnittstellen zu seinem Umfeld. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf den Prozess des Alterns, so dass dessen Verlauf nicht exakt prognostizierbar ist. Schließlich hat das Altern vielfältige, sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Eine eindeutige Zuordnung einer Person zur Gruppe der jüngeren bzw. älteren Menschen ist nicht möglich. Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Alterungsprozess verschiedenen Einflussfaktoren unterliegt und diverse Auswirkungen hat, hatte Abschnitt 2.2 zum Ziel, theoretischkonzeptionelle Ansätze der Altersforschung darzulegen, die Einflussfaktoren und Effekte des menschlichen Alterns identifizieren. Dabei standen jene Ansätze im Fokus, die im organisationalen Kontext von Bedeutung sind und dadurch einen Erklärungsbeitrag zum Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen liefern. Zu Einflussfaktoren des Alterungsprozesses wurden zwei Ansätze gesichtet (vgl. Abschnitt 2.2.1). Sie machen deutlich, dass die Rahmenbedingungen, unter denen Mitarbeiter unterschiedlichen Alters ihre Arbeit ausführen, den Verlauf des Alterungsprozesses beeinflussen. Wenn die Arbeitsbedingungen physische und psychische Belastungen minimieren und die Mechanismen des erfolgreichen Alterns unterstützen, nimmt das Altern der Beschäftigten einen positiven Verlauf, der sich auch in positiven Arbeitseinstellungen und einer Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der beruflichen Leistung äußern kann. Mit den Auswirkungen des Alterungsprozesses setzen sich vier theoretisch-konzeptionelle und fünf empirisch gestützte Ansätze auseinander (vgl. Abschnitt 2.2.2). Sie machen zum einen deutlich, dass die mit dem Altern einhergehenden Veränderungen alle Bereiche des menschlichen Lebens betreffen, von der körperlichen Konstitution, über die intellektuelle Leistungsfähigkeit und die Persönlichkeit bis hin zu den Einstellungen und Verhaltensmustern einer Person. Wie genau die jeweiligen Entwicklungen verlaufen, ist nur in Tendenzen prognostizierbar; teilweise widersprechen sich die gesichteten Ansätze in ihren Aussagen zu den Entwicklungsverläufen. Es kann jedoch als theoretisch und empirisch belegt gelten, dass sich die Leistungsvoraussetzungen eines Beschäftigten mit dem Alter verändern. Mit der Frage, inwieweit sich die veränderten Leistungsvoraussetzungen im Zusammenhang zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und dessen Leistung widerspiegeln, setzt sich Ab-
56
Alter und Altern im organisationalen Kontext
schnitt 2.3 auseinander. Auf Basis von vier Metaanalysen zum Alter-Leistung-Zusammenhang konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden: -
Der Verlauf des Alter-Leistung-Zusammenhangs variiert in Abhängigkeit von der Dimension der Arbeitsleistung, die als abhängige Variable herangezogen wird.
-
Der Verlauf des Zusammenhangs zwischen dem Alter eines Mitarbeiters und dessen Leistung in seinen Kernaufgaben hängt wesentlich von den Arbeitsanforderungen ab: Für komplexe Aufgaben mit hohen kognitiven (und relativ geringen physischen) Anforderungen ist ein positiver Verlauf zu erwarten; für wenig komplexe Aufgaben mit geringen kognitiven (und relativ hohen physischen) Anforderungen ist ein umgekehrt u-förmiger Verlauf wahrscheinlich.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Mitarbeiter unabhängig von ihrem Alter einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können. Die Art des Beitrags hängt wesentlich von der Struktur und den altersbedingten Entwicklungen der Leistungsvoraussetzungen ab. Der Umfang des Beitrags wird maßgeblich von den Arbeitsbedingungen, insbesondere den Arbeitsanforderungen bestimmt.
57
3
Das Konstrukt Age Inclusion
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Analyse der Erfolgsauswirkungen des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen in Unternehmen (vgl. Abschnitt 1.2). Dies macht die Entwicklung eines Konstrukts erforderlich, das den Umgang mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters beschreibt. Ein Konstrukt ist „a conceptual term used to describe a phenomenon of theoretical interest“ (Edwards/Bagozzi 2000, S. 156). Den Ausgangspunkt der Konstruktentwicklung bildet eine umfassende Sichtung bestehender Literatur zum Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen (Abschnitt 3.1). Anschließend werden in Abschnitt 3.2 zwei theoretisch-konzeptionelle Ansätze vorgestellt, welche herangezogen werden können, um den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters zu beschreiben. Auf der Bestandsaufnahme und den theoretisch-konzeptionellen Grundlagen aufbauend folgen die Definition und die Konzeptualisierung des Konstrukts (Abschnitte 3.3 und 3.4). Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Merkmale des Konstrukts Age Inclusion (Abschnitt 3.5). Zudem wird in diesem Abschnitt herausgearbeitet, inwieweit das neu entwickelte Konstrukt einen Beitrag zur bestehenden Literatur zum Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen in Unternehmen leisten kann.
3.1
Bestandsaufnahme
In der folgenden Bestandsaufnahme soll die vorliegende Literatur zu Age Inclusion gesichtet werden, um (a) bestehende Definitionen des Begriffs bzw. verwandter Konstrukte zu analysieren, (b) mögliche Dimensionen des Konstrukts zu identifizieren und (c) Forschungslücken herauszuarbeiten. Ausgangspunkt der Bestandsaufnahme bilden Artikel, die in wissenschaftlichen Zeitschriften mit internationaler Verbreitung erschienen sind. Dazu wurden in der Literaturdatenbank Ebsco, der Datenbank der American Psychological Association (APA) sowie der Suchmaschine Google Scholar Begriffe als Suchkriterien genutzt, die im weitesten Sinne eine inhaltliche Nähe zum Umgang mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters in Unternehmen aufweisen. Die Ergebnisse dieser Recherche werden im Folgenden beschrieben. Zu den Suchbegriffen „Age Inclusion“ und „Age Diversity Management“ wurden keine Artikel gefunden. Der Begriff „Age Policy“ wird mit einer Ausnahme ausschließlich im Sinne von gesetzlichen Regelungen bzw. politischen Maßgaben gebraucht. Schalk und Kollegen
G. Bieling, Age Inclusion, DOI 10.1007/978-3-8349-6204-1_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
58
Das Konstrukt Age Inclusion
(2010, S. 81), die den Begriff „Age Policy“ im organisationalen Kontext verwenden, definieren diesen nicht. Den Begriff „Aging Workforce Management“, der ebenfalls nur einmal gefunden wird, definieren Streb, Voelpel und Leibold (2009, S. 9) als „the development, implementation, and application of tools and measures to sustain or even improve organizational competitiveness, despite an increase in the workforce’s average age and its resulting agerelated changes“. Lediglich der Ausdruck „Age Management“ wird etwas häufiger gebraucht, insgesamt in acht Artikeln. Eine Definition des Begriffs erfolgt jedoch nur in vier Fällen: Nach Zientara (2009, S. 136) hat Age Management zum Ziel, die beruflichen Möglichkeiten und Arbeitsbedingungen älterer Mitarbeiter zu verbessern. „What lies at the core of age management is ensuring job quality and helping older workers maintain their ‘work ability’, or the balance between work and personal characteristics” (Zientara 2009, S. 136). Zientara bezieht das Age Management folglich ausschließlich auf den Umgang mit älteren Mitarbeitern; wie Unternehmen den Umgang mit Beschäftigten aller Altersgruppen vor dem Hintergrund altersbezogener Heterogenität gestalten, wird nicht berücksichtigt. Im Gegensatz dazu beschreibt Walker (1999, S. 370) das Ziel von Age Management als “providing an environment in which each individual is able to achieve his or her potential without being disadvantaged by their age”. Hier steht nicht eine bestimmte Altersgruppe, sondern die aktive Integration aller Mitarbeiter unabhängig von deren Alter im Fokus. Ähnlich ist die Definition von Žnidarši und Dimovski (2009) einzuordnen: Age Management umfasst danach alle neueren Ansätze, Strategien und Instrumente „to accomodate to the situation of the aging workforce with the aim to provide an environment in which each individual is able to achieve his or her potential without being disadvantaged by their age“ (Žnidarši/Dimovski 2009, S. 86). Im Jahr 2005 ergänzt Walker seine frühere Definition und macht dabei deutlich, dass Age Management mehrere Handlungsfelder umfasst: „The term ‘age management’ may refer specifically to the various dimensions by which human resources are managed within organisations with an explicit focus on ageing” (Walker 2005, S. 685). Konkret genannt werden lediglich die fünf nach Walker’s Ansicht wichtigsten Dimensionen: „job recruitment (and exit); training, development and promotion; flexible working practices; ergonomics and job design; and changing attitudes towards ageing workers” (Walker 2005, S. 685). Die obigen Ausführungen lassen eine Reihe von Forschungslücken erkennen. Zum einen sind in international publizierten, wissenschaftlichen Zeitschriften kaum Arbeiten zu Konstrukten erschienen, welche den Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen beschreiben. Die wenigen vorliegenden Arbeiten konzentrieren sich überwiegend auf den Umgang mit einer bestimmten Altersgruppe, der Gruppe der älteren Mitarbeiter (z. B. Schroder/Hofacker/Muller-Camen 2009; Žnidarši/Dimovski 2009). Darüber hinaus bleibt weitgehend unklar, welche Facetten des Umgangs mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters zu unterscheiden sind. Schließlich stehen im Fokus der Betrachtung Instrumente und Maßnah-
Bestandsaufnahme
59
men, welche Unternehmen nutzen, um den Umgang mit einer altersheterogenen Belegschaft zu gestalten. Der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters wird folglich ausschließlich aus der Sicht von Unternehmen analysiert. Es existiert keine international publizierte wissenschaftliche Arbeit, welche die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen untersucht. Um über die Auflistung von Walker (2005, S. 685) hinaus Anhaltspunkte zu erhalten, welche verschiedenen inhaltlichen Aspekte im Zusammenhang mit dem Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen von besonderer Bedeutung sind, wird die Bestandsaufnahme im Folgenden auf englisch- und deutschsprachige Veröffentlichungen ausgeweitet, die in praxisnahen Zeitschriften, Büchern bzw. Herausgeberbänden erschienen sind. Diese Recherche hat zum Ziel, Dimensionen zu identifizieren, die das in der vorliegenden Arbeit zu entwickelnde Konstrukt umfassen sollte. Praxisorientierte Publikationen zeichnen sich dadurch aus, dass weniger eine wissenschaftliche Annäherung an das Thema erfolgt. Stattdessen haben diese Arbeiten zum Ziel, auf Plausibilitätsüberlegungen basierende Konzepte bzw. in der Unternehmenspraxis erprobte Instrumente zu beschreiben und darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für andere Unternehmen abzuleiten. In die im Folgenden beschriebene Literatursichtung wurden praxisorientierte Arbeiten einbezogen, die sich allgemein mit dem Thema „Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen“ beschäftigen. Im Zeitraum von 1995 bis 2010 sind hunderte praxisnaher Veröffentlichungen zum Umgang mit einer alternden bzw. altersheterogenen Belegschaft erschienen. Eine vollständige Auflistung und Auswertung würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Stattdessen werden in Tabelle 3-1 zunächst die Handlungsfelder des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters aufgeführt, die in mindestens zwei praxisnahen Veröffentlichungen thematisiert werden. In der zweiten Spalte werden beispielhaft bis zu fünf dieser Quellen genannt. Die dritte Spalte beschreibt schließlich, welche Ausgestaltung des Handlungsfelds in den genannten Arbeiten empfohlen wird, um das Management einer alternden bzw. altersheterogenen Belegschaft „erfolgreich“ zu gestalten.
60
Das Konstrukt Age Inclusion
Tabelle 3-1: Handlungsfelder des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen Handlungsfeld
Beispielhafte Quellen
Handlungsempfehlungen Harte Faktoren Unternehmensstrategie
Unternehmensstrategie
BDA (2003) Morschhäuser/Ochs/Huber (2003) Strack/Baier/Fahlander (2008) Taylor (2006)
x x
Ausrichtung der Unternehmens- und Personalstrategie auf die Bindung und Förderung von Beschäftigten aller Altersgruppen Investition in humane Ressourcen ohne Berücksichtigung des Alters
Mitarbeiterflusssysteme des Personalmanagements Personalbedarfsplanung
Reindl/Feller/Morschhäuser (2005) x Strack/Baier/Fahlander (2008) x
Deckung des Personalbedarfs mit Personen unterschiedlichen Alters Sicherstellung einer ausgewogenen Altersstruktur
Personalgewinnung
Hanson/Lesser (2009) x Naegele/Walker (2006) Reindl/Feller/Morschhäuser (2005) x Verworn/Schwarz/Herstatt (2009) x Völpel (2007)
Rekrutierung von qualifizierten Bewerbern aller Altersgruppen Ansprache von Bewerbern aller Altersgruppen Heranziehung der Leistungsfähigkeit als alleiniges Personalauswahlkriterium
Personalentwicklung
Charness (2009) x Frerichs (2010) x Greller/Stroh (2004) Hanson/Lesser (2009) vanVeldhoven/Dorenbosch (2008) x
Zugang zu Personalentwicklungsmaßnahmen unabhängig vom Alter Berücksichtigung altersspezifischer Bedürfnisse und Interessen im Rahmen der Personalentwicklung Ausrichtung der Personalentwicklungsmaßnahmen am Vorwissen der Beteiligten Ermöglichung von intergenerativem Austausch Ermöglichung selbststeuernden Lernens
x x Karrieremanagement
Hedge/Borman/Lammlein (2006) x Naegele/Walker (2006) vanVeldhoven/Dorenbosch (2008) x Verworn/Schwarz/Herstatt (2009) x Völpel (2007) x
Aufgabenverteilung
Arbeitszeitgestaltung
Hanson/Lesser (2009) Hedge/Borman/Lammlein (2006) Völpel (2007) Walker/Taylor (1998) Frerichs (2010) Hanson/Lesser (2009) Greller/Stroh (2004) Peterson/Spiker (2005) Verworn/Schwarz/Herstatt (2009)
x x x x
Zugang zu Karrieremöglichkeiten unabhängig vom Alter Förderung von am Leistungspotenzial der Mitarbeiter orientierten Stellenwechseln Information der Mitarbeiter über Karrieremöglichkeiten unabhängig vom Alter Ermöglichung von Belastungswechseln/ -reduktionen und weiterer Qualifizierung durch Stellenwechsel Verteilung von Stellen entsprechend den Stellenanforderungen/Arbeitsinhalten und den Leistungspotenzialen/Interessen der Mitarbeiter Berücksichtigung veränderter Leistungspotenziale/Interesse bei der Stellenvergabe Ermöglichung flexibler Arbeitszeitgestaltung Ermöglichung von Arbeitszeitanpassungen im Fall altersbedingter Veränderungen der Leistungsfähigkeit
Bestandsaufnahme
61
Handlungsfeld
Beispielhafte Quellen
Handlungsempfehlungen
Gesundheitsmanagement
Frerichs (2010) Sauter/Streit/Hansemann (2009) Strack/Baier/Fahlander (2008) Wallace/Fisher (2009) Völpel (2007)
x x x x
Unterstützung gesundheitsförderlicher Aktivitäten Reduktion arbeitsbezogener Belastungen/ Stressoren Prävention von Erkrankungen und Arbeitsunfällen Unterstützung im Umgang mit psychischen Belastungen
Personalfreisetzung
Naegele/Walker (2006) x Reindl/Feller/Morschhäuser (2005) x x
Personalbeurteilung
Fletcher (2002) Hedge/Borman/Lammlein (2006) Naegele/Walker (2006)
x x
Vorurteilsfreie Beurteilung Regelmäßige Rückmeldung über Leistung an Mitarbeiter aller Altersgruppen
Personalvergütung
Deller et al. (2008) Hedge/Borman/Lammlein (2006) Strack/Baier/Fahlander (2008)
x
Leistungs-, qualifikations- bzw. potenzialorientierte Vergütung
Bindung erfahrener, leistungsstarker Mitarbeiter Angebot flexibler Renteneintrittsmodelle Ermöglichung von Weiterbeschäftigung nach dem Austritt aus dem Berufsleben
Belohnungssysteme des Personalmanagements
Weiche Faktoren Unternehmenskultur Wertschätzungskultur
x Bruch/Kunze (2007) Deller et al. (2008) Reindl/Feller/Morschhäuser (2005) x Verworn/Schwarz/Herstatt (2009) x Walker (2005)
Lern- und Kooperationskultur
Deller et al. (2008) Hanson/Lesser (2009) Peterson/Spiker (2005) Staudinger (2006) Verworn/Schwarz/Herstatt (2009)
x x
Wertschätzung des Wissens/der Expertise von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen Anerkennung der unterschiedlichen Leistungspotenziale von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters Wertschätzung des Austauschs zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Generationen Verpflichtung der Mitarbeiter zu lebenslangem Lernen Verpflichtung der Beschäftigten zu Zusammenarbeit mit Kollegen unterschiedlichen Alters
Soziales Arbeitsumfeld Einstellungen Bruch/Kunze (2007) und Verhalten Domres (2006) von Vorgesetzten Peterson/Spiker (2005) Verworn/Schwarz/Herstatt (2009) Walker (2005)
x x x x x x
Einstellungen und Verhalten von Kollegen
Verworn/Schwarz/Herstatt (2009) Walker (2005)
x x x x
Anerkennung der unterschiedlichen Potenziale von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters Wertschätzung der Leistung von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen Verteilung der Arbeitsaufgaben entsprechend der Leistungspotenziale von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters Förderung potenzialstarker Mitarbeiter unabhängig vom Alter Vorurteilsfreie Leistungsbeurteilung Förderung des Austauschs zwischen Mitarbeitern unterschiedlichen Alters Anerkennung der unterschiedlichen Potenziale von Kollegen unterschiedlichen Alters Wertschätzung der Leistung von Kollegen unterschiedlicher Altersgruppen Vorurteilsfreier Umgang mit Kollegen unterschiedlichen Alters Offenheit für Austausch mit Kollegen unterschiedlichen Alters
62
Das Konstrukt Age Inclusion
Wie Tabelle 3-1 zeigt, werden in der Literatur 15 Handlungsfelder des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters beschrieben. Grundsätzlich bestätigen die praxisnahen Veröffentlichungen, dass die von Walker (2005, S. 685) genannten Dimensionen wichtige Facetten des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen sind. Darüber hinaus werden weitere Handlungsfelder genannt. Diese lassen sich grob zu zwei übergeordneten Kategorien zusammenfassen: -
-
Harte Faktoren umfassen Handlungsfelder, die explizit durch das Unternehmen gestaltet und gesteuert werden und sich in schriftlich dokumentierten Strukturen und Prozessen widerspiegeln. Dazu gehören die Unternehmensstrategie sowie alle Handlungsfelder im Bereich der Personalmanagement-Systeme. Letztere können in Anlehnung an Stock-Homburg (2010b, S. 99) weiter untergliedert werden in Mitarbeiterflusssysteme des Personalmanagements (dazu gehören die Handlungsfelder Personalbedarfsplanung, Personalgewinnung, Personalentwicklung, Karrieremanagement, Aufgabenverteilung, Arbeitszeitgestaltung, Gesundheitsmanagement, Personalfreisetzung) und Belohnungssysteme des Personalmanagements (mit den Handlungsfeldern Personalbeurteilung und Personalvergütung). Zu den weichen Faktoren zählen Handlungsfelder, die vor allem durch die Individuen in einer Organisation geprägt werden und deren Gestaltung höchstens implizit in Strukturen und Prozessen zum Ausdruck kommt. Dazu gehört die Unternehmenskultur (mit den Handlungsfeldern Wertschätzungskultur sowie Lern- und Kooperationskultur) sowie das soziale Arbeitsumfeld, das die Handlungsfelder Einstellungen und Verhalten von Vorgesetzten sowie Einstellungen und Verhalten von Kollegen umfasst.
Die gesichteten Veröffentlichungen zu Handlungsfeldern des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen weisen einige inhaltliche Grenzen auf. Zum einen werden jeweils nur wenige der insgesamt 15 Handlungsfelder thematisiert; oftmals beschränken sich die Arbeiten sogar lediglich auf einzelne Instrumente innerhalb eines Handlungsfelds. Ganzheitliche Konzepte des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters, die Wechselwirkungen zwischen den Handlungsfelder berücksichtigen, werden nicht entwickelt. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der Veröffentlichungen auf den Bereichen Mitarbeiterflusssysteme und Personalführung; diese Handlungsfelder werden in dutzenden Arbeiten thematisiert. Die Bereiche Unternehmensstrategie, Unternehmenskultur, Belohnungssysteme sowie Einstellungen und Verhaltensweisen von Kollegen werden jeweils maximal in vier Veröffentlichungen als wichtige Handlungsfelder genannt. Zudem sind die empfohlenen Maßnahmen in einem Großteil der gesichteten Arbeiten ausschließlich auf die Gruppe der älteren Mitarbeiter ausgerichtet; es steht also der Umgang mit älteren Mitarbeitern, nicht der Umgang mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters im Fokus. Schließlich wird in keiner der Arbeiten nachgewiesen, dass eine den Handlungsempfehlungen entsprechende Gestaltung des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen zu dem postulierten Erfolg führt. Vereinzelt wer-
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
63
den für Fallbeispiele positive Effekte beispielsweise in Form einer gesunkenen Fluktuationsrate oder eines verbesserten Gesundheitszustands der Beschäftigten berichtet (z. B. Deller et al. 2008). Inwieweit diese jedoch tatsächlich auf die altersbezogenen Aktivitäten des Unternehmens zurückzuführen sind, wird nicht überprüft. Aus den obigen Ausführungen ergeben sich folgende Implikationen für das in der vorliegenden Arbeit zu entwickelnde Konstrukt: -
Die Definition und Konzeptualisierung des Konstrukts sollte auf Basis theoretischkonzeptionell gestützter Überlegungen erfolgen.
-
Das Konstrukt sollte sich auf den Umgang mit Beschäftigten aller Altersgruppen beziehen, anstatt den Fokus auf den Umgang mit einer bestimmten Altersgruppe zu legen. Das Konstrukt sollte sich auf die subjektiven Wahrnehmungen von Beschäftigten im Zusammenhang mit dem Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen beziehen, anstatt die Aktivitäten der Unternehmen zum Untersuchungsgegenstand zu machen. Das Konstrukt sollte mehrere Dimensionen umfassen, um alle inhaltlich relevanten Aspekte im Zusammenhang mit dem Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters abzudecken und zu ermöglichen, Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Dimensionen zu analysieren.
-
-
3.2
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Um ein Konstrukt zu entwickeln, das den Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen beschreibt, müssen zunächst theoretisch-konzeptionelle Ansätze identifiziert und analysiert werden, welche sich mit dem Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters auseinandersetzen. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die Defizitperspektive und die Potenzialperspektive vorgestellt. “The way employees are treated in organizations in relation to their age is likely to be determined by certain underlying general conceptualizations of ageing” (Schalk et al. 2010, S. 81). Die Art und Weise, wie jüngere und ältere Mitarbeiter von der Unternehmensleitung, den Personalverantwortlichen und den Führungskräften eines Unternehmens wahrgenommen werden, hat folglich entscheidenden Einfluss darauf, wie diese behandelt werden (Schalk et al. 2010, S. 81). Grundsätzlich sind zwei divergierende Einschätzungen des Alterungsprozesses zu unterscheiden, die sich in zwei konträren Perspektiven im Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen widerspiegeln können: der Defizitperspektive und der Potenzialperspektive (Schalk et al. 2010, S. 81). Im Folgenden sollen diese beiden Perspektiven hinsichtlich ihrer Grundannahmen sowie ihrer Implikationen für das in dieser Arbeit zu entwickelnde Konstrukt dargelegt werden.
64
Das Konstrukt Age Inclusion
Die Defizitperspektive basiert auf den Defizitansätzen (vgl. Abschnitt 2.2.2.1.1). Sie folgt der Annahme, dass mit dem Alter eines Menschen dessen kognitive und körperliche Leistungsfähigkeit kontinuierlich und irreversibel abnimmt. Übertragen auf den Arbeitskontext bedeutet dies, dass die jüngeren Mitarbeiter als besonders leistungsstark wahrgenommen werden, während die älteren Mitarbeiter als vergleichsweise leistungsschwach eingeschätzt werden. In der Konsequenz wird angenommen, dass Unternehmen mit einem hohen Anteil an jüngeren Beschäftigten erfolgreicher sind. Ein Unternehmen, das der Defizitperspektive folgt, wird den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters wie folgt gestalten (Brussig 2007, S. 26): -
Die Aktivitäten des Unternehmens, welche die Mitarbeiter betreffen (z. B. Gestaltung der Personalentwicklung oder der Vergütungssysteme), werden ausschließlich auf die Erwartungen und Bedürfnisse der jüngeren Mitarbeiter ausgerichtet, um deren Motivation und Bindung zu erhöhen.
-
Älteren Mitarbeiter wird ein vorzeitiger Austritt aus dem Unternehmen nahe gelegt. Durch das Ausscheiden älterer Mitarbeiter frei werdende Stellen werden ausschließlich durch junge Bewerber besetzt.
Obwohl die Annahmen der Defizitperspektive bereits in den 70er Jahren wissenschaftlich widerlegt oder zumindest relativiert wurden, dominieren sie bis heute die Wahrnehmung älterer Mitarbeiter in der Unternehmenspraxis. So wird nach wie vor in vielen Unternehmen ein zunehmendes Alter mit einem Rückgang der Leistungs- und Lernfähigkeit gleichgesetzt (Naegele/Frerichs 2004, Sp. 86), wie Untersuchungen in verschiedenen europäischen Ländern belegen (z. B. Koller/Plath 2000, S. 118; Solem 2001, S. 52 ff.; Warr 1994, S. 488). Diese altersbezogenen Vorurteile prägen auch die Personalpolitik. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass eine systematische Selektion zu Gunsten jüngerer Mitarbeiter erfolgt und ein Großteil der Betriebe (in Deutschland 40,7 %) keine älteren Arbeitnehmer beschäftigt (Becker 2010, S. 62; Brussig 2005, S. 3). Die Potenzialperspektive steht der Defizitperspektive diametral gegenüber. Sie stützt sich auf die zentrale Erkenntnis der Altersforschung, insbesondere der Life Span Psychology Theory (vgl. Abschnitt 2.2.1.1), dass die menschliche Entwicklung ein multidimensionaler Prozess ist (Lindenberger/Baltes 2000, S. 52). Während des Alterungsprozesses können in unterschiedlichen Dimensionen der menschlichen Funktionalität verschiedene Entwicklungen parallel ablaufen: Es kann zu Verlust, Wachstum und Veränderung individueller Funktionen kommen (Kanfer/Ackermann 2004, S. 442 ff.; Lindenberger/Baltes 2000, S. 52). Das Altern bedeutet folglich nicht einen generellen Rückgang der Leistungsfähigkeit, sondern eine Veränderung der individuellen Leistungsvoraussetzungen (Holz 2007, S. 40 ff.; Morschhäuser/Ochs/Huber 2003, S. 12). Werden die Annahmen der Potenzialperspektive auf den Arbeitskontext übertragen, bedeutet dies, dass Mitarbeiter unterschiedlicher Altersgruppen als Träger unterschiedlicher Leistungs-
Begriffsdefinition
65
potenziale wahrgenommen werden. Dabei wird von keiner Altersgruppe angenommen, dass sie besser bzw. schlechter leistet als eine Vergleichsgruppe und dadurch einen höheren bzw. niedrigeren Beitrag zum Unternehmenserfolg erbringt, sondern dass sich die Art des Beitrags unterscheidet. Unternehmen, die der Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters die Potenzialperspektive zu Grunde legen, agieren wie folgt (Frerichs 2010, S. 40 f.): -
Die altersbezogene Heterogenität der Belegschaft wird aufrechterhalten bzw. gezielt gefördert. Die Aktivitäten der Unternehmen im Umgang mit den Mitarbeitern sind darauf ausgerichtet, altersspezifische Leistungspotenziale adäquat zu nutzen. Altersgruppenspezifische Unterschiede zwischen den Mitarbeitern sowie intraindividuelle, altersbedingte Leistungswandlungsprozesse werden bei der Gestaltung des Umgangs mit den Beschäftigten berücksichtigt.
Welche Implikationen ergeben sich aus den vorgestellten theoretisch-konzeptionellen Ansätzen für das Konzept der Age Inclusion? Es wird deutlich, dass der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters verschiedene Ausprägungen aufweisen kann. Die extremen Ausprägungen können durch die Defizitperspektive und die Potenzialperspektive beschrieben werden. Entsprechend kann die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter in Bezug auf den Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen als Kontinuum mit zwei Polen dargestellt werden: -
-
3.3
Haben die Beschäftigten eines Unternehmens das Gefühl, dass das Unternehmen im Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters der Defizitperspektive folgt, entsteht der Eindruck, dass ältere Mitarbeiter gezielt aus dem Unternehmen und seinen Wertschöpfungsprozessen ausgeschlossen werden, während jüngere Mitarbeiter besonders wertgeschätzt und deshalb bevorzugt behandelt werden. Der Grad der Integration unterschiedlicher Altersgruppen wird als gering eingeschätzt. Entsteht bei den Beschäftigten der Eindruck, dass ihr Arbeitgeber im Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters der Potenzialperspektive folgt, nehmen sie das als aktive Integration aller Altersgruppen in das Unternehmen und seine Wertschöpfungsprozesse wahr. Sie haben das Gefühl, dass Beschäftigte aller Altersgruppen wertgeschätzt werden.
Begriffsdefinition
Ein zentraler Schritt der Entwicklung eines Konstrukts ist dessen Definition (Rossiter 2002, S. 308 ff.). Ausgehend von der Bestandsaufnahme (vgl. Abschnitt 3.1) und den theoretischkonzeptionellen Grundlagen (vgl. Abschnitt 3.2) wird im vorliegenden Abschnitt das Konstrukt Age Inclusion definiert und von ähnlichen, verwandten Begriffen abgegrenzt.
66
Das Konstrukt Age Inclusion
Der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters ist im Wesentlichen dadurch charakterisiert, inwieweit jüngere und ältere Mitarbeiter in die Strukturen des Unternehmens integriert sind und an dessen Wertschöpfungsprozessen partizipieren. Im Fokus des Konstrukts Age Inclusion steht folglich das Ausmaß der Integration von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters durch das Unternehmen. Der Grad der Integration kann ausgehend von den in Abschnitt 3.2 erläuterten theoretisch-konzeptionellen Ansätzen als ein Kontinuum mit zwei Polen beschrieben werden. Ein geringer Integrationsgrad liegt vor, wenn der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters durch die Defizitperspektive geprägt ist und ältere Mitarbeiter aktiv aus den Wertschöpfungsprozessen des Unternehmens ausgeschlossen werden. Der Grad der Integration von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen ist dagegen hoch, wenn ein Unternehmen bei der Gestaltung des Umgangs mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters der Potenzialperspektive folgt und alle Mitarbeiter, unabhängig von deren Alter, aktiv in die Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens eingebunden werden. Nachdem das Attribut (Grad der Integration) und das Objekt des Konstrukts (Unternehmen) festgelegt sind, muss nun definiert werden, aus wessen Perspektive das Konstrukt betrachtet werden soll (Rossiter 2002, S. 318 ff.). Dabei können zwei alternative Vorgehensweisen gewählt werden: -
-
Zum einen kann das Konstrukt aus der Perspektive des Unternehmens untersucht werden. Im Fokus stehen die Strukturen und Maßnahmen eines Unternehmens, welche einen Einfluss auf die Art und Weise haben, wie mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters umgegangen wird. Zum anderen kann die individuelle Perspektive der Beschäftigten im Fokus stehen. Dabei ist allein entscheidend, wie die Strukturen und Maßnahmen eines Unternehmens von den Mitarbeitern wahrgenommen und eingeordnet werden. Untersuchungsgegenstand ist folglich die subjektive Wahrnehmung der Beschäftigten.
Die Analyse auf Ebene des Unternehmens hat einen entscheidenden Nachteil: Sie vernachlässigt, dass die Aktivitäten eines Unternehmens (a) im Arbeitsalltag verschiedener Mitarbeiter unterschiedlich präsent bzw. ausgeprägt sind und (b) von den Beschäftigten unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert werden (Arthur/Boyles 2007, S. 78 ff.). Insbesondere ist es bei einer Analyse der Maßnahmen eines Unternehmens nicht möglich zu überprüfen, inwieweit Wahrnehmungsunterschiede zwischen Mitarbeitern unterschiedlichen Alters bestehen. Aus diesen Gründen steht in der vorliegenden Arbeit die Perspektive der Beschäftigten im Fokus. Age Inclusion wird definiert als die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich des Grades, in dem Beschäftigte unterschiedlichen Alters in das Unternehmen und seine Wertschöpfungsprozesse integriert werden. Damit unterscheidet sich Age Inclusion entscheidend von ähnlichen Begriffen wie „Age Management“ (Furunes/Mykletun 2005, S. 116) oder „Age
Konzeptualisierung
67
Policy“ (Schalk et al. 2010, S. 81), die sich auf den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters aus der Perspektive des Unternehmens beziehen. Zum anderen hebt es sich von der in der gesichteten Literatur üblichen Herangehensweise an das Thema ab, indem der Fokus nicht auf den Umgang mit einer klar abgegrenzten Altersgruppe gelegt wird, sondern der Umgang mit Mitarbeitern aller Altersgruppen zum Untersuchungsgegenstand gemacht wird. Abbildung 3-1 stellt die wichtigsten Aspekte des Konstrukts Age Inclusion im Überblick dar. Neben der Definition werden die beiden extremen Ausprägungen des Konstrukts beschrieben. Abbildung 3-1: Definition und Ausprägungen des Konstrukts Age Inclusion Age Inclusion = die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich des Grades, in dem Beschäftigte unterschiedlichen Alters in das Unternehmen und seine Wertschöpfungsprozesse integriert werden
Niedrige Ausprägung • Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen im Unternehmen: geprägt von Defizitperspektive • Grad der von den Mitarbeitern wahrgenommenen Integration: gering
3.4
Hohe Ausprägung • Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen im Unternehmen: geprägt von Potenzialperspektive • Grad der von den Mitarbeitern wahrgenommenen Integration: hoch
Konzeptualisierung
Ziel der Konzeptualisierung ist die Erarbeitung der verschiedenen Dimensionen eines Konstrukts (Homburg/Giering 1996, S. 5). Damit bildet die Konzeptualisierung die Basis für die Operationalisierung, d. h. die Entwicklung eines Messinstruments zur Erfassung des Konstrukts (Homburg/Giering 1996, S. 5). Die Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion wird in Abschnitt 7.1 beschrieben. Einen ersten Einblick in die Faktorstruktur bzw. Dimensionalität des Konstrukts Age Inclusion liefert die Bestandsaufnahme (vgl. Abschnitt 3.1). Eine Literatursichtung ermöglicht es, „das Konstrukt aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, um ein grundlegendes und umfassendes Verständnis für die einzelnen Facetten des Konstrukts zu erlangen“ (Homburg/Giering 1996, S. 11). In Abschnitt 3.1 wurde das Konstrukt Age Inclusion aus zwei Perspektiven betrachtet: der wissenschaftlichen und der praxisbezogenen Perspektive. Daraus lassen sich entscheidende Erkenntnisse für die Konzeptualisierung des Konstrukts Age Inclusion ableiten. Zum einen ergab die Sichtung wissenschaftlicher Arbeiten, dass es sich bei Age Inclusion um ein mehrdimensionales Konstrukt (Homburg/Giering 1996, S. 6) handeln muss. So spricht insbesondere Walker (2005, S. 865) davon, dass die Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen durch ein Unternehmen mehrere Handlungsfelder umfasst. Ausgehend von der Annahme, dass die Beschäftigten die Aktivitäten des Unternehmens in den verschiedenen Handlungsfeldern wahrnehmen und im Hinblick auf den Integrationsgrad von
68
Das Konstrukt Age Inclusion
Mitarbeitern unterschiedlichen Alters, d. h. den Grad von Age Inclusion, bewerten, muss das Konstrukt Age Inclusion verschiedene Dimensionen beinhalten. Nur so kann ein ganzheitliches Bild der Wahrnehmungen der Beschäftigten im Hinblick auf den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen gewonnen werden. Zur Identifikation relevanter Dimensionen müssen zusätzlich zu den wissenschaftlichen Arbeiten praxisnahe Publikationen herangezogen werden. Wie in Abschnitt 3.1 erläutert, werden insgesamt 15 Handlungsfelder zur Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters durch Unternehmen identifiziert. Für jedes dieser Handlungsfelder ist zu erwarten, dass die Beschäftigten eines Unternehmens ein Bild des Grads der Integration jüngerer und älterer Mitarbeiter haben. Folglich setzt sich der von den Mitarbeitern wahrgenommene Grad der Integration unterschiedlicher Altersgruppen durch das Unternehmen aus ihrer Wahrnehmung im Hinblick auf die 15 in Tabelle 3-1 genannten Aspekte zusammen. Das Konstrukt Age Inclusion umfasst dem entsprechend 15 Dimensionen, die sich in zwei Gruppen zusammenfassen lassen: die harten Faktoren von Age Inclusion (wahrgenommener Grad der Integration von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters im Bereich der Unternehmensstrategie, der Personalbedarfsplanung, der Personalgewinnung, der Personalentwicklung, des Karrieremanagements, der Aufgabenverteilung, der Arbeitszeitgestaltung, des Gesundheitsmanagements, der Personalfreisetzung, der Personalbeurteilung sowie der Personalvergütung) sowie die weichen Faktoren von Age Inclusion (wahrgenommener Grad der Integration von Beschäftigten unterschiedlicher Altersgruppen in den Bereichen Wertschätzungskultur, Lern- und Kooperationskultur, Einstellungen und Verhalten von Führungskräften sowie Einstellungen und Verhalten von Kollegen).
3.5
Zusammenfassung
Im vorliegenden Kapitel wurde das Konstrukt Age Inclusion entwickelt. Den ersten Schritt der Konstruktentwicklung bildete eine Bestandsaufnahme bestehender Literatur zum Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen. Anschließend wurden theoretischkonzeptionelle Ansätze vorgestellt, welche herangezogen werden können, um den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen zu beschreiben. In Abschnitt 3.3 wurde schließlich die Definition des Konstrukts hergeleitet. Die Konstruktentwicklung schloss in Abschnitt 3.4 mit der Konzeptualisierung des Konstrukts, indem die Dimensionalität des Konstrukts erarbeitet wurde. Im Folgenden werden die zentralen Merkmale des Konstrukts Age Inclusion zusammenfassend dargelegt: -
Age Inclusion wird definiert als „die Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich des Grades, in dem Beschäftigte unterschiedlichen Alters in das Unternehmen und seine Wertschöpfungsprozesse integriert werden“ (vgl. Abschnitt 3.3).
Zusammenfassung
69
-
-
Age Inclusion ist ein Konstrukt, das auf einem Kontinuum mit zwei Extrempunkten abgebildet werden kann. Die Extrempunkte werden inhaltlich durch die theoretischen Konzepte der Defizit- bzw. der Potenzialperspektive markiert (vgl. Abschnitt 3.2). Niedrige Age Inclusion liegt vor, wenn der Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters durch die Defizitperspektive geprägt ist und die Beschäftigten deshalb den Grad der Integration von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen als gering wahrnehmen. Das Konstrukt Age Inclusion ist dagegen hoch ausgeprägt, wenn ein Unternehmen bei der Gestaltung des Umgangs mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters der Potenzialperspektive folgt und das Ausmaß der Integration von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen von den Beschäftigten als hoch wahrgenommen wird. Das Konstrukt Age Inclusion umfasst 15 Dimensionen (vgl. Abschnitt 3.4). Wie Abbildung 3-2 verdeutlicht, kann jede dieser Dimensionen eine niedrige bzw. eine hohe Age Inclusion aufweisen. Inhaltlich bedeutet dies, dass ein Mitarbeiter eines Unternehmens bei der Einschätzung des Grads der Age Inclusion nach 15 Dimensionen differenziert, für die er jeweils eigene Bewertungen des Ausmaßes der Integration unterschiedlicher Altersgruppen durch das Unternehmen vornimmt.
Abbildung 3-2: Graphische Veranschaulichung des Konzepts der Age Inclusion Dimensionen von Age Inclusion Unternehmensstrategie
Unternehmensstrategie Personalbedarfsplanung
Harte Faktoren
Personalgewinnung Personalentwicklung Mitarbeiterflusssysteme
Karrieremanagement Aufgabenverteilung Arbeitszeitgestaltung Gesundheitsmanagement Personalfreisetzung
Weiche Faktoren
Belohnungssysteme
Unternehmenskultur Soziales Arbeitsumfeld
Personalbeurteilung Personalvergütung Wertschätzungskultur Lern-/Kooperationskultur Einstellungen/Verhalten Führungskräfte Einstellungen/Verhalten Kollegen niedrig
hoch
Grad von Age Inclusion
Durch die beschriebene Definition und Konzeptualisierung des Konstrukts Age Inclusion ist es möglich, die zentralen Forschungslücken bestehender Arbeiten zum Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen zu schließen, welche in Abschnitt 3.1 dargelegt wurden. Zum einen stellt das Konstrukt einen Ausgangspunkt für eine wissenschaftlich fun-
70
Das Konstrukt Age Inclusion
dierte Herangehensweise an das Thema dar. Zum anderen geht das Konstrukt in dreierlei Hinsicht über bestehende Arbeiten hinaus: -
-
-
Im Fokus steht nicht allein der Umgang mit älteren Mitarbeitern. Stattdessen macht das Konstrukt den Umgang mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters zum Forschungsgegenstand. Das Konstrukt konzentriert sich nicht auf die Aktivitäten eines Unternehmens, sondern ermöglicht erstmals, die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen sowie deren Erfolgsauswirkungen zu analysieren. Es werden alle in vorliegenden Arbeiten thematisierten Dimensionen des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen in einem Konstrukt integriert. Dadurch ist es erstmals möglich, Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Dimensionen zu untersuchen.
71
4
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
„Organizations need highly performing individuals in order to meet their goals, to deliver the products and services they are specialized in, and finally to achieve competitive advantage“ (Sonnentag/Frese 2002, S. 4). Der Erfolg eines Unternehmens hängt folglich maßgeblich von der individuellen Leistung seiner Beschäftigten ab. Zwei Faktoren determinieren die Leistung eines Mitarbeiters: personbezogene Faktoren wie die Eigenschaften oder die Fähigkeiten einer Person und situative Faktoren wie die Art der Arbeit oder die Arbeitsbedingungen (Kanfer 2009, S. 215; Sonnentag/Frese 2002, S. 15). Die personbezogenen und situativen Faktoren wirken sich auf die Einstellungen und Verhaltensweisen eines Mitarbeiters aus, die schließlich dessen Leistung bestimmen. Diese Erkenntnisse lassen sich mit Hilfe des in Abbildung 4-1 dargestellten Grundmodell der Arbeitsleistung verdeutlichen. Abbildung 4-1: Grundmodell der Arbeitsleistung Personbezogene Faktoren
Situative Faktoren
Arbeitsbezogene Einstellungen
Arbeitsverhalten
Arbeitsleistung
gestrichelte Linien = von peripherer Bedeutung für die vorliegende Arbeit
Die Betrachtung personbezogener Faktoren mit Relevanz für die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters wird in der vorliegenden Arbeit weitgehend ausgeklammert. Stattdessen steht die Analyse eines situativen Faktors, der Age Inclusion, im Fokus dieser Arbeit. Eine Vielzahl konzeptioneller Artikel geht davon aus, dass die Art und Weise, wie ein Unternehmen den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen gestaltet, deren Einstellungen und Verhaltensweisen beeinflusst. So schreiben beispielsweise Barnes-Farrell und
G. Bieling, Age Inclusion, DOI 10.1007/978-3-8349-6204-1_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
72
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
Matthews (2007, S. 150): “It is reasonable to expect that […] the manner in which workers of different ages are treated may […] be associated with the extent to which the work environment is experienced as a supportive and welcoming place by younger and older workers.” Ähnlich argumentieren Schalk und Kollegen (2010, S. 81): “Age policy in general has an influence on the way people of different ages behave in organizations.” Empirische Belege für diese Aussagen existieren bisher jedoch nicht. Zudem ist unklar, wie, d. h. über welche Mechanismen, die Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters die Einstellungen und Verhaltensweisen von Beschäftigten unterschiedlicher Altersgruppen beeinflusst (Schalk et al. 2010, S. 81). Im vorangegangenen Kapitel wurde das Konstrukt Age Inclusion definiert und aufgezeigt, welche Dimensionen es umfasst. Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, Mechanismen zu identifizieren, über die sich Age Inclusion auf die Einstellungen bzw. Verhaltensweisen und damit auf die Leistung von Mitarbeitern auswirkt. Dazu werden zunächst zwei Theorien vorgestellt, welche erklären, wie die Wahrnehmung des Arbeitsumfelds durch die Beschäftigten deren Einstellungen, Verhaltensweisen und Leistungen beeinflusst: die Theorien der organisationalen Gerechtigkeit (Abschnitt 4.1.1) und die Soziale Austauschtheorie (Abschnitt 4.1.2). In Abschnitt 4.1.3 werden beide Ansätze zu einer Kausalkette verknüpft. Anschließend erfolgt in Abschnitt 4.2 eine Bestandsaufnahme bestehender empirischer Arbeiten zum Zusammenhang zwischen den zentralen Konstrukten der vorgestellten Theorien sowie zu möglichen Moderatoren dieses Zusammenhangs. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit, die Erfolgsrelevanz von Age Inclusion.
4.1 4.1.1
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen Theorien der organisationalen Gerechtigkeit
Die Theorien der organisationalen Gerechtigkeit gehen auf frühe Arbeiten zur Fairness in sozialen bzw. juristischen Kontexten zurück (Dulebohn 1997, S. 244). Die dort entwickelten Ansätze wurden in Arbeiten zum organisationalen Verhalten aufgegriffen und auf den Arbeitskontext übertragen (Cropanzano et al. 2001b, S. 1). Organisationale Gerechtigkeit wird definiert als das Ausmaß, in dem Beschäftigte organisationale Elemente bzw. Ereignisse als fair wahrnehmen (Colquitt/Greenberg 2003, S. 165). Organisationale Gerechtigkeit beschreibt damit die Wahrnehmung eines Mitarbeiters hinsichtlich “the fairness of treatment received from an organization” (Aryee/Budhwar/Chen 2002, S. 269). Gemäß den Theorien der organisationalen Gerechtigkeit kommt diese Fairnesswahrnehmung dadurch zustande, dass ein im Arbeitsumfeld eines Individuums auftretendes Element bzw. Ereignis vor dem Hintergrund eines bestimmten Standards bewertet und als fair oder unfair eingestuft wird (Cropanzano et al. 2001b, S. 3).
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
73
Eine zentrale Annahme der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit ist, dass sich die wahrgenommene Fairness organisationaler Elemente bzw. Ereignisse auf die Einstellungen und die Verhaltensweisen eines Mitarbeiters auswirkt: Je höher die wahrgenommene Gerechtigkeit, desto positiver (im Sinne der Organisation) sind Einstellungen und Verhalten. Damit ist organisationale Gerechtigkeit eine zentrale Voraussetzung für das effektive Funktionieren von Unternehmen (Greenberg 1990, S. 399). Um zu erklären, wie Gerechtigkeitswahrnehmungen die Einstellungen bzw. Verhaltensweisen von Personen beeinflussen, existieren drei unterschiedliche Ansätze (Cropanzano et al. 2001b, S. 8 ff.): -
-
-
Die instrumentellen Ansätze gehen davon aus, dass Menschen danach streben, ihren individuellen Nutzen zu maximieren. Darum richten sie ihre Einstellungen und ihr Verhalten an den Gerechtigkeitsvorstellungen derjenigen Personen aus, welche die Kontrolle über Sanktionen bzw. Belohnungen haben. Gemäß den instrumentellen Modellen sind folglich ökonomische bzw. quasi-ökonomische Vorteile das Motiv für Einstellungs- bzw. Verhaltensänderungen; die Bewertung von Gerechtigkeit ist ein Mittel zur Nutzenmaximierung. Beispielhafte Theorien der organisationalen Gerechtigkeit, welche dem instrumentellen Ansatz folgen, sind die Resource Theory von Foa und Foa (1980) oder die Equity Theory nach Adams (1965). Die wertebezogenen Ansätze basieren auf der Annahme, dass Individuen zum Ziel haben, wichtige persönliche Werte und Wertvorstellungen zu internalisieren und aufrechtzuerhalten. Ereignisse und Elemente im Umfeld von Personen werden vor dem Hintergrund der eigenen Wertvorstellungen als gerecht bzw. ungerecht bewertet, und die individuellen Einstellungen und Verhaltensweisen an den daraus resultierenden moralischen Verpflichtungen ausgerichtet. Theorien der organisationalen Gerechtigkeit, die den wertebezogenen Ansätzen zuzuordnen sind, sind beispielsweise Folger’s Deontological Model (1998, 2001) oder Kohlberg’s Moral Stages Model (1969, 1981). Gemäß den interpersonellen Ansätzen streben Individuen danach, enge Beziehungen zu anderen Personen zu pflegen. Eine Möglichkeit, solch enge soziale Beziehungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, ist ein fairer Umgang miteinander. Deshalb richten Individuen ihre Einstellungen und Verhaltensweisen so aus, dass sie einen gerechten Umgang mit den Personen bzw. Personengruppen pflegen, mit denen sie sich identifizieren. Der interpersonelle Ansatz liegt dem „social exchange approach to justice“ (Scott/Colquitt 2007, S. 295) zu Grunde, in dem die Soziale Austauschtheorie (vgl. Abschnitt 4.1.2) und die Theorien der organisationalen Gerechtigkeit zusammengeführt werden. Dieser wird in Abschnitt 4.1.3 vorgestellt.
Eine weitere zentrale Annahme der Theorien organisationaler Gerechtigkeit ist, dass “employees evaluate justice along a number of dimensions” (Scott/Paddock/Colquitt 2009,
74
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
S. 491). Insgesamt werden vier Dimensionen organisationaler Gerechtigkeit unterschieden (u. a. Colquitt 2001; Greenberg 1990): -
Die distributive Gerechtigkeit beschreibt die wahrgenommene Fairness “surrounding the allocation of organizational resources, including pay, bonuses, terminations, or any other resource that an organization can provide to employees” (Roch/Shanock 2006, S. 300). Der Begriff der distributiven Gerechtigkeit geht zurück auf Homans (1958, 1961) und wurde von Adams (1965) im Rahmen der Equity Theory weiterentwickelt (Cohen-Charash/Spector 2001, S. 279; Colquitt/Greenberg/Zapata-Phelan 2005, S. 13 ff.). Danach wird die Allokation organisationaler Ressourcen als gerecht bewertet, wenn die Ressourcen, die ein Mitarbeiter von einem Unternehmen erhält, dessen Einsatz für das Erreichen der Unternehmensziele entsprechen (Cropanzano et al. 2001b, S. 3 f.). Die distributive Gerechtigkeit bildete bis 1975 den Fokus der Gerech-
-
-
-
tigkeitsforschung (Colquitt et al. 2001, S. 426). Die prozedurale Gerechtigkeit, die von Thibaut und Walker (1975) im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren eingeführt und von Greenberg und Folger (1983, 1985) auf den organisationalen Kontext übertragen wurde, beschreibt die empfundene Gerechtigkeit der Entscheidungsverfahren und -prozesse in einem Unternehmen (Roch/Shanock 2006, S. 300). Die prozedurale Gerechtigkeit wird von den Beschäftigten als hoch bewertet, wenn die Entscheidungsverfahren auf ethischen und moralischen Standards beruhen, auf korrekten Informationen basieren, einheitlich angewandt und vorurteilsfrei durchgeführt werden (Colquitt 2001, S. 388 ff.). Die informationale Gerechtigkeit, die von Greenberg (1990, 1993) eingeführt wurde, ist definiert als die wahrgenommene Fairness „of social accounts, justifications, and explanations provided for a given allocation decision“ (Cropanzano et al. 2001b, S. 6). Damit steht im Fokus der Bewertung der informationalen Gerechtigkeit, inwieweit die Beschäftigten darüber informiert wurden, warum ein Entscheidungsverfahren auf eine bestimmte Art und Weise durchgeführt und eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde (Colquitt et al. 2001, S. 427). Die interpersonelle Gerechtigkeit, die ebenfalls auf Greenberg (1990, 1993) zurückgeht, bezieht sich auf die wahrgenommene Fairness zwischenmenschlicher Begegnungen in Unternehmen (Cropanzano et al. 2001b, S. 6). Sie wird als hoch bewertet, wenn die Mitarbeiter von Entscheidungsträgern oder anderen Personen im Unternehmen würdevoll, höflich und respektvoll behandelt werden (Colquitt et al. 2001, S. 427).
Zunächst war in der Literatur umstritten, inwieweit die vier genannten Dimensionen organisationaler Gerechtigkeit trennscharf sind. Insbesondere die informationale und die interpersonelle Gerechtigkeit wurden meist zu einer Dimension, der interaktionalen Gerechtigkeit, zusammengefasst. Diese ist definiert als die wahrgenommene Fairness der Art und Weise, wie
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
75
getroffene Entscheidungen im Unternehmen durch die Beteiligten umgesetzt werden (Colquitt/Greenberg 2003, S. 166). Sie beschreibt damit „the way the management (or those controlling rewards and resources) is behaving toward the recipient of justice“ (CohenCharash/Spector 2001, S. 281; Klammern im Original). Heute bestätigen jedoch eine Reihe konfirmatorischer Faktorenanalysen (z. B. Colquitt 2001; Thurston 2000) und eine Metaanalyse (Colquitt et al. 2001) das vierdimensionale Modell. Sie zeigen, dass die vier Dimensionen organisationaler Gerechtigkeit auf unterschiedlichen Faktoren laden und sich hinsichtlich ihrer Einflüsse auf abhängige Variablen unterscheiden (Cropanzano et al. 2001a, S. 182). Die Integration aller vier Dimensionen ermöglicht folglich, die Validität des Gerechtigkeitskonstruktes zu erhöhen und einen größeren Anteil der Varianz abhängiger Variablen zu erklären (Colquitt et al. 2001, S. 438; Colquitt/Greenberg 2003, S. 186). Zum heutigen Zeitpunkt existieren jedoch erst wenige empirische Arbeiten, die alle vier Arten organisationaler Gerechtigkeit berücksichtigen (Roch/Shannock 2006, S. 301). Vor diesem Hintergrund ist hier ein erheblicher Forschungsbedarf zu konstatieren (Cropanzano et al. 2001b, S. 7). Im Gegensatz dazu sind die auf Basis der Theorien organisationaler Gerechtigkeit postulierten Erfolgsauswirkungen umfassend empirisch belegt. Die organisationale Gerechtigkeit weist „significant zero-order correlations with a variety of important organizational outcomes“ (Colquitt/Greenberg 2003, S. 185) auf. So belegen zahlreiche Studien den positiven Zusammenhang zwischen wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit und der Arbeitsleistung, der Arbeitszufriedenheit bzw. dem Commitment von Mitarbeitern. Im Hinblick auf die Kündigungsbereitschaft sowie den Absentismus konnten negative Effekte nachgewiesen werden. Für einen Überblick über empirische Erkenntnisse zu Erfolgsauswirkungen organisationaler Gerechtigkeit sei auf Cohen-Charash und Spector (2001), Colquitt und Kollegen (2001) oder Conlon, Meyer und Nowakowski (2005) verwiesen. Im Zusammenhang mit den Theorien organisationaler Gerechtigkeit ist kritisch anzumerken, dass bisher kaum Erkenntnisse über Einflussfaktoren vorliegen, d. h. es ist weitgehend unklar, welche Größen den Grad der wahrgenommenen Gerechtigkeit beeinflussen (CohenCharash/Spector 2001, S. 308). Zwar wird davon ausgegangen, dass die Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern durch das Unternehmen deren Gerechtigkeitswahrnehmungen beeinflusst; empirische Beleg hierfür fehlen jedoch weitgehend. Zudem analysiert die empirische Forschung zur organisationalen Gerechtigkeit ausschließlich die Perspektive der Mitarbeiter. Die Gerechtigkeitswahrnehmungen des jeweiligen Austauschpartners (z. B. des Vorgesetzten oder der Kollegen) sowie deren Wechselwirkungen mit den Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhaltensweisen des Mitarbeiters bleiben unberücksichtigt. Eine weitere Forschungslücke ist hinsichtlich möglicher Moderatoren der gefundenen Zusammenhänge zu konstatieren (Cohen-Charash/Spector 2001, S. 309; Colquitt/Greenberg 2003, S. 186 ff.). So fordern bei-
76
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
spielsweise Scott und Colquitt (2007, S. 319): “More research is needed […] on the boundary conditions of justice to better understand when justice matters more and for whom.” Schließlich ist zu kritisieren, dass die Theorien der organisationalen Gerechtigkeit nicht-lineare Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen Fairness und den abhängigen Variablen unberücksichtigt lassen (Brockner/Wiesenfeld/Diekmann 2009, S. 208 f.). So wäre zum Beispiel denkbar, dass die Auswirkungen wahrgenommener Gerechtigkeit stärker sind, wenn das Erlebte als besonders fair oder besonders unfair eingestuft wird, dass also ein u-förmiger Zusammenhang zwischen organisationaler Gerechtigkeit und verschiedenen Erfolgsgrößen besteht (Gilliland 2008, S. 272 ff.). 4.1.2
Soziale Austauschtheorie
Die Soziale Austauschtheorie gehört zu den “most influential conceptual paradigms for understanding workplace behavior” (Cropanzano/Mitchell 2005, S. 874). Während im Fokus früher austauschtheoretischer Betrachtungen ausschließlich ökonomische Austauschbeziehungen standen, unterschied Blau (1964) erstmals zwischen ökonomischen und sozialen Austauschbeziehungen und legte so den Grundstein für die Entwicklung der Sozialen Austauschtheorie. Soziale Austauschbeziehungen unterscheiden sich von ökonomischen Austauschbeziehungen insbesondere durch die Spezifität der gegenseitigen Verpflichtungen der Austauschpartner (Blau 1964, S. 93). Soziale Austauschbeziehungen “develop between two parties through a series of mutual, although not necessarily simultaneous, exchanges that yield a pattern of reciprocal obligation in each party” (Masterson et al. 2000, S. 739). Dabei wird nicht spezifiziert, wann und in welcher Form der Austauschpartner, der von seinem Gegenüber profitiert, eine Gegenleistung erbringt (Blau 1964, S. 93). Folglich bilden gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft, langfristig in die Beziehung zu investieren, die Basis für die Entstehung und Aufrechterhaltung sozialer Austauschbeziehungen (Shore et al. 2006, S. 839). Eine zentrale Annahme der Sozialen Austauschtheorie ist, dass die Austauschpartner sich in einer sozialen Austauschbeziehung gemäß der Reziprozitätsnorm verhalten. Danach empfinden Individuen, die von ihrem Austauschpartner wohlwollend behandelt werden, eine Verpflichtung im Sinne des Austauschpartners positiv zu reagieren bzw. den Nutzen, den sie aus dem Austausch ziehen konnten, auf irgendeine Art und Weise zurückzugeben (Wayne et al. 2002, S. 590). Des Weiteren geht die Soziale Austauschtheorie davon aus, dass in sozialen Austauschbeziehungen sowohl ökonomische als auch sozioemotionale Ressourcen ausgetauscht werden können (Coyle-Shapiro et al. 2004, S. 119 f.; Cropanzano/Mitchell 2005, S. 881). Erstere dienen dazu, die materiellen Bedürfnisse der Austauschpartner zu befriedigen; es handelt sich überwiegend um tangible Ressourcen. Sozioemotionale Ressourcen sind dagegen auf soziale und selbstwertbezogene Bedürfnisse ausgerichtet; sie sind meist intangibler, symbolischer Art (Cropanzano/Mitchell 2005, S. 881).
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
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Ein wichtiges Anwendungsfeld der Sozialen Austauschtheorie ist die Analyse von Austauschbeziehungen im Arbeitskontext (Coyle-Shapiro/Conway 2004, S. 5). Dieser stellt ein Umfeld dar, das die Entstehung sozialer Austauschbeziehungen begünstigt (CohenCharash/Spector 2001, S. 285). Gemäß der Sozialen Austauschtheorie führt ein wohlwollendes Verhalten des Unternehmens bzw. seiner Repräsentanten gegenüber einem Mitarbeiter dazu, dass sich langfristig angelegte, von gegenseitigem Vertrauen und wechselseitiger Verpflichtung geprägte soziale Austauschbeziehungen entwickeln (Settoon/Bennett/Liden 1996, S. 219; Wayne/Shore/Liden 1997, S. 82). In der Folge wird sich ein Mitarbeiter bemühen, die Reziprozitätsnorm zu erfüllen, d. h. sich für das in seinem Sinne positive Verhalten seiner Austauschpartner zu revanchieren, beispielsweise durch entsprechende Einstellungen (z. B. hohe Arbeitszufriedenheit, hohes Commitment) oder Verhaltensweisen (z. B. geringe Fluktuation, hohe Arbeitsleistung) (Wayne et al. 2002, S. 592 f.; Wayne/Shore/Liden 1997, S. 83). Im Arbeitskontext kann zwischen drei Austauschbeziehungen unterschieden werden: der Austauschbeziehungen zwischen einem Mitarbeiter und (1) dem Unternehmen als Arbeitgeber, (2) dessen Vorgesetzten sowie (3) dessen Kollegen (Aryee/Budhwar/Chen 2002, S. 268; Cropanzano/Mitchell 2005, S. 883; Lavelle/Rupp/Brockner 2007, S. 842). Ein Mitarbeiter richtet seine Reziprozitätsanstrengungen auf jenen Austauschpartner, von dem er die positive Behandlung erfahren hat (Settoon/Bennett/Liden 1996, S. 219). So führt eine gute Austauschbeziehung mit dem Unternehmen als Ganzes unter anderem zu hohem Commitment gegenüber der Organisation und ihren Zielen sowie zu niedrigem Absentismus (u. a. Eisenberger et al. 1986; Eisenberger et al. 2002; Wayne/Shore/Liden 1997). Die Austauschbeziehung zum Vorgesetzten beeinflusst dagegen beispielsweise die Zufriedenheit mit der Führungsperson und die Bereitschaft, diese zu unterstützen (u. a. Cropanzano/Prehar/Chen 2002; Graen/Uhl-Bien 1995; Karriker/Williams 2009). In empirischen Studien wird die Qualität sozialer Austauschbeziehungen zum Unternehmen, zum Vorgesetzten bzw. zu den Kollegen über unterschiedliche Konstrukte erfasst. Am stärksten verbreitet ist die Operationalisierung mit Hilfe der Konstrukte „Perceived Organizational Support“, „Leader-Member-Exchange“ bzw. „Team-Member-Exchange“ (Wayne/Shore/Liden 1997, S. 82). Alternativ kann das wahrgenommene Vertrauen zum jeweiligen Austauschpartner als Maßgröße herangezogen werden (z. B. Aryee/Budhwar/Chen 2002; De Cremer/Tyler 2007; Konovsky/Pugh 1994). Um die Qualität der sozialen Austauschbeziehung zwischen einem Mitarbeiter und dessen Arbeitgeber, d. h. einem Unternehmen als Ganzes, zu erfassen, entwickelten Eisenberger und Kollegen (1986) das Konstrukt Perceived Organizational Support (POS) (Cropanzano/Mitchell 2005, S. 883 f.). Ausgehend von der Annahme, dass “employees form global beliefs concerning the extent to which the organization values their contributions and cares about their well-being” (Eisenberger et al. 1986, S. 504), steht dabei die wahrgenommene Qualität
78
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
der Austauschbeziehung aus Sicht der Mitarbeiter im Fokus. Diese ist geprägt von der Bewertung der mitarbeiterbezogenen Strategien, Strukturen und Prozesse sowie der Ressourcenallokation im Unternehmen (Eisenberger et al. 2004, S. 207 ff.) Hoher POS liegt vor, wenn ein Unternehmen die Leistungen der Mitarbeiter schätzt und sich um ihr Wohlergehen kümmert (Eisenberger et al. 2004, S. 206). Dadurch befriedigt das Unternehmen die Bedürfnisse der Beschäftigten nach Anerkennung, Wertschätzung und Zugehörigkeit (Eisenberger et al. 2004, S. 206). Gemäß den Annahmen der Sozialen Austauschtheorie revanchieren sich die Mitarbeiter dafür, in dem sie ihre Anstrengungen, zur Erreichung der Ziele des Unternehmens beizutragen, erhöhen (Eisenberger et al. 1986, S. 506). In der Folge wirkt sich POS positiv auf Erfolgsgrößen aus „that affect an organization as a whole“ (Wayne/Shore/Liden 1997, S. 90). So konnte beispielsweise in früheren empirischen Studien gezeigt werden, dass hoher POS einhergeht mit hohem Organizational Citizenship Behavior (OCB; freiwillige, nicht gratifizierte Verhaltensweisen, die das effektive Funktionieren des Unternehmens fördern (Organ 1988, S. 4)), hohem affektivem Commitment, geringen Kündigungsabsichten sowie geringem Absentismus (z. B. Eisenberger et al. 1986, S. 504; Eisenberger et al. 2002, S. 571; Eisenberger et al. 2004, S. 213 ff.; Wayne/Shore/Liden 1997, S. 101). Zur Operationalisierung der Qualität der sozialen Austauschbeziehung zwischen einem Mitarbeiter und dessen Vorgesetzten wird in den meisten Arbeiten das Konstrukt des LeaderMember-Exchange (LMX) herangezogen (Cropanzano/Mitchell 2005, S. 884; Dienesch/Liden 1986, S. 621). Dieses basiert auf der Annahme, dass Führungskräfte die unterstellten Mitarbeiter in zwei Kategorien unterteilen: jene Mitarbeiter, zu denen sie so genannte “in-group”Beziehungen pflegen, und Beschäftigte, zu denen sie in einem “out-group”-Verhältnis stehen. In-group-Beziehungen sind soziale Austauschbeziehungen von hoher Qualität, die sich durch gegenseitiges Vertrauen, intensive Interaktion und wechselseitige Unterstützung und Anerkennung auszeichnen. Dies führt dazu, dass die entsprechenden Mitarbeiter die Ziele des Vorgesetzten internalisieren und sich über das Vorgeschriebene hinaus für deren Realisierung engagieren. Im Gegenzug erhalten sie mehr Verantwortung und Autonomie (Dienesch/Liden 1986, S. 621; Epitropaki/Martin 2005, S. 661; Hogg et al. 2005, S. 992). Out-groupBeziehungen zeichnen sich dagegen durch eine geringe Qualität aus, mit geringem Vertrauen und gegenseitigem Respekt sowie wenigen Interaktionen zwischen den Austauschpartnern. Die Mitarbeiter erfüllen ausschließlich die im Arbeitsvertrag festgelegten Zuständigkeiten (Dienesch/Liden 1986, S. 621; Epitropaki/Martin 2005, S. 661; Hogg et al. 2005, S. 992). Die positiven Effekte einer hohen Qualität der sozialen Austauschbeziehung zwischen einer Führungskraft und deren Mitarbeiter auf den Führungserfolg und die Leistung der einzelnen Personen ist umfassend empirisch belegt (Graen/Uhl-Bien 1995, S. 229). Dabei ist festzustellen, dass hoher LMX insbesondere mit jenen Erfolgsgrößen zusammenhängt, welche die Führungsperson und das direkte Arbeitsumfeld betreffen (Wayne/Shore/Liden 1997, S. 90). So
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
79
zeigen mehrere Metaanalysen einen positiven Zusammenhang zwischen LMX und der Arbeitsleistung sowie der Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten (z. B. Gerstner/Day 1997; Jensen/Olberding/Rodgers 1997). Die Qualität der Austauschbeziehungen mit Kollegen wird in der Regel durch das Konstrukt Team-Member-Exchange (TMX) erfasst. Dieses ist definiert als „the individual member’s perception of his or her exchange relationship with the peer group as a whole” (Seers 1989, S. 119). TMX beschreibt den Grad der Reziprozität, der zwischen einem Mitarbeiter und den Arbeitskollegen, mit denen er regelmäßig interagiert, herrscht und kann damit als Indikator für die Effizienz der Arbeitsbeziehungen dienen (Seers 1989, S. 119). Bisher liegen erst wenige Studien vor, welche die Erfolgsauswirkungen von TMX zum Gegenstand haben. Sie konnten zeigen, dass TMX positive Effekte auf die Arbeitszufriedenheit, das Commitment, die individuelle Leistung und die Teamleistung hat, während ein negativer Zusammenhang mit den Kündigungsabsichten der Probanden besteht (z. B. Major et al. 1995, S. 425 f.; Seers 1989, S. 131 f.; Seers/Petty/Cashman 1995, S. 30). Obwohl die Soziale Austauschtheorie, wie dargelegt wurde, umfassend empirisch belegt ist, ist auch sie nicht frei von Kritik. Diese bezieht sich zum einen auf Grenzen der theoretischen Annahmen, zum anderen auf die empirische Anwendung der Theorie. Hinsichtlich der Limitationen der Sozialen Austauschtheorie ist unter anderem zu konstatieren, dass angenommen wird, dass eine Interaktion zum Zeitpunkt t0 einen Nutzen für einen der beiden Austauschpartner bringt, für den sich dieser in Zeitpunkt t1 revanchiert. Damit bleibt unberücksichtigt, dass der Austausch von Ressourcen für beide Austauschpartner gleichzeitig von Nutzen sein kann (Coyle-Shapiro/Conway 2004, S. 19). Zudem werden keine Aussagen darüber getroffen, inwieweit Interdependenzen zwischen verschiedenen Austauschbeziehungen (beispielsweise innerhalb eines Unternehmens) bestehen, die sich unter anderem in Netzeffekten ausdrücken können (Coyle-Shapiro/Conway 2004, S. 24). Hinsichtlich der empirischen Studien zur Sozialen Austauschtheorie ist zu kritisieren, dass ebenso wie in Arbeiten zur organisationalen Gerechtigkeit eine Austauschbeziehung meist ausschließlich aus der Perspektive eines der beiden Austauschpartner (im organisationalen Kontext meist des einzelnen Mitarbeiters) analysiert wird. Wechselwirkungen zwischen den Wahrnehmungen der Austauschpartner – wie sie gemäß den theoretischen Annahmen zu erwarten wären – finden keine Beachtung. Zudem steht im Fokus empirischer Arbeiten zur Sozialen Austauschtheorie häufig ausschließlich die Wahrnehmung von Art, Umfang und Qualität der ausgetauschten Ressourcen. Die Erwartungen und Absichten der Austauschpartner, welche den Austauschprozess entscheidend prägen können, werden nicht untersucht (CoyleShapiro/Conway 2004, S. 22).
80
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
4.1.3
Verknüpfung der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie
In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und die Soziale Austauschtheorie vorgestellt. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die beiden theoretischen Ansätze verknüpft werden können. Im Fokus steht dabei die Frage, in welchem Zusammenhang die zentralen Konstrukte der beiden Theorien zueinander stehen und wie die jeweils postulierten Wirkungsmechanismen zusammenwirken. Tabelle 4-1, in der die zentralen Aussagen der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie gegenübergestellt werden, bildet hierfür den Ausgangspunkt. Voraussetzung dafür, verschiedene theoretische Ansätze miteinander zu verknüpfen, ist, dass die jeweiligen Grundannahmen, insbesondere das Menschenbild, konsistent sind. Deshalb stehen die interpersonellen Ansätze der organisationalen Gerechtigkeit (vgl. Abschnitt 4.1.1) im Fokus der folgenden Ausführungen. Ihnen liegen ebenso wie der Sozialen Austauschtheorie die Annahme zu Grunde, dass Individuen soziale Wesen sind, die aus der Interaktion mit anderen Personen Nutzen ziehen können. Tabelle 4-1: Gegenüberstellung der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie (in Anlehnung an Coyle-Shapiro et al. 2004, S. 125) Theorien der organisationalen Soziale Austauschtheorie Gerechtigkeit (interpersonelle Ansätze) Betrachtungsgegenstand
Austauschbeziehungen im organisationalen Kontext, überwiegend aus der Perspektive eines Mitarbeiters
Soziale Austauschbeziehungen im Allgemeinen, überwiegend aus der Perspektive des Individuums, das mit verschiedenen Personen(gruppen) im Austausch steht
Erkenntnisinteresse
Analyse von Entstehung und Auswirkung wahrgenommener Gerechtigkeit in organisationalen Austauschbeziehungen
Erklärung der Entstehung von sozialen Austauschbeziehungen und Analyse der darin wirksamen Wirkungszusammenhänge
Menschenbild
Mensch als soziales Wesen, das Nutzen aus sozialer Interaktion zieht
Mensch als soziales Wesen, das Nutzen aus sozialer Interaktion zieht
Zentrale Aussage
Individuen in Organisation bewerten den Umgang, der ihnen zuteil wird, als fair oder unfair; die Organisationsmitglieder revanchieren sich für einen als fair wahrgenommenen Umgang mittels positiver Einstellungen und Verhaltensweisen
Soziale Austauschbeziehungen entstehen in Folge einer Reihe von gegenseitigen, jedoch nicht unbedingt gleichzeitigen Austauschprozessen zwischen zwei Austauschpartnern; soziale Austauschbeziehungen basieren auf der Reziprozitätsnorm, die die Gegenseitigkeit des Austausches vorschreibt, jedoch Zeitpunkt und Umfang des Austausches offen lässt
Ziel der Austauschbeziehungen
Schaffen und Aufrechterhalten enger sozialen Beziehungen
Entwicklung einer dauerhaften, auf Vertrauen basierenden Beziehung
Art der ausgetauschten Ressourcen
Tangibel und intangibel
Tangibel und intangibel
Wirkungsmechanismen
Reziprozität basierend auf Fairness
Reziprozität basierend auf Vertrauen
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
81
Die Zusammenführung der interpersonellen Ansätze der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie basiert auf der Annahme, dass eine zentrale Voraussetzung für die Entstehung und Aufrechterhaltung sozialer Austauschbeziehungen darin besteht, dass die Austauschpartner die Beziehung als „reasonably equitable or fair” (Graen/Scandura 1987, S. 182) wahrnehmen. Wenn sich ein Austauschpartner gerecht verhält, fühlt sich sein Gegenüber verpflichtet, sich dafür mit dem Aufbau einer qualitativ hochwertigen sozialen Austauschbeziehung zu revanchieren. Übertragen auf den organisationalen Kontext bedeutet dies, dass die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit einen wichtigen Einflussfaktor der Qualität sozialer Austauschbeziehungen darstellt (u. a. Aryee/Budhwar/Chen 2002, S. 268 ff.; Cohen-Charash/Spector 2001, S. 285; Wayne et al. 2002, S. 590). “A social exchange approach to justice predicts that employees reciprocate fair treatment by forming close social exchange relationships” (Scott/Colquitt 2007, S. 295). Innerhalb dieser sozialen Austauschbeziehungen fühlen sich Mitarbeiter verpflichtet, als Gegenleistung für faires Verhalten ihrer Austauschpartner positive Einstellungen und Verhaltensweisen zu zeigen (Moorman/Byrne 2005, S. 361; Scott/Colquitt 2007, S. 295; Wayne et al. 2002, S. 592 f.). Gerechtigkeit wird damit zu einer Ressource, die im Rahmen sozialer Austauschbeziehungen ausgetauscht wird (Erdogan/Liden/Kraimer 2006, S. 395). Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitskontext den Zusammenhang zwischen wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit und deren Erfolgsauswirkungen mediiert (Colquitt/Greenberg/Scott 2005, S. 604 f.; Masterson et al. 2000, S. 739). Ausgehend von der Annahme der Sozialen Austauschtheorie, dass im organisationalen Kontext drei Arten sozialer Austauschbeziehungen zu unterscheiden sind (vgl. Abschnitt 4.1.2), stellt sich nun die Frage, welche Dimension der organisationalen Gerechtigkeit welche Austauschbeziehung beeinflusst und auf welche Einstellungen und Verhaltensweisen sich diese wiederum auswirkt. Zur Beantwortung dieser Frage kann auf das Target Similarity Framework (Lavelle/Rupp/Brockner 2007, S. 851) zurückgegriffen werden. Dieses basiert auf der Annahme, dass ein Mitarbeiter – in Abhängigkeit der jeweiligen Dimension der organisationalen Gerechtigkeit – unterschiedliche soziale Einheiten (z. B. den Vorgesetzten oder das Unternehmen) für die wahrgenommene Fairness verantwortlich macht. Die wahrgenommene Gerechtigkeit, die einer sozialen Instanz zugeschrieben wird, beeinflusst die Qualität der Austauschbeziehung mit dieser, welche sich wiederum auf die Einstellungen und Verhaltensweisen des Mitarbeiters gegenüber dieser sozialen Einheit auswirkt (Lavelle/Rupp/Brockner 2007, S. 851). In diesem Zusammenhang betonen Masterson und Kollegen (2000, S. 747), dass neben dem Unternehmen und den Vorgesetzten auch Kollegen als “agents of enacting organizational procedures” und damit als Verantwortliche für die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit berücksichtigt werden sollten. Dies erscheint besonders wichtig, da flache Hierarchien und weltweit verteilte Arbeitsgruppen die Zahl direkter Kontakte zwischen
82
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
Vorgesetzten und Mitarbeitern reduzieren und dadurch Kollegen (anstelle von Führungskräften) die Wahrnehmung der Gerechtigkeit im Arbeitsalltag prägen.
4.2
Bestandsaufnahme
Die folgende Bestandsaufnahme hat zwei Ziele. Zum einen soll anhand einer umfassenden Sichtung empirischer Studien der aktuelle Kenntnisstand zum Zusammenhang zwischen den verschiedenen Dimensionen organisationaler Gerechtigkeit und der Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitskontext dargestellt werden. Darüber hinaus soll gezeigt werden, welche Erkenntnisse zu möglichen Moderatoren dieses Zusammenhangs vorliegen. In Abschnitt 4.1.3 wurde im Rahmen der Zusammenführung der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie postuliert, dass die Qualität sozialer Austauschbeziehungen den Zusammenhang zwischen wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit und deren Erfolgsauswirkungen mediiert. Um zu überprüfen, inwieweit diese Annahme empirisch belegt ist, werden in Tabelle 4-2 die Ergebnisse empirischer Arbeiten gesichtet, in denen sowohl Konstrukte der organisationalen Gerechtigkeit als auch Konstrukte des sozialen Austauschs in Unternehmen untersucht werden. Dabei wurden ausschließlich solche Studien berücksichtigt, die in international führenden Zeitschriften bzw. Tagungsbänden aus den Bereichen Allgemeines Management, Personalmanagement sowie Arbeits- und Organisationspsychologie erschienen sind, die also vor Erscheinen einer Überprüfung durch mindestens zwei anonyme Gutachter unterzogen wurden. Da die theoretische Fundierung der gesichteten Arbeiten identisch ist, konzentriert sich die folgende Diskussion auf inhaltliche und methodische Aspekte. Wie Tabelle 4-2 zeigt, wurde die Idee, die Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und die Soziale Austauschtheorie zu verknüpfen, erstmals 1994 in empirischen Arbeiten aufgegriffen (Konovsky/Pugh 1994; Manogran/Stauffer/Conlon 1994). Seitdem sind insgesamt 14 Studien erschienen, die sich dem Zusammenhang zwischen organisationaler Gerechtigkeit und der Qualität des sozialen Austauschs widmen. In inhaltlicher Hinsicht bestätigen sie mit Ausnahme einzelner nicht signifikanter Effekte die kausale Kette von organisationaler Gerechtigkeit über die Qualität sozialer Austauschbeziehungen zu den Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern. Darüber hinaus belegen die gesichteten Arbeiten, dass bestimmte Dimensionen der organisationalen Gerechtigkeit mit bestimmten sozialen Austauschbeziehungen korrespondieren. So beeinflusst die distributive Gerechtigkeit die Qualität der Austauschbeziehung mit dem Unternehmen als Arbeitgeber, nicht dagegen die Austauschbeziehung mit dem Vorgesetzten (z. B. Aryee/Budhwar/Chen 2002; Murphy et al. 2003; Wayne et al. 2002). Die prozedurale Gerechtigkeit erhöht ebenfalls die Qualität der Austauschbeziehung mit dem Unternehmen; in einzelnen Studien werden zudem positive Effekte auf die Beziehung zwischen Mitarbeiter und Führungsperson gefunden (z. B. Karriker/Williams 2009;
Bestandsaufnahme
83
Konovsky/Pugh 1994). Für die interaktionale Gerechtigkeit werden durchweg positive Zusammenhänge mit der Qualität der Austauschbeziehung mit dem Vorgesetzten berichtet (z. B. Manogran/Stauffer/Conlon 1994; Masterson et al. 2000; Tekleab/Takeuchi/Taylor 2005).
Tabelle 4-2: Studien zum Zusammenhang zwischen organisationaler Gerechtigkeit, der Qualität des sozialen Austauschs in Unternehmen und diversen Erfolgsgrößen Analysemethode1; Datengrundlage2 SEM; N = 1; n = 179 Dyaden; Öffentlicher Sektor, Indien
Unabhängige Variable(n) Distributive Gerechtigkeit Prozedurale Gerechtigkeit Interaktionale Gerechtigkeit Interaktionale Gerechtigkeit
Mediierende Variable(n) 3 (+) Vertrauen ggü. Unternehmen
SEM; N = 1; n = 149; Produzierendes Gewerbe; China RA; N = -; n = 107 Dyaden; Bildungswesen; USA
Prozedurale Gerechtigkeit Distributive Gerechtigkeit Interaktionale Gerechtigkeit
(+) Vertrauen ggü. Unternehmen
Karriker/Williams (2009); Journal of Management
SEM; N = -; n = 217 Dyaden; diverse; USA
(+) LeaderMemberExchange
Konovsky/Pugh (1994); Academy of Management Journal
SEM; N = 1; n = 475 Dyaden; Gesundheitswesen; USA
Vorgesetztenbezogene distributive Gerechtigkeit Vorgesetztenbezogene prozedurale Gerechtigkeit Distributive Gerechtigkeit
Autor(en) (Jahr); Journal Aryee/Budhwar/Chen (2002); Journal of Organizational Behavior
Aryee/Chen (2004); Journal of Business Research
Cropanzano/Prehar/Chen (2002); Group & Organization Management
Masterson et al. (2000); Academy of Management Journal
SEM; N = 1; n = 651; Bildungswesen; USA
Prozedurale Gerechtigkeit Interaktionale Gerechtigkeit
(+) Vertrauen ggü. Vorgesetztem
(+) LeaderMemberExchange
(n.s.) Vertrauen ggü. Vorgesetztem (+) Vertrauen ggü. Vorgesetztem (+) LeaderMemberExchange
Prozedurale Gerechtigkeit
(+) Perceived Organizational Support
Manogran/Stauffer/Conlon (1994); Academy of Management Best Papers Proceedings
SEM; N = 1; n = 282 Dyaden; Automobilbranche; USA
Interaktionale Gerechtigkeit
(+) LeaderMemberExchange
Moorman/Blakely/Niehoff (1998); Academy of Management Journal
SEM; N = 1; n = 218 Dyaden; Gesundheitswesen; USA
Prozedurale Gerechtigkeit
(+) Perceived Organizational Support
Abhängige Variable(n) 3 (+) Arbeitszufriedenheit (-) Kündigungsabsichten (+) Organisationales Commitment (+) Organisationsbezogenes OCB (+) Personbezogenes OCB (+) Arbeitsleistung (-) Karriereorientierung
(+) Arbeitszufriedenheit (+) Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten (+) Arbeitsleistung (+) Vorgesetztenbezogenes OCB
(+) OCB
(+) Arbeitsleistung (+) Arbeitszufriedenheit (+) Vorgesetztenbezogenes OCB (+) Arbeitszufriedenheit (+) Organisationsbezogenes OCB (-) Kündigungsabsichten (+) Organisationales Commitment (+) OCB (+) Arbeitszufriedenheit (+) Organisationales Commitment (+) OCB
84
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
Autor(en) (Jahr); Journal Murphy et al. (2003); Human Relations
Analysemethode1; Datengrundlage2 SEM; N = 1; n = 124 Dyaden; Produzierendes Gewerbe; USA
Unabhängige Variable(n) Interaktionale Gerechtigkeit
Distributive Gerechtigkeit Roch/Shannock (2006); Journal of Management
Rupp/Cropanzano (2002); Organizational Behavior & Human Decision Processes
SEM; N = -; n = 272; -; USA
SEM; N = -; n = 296 Dyaden; diverse; USA
Stinglhamber/De Cremer/Mercken (2006); Group & Organization Management
SEM; N = 1; n = 212; Telekommunikation; -
Tekleab/Takeuchi/Taylor (2005); Academy of Management Journal
Long, SEM; N = 1; n = 200; Bildungssektor; USA
Interaktionale Gerechtigkeit Interpersonelle Gerechtigkeit Informationale Gerechtigkeit
Prozedurale Gerechtigkeit Vorgesetztenbezogene prozedurale Gerechtigkeit Vorgesetztenbezogene interaktionale Gerechtigkeit Organisationsbezogene prozedurale Gerechtigkeit Organisationsbezogene interaktionale Gerechtigkeit Prozedurale Gerechtigkeit Interaktionale Gerechtigkeit
Prozedurale Gerechtigkeit
Interaktionale Gerechtigkeit
Mediierende Variable(n) 3 (+) LeaderMemberExchange (+) TeamMemberExchange (n.s.) LeaderMemberExchange ---
(n.s.) Sozialer Austausch mit Vorgesetztem (+) Sozialer Austausch mit Vorgesetztem (n.s.) Sozialer Austausch mit Unternehmen
Abhängige Variable(n) 3 (-) Social Loafing
(n.s.) Social Loafing
(-) Social Loafing
(+) Leader-MemberExchange (n.s.) Leader-MemberExchange (+) Leader-MemberExchange (+) Perceived Organizational Support (+) Perceived Organizational Support (+) Vorgesetztenbezogenes OCB
(+) Stellenbezogenes Arbeitsverhalten (+) Organisationsbezogenes OCB (+) Organisationsbezogenes OCB
(+) Sozialer Austausch mit Unternehmen (+) Perceived Organizational Support (+) Wahrgenommene Unterstützung durch Vorgesetzten (+) Perceived Organizational Support
(+) Vertrauen ggü. Unternehmen (+) Vertrauen ggü. Vorgesetztem
(-) Verletzungen des psychologischen Vertrags Æ (-) Arbeitszufriedenheit (+) Arbeitszufriedenheit Æ (-) Kündigungsabsichten (+) Commitment
(+) LeaderMemberExchange Prozedurale (+) Perceived SEM; Wayne et al. (2002); Gerechtigkeit Organizational N = 1; n = 211 Journal of Applied Support Dyaden; ProduziePsychology rendes Gewerbe; Distributive (+) Perceived (+) OCB USA Gerechtigkeit Organizational Support (+) OCB (n.s.) LeaderMember(+) Arbeitsleistung Exchange 1 Long = Längsschnittstudie; RA = Regressionsanalyse; SEM = Strukturgleichungsmodelle 2 N = Anzahl der Unternehmen; n = Anzahl der Probanden/Dyaden; - = keine Angaben 3 (+) = signifikant positiver Effekt; (-) signifikant negativer Effekt; (s.) = signifikant Effekt; (n.s.) = nicht-signifikanter Effekt
Bestandsaufnahme
85
Diese Ergebnisse bestätigen die Annahmen des Target Similarity Framework (Lavelle/Rupp/ Brockner 2007), das in Abschnitt 4.1.3 vorgestellt wurde. So wird die wahrgenommene distributive und prozedurale Fairness dem Unternehmen zugeschrieben, das die Strukturen und Prozesse im Unternehmen gestaltet und beispielsweise im Rahmen der Vergütung festlegt, wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen verteilt werden. In der Folge beeinflusst die wahrgenommene distributive bzw. prozedurale Gerechtigkeit die Austauschbeziehung zum Unternehmen. Führungskräfte bestimmen in den Augen der Mitarbeiter dagegen den zwischenmenschlichen Umgang im Arbeitsalltag und damit die interaktionale Fairness. Ist diese hoch, wird das dem Vorgesetzten zugeschrieben und die Beziehung zu diesem verbessert sich. Die in den gesichteten Studien untersuchten Modelle weisen jedoch zwei inhaltliche Lücken auf: Zum einen wurden die informationale und die interpersonelle Gerechtigkeit lediglich in der Arbeit von Roch und Shannock (2006) berücksichtigt; alle anderen beschränken sich auf die distributive und prozedurale Fairness oder fassen informationale und interpersonelle Gerechtigkeit im Konstrukt der interaktionalen Gerechtigkeit zusammen. Die Ergebnisse von Roch und Shannock (2006) zeigen jedoch, dass sich die Effekte von informationaler und interpersoneller Gerechtigkeit unterscheiden: Erstere hat einen positiven Einfluss auf die Qualität der Austauschbeziehung mit dem Unternehmen und dem Vorgesetzten; für Letztere kann kein signifikanter Effekt gefunden werden. Vor diesem Hintergrund sollten zukünftige Studien, welche die Theorien der organisationalen Gerechtigkeit mit der Sozialen Austauschtheorie verknüpfen, alle vier in Abschnitt 4.1.1 eingeführten Facetten der organisationalen Gerechtigkeit integrieren. Eine weitere inhaltliche Lücke ist hinsichtlich der Austauschbeziehungen zu anderen Mitarbeitern zu konstatieren. Lediglich in der Arbeit von Murphy und Kollegen (2003) wird diese – zunehmend an Bedeutung gewinnende (vgl. Abschnitt 4.1.2) – Kategorie sozialen Austauschs im Arbeitsumfeld berücksichtigt. Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen die Annahmen des Target Similarity Framework (vgl. Abschnitt 4.1.3), indem ein positiver Zusammenhang zwischen interaktionaler Gerechtigkeit und dem Team-Member-Exchange gefunden wird. Zusammenfassend ist festzustellen, dass bisher keine Studie vorliegt, die sowohl alle vier Dimensionen der organisationalen Gerechtigkeit als auch alle drei Kategorien von Austauschbeziehungen im organisationalen Kontext in einem Bezugsrahmen integriert. Hinsichtlich methodischer Aspekte ähneln sich die gesichteten Studien zum Zusammenhang zwischen organisationaler Gerechtigkeit, sozialem Austausch und den Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern in weiten Teilen (vgl. Tabelle 4-2). Als Analysemethode nutzen die Autoren fast ausschließlich Strukturgleichungsmodelle, d. h. Kausalanalysen, die als eines der leistungsstärksten Verfahren zur Analyse gerichteter Zusammenhänge bezeichnet werden (Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 549). Die Methode der Kausalanalyse wird in Abschnitt 6.2.2.1 dargelegt.
86
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
Im Hinblick auf den Analysezeitraum ist zu konstatieren, dass von den 14 Studien lediglich die Untersuchung von Tekleab, Takeuchi und Taylor (2005) auf Längsschnittdaten basiert. Im Gegensatz zu Querschnittstudien, bei denen alle untersuchten Größen zum gleichen Zeitpunkt erfasst werden, betrachten Längsschnittstudien einen längeren Zeitraum, indem die untersuchten Variablen zu mehreren bzw. unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben werden (Wall/Wood 2005, S. 442). Längsschnittstudien sind vorzuziehen, wenn Aussagen über die Kausalität (d. h. die Richtung) der untersuchten Zusammenhänge getroffen werden sollen (Hailey/Frandale/Truss 2005, S. 63; Rindfleisch et al. 2008, S. 273). Bezogen auf die vorliegende Fragestellung kann mit Längsschnittstudien ausgeschlossen werden, dass die Qualität sozialer Austauschbeziehungen sich auf die wahrgenommene Fairness im Unternehmen auswirkt. Vor diesem Hintergrund sollten zukünftige Studien verstärkt Längsschnittdaten nutzen, um die Kausalkette von organisationaler Gerechtigkeit, sozialem Austausch und diversen Erfolgsgrößen empirisch zu überprüfen. Die Stichproben der gesichteten Studien bestehen (soweit angegeben) aus einem Unternehmen und 107 bis 651 Datensätzen (vgl. Tabelle 4-2). Wo verhaltensbezogene Erfolgsgrößen als abhängige Variablen untersucht werden, wurden meist dyadische Daten erhoben, d. h. es werden sowohl Mitarbeiter als auch deren Vorgesetzte befragt (z. B. Murphy et al. 2003; Rupp/Cropanzano 2002; Wayne et al. 2002). Die Daten, die in der Mehrheit in den USA erhoben wurden, decken verschiedene Branchen ab. Die Beschränkung auf ein Unternehmen (und damit eine Branche und ein Land) gewährleistet eine Vergleichbarkeit der einzelnen Datensätze innerhalb einer Studie. Allerdings bleibt dadurch unklar, inwieweit die gefundenen Zusammenhänge über verschiedene Unternehmen, Branchen und Länder hinweg verallgemeinert werden können bzw. ob systematische unternehmens-, branchen- bzw. länderspezifische Unterschiede bestehen (Stock-Homburg/Herrmann/Bieling 2009, S. 18). Insgesamt ist festzuhalten, dass die kausale Kette von der organisationalen Gerechtigkeit über die Qualität sozialer Austauschbeziehungen zu den Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern als empirisch belegt gelten kann. Allerdings ist auf Grund des begrenzten Stichprobenumfangs und der branchen- und länderbezogenen Einschränkungen unklar, inwieweit die gefundenen Ergebnisse verallgemeinerbar sind. Zum zweiten Aspekt dieser Bestandsaufnahme, der Analyse von potenziellen Moderatoren des Zusammenhangs zwischen der wahrgenommenen organisationalen Gerechtigkeit und der Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Unternehmen liegen in international anerkannten Zeitschriften und Tagungsbänden lediglich sieben Studien vor. Insgesamt werden acht unterschiedliche Moderatoren untersucht, die von Faktoren auf der Makroebene wie der Landeskultur (Erdogan/Liden 2006), der Unternehmenskultur (Erdogan/Liden/Kraimer 2006) oder den Organisationsstrukturen (Ambrose/Schminke 2003) bis zu Größen auf der individuellen
Bestandsaufnahme
87
Ebene wie dem Geschlecht (Lee/Farh 1999) reichen. Die einzelnen Ergebnisse sind in Tabelle 4-3 im Überblick dargestellt. Tabelle 4-3: Studien zu Moderatoren des Zusammenhangs zwischen organisationaler Gerechtigkeit und Konstrukten des sozialen Austauschs Autor(en) (Jahr); Journal
Analysemethode1; Datengrundlage2
Unabhängige Variable(n)
Moderierende Variable(n) 3
Abhängige Variable(n) 3
Ambrose/Schminke (2003); Journal of Applied Psychology
HLM; N = 68; n = 510; diverse; USA
Interaktionale Gerechtigkeit
(s.) Organisationsstrukturen
(+) Vertrauen ggü. Vorgesetzten
Distributive Gerechtigkeit
(n.s.) Organisationsstrukturen
(n.s.) Vertrauen ggü. Vorgesetzten
Interaktionale Gerechtigkeit
(s.) Organisationsstrukturen
Prozedurale Gerechtigkeit
(n.s.) Organisationsstrukturen
(+) Perceived Organizational Support
Prozedurale Gerechtigkeit
Distributive Gerechtigkeit
1 2 3
Brockner/Wiesenfeld/ Martin (1995); Organizational Behavior and Human Decision Processes
RA; N = 1; n = 193; Produzierendes Gewerbe; USA
Prozedurale Gerechtigkeit
(s.) Framing der Entscheidungsfindung
(+) Vertrauen ggü. Unternehmen
Choi (2008); Journal of Applied Psychology
HLM; N = 4; n = 265 Dyaden; diverse; USA
Interpersonelle Gerechtigkeit
(-) Fairness des Vorgesetzten (n.s.) Fairness des Unternehmens
(+) Vertrauen ggü. Management
Erdogan/Liden (2006); Journal of Organizational Behavior
RA; N = 1; n = 59 Dyaden; Produzierendes Gewerbe; Türkei
Interaktionale Gerechtigkeit
(-) Kollektivismus
(+) Leader-MemberExchange
Erdogan/Liden/Kraimer (2006); Academy of Management Journal
HLM; N = 30; n = 263; Bildungswesen; Türkei
Interaktionale Gerechtigkeit
Unternehmenskultur: (+) Gegenseitiger Respekt (-) Teamorientierung
(+) Leader-MemberExchange
Distributive Gerechtigkeit
Unternehmenskultur: (+) Aggressivität (-) Teamorientierung
Distributive Gerechtigkeit
(n.s.) Geschlecht
(+) Vertrauen ggü. Vorgesetzten
(-) Machtdistanz
(+) Vertrauen ggü. Vorgesetzten
Lee/Farh (1999); Journal of Organizational Behavior
RA; N = 2; n = 571; Produzierendes Gewerbe; -
Lee/Pillutla/Law (2000); Journal of Management
RA; N = 1; n = 615; Bildungswesen; Hong Kong
Distributive Gerechtigkeit
Prozedurale Gerechtigkeit Prozedurale Gerechtigkeit
HLM = Hierarchical Linear Modeling; RA = Regressionsanalyse N = Anzahl der Unternehmen; n = Anzahl der Probanden/Dyaden; - = keine Angaben (+) = signifikant positiver Effekt; (-) signifikant negativer Effekt; (s.) = signifikant Effekt; (n.s.) = nicht-signifikanter Effekt
88
Erfolgsrelevanz von Age Inclusion
Auf Grund der geringen Anzahl an Studien und betrachteten Moderatorvariablen ist die Aussagekraft der gesichteten Studien in inhaltlicher Hinsicht stark beschränkt. So konstatieren Colquitt und Greenberg (2003, S. 193), dass die bestehenden Erkenntnisse zu Moderatoren des Zusammenhangs zwischen organisationaler Gerechtigkeit und der Qualität sozialer Austauschbeziehungen in Unternehmen extrem begrenzt sind und die Auswahl möglicher Moderatorvariablen in empirischen Studien wahllos und ohne theoretische Fundierung erfolgt. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisinteresses der vorliegenden Arbeit ist dabei besonders relevant, dass potenzielle Moderatoreffekte des Alters eines Probanden bisher nicht untersucht wurden. Darüber hinaus wurden vor allem die distributive, die prozedurale und die interaktionale Gerechtigkeit als unabhängige Variablen herangezogen; Erkenntnisse zu Rahmenbedingungen, die den Effekt der informationalen bzw. interpersonellen Fairness auf die Qualität sozialer Austauschbeziehungen beeinflussen, liegen – mit Ausnahme der Arbeit von Choi (2008) – nicht vor. Ebenso wurde in den vorliegenden Studien die Qualität der Beziehung zu Kollegen als abhängige Variable ausgeklammert (vgl. Tabelle 4-3). In methodischer Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass die gesichteten Studien entweder Regressionsanalysen oder Hierachical Linear Modeling (HLM), also Mehrebenenmodelle, nutzen, um die postulierten Moderatoreffekte zu überprüfen (vgl. Tabelle 4-3). Mit Hilfe der Regressionsanalyse können der Einfluss mehrerer unabhängiger Variablen oder Prädiktoren auf eine abhängige Variable anhand einer Regressionsgleichung abgebildet und Rückschlüsse auf kausale Zusammenhänge werden (Skiera/Albers 2008, S. 469). Eine Moderation der Variable x durch die Variable z wird durch einen Interaktionsterm beider Variablen abgebildet (vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 6.2.2.2). HLM stellt eine Erweiterung der klassischen Regressionsanalyse dar, die es ermöglicht, hierarchische Daten zu analysieren (Raudenbush/Bryk 2002, S. 4). Die Stichprobengröße der gesichteten Arbeiten schwankt zwischen einem und 68 Unternehmen sowie 59 und 615 Datensätzen. Ebenso wie die Studien zum Zusammenhang zwischen organisationaler Gerechtigkeit und sozialem Austausch umfassen sie verschiedene Branchen und Länder mit einem Schwerpunkt auf den USA. Keine der Studien beruht auf Längsschnittdaten (vgl. Tabelle 4-3). Zusammenfassend ist festzustellen, dass die zum heutigen Zeitpunkt vorliegenden Arbeiten zu Moderatoren des Zusammenhangs zwischen organisationaler Gerechtigkeit und der Qualität sozialer Austauschbeziehungen lediglich erste Einblicke in Rahmenbedingungen dieses Zusammenhangs liefern. Sie machen deutlich, dass sowohl personbezogene, unternehmensbezogene als auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen die Auswirkungen organisationaler Gerechtigkeit auf die wahrgenommene Qualität der Austauschbeziehungen in Unternehmen verstärken bzw. abschwächen können. Inwieweit die Richtung der Moderatoreffekte in Abhängigkeit der Dimensionen der organisationalen Gerechtigkeit variiert, bleibt unklar.
Zusammenfassung
89
4.3
Zusammenfassung
In den vorangegangenen Abschnitten wurden auf Basis der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie Mechanismen identifiziert, über die sich situative Faktoren auf die Einstellungen bzw. die Verhaltensweisen und damit auf die Arbeitsleistung von Mitarbeitern auswirken. Abbildung 4-2 fasst die wichtigsten Erkenntnisse der theoretisch-konzeptionellen Überlegungen sowie der Literatursichtung zusammen. Diesen zu Folge kann angenommen werden, dass situative Faktoren, wie beispielsweise Age Inclusion, zunächst bestimmen, inwieweit ein Mitarbeiter Ereignisse und Elemente in seinem Arbeitsumfeld als fair wahrnimmt. Dieses wirkt sich wiederum auf die wahrgenommene Qualität der Austauschbeziehungen des Mitarbeiters im Unternehmen aus, welche dessen Einstellungen gegenüber seiner Arbeit bzw. dessen Arbeitsverhalten beeinflusst. Einstellungen und Verhaltensweisen determinieren schließlich die Leistung des Mitarbeiters. Die wahrgenommene Fairness und die wahrgenommene Qualität des sozialen Austauschs im Unternehmen mediieren folglich den Zusammenhang zwischen situativen Faktoren und individuellen Erfolgsgrößen (vgl. Abbildung 4-2). Abbildung 4-2: Auf Basis der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit und der Sozialen Austauschtheorie erweitertes Modell der Arbeitsleistung Situative Faktoren (z.B. Age Inclusion)
Wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit
Wahrgenommene Qualität sozialer Austauschbeziehungen im organisationalen Kontext
Arbeitsbezogene Einstellungen
Arbeitsverhalten
Arbeitsleistung
Hieraus ergibt sich folgende Implikation für die empirische Untersuchung der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion: Um den Effekt der Wahrnehmung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters auf die Leistung der Beschäftigten zu analysieren, müssen die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit sowie die wahrgenommene Qualität sozialer Austauschbeziehungen in den Bezugsrahmen integriert werden. Aufbauend auf dem in Abbildung 4-2 dargestellten erweiterten Modell der Arbeitsleistung wird im folgenden Kapitel der Bezugsrahmen für die empirische Untersuchung entwickelt.
91
5
Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit
5.1
Der Bezugsrahmen im Überblick
Aufbauend auf den in Kapitel 3 und 4 erarbeiteten theoretisch-konzeptionellen Grundlagen wird im Folgenden ein Bezugsrahmen entwickelt, der die Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion zum Gegenstand hat. Dieser Bezugsrahmen sowie die daraus abgeleiteten Hypothesen (Abschnitt 5.2) bilden den Ausgangspunkt für die empirische Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Arbeit (Kapitel 0 und 7). Im Kern bildet der Bezugsrahmen den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und individuellen Erfolgsgrößen ab. Das Konstrukt Age Inclusion fungiert folglich als Einflussfaktor und damit als unabhängige Variable; Konstrukte, welche für den Unternehmenserfolg entscheidende Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern beschreiben, werden als Erfolgsgrößen herangezogen. Wie in Abschnitt 4.3 dargelegt, kann auf Basis der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit sowie der Sozialen Austauschtheorie angenommen werden, dass die Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion durch die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit und die Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitsumfeld mediiert werden (vgl. Abbildung 4-2). Die hier beschriebene Kausalkette, die in Abbildung 5-1 veranschaulicht ist, wird im Folgenden verfeinert, indem die zu untersuchenden Variablen im Hinblick auf ihre Dimensionen erläutert werden. Abbildung 5-1: Grober Bezugsrahmen zu Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion Einflussfaktoren
Age Inclusion
Mechanismen
Wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit
Wahrgenommene Qualität sozialer Austauschbeziehungen im organisationalen Kontext
Erfolgsgrößen
Arbeitsbezogene Einstellungen
Arbeitsbezogenes Verhalten
Wie in Abschnitt 3.4 dargelegt, umfasst das Konstrukt Age Inclusion 15 Dimensionen, die in der vorliegenden Arbeit als unabhängige Variablen herangezogen werden. Diese 15 unabhängigen Variablen können zu zwei Kategorien, den harten und den weichen Faktoren von Age Inclusion, zusammengefasst werden (vgl. Abschnitt 3.1). Aus Gründen der Übersichtlichkeit
G. Bieling, Age Inclusion, DOI 10.1007/978-3-8349-6204-1_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit
werden anstelle der 15 Variablen im verfeinerten Bezugsrahmen die übergeordneten Kategorien genannt (vgl. Abbildung 5-2). Auch bei den Konstrukten der organisationalen Gerechtigkeit und der Qualität sozialer Austauschbeziehungen müssen mehrere Dimensionen berücksichtigt werden (vgl. Abschnitt 4.1.1 bzw. 4.1.2): Die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit wird in vier Dimensionen untergliedert; die Qualität sozialer Austauschbeziehungen im organisationalen Kontext umfasst drei Dimensionen (vgl. Abbildung 5-2). Abbildung 5-2: Verfeinerter Bezugsrahmen zu Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion Einflussfaktoren Age Inclusion
Harte Faktoren
Mechanismen Wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit
Wahrgenommene Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitskontext
Distributive Gerechtigkeit
Arbeitsbezogene Einstellungen
Arbeitsbezogenes Verhalten
Qualität der Austauschbeziehung zum Unternehmen
Affektives Commitment
Engagement
Prozedurale Gerechtigkeit
Qualität der Austauschbeziehung zum Vorgesetzten
Arbeitszufriedenheit
Effektivität
Informationale Gerechtigkeit
Qualität der Austauschbeziehung zu Kollegen
Lernmotivation
Grad der Age Inclusion der Unternehmensstrategie Grad der Age Inclusion der Mitarbeiterflusssysteme des Personalmanagements Grad der Age Inclusion der Belohnungssysteme des Personalmanagements Weiche Faktoren
Erfolgsgrößen
Interpersonelle Gerechtigkeit
Motivation zum Wissensaustausch
Grad der Age Inclusion der Unternehmenskultur
Grad der Age Inclusion des Sozialen Arbeitsumfelds
Schließlich stellt sich die Frage, welche Erfolgsgrößen in den Bezugsrahmen der Arbeit integriert werden sollten, d. h. welche arbeitsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen für die individuelle Leistung und damit letztlich für den Unternehmenserfolg von besonderer Relevanz sind. In zahlreichen Studien aus dem Bereich des organisationalen Verhaltens werden das affektive Commitment eines Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen sowie dessen Arbeitszufriedenheit als wichtige, wenn nicht gar als alleinige Erfolgsgrößen auf individueller Ebene herangezogen (Riketta 2002, S. 257). Das affektive Commitment beschreibt „employees’ emotional attachment to, identification with, and involvement in the organization“ (Allen/Meyer 1990, S. 1). Die Relevanz des affektiven Commitments für den Unternehmenserfolg ergibt sich daraus, dass Beschäftigte mit einer hohen, emotional verankerten Bindung an das Unternehmen seltener Kündigungsabsichten haben, eine geringere Fluktuation aufweisen und eine höhere Leistung erbringen (u. a. Cohen 1993, S. 1140; Riketta 2002, S. 264; Tett/Meyer 1993, S. 279 ff.). Arbeitszufriedenheit ist definiert als der Grad, zu dem eine Person Gefallen an ihrer Arbeit findet (Spector 1997, S. 2). Auch Mitarbeiter mit einer hohen Arbeitszufriedenheit beabsichtigen seltener zu kündigen, weisen geringere Fluktuationsraten
Der Bezugsrahmen im Überblick
93
auf und fehlen seltener bei der Arbeit (u. a. Scott/Taylor 1985, S. 608; Tett/Meyer 1993, S. 279 ff.). Darüber hinaus konnte in Metaanalysen ein positiver Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit und der Leistung eines Beschäftigten gefunden werden (Petty/McGee/Cavender 1984, S. 719). Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, sind die positiven Effekte eines ausgeprägten affektiven Commitments bzw. einer hohen Arbeitszufriedenheit auf den Unternehmenserfolg umfassend empirisch belegt. Beide Konstrukte werden deshalb als Erfolgsgrößen in den Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit integriert (vgl. Abbildung 5-2). Angesichts der zunehmenden Forderung nach Flexibilität, Innovativität und Veränderungsbereitschaft auf Seiten der Beschäftigten stellt sich jedoch die Frage, „whether a satisfied and committed workforce still has ‚what it takes‘ in contemporary organisational settings“ (van Veldhoven/Dorenbosch 2008, S. 113; Anführungszeichen im Original). Zufriedenheit und Commitment sind passive Erfolgsgrößen, d. h. Reaktionen von Mitarbeitern auf organisationale Stimuli und Arbeitsbedingungen. Heute gewinnen dagegen aktive Erfolgsgrößen zunehmend an Bedeutung, welche die Mitarbeiter als Akteure charakterisieren, die zukünftige Veränderungen und Anforderungen antizipieren und proaktiv Maßnahmen ergreifen, um sich bzw. ihr Arbeitsumfeld auf diese Herausforderungen vorzubereiten (Frese/Fay 2001, S. 172 ff.). Im Kontext einer dynamischen und stark wissensbasierten Wirtschaft und angesichts der Verlängerung des Berufslebens (vgl. Abschnitt 1.1) sind zwei aktive Erfolgsgrößen von besonderer Bedeutung: die Motivation eines Mitarbeiters, zu lernen und sich über sein gesamtes Arbeitsleben hinweg kontinuierlich weiterzubilden, sowie die Motivation eines Beschäftigten, am interpersonellen Wissenstransfer teilzunehmen, d. h. Wissen, Erfahrungen und Ideen mit Kollegen auszutauschen (Sonnentag/Frese 2002, S. 15 ff.; van Veldhoven/Dorenbosch 2008, S. 113). Die Erfolgsrelevanz dieser beiden Konstrukte wird im Folgenden ausführlich erläutert. Angesichts sich immer rascher verändernder Unternehmensumwelten und Arbeitsanforderungen, müssen Mitarbeiter kontinuierlich weiterentwickelt werden, um sie an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und ihr Wissen und ihre Qualifikationen auf dem aktuellen Stand zu halten (Czaja/Sharit 2009b, S. 260 f.). „Training is a critical issue confronting the twenty-first-century workforce, and successful engagement in work activities will involve continuous learning throughout working life“ (Czaja/Sharit 2009b, S. 273). Wenn es Unternehmen gelingt, ihre Mitarbeiter zu lebenslangem Lernen zu motivieren, kann eine Obsoleszenz ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten und damit einen Rückgang ihrer Leistung mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur beruflichen Erstausbildung verhindert werden (Charness 2009, S. 233). Die Bereitschaft, sich über das gesamte Berufsleben hinweg weiterzubilden und weiter zu entwickeln, hängt entscheidend von der Lernmotivation eines Mitar-
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Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit
beiters ab (Charness 2009, S. 233 f.). Die Lernmotivation beschreibt „the favorability of [employees’] attitudes to training as a whole“ (Warr/Bunce 1995, S. 349). Dieses Konstrukt wird als Erfolgsgröße im Bezugsrahmen zur Erfolgsrelevanz von Age Inclusion berücksichtigt (vgl. Abbildung 5-2). Vor dem Hintergrund veränderter Altersstrukturen und der zunehmenden Bedeutung organisationalen Wissens (vgl. Abschnitt 1.1) kommt zudem der Motivation der Beschäftigten zum Wissenstransfer eine zentrale Bedeutung für den Erfolg und die Überlebensfähigkeit von Unternehmen zu. „The most important priority for organizations is to ensure the successful transfer of knowledge from the older generation to the next generation“ (Burke/Ng 2006, S. 88). Indem Unternehmen die Bereitschaft der Mitarbeiter fördern, ihr Wissen, ihre Ideen und ihre Erfahrungen mit Kollegen auszutauschen, können sie sich vor Know-how-Verlusten schützen und über Jahre aufgebautes, implizites Wissen im Unternehmen erhalten (Collins/Smith 2006, S. 545). Die Motivation zum Wissensaustausch wird deshalb als vierte arbeitsbezogene Einstellung in den verfeinerten Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit integriert (vgl. Abbildung 5-2). Das arbeitsbezogene Verhalten wird im Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit durch zwei Konstrukte abgebildet: das Engagement und die Effektivität eines Mitarbeiters (vgl. Abbildung 5-2). Ersteres beschreibt, „how hard a person works“ (Williams/Seiler 1973, S. 49) und ist ein Indikator dafür, wie sehr sich ein Mitarbeiter anstrengt, zum Erreichen der Unternehmensziele beizutragen (Brown/Leigh 1996, S. 361 f.). Insofern handelt es sich um eine für den Erfolg von Unternehmen entscheidende Größe. Während das Engagement keine Aussage darüber zulässt, inwieweit die angestrebten Ziele tatsächlich erreicht werden, befasst sich die Effektivität des Arbeitsverhaltens eines Mitarbeiters explizit mit dessen Zielerreichungsgrad (Stock 2003, S. 165). Sie kann als Indikator für den faktischen Beitrag eines Mitarbeiters zur Realisierung der Unternehmensziele interpretiert werden. Als Kontrollvariablen werden in der Untersuchung die Berufserfahrung und die Betriebszugehörigkeit eines Mitarbeiters berücksichtigt. Ziel der Integration von Kontrollvariablen ist es, alternative Erklärungen für die gefundenen Zusammenhänge, die auf eine dritte Variable zurückzuführen sind, auszuschließen bzw. den Einfluss der dritten Variable statistisch zu kontrollieren (Klarmann 2008, S. 163 f.). Als Kontrollvariablen sollten jene Konstrukte in eine Untersuchung aufgenommen werden, von denen ein Effekt auf die untersuchten Zusammenhänge zu erwarten ist, der jedoch nicht im Fokus der theoretisch-konzeptionellen Überlegungen steht. Die Berufserfahrung und die Betriebszugehörigkeit eines Mitarbeiters nehmen in der Regel mit steigendem Alter zu; Alter, Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit korrelieren folglich verhältnismäßig stark miteinander (Bruggmann 2000, S. 23). Um auszuschließen, dass signifikante Alterseffekte auf mit dem objektiven Alter der Probanden hoch korrelierende
Hypothesenformulierung
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Einflussfaktoren zurückzuführen sind, werden die Berufserfahrung und die Betriebszugehörigkeit in der vorliegenden Arbeit als Kontrollvariablen untersucht. Abbildung 5-2 zeigt den verfeinerten Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit im Überblick. In Abschnitt 5.2 werden darauf aufbauend Hypothesen formuliert, welche die dargestellten Beziehungen argumentativ unterlegen und inhaltlich verfeinern.
5.2
Hypothesenformulierung
Nachdem in den Kapiteln 2 bis 4 die theoretischen Grundlagen der vorliegenden Studie erläutert und die zentralen Begriffe definiert wurden, können im Folgenden die Hypothesen gebildet werden, die im Rahmen der empirischen Studie überprüft werden sollen (Hildebrandt 2008, S. 85). Hypothesen sind generalisierende Aussagen über ein Phänomen, deren Gültigkeit nicht auf eine spezifische räumliche bzw. zeitliche Situation beschränkt ist (Hildebrandt 2008, S. 88). Im Folgenden werden zunächst Hypothesen zu Haupteffekten, d. h. direkten bzw. indirekten Zusammenhängen im Bezugsrahmen, formuliert (Abschnitt 5.2.1). Anschließend erfolgt die Bildung von Hypothesen zu Moderatoreffekten (Abschnitt 5.2.2). 5.2.1
Hypothesen zu Haupteffekten
5.2.1.1 Hypothesen zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit Gemäß den Theorien der organisationalen Gerechtigkeit bilden Ereignisse und Elemente des Arbeitsumfeldes den Ausgangspunkt für die Einschätzung der organisationalen Gerechtigkeit durch die Beschäftigten eines Unternehmens (vgl. Abschnitt 4.1.1). Diese Ereignisse bzw. Elemente werden dahingehend bewertet, ob sie bestimmten Standards oder Regeln entsprechen (Cropanzano et al. 2001a, S. 165; Cropanzano et al. 2001b, S. 3). Die Vermeidung einer altersdiskriminierenden Behandlung von Mitarbeitern und die aktive Integration aller Beschäftigten in das Unternehmen und seine Wertschöpfungsprozesse kann ein ethischmoralischer Standard zur Bewertung von Erfahrungen im organisationalen Umfeld sein (Kunze/Boehm/Bruch 2009, S. 3). Gerade angesichts einer zunehmenden altersbezogenen Diskriminierung am Arbeitsplatz (Redman/Snape 2006, S. 167) ist anzunehmen, dass eine faire und gleichberechtigte Behandlung von Mitarbeitern aller Altersgruppen für die Wahrnehmung des Arbeitsumfelds durch die Beschäftigten von zentraler Bedeutung ist. Damit stellt der wahrgenommene Grad der Integration von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters einen Einflussfaktor der wahrgenommenen organisationalen Gerechtigkeit dar. Die Bewertung von Ereignissen bzw. Elementen im Arbeitsumfeld anhand von Standards bzw. Regeln fairen Verhaltens, welche die Mitarbeiter internalisiert haben, fungiert dabei als Mechanismus, der beide Konstruk-
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Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit
te, Age Inclusion und organisationale Gerechtigkeit, miteinander verbindet (Cropanzano et al. 2001b, S. 87 f.). Vor diesem Hintergrund bildet das Konstrukt Age Inclusion den Ausgangspunkt des in Abschnitt 5.1 dargestellten Bezugsrahmens. Es beschreibt die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich des Grades, in dem Beschäftigte unterschiedlichen Alters in das Unternehmen und seine Wertschöpfungsprozesse integriert werden (vgl. Abschnitt 3.3). Mitarbeiter, die wahrnehmen, dass alle Beschäftigten entsprechend ihrer Fähigkeiten und Potenziale durch das Unternehmen integriert werden, unabhängig davon, wie alt sie sind, empfinden im Arbeitsalltag Gleichberechtigung und Fairness. In der Folge nehmen sie die organisationale Gerechtigkeit als hoch wahr (Cropanzano et al. 2001b, S. 3). Die wahrgenommene Gerechtigkeit im Unternehmen ist folglich umso höher, je höher die Age Inclusion. Hieraus ergibt sich folgende allgemeine Hypothese: H1: Age Inclusion hat einen positiven Effekt auf die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit. Das Konstrukt Age Inclusion lässt sich in 15 Dimensionen untergliedern (vgl. Abschnitt 3.4). Jede dieser Dimensionen wird durch die Mitarbeiter im Hinblick auf den Grad der Integration unterschiedlicher Altersgruppen durch das Unternehmen bewertet und hat jeweils einen eigenen, von den anderen Age Inclusion-Dimensionen unabhängigen Einfluss auf den Grad der wahrgenommenen organisationalen Gerechtigkeit. Auch hinsichtlich der organisationalen Gerechtigkeit differenzieren die Beschäftigten zwischen verschiedenen, voneinander unabhängigen Facetten: der distributiven, der prozeduralen, der informationalen und der interpersonellen Gerechtigkeit (vgl. Abschnitt 4.1.1). Die distributive Gerechtigkeit beschreibt, inwieweit die Mitarbeiter die Verteilung organisationaler Ressourcen als fair bewerten (Roch/Shanock 2006, S. 300). Die Ressourcenverteilung wird als gerecht eingestuft, wenn der Umfang bzw. der Wert der Ressourcen, die ein Mitarbeiter erhält, dessen Engagement für das Erreichen der Unternehmensziele entspricht (Cropanzano et al. 2001b, S. 3 f.). Die Ressourcenallokation in einem Unternehmen ist maßgeblich durch schriftlich fixierte Strukturen und Prozesse, wie beispielsweise die schriftlich fixierte Unternehmensstrategie, formal festgelegte Personalbeurteilungsverfahren oder schriftlich dokumentierte Vergütungssysteme geprägt (Dulebohn 1997, S. 259 ff.). Zur Beurteilung der distributiven Gerechtigkeit werden Mitarbeiter insbesondere Elemente und Ereignisse im Bereich der Unternehmensstrategie und der Personalmanagement-Systeme heranziehen, die maßgeblich über die Ressourcenverteilung in Unternehmen entscheiden. Wie bereits erläutert, stellt gemäß den Theorien der organisationalen Gerechtigkeit der Grad von Age Inclusion einen möglichen ethisch-moralischen Standard zur Bewertung von Erfahrungen und Erlebnissen im Arbeitsumfeld dar. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass
Hypothesenformulierung
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eine Unternehmensstrategie, welche die aktive Integration aller Altersgruppen zum Unternehmensziel erklärt, und Personalmanagement-Systeme, die so gestaltet sind, dass Altersdiskriminierung verhindert wird, einen größeren Einfluss auf die wahrgenommene distributive Gerechtigkeit haben als Age Inclusion im Bereich der Unternehmenskultur und des sozialen Arbeitsumfelds. Hieraus lässt sich folgende Hypothese ableiten: H1a: Die Dimensionen von Age Inclusion, die den harten Faktoren zuzuordnen sind, leisten zusammen einen größeren Erklärungsbeitrag zur wahrgenommenen distributiven Gerechtigkeit in Unternehmen als die Dimensionen, die den weichen Faktoren zuzuordnen sind. Die prozedurale Gerechtigkeit wird von den Beschäftigten eines Unternehmens als hoch bewertet, wenn die Entscheidungsverfahren und -prozesse im Unternehmen auf ethischen und moralischen Standards sowie korrekten Informationen beruhen, einheitlich angewandt und vorurteilsfrei durchgeführt werden (Colquitt 2001, S. 388 ff.). Die Standards für Entscheidungsprozesse sind in Unternehmen in der Regel schriftlich fixiert und spiegeln sich insbesondere in der Gestaltung der Personalmanagement-Systeme wider (Dulebohn 1997, S. 259 ff.). Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die prozedurale Gerechtigkeit von den Beschäftigten umso höher eingestuft wird, als je fairer die Gestaltung der Personalmanagement-Systeme wahrgenommen wird. Ein Maß zur Beurteilung der Gerechtigkeit von Personalmanagement-Systemen ist den Annahmen der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit folgend der Grad der Integration von Beschäftigten unterschiedlichen Alters. In der Folge ist zu erwarten, dass die prozedurale Gerechtigkeit als besonders hoch eingeschätzt wird, wenn beispielsweise die Einstellungs-, Beurteilungs- oder Freisetzungsprozesse so gestaltet sind, dass Mitarbeiter nicht auf Grund ihres Alters benachteiligt werden (Kunze/Boehm/Bruch 2009, S. 3). Die Ausprägung der weichen Faktoren von Age Inclusion (der Unternehmenskultur und des sozialen Arbeitsumfelds) spielt für die Beurteilung der prozeduralen Gerechtigkeit eine untergeordnete Rolle, da sie kaum Einfluss auf die Entscheidungsprozesse in Unternehmen hat. Hieraus ergibt sich folgende Hypothese: H1b: Die Dimensionen von Age Inclusion, die den harten Faktoren zuzuordnen sind, leisten zusammen einen größeren Erklärungsbeitrag zur wahrgenommenen prozeduralen Gerechtigkeit in Unternehmen als die Dimensionen, die den weichen Faktoren zuzuordnen sind. Die informationale Gerechtigkeit ist hoch, wenn es im Unternehmen üblich ist, die Beschäftigten darüber zu informieren, warum ein Entscheidungsverfahren auf eine bestimmte Art und Weise durchgeführt und eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde (Colquitt et al. 2001, S. 427). Die Einschätzung der informationalen Gerechtigkeit erfolgt anhand bestimmter Standards oder Regeln, welche die Beschäftigten eines Unternehmens internalisiert haben (Cropanzano et al. 2001a, S. 165; Cropanzano et al. 2001b, S. 3). Ein Standard, der zur Be-
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Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit
wertung der Informationsflüsse in Unternehmen herangezogen werden kann, ist, dass Mitarbeiter unterschiedlichen Alters gleichberechtigten Zugang zu für sie relevanten Informationen haben. Eine solche Informationspolitik kann sowohl in der Unternehmensstrategie und der Gestaltung der Personalmanagement-Systeme (d. h. den harten Faktoren von Age Inclusion) als auch in der Unternehmenskultur und dem Umgang zwischen einem Vorgesetzten und dessen Mitarbeitern bzw. den Mitarbeitern untereinander (d. h. den weichen Faktoren von Age Inclusion) verankert sein (Roch/Shanock 2006, S. 307). Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten: H1c: Die Dimensionen von Age Inclusion, die den harten Faktoren zuzuordnen sind, leisten zusammen einen vergleichbar großen Erklärungsbeitrag zur wahrgenommenen informationalen Gerechtigkeit in Unternehmen wie die Dimensionen, die den weichen Faktoren zuzuordnen sind. Die interpersonelle Gerechtigkeit wird von den Beschäftigten eines Unternehmens als hoch wahrgenommen, wenn sie von Entscheidungsträgern oder anderen Personen im Unternehmen würdevoll, höflich und respektvoll behandelt werden (Colquitt et al. 2001, S. 427). Dies ist unter anderem der Fall, wenn kein Mitarbeiter auf Grund seines Alters benachteiligt wird und Vorgesetzte und Kollegen bemüht sind, Beschäftigte unabhängig von ihrem Alter in die Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen zu integrieren. Gemäß den Annahmen der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit dient folglich unter anderem der Grad der Integration von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters als Maßstab für die Bewertung der interpersonellen Gerechtigkeit (Cropanzano et al. 2001b, S. 87 f.). Eine hohe interpersonelle Gerechtigkeit, d. h. ein diskriminierungsfreier, integrativer Umgang miteinander, hängt insbesondere von der Age Inclusion im Bereich der Unternehmenskultur und des sozialen Arbeitsumfelds ab. Die harten Faktoren von Age Inclusion, die Unternehmenskultur und die PersonalmanagementSysteme, haben dagegen einen relativ geringen Einfluss auf den täglichen Umgang miteinander und damit auf die wahrgenommene interpersonelle Gerechtigkeit. Auf Basis dieser Überlegungen kann folgende Hypothese formuliert werden: H1d: Die Dimensionen von Age Inclusion, die den weichen Faktoren zuzuordnen sind, leisten zusammen einen größeren Erklärungsbeitrag zur wahrgenommenen interpersonellen Gerechtigkeit in Unternehmen als die Dimensionen, die den harten Faktoren zuzuordnen sind. 5.2.1.2 Hypothesen zum Zusammenhang zwischen wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit und der Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitsumfeld Wie in Abschnitt 4.1.3 erläutert, sind Mitarbeiter, die ihre Austauschbeziehungen im organisationalen Umfeld als fair wahrnehmen, bereit, in die Entwicklung und Pflege sozialer Austauschbeziehungen zum Unternehmen, zum Vorgesetzten bzw. zu Kollegen zu investieren
Hypothesenformulierung
99
(Settoon/Bennett/Liden 1996, S. 219; Wayne/Shore/Liden 1997, S. 82). Zentraler Wirkungsmechanismus ist hierbei die Reziprozitätsnorm: Verhält sich ein Austauschpartner gerecht, fühlt sich sein Gegenüber verpflichtet, sich dafür mit dem Aufbau einer qualitativ hochwertigen sozialen Austauschbeziehung zu revanchieren (Scott/Colquitt 2007, S. 295). Ausgehend von den Annahmen des Target Similarity Framework (vgl. Abschnitt 4.1.3) ist zu erwarten, dass ein Mitarbeiter für die wahrgenommene Fairness in unterschiedlichen Dimensionen der organisationalen Gerechtigkeit unterschiedliche soziale Einheiten verantwortlich macht (Lavelle/Rupp/Brockner 2007, S. 851). Entsprechend richtet der Mitarbeiter seine Reziprozitätsbemühungen auf die jeweils als verantwortlich wahrgenommene soziale Einheit aus (Lavelle/Rupp/Brockner 2007, S. 851). Wenn ein Mitarbeiter beispielsweise den Eindruck hat, dass sein Vorgesetzter maßgeblichen Einfluss auf die informationale Gerechtigkeit hat, wird sich die Qualität der sozialen Austauschbeziehung zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem verbessern, wenn die wahrgenommene informationale Fairness steigt. Das Unternehmen ist als Institution für die Verteilung von Ressourcen unter seinen Beschäftigten verantwortlich (Cropanzano et al. 2001b, S. 56 f.). Zudem werden auf Unternehmensebene die Prozesse festgelegt, nach denen wichtige Entscheidungen im Unternehmen getroffen werden (Cropanzano/Prehar/Chen 2002, S. 329). Aus diesen Gründen weisen die Beschäftigten dem Unternehmen die Verantwortung für den wahrgenommenen Grad der distributiven und der prozeduralen Gerechtigkeit zu. Haben die Mitarbeiter das Gefühl, dass das Unternehmen im Hinblick auf die Ressourcenverteilung faire Entscheidungen trifft, d. h. jeder Mitarbeiter das erhält, was seinem individuellen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele entspricht (Cropanzano et al. 2001b, S. 3 f.), so bewerten sie das „Verhalten“ des Unternehmens positiv. Gleiches gilt, wenn die Beschäftigten den Eindruck haben, dass die Entscheidungsprozesse im Unternehmen fair gestaltet sind, d. h. ethischen und moralischen Standards genügen, auf korrekten Informationen beruhen und vorurteilsfrei durchgeführt werden (Colquitt 2001, S. 388 ff.). Gemäß den Annahmen der Sozialen Austauschtheorie fühlen sich die Beschäftigten verpflichtet, dieses positive Verhalten des Unternehmens zu erwidern, indem sie eine gute Beziehung zur Institution Unternehmen aufbauen bzw. aufrechterhalten (Murphy et al. 2003, S. 63 ff.). Folglich beeinflussen die wahrgenommene distributive bzw. prozedurale Gerechtigkeit die Qualität der sozialen Austauschbeziehung zwischen einem Mitarbeiter und dessen Arbeitgeber (Aryee/Chen 2004; Wayne et al. 2002). Hieraus ergeben sich folgende Hypothesen: H2a: Die wahrgenommene distributive Gerechtigkeit hat einen positiven Effekt auf die Qualität der sozialen Austauschbeziehung eines Mitarbeiters zum Unternehmen. H2b: Die wahrgenommene prozedurale Gerechtigkeit hat einen positiven Effekt auf die Qualität der sozialen Austauschbeziehung eines Mitarbeiters zum Unternehmen.
100
Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit
Inwieweit ein Mitarbeiter Zugang zu Informationen über für ihn relevante Entscheidungen hat, wird einerseits durch die Informationspolitik bestimmt, für die das Unternehmen verantwortlich zeichnet. Darüber hinaus hat das Informationsverhalten der Führungskräfte erheblichen Einfluss darauf, ob Mitarbeiter relevante Informationen erhalten. Folglich sind aus Sicht der Beschäftigten sowohl das Unternehmen als auch der jeweilige Vorgesetzte für den Grad der informationalen Gerechtigkeit maßgebend (Colquitt 2001, S. 390; Roch/Shanock 2006, S. 318). Wird die informationale Fairness als hoch wahrgenommen, reagieren die Beschäftigten gemäß den Annahmen des Target Similarity Framework, indem sie sich um qualitativ hochwertige Austauschbeziehungen zum Unternehmen als Ganzes sowie zu ihrem Vorgesetzten bemühen (Scott/Colquitt 2007, S. 295). Aus diesen Überlegungen ist folgende Hypothese abzuleiten: H2c: Die wahrgenommene informationale Gerechtigkeit hat einen positiven Effekt auf die Qualität der sozialen Austauschbeziehung eines Mitarbeiters (1) zum Unternehmen und (2) zum Vorgesetzten. Im organisationalen Kontext sind zwei Kategorien von zwischenmenschlichen Interaktionen zu unterscheiden: die vertikal ausgerichteten Interaktionen zwischen einem Mitarbeiter und dessen Vorgesetzten und die horizontal ausgerichteten Interaktionen eines Mitarbeiters mit dessen Kollegen (Kamdar/van Dyne 2007, S. S. 1288). Die in diesen Begegnungen wahrgenommene Fairness prägt maßgeblich die subjektive Wahrnehmung der interpersonellen Gerechtigkeit. Bei der Bewertung der interpersonellen Gerechtigkeit beziehen sich die Beschäftigten folglich auf jene Führungskräfte und Mitarbeiter, mit denen sie im Arbeitsalltag persönlich interagieren: den direkten Vorgesetzten und den Kollegen (Murphy et al. 2003, S. 66). Haben die Mitarbeiter das Gefühl, im persönlichen Umgang miteinander fair behandelt zu werden, streben sie danach, sich durch den Aufbau bzw. die Aufrechterhaltung qualitativ hochwertiger Beziehungen zu diesen Personen zu revanchieren; die interpersonelle Gerechtigkeit wirkt sich positiv auf die sozialen Austauschbeziehungen zum direkten Vorgesetzten und zu den Kollegen aus (Roch/Shanock 2006, S. 304; Scott/Colquitt 2007, S. 295). Entsprechend ist folgende Hypothese zu formulieren: H2d: Die wahrgenommene interpersonelle Gerechtigkeit hat einen positiven Effekt auf die Qualität der sozialen Austauschbeziehung eines Mitarbeiters (1) zum Vorgesetzten und (2) zu den Kollegen. 5.2.1.3 Hypothesen zum Zusammenhang zwischen der Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitsumfeld und den arbeitsbezogenen Einstellungen von Mitarbeitern Die soziale Austauschbeziehung eines Beschäftigten zum Unternehmen ist von besonders hoher Qualität, wenn der Mitarbeiter das Gefühl hat, von dem Unternehmen Unterstützung, Rückhalt und Förderung zu erfahren (Eisenberger et al. 1986, S. 504). Diese organisationale
Hypothesenformulierung
101
Unterstützung drückt sich beispielsweise darin aus, dass sich das Unternehmen bemüht, sozioemotionale Bedürfnisse der Mitarbeiter wie Zugehörigkeit oder emotionale Unterstützung zu befriedigen, dass gute Leistungen angemessene Anerkennung finden oder dass den Mitarbeitern in schwierigen Situationen Hilfe angeboten wird (Rhoades/Eisenberger 2002, S. 705 ff.). Dadurch trägt die wahrgenommene organisationale Unterstützung dazu bei, die emotionale Bindung und die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten zu erhöhen (Eisenberger et al. 1986, S. 504; Wayne et al. 2002, S. 592 f.). Hieraus lässt sich ein positiver Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Qualität der Austauschbeziehung eines Mitarbeiters zum Unternehmen und dessen affektivem Commitment bzw. Arbeitszufriedenheit ableiten, wie ihn die folgende Hypothese formuliert: H3a: Die wahrgenommene Qualität der sozialen Austauschbeziehung eines Mitarbeiters zum Unternehmen hat einen positiven Effekt auf (1) das affektive Commitment und (2) die Arbeitszufriedenheit des Mitarbeiters. Eine qualitativ hochwertige Austauschbeziehung zwischen einem Mitarbeiter und dessen Vorgesetztem ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kommunikation zwischen diesen Personen reibungslos funktioniert und der Mitarbeiter vom Vorgesetzten viel Unterstützung erfährt sowie regelmäßig konstruktives Feedback erhält (Dansereau/Graen/Haga 1975, S. 52; Graen/Uhl-Bien 1995, S. 225 ff.). Dies kann sich wiederum positiv auf die Arbeitszufriedenheit des Mitarbeiters auswirken (Janssen/van Yperen 2004, S. 372). Entsprechend ist folgende Hypothese zu formulieren: H3b: Die wahrgenommene Qualität der sozialen Austauschbeziehung eines Mitarbeiters zum Vorgesetzten hat einen positiven Effekt auf die Arbeitszufriedenheit des Mitarbeiters. Gemäß den Annahmen der Sozialen Austauschtheorie fühlt sich ein Mitarbeiter verpflichtet, gute Austauschbeziehungen zu Kollegen zu erwidern, indem sie Einstellungen und Verhaltensweisen zeigen, welche die Zusammenarbeit fördern und einen Beitrag zur Erreichung der gemeinsamen Ziele leisten (Kamdar/Van Dyne 2007, S. 1289). Eine Möglichkeit, zum gemeinsamen Erfolg beizutragen, besteht darin, sich kontinuierlich weiterzubilden und dadurch seine persönliche Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten bzw. auszubauen. Darüber hinaus kann ein Mitarbeiter die Zusammenarbeit mit Kollegen verbessern, indem er sich beim Austausch von Wissen, Erfahrungen und Ideen engagiert. Beschäftigte, die die Beziehungen zu ihren Kollegen als sehr hochwertig erleben, zeigen folglich eine höhere Motivation, in ihre Weiterbildung zu investieren und sich in den Wissensaustausch einzubringen. Hieraus lässt sich folgende Hypothese ableiten: H3c: Die wahrgenommene Qualität der sozialen Austauschbeziehung eines Mitarbeiters zu Kollegen hat einen positiven Effekt auf (1) die Lernmotivation des Mitarbeiters und (2) die Motivation des Mitarbeiters zum Wissensaustausch.
102
Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit
5.2.1.4 Hypothesen zum Zusammenhang zwischen den arbeitsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern Gemäß den Annahmen der Sozialen Austauschtheorie fühlen sich Beschäftigte, die mit ihrer Arbeit und den Arbeitsbedingungen zufrieden sind, verpflichtet, sich bei ihrem Arbeitgeber, ihrem Vorgesetzten und ihren Kollegen dafür durch besonderes Engagement für die Unternehmens- und Teamziele zu revanchieren (Scott/Colquitt 2007, S. 295). Je mehr Zufriedenheit ein Mitarbeiter aus seiner Arbeit zieht, desto mehr ist er bereit, sich anzustrengen und Zeit und Kraft in seine Arbeit zu investieren (Stock-Homburg 2010a, S. 96). Eine hohe Motivation ist ebenfalls förderlich für das Engagement eines Beschäftigten. Engagement fungiert als „the means by which motivation is translated into accomplished work” (Brown/Leigh 1996, S. 362). Dies bedeutet, dass der Zusammenhang zwischen hoher Motivation und positiven Arbeitsergebnissen durch das Engagement eines Mitarbeiters mediiert wird (Brown/Leigh 1996, S. 362). Eine hohe Motivation, beispielsweise in Bezug auf die persönliche Weiterentwicklung oder den Austausch mit Kollegen, drückt sich folglich in einem hohen Engagement aus. Aus diesen Überlegungen ergeben sich die folgenden Hypothesen: H4a: Die Arbeitszufriedenheit eines Mitarbeiters hat einen positiven Einfluss auf dessen Engagement. H4b: Die Lernmotivation eines Mitarbeiters hat einen positiven Einfluss auf dessen Engagement. H4c: Die Motivation eines Mitarbeiters zum Wissensaustausch hat einen positiven Einfluss auf dessen Engagement. Strengt sich ein Mitarbeiter an und zeigt bei allen Arbeitsaufgaben vollen Einsatz, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er seine Arbeitsziele erfüllt und bei der Arbeit erfolgreich ist (Brown/Leigh 1996, S. 361 f.). Es ist folglich ein positiver Zusammenhang zwischen dem Engagement eines Mitarbeiters und dessen Effektivität zu erwarten. Hieraus ergibt sich folgende Hypothese: H5: Das Engagement eines Mitarbeiters hat einen positiven Einfluss auf dessen Effektivität. 5.2.2
Hypothesen zu moderierenden Effekten
Den Annahmen der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit folgend, orientieren sich Mitarbeiter bei der Bewertung der Fairness im Unternehmen an bestimmten Standards bzw. Werten (Cropanzano et al. 2001b, S. 3). Wie in Abschnitt 5.2.1.1 postuliert, kann die Vermeidung einer altersdiskriminierenden Behandlung von Mitarbeitern und die aktive Integration aller Beschäftigten durch das Unternehmen ein solcher ethisch-moralischer Standard zur Beurteilung organisationaler Ereignisse und Elemente sein.
Hypothesenformulierung
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Vor dem Hintergrund, dass “affective reactions to work and features of the work environment may […] be linked to age” (Barnes-Farrell/Matthews 2007, S. 139), soll im Folgenden diskutiert werden, ob das Alter eines Mitarbeiters einen Einfluss darauf hat, wie stark der wahrgenommene Grad der Integration unterschiedlicher Altersgruppen im Unternehmen sich in der wahrgenommenen organisationalen Gerechtigkeit niederschlägt. Ein in diesem Sinne moderierender Einfluss des Alters setzt voraus, dass jüngere und ältere Mitarbeiter Age Inclusion unterschiedlich stark gewichten, wenn sie die Fairness im Unternehmen bewerten. Die aktive Integration aller Altersgruppen durch das Unternehmen wird in der vorliegenden Arbeit gemäß den Annahmen der Theorien der organisationalen Gerechtigkeit als ein moralisch-ethischer Standard betrachtet, den Beschäftigte heranziehen, um zu beurteilen, wie fair sie im Arbeitskontext behandelt werden (vgl. Abschnitt 5.2.1.1). Den Theorien der organisationalen Gerechtigkeit folgend, gleichen sich Mitarbeiter hinsichtlich der Maßstäbe, die sie zur Bewertung der Fairness im Unternehmen anlegen; Unterschiede zwischen Mitarbeitern mit unterschiedlichen Eigenschaften werden insbesondere im Hinblick auf die Reaktionen auf die wahrgenommene Gerechtigkeit postuliert (Ambrose/Schminke 2003, S. 295; Ayree/Budhwar/Chen 2002, S. 282). Auch aus den Ansätzen der Altersforschung kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Wert, den Age Inclusion verkörpert, für Beschäftigte unterschiedlichen Alters von unterschiedlicher Bedeutung ist, dass sich also jüngere und ältere Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Werthaltungen unterscheiden. Die in Kapitel 2 vorgestellten theoretisch-konzeptionellen und empirischen Ansätze, die sich mit Einflussfaktoren und Auswirkungen des Alterungsprozesses mit Relevanz für den organisationalen Kontext beschäftigen, treffen keine Annahmen, die auf eine systematische altersbedingte Veränderung des Werts eines integrativen Umgangs mit Personen unterschiedlicher Altersgruppen schließen lassen. Neben diesen theoretisch-konzeptionellen Argumenten sprechen logische Überlegungen und empirische Untersuchungen dafür, dass Mitarbeiter unterschiedlichen Alters der Integration von jüngeren und älteren Beschäftigten durch das Unternehmen eine vergleichbare Bedeutung zumessen, anstatt eine einseitige Ausrichtung der unternehmerischen Aktivitäten an den Erwartungen und Bedürfnissen der eigenen Altersgruppe zu bevorzugen. Zum einen planen Beschäftigte in der Regel, mehrere Jahre in einem Unternehmen zu verbleiben. Wird eine bestimmte Altersgruppe im Unternehmen besonders gefördert, kann dies zwar für den einzelnen Mitarbeiter eine zeitweise Bevorzugung auf Grund seines Alters bedeuten. Langfristig, wenn der Mitarbeiter altert und dadurch einer anderen Altersgruppe angehört, wäre er jedoch von einer altersbedingten Benachteiligung betroffen. Zum anderen zeigen empirische Studien, dass Beschäftigte bei der Bewertung der organisationalen Gerechtigkeit nicht allein berücksichtigen, inwieweit sie selbst fair behandelt werden. Vielmehr fließt auch ihre Wahrnehmung der Behandlung anderer Mitarbeiter in die Beurteilung der Fairness im Unternehmen ein
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Bezugsrahmen und Hypothesen der Arbeit
(Lamertz 2002, S. 31 ff.). Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass jüngere Beschäftigte in einem jugendzentriert agierenden Unternehmen die einseitige Fokussierung auf jüngere Mitarbeiter als ebenso unfair wahrnehmen, wie diese ältere Kollegen tun, und vice versa. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die Integration von Beschäftigten unterschiedlicher Altersgruppen von allen Mitarbeitern unabhängig von deren Alter als ein Ausdruck eines gleichberechtigten und fairen Umgangs mit den Beschäftigten wahrgenommen wird. Folglich wirkt sich Age Inclusion bei jüngeren und älteren Mitarbeitern gleichermaßen positiv auf die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit aus. Aus dieser Argumentation ergeben sich die folgenden Hypothesen: H6: Das Alter eines Mitarbeiters hat keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit. H6a: Das Alter eines Mitarbeiters hat keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit. H6b: Das Alter eines Mitarbeiters hat keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit. H6c: Das Alter eines Mitarbeiters hat keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener informationaler Gerechtigkeit. H6d: Das Alter eines Mitarbeiters hat keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener interpersoneller Gerechtigkeit.
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6
Grundlagen der empirischen Untersuchung
6.1 6.1.1
Datenerhebung und Datengrundlage Prozess der Datenerhebung
Ziel der empirischen Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist die Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion. Wie in Abschnitt 3.3 erläutert, bezieht sich das Konstrukt Age Inclusion auf die subjektive Wahrnehmung von Beschäftigten. Ausgehend davon wird in den Kapiteln 4 und 0 postuliert, dass die Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion auf individueller Ebene auftreten. Folglich müssen alle Konstrukte der vorliegenden empirischen Untersuchung auf Ebene des einzelnen Mitarbeiters erhoben werden. Die empirische Untersuchung basiert auf Daten von Beschäftigten eines Informationstechnologieunternehmens, der Hewlett-Packard Deutschland GmbH. Die Hewlett-Packard Deutschland GmbH ist die deutsche Tochter der Hewlett-Packard Company, die mit 304.000 Mitarbeitern in mehr als 170 Ländern weltweit Geräte, Infrastrukturen und Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnologie (IT) entwickelt, produziert und vertreibt. Für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit, der Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion, erweist sich die IT-Industrie als besonders relevant, da dieser Wirtschaftszweig sehr stark von veränderten Altersstrukturen betroffen ist. Die Informationstechnologie ist eine Branche, die ihren hohen Bedarf an qualifizierten Fachkräften traditionell durch die Rekrutierung junger Berufseinsteiger deckt, während die Mitarbeiter relativ früh das Arbeitsleben beenden und in Vorruhestand gehen (Reichart 2007, S. 57). Der demographische Wandel setzt dieser Form der Personalbedarfsdeckung jedoch zunehmend Grenzen (vgl. Abschnitt 1.1), so dass die ITBranche, die von ihren Anfängen bis in die 1990er Jahre durch ein relativ niedriges Durchschnittsalter der Beschäftigten gekennzeichnet war, mit einem steigenden Altersdurchschnitt sowie einer zunehmenden altersbezogenen Heterogenität der Beschäftigten konfrontiert ist (Reichart/Bieling 2010, S. 465). In einem Umfeld, das derart von Veränderungen der Altersstruktur der Belegschaft geprägt ist, könnte der Grad von Age Inclusion relativ starke Effekte aufweisen und dadurch selbst relativ schwache Zusammenhänge identifiziert werden. Deshalb eignet sich die IT-Branche
G. Bieling, Age Inclusion, DOI 10.1007/978-3-8349-6204-1_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Grundlagen der empirischen Untersuchung
besonders für eine erste wissenschaftliche Untersuchung dieses Konstrukts, wie sie in der vorliegenden Arbeit durchgeführt wird. Zudem verhindert die Beschränkung auf eine Branche eine zu große Heterogenität der Stichprobe (Stock-Homburg 2010a, S. 125). Die Hewlett-Packard Deutschland GmbH hatte zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Mai 2008 9.100 Mitarbeiter. Da alle Beschäftigten über einen Computerarbeitsplatz und Zugang zum Internet verfügten sowie berufsbedingt von einer hohen Technik- und Computeraffinität der Zielgruppe auszugehen war, wurde die Erhebung in Form eines „Web-Surveys“ durchgeführt. Dabei wird der aus der Operationalisierung der zu untersuchenden Konstrukte (Abschnitt 7.1) hervorgehende Fragebogen mittels HTML programmiert und auf einer Internetseite hinterlegt. Dadurch können die Probanden den Fragebogen als Webformular ausfüllen, indem sie bei geschlossenen Fragen eine der Antwortoptionen anklicken bzw. im Fall offener Fragen ihre Antworten in Textfelder eingeben (Homburg/Krohmer 2008, S. 28 f.; Schnell/Hill/Esser 2005, S. 378 ff.). Die internetgestützte Befragung mittels Web-Survey zeichnet sich durch eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber mündlichen (Telefon- oder persönlichen Interviews) und schriftlichen Befragungen aus. Für die vorliegende Untersuchung waren folgende Vorteile ausschlaggebend (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 1999, S. 116; Macey 1996, S. 208; Homburg/Krohmer 2008, S. 28 f.): -
-
die Möglichkeit zur Befragung einer großen Anzahl von Personen, die geringeren Erhebungskosten (auf Grund des geringeren Zeitaufwands für Durchführung und Datenerfassung sowie der Kosteneinsparungen bei Interviewereinsatz bzw. Produktion und Distribution der Fragebögen), die verringerte Fehleranfälligkeit bei der Datenerfassung, die schnelle Verteilung der Fragebögen zu einem spezifischen Zeitpunkt bei gleichzeitiger Zugangskontrolle sowie die Vermeidung von Interviewereffekten.
Die Erstellung und Veröffentlichung des Web-Surveys im Internet erfolgte mit Hilfe eines kommerziellen Anbieters. Der Fragebogen wurde vor Beginn der eigentlichen Datenerhebung einem Pre-Test unterzogen, um die inhaltliche Relevanz der Indikatoren für das jeweils zu untersuchende Konstrukt zu testen und die Verständlichkeit und Eindeutigkeit der Formulierungen zu überprüfen (Homburg/Giering 1996, S. 11 f.). Dies ist insbesondere wichtig, wenn neu entwickelte Messinstrumente zum Einsatz kommen, wie es hier zur Erfassung des Konstrukts Age Inclusion der Fall ist. Der Pre-Test bestand aus zwei Phasen: Zunächst wurde eine Erhebung mit 42 Beschäftigten eines Unternehmens aus der Chemieindustrie durchgeführt. Anhand dieses Datensatzes wurde die Güte der verwendeten Messmodelle überprüft (zur Vorgehensweise siehe Abschnitt 6.2), und Indikatoren, welche einen unzureichenden inhaltlichen Bezug zum untersuchten Konstrukt aufwiesen und deshalb die Gütekriterien nicht erfüllten, wurden aus der
Datenerhebung und Datengrundlage
107
Skala eliminiert. Im Rahmen der zweiten Pre-Test-Phase wurde der Fragebogen zehn Personen, die im Personalbereich bzw. der Arbeitnehmervertretung der Hewlett-Packard Deutschland GmbH beschäftigt waren, sowie fünf Personen aus dem akademischen Umfeld vorgelegt. Ihre Aufgabe war es, den Fragebogen bezüglich Aufbau, Länge sowie Verständlichkeit und Adäquanz der Itemformulierung (gerade auch vor dem Hintergrund des üblichen Sprachgebrauchs im Unternehmen) kritisch zu prüfen. Anschließend wurde der Fragebogen entsprechend den Korrekturen bzw. Verbesserungsvorschlägen überarbeitet. Die finale Version erhielt die Zustimmung der Geschäftsleitung und des Gesamtbetriebsrats der Hewlett-Packard Deutschland GmbH. Bevor die eigentliche Erhebung gestartet wurde, erfolgte die frühzeitige und umfassende Information der Zielgruppe, d. h. der Beschäftigten der Hewlett-Packard Deutschland GmbH, über Hintergrund, Initiatoren, Zweck, Inhalt und Ablauf der Befragung. Dieser Schritt ist entscheidend für den Erfolg einer Befragung von Mitarbeitern, denn er ermöglicht es, bei den Probanden Akzeptanz zu schaffen, sie zur Teilnahme zu motivieren sowie eventuelle Bedenken (z. B. bezüglich mangelnder Anonymität) auszuräumen – Grundvoraussetzungen für eine hohe Rücklaufquote (Borg 2003, S. 193 ff.; Domsch/Ladwig 2006, S. 13 ff.; Schnell/Hill/Esser 2005, S. 383). Zudem kann die Zusicherung von Anonymität für die Probanden dazu beitragen, den so genannten Common Method Bias zu vermeiden (Podsakoff et al. 2003, S. 887). Common Method Bias liegt vor, wenn ein Teil der Varianz der Messergebnisse auf die Erhebungsmethode zurückzuführen ist (Podsakoff et al. 2003, S. 879). Dies kann dazu führen, dass die Stärke gefundener Zusammenhänge überschätzt bzw. wahre Zusammenhänge nicht erkannt werden und auf dieser Basis falsche Schlussfolgerungen gezogen werden (Podsakoff et al. 2003, S. 879). Zum Start der Datenerhebung erhielten alle 9.100 Mitarbeiter der Hewlett-Packard Deutschland GmbH eine E-Mail von der Geschäftsleitung des Unternehmens. Diese enthielt die Aufforderung, an der Befragung teilzunehmen, einen Anhang mit weiteren Informationen zur Beantwortung des Fragebogens und zum Schutz der Anonymität der Probanden sowie einen Hyperlink zum Web-Survey. Ab diesem Zeitpunkt war der Fragebogen in deutscher und englischer Sprache für 21 Tage via Internet zugänglich. Eine Woche vor Auslaufen der Frist wurden die Beschäftigten ein zweites Mal per E-Mail angeschrieben und zur Teilnahme an der Befragung aufgefordert. 6.1.2
Beschreibung der Datengrundlage
Die Grundgesamtheit der vorliegenden empirischen Untersuchung bilden alle Mitarbeiter der Hewlett-Packard Deutschland GmbH; sie umfasst N = 9.100 Personen. Davon haben 2.029 Personen den Fragebogen ausgefüllt, was einer Rücklaufquote von 22,3 % entspricht. In Anbetracht der Länge des Fragebogens (die Beantwortung dauerte durchschnittlich 30 Minuten) wird der Rücklauf als zufriedenstellend angesehen.
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Grundlagen der empirischen Untersuchung
Im Folgenden wird die Stichprobe der empirischen Untersuchung anhand soziodemographischer Merkmale beschrieben. Das Durchschnittsalter beträgt 43,08 Jahre (SD = 9,09 Jahre). Der jüngste Proband ist 17, der älteste 64 Jahre alt, so dass sich die Altersspanne der Stichprobe mit der als „Bevölkerung im Erwerbsalter“ definierten Altersgruppe deckt (Statistisches Bundesamt 2006, S. 35). Abbildung 6-1 veranschaulicht die Altersstruktur der Stichprobe graphisch. Die Probanden verfügen über eine durchschnittliche Berufserfahrung von 16,15 Jahren (SD = 9,08 Jahre); die mittlere Betriebszugehörigkeit beträgt 13,12 Jahre (SD = 8,61 Jahre). 31,5 % der Befragten sind weiblich, 66,8 % männlich, 1,7 % machten keine Angaben zum Geschlecht. Abbildung 6-1: Altersstruktur der Stichprobe
Die Probanden repräsentieren alle sechs Unternehmensbereiche, neun Funktionsbereiche und 15 Standorte der Hewlett-Packard Deutschland GmbH. 15 % der Befragten gaben an, eine Führungsposition inne zu haben, 76,7 % sind Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung, 8,3 % machten hierzu keine Angaben. Um zu überprüfen, ob ein Nonresponse Bias vorliegt, d. h. ob es systematische Unterschiede zwischen den Probanden in der Stichprobe und denjenigen Mitarbeitern gibt, die nicht an der Studie teilgenommen haben (Armstrong/Overton 1977, S. 396), wurde das von Armstrong und Overton (1977) empfohlene Verfahren angewandt. Dieses basiert auf der Annahme, dass Probanden, welche verhältnismäßig spät antworten, tendenziell eine größere Ähnlichkeit zu den Mitarbeitern aufweisen, die nicht geantwortet haben, als diejenigen Probanden, die relativ früh antworten (Armstrong/Overton 1977, S. 399). Daher wurden die ersten 10 % der Befragungsteilnehmer mit den letzten 10 % im Hinblick auf die soziodemographischen Merkmale sowie die Ausprägungen aller theoretischen Konstrukte verglichen. Die t-Tests ergaben keine signifikanten Mittelwertunterschiede zwischen den beiden Teilstichproben. Zusätzlich wurden die soziodemographischen Merkmale der Probanden, welche den Fragebogen nach dem Beantworten der ersten Fragen abgebrochen hatten (n = 1.510), mit denen der Stichprobe vergli-
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
109
chen. Auch hier ergaben t-Tests keine signifikanten Unterschiede. Ein Nonresponse Bias kann folglich ausgeschlossen werden.
6.2
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
Im Folgenden wird erläutert, wie in der vorliegenden Arbeit im Rahmen der Datenanalyse vorgegangen wird. Die eigentliche Datenanalyse erfolgt in Kapitel 7. Erster Schritt jeder Datenanalyse ist die Überprüfung der Güte der verwendeten Messinstrumente (Homburg/Giering 1996, S. 11). Das Vorgehen, das hierzu in der vorliegenden Arbeit gewählt wird, wird in Abschnitt 6.2.1 erläutert. Nachdem die Messinstrumente anhand der in Abschnitt 6.2.1 eingeführten Gütekriterien überprüft sind, erfolgt die eigentliche Datenauswertung. Hierzu werden zunächst mittels Mittelwertbildung alle Items einer Skala zu einem Konstruktwert zusammengefasst. Die deskriptiven Statistiken sowie die Korrelationen der untersuchten Konstrukte werden in Abschnitt 7.2 berichtet. Anschließend erfolgt die Prüfung der in Abschnitt 5.2.1 formulierten Hypothesen zu Haupteffekten mittels Regressions- bzw. Kausalanalyse. Beide Verfahren werden in Abschnitt 6.2.2.1 erläutert. Der letzte Schritt der Datenanalyse ist die Prüfung der Hypothesen zu Moderatoreffekten, die in Abschnitt 5.2.2 formuliert wurden. Die methodische Vorgehensweise zur Analyse von Moderatoreffekten wird in Abschnitt 6.2.2.2 dargelegt. 6.2.1
Methodik der Gütebeurteilung der Konstruktmessung
Die empirische Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion basiert auf der Messung theoretischer Konstrukte. Nach Bagozzi und Fornell (1982, S. 24) wird ein theoretisches Konstrukt definiert als „an abstract entity which represents the ‚true‘, nonobservable state or nature of a phenomenon“. Diese Definition macht deutlich, dass theoretische Konstrukte latent sind, d. h. nicht direkt gemessen werden können (Bagozzi/Phillips 1982, S. 465; Long 1983, S. 11). Vielmehr ist eine indirekte Messung über manifeste, d. h. beobachtbare Variablen, so genannte Indikatoren bzw. Indikatorvariablen, erforderlich (Homburg/Giering 1996, S. 6). Je nach Richtung der Beziehungen zwischen einem theoretischen Konstrukt und seinen Indikatoren kann zwischen reflektiven und formativen Indikatoren unterschieden werden (Bagozzi 1979, S. 18 ff.; Bollen/Lennox 1991, S. 308 ff.). Reflektive Indikatoren bilden Effekte der Ausprägung des Konstrukts ab; jeder Indikator ist „an imperfect reflection of the underlying latent construct“ (MacKenzie/Podsakoff/Jarvis 2005, S. 710). Formative Indikatoren stellen dagegen in ihrer Gesamtheit die Ursache für die Ausprägung eines Konstrukts dar; der kausale Zusammenhang geht in diesem Fall von den Indikatoren aus (MacKenzie/Podsakoff/Jarvis 2005, S. 712; Williams/Vandenberg/Edwards 2009, S. 551). In der vorliegenden Arbeit werden die zu untersuchenden Konstrukte ausschließlich über reflektive Indikatoren erfasst, weshalb sich die folgenden Ausführungen ausschließlich auf die Methodik zur Bestimmung der Güte von reflektiven Messmodellen beziehen.
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Grundlagen der empirischen Untersuchung
Zur Messung eines theoretischen Konstrukts werden in der Regel mehrere Indikatoren herangezogen. Ein Grund hierfür ist, dass eine einzige Indikatorvariable in der Regel nicht der inhaltlichen Bandbreite eines latenten Konstrukts gerecht wird. Darüber hinaus macht der Einsatz mehrerer Indikatoren die Identifikation von Messfehlern möglich (Mac Kenzie/Podsakoff/Jarvis 2005, S. 711). Um die Güte von reflektiven Messmodellen mit mehreren Indikatoren zu überprüfen, werden zwei Kriterien herangezogen: die Reliabilität und die Validität (Homburg/Giering 1996, S. 6). Die Reliabilität oder Zuverlässigkeit eines Messinstruments beschreibt die Genauigkeit seiner Messung. Sie ist umso höher, je größer der Zusammenhang zwischen den wahren Ausprägungen des Konstrukts und den durch die Indikatorvariablen gemessenen Werten ist (Cortina 1993, S. 98). Eine Messung ist folglich reliabel, wenn sie konsistente Ergebnisse liefert, die keinen zufälligen Einflüssen von Messfehlervariablen unterliegen (Homburg/Giering 1996, S. 6). In der Literatur werden drei Formen der Reliabilität unterschieden (Hildebrandt 1998, S. 88; Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 278): -
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Das Kriterium der Test-Retest-Reliabilität ist erfüllt, wenn die Messergebnisse eines Messinstruments im Zeitpunkt t0 hoch mit den Messergebnissen korrelieren, die mit demselben Messinstrument bei denselben Probanden zum Zeitpunkt t1 erzielt werden. Die Parallel-Test-Reliabilität ist hoch, wenn die Korrelation zwischen der Messung mit dem zu untersuchenden Messmodell und einer Vergleichsmessung mit einem äquivalenten Messinstrument hoch ist. Interne-Konsistenz-Reliabilität liegt vor, wenn die einzelnen Indikatorvariablen eines theoretischen Konstrukts hoch miteinander korrelieren.
Die Anwendung des Kriteriums der Test-Retest-Reliabilität ist ausschließlich unter Laborbedingungen sinnvoll, da dort alle Größen, die einen systematischen Einfluss auf das Testergebnis haben, über zwei Messzeitpunkte hinweg konstant gehalten werden können. Bei einer Anwendung der Messinstrumente im Feld, insbesondere im dynamischen organisationalen Kontext, wie sie in der vorliegenden Arbeit erfolgt, sind dagegen über den Zeitverlauf Veränderungen des Antwortverhaltens der Probanden zu erwarten, die nicht auf mangelnde Reliabilität der gewählten Indikatoren zurückzuführen sind. Folglich kann die Reliabilität eines Messmodells in einem solchen Umfeld nur eingeschränkt mittels Test-Retest-Reliabilität bestimmt werden (Rossiter 2002, S. 328). Die Parallel-Test-Reliabilität ist in ihrer Anwendung auf Messinstrumente beschränkt, für die bereits ein inhaltlich äquivalentes Messmodell vorliegt. Da in der vorliegenden Arbeit auch neu entwickelte Messinstrumente zum Einsatz kommen, wird dieses Kriterium zur Bestimmung der Reliabilität nicht angewandt. Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit die interne Konsistenz als ausschließliches Kriterium für die Reliabilität der verwendeten Messinstrumente herangezogen.
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
111
Eine hohe Validität oder Gültigkeit eines Messinstruments liegt vor, „when the differences in observed scores reflect true differences on the characteristic one is attempting to measure and nothing else“ (Churchill 1979, S. 65). Die Validität bezeichnet folglich das Ausmaß, in dem das Messinstrument das misst, was es messen soll (Heeler/Ray 1972, S. 361). Eine Messung ist valide, wenn sie sowohl frei von zufälligen als auch systematischen Fehlern ist (Herrmann/Homburg/Klarmann 2008, S. 11). Eine hohe Reliabilität ist deshalb eine notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für eine hohe Validität (Homburg/Giering 1996, S. 7). In der Literatur werden vier Arten von Validität unterschieden (u. a. Bagozzi 1979, S. 14 ff.; Bagozzi/Philipps 1982, S. 468 ff.; Churchill 1979, S. 65 ff.). -
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Die Inhaltsvalidität drückt aus, in welchem Ausmaß Konstrukt und Messinstrument inhaltlich-semantisch übereinstimmen, d. h. inwiefern alle wesentlichen Bedeutungsinhalte und Facetten des Konstrukts berücksichtigt und keine weiteren, dem Konstrukt nicht zuordenbare Aspekte erfasst werden (Bohrnstedt 1979, S. 92). Die Inhaltsvalidität wird sichergestellt, indem die Operationalisierung eines Konstrukts auf Basis von dessen eindeutiger und umfassender inhaltlicher Definition sowie der klaren Abgrenzung von anderen Konstrukten erfolgt. Die Bestimmung der Inhaltsvalidität erfolgt aus diesem Grund überwiegend qualitativ (Parasuraman/Zeithaml/Berry 1988, S. 28). Die zweite Form der Validität, die nomologische Validität, wird definiert als „the degree to which predictions based on a concept are confirmed within the context of a larger theory“ (Bagozzi 1979, S. 14). Nomologische Validität liegt vor, wenn empirische Messungen jene Zusammenhänge zwischen zwei oder mehreren theoretischen Konstrukten bestätigen, welche auf Basis eines übergeordneten theoretisch fundierten Bezugsrahmen postuliert werden (Bagozzi 1979, S. 24; Homburg/Giering 1996, S. 7 f.). Die nomologische Validität kann ausschließlich überprüft werden, wenn den untersuchten Zusammenhängen eine Theorie zu Grunde liegt. Da der Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit auf mehreren theoretischen Konzepten basiert (vgl. Kapitel 4), ist die Bestimmung der nomologischen Validität im Folgenden nicht möglich (Homburg 2000, S. 75). Die Konvergenzvalidität beschreibt „the degree to which two or more attempts to measure the same concept are in agreement“ (Bagozzi/Phillips 1982, S. 468). Die Indikatoren eines Konstrukts bzw. einer Dimension eines Konstrukts müssen untereinander einen starken Zusammenhang aufweisen, um eine hohe Konvergenzvalidität zu gewährleisten (Homburg/Giering 1996, S. 7). Die Diskriminanzvalidität bildet das inhaltliche Gegenstück zur Konvergenzvalidität. Sie beschreibt den Grad, zu dem sich Messungen unterschiedlicher theoretischer Konstrukte unterscheiden (Bagozzi/Philipps 1982, S. 469). Diskriminanzvalidität liegt vor, wenn die Indikatoren eines Konstrukts untereinander einen stärkeren Zusammenhang aufweisen als die Indikatorvariablen eines anderen Konstrukts (Bagozzi/Yi/Phillips 1991, S. 425).
112
Grundlagen der empirischen Untersuchung
In der vorliegenden Arbeit stehen bei der quantitativen Ermittlung der Validität eines Messinstruments die Konvergenz- sowie die Diskriminanzvalidität im Fokus. Die Inhaltsvalidität wird dadurch sichergestellt, dass sich die Operationalisierung der theoretischen Konstrukte strikt an deren Definition orientiert. Die nomologische Validität wird aus den genannten Gründen nicht als Validitätskriterium herangezogen. Wie die vorangegangenen Ausführungen deutlich machen, bezieht sich die Gütebeurteilung der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Messinstrumente auf drei zentrale Kriterien: die Interne-Konsistenz-Reliabilität, die Konvergenzvalidität und die Diskriminanzvalidität. Um diese Größen zu bestimmen, werden in der Literatur verschiedene quantitative Maße diskutiert, die sich in Kriterien der ersten Generation und in Kriterien der zweiten Generation untergliedern lassen. Die Kriterien der ersten Generation haben ihre Wurzeln in der klassischen Testtheorie und wurden in den 1950er bis 1960er Jahren entwickelt (Homburg/Giering 1996, S. 8; Murphy 2009, S. 431). Dazu gehören insbesondere die exploratorische Faktorenanalyse, Cronbach’s Alpha und die Item-Skala-Korrelation (im Folgenden Item to Total-Korrelation). Mit Hilfe der exploratorischen Faktorenanalyse kann eine Vielzahl unterschiedlicher Variablen auf wenige, dahinter stehende Faktoren reduziert werden (Hüttner/Schwarting 2008, S. 243). Im Kontext der Gütebeurteilung von Messinstrumenten wird mittels exploratorischer Faktorenanalyse die Faktorstruktur der Indikatorvariablen eines theoretischen Konstrukts untersucht, ohne a priori Hypothesen über die Zuordnung der Indikatoren zu Faktoren zu formulieren (Homburg/Giering 1996, S. 8). Die exploratorische Faktorenanalyse erfolgt dabei in drei Schritten: Zunächst wird die Korrelationsmatrix der Indikatorvariablen berechnet (Hüttner/Schwarting 2008, S. 256). Anschließend werden die Faktoren extrahiert. Basierend auf der Annahme, dass sich jeder Beobachtungswert einer Indikatorvariable als Linearkombination mehrerer Faktoren beschreiben lässt, kann für jeden Indikator die Faktorladung, d. h. das Gewicht, mit dem der Faktor m zur Erklärung des Indikators j beiträgt, errechnet werden (Hüttner/Schwarting 2008, S. 248 ff.). Schließlich wird die Anzahl der Faktoren bestimmt. Ausgehend von der Lösung mit der maximal möglichen Anzahl der Faktoren (die der Zahl der Indikatorvariablen entspricht) wird dabei anhand bestimmter Kriterien die Zahl der Faktoren reduziert. In der vorliegenden Arbeit wird hierzu das Kaiserkriterium herangezogen. Dieses besagt, dass alle Faktoren extrahiert werden, deren Eigenwert größer 1 ist (Backhaus et al. 2008, S. 353). Der Eigenwert eines Faktors ist ein Maß für den Anteil der Varianz aller dem Faktor zugeordneten Variablen, der durch den Faktor erklärt wird (Backhaus et al. 2008, S. 353). Im Zusammenhang mit der Gütebeurteilung der Konstruktmessung wird die exploratorische Faktorenanalyse üblicherweise herangezogen, um die Konvergenz- und die Diskriminanzvalidität eines Messmodells zu bestimmen. Können alle Indikatorvariablen eines Konstrukts
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
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bzw. einer Konstruktdimension anhand der Faktorladung (mindestens 0,4) eindeutig demselben Faktor zugeordnet werden, weist das Messinstrument Konvergenzvalidität auf (Gerbing/Anderson 1988, S. 189). Diskriminanzvalidität liegt vor, wenn die Indikatoren, die ein Konstrukt bzw. eine Konstruktdimension abbilden, deutlich niedrigere Faktorladungen für andere Faktoren aufweisen (Homburg/Giering 1996, S. 8). Darüber hinaus wird mit Hilfe der exploratorischen Faktorenanalyse geprüft, ob auf Basis des Kaiser-Kriteriums genau ein Faktor zu extrahieren ist, d. h. ob alle Indikatoren zur Erfassung eines theoretischen Konstrukts auf demselben Faktor laden. Die durch diesen Faktor erklärte Varianz aller ihm zugeordneten Indikatorvariablen sollte mindestens 50 % betragen, um eine ausreichende Konvergenzvalidität sicherzustellen (Homburg/Giering 1996, S. 12). Cronbach’s Alpha () ist ein Maß für die interne Konsistenz der Indikatorvariablen eines Konstrukts (Homburg/Giering 1996, S. 8). Cronbach’s Alpha wird errechnet, indem zunächst alle Indikatoren auf jede mögliche Art in zwei Hälften geteilt werden und jeweils die Korrelationen der Summe der einen Variablenhälfte mit der Summe der anderen Gruppe von Variablen bestimmt werden. Anschließend wird über alle ermittelten Korrelationen hinweg der Mittelwert gebildet. Cronbach’s Alpha kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen; in Anlehnung an Nunally (1978, S. 245) wird in der vorliegenden Untersuchung ein Grenzwert von mindestens 0,7 als akzeptabel angesehen. Wird der Grenzwert für Cronbach’s Alpha unterschritten, kann durch Elimination eines Indikators, der nur sehr niedrig mit dem Mittelwert aller Indikatorvariablen eines Konstrukts korreliert, die Interne-Konsistenz-Reliabilität des Messmodells erhöht werden (Churchill 1979, S. 68). In diesem Zusammenhang spielt die Item to Total-Korrelation als Eliminationskriterium eine zentrale Rolle. Die einfache Item to Total-Korrelation gibt an, wie stark ein Indikator mit der Summe aller Indikatorvariablen eines Konstrukts bzw. einer Konstruktdimension korreliert. Die korrigierte Item to Total-Korrelation unterscheidet sich von der einfachen dahingehend, dass bei der Summenbildung alle Indikatoren mit Ausnahme der zu untersuchenden Indikatorvariable berücksichtigt werden (Norusis 1993, S. 146). Ein expliziter Grenzwert für die Item to Total-Korrelation existiert in der Literatur nicht (Stock-Homburg 2010a, S. 138). Um die interne Konsistenz einer Skala, d. h. eines mehrere Indikatoren umfassenden Messinstruments zu erhöhen, wird daher in der vorliegenden Arbeit das Item eliminiert, welches die geringste korrigierte Item to Total-Korrelation aufweist (Churchill 1979, S. 68). Die Kriterien der ersten Generation weisen drei zentrale Schwachpunkte auf: Zum einen liegen diesen Kriterien teilweise sehr restriktive Annahmen zu Grunde, welche ihre Anwendbarkeit erheblich einschränken (Gerbing/Anderson 1988, S. 290). Zum anderen beruht die Validitätsbeurteilung meist auf Faustregeln anstelle inferenzstatistischer Prüfungen (Bagozzi/Yi/Phillips 1991, S. 428; Homburg/Giering 1996, S. 9). Schließlich ist eine differenzierte Diagnose von Messfehlern durch die Kriterien der ersten Generation nicht möglich
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Grundlagen der empirischen Untersuchung
(Homburg/Giering 1996, S. 9). Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegenden Arbeit zusätzlich zu den genannten Kriterien der ersten Generation Gütekriterien der zweiten Generation herangezogen, welche leistungsstärker und damit aussagekräftiger sind (Homburg/Giering 1996, S. 9). Diese basieren auf dem Verfahren der konfirmatorischen Faktorenanalyse, welches Ende der 1960er Jahre von Jöreskog (1966, 1969) entwickelt wurde. Sie kommen aktuell insbesondere in der Marketingforschung zum Einsatz, finden aber zunehmend auch in anderen Bereichen der Managementforschung Verbreitung (Homburg/Giering 1996, S. 8; Williams/Vandenberg/Edwards 2009, S. 585 ff.). Zentrales Merkmal der konfirmatorischen Faktorenanalyse ist, dass im Gegensatz zur exploratorischen Faktorenanalyse vor der Untersuchung der Faktorstruktur mehrerer Indikatorvariablen Hypothesen über die Zuordnung der Indikatoren zu Faktoren aufgestellt werden, welche anschließend anhand der empirischen Daten überprüft werden (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 273 f.). Damit kann die konfirmatorische Faktorenanalyse als eine besondere Form der Kovarianzstrukturanalyse (auch: Kausalanalyse) bezeichnet werden (Homburg/Giering 1996, S. 9). Die Kausalanalyse integriert latente und manifeste Variablen in einem Kausalmodell. Ziel ist es, die Beziehungen zwischen den latenten Konstrukten zu untersuchen; dazu dient das so genannte Strukturmodell. Die manifesten Variablen werden herangezogen, um indirekt die Ausprägung der latenten Größen zu messen; die Beziehungen zwischen den manifesten Indikatorvariablen und den latenten Konstrukten (auch: Faktoren) werden mit Hilfe des so genannten Messmodells beschrieben. Die Analyse der im Messmodell abgebildeten Beziehungen basiert auf dem Ansatz der konfirmatorischen Faktorenanalyse. Dabei werden die Modellparameter des Messmodells so geschätzt, dass die empirisch ermittelten Daten durch das spezifizierte Modell möglichst exakt wiedergegeben werden (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 283). Zur Schätzung der Modellparameter werden in der Literatur verschiedene Verfahren vorgeschlagen. In der vorliegenden Arbeit wird als Schätzverfahren die Maximum Likelihood (ML)-Methode eingesetzt. Dieses Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es skaleninvariant und skalenfrei ist (Klarmann 2008, S. 41). Zwar setzt dieses Verfahren theoretisch eine Normalverteilung der zu Grunde liegenden Daten voraus; es ist jedoch empirisch erwiesen, dass eine NichtNormalverteilung keine Auswirkungen auf die Ergebnisse der Parameterschätzung hat (Klarmann 2008, S. 41). Der Einsatz des ML-Verfahrens erfordert einen Mindeststichprobenumfang von n = 250 (Klarmann 2008, S. 41). In der vorliegenden Arbeit werden fünf Gütekriterien der zweiten Generation ermittelt, die alle auf der konfirmatorischen Faktorenanalyse basieren. Die Indikatorreliabilität und der tWert der Faktorladung dienen der Beurteilung der Güte der Indikatoren; die Faktorreliabilität, die durchschnittlich erfasste Varianz und das Fornell/Larcker-Kriterium werden herangezogen, um die Güte der Faktoren zu bestimmen.
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
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Die Indikatorreliabilität gibt an, welchen Anteil der Gesamtvarianz einer Indikatorvariable der zugehörige Faktor erklärt. Ihre Berechnung erfolgt anhand folgender Formel ఒమೕ థೕೕ
ܴܫሺݔ ሻ ൌ ఒమ థ
ೕ ೕೕ ା
,
wobei ߣ die geschätzte Faktorladung der Indikatorvariable ݔ in Bezug auf den Faktor ߦ darstellt, ߶ die geschätzte Varianz dieses Faktors und ߠ die geschätzte Varianz des zugehörigen Messfehlers ߜ bezeichnet. Die Indikatorreliabilität kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen; in der gängigen Literatur werden Indikatoren ab einer Indikatorvariabilität von kleiner 0,4 als nicht ausreichend reliabel bezeichnet (Homburg/Giering 1996, S. 13). Zusätzlich zur Indikatorreliabilität kann der t-Wert der Faktorladung eines Indikators als Gütekriterium herangezogen werden. Dabei wird mit Hilfe eines t-Tests überprüft, ob sich die Faktorladung einer Variable signifikant von Null unterscheidet. Der t-Wert wird berechnet, indem die geschätzte Faktorladung durch den Standardfehler dieser Schätzung dividiert wird (Homburg 2000, S. 92). Um auf dem 5%-Signifikanzniveau zu bestätigen, dass die Faktorladung ungleich null ist, muss mindestens ein t-Wert von 1,645 erreicht werden (Homburg/Giering, S. 13). Während sich die Indikatorreliabilität und der t-Wert der Faktorladung auf die Güte der einzelnen Indikatorvariablen beziehen, steht im Fokus der Faktorreliabilität und der durchschnittlich erfassten Varianz die Frage, wie gut der im Rahmen der konfirmatorischen Faktoranalyse extrahierte Faktor durch alle ihm zugeordneten Indikatorvariablen zusammen gemessen wird. Beide Kriterien können Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei höhere Werte auf eine bessere Reliabilität bzw. Validität der Faktormessung hinweisen (Homburg/Giering 1996, S. 11). Die Berechnung der Faktorreliabilität erfolgt nach der Formel మ
ܴܨሺߦ ሻ ൌ
ቀσೖ సభ ఒೕ ቁ థೕೕ మ
ೖ ൫σೖ సభ ఒೕ ൯ థೕೕ ାσసభ ఏ
,
wobei neben den oben erläuterten Komponenten ߦ für den Faktor bzw. die latente Variable und ݇ für die Anzahl der Indikatorvariablen steht. Für die Faktorreliabilität wird in der Literatur ein Grenzwert von 0,6 gefordert (Bagozzi/Yi 1988, S. 82, Homburg/Baumgartner 1995, S. 170). Die durchschnittlich erfasste Varianz ist ein Maß für den Anteil der gemeinsamen Varianz aller Indikatorvariablen, der durch den im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse extrahierten Faktor erklärt wird (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 286 f.). Sie wird gemäß der Formel
116
Grundlagen der empirischen Untersuchung
ܸܧܦሺߦ ሻ ൌ
మ σೖ సభ ఒೕ థೕೕ మ ೖ σసభ ఒೕ థೕೕ ାσೖ సభ ఏ
berechnet (Fornell/Larcker 1981, S. 46). Für die durchschnittlich erfasste Varianz wird in Anlehnung an Homburg und Baumgartner (1995, S. 170) in der vorliegenden Arbeit ein Schwellenwert von 0,5 angestrebt. Ein weiteres Gütekriterium der zweiten Generation, das in der vorliegenden Arbeit herangezogen wird, ist das Fornell/Larcker-Kriterium. Es dient als Maß für die Diskriminanzvalidität der verschiedenen Faktoren eines Untersuchungsmodells. Gemäß diesem Kriterium wird gefordert, dass die durchschnittlich erfasste Varianz eines Faktors größer ist als jede quadrierte Korrelation dieses Faktors mit den anderen im Strukturmodell enthaltenen Faktoren (Fornell/Larcker 1981, S. 46). Dadurch wird sichergestellt, dass die untersuchten latenten Konstrukte eine ausreichende Diskriminanzvalidität aufweisen. Tabelle 6-1 stellt die in dieser Arbeit herangezogenen Kriterien und die jeweiligen Anspruchsniveaus zur Bestimmung der Güte der Konstruktmessung im Überblick dar. Dabei erfolgt die Gütebeurteilung in Anlehnung an die von Homburg und Giering (1996, S. 12 ff.) vorgeschlagene Vorgehensweise sukzessive. Zunächst wird für jedes Konstrukt geprüft, ob Cronbach’s Alpha den Grenzwert von 0,7 erreicht. Ist dies nicht der Fall, werden schrittweise die Indikatoren aus der Skala eliminiert, welche die niedrigste Item to Total-Korrelation aufweisen. In einem zweiten Schritt wird im Rahmen einer exploratorischen Faktoranalyse die erklärte Varianz berechnet. Ist diese geringer als das Anspruchsniveau von 0,5, werden die Indikatoren eliminiert, die eine Faktorladung von unter 0,4 aufweisen. Zuletzt werden die zuvor erläuterten Gütekriterien der zweiten Generation berechnet. Eine Elimination weiterer Indikatorvariablen bzw. das Verwerfen der gesamten Skala erfolgt, wenn mindestens zwei dieser Kriterien nicht erfüllt werden.
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
117
Tabelle 6-1: Überblick über die Vorgehensweise zur Gütebeurteilung der Konstruktmessung Kriterium 1. Schritt
Cronbach’s Alpha Item to Total-Korrelation
2. Schritt
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse Faktorladung der exploratorischen Faktorenanalyse
3. Schritt
Indikatorreliabilität t-Wert der Faktorladung der konfirmatorischen Faktorenanalyse Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz Fornell/Larcker-Kriterium
6.2.2
Anspruchsniveau 0,7 Falls Cronbach’s ן൏ 0,7 Elimination des Indikators mit der niedrigsten Item to Total-Korrelation 0,5 Falls erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse < 0,5 Elimination des Indikators mit Faktorladung < 0,4 0,4 1,645 0,6 0,5 Durchschnittlich erfasste Varianz > quadrierte Korrelationen des Faktors mit anderen Faktoren
Methodik der Dependenzanalyse
6.2.2.1 Methodik der Analyse von Haupteffekten Zur Analyse von Haupteffekten werden in der vorliegenden Arbeit zwei Verfahren der Dependenzanalyse eingesetzt: die multiple Regressionsanalyse und die Kausalanalyse. Die multiple Regression dient der Analyse des Einflusses mehrerer unabhängiger Variablen oder Prädiktoren (x1, …, xn) auf eine abhängige Variable (y) und kann als „eines der flexibelsten und am häufigsten eingesetzten statistischen Analyseverfahren“ (Backhaus et al. 2008, S. 52) bezeichnet werden. Die Ziele der Regressionsanalyse bestehen darin, die Zusammenhänge zwischen den untersuchten Variablen zu quantifizieren und zu erklären (Ursachenanalyse) oder die Werte der abhängigen Variable zu prognostizieren (Wirkungsprognosen) (Backhaus et al. 2008, S. 52 ff.; Skiera/Albers 2008, S. 469). Ausgangspunkt der multiplen Regression ist die Regressionsfunktion, eine lineare Gleichung zur Berechnung der abhängigen Variable in Abhängigkeit der unabhängigen Variablen, auch Prädiktoren genannt (Bortz 2005, S. 433). Die Regressionsfunktion hat folgende allgemeine Form: ݕൌ ܽ ܾଵ ݔଵ ܾଶ ݔଶ ǥ ܾ ݔ ݁. Dabei bezeichnet ܽ das konstante Glied, ܾଵ ǡ ǥ ǡ ܾ die Regressionskoeffizienten und ݁ das Residuum, d. h. alle nicht erfassten Einflüsse auf die abhängige Variable (Backhaus et al. 2008, S. 60 ff.). Das Ziel der Regressionsanalyse ist es, die Regressionsparameter ܽǡ ܾଵ ǡ ǥ ǡ ܾ so zu schätzen, dass die Summe der quadrierten Abweichungen zwischen dem empirisch gemessenen Wert der abhängigen Variable ݕ und dem geschätzten Wert ݕො minimiert wird
118
Grundlagen der empirischen Untersuchung
(Skiera/Albers 2008, S. 471). Dieses Vorgehen wird als „Methode der kleinsten Quadrate“ bezeichnet (Backhaus et al. 2008, S. 63). Durch Standardisierung der Regressionsparameter, nun Beta-Gewichte genannt, wird ein direkter Vergleich der unabhängigen Variablen hinsichtlich ihres relativen Einflusses auf die abhängige Variable möglich (Hair et al. 2006, S. 170). Die Güte der Anpassung der Regressionsfunktion an die empirischen Daten, d. h. der Anteil der durch die Funktion erklärten Streuung an der Gesamtvarianz der abhängigen Variable, wird durch das Bestimmtheitsmaß, den quadrierten multiplen Korrelationskoeffizienten (ܴଶ ), gemessen (Backhaus et al. 2008, S. 67 ff.). Dieser kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen und ist umso größer, je höher der Anteil der erklärten Varianz (Skiera/Albers 2008, S. 473). Ein Bestimmtheitsmaß von ܴଶ = 0,90 gibt beispielsweise an, dass die in der Regressionsanalyse berücksichtigten unabhängigen Variablen gemeinsam 90 % der Varianz der abhängigen Variable erklären. Das Bestimmtheitsmaß kann auch herangezogen werden, um den Erklärungsbeitrag verschiedener Gruppen von unabhängigen Variablen miteinander zu vergleichen. Zu diesem Zweck wird eine schrittweise Regression durchgeführt, bei der zunächst eine erste Gruppe von erklärenden Variablen als Prädiktoren in die Regressionsgleichung einfließt und der durch diese Variablen erklärte Varianzanteil ermittelt wird. In einem zweiten Schritt wird die Regressionsanalyse um eine weitere Gruppe von unabhängigen Variablen erweitert und das Bestimmtheitsmaß für alle Prädiktoren gemeinsam berechnet (Hair et al. 2006, S. 171 ff.; Williams/Vandenberg/Edwards 2009, S. 582 f.). Um zu ermitteln, inwieweit die zweite Gruppe von erklärenden Variablen einen Erklärungsbeitrag leistet, der signifikant über dem der ersten Gruppe von Prädiktoren liegt, wird die ܴ ଶ -Differenz berechnet und deren Signifikanz mit Hilfe des F-Tests überprüft (Bedeian/Mossholder 1994, S. 162 f.). Erreicht der F-Test signifikante Werte, so kann die Hypothese angenommen werden, dass die zweite Gruppe von unabhängigen Variablen über den Erklärungsbeitrag der ersten Gruppe hinaus einen signifikanten Zuwachs an Varianzerklärung liefert (Bedeian/Mossholder 1994, S. 162 f.). Voraussetzung für die Durchführung einer Regressionsanalyse ist, dass die untersuchten Variablen metrisches Skalenniveau aufweisen (Skiera/Albers 2008, S. 471). Sollen Variablen mit nominalem Skalenniveau einbezogen werden (was in der vorliegenden Arbeit nicht der Fall ist), müssen diese zunächst über die so genannte „Dummy-Kodierung“ transformiert werden (vgl. hierzu ausführlich Cohen et al. 2003, S. 303 ff.). Darüber hinaus basiert die lineare Regressionsanalyse auf folgenden Modellprämissen: (1) korrekte Spezifikation des Modells, (2) Erwartungswert der Residuen gleich Null, (3) keine Korrelation zwischen abhängiger Variable und den Residuen, (4) Homoskedastizität der Residuen, (5) keine Autokorrelation der Residuen, (6) keine perfekte Multikollinearität der Prädiktoren sowie (7) Normalverteilung der Residuen (Backhaus et al. 2008, S. 80). Die gängigen Verfahren zur Prüfung dieser
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
119
Prämissen (Hair et al. 2006, S. 204 ff.; Skiera/Albers 2008, S. 483 ff.) werden in der vorliegenden Arbeit durchgeführt; ihre Ergebnisse werden ausschließlich in Fällen berichtet, in denen eine Verletzung der Prämissen festgestellt wird. Gegenüber der Regressionsanalyse zeichnet sich die Kausalanalyse dadurch aus, dass komplexe Dependenzstrukturen wie beispielsweise kausale Ketten oder wechselseitige Abhängigkeiten modelliert und simultan geschätzt werden können (Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 549). Darüber hinaus werden im Rahmen der Kausalanalyse Messfehler explizit berücksichtigt (Hair et al. 2006, S. 719). Aus diesen beiden Gründen wird die Kausalanalyse in der Literatur im Vergleich zur Regressionsanalyse als das leistungsfähigere Verfahren bezeichnet (Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 549). Die Grundidee der Kausalanalyse (auch: Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen) besteht darin, auf der Grundlage empirisch gemessener Varianzen bzw. Kovarianzen von Indikatorvariablen durch Parameterschätzungen Rückschlüsse auf Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den den Indikatorvariablen zu Grunde liegenden latenten Variablen zu ziehen (Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 549). Damit zeichnet sich die Kausalanalyse dadurch aus, dass zwischen manifesten (d. h. beobachtbaren bzw. messbaren) und latenten Variablen, die nicht direkt beobachtet und gemessen werden können, unterschieden wird (vgl. Abschnitt 6.2.1). Zur Schätzung der Zusammenhänge zwischen manifesten und latenten Variablen kombiniert die Kausalanalyse die Verfahren der konfirmatorischen Faktorenanalyse und der linearen Regressionsanalyse (Williams/Vandenberg/Edwards 2009, S. 544). In der Literatur werden verschiedene Ansätze der Kausalanalyse unterschieden. In der betriebswirtschaftlichen Forschung hat die Kovarianzstrukturanalyse die weiteste Verbreitung gefunden, die auch in der vorliegenden Arbeit angewandt wird (Klarmann 2008, S. 21). Ausgangspunkt der Kovarianzstrukturanalyse ist die empirisch ermittelte Kovarianzmatrix der Indikatorvariablen (Klarmann 2008, S. 21). Die Kausalanalyse auf Basis von Kovarianzen erfolgt in sechs Schritten (Diamantopoulos/Siguaw 2000, S. 6 ff.). Erster Schritt ist die Modellspezifikation, in deren Rahmen das Strukturmodell und das Messmodell spezifiziert, d. h. in ein Modell aus linearen Gleichungen übertragen werden (Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 554). Dabei beschreibt das Strukturmodell die Beziehungen zwischen den latenten Variablen; das Messmodell legt fest, welche Konstrukte durch welche Indikatorvariablen gemessen werden (vgl. Abschnitt 6.2.1). Die Kausalanalyse sollte niemals „without a strong theoretical basis for specification of both measurement and structural model“ (Hair et al. 2006, S. 720) angewendet werden. Als rein konfirmatorisches Verfahren kann die Kausalanalyse ausschließlich eingesetzt werden, um eine Theorie bzw. daraus abgeleitete Hypothesen zu überprüfen (Hair et al. 2006, S. 720). Im zweiten Schritt der Kausalanalyse wird überprüft, ob das Modell hinreichend identifiziert ist. Dadurch wird sichergestellt, dass „jeder der zu schätzenden Modellparameter als Funktion
120
Grundlagen der empirischen Untersuchung
eines oder mehrerer Elemente der empirischen Kovarianzmatrix der Indikatoren dargestellt werden kann“ (Klarmann 2008, S. 22). Dritter Schritt der Kausalanalyse ist die Parameterschätzung. Dem Ansatz der Kovarianzstrukturanalyse folgend, werden die Modellparameter so geschätzt, dass die Diskrepanz zwischen der empirischen Kovarianzmatrix der Indikatorvariablen und der durch die Modellspezifikation implizierten Kovarianzmatrix minimiert wird (Klarmann 2008, S. 21). Wie in Abschnitt 6.2.1 erläutert, können im Rahmen der Parameterschätzung verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen; in der vorliegenden Arbeit wird vor dem Hintergrund einer ausreichenden Stichprobengröße die Maximum Likelihood-Diskrepanzfunktion angewandt. Die Überprüfung der Güte des hypothetischen Modells bildet den vierten Schritt der Kausalanalyse. Auf die lokalen Kriterien zur Beurteilung der Güte des Messmodells wurde in Abschnitt 6.2.1 bereits ausführlich eingegangen. Im Folgenden sollen die globalen Anpassungsmaße erläutert werden, welche in der vorliegenden Arbeit herangezogen werden, um die Güte der Anpassung des gesamten Modells an die empirisch ermittelte Kovarianzmatrix zu beurteilen (Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 560). Konkret sind dies wie von Homburg und Klarmann (2006, S. 736 ff.) nach Auswertung einer Vielzahl von Simulationsstudien empfohlen der RMSEA, der SRMR, der CFI und der NNFI. Der RMSEA und der SRMR sind der Gruppe der Stand Alone-Anpassungsmaße zuzuordnen, welche den absoluten Fit eines Modells angegeben (Hair et al. 2006, S. 746). Der Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA) wird herangezogen, um zu prüfen, ob das Modell die wahren Zusammenhänge in der Grundgesamtheit ausreichend approximiert (Hair et al. 2006, S. 748). Er basiert auf dem ߯ ଶ -Test, der jeweils für das theoretische Modell und das Basismodell die Null-Hypothese testet, dass die empirische Kovarianzmatrix der modelltheoretischen entspricht (Hair et al. 2006, S. 751). Der RMSEA wird nach folgender Formel errechnet
ܴ ܣܧܵܯൌ ቀ
ఞమ ିௗ ௗሺିଵሻ
ଵൗ ଶ
ቁ
,
wobei ݊ den Stichprobenumfang repräsentiert, und ݂݀ die Zahl der Freiheitsgrade des Modells angibt (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285). Die Integration der Freiheitsgarde dient dazu, die Modellkomplexität und die Stichprobengröße bei der Güteprüfung zu berücksichtigen (Hair et al. 2006, S. 748). Zur Berechnung der Anzahl der Freiheitsgrade dient folgende Formel: ݂݀ ൌ ሾ ݍȉ ሺ ݍ ͳሻȀʹሿ െ ݐmit = ݍAnzahl der Indikatorvariablen und = ݐAnzahl zu schätzender Parameter (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285). Für den RMSEA werden möglichst niedrige Werte angestrebt. Nach Browne und Cubeck kann von einem guten Modellfit ausgegangen werden, wenn RMSEA 0,05; bei RMSEA 0,08 ist der Modellfit als akzeptabel einzustufen (Browne/Cubeck 1993, S. 136 f.).
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
121
Im Gegensatz zum RMSEA werden bei der Berechnung des Standardized Root Mean Residual (SRMR) die Freiheitsgrade nicht berücksichtigt (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285). Ausgangspunkt des SRMR ist die Annahme, dass für jeden Wert der Kovarianzmatrix der empirischen Daten errechnet werden kann, wie akkurat er durch das theoretische Modell geschätzt wurde (Hair et al. 2006, S. 747). Die Abweichung zwischen empirischem und modelltheoretisch geschätztem Wert geben die Residuen an. Die Berechnung des SRMR basiert auf den durchschnittlichen quadrierten und standardisierten Residuen (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285). Formal lässt sich der SRMR wie folgt darstellen (Hu/Bentler 1998, S. 428):
ܴܵ ܴܯൌ
ඨଶȉσసభ
σೕసభቆ
ෝ ೕ ೞೕ ష ೞ ೞೕೕ
మ
ቇ
ሺାଵሻ
,
wobei ݏ für Elemente der empirischen Kovarianzmatrix, ߪො für Elemente der modelltheoretisch implizierten Kovarianzmatrix und für die Anzahl der Indikatorvariablen steht (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285 f.). Für den SRMR wird ebenfalls ein Schwellenwert von 0,05 empfohlen. Ist der SRMR kleiner als dieser Grenzwert, kann von einer sehr guten Anpassung des theoretischen Modells ausgegangen werden (Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 565). Bei SRMR-Werten von kleiner 0,1 gilt der Modellfit als akzeptabel (Homburg/Klarmann 2006, S. 737). Der CFI und der NNFI zählen zu den inkrementellen Anpassungsmaßen, welche die Güte eines Modells im Vergleich zu einem Basismodell, das keine Informationen enthält (auch: Nullmodell), angeben (Hair et al. 2006, S. 749). Dabei wird auf jeweils unterschiedliche Weise das relevante Modell (Index r) mit dem Basismodell (Index b) verglichen (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 284). Ausgangspunkt des CFI und des NNFI ist ebenfalls der ߯ ଶ -Test. Zudem zeichnen sich beide Kriterien dadurch aus, dass sie die Freiheitsgrade des Modells berücksichtigen (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 284). Der Comparative Fit Index (CFI) wird über folgende Formel berechnet (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285):
ܫܨܥൌ ͳ െ
୫ୟ୶ ൛ఞೝమ ିௗೝ Ǣൟ
୫ୟ୶ ൛ఞ್మ ିௗ್ Ǣఞೝమ ିௗೝ Ǣൟ
.
Zur Berechnung des Non-Normed Fit Index (NNFI) wird folgende Formel herangezogen (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 285):
ܰܰ ܫܨൌ
ሺఞ್మ ൗௗ್ ሻିሺఞೝమ Τௗೝ ሻ ሺఞ್మ ൗௗ್ ሻିଵ
.
122
Grundlagen der empirischen Untersuchung
Sowohl für den CFI als auch für den NNFI gelten Werte zwischen 0,9 und 0,95 als Zeichen für eine akzeptable Modellgüte; erreichen CFI bzw. NNFI Werte größer 0,95 kann die Modellgüte als gut eingestuft werden (Homburg/Klarmann/Pflesser 2008, S. 283). Ergibt die Güteüberprüfung, dass das theoretische Modell nicht den etablierten Gütestandards entspricht, kann im fünften Schritt der Kausalanalyse das Modell modifiziert werden (Klarmann 2008, S. 23 f.). Hierbei ist darauf zu achten, dass die vorgenommenen Modifikationen durch die dem Ursprungsmodell zu Grunde liegenden Theorien gedeckt sind. Letzter Schritt der Kausalanalyse ist die Interpretation der Ergebnisse. Diese sollte sowohl die Interpretation der gesamten Modellstruktur als auch einzelner Modellparameter umfassen (Homburg/Pflesser/Klarmann 2008, S. 567). In der vorliegenden Arbeit wird mit Hilfe der Kausalanalyse der Teil des Bezugsrahmens modelliert, dessen Messmodelle und kausale Zusammenhänge auf Basis einer starken, in der betriebswirtschaftlichen bzw. psychologischen Literatur etablierten theoretischen Basis hergeleitet wurden. Dies betrifft die Zusammenhänge zwischen der organisationalen Gerechtigkeit, der Qualität sozialer Austauschbeziehungen im organisationalen Kontext und den individuellen Erfolgsgrößen. Damit wird der Forderung entsprochen, dass die Kausalanalyse „should never be attempted without a strong theoretical basis for specification of both measurement and structural model“ (Hair et al. 2006, S. 720). Im Gegensatz dazu wird für die Überprüfung der Zusammenhänge zwischen den Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion und den verschiedenen Facetten der wahrgenommenen organisationalen Gerechtigkeit die Regressionsanalyse herangezogen. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass das Konstrukt Age Inclusion in der vorliegenden Arbeit neu eingeführt (vgl. Kapitel 3) und ein neues Messmodell zur Erfassung dieser Variable entwickelt wird, das nicht allein auf theoretischen Überlegungen, sondern auch auf eher praxisorientierten Publikationen basiert (vgl. Abschnitt 7.1.1). Abbildung 6-2 fasst noch einmal zusammen, welcher Teil des Bezugsrahmens in der vorliegenden Arbeit durch welches Verfahren zur Analyse von Haupteffekten überprüft wird.
Abbildung 6-2: Überblick über den Einsatz der Verfahren zur Analyse von Haupteffekten in der vorliegenden Arbeit Regressionsanalyse
Age Inclusion
Wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit
Kausalanalyse
Wahrgenommene Qualität sozialer Austauschbeziehungen im organisationalen Kontext
Arbeitsbezogene Einstellungen
Arbeitsbezogenes Verhalten
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
123
6.2.2.2 Methodik der Analyse moderierender Effekte Wird die Richtung bzw. Stärke eines Zusammenhangs zwischen einer unabhängigen und einer abhängigen Variable durch eine weitere unabhängige Variable beeinflusst, spricht man von einem Moderator- oder Interaktionseffekt; die Drittvariable wird als Moderatorvariable bezeichnet (Baron/Kenny 1986, S. 1174; Hair et al. 2006, S. 172). Abbildung 6-3 zeigt exemplarisch den linear moderierenden Effekt der Variable z auf den positiven Zusammenhang zwischen x und y. Ein positiv moderierender Effekt liegt vor, wenn der Effekt der unabhängigen (x) auf die abhängige Variable (y) umso größer ist, je höher der Wert des Moderators (z), d. h. wenn die Steigung der Regressionsgerade mit z zunimmt. Schwächt der Effekt des Moderators z dagegen den Zusammenhang zwischen x und y, dann wird dies als negativ moderierender Effekt bezeichnet (Stock 2003, S. 296). Die Bestimmung moderierender Effekte ermöglicht es, einen zusätzlichen Anteil der Varianz der abhängigen Variable zu erklären, und vervollständigt so das Wissen über die zu erklärende Größe (Hair et al. 2006, S. 201 ff.). Abbildung 6-3: Graphische Darstellung eines positiv bzw. negativ moderierenden Effekts am Beispiel eines bivariaten Zusammenhangs Positiv moderierender Effekt
Negativ moderierender Effekt
y
y
x = unabhängige Variable y = abhängige Variable z = Moderatorvariable z = + 1 Standardabweichung z=0 z = - 1 Standardabweichung
x
x
In der Literatur werden zwei Arten von Moderatoren unterschieden: Moderatoren im klassischen Sinn und Quasi-Moderatoren. Während Erstere keinen direkten Einfluss auf die abhängige Variable haben, d. h. mit der abhängigen Variablen unkorreliert sind, zeichnen sich Quasi-Moderatoren dadurch aus, dass sie zusätzlich zum moderierenden Effekt direkt auf die abhängige Variable wirken (Sharma/Durand/Gur-Arie 1981, S. 292). Formal kann ein klassischer Moderationseffekt wie folgt dargestellt werden (Klarmann 2008, S. 66): ݕൌ ܽ ܾݔ, wobei ܾ ൌ ܿ ݀ݖ. Dabei bezeichnet ݕdie abhängige Variable, ݔdie unabhängige Variable und ݖder Moderator. ܽ und ܿ stehen für einen konstanten Term; ܾ gibt die Stärke und Richtung des Zusammenhangs zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variable an. ݀ spiegelt die Stärke und
124
Grundlagen der empirischen Untersuchung
Richtung des Zusammenhangs zwischen ݖund ܾ wider. Wird die zweite Gleichung in die erste eingesetzt und ausmultipliziert, erhält man ݕൌ ܽ ܿ ݔ ݀ݔݖ. Aus dieser Gleichung wird deutlich, dass ein moderierender Effekt durch einen Interaktionsterm aus der unabhängigen Variable und der Moderatorvariable dargestellt werden kann. Ein vollständiges Moderationsmodell mit direktem Effekt des Moderators wird durch folgende Formel wiedergegeben: ݕൌ ܽ ܿ ݔ ݀ ݔݖ ݂ݖ, wobei ݂ die Stärke des direkten Zusammenhangs zwischen ݖund ݕangibt (Klarmann 2008, S. 67). Ein Moderationseffekt liegt vor, wenn ݀ sich signifikant von Null unterscheidet; der direkte Effekt der interagierenden Variablen muss dagegen nicht signifikant sein (Cohen et al. 2003, S. 285). Der direkte Effekt einer moderierenden Variable sollte trotzdem in jedem Fall in Moderationsanalysen berücksichtigt werden, um auszuschließen, dass signifikante Moderatoreffekte ganz oder teilweise den direkten Effekt der interagierenden Variablen widerspiegeln, und um zu überprüfen, ob der gefundene moderierende Effekt von der Lage des Nullpunkts der interagierenden Variablen abhängt (Irwin/McClelland 2001, S. 104 f.). Zur Modellierung von Moderatoreffekten existieren zwei unterschiedliche Ansätze (u. a. Dalbert/Schmitt 1986, S. 36; Irwin/McClelland 2001, S. 106; Klarmann 2008, S. 69): -
-
Bei der Mehrgruppenanalyse bzw. Fraktionierungsmethode wird die Stichprobe anhand der Ausprägung der Variable, von der ein moderierender Effekt erwartet wird, in mehrere Subgruppen geteilt. Anschließend wird untersucht, ob zwischen den Teilstichproben signifikante Unterschiede vorliegen. Bei der Modellierung über einen Interaktionsterm wird das oben dargelegte formale Moderationsmodell bei der Modellspezifikation umgesetzt, indem das Produkt aus unabhängiger und moderierender Variable im Modell berücksichtigt wird.
Wie theoretische Überlegungen und diverse Simulationsstudien zeigen, ist die Modellierung über einen Interaktionsterm im Fall metrisch skalierter Moderatorvariablen der Mehrgruppenanalyse überlegen (Irwin/McClelland 2001, S. 105 ff.; Klarmann 2008, S. 81 ff.). Zum einen gehen durch die Teilung der Stichprobe in mehrere Teilstichproben Informationen verloren, zum anderen verändert sich bei der Mehrgruppenanalyse die Signifikanz der Interaktionen, je nachdem, wie die Teilstichproben gebildet werden, wodurch die Irrtumswahrscheinlichkeit bei der Hypothesenprüfung steigt (Dalbert/Schmitt 1986, S. 36; Irwin/McClelland 2001, S. 106). Aus diesen Gründen erfolgt in der vorliegenden Arbeit die Überprüfung der Hypothesen zu moderierenden Effekten mit Hilfe von Interaktionstermen.
Grundlegende Aspekte der Datenanalyse
125
Da sich die in Abschnitt 5.2.2 formulierten Hypothesen zu moderierenden Effekten auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und organisationaler Gerechtigkeit beziehen, der in der vorliegenden Arbeit mit dem Verfahren der Regressionsanalyse untersucht wird (vgl. Abschnitt 6.2.2.1), kommt zur Analyse der Moderatoreffekte die Regressionsanalyse mit Interaktionsterm zum Einsatz. Basis dieser Methode, die von Saunders (1956) entwickelt wurde, ist die in Abschnitt 6.2.2.1 erläuterte Regressionsanalyse (Zedeck 1971, S. 301). Zur Modellierung eines moderierenden Effekts wird das Grundmodell der Regressionsanalyse um das Produkt der interagierenden Variablen als zusätzlichen Prädiktor erweitert (Cohen et al. 2003, S. 255 ff.): ݕൌ ܽ ܾଵ ݔଵ Ǥ Ǥ Ǥ ܾ ݔ ܾାଵ ݖ ܾାଶ ݔଵ ȉ ݖ ݁. Hierbei repräsentieren die Beta-Gewichte ܾଵ bis ܾ die Richtung und Stärke der direkten Effekte der unabhängigen Variablen, ܾାଵ die Richtung und Stärke des direkten Effekts der Moderatorvariable und ܾାଶ die Richtung und Stärke des Interaktionseffekts. Ein Moderatoreffekt im klassischen Sinne liegt vor, wenn der Regressionskoeffizient ܾାଶ , aber nicht ܾାଵ signifikant wird (Baron/Kenny 1986, S. 1174; Stone-Romero/Anderson 1994, S. 354). ݖist dagegen als Quasi-Moderator zu bezeichnen, wenn beide Regressionskoeffizienten ܾାଶ und ܾାଵ sich signifikant von Null unterscheiden. Zusätzlich zu diesen Kriterien für einen signifikanten Moderatoreffekt wird in der Literatur gefordert, dass der Interaktionsterm über die anderen unabhängigen Variablen hinaus einen signifikanten Zuwachs an Varianzaufklärung leistet (Bedeian/Mossholder 1994, S. 162 f.; Müller 2009, S. 241 f.). Um dieses Kriterium zu testen, wird eine schrittweise Regressionsanalyse durchgeführt und mittels F-Test die Signifikanz der ܴଶ -Differenz ermittelt (vgl. Abschnitt 6.2.2.1). Um die Interpretation der Regressionskoeffizienten im Rahmen der moderierten Regressionsanalyse zu erleichtern, wird in der Literatur vorgeschlagen, die interagierenden Variablen vor Durchführung der Regressionsanalyse mit Interaktionstermen zu zentrieren (Echambadi/Hess 2007, S. 443; Klarmann 2008, S. 99). Bei diesem Verfahren wird von jedem beobachteten Wert einer Variable deren Mittelwert subtrahiert wird (Cohen et al. 2003, S. 261). Wird ein Konstrukt über mehrere Indikatorvariablen erfasst, wird zunächst für jeden Probanden der Mittelwert aller Indikatoren errechnet. Von diesem wird in einem zweiten Schritt der über alle Probanden hinweg ermittelte Konstruktmittelwert subtrahiert. Liegt ein klassischer Moderationseffekt vor, d. h. ist der direkte Effekt des Moderators nicht signifikant, kann der Regressionskoeffizient des Interaktionsterms nach der Mittelwertzentrierung wie folgt interpretiert werden: ܾାଶ gibt an, um wie viele Einheiten sich die Steigung des Zusammenhangs zwischen der unabhängigen Variable ݔଵ verändert, wenn der Moderator ݖum eine Einheit zunimmt (Jaccard/Turrisi/Wan 1994, S. 25). Im Gegensatz zu einer in der empirischen betriebswirtschaftlichen Forschung weitverbreiteten Annahme wird durch die Mittelwertzentrierung interagierender Variablen nicht die Gefahr einer Multikollinearität zwischen der unab-
126
Grundlagen der empirischen Untersuchung
hängigen bzw. der moderierenden Variable und dem Interaktionsterm reduziert (Echambadi/Hess 2007, S. 443; Klarmann 2008, S. 67).
127
7
Ergebnisse der Untersuchung
7.1
Operationalisierung der Konstrukte
Im folgenden Abschnitt wird die Operationalisierung, d. h. die Entwicklung von Messinstrumenten zur Erfassung der zu untersuchenden theoretischen Konstrukte (Homburg/Giering 1996, S. 5), erläutert. Ziel ist es, ein theoretisches Konstrukt, d. h. eine latente (nicht direkt beobachtbare) Variable, mit Hilfe manifester (direkt beobachtbarer) Variablen messbar zu machen. Diese Variablen werden als Indikatoren oder Items bezeichnet (Schnell/Hill/Esser 2005, S. 130 f.). Die Operationalisierung erfolgt in der vorliegenden Arbeit nach folgenden Grundsätzen: -
-
Ausgangspunkt jeder Operationalisierung ist die eindeutige Definition des Konstrukts sowie gegebenenfalls seine Abgrenzung gegenüber verwandten Begriffen (Rossiter 2002, S. 308). Da bereits bestehende und in der empirischen Praxis erprobte Messinstrumente den Vorteil aufweisen, dass ihre Güte hinsichtlich der für eine Messung zentralen Kriterien Reliabilität und Validität (vgl. Abschnitt 6.2) empirisch gesichert ist (Rhodes 1983, S. 358 ff.), soll wo möglich auf bereits validierte Messinstrumente zurückgegriffen
-
-
werden. Andernfalls werden bestehende Messmodelle unter möglichst geringen Veränderungen adaptiert oder, wie im Fall des in dieser Arbeit neu entwickelten Konstrukts Age Inclusion, eigene Messinstrumente erarbeitet. Die Messmodelle erfassen die Konstrukte über reflektive Indikatoren (vgl. Abschnitt 6.2). Jedes Konstrukt soll über mehrere, mindestens jedoch über zwei Indikatoren erfasst werden (Churchill 1979, S. 66; Jacoby 1978, S. 93). Bei der Operationalisierung muss berücksichtigt werden, dass die Messinstrumente die Grundlage eines Fragebogens bilden, der von den Mitarbeitern eines Unternehmens während ihrer Arbeitszeit beantwortet wird. Der Gesamtumfang des Fragebogens und damit die benötigte Bearbeitungszeit muss vor diesem Hintergrund in angemessenem, d. h. durchführbarem Rahmen gehalten werden. Angesichts der großen Zahl der zu erfassenden Konstrukte ist es deshalb erforderlich, die Anzahl der Indikatoren je Konstrukt – unter Berücksichtigung der Erfordernisse von Reliabilität und Validität (vgl.
G. Bieling, Age Inclusion, DOI 10.1007/978-3-8349-6204-1_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
128
Ergebnisse der Untersuchung
-
-
Abschnitt 6.2) – möglichst gering zu halten und umfangreiche Skalen gegebenenfalls zu reduzieren. Um die Verständlichkeit und Akzeptanz bei den Probanden sicherzustellen, sollen die Items möglichst knapp und verständlich formuliert und eindeutig interpretierbar sein (Borg 2003, S. 140 f.; Homburg/Krohmer 2008, S. 45). Dadurch kann dazu beigetragen werden, Common Method Bias (vgl. Abschnitt 6.1.1) zu vermeiden (Podsakoff et al. 2003, S. 887). Um eine größtmögliche Standardisierung und damit Objektivität der Messinstrumente zu gewährleisten, sollen die Fragen und Antwortmöglichkeiten soweit wie möglich vorgegeben werden. Dies ist eine Grundvoraussetzung für die Reliabilität und Validität der Konstruktmessung (Schnell/Hill/Esser 2005, S. 323 ff.).
Im Folgenden werden für jedes Konstrukt bzw. jede Konstruktdimension die Items genannt, welche in der empirischen Studie zu dessen Messung herangezogen werden. Darüber hinaus wird berichtet, inwieweit die jeweiligen Messmodelle die in Abschnitt 6.2 erläuterten Gütekriterien erfüllen. Soweit nicht anders angegeben, werden die Antworten der Probanden auf einer siebenstufigen Likert-Skala mit den sprachlichen Ankern (1) „stimme überhaupt nicht zu“ und (7) „stimme voll zu“ erfasst. 7.1.1
Operationalisierung der unabhängigen Variablen
Das Konstrukt Age Inclusion beschreibt den von den Beschäftigten eines Unternehmens wahrgenommenen Grad der Integration von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters (vgl. Abschnitt 3.3). Es umfasst 15 Dimensionen, die zu zwei Gruppen zusammengefasst werden können (vgl. Abschnitt 3.4). Um die Konstruktdimensionen empirisch zu messen, wurden für jede Dimensionen mehrere Items formuliert. Inhaltlich decken diese Items jene Aspekte ab, die für die jeweilige Dimension im Rahmen der Bestandsaufnahme bestehender Literatur zum Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen als relevant identifiziert wurden (vgl. Abschnitt 3.1). Dabei soll mit den Indikatoren gemessen werden, ob die Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters durch das Unternehmen von den Probanden als defizit- oder potenzialorientiert wahrgenommen wird. Dadurch wird es möglich, die wahrgenommene Age Inclusion einer bestimmten Dimension auf einem Kontinuum mit zwei Polen einzustufen (vgl. Abschnitt 3.2). Die erste Gruppe von Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion bilden die harten Faktoren. Dazu gehören die Unternehmensstrategie und die Personalmanagement-Systeme. Um die Age Inclusion im Bereich der Unternehmensstrategie zu erfassen, wurden drei Items entwickelt, die in Tabelle 7-1 aufgeführt sind. Wie Tabelle 7-1 zeigt, erfüllt das Messmodell alle in dieser Arbeit herangezogenen Gütekriterien und erreicht in allen Kriterien hohe Werte. Die Güte der Messung der Dimension Unternehmensstrategie des Konstrukts Age Inclusion wird deshalb als sehr zufriedenstellend bewertet.
Operationalisierung der Konstrukte
129
Tabelle 7-1: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Unternehmensstrategie) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP wird den Mitarbeitern strategische Bedeutung zugemessen unabhängig von ihrem Alter.
0,688
0,524
36,563
Zu den langfristigen Zielen von HP gehört die Bindung leistungsstarker Mitarbeiter aller Altersgruppen.
0,819
0,843
50,393
Die Investition in leistungsstarke Mitarbeiter aller Altersgruppen ist Teil der Unternehmensstrategie von HP.
0,808
0,799
48,540
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,881
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
80,838
Faktorreliabilität
0,885
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,722
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Im Bereich der Personalmanagement-Systeme umfasst das Konstrukt Age Inclusion zehn Dimensionen (vgl. Abschnitt 3.4). Diese können in Anlehnung an Stock-Homburg (2010, S. 99) in die beiden Teilbereiche Mitarbeiterflusssysteme und Belohnungssysteme unterteilt werden. Ersterem werden folgende acht Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion zugeordnet: Personalbedarfsplanung, Personalgewinnung, Personalentwicklung, Karrieremanagement, Aufgabenverteilung, Arbeitszeitgestaltung, Gesundheitsmanagement und Personalfreisetzung. Zur Messung der Dimension Personalbedarfsplanung werden in der vorliegenden Arbeit drei Indikatoren verwendet (vgl. Tabelle 7-2). Wie Tabelle 7-2 zeigt, erfüllt das sich hieraus ergebende Messmodell alle Gütekriterien der ersten Generation. Im Hinblick auf die Gütekriterien der zweiten Generation ist zu konstatieren, dass zwei Indikatorvariablen den Grenzwert der Indikatorreliabilität knapp verfehlen. Da es sich bei beiden Items jedoch um inhaltlich wichtige Aspekte der Konstruktdimension handelt und die faktorbezogenen Gütekriterien der zweiten Generation erfüllt werden, wurde entschieden, alle drei in Tabelle 7-2 aufgeführten Indikatoren in der Skala zu belassen. Insgesamt ist die Güte der Konstruktmessung als akzeptabel einzustufen.
130
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-2: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalbedarfsplanung) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP ist die Einstellung älterer Personen zur Deckung des Personalbedarfs nicht vorgesehen.*
0,530
0,352
25,644
Bei der Planung des zukünftigen Personalbestandes achtet HP darauf, dass eine ausgewogene Altersstruktur im Unternehmen sichergestellt ist, d. h. dass alle Altersgruppen gleichmäßig im Unternehmen vertreten sind.
0,549
0,399
27,159
HP plant zur Deckung seines Personalbedarfs qualifizierte Mitarbeiter aus allen Altersgruppen einzustellen.
0,715
0,943
39,415
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,762
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
68,304
Faktorreliabilität
0,787
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,565
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
*gedrehtes Item
Zur Operationalisierung der Dimension Personalgewinnung des Konstrukts Age Inclusion wurden vier Items entwickelt. Diese sind zusammen mit den Kriterien zur Gütebeurteilung in Tabelle 7-3 wiedergegeben. Es zeigt sich, dass sowohl die Kriterien der ersten als auch der zweiten Generation erfüllt werden, weshalb die Konstruktmessung als zufriedenstellend zu bewerten ist. Tabelle 7-3: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalgewinnung) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei den Personalmarketing-Aktivitäten (Stellenanzeigen etc.) von HP stehen vor allem jüngere Bewerber im Fokus.*
0,610
0,490
32,530
Mit dem Alter eines Bewerbers sinken bei HP seine Chancen auf eine Stelle.*
0,658
0,573
35,825
Mit seinen Personalmarketing-Aktivitäten (Stellenanzeigen etc.) spricht HP bewusst Bewerber aller Altersgruppen an.
0,627
0,508
33,267
Passen die Kompetenzen eines Bewerbers und die Anforderungen der Stelle zusammen, spielt bei der Personalauswahl von HP das Alter keine Rolle.
0,614
0,494
32,705
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,808
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
63,708
Faktorreliabilität
0,810
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,516
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
*gedrehtes Item
Operationalisierung der Konstrukte
131
Die Dimension Personalentwicklung des Konstrukts Age Inclusion wird über fünf Items erfasst. Wie Tabelle 7-4 zeigt, erreicht das sich hieraus ergebende Messmodell die Anspruchsniveaus der Gütekriterien der ersten Generation. Auch der Grenzwert für die Faktorreliabilität, ein Gütekriterium der zweiten Generation, wird erfüllt. Dagegen liegt die durchschnittlich erfasste Varianz mit 0,441 unter dem geforderten Wert von 0,5. Allerdings zeigt sich, dass die DEV durch eine Elimination von Items mit einer niedrigen Indikatorreliabilität (IR < 0,4) nicht erhöht werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde entschieden, alle Items in der Skala zu belassen. Dadurch ist sichergestellt, dass alle für das Konzept der Age Inclusion relevanten Aspekte der Personalentwicklung im Messinstrument abgedeckt werden. Tabelle 7-4: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalentwicklung) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP werden Mitarbeiter mit hohem Entwicklungspotenzial unabhängig von ihrem Alter durch Personalentwicklungsmaßnahmen gefördert.
0,544
0,336
26,093
Bei HP werden Personalentwicklungsmaßnahmen an bestimmte Zielgruppen (z. B. neue Mitarbeiter, erfahrene Mitarbeiter) angepasst.
0,509
0,277
23,246
Die bei HP üblichen Personalentwicklungsmaßnahmen berücksichtigen die altersspezifischen Stärken und Schwächen der teilnehmenden Mitarbeiter.
0,544
0,338
26,182
HP stellt sicher, dass Mitarbeiter unterschiedlicher Altersgruppen die Möglichkeit haben, ihre Ideen und Erfahrungen auszutauschen.
0,620
0,593
36,946
HP setzt verschiedene Instrumente ein, um den Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen zu fördern.
0,660
0,663
39,649
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,794
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
54,989
Faktorreliabilität
0,794
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,441
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Zur Messung der Dimension Karrieremanagement des Konstrukts Age Inclusion werden in der vorliegenden Arbeit zwei Items verwendet, die in Tabelle 7-5 aufgeführt sind. Da für ein Messmodell mit zwei Indikatorvariablen die Gütekriterien der zweiten Generation nicht berechnet werden können, werden in Tabelle 7-5 lediglich die Werte für die Gütekriterien der ersten Generation berichtet. Alle geforderten Grenzwerte werden erreicht, die Güte kann als zufriedenstellend eingestuft werden.
132
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-5: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Karrieremanagement) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP können sich potenzialstarke Mitarbeiter unabhängig von ihrem Alter durch interne Stellenwechsel beruflich weiterentwickeln.
0,626
a)
a)
Bei HP kann sich ein Mitarbeiter, der wenige Jahre vor dem Ende seines Berufslebens steht, noch beruflich verändern.
0,524
a)
a)
Faktorbezogene Gütekriterien
a)
Cronbach’s Alpha
0,733
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
78,944
Faktorreliabilität
a)
Durchschnittlich erfasste Varianz
a)
Fornell/Larcker-Kriterium
a)
Gütekriterium kann für Skala mit lediglich zwei Items nicht berechnet werden
Das Messmodell der Dimension Aufgabenverteilung des Konstrukts Age Inclusion umfasst vier Items (vgl. Tabelle 7-6). Wie Tabelle 7-6 zeigt, erfüllt die Skala weder die faktorbezogenen Gütekriterien der ersten Generation noch die der zweiten Generation: Mit 0,642 liegt Cronbach’s Alpha unter dem Grenzwert von 0,7, die erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse liegt knapp unter 50 %, die durchschnittlich erfasste Varianz erreicht mit 0,329 nicht den Grenzwert von 0,4 und das Fornell/Larcker-Kriterium wird nicht erfüllt. Lediglich die Faktorreliabilität ist als ausreichend einzustufen. Damit ist die Güte des Messmodells als unzureichend zu bewerten; es kann bei der Überprüfung der Forschungshypothesen nicht berücksichtigt werden.
Operationalisierung der Konstrukte
133
Tabelle 7-6: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Aufgabenverteilung) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP gibt es Stellen, die grundsätzlich nicht mit Mitarbeitern besetzt werden, die ein bestimmtes Alter erreicht haben.*
0,389
0,209
17,812
Bei HP werden altersbedingte Veränderungen der Kompetenzen eines Mitarbeiters bei der Stellenbesetzung nicht berücksichtigt.*
0,341
0,154
15,170
Die Stellenzuteilung bei HP erfolgt mit dem Ziel, den individuellen Stärken bzw. Entwicklungspotenzialen der Mitarbeiter gerecht zu werden.
0,464
0,425
24,408
Verändern sich mit dem Alter die Interessen bzw. Fähigkeiten eines Mitarbeiters, hat er bei HP die Möglichkeit, seine Stelle zu wechseln.
0,505
0,530
26,453
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,642
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
48,543
Faktorreliabilität
0,649
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,329
Fornell/Larcker-Kriterium
nicht erfüllt
*gedrehtes Item
Die Dimension Arbeitszeitgestaltung des Konstrukts Age Inclusion wird mit Hilfe von drei Items gemessen, die in Tabelle 7-7 aufgeführt sind. Wie hieraus hervorgeht, erfüllt die Skala alle in Abschnitt 6.2 geforderten Anspruchsniveaus; ihre Güte ist als zufriedenstellend zu beurteilen. Tabelle 7-7: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Arbeitszeitgestaltung) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP können die Arbeitszeiten eines Mitarbeiters nicht an altersbedingte Veränderungen der individuellen Leistungsfähigkeit angepasst werden.*
0,605
0,496
30,931
Bei HP ist eine Absenkung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit für ältere Mitarbeiter nicht möglich.*
0,686
0,769
37,991
Verändert sich mit dem Alter die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters, kann er seine Arbeitszeit entsprechend anpassen.
0,546
0,384
27,356
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,775
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
68,942
Faktorreliabilität
0,782
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,550
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
*gedrehtes Item
134
Ergebnisse der Untersuchung
Die Skala zur Messung der Dimension Gesundheitsmanagement des Konstrukts Age Inclusion umfasst fünf Indikatoren. Tabelle 7-8 führt die Itemformulierungen auf und gibt für diese die indikator- und faktorbezogenen Gütekriterien der ersten und zweiten Generation wieder. Während alle faktorbezogenen Gütekriterien erfüllt werden, weisen zwei Indikatorvariablen eine Indikatorreliabilität auf, die unter dem Grenzwert von 0,4 liegt. Auf eine Elimination der Items wird jedoch verzichtet, weil sie inhaltlich wichtige Facetten des Gesundheitsmanagements im Hinblick auf den Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen abdecken. Dies gilt insbesondere für Item 5, das den Aspekt der physischen Gesundheit thematisiert, welche aktuell zunehmend an Bedeutung gewinnt (Stock-Homburg 2010b, S. 820 ff.). Zudem ist im Fall von Item 2 zu konstatieren, dass das Anspruchsniveau nur knapp verfehlt wird. Insgesamt kann die Messung der Dimension Gesundheitsmanagement als akzeptabel eingestuft werden. Tabelle 7-8: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Gesundheitsmanagement) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP werden Belastungsfolgen und mögliche gesundheitliche Schäden bei der Gestaltung der Arbeitsplätze nicht berücksichtigt.*
0,667
0,601
37,048
HP kümmert sich nicht um die Gesundheit und Fitness jener Mitarbeiter, die am Ende ihres Berufslebens stehen.*
0,543
0,398
28,643
HP unterstützt Mitarbeiter aller Altersgruppen aktiv dabei, sich lebenslang fit und gesund zu halten.
0,599
0,437
30,381
Bei HP sind alle Arbeitsplätze so gestaltet, dass einseitige Belastungen und gesundheitliche Schäden vermieden werden.
0,607
0,498
32,972
Bei HP werden Mitarbeiter aller Altersgruppen unterstützt, wenn psychische Probleme auftreten.
0,510
0,323
25,242
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,801
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
55,822
Faktorreliabilität
0,803
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,451
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
*gedrehtes Item
Die Dimension Personalfreisetzung des Konstrukts Age Inclusion schließt die Reihe der Dimensionen, die den Mitarbeiterflusssystemen des Personalmanagements zuzuordnen sind. Zur Operationalisierung wurden vier Items formuliert, die in Tabelle 7-9 aufgeführt sind. Die dort ebenfalls angegebenen Gütekriterien der ersten und zweiten Generation werden mit einer Ausnahme erfüllt: Item 1 weist eine zu niedrige Indikatorreliabilität auf. Da das Anspruchsniveau jedoch lediglich um 0,001 verfehlt wird und die Skala insgesamt wie anhand der
Operationalisierung der Konstrukte
135
faktorbezogenen Gütekriterien abzulesen ist eine ausreichende Güte aufweist, wird Item 1 in der Skala belassen und die Güte insgesamt als akzeptabel eingestuft. Tabelle 7-9: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalfreisetzung) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP hat man kein Interesse daran, das Know-how pensionierter Mitarbeiter weiter zu nutzen.*
0,537
0,399
27,566
Bei HP wird das Ausscheiden eines erfahrenen Mitarbeiters als Know-how-Verlust wahrgenommen.
0,618
0,561
33,382
Bei HP ist man daran interessiert, leistungsstarke Mitarbeiter möglichst lange im Unternehmen zu halten.
0,535
0,415
28,173
Bei HP können sich pensionierte Mitarbeiter weiter aktiv ins Unternehmen einbringen.
0,562
0,426
28,634
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,761
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
58,602
Faktorreliabilität
0,765
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,450
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
*gedrehtes Item
In der Kategorie Belohnungssysteme des Personalmanagements umfasst das Konstrukt Age Inclusion zwei Dimensionen: die Personalbeurteilung und die Personalvergütung. Erstere wird über vier Indikatoren erfasst, die zusammen mit den entsprechenden Gütekriterien in Tabelle 7-10 aufgeführt sind. Während die faktorbezogenen Gütekriterien alle erfüllt werden, weisen die indikatorbezogenen Gütekriterien in drei Fällen eine Unterschreitung der geforderten Grenzwerte auf: Item 4 hat eine zu geringe Item to Total-Korrelation, Item 3 und 4 haben eine Indikatorreliabilität, die unter dem Anspruchsniveau von 0,4 liegt. Aus zwei Gründen wird jedoch auf eine Elimination dieser Items verzichtet: Zum einen ist wie die fakorbezogenen Gütekriterien belegen die Güte der Skala insgesamt ausreichend, zum anderen decken die Indikatoren inhaltlich zentrale Aspekte der Personalbeurteilung im Zusammenhang mit dem Konzept der Age Inclusion ab. Zusammenfassend ist die Güte des Messmodells als akzeptabel zu bewerten.
136
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-10: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalbeurteilung) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP werden jüngere Mitarbeiter bei der Personalbeurteilung tendenziell besser beurteilt als ältere.*
0,551
0,506
31,697
Bei HP erhalten ältere Mitarbeiter seltener Feedback zu ihrer Leistung als jüngere Kollegen.*
0,643
0,689
37,334
Bei HP ist sichergestellt, dass das Leistungsvermögen von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen realistisch und vorurteilsfrei beurteilt wird.
0,521
0,288
23,271
Bei HP erhalten alle Mitarbeiter unabhängig von ihrem Alter regelmäßig Feedback zu ihrer Leistung.
0,489
0,299
23,735
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,754
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
57,708
Faktorreliabilität
0,756
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,445
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
*gedrehtes Item
Die Personalvergütung ist die zweite Dimension des Konstrukts Age Inclusion im Bereich der Belohnungssysteme des Personalmanagements. Sie wird über zwei Items erfasst (vgl. Tabelle 7-11). Daher können lediglich die Gütekriterien der ersten Generation berechnet werden. Wie Tabelle 7-11 zeigt, werden diese mit sehr guten Werten erfüllt, weshalb das Messmodell insgesamt eine zufriedenstellende Güte aufweist. Tabelle 7-11: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Personalvergütung) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP spielt bei der Gehaltsfindung die Leistung die wichtigste Rolle.
0,741
a)
a)
Bei HP orientiert sich das Gehalt eines Mitarbeiters insbesondere an dessen Kompetenzen (z. B. Qualifikationen, Wissen etc.).
0,741
a)
a)
Faktorbezogene Gütekriterien
a)
Cronbach’s Alpha
0,848
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
87,056
Faktorreliabilität
a)
Durchschnittlich erfasste Varianz
a)
Fornell/Larcker-Kriterium
a)
Gütekriterium kann für Skala mit lediglich zwei Items nicht berechnet werden
Operationalisierung der Konstrukte
137
Zu den weichen Faktoren von Age Inclusion gehören die Unternehmenskultur und das soziale Arbeitsumfeld. Im Bereich der Unternehmenskultur umfasst das Konstrukt Age Inclusion zwei Dimensionen: die Wertschätzungs- sowie die Lern- und Kooperationskultur. Beide Konstruktdimensionen werden über drei Items erfasst. In Tabelle 7-12 sind für die Dimension Wertschätzungskultur die Indikatorvariablen sowie die indikator- als auch die faktorbezogenen Gütekriterien angegeben. Das Messinstrument erfüllt alle in Abschnitt 6.2 definierten Anspruchsniveaus mit hohen Werten, weshalb seine Güte als zufriedenstellend einzustufen ist. Tabelle 7-12: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Wertschätzungskultur) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP werden die unterschiedlichen Stärken von Mitarbeitern verschiedener Altersgruppen wertgeschätzt.
0,794
0,764
46,970
Bei HP wird der Austausch zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen als Beitrag zum Unternehmenserfolg wertgeschätzt.
0,794
0,767
47,151
Bei HP wird das Erfahrungswissen älterer Mitarbeiter als wertvolles Erfolgspotenzial geschätzt.
0,744
0,638
41,358
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,885
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
81,441
Faktorreliabilität
0,887
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,723
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Tabelle 7-13 gibt die drei Items zur Messung der Dimension Lern- und Kooperationskultur wieder. Die Grenzwerte für die faktorbezogenen Gütekriterien der ersten Generation, Cronbach’s Alpha und die erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse, werden erreicht. Eine Elimination von Indikatorvariablen ist nach diesem ersten Schritt der Gütebeurteilung (vgl. Abschnitt 6.2) folglich nicht erforderlich. Unter den faktorbezogenen Gütekriterien der zweiten Generation wird dagegen das Anspruchsniveau für die durchschnittlich erfasste Varianz knapp verfehlt. Eine Elimination eines der beiden Items, die eine zu geringe Indikatorreliabilität aufweisen, führt jedoch nicht zu einer Erhöhung der DEV, weshalb entschieden wurde, diese Items in der Skala zu belassen. Die Güte der Konstruktmessung der Dimension Lern- und Kooperationskultur muss vor diesem Hintergrund als lediglich akzeptabel eingestuft werden.
138
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-13: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Lern- und Kooperationskultur) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP wird von den Mitarbeitern erwartet, dass sie mit Personen unterschiedlicher Altersgruppen konstruktiv zusammenarbeiten.
0,452
0,283
22,301
Bei HP wird von allen Mitarbeitern unabhängig von ihrem Alter erwartet, dass sie ihr Wissen und ihre Fähigkeiten auf dem Laufenden halten.
0,639
0,741
32,663
Bei HP wird lebenslanges Lernen als Beitrag zum Unternehmenserfolg wertgeschätzt.
0,551
0,464
27,374
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,716
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
64,810
Faktorreliabilität
0,740
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,496
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Im Bereich soziales Arbeitsumfeld werden in der vorliegenden Arbeit zwei Dimensionen von Age Inclusion unterschieden: die Einstellungen und das Verhalten von Vorgesetzten und die Einstellungen und die Verhaltensweisen von Kollegen. Die erst genannte Konstruktdimension wird über sechs Indikatoren erfasst, welche in Tabelle 7-14 wiedergegeben werden. Zudem werden dort die Gütekriterien des Messmodells berichtet. Wie Tabelle 7-14 zeigt, werden alle in Abschnitt 6.2 festgelegten Anspruchsniveaus weit überschritten. Die Güte des Messmodells ist deshalb als sehr zufriedenstellend einzustufen.
Operationalisierung der Konstrukte
139
Tabelle 7-14: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Einstellungen und Verhalten von Vorgesetzten) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Die Mehrzahl der Führungskräfte bei HP ist der Meinung, dass es von Vorteil ist, Mitarbeiter unterschiedlicher Altersgruppen zusammenzubringen, da sie sich in ihren Kompetenzen gegenseitig ergänzen.
0,647
0,448
32,870
Die Mehrzahl der Führungskräfte bei HP setzt Mitarbeiter unterschiedlichen Alters so ein, dass sich ihre Fähigkeiten optimal ergänzen.
0,708
0,613
40,857
Die Mehrzahl der Führungskräfte bei HP schätzt das Leistungsvermögen von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters realistisch und vorurteilsfrei ein.
0,756
0,679
44,055
Die Mehrzahl der Führungskräfte bei HP erkennt gute Leistungen eines Mitarbeiters an unabhängig von dessen Alter.
0,789
0,729
46,620
Die Mehrzahl der Führungskräfte bei HP fördert potenzialstarke Mitarbeiter unabhängig von deren Alter.
0,728
0,560
38,220
Die Mehrzahl der Führungskräfte bei HP fördert den Austausch zwischen Mitarbeitern unterschiedlichen Alters.
0,745
0,587
39,577
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,900
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
66,868
Faktorreliabilität
0,900
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,603
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Die Konstruktdimension Einstellungen und Verhalten von Kollegen wird über fünf Items gemessen (vgl. Tabelle 7-15). Wie aus Tabelle 7-15 hervorgeht, erfüllt dieses Messmodell die Gütekriterien der ersten und zweiten Generation mit einer Ausnahme: Item 1 weist mit 0,377 eine Indikatorreliabilität auf, die leicht unter dem Grenzwert von 0,4 liegt. Da jedoch die faktorbezogenen Gütekriterien mit hohen bis sehr hohen Werten erfüllt werden, wurde entschieden, das Item in der Skala zu belassen, da es inhaltlich von Relevanz ist. Insgesamt ist die Güte des Messmodells als zufriedenstellend zu bewerten.
140
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-15: Operationalisierung des Konstrukts Age Inclusion (Dimension Einstellungen und Verhalten von Kollegen) Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Der typische Mitarbeiter bei HP ist der Meinung, dass Mitarbeiter jeder Altersgruppe über besondere Kompetenzen verfügen.
0,565
0,377
29,170
Der typische Mitarbeiter bei HP ist bereit, Ratschläge erfahrener Kollegen anzunehmen.
0,764
0,687
43,915
Der typische Mitarbeiter bei HP ist offen für Anregungen jüngerer Mitarbeiter.
0,775
0,704
44,752
Der typische Mitarbeiter bei HP erkennt gute Leistungen von Kollegen an unabhängig von deren Alter.
0,652
0,521
36,037
Der typische Mitarbeiter bei HP ist im Umgang mit Mitarbeitern anderer Altersgruppen frei von Vorurteilen.
0,758
0,658
42,527
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,874
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
66,596
Faktorreliabilität
0,876
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,589
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
7.1.2
Operationalisierung der als Mechanismen fungierenden Variablen
Zur Messung der vier Facetten der organisationalen Gerechtigkeit liegen zahlreiche, inhaltlich teilweise sehr unterschiedliche Messinstrumente vor. In der vorliegenden Arbeit wurden die von Colquitt (2001) entwickelten Items verwendet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich inhaltlich an den Konstruktdefinitionen der einflussreichsten Arbeiten aus dem Bereich der organisationalen Gerechtigkeit orientieren (Colquitt/Shaw 2005, S. 128). Zudem wird die wahrgenommene Fairness indirekt gemessen, d. h. es wird nicht direkt gefragt, wie fair der Umgang im Unternehmen eingeschätzt wird. Vielmehr werden die Probanden gebeten, ihre Einschätzung der organisationalen Gerechtigkeit anhand verschiedener Fairnesskriterien anzugeben (Colquitt 2001, S. 388). Diese indirekten Messungen haben den Vorteil, dass signifikante Zusammenhänge mit abhängigen Variablen mit höherer Wahrscheinlichkeit identifiziert werden können (Colquitt et al. 2001, S. 430). In der vorliegenden Arbeit werden die Konstrukte distributive, informationale und interpersonelle Gerechtigkeit über drei Indikatoren erfasst; die prozedurale Gerechtigkeit wird mit vier Items gemessen. Die Itemformulierungen und die Güte der Messmodelle sind in den Tabellen Tabelle 7-16, Tabelle 7-17, Tabelle 7-18 und Tabelle 7-19 aufgeführt.
Operationalisierung der Konstrukte
141
Wie Tabelle 7-16 zeigt, erfüllen die Indikatoren zur Messung des Konstrukts distributive Gerechtigkeit die indikatorbezogenen Gütekriterien mit sehr hohen Werten. Auch im Hinblick auf die faktorbezogenen Gütekriterien werden alle Anspruchsniveaus übererfüllt. Vor diesem Hintergrund ist die Konstruktmessung als sehr zufriedenstellend zu beurteilen. Tabelle 7-16: Operationalisierung des Konstrukts distributive Gerechtigkeit Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Die Ressourcen, die ich bei HP aus meiner Arbeitstätigkeit erhalte, stehen in angemessenem Verhältnis zu meinen Leistungen.
0,871
0,841
51,556
Die Ressourcen, die ich bei HP aus meiner Arbeitstätigkeit erhalte, spiegeln meinen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens wider.
0,851
0,789
48,961
Die Ressourcen, die ich bei HP aus meiner Arbeitstätigkeit erhalte, sind im Vergleich zu meinen Leistungen gerechtfertigt.
0,874
0,852
52,084
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,934
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
88,469
Faktorreliabilität
0,935
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,827
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Wie aus Tabelle 7-17 hervorgeht, erfüllt auch das Messmodell des Konstrukts prozedurale Gerechtigkeit alle indikator- und faktorbezogenen Gütekriterien, die in der vorliegenden Arbeit herangezogen werden. Die Werte sind zwar im Vergleich zu den Werten des Messmodells zur Erfassung der distributiven Gerechtigkeit etwas geringer, liegen jedoch ebenfalls weit über den in Abschnitt 6.2 festgelegten Anspruchsniveaus. Insgesamt ist die Güte der Messung des Konstrukts prozedurale Gerechtigkeit als sehr hoch zu bewerten.
142
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-17: Operationalisierung des Konstrukts prozedurale Gerechtigkeit Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to Total- IndikatorKorrelation reliabilität
t-Wert der Faktorladung
Die Verfahren und Entscheidungen im Umgang mit Beschäftigten bei HP werden einheitlich und konsequent angewandt.
0,695
0,613
37,768
Die Verfahren und Entscheidungen im Umgang mit Beschäftigten bei HP sind nicht durch Vorurteile geprägt.
0,679
0,569
35,938
Die Verfahren und Entscheidungen im Umgang mit Beschäftigten bei HP basieren auf fehlerfreien Informationen.
0,686
0,591
36,870
Die Verfahren und Entscheidungen im Umgang mit Beschäftigten bei HP entsprechen ethischen und moralischen Standards.
0,658
0,531
34,368
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,844
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
68,181
Faktorreliabilität
0,845
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,576
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Die drei Items zur Erfassung des Konstrukts informationale Gerechtigkeit sowie die entsprechenden Gütekriterien sind in Tabelle 7-18 aufgeführt. Die Werte der Gütekriterien sowohl der ersten als auch der zweiten Generation liegen weit über den geforderten Grenzwerten, weshalb das Messmodell zur Erfassung der informationalen Gerechtigkeit als sehr zufriedenstellend einzustufen ist. Tabelle 7-18: Operationalisierung des Konstrukts informationale Gerechtigkeit Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP erklärt man mir Abläufe, die mich betreffen, gründlich.
0,769
0,731
43,667
Die Erklärungen, die ich zu Abläufen und Entscheidungen, die mich betreffen, erhalte, sind verständlich und nachvollziehbar.
0,815
0,874
49,575
Bei HP ist man in der Kommunikation mit mir offen und aufrichtig.
0,672
0,507
34,502
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,869
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
79,540
Faktorreliabilität
0,876
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,704
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Wie Tabelle 7-19 zeigt, erreicht das Messmodell zur Erfassung des Konstrukts interpersonelle Gerechtigkeit im Hinblick auf alle Gütekriterien sehr hohe Werte. Vor diesem Hintergrund ist
Operationalisierung der Konstrukte
143
auch die Güte des vierten Messmodells im Bereich der organisationalen Gerechtigkeit als sehr zufriedenstellend zu bewerten. Tabelle 7-19: Operationalisierung des Konstrukts interpersonelle Gerechtigkeit Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Bei HP pflegt man einen höflichen Umgang mit mir.
0,852
0,767
48,244
Bei HP pflegt man einen würdevollen Umgang mit mir.
0,924
0,953
57,967
Bei HP behandelt man mich mit Respekt.
0,888
0,848
52,416
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,945
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
90,237
Faktorreliabilität
0,947
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,856
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Wie in Abschnitt 4.1.2 erläutert, kann die wahrgenommene Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitsumfeld über verschiedene Konstrukte erfasst werden. In der vorliegenden Arbeit werden die in der bestehenden Literatur etabliertesten Operationalisierungen, die Konstrukte Perceived Organizational Support (POS), Leader-Member-Exchange (LMX) und Team-Member-Exchange (TMX), verwendet. POS wird über vier Items aus der von Eisenberger und Kollegen (1986, S. 502) entwickelten Skala erfasst. Wie Tabelle 7-20 zeigt, erreicht das Messmodell in der vorliegenden Studie sowohl bei den indikator- als auch bei den faktorbezogenen Gütekriterien hohe bis sehr hohe Werte, die teilweise weit über den geforderten Mindestwerten liegen. Das Messmodell insgesamt ist folglich als sehr zufriedenstellend einzustufen.
144
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-20: Operationalisierung des Konstrukts Perceived Organizational Support Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
HP berücksichtigt meine Ziele und Werte in hohem Maße.
0,775
0,731
44,620
HP ist mein Wohlergehen wirklich wichtig.
0,814
0,839
49,525
HP zeigt sehr wenig Interesse an mir.*
0,608
0,430
31,054
0,658
0,521
35,265
HP ist stolz auf meine Leistungen bei der Arbeit.
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,862
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
71,382
Faktorreliabilität
0,870
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,630
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
*gedrehtes Item
Die vier in Tabelle 7-21 aufgeführten Indikatoren zur Erfassung von LMX sind der Arbeit von Wayne, Shore und Liden (1997, S. 96) entnommen. Das hieraus hervorgehende Messmodell erfüllt alle in Abschnitt 6.2 definierten Kriterien für eine hohe Güte der Konstruktmessung (vgl. Tabelle 7-21). Tabelle 7-21: Operationalisierung des Konstrukts Leader-Member-Exchange Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Die Zusammenarbeit zwischen meinem Vorgesetzten und mir ist sehr effektiv.
0,844
0,778
48,335
Normalerweise weiß ich, wie zufrieden mein Vorgesetzter mit meiner Arbeit ist.
0,817
0,726
45,702
Mein Vorgesetzter versteht meine Probleme und Bedürfnisse.
0,831
0,764
47,606
Mein Vorgesetzter hat genug Vertrauen in mich, dass er meine Entscheidungen vertreten und verteidigen würde, wenn ich nicht da wäre, um dies selbst zu tun.
0,856
0,814
50,160
Faktorbezogene Gütekriterien
Cronbach’s Alpha
0,931
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
82,756
Faktorreliabilität
0,931
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,770
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Operationalisierung der Konstrukte
145
Die Messung von TMX erfolgt mit Hilfe von fünf Items, die ursprünglich von Seers (1989, S. 124 f.) als offene Fragen formuliert wurden. In der vorliegenden Arbeit werden sie in der Fassung von Murphy und Kollegen (2003, S. 73) eingesetzt, welche die Items von Seers (1989) in Aussagesätze umformuliert haben. Die Indikatoren und die entsprechenden Gütekriterien sind in Tabelle 7-22 aufgeführt. Diese zeigt, dass die Konstruktmessung alle geforderten Anspruchsniveaus erreicht oder übererfüllt; ihre Güte ist deshalb als sehr hoch zu bewerten. Tabelle 7-22: Operationalisierung des Konstrukts Team-Member-Exchange Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Ich kann meine Kollegen um Hilfe bitten.
0,615
0,460
31,528
Ich bin bereit Aufgaben zu erledigen, die einem meiner Kollegen zugewiesen wurden.
0,683
0,558
35,866
Meine Kollegen und ich schlagen uns gegenseitig Wege vor, um unsere Arbeitsweisen zu verbessern.
0,706
0,602
37,778
Ich biete meinen Kollegen häufig von mir aus Hilfe an.
0,648
0,514
33,917
Meine Kollegen sind bereit, Aufgaben zu übernehmen, die mir zugewiesen wurden.
0,682
0,567
36,288
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,850
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
63,121
Faktorreliabilität
0,854
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,540
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
7.1.3
Operationalisierung der Erfolgsgrößen
Zunächst wird im Folgenden beschrieben, wie die einstellungsbezogenen Erfolgsgrößen operationalisiert werden. Das affektive Commitment der Probanden wird über zwei Indikatoren erfasst, die der Skala von Meyer, Allen und Smith (1993, S. 544) entnommen sind. In Tabelle 7-23 sind diese Items aufgeführt. Darüber hinaus enthält Tabelle 7-23 die Werte, welche die Konstruktmessung bei den Gütekriterien der ersten Generation erreicht. Eine Berechnung der Gütekriterien der zweiten Generation ist auf Grund der zu geringen Itemanzahl nicht möglich. Auf Basis der in Tabelle 7-23 enthaltenen Gütekriterien ist die Güte des Messmodells zur Erfassung des affektiven Commitments als zufriedenstellend einzustufen.
146
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-23: Operationalisierung des Konstrukts Affektives Commitment Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
HP hat für mich eine große persönliche Bedeutung.
0,673
a)
a)
Ich würde sehr gerne den Rest meiner beruflichen Laufbahn bei HP verbringen.
0,673
a)
a)
Faktorbezogene Gütekriterien
a)
Cronbach’s Alpha
0,803
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
83,632
Faktorreliabilität
a)
Durchschnittlich erfasste Varianz
a)
Fornell/Larcker-Kriterium
a)
Gütekriterium kann für Skala mit lediglich zwei Items nicht berechnet werden
Zur Messung der Arbeitszufriedenheit wurden drei Items eingesetzt, die von Hackman und Oldham (1975, S. 164) als Teil des Job Diagnostic Surveys entwickelt wurden. Tabelle 7-24 listet die Indikatoren sowie die indikator- und faktorbezogenen Gütekriterien dieses Konstrukts auf. Die in Abschnitt 6.2 geforderten Mindestwerte werden mit einer Ausnahme erreicht: Item 2 weist mit 0,388 eine zu geringe Indikatorreliabilität auf. Da jedoch lediglich ein Kriterium der zweiten Generation nicht erfüllt ist, ist eine Elimination dieses Items nicht erforderlich. Insgesamt ist die Güte der Messung des Konstrukts Arbeitszufriedenheit als akzeptabel einzustufen. Tabelle 7-24: Operationalisierung des Konstrukts Arbeitszufriedenheit Indikatorbezogene Gütekriterien Item Mit der Art meiner Tätigkeiten bin ich im Allgemeinen zufrieden.
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
0,685
0,623
36,405
Ich denke selten darüber nach, meine Stelle zu wechseln.
0,587
0,388
27,921
Alles in allem bin ich mit meiner Arbeit sehr zufrieden.
0,775
0,943
46,891
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,814
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
74,964
Faktorreliabilität
0,844
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,651
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Im Fokus des Konstrukts Lernmotivation, wie es in der vorliegenden Arbeit definiert wird (vgl. Abschnitt 5.1), steht die generelle, situationsübergreifende Bereitschaft, sich weiterzubilden. Bestehende empirische Studien, die sich mit der Lernmotivation auseinandersetzen,
Operationalisierung der Konstrukte
147
beziehen sich dagegen ausschließlich auf die Lernbereitschaft in einer spezifischen Situation, beispielsweise im Hinblick auf eine konkrete Weiterbildungsmaßnahme. Da die dort eingesetzten Messinstrumente folglich inhaltlich nicht der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Definition gerecht werden, wird zur Messung der Lernmotivation ein selbst entwickeltes Instrument eingesetzt. Die vier Items wurden in Anlehnung an Warr und Bunce (1995, S. 357) sowie Pulakos und Kollegen (2000, S. 617) konzipiert und in einer unveröffentlichten Studie auf Basis der Daten von 197 Mitarbeitern eines Automobilzulieferers validiert (Bieling 2007, S. 84 ff.). Die Indikatoren zur Erfassung des Konstrukts Lernmotivation sind in Tabelle 7-25 aufgeführt. Zudem sind Tabelle 7-25 die entsprechenden Gütekriterien zu entnehmen. Sowohl im Hinblick auf die Gütekriterien der ersten als auch der zweiten Generation werden ausreichende bis hohe Werte erreicht, weshalb die Güte des Messmodells insgesamt als zufriedenstellend eingestuft werden kann. Tabelle 7-25: Operationalisierung des Konstrukts Lernmotivation Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Ich bin interessiert daran, neue Wege zu erlernen, um meine Aufgaben zu erfüllen.
0,612
0,412
29,887
Ich bin bereit, Leistungsdefizite durch entsprechendes Training auszugleichen.
0,766
0,686
42,370
Ich bin sehr daran interessiert, aus den mir zur Verfügung stehenden Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten Nutzen zu ziehen.
0,806
0,826
48,708
Ich bin bereit, alles Erforderliche zu tun, um mein Wissen und meine Fähigkeiten auf dem Laufenden zu halten.
0,729
0,650
40,706
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,871
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
72,674
Faktorreliabilität
0,877
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,643
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Zur Erfassung der Motivation zum Wissensaustausch werden drei Items herangezogen, die von Collins und Smith (2006, S. 559) entwickelt wurden. Tabelle 7-26 listet die verwendeten Itemformulierungen auf. Wie Tabelle 7-26 zu entnehmen ist, erfüllt das aus den Items hervorgehende Messmodell sowohl die indikator- als auch die faktorbezogenen Gütekriterien, die in der vorliegenden Arbeit herangezogen werden. Es werden in allen Bereichen ausreichende bis hohe Werte erreicht, weshalb die Güte des Messmodells insgesamt als hoch zu bewerten ist.
148
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-26: Operationalisierung des Konstrukts Motivation zum Wissensaustausch Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Ich sehe einen Nutzen darin, Wissen mit Kollegen auszutauschen.
0,699
0,623
38,058
Ich bin bereit, mein Wissen mit Kollegen auszutauschen, um Probleme zu lösen oder neue Ideen zu entwickeln.
0,791
0,884
47,503
Ich bin sehr interessiert daran, an WissenstransferAktivitäten teilzunehmen und davon zu profitieren.
0,639
0,480
32,632
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,839
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
76,580
Faktorreliabilität
0,853
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,662
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Die verhaltensbezogenen Erfolgsgrößen Engagement und Effektivität werden über drei bzw. fünf Indikatoren erhoben. Die Items, mit denen das arbeitsbezogene Engagement der Probanden gemessen wird, gehen auf Brown und Leigh (1996, S. 367) zurück. Sie sind zusammen mit den entsprechenden Gütekriterien in Tabelle 7-27 aufgeführt. Wie daraus hervorgeht, werden sowohl im Hinblick auf die Gütekriterien der ersten als auch der zweiten Generation hohe bis sehr hohe Werte erreicht, die über den geforderten Grenzwerten liegen. Damit kann die Güte der Konstruktmessung insgesamt als sehr zufriedenstellend eingestuft werden. Tabelle 7-27: Operationalisierung des Konstrukts Engagement Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Ich stecke all meine Energie in die Erledigung meiner Aufgaben.
0,656
0,837
46,79
Ich gebe mein Bestes, um bei der Arbeit erfolgreich zu sein.
0,621
0,507
33,91
Ich bearbeite alle meine Arbeitsaufgaben mit vollem Einsatz.
0,621
0,716
42,06
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,756
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
62,328
Faktorreliabilität
0,867
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,687
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
Zur Erfassung der Effektivität werden drei Items von Stock-Homburg (2006, S. 597) sowie zwei Items von Flood und Kollegen (2000, S. 419), die sich jeweils auf die Teameffektivität
Deskriptive Statistiken und Korrelationsanalysen
149
beziehen, übernommen und im Hinblick auf die individuelle Messebene umformuliert. Wie Tabelle 7-28 zeigt, erfüllen die fünf Items alle in der vorliegenden Arbeit geforderten Mindestwerte für die Gütebeurteilung. Auf Grund der hohen bis sehr hohen Werte ist die Konstruktmessung insgesamt als sehr zufriedenstellend einzustufen. Tabelle 7-28: Operationalisierung des Konstrukts Effektivität Indikatorbezogene Gütekriterien Item
Item to TotalKorrelation
Indikatorreliabilität
t-Wert der Faktorladung
Ich leiste gute Arbeit.
0,709
0,569
36,92
Meine Anstrengungen bei der Arbeit führen meist zum Erfolg.
0,729
0,612
38,93
Bei der Erledigung meiner Aufgaben bin ich sehr effektiv.
0,715
0,581
37,47
Ich erreiche meist die gesteckten Arbeitsziele.
0,741
0,638
40,20
Bei meiner Arbeit bin ich insgesamt sehr erfolgreich.
0,781
0,716
43,77
Faktorbezogene Gütekriterien Cronbach’s Alpha
0,891
Erklärte Varianz der exploratorischen Faktorenanalyse
69,784
Faktorreliabilität
0,892
Durchschnittlich erfasste Varianz
0,623
Fornell/Larcker-Kriterium
erfüllt
7.1.4
Operationalisierung der moderierenden Variable und der Kontrollvariablen
In der vorliegenden Arbeit wird das chronologische Alter eines Mitarbeiters als potenzieller Moderator der betrachteten Zusammenhänge untersucht. Es wird über eine offene Frage erfasst, indem die Probanden gebeten werden, ihr Alter in Jahren anzugeben. Als Kontrollvariablen werden in der Untersuchung die Berufserfahrung und die Betriebszugehörigkeit eines Mitarbeiters berücksichtigt. Die Erfassung beider Variablen erfolgt über offene Fragen („Seit wie vielen Jahren arbeiten Sie bereits in dem Berufszweig, in dem Sie derzeit tätig sind?“ bzw. „Seit wie vielen Jahren arbeiten Sie bereits bei HP?“).
7.2
Deskriptive Statistiken und Korrelationsanalysen
Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten geprüft wurde, ob die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Operationalisierungen eine ausreichende Güte aufweisen, kann durch Mittelwertbildung über alle Items einer Skala für jeden Probanden und jedes Konstrukt der Konstruktwert errechnet werden. Dieser bildet die Ausgangsbasis für die deskriptive Statistik, d. h. die rein beschreibende Darstellung der Daten (Diehl/Kohr 2004, S. 3). Auf Grund ihrer mangelnden Güte wird die Dimension Arbeitsgestaltung des Konstrukts Age Inclusion von allen weiteren Datenanalysen ausgeklammert.
150
Ergebnisse der Untersuchung
In Tabelle 7-29 sind die Mittelwerte und Standardabweichungen der untersuchten Konstrukte aufgeführt. Der Mittelwert wird berechnet, indem die Summe der Konstruktwerte über alle Probanden durch die Anzahl der Probanden geteilt wird (Homburg/Klarmann/Krohmer 2008, S. 218). Er beschreibt das durchschnittliche Antwortverhalten der Befragungsteilnehmer und kann damit als Lageparameter, der die „typischen“ bzw. „durchschnittlichen“ Merkmale einer Verteilung charakterisiert, herangezogen werden (Homburg et al. 2008, S. 157). Die Standardabweichung (standard deviation, SD) ist ein Maß für die Streuung der Werte der Probanden um den Mittelwert; als Streuungsparameter beschreibt sie, „wie eng bzw. weit die einzelnen Merkmalswerte über den Bereich der Merkmalsskala verteilt sind“ (Homburg/Klarmann/Krohmer 2008, S. 218). Die Standardabweichung wird berechnet, indem aus der Varianz einer Verteilung die Quadratwurzel gezogen wird. Wie Tabelle 7-29 zu entnehmen ist, bewegen sich die Mittelwerte der unabhängigen, der mediierenden und der abhängigen Variablen, die alle über eine siebenstufige Likert-Skala erfasst wurden, zwischen 3,1860 (Age Inclusion, Dimension Personalbedarfsplanung) und 5,6743 (Team-Member-Exchange). Die Standardabweichung erreicht ihren kleinsten Wert beim Konstrukt Team-Member-Exchange (0,8447); die höchste Standardabweichung weist mit 1,5246 das Konstrukt Age Inclusion (Dimension Personalvergütung) auf. Insgesamt lassen diese Werte nicht auf ein verzerrtes Antwortverhalten schließen. Tabelle 7-29: Mittelwerte und Standardabweichungen der untersuchten Konstrukte Konstrukt
Mittelwert
SD
Einflussfaktoren
Age Inclusion (Dimension Unternehmensstrategie)
3,7335
1,3907
Age Inclusion (Dimension Personalbedarfsplanung)
3,1860
1,1407
Age Inclusion (Dimension Personalgewinnung)
3,2241
1,0691
Age Inclusion (Dimension Personalentwicklung)
3,8178
0,9787
Age Inclusion (Dimension Karrieremanagement)
4,3204
1,2726
Age Inclusion (Dimension Arbeitszeitgestaltung)
4,2448
1,2505
Age Inclusion (Dimension Gesundheitsmanagement)
4,2003
1,1441
Age Inclusion (Dimension Personalfreisetzung)
3,3762
1,1460
Age Inclusion (Dimension Personalbeurteilung)
4,4720
1,1035
Age Inclusion (Dimension Personalvergütung)
4,1089
1,5246
Age Inclusion (Dimension Wertschätzungskultur)
4,0319
1,2973
Age Inclusion (Dimension Lern- und Kooperationskultur)
5,6535
0,9997
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Vorgesetzten)
4,2927
1,1108
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Kollegen)
5,1578
0,9221
Deskriptive Statistiken und Korrelationsanalysen
151
Konstrukt
Mittelwert
SD
Mechanismen Distributive Gerechtigkeit
3,9706
1,3698
Prozedurale Gerechtigkeit
4,2642
1,1403
Informationale Gerechtigkeit
4,3693
1,3157
Interpersonelle Gerechtigkeit
5,5777
1,1660
Perceived Organizational Support
3,9645
1,2957
Leader-Member-Exchange
5,1068
1,3197
5,6743
0,8447
Team-Member-Exchange Erfolgsgrößen Affektives Commitment
3,9706
1,3700
Arbeitszufriedenheit
4,2642
1,1403
Lernmotivation
4,3693
1,3160
Motivation zum Wissensaustausch
5,5777
1,1660
Engagement
3,9645
1,2957
Effektivität
5,1068
1,3197
Moderator- und Kontrollvariablen Chronologisches Alter
43,08
9,094
Berufserfahrung
16,15
9,078
Betriebszugehörigkeit
13,13
8,605
Nächster Schritt der Datenanalyse ist die Analyse der Korrelationen, d. h. des Grades der gemeinsamen Variation zweier Variablen (Homburg/Klarmann/Krohmer 2008, S. 223). In der vorliegenden Arbeit wird für die Korrelationsanalysen der Pearson-Produkt-MomentKorrelationskoeffizient (r) herangezogen. Dieser Korrelationskoeffizient beschreibt die Enge des linearen Zusammenhangs zwischen zwei intervallskalierten Variablen unter Berücksichtigung von Skalen- und Varianzunterschieden zwischen den beiden Variablen (Diehl/Kohr 2004, S. 152 ff.). Er kann Werte zwischen -1 und 1 annehmen, wobei -1 einen perfekt linearen, negativen Zusammenhang zwischen zwei Größen widerspiegelt und bei r = 1 ein perfekt linearer, positiver Zusammenhang anzunehmen ist (Hair et al. 2006, S. 171). Ein Korrelationskoeffizient von 0 gibt an, dass zwischen den beiden untersuchten Größen kein linearer Zusammenhang besteht (Homburg et al. 2008, S. 159). In Tabelle 7-30 sind die Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten für alle Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion aufgeführt. Wie Tabelle 7-30 zeigt, korrelieren alle Dimensionen auf dem 1%-Niveau signifikant positiv miteinander. Die beiden Dimensionen Arbeitszeitgestaltung und Personalvergütung weisen mit 0,12 die niedrigste Korrelation auf. Mit 0,71 besteht zwischen den Dimensionen Personalbedarfsplanung und Personalgewinnung der stärkste Zusammenhang.
152
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-30: Korrelationen zwischen den Dimensionen des Konstrukts Age Inclusiona) Variable
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Unterneh1 mensstrategie 2
Personalbedarfsplanung
0,60
3
Personalgewinnung
0,51
0,71
4
Personalentwicklung
0,60
0,56
0,52
5
Karrieremanagement
0,48
0,46
0,49
0,54
6
Arbeitszeitgestaltung
0,23
0,28
0,30
0,30
0,33
7
Gesundheitsmanagement
0,46
0,39
0,36
0,53
0,45
0,41
8
Personalfreisetzung
0,56
0,59
0,53
0,57
0,44
0,35
0,47
Personal9 beurteilung
0,45
0,42
0,47
0,50
0,52
0,35
0,49
0,43
10
Personalvergütung
0,46
0,25
0,18
0,39
0,36
0,12
0,34
0,33
0,35
11
Wertschätzungskultur
0,68
0,61
0,56
0,70
0,50
0,29
0,48
0,59
0,50
0,37
0,38
0,25
0,24
0,43
0,45
0,22
0,40
0,28
0,41
0,35
0,48
Einstellungen/ 13 Verhalten von 0,61 Vorgesetzten
0,53
0,53
0,70
0,61
0,35
0,57
0,58
0,63
0,51
0,70
0,51
Einstellungen/ 14 Verhalten von 0,26 Kollegen
0,23
0,28
0,35
0,39
0,25
0,35
0,23
0,41
0,21
0,34
0,39
Lern- und 12 Kooperationskultur
a)
0,49
Alle Korrelationen sind auf dem 1%-Niveau zweiseitig signifikant
Tabelle 7-31 gibt die Korrelationen zwischen den verschiedenen Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion und den im Bezugsrahmen als Mechanismen fungierenden Variablen wieder. Diese Korrelationen sind ebenfalls durchweg positiv und auf dem 1%-Niveau signifikant. Die Werte schwanken zwischen 0,06 (Age Inclusion, Dimension Unternehmensstrategie TeamMember-Exchange) und 0,67 (Age Inclusion, Dimension Einstellungen/Verhalten von Vorgesetzten Perceived Organizational Support).
Deskriptive Statistiken und Korrelationsanalysen
153
Tabelle 7-31: Korrelationen zwischen (a) den Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion und (b) den Dimensionen der Konstrukte organisationale Gerechtigkeit bzw. Qualität sozialer Austauschbeziehungena)
a)
Variable
Distributive Gerechtigkeit
Prozedurale Gerechtigkeit
Informationale Gerechtigkeit
Interpersonelle Gerechtigkeit
Perceived Org. Support
LeaderMemberExchange
TeamMemberExchange
Unternehmensstrategie
0,41
0,49
0,49
0,38
0,62
0,25
0,06
Personalbedarfsplanung
0,30
0,39
0,40
0,29
0,50
0,21
0,08
Personalgewinnung
0,23
0,36
0,37
0,31
0,44
0,22
0,11
Personalentwicklung
0,38
0,48
0,52
0,40
0,59
0,31
0,17
Karrieremanagement
0,31
0,47
0,44
0,41
0,48
0,29
0,20
Arbeitszeitgestaltung
0,10
0,25
0,24
0,25
0,30
0,19
0,15
Gesundheitsmanagement
0,39
0,49
0,51
0,44
0,56
0,28
0,18
Personalfreisetzung
0,31
0,38
0,42
0,28
0,54
0,21
0,08
Personalbeurteilung
0,32
0,52
0,51
0,46
0,49
0,39
0,21
Personalvergütung
0,47
0,42
0,40
0,31
0,46
0,25
0,10
Wertschätzungskultur
0,33
0,46
0,52
0,41
0,61
0,30
0,14
Lern- und Kooperationskultur
0,26
0,40
0,38
0,40
0,39
0,25
0,23
Einstellungen/ Verhalten von Vorgesetzten
0,45
0,62
0,61
0,53
0,67
0,43
0,24
Einstellungen/ Verhalten von Kollegen
0,22
0,43
0,39
0,50
0,36
0,29
0,39
Alle Korrelationen sind auf dem 1%-Niveau zweiseitig signifikant
Wie Tabelle 7-32 zeigt, sind die Korrelationen zwischen den verschiedenen Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion und den Erfolgsgrößen im Durchschnitt wesentlich geringer als die Korrelationen zwischen den Dimensionen von Age Inclusion und den mediierenden Variablen. Teilweise erreichen die Zusammenhänge nicht das 5%-Signifikanzniveau. Dies kann als erstes Indiz dafür herangezogen werden, dass Age Inclusion sich nicht direkt auf die individuellen Erfolgsgrößen auswirkt, sondern der Zusammenhang von den in Tabelle 7-31 aufgeführten Variablen mediiert wird.
154
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-32: Korrelationen zwischen den Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion und den Erfolgsgrößen Variable
Affektives Commitment
Arbeitszufriedenheit
Lernmotivation
Motivation zum Engagement Effektivität Wissensaustausch
Unternehmensstrategie
0,36**
0,34**
0,00
0,06*
0,06**
0,02
Personalbedarfsplanung
0,22**
0,22**
-0,02
0,04
0,07**
0,02
Personalgewinnung
0,16**
0,20**
-0,02
0,05*
0,04
0,02
Personalentwicklung
0,29**
0,30**
0,01
0,09**
0,07**
0,03
Karrieremanagement
0,22**
0,26**
0,03
0,13**
0,03
0,03
Arbeitszeitgestaltung
0,10**
0,12**
0,06**
0,07**
-0,02
0,02
Gesundheitsmanagement
0,32**
0,28**
0,09**
0,12**
0,07**
0,06**
Personalfreisetzung
0,23**
0,21**
-0,03
0,01
0,04
-0,01
Personalbeurteilung
0,26**
0,26**
0,06**
0,17**
0,08**
0,08**
Personalvergütung
0,31**
0,27**
0,03
0,08**
0,04
0,01
Wertschätzungskultur
0,31**
0,31**
0,03
0,10**
0,09**
0,04
Lern- und Kooperationskultur
0,26**
0,22**
0,14**
0,25**
0,10**
0,13**
Einstellungen/ Verhalten von Vorgesetzten
0,34**
0,33**
0,05*
0,16**
0,07**
0,05*
Einstellungen/ Verhalten von Kollegen
0,20**
0,21**
0,17**
0,28**
0,13**
0,17**
* Korrelation ist auf dem 5%-Niveau zweiseitig signifikant ** Korrelation ist auf dem 1%-Niveau zweiseitig signifikant
In Tabelle 7-33 sind die Korrelationen zwischen den Dimensionen der Konstrukte organisationale Gerechtigkeit bzw. Qualität sozialer Austauschbeziehungen einerseits und den Erfolgsgrößen andererseits aufgeführt. Mit zwei Ausnahmen sind diese auf dem 1%-Niveau signifikant positiv. Die Werte bewegen sich zwischen 0,01 (Distributive Gerechtigkeit Lernmotivation) und 0,72 (Informationale Gerechtigkeit Perceived Organizational Support).
Deskriptive Statistiken und Korrelationsanalysen
155
Tabelle 7-33: Korrelationen zwischen (a) den Dimensionen der Konstrukte organisationale Gerechtigkeit bzw. Qualität sozialer Austauschbeziehungen und (b) den Erfolgsgrößena) Variable
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Distributive 1 Gerechtigkeit 2
Prozedurale Gerechtigkeit
0,48
3
Informationale Gerechtigkeit
0,45
0,61
4
Interpersonelle Gerechtigkeit
0,34
0,59
0,65
Perceived Org. 5 Support
0,51
0,60
0,72
0,57
6
Leader-MemberExchange
0,26
0,35
0,50
0,44
0,46
7
Team-MemberExchange
0,13
0,20
0,29
0,34
0,23
0,33
8
Affektives Commitment
0,37
0,36
0,42
0,34
0,48
0,27
0,17
9
Arbeitszufriedenheit
0,36
0,32
0,43
0,36
0,44
0,38
0,23
0,45
n.s.
0,06
0,09
0,16
0,07
0,14
0,34
0,16
0,09
0,10
0,16
0,19
0,29
0,14
0,23
0,57
0,20
0,18
0,50
0,08 0,04
0,07
0,08
0,08
0,09
0,10
0,18
0,21
0,17
0,32
0,21
0,10
0,15
0,16
0,14
0,22
0,29
0,19
0,25
0,37
0,30
10 Lernmotivation 11
Motivation z. Wissensaustausch
12 Engagement 13 Effektivität
0,01
n.s.
0,50
a)
Nicht gekennzeichnete Korrelationen sind auf dem 1%-Niveau zweiseitig signifikant n.s.) Korrelationen sind nicht signifikant
In der letzten Korrelationstabelle der vorliegenden Arbeit sind die Korrelationen zwischen allen im Bezugsrahmen enthaltenen Variablen und dem objektiven Alter (als potenzieller Moderatorvariable) sowie der Berufserfahrung und der Betriebszugehörigkeit (als Kontrollvariablen) aufgeführt (vgl. Tabelle 7-34). Wie Tabelle 7-34 zeigt, sind die Korrelationen zwischen dem objektiven Alter, der Berufserfahrung bzw. der Betriebszugehörigkeit und den anderen Variablen im Vergleich zu den in den vorangegangenen Tabellen berichteten Korrelationen als niedrig einzustufen. In den Fällen, in denen ein 1%-Signifikanzniveau erreicht wird, handelt es sich meist um negative Korrelationen. Dies deutet darauf hin, dass mit zunehmendem Alter, steigender Berufserfahrung bzw. zunehmender Betriebszugehörigkeit die Ausprägung der untersuchten Konstrukte tendenziell abnimmt.
156
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-34: Korrelationen zwischen (a) den Konstrukten des Bezugsrahmens und (b) den Moderator- und Kontrollvariablen Objektives Alter
Berufserfahrung
Betriebszugehörigkeit
Unternehmensstrategie
-0,16**
-0,12**
-0,09**
Personalbedarfsplanung
-0,34**
-0,29**
-0,25**
Personalgewinnung
-0,40**
-0,33**
-0,29**
Personalentwicklung
-0,21**
-0,14**
-0,11**
Karrieremanagement
-0,16**
-0,12**
-0,09**
Arbeitszeitgestaltung
-0,21**
-0,17**
-0,21**
Gesundheitsmanagement
-0,16**
-0,14**
-0,08**
Personalfreisetzung
-0,33**
-0,27**
-0,25**
Personalbeurteilung
-0,22**
-0,21**
-0,16**
Variable
Personalvergütung
0,04
0,04
0,07**
Wertschätzungskultur
-0,25**
-0,20**
-0,14**
Lern- und Kooperationskultur
-0,10**
-0,06**
0,01
Einstellungen/ Verhalten von Vorgesetzten
-0,21**
-0,16**
-0,10**
Einstellungen/ Verhalten von Kollegen
-0,12**
-0,10**
-0,06*
Distributive Gerechtigkeit
0,06**
0,06**
0,07**
Prozedurale Gerechtigkeit
-0,09**
-0,09**
-0,04
Informationale Gerechtigkeit
-0,11**
-0,10**
-0,01
Interpersonelle Gerechtigkeit
-0,14**
-0,12**
-0,03
Perceived Organizational Support
-0,12**
-0,10**
-0,03
Leader-Member-Exchange
-0,10**
-0,08**
-0,04
Team-Member-Exchange
-0,09**
-0,05*
-0,05*
Affektives Commitment
0,02
0,03
0,22**
Arbeitszufriedenheit
0,08**
0,10**
0,08**
Lernmotivation
-0,01
-0,02
-0,01
Motivation zum Wissensaustausch
-0,03
-0,01
0,00
Engagement
-0,01
0,01
0,01
Effektivität
-0,01
0,01
0,03
* Korrelation ist auf dem 5%-Niveau zweiseitig signifikant ** Korrelation ist auf dem 1%-Niveau zweiseitig signifikant
7.3 7.3.1
Hypothesenprüfung Prüfung der Hypothesen zu Haupteffekten
Die Hypothesen zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion und der wahrgenommenen organisationalen Gerechtigkeit werden mittels Regressionsanalysen überprüft (vgl. Abschnitt 6.2.2.1). Um den Einfluss dritter, im Bezugsrahmen nicht berücksichtigter Variablen zu kontrollieren, wird in Anlehnung an Williams, Vandenberg und Edwards (2009, S. 582 f.) ein zweistufiges Regressionsverfahren gewählt. Dabei werden in einem ersten Schritt alle Kontrollvariablen als unabhängige Variablen aufgenommen und das Bestimmtsmaß sowie die
Hypothesenprüfung
157
Regressionskoeffizienten für diese Prädiktoren berechnet. Anschließend werden zusätzlich die in Abschnitt 5.2.1.1 postulierten Einflussfaktoren als unabhängige Variablen hinzugezogen und erneut das Bestimmtheitsmaß sowie die Beta-Gewichte berechnet. Darüber hinaus werden die ܴଶ -Differenz und die Ergebnisse des F-Tests berichtet (vgl. Abschnitt 6.2.2.1). Gemäß den in Abschnitt 5.2.1.1 entwickelten Hypothesen wird erwartet, dass sich die harten und weichen Faktoren von Age Inclusion hinsichtlich ihres Einflusses auf die verschiedenen Dimensionen organisationaler Gerechtigkeit unterscheiden. Um zu überprüfen, welche Gruppe von Prädiktoren einen höheren Erklärungsbeitrag liefert, werden jeweils getrennte Regressionsanalysen mit derselben abhängigen Variable durchgeführt und die ܴଶ -Werte miteinander verglichen. Dieses Verfahren wird der hierarchischen Regressionsanalyse, bei der alle Prädiktoren gruppenweise in dieselbe Regressionsanalyse eingehen (Cohen et al. 2003, S. 164 f.), aus zwei Gründen vorgezogen. Zum einen erhöht jede Hinzunahme einer unabhängigen Variablen die durch das Bestimmtheitsmaß wiedergegebene Varianzaufklärung (Backhaus et al. 2008, S. 71). Da das Konstrukt Age Inclusion in der vorliegenden Arbeit durch 14 Variablen erfasst wird, bestünde die Gefahr, dass bei einer Regressionsanalyse mit diesen 14 unabhängigen Variablen und den drei Kontrollvariablen die Varianzaufklärung überschätzt wird. Darüber hinaus beeinflusst bei einer hierarchischen Regression die Reihenfolge der Variablen(blöcke) die Schätzergebnisse (Cohen et al. 2003, S. 165). Da in Bezug auf die verschiedenen Dimensionen von Age Inclusion eine Hierarchie der unabhängigen Variablen nicht theoretisch begründet werden kann, wird das Verfahren der hierarchischen Regressionsanalyse in der vorliegenden Arbeit nicht angewandt. In Tabelle 7-35 sind die Ergebnisse der Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen den harten Faktoren von Age Inclusion und der wahrgenommenen distributiven Gerechtigkeit aufgeführt. Zunächst wird deutlich, dass die Kontrollvariablen allein lediglich einen geringen Erklärungsbeitrag von unter einem Prozent leisten (ܴଶ = 0,006). Das objektive Alter und die Berufserfahrung haben keinen signifikanten Einfluss auf die distributive Gerechtigkeit, der positive Effekt der Betriebszugehörigkeit ist lediglich auf dem 10%-Niveau signifikant (vgl. Tabelle 7-35). Die Dimensionen von Age Inclusion, die den harten Faktoren zuzuordnen sind, erklären dagegen zusätzlich 31,7 % der Varianz des Konstrukts distributive Gerechtigkeit. Von den zehn untersuchten Einflussfaktoren weisen drei keinen signifikanten Effekt auf; der stärkste positive Einfluss geht von der Age Inclusion im Bereich der Personalvergütung (ߚ = 0,287) und der Age Inclusion in der Dimension Gesundheitsmanagement (ߚ = 0,163) aus. Lediglich eine Variable, die Dimension Arbeitszeitgestaltung des Konstrukts Age Inclusion, hat einen negativen Effekt auf die Wahrnehmung der distributiven Gerechtigkeit (vgl. Tabelle 7-35).
158
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-35: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit Erklärungsbeitrag der Prädiktoren ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
Objektives Alter
0,005 (0,135) /n.s.
0,101 (3,240) /***
Berufserfahrung
0,033 (0,948) /n.s.
0,032 (1,070) /n.s.
0,051 (1,802) /*
0,031 (1,301) /n.s.
Kontrollvariablen
Betriebszugehörigkeit Unabhängige Variablen Age Inclusion (Dimension Unternehmensstrategie)
0,094 (3,271) /***
Age Inclusion (Dimension Personalbedarfsplanung)
0,071 (2,232) /**
Age Inclusion (Dimension Personalgewinnung)
0,016 (0,537) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalentwicklung)
0,065 (2,251) /**
Age Inclusion (Dimension Karrieremanagement)
0,013 (0,505) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Arbeitszeitgestaltung)
-0,078 (-3,461) /***
Age Inclusion (Dimension Gesundheitsmanagement)
0,163 (6,311) /***
Age Inclusion (Dimension Personalfreisetzung)
0,036 (1,281) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalbeurteilung)
0,068 (2,626) /***
Age Inclusion (Dimension Personalvergütung)
0,287 (12,248) /***
Güte des Regressionsmodells ଶ
0,006
0,323
Korrigiertes ଶ
0,004
0,318
ଶ -Differenz F-Wert für ଶ -Differenz b) a) b)
0,006
0,317
3,599 **
83,864***
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant
Wie Tabelle 7-36 zeigt, weisen von den betrachteten weichen Faktoren von Age Inclusion lediglich zwei einen signifikant positiven Effekt auf die wahrgenommene distributive Gerechtigkeit im Unternehmen auf. Der Einfluss des Vorgesetzten ist mit einem Beta-Gewicht von 0,419 als relativ hoch einzustufen. Die weichen Faktoren von Age Inclusion erklären über die Kontrollvariablen hinaus 22,6 % der Varianz der distributiven Gerechtigkeit. Damit kann Hypothese H1a als bestätigt angenommen werden: Der Erklärungsbeitrag der harten Faktoren des Konstrukts Age Inclusion zur wahrgenommenen distributiven Gerechtigkeit ist höher als der der weichen Faktoren.
Hypothesenprüfung
159
Tabelle 7-36: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit Erklärungsbeitrag der Prädiktoren ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
Objektives Alter
0,005 (0,135) /n.s.
0,120 (3,687) /***
Berufserfahrung
0,033 (0,948) /n.s.
0,039 (1,253) /n.s.
0,051 (1,802) /*
0,036 (1,444) /n.s.
Kontrollvariablen
Betriebszugehörigkeit Unabhängige Variablen Age Inclusion (Dimension Wertschätzungskultur)
0,081 (2,748) /***
Age Inclusion (Dimension Lern- und Kooperationskultur)
0,020 (0,802) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Vorgesetzten)
0,419 (13,210) /***
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Kollegen)
-0,003 (-0,135) /n.s.
Güte des Regressionsmodells ଶ
0,006
0,232
Korrigiertes ଶ
0,004
0,229
ଶ -Differenz F-Wert für ଶ -Differenz b) a) b)
0,006
0,226
3,599**
132,060***
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant
Tabelle 7-37 zeigt die Effekte der Kontrollvariablen und der harten Faktoren von Age Inclusion auf die prozedurale Gerechtigkeit. In Bezug auf die Kontrollvariablen zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Zusammenhang mit der distributiven Gerechtigkeit: Lediglich eine Kontrollvariable, die Berufserfahrung, hat einen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable (p < 0,1). Insgesamt beträgt der Erklärungsbeitrag der Kontrollvariablen 1 %. Die zehn unabhängigen Variablen, von denen vier nicht signifikant sind und sechs einen signifikant positiven Effekt aufweisen (p < 0,01), leisten einen zusätzlichen Erklärungsbeitrag in Höhe von ܴଶ = 0,393. Sie erklären zusammen folglich fast 40 % der Varianz der prozeduralen Gerechtigkeit. Den stärksten Effekt auf die wahrgenommene prozedurale Gerechtigkeit geht mit einem Beta-Gewicht von 0,211 bzw. 0,185 von den Dimensionen Personalbeurteilung bzw. Gesundheitsmanagement des Konstrukts Age Inclusion aus (vgl. Tabelle 7-37).
160
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-37: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit Erklärungsbeitrag der Prädiktoren ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
Kontrollvariablen Objektives Alter
-0,057 (-1,571) /n.s.
0,065 (2,237)/ ***
Berufserfahrung
-0,065 (-1,844) /*
-0,053 (-1,913) /n.s.
0,026 (0,918) /n.s.
00,24 (1,057) /n.s.
Betriebszugehörigkeit Unabhängige Variablen Age Inclusion (Dimension Unternehmensstrategie)
0,123 (4,531) /***
Age Inclusion (Dimension Personalbedarfsplanung)
0,033 (1,123) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalgewinnung)
0,013 (0,470) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalentwicklung)
0,085 (3,147) /***
Age Inclusion (Dimension Karrieremanagement)
0,095 (3,918)/***
Age Inclusion (Dimension Arbeitszeitgestaltung)
0,010 (0,452) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Gesundheitsmanagement)
0,185 (7,667) /***
Age Inclusion (Dimension Personalfreisetzung)
-0,031 (-1,206) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalbeurteilung)
0,211 (8,703) /***
Age Inclusion (Dimension Personalvergütung)
0,146 (6,626) /***
Güte des Regressionsmodells ଶ
0,010
0,404
Korrigiertes ଶ
0,009
0,399
ଶ -Differenz F-Wert für ଶ -Differenz b) a) b)
0,010
0,393
6,289 **
118,000***
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant
Der Einfluss der Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion, welche den weichen Faktoren zuzuordnen sind, auf die wahrgenommene prozedurale Gerechtigkeit ist in Tabelle 7-38 dargestellt. Alle vier unabhängigen Variablen haben einen signifikant positiven Effekt auf die zu erklärende Variable, der stärkste geht von der Age Inclusion im Bereich der Einstellungen und Verhaltensweisen der Vorgesetzten aus (ߚ = 0,457). Der zusätzliche Erklärungsbeitrag der weichen Faktoren insgesamt ist mit 38,6 % nur geringfügig kleiner als der der harten Faktoren, weshalb die Hypothese H1b nicht angenommen werden kann.
Hypothesenprüfung
161
Tabelle 7-38: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit Erklärungsbeitrag der Prädiktoren ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
Kontrollvariablen Objektives Alter
-0,057 (-1,571) /n.s.
0,090 (3,106) /***
Berufserfahrung
-0,065 (-1,844) /*
-0,057 (-2,071) /**
0,026 (0,918) /n.s.
0,001 (0,061) /n.s.
Betriebszugehörigkeit Unabhängige Variablen Age Inclusion (Dimension Wertschätzungskultur)
0,064 (2,437) /**
Age Inclusion (Dimension Lern- und Kooperationskultur)
0,078 (3,510) /***
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Vorgesetzten)
0,457 (16,258) /***
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Kollegen)
0,151 (7,066) /***
Güte des Regressionsmodells ଶ
0,010
0,397
Korrigiertes ଶ
0,009
0,394
ଶ -Differenz F-Wert für ଶ -Differenz b) a) b)
0,010
0,386
6,289***
287,517***
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant
Die Ergebnisse der Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen den harten Faktoren von Age Inclusion und der wahrgenommenen informationalen Gerechtigkeit sind in Tabelle 7-39 aufgeführt. Obwohl alle drei Kontrollvariablen einen signifikanten Beta-Wert aufweisen, können sie lediglich 1,9 % der Varianz der abhängigen Variablen erklären. Die unabhängigen Variablen leisten zusammen einen zusätzlichen Erklärungsbeitrag von ܴ ଶ = 0,410, was einem Anteil erklärter Varianz von 41 % entspricht. Wie in Bezug auf die prozedurale Gerechtigkeit ist der Einfluss der Age Inclusion-Dimensionen Personalbedarfsplanung, Personalgewinnung, Arbeitszeitgestaltung und Personalfreisetzung nicht signifikant. Den größten Erklärungsbeitrag zur informationalen Gerechtigkeit leisten wiederum die Dimensionen Personalbeurteilung (ߚ = 0,211) und Gesundheitsmanagement (ߚ = 0,186) (vgl. Tabelle 7-39).
162
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-39: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener informationaler Gerechtigkeit Erklärungsbeitrag der Prädiktoren ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
Objektives Alter
-0,115 (-3,183) /***
0,025 (0,862) /n.s.
Berufserfahrung
-0,061 (-1,733) /*
-0,049 (-1,817) /*
Betriebszugehörigkeit
0,086 (3,039) /***
0,089 (4,019) /***
Kontrollvariablen
Unabhängige Variablen Age Inclusion (Dimension Unternehmensstrategie)
0,106 (3,992) /***
Age Inclusion (Dimension Personalbedarfsplanung)
0,027 (0,930) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalgewinnung)
0,004 (0,146) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalentwicklung)
0,169 (6,399) /***
Age Inclusion (Dimension Karrieremanagement)
0,049 (2,064) /**
Age Inclusion (Dimension Arbeitszeitgestaltung)
-0,014 (-0,678) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Gesundheitsmanagement)
0,186 (7,853) /***
Age Inclusion (Dimension Personalfreisetzung)
0,033 (1,308) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalbeurteilung)
0,211 (8,885) /***
Age Inclusion (Dimension Personalvergütung)
0,104 (4,819) /***
Güte des Regressionsmodells ଶ
0,019
0,429
Korrigiertes ଶ
0,017
0,425
ଶ -Differenz F-Wert für ଶ -Differenz b) a) b)
0,019
0,410
11,525***
128,541***
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant
Wie Tabelle 7-40 zu entnehmen ist, weisen drei Dimensionen von Age Inclusion, die den weichen Faktoren zuzuordnen sind, einen signifikant positiven Effekt auf die wahrgenommene informationale Gerechtigkeit auf (p < 0,01). Zusammen erklären sie 39,6 % der Varianz der abhängigen Variable; der Anteil erklärter Varianz liegt damit lediglich leicht unter dem Varianzerklärungsanteil der harten Faktoren. Dies kann als Beleg für Hypothese H1c gewertet werden. Unter den weichen Faktoren von Age Inclusion weist einmal mehr die Dimension Einstellungen und Verhalten von Vorgesetzten das größte Beta-Gewicht auf (ߚ = 0,401).
Hypothesenprüfung
163
Tabelle 7-40: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener informationaler Gerechtigkeit Erklärungsbeitrag der Prädiktoren ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
Objektives Alter
-0,115 (-3,183) /***
0,041 (1,442) /n.s.
Berufserfahrung
-0,061 (-1,733) /*
-0,051 (-1,889) /*
Betriebszugehörigkeit
0,086 (3,039) /***
0,068 (3,107) /***
Kontrollvariablen
Unabhängige Variablen Age Inclusion (Dimension Wertschätzungskultur)
0,199 (7,704) /***
Age Inclusion (Dimension Lern- und Kooperationskultur)
0,033 (1,522) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Vorgesetzten)
0,401 (14,486) /***
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Kollegen)
0,129 (6,143) /***
Güte des Regressionsmodells ଶ
0,019
0,415
Korrigiertes ଶ
0,017
0,412
ଶ -Differenz F-Wert für ଶ -Differenz b) a) b)
0,019
0,396
11,525***
303,603***
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant
In Tabelle 7-41 werden die Ergebnisse der Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen den harten Faktoren von Age Inclusion und der wahrgenommenen interpersonellen Gerechtigkeit berichtet. Von den untersuchten Kontrollvariablen sind zwei signifikant; ihr Varianzerklärungsanteil liegt jedoch zusammen lediglich bei 2,2 %. Von den zehn in Tabelle 7-41 aufgeführten unabhängigen Variablen weisen acht einen signifikanten Effekt auf; die Beta-Gewichte der Dimensionen Personalbedarfsplanung und Personalgewinnung sind nicht signifikant. Wie bereits im Zusammenhang mit der prozeduralen und der informationalen Gerechtigkeit ist festzustellen, dass die Dimensionen Personalbeurteilung und Gesundheitsmanagement die höchsten Beta-Gewichte aufweisen (ߚ = 0,209 bzw. 0,202). Eine unabhängige Variable, die Dimension Personalfreisetzung, weist mit einem BetaGewicht von -0,089 einen schwachen, jedoch signifikant negativen Effekt auf die wahrgenommene interpersonelle Gerechtigkeit auf. Zusammen erklären die harten Faktoren von Age Inclusion über die Kontrollvariablen hinaus 28,3 % der Varianz der abhängigen Variable.
164
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-41: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener interpersoneller Gerechtigkeit Erklärungsbeitrag der Prädiktoren ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
Kontrollvariablen Objektives Alter
-0,129 (-3,561) /***
-0,034 (-1,094) /n.s.
Berufserfahrung
-0,056 (-1,586) /n.s.
-0,041 (-1,382) /n.s.
0,063 (2,228) /**
0,059 (2,427) /**
Betriebszugehörigkeit Unabhängige Variablen Age Inclusion (Dimension Unternehmensstrategie)
0,091 (3,114) /***
Age Inclusion (Dimension Personalbedarfsplanung)
-0,041 (-1,262) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalgewinnung)
0,033 (1,064) /n.s.
Age Inclusion (Dimension Personalentwicklung)
0,069 (2,355) /**
Age Inclusion (Dimension Karrieremanagement)
0,119 (4,542) /***
Age Inclusion (Dimension Arbeitszeitgestaltung)
0,043 (1,899) /*
Age Inclusion (Dimension Gesundheitsmanagement)
0,202 (7,738) /***
Age Inclusion (Dimension Personalfreisetzung)
-0,089 (-3,149) /***
Age Inclusion (Dimension Personalbeurteilung)
0,209 (7,999) /***
Age Inclusion (Dimension Personalvergütung)
0,070 (2,954) /***
Güte des Regressionsmodells ଶ
0,022
0,305
Korrigiertes ଶ
0,020
0,300
ଶ -Differenz F-Wert für ଶ -Differenz b) a) b)
0,022
0,283
13,492***
72,945***
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant
Wie Tabelle 7-42 zeigt, haben alle Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion, die den weichen Faktoren zuzuordnen sind, einen signifikant positiven Einfluss auf die wahrgenommene interpersonelle Gerechtigkeit in Unternehmen. Die größten positiven Effekte gehen dabei von den Dimensionen von Age Inclusion auf, die sich auf die Einstellungen bzw. Verhaltensweisen von Kollegen bzw. Vorgesetzten beziehen (ߚ = 0,301 bzw. 0,278). Gemeinsam erklären die weichen Faktoren über die Kontrollvariablen hinaus 34,6 % der Varianz der abhängigen Variable. Damit ist Hypothese H1d anzunehmen, die postuliert, dass der Erklärungsbeitrag der weichen Faktoren von Age Inclusion zur interpersonellen Gerechtigkeit größer ist als der der harten Faktoren.
Hypothesenprüfung
165
Tabelle 7-42: Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener interpersoneller Gerechtigkeit Erklärungsbeitrag der Prädiktoren ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
ࢼ (t-Wert)a)/ Signifikanzniveaub)
Objektives Alter
-0,129 (-3,561) /***
0,000 (-0,016) /n.s.
Berufserfahrung
-0,056 (-1,586) /n.s.
-0,047 (-1,674) /*
0,063 (2,228) /**
0,038 (1,669) /*
Kontrollvariablen
Betriebszugehörigkeit Unabhängige Variablen Age Inclusion (Dimension Wertschätzungskultur)
0,059 (2,191) /**
Age Inclusion (Dimension Lern- und Kooperationskultur)
0,110 (4,846) /***
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Vorgesetzten)
0,278 (9,658) /***
Age Inclusion (Dimension Einstellungen/Verhalten von Kollegen)
0,301 (13,740) /***
Güte des Regressionsmodells ଶ
0,022
0,368
Korrigiertes ଶ
0,020
0,366
ଶ -Differenz F-Wert für ଶ -Differenz b) a) b)
0,022
0,346
13,492***
246,337***
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Mehrzahl der untersuchten Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion einen signifikant positiven Effekt auf die verschiedenen Facetten der organisationalen Gerechtigkeit hat. Von insgesamt 56 analysierten Regressionskoeffizienten sind lediglich zwei signifikant negativ; 16 sind anhand des t-Tests als nicht signifikant einzustufen. Insgesamt kann also von einem positiven Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit ausgegangen und damit Hypothese H1 angenommen werden. Die in den Abschnitten 5.2.1.2, 5.2.1.3 und 5.2.1.4 postulierten Hypothesen zum Zusammenhang zwischen organisationaler Gerechtigkeit, der Qualität sozialer Austauschbeziehungen und den arbeitsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen eines Mitarbeiters werden mit Hilfe des Verfahrens der Kausalanalyse überprüft (vgl. Abschnitt 6.2.2.1). Die Kontrollvariablen werden als exogene, d. h. unabhängige Variablen in das Kausalmodell integriert, wobei sowohl die Kovarianzen der Kontrollvariablen mit den anderen exogenen Variablen als auch der Einfluss der Kontrollvariablen auf alle endogenen, d. h. abhängigen Variablen als Modellparameter geschätzt werden (Williams/Vandenberg/Edwards 2009, S. 583). Abbildung 7-1 zeigt die Ergebnisse der Kausalanalyse im Überblick. Die Pfade zwischen den Kontrollvariablen und den abhängigen Variablen sind auf Grund zu großer
166
Ergebnisse der Untersuchung
Modellkomplexität nicht abgebildet. Effekte der Kontrollvariablen, die mindestens auf dem 10%-Niveau signifikant sind, werden in Tabelle 7-43 aufgeführt. Abbildung 7-1: Ergebnisse der Kausalanalyse Wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit
Distributive Gerechtigkeit
Wahrgenommene Qualität sozialer Austauschbeziehungen 0,1726 (9,15) 0,2012 (6,05)
Qualität der Austauschbez. zum Unternehmen
Arbeitsbezogene Einstellungen
0,4562 (15,76)
0,3056 (15,85)
Prozedurale Gerechtigkeit 0,6189 (20,14)
Qualität der Austauschbez. zum Vorgesetzten
Informationale Gerechtigkeit 0,1139 (3,71)
Interpersonelle Gerechtigkeit
Affektives Commitment 0,4313 (11,46)
Arbeitszufriedenheit 0,4549 (13,78)
0,1814 (9,65)
0,3892 (15,28)
0,1802 (10,82) 0,5040 (14,91)
Engagement
0,5600 (25,35)
Effektivität
Lernmotivation
0,2139 (5,47)
0,2471 (15,41)
Arbeitsbezogenes Verhalten
0,1331 (5,11)
Qualität der Austauschbez. zu Kollegen
Gütemaße:
0,7203 (24,00)
Motivation zum Wissensaustausch
Angabe der standardisierten Pfadkoeffizienten; t-W erte in Klammern
RMSEA = 0,0441
CFI = 0,9813
SRMR = 0,0557
NNFI = 0,9800
Alle Pfadkoeffizienten sind auf 1%-Niveau signifikant
Wie aus Abbildung 7-1 hervorgeht, erfüllt das Kausalmodell alle in Abschnitt 6.2.2.1 genannten Kriterien für eine sehr gute Modellgüte. Das hypothetische Modell bildet folglich die empirischen Daten sehr gut ab. Alle in den Abschnitten 5.2.1.2, 5.2.1.3 und 5.2.1.4 postulierten Hypothesen sind auf Grund der auf 1%-Niveau signifikanten Pfadkoeffizienten anzunehmen. Zusätzlich sind im Kausalmodell zwei Pfade enthalten, die nicht a priori auf Basis theoretischer Überlegungen angenommen wurden, jedoch nicht im Widerspruch zu den theoretisch-konzeptionellen Grundlagen der vorliegenden Arbeit stehen: -
Die wahrgenommene interpersonelle Gerechtigkeit wirkt sich nicht nur wie in Abschnitt 5.2.1.2 postuliert auf die Qualität der sozialen Austauschbeziehungen zum Vorgesetzten und zu Kollegen aus, sondern hat auch einen, wenn auch vergleichsweise geringen Einfluss auf die wahrgenommene Qualität der Austauschbeziehung eines Mitarbeiters zum Unternehmen als Ganzes. Dies kann als Indiz dafür interpretiert werden, dass die Probanden nicht allein ihre direkten Vorgesetzten oder ihre Kollegen für die Fairness in zwischenmenschlichen Begegnungen verantwortlich machen. Vielmehr weisen sie auch dem Unternehmen einen Einfluss auf die interpersonelle Gerechtigkeit zu. Ausprägungen der interpersonellen Gerechtigkeit wirken sich des-
Hypothesenprüfung
167
-
halb auch auf die Qualität der Austauschbeziehung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen aus. Die Arbeitszufriedenheit eines Mitarbeiters hat zusätzlich zu ihrem Effekt auf dessen Engagement einen positiven Einfluss auf die emotionale Bindung dieses Beschäftigten an das Unternehmen. Hohes affektives Commitment liegt vor, wenn ein Mitarbeiter hohes Vertrauen zu seinem Unternehmen aufweist, die Unternehmensziele akzeptiert und verinnerlicht hat und das starke Bedürfnis verspürt, in der Organisation zu verbleiben (Mowday/Porter/Steers 1982, S. 27). Eine mögliche Voraussetzung dafür ist, dass der Mitarbeiter mit seiner Arbeit zufrieden ist (Eby et al. 1999, S. 467), wie auch die vorliegenden empirischen Daten nahe legen. Der positive Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und affektivem Commitment konnte bereits in diversen empirischen Studien belegt werden (für einen Überblick Eby et al. 1999; Williams/Hazer 1986).
Tabelle 7-43: Signifikante Effekte der Kontrollvariablen im Rahmen der Kausalanalyse Pfadkoeffizient (t-Wert)a)
Signifikanzniveaub)
Obj. Alter Qualität sozialer Austauschbeziehung zum Unternehmen
-0,065 (-2,683)
***
Obj. Alter Qualität sozialer Austauschbeziehung zu Kollegen
-0,067 (-1,774)
*
Obj. Alter Affektives Commitment
-0,077 (-2,254)
**
Betriebszugehörigkeit Affektives Commitment
0,297 (11,407)
***
Berufserfahrung Arbeitszufriedenheit
-0,097 (3,047)
***
Obj. Alter Lernmotivation
0,068 (1,848)
*
Pfad
a)
Angabe der standardisierten Pfadkoeffizienten; b) *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1
Die vorgestellten Ergebnisse der Überprüfung der Hypothesen zu Haupteffekten mittels Regressions- bzw. Kausalanalysen zeigen, dass alle Hypothesen zur Richtung der kausalen Zusammenhänge auf Basis der empirischen Daten als bestätigt angenommen werden können. Lediglich Hypothese H1b, die sich auf den relativen Erklärungsbeitrag der harten bzw. weichen Faktoren von Age Inclusion zur prozeduralen Gerechtigkeit bezieht, muss verworfen werden. Insgesamt ist vor diesem Hintergrund das in Kapitel 5 entwickelte Modell der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion als empirisch bestätigt zu bewerten. Tabelle 7-44 fasst die Ergebnisse der Hypothesenprüfung im Hinblick auf die in Abschnitt 5.2.1 postulierten Haupteffekte im Überblick zusammen.
168
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-44: Ergebnisse der Prüfung der Hypothesen zu direkten Effekten Hypothese H1: positiver Effekt von Age Inclusion auf wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit H1a: Erklärungsbeitrag harter Faktoren von Age Inclusion zu distributiver Gerechtigkeit > Erklärungsbeitrag weicher Faktoren von Age Inclusion H1b: Erklärungsbeitrag harter Faktoren von Age Inclusion zu prozeduraler Gerechtigkeit > Erklärungsbeitrag weicher Faktoren von Age Inclusion
Ergebnis
9 9 nicht bestätigt
H1c: Erklärungsbeitrag harter Faktoren von Age Inclusion zu informationaler Gerechtigkeit ൎ Erklärungsbeitrag weicher Faktoren von Age Inclusion
9
H1d: Erklärungsbeitrag weicher Faktoren von Age Inclusion zu interpersoneller Gerechtigkeit > Erklärungsbeitrag harter Faktoren von Age Inclusion
9
H2a: positiver Effekt von distributiver Gerechtigkeit auf Qualität sozialer Austauschbeziehung zum Unternehmen
9
H2b: positiver Effekt von prozeduraler Gerechtigkeit auf Qualität sozialer Austauschbeziehung zum Unternehmen
9
H2c: positiver Effekt von informationaler Gerechtigkeit auf Qualität sozialer Austauschbeziehung (1) zum Unternehmen und (2) zu Vorgesetztem
9
H2d: positiver Effekt von interpersoneller Gerechtigkeit auf Qualität sozialer Austauschbeziehung (1) zu Vorgesetztem und (2) zu Kollegen
9
H3a: positiver Effekt von Qualität sozialer Austauschbeziehung zum Unternehmen auf (1) affektives Commitment und (2) Arbeitszufriedenheit
9
H3b: positiver Effekt von Qualität sozialer Austauschbeziehung zum Vorgesetzten auf Arbeitszufriedenheit
9
H3c: positiver Effekt von Qualität sozialer Austauschbeziehung zu Kollegen auf (1) Lernmotivation und (2) Motivation zum Wissensaustausch
9
H4a: positiver Effekt von Arbeitszufriedenheit auf Engagement H4c: positiver Effekt von Motivation zum Wissensaustausch auf Engagement
9 9 9
H5: positiver Effekt von Engagement auf Effektivität
9
H4b: positiver Effekt von Lernmotivation auf Engagement
7.3.2
Prüfung der Hypothesen zu moderierenden Effekten
Um die Hypothesen zu moderierenden Effekten (vgl. Abschnitt 5.2.2) zu überprüfen, wurde jeweils ein Interaktionsterm zwischen der moderierenden Variable (dem objektiven Alter) und einer unabhängigen Variablen (einer Dimension von Age Inclusion) gebildet. Dazu wurden für jeden Probanden der Stichprobe die Mittelwerte beider Variablen zentriert und anschließend miteinander multipliziert (vgl. Abschnitt 6.2.2.2). Insgesamt entstanden auf diese Weise 14 neue Variablen. Anschließend wurden die in Abschnitt 7.3.1 dargestellten Regressionsanalysen noch einmal durchgeführt, wobei jeweils ein Interaktionsterm als zusätzlicher Prädiktor in das Regressionsmodell aufgenommen wurde. Auf diese Weise wurde sowohl der direkte Effekt der interagierenden Variablen als auch der Interaktionseffekt in einem Regressionsmodell berücksichtigt. Dadurch kann zwischen einem Moderator im klassischen Sinn, d. h. einer Variable, die ausschließlich einen moderierenden Effekt aufweist, und einem Quasi-
Hypothesenprüfung
169
Moderator, der sowohl einen moderierenden als auch einen direkten Effekt auf die abhängige Variable hat, unterschieden werden (Sharma/Durand/Gur-Arie 1981, S. 292). Tabelle 7-45 fasst die Ergebnisse der Regressionsanalysen zur moderierenden Wirkung des Alters auf den Zusammenhang zwischen den harten Faktoren von Age Inclusion und der wahrgenommenen distributiven Gerechtigkeit zusammen. Wie auch in den folgenden Tabellen werden in Spalte 2 die Beta-Gewichte der Interaktionsterme, der entsprechende t-Wert und das Signifikanzniveau berichtet. In Spalte 3 ist aufgeführt, welchen zusätzlichen Erklärungsbeitrag der Interaktionsterm leistet; der entsprechende F-Wert und das Signifikanzniveau geben an, ob der Erklärungszuwachs signifikant ist (vgl. Abschnitt 6.2.2). Wie Tabelle 7-45 zu entnehmen ist, hat das Alter mit einer Ausnahme einen signifikant negativen Moderatoreffekt auf den untersuchten Zusammenhang. Dies bedeutet, dass der Einfluss der harten Faktoren von Age Inclusion (mit Ausnahme der Dimension Personalbeurteilung) auf die Wahrnehmung der distributiven Gerechtigkeit mit steigendem Alter der Probanden schwächer wird. Die moderierenden Effekte sind jedoch relativ schwach; die Beta-Gewichte der Interaktionsterme liegen durchweg unter 0,09 und der zusätzliche Varianzerklärungsbeitrag schwankt zwischen einem und sechs Prozent. Tabelle 7-45: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit
Interaktionsterm
ࡾ -Differenz zu Modell ࢼ (t-Wert)a)/ ohne Interaktionsterm Signifikanzniveaub) (F-Wert) c)/ Signifikanzniveaub)
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Unternehmensstrategie)
-0,064 (-3,177) /***
0,004 (10,096) /***
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalbedarfsplanung)
-0,081 (-3,973) /***
0,006 (15,788) /***
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalgewinnung)
-0,058 (-2,808) /***
0,003 (7,887) /***
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalentwicklung)
-0,039 (-1,939) /*
0,001 (3,759) /*
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Karrieremanagement)
-0,038 (-1,921) /*
0,001 (3,691) /*
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Arbeitszeitgestaltung)
-0,036 (-1,821) /*
0,001 (3,316) /*
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Gesundheitsmanagement)
-0,061 (-3,079) /***
0,004 (9,479) /***
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalfreisetzung)
-0,055 (-2,692) /***
0,003 (7,247) /***
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalbeurteilung)
-0,027 (-1,363) /n.s.
0,001 (1,859) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalvergütung)
-0,046 (-2,336) /**
0,002 (5,455) /**
a)
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); b) *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant; c) Angabe der Differenz der korrigierten Bestimmtheitsmaße
Ein ähnliches Bild ergibt die Analyse der moderierenden Wirkung des Alters der Probanden auf den Zusammenhang zwischen den weichen Faktoren von Age Inclusion und der wahrgenommenen distributiven Gerechtigkeit (vgl. Tabelle 7-46.) Von den vier untersuchten Interaktionstermen weisen drei ein signifikant negatives Beta-Gewicht auf (mit ߚ = 0,048 bis 0,102). Das objektive Alter der Probanden schwächt folglich den Zusammenhang zwischen den wei-
170
Ergebnisse der Untersuchung
chen Faktoren von Age Inclusion (mit Ausnahme der Dimension Einstellungen bzw. Verhalten von Kollegen) und der distributiven Gerechtigkeit in Unternehmen ab. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Regressionsanalysen zu den direkten Effekten der Moderatorvariable (vgl. Abschnitt 7.3.1) ist das objektive Alter als Quasi-Moderator des Zusammenhangs zwischen Age Inclusion und der Wahrnehmung der distributiven Gerechtigkeit zu bezeichnen. Damit ist Hypothese H6a zu verwerfen. Tabelle 7-46: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener distributiver Gerechtigkeit
Interaktionsterm
ࡾ -Differenz zu Modell ࢼ (t-Wert)a)/ ohne Interaktionsterm Signifikanzniveaub) (F-Wert) c)/ Signifikanzniveaub)
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Wertschätzungskultur)
-0,102 (-4,747) /***
0,010 (22,533) /***
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Lern-/Kooperationskultur)
-0,048 (-2,301) /**
0,002 (5,293) /**
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Einstellungen/Verhalten Vorgesetzte)
-0,086 (-4,108) /***
0,007 (16,873) /***
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Einstellungen/Verhalten Mitarbeiter)
-0,030 (-1,456) /n.s.
0,001 (2,119) /n.s.
a)
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); b) *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant; c) Angabe der Differenz der korrigierten Bestimmtheitsmaße
Die Ergebnisse der Moderationsanalysen zum Zusammenhang zwischen den harten bzw. weichen Faktoren von Age Inclusion und der prozeduralen Gerechtigkeit sind in Tabelle 7-47 bzw. Tabelle 7-48 dargestellt. Hieraus geht hervor, dass das objektive Alter der Probanden lediglich in einem Fall einen signifikanten Einfluss auf die untersuchten Zusammenhänge hat; die Stärke und Richtung des Zusammenhangs zwischen Age Inclusion und der wahrgenommenen prozeduralen Gerechtigkeit ist mit Ausnahme der Age Inclusion-Dimension Unternehmensstrategie vom Alter eines Mitarbeiters unabhängig. Damit kann Hypothese H6b als bestätigt angenommen werden.
Hypothesenprüfung
171
Tabelle 7-47: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit
Interaktionsterm
ࡾ -Differenz zu Modell ࢼ (t-Wert)a)/ ohne Interaktionsterm Signifikanzniveaub) (F-Wert) c)/ Signifikanzniveaub)
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Unternehmensstrategie)
0,044 (2,299) /**
0,002 (5,285) /**
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalbedarfsplanung)
-0,001 (-0,036) /n.s.
0,000 (0,001)/ n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalgewinnung)
-0,023 (-1,202) /n.s.
0,000 (1,444) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalentwicklung)
0,020 (1,039) /n.s.
0,000 (1,079) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Karrieremanagement)
0,023 (1,264) /n.s.
0,001 (1,596) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Arbeitszeitgestaltung)
-0,002 (-0,113) /n.s.
0,000 (0,013) /n.s.
0,018 (0,988) /n.s.
0,000 (0,975) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Gesundheitsmanagement) Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalfreisetzung)
0,013 (0,692) /n.s.
0,000 (0,479) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalbeurteilung)
-0,026 (-1,382) /n.s.
0,001 (1,909) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalvergütung)
0,025 (1,339) /n.s.
0,001 (1,792) /n.s.
a)
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant; c) Angabe der Differenz der korrigierten Bestimmtheitsmaße b)
Tabelle 7-48: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener prozeduraler Gerechtigkeit
Interaktionsterm
ࡾ -Differenz zu Modell ࢼ (t-Wert)a)/ ohne Interaktionsterm Signifikanzniveaub) (F-Wert) c)/ Signifikanzniveaub)
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Wertschätzungskultur)
-0,025 (-1,322) /n.s.
0,001 (1,747) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Lern-/Kooperationskultur)
0,000 (-0,014) /n.s.
0,000 (0,000) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Einstellungen/Verhalten Vorgesetzte)
-0,008 (-0,403) /n.s.
0,000 (0,162) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Einstellungen/Verhalten Mitarbeiter)
0,001 (0,041) /n.s.
0,000 (0,002) /n.s.
a)
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); b) *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant; c) Angabe der Differenz der korrigierten Bestimmtheitsmaße
Wie Tabelle 7-49 zeigt, weist das Alter der Probanden in drei von zehn Fällen einen signifikanten negativen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen den harten Faktoren von Age Inclusion und der wahrgenommenen informationalen Gerechtigkeit auf. Allerdings sind die Beta-Gewichte der drei Interaktionsterme lediglich auf dem 5 bzw. 10 %-Niveau signifikant; Gleiches gilt für die ܴଶ -Differenz. Es kann nicht von einem systematischen moderierenden Effekt des objektiven Alters gesprochen werden.
172
Ergebnisse der Untersuchung
Tabelle 7-49: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener informationale Gerechtigkeit
Interaktionsterm
a) b) c)
ࡾ -Differenz zu Modell ࢼ (t-Wert)a)/ ohne Interaktionsterm Signifikanzniveaub) (F-Wert) c)/ Signifikanzniveaub)
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Unternehmensstrategie)
-0,022 (-1,206) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalbedarfsplanung)
-0,026 (-1,358) /n.s.
0,000 (1,454) /n.s. 0,001 (1,844) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalgewinnung)
-0,031 (-1,625) /n.s.
0,001 (2,640) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalentwicklung)
-0,031 (-1,691) /*
0,001 (2,858) /*
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Karrieremanagement)
0,001 (0,034) /n.s.
0,000 (0,001) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Arbeitszeitgestaltung)
-0,015 (-0,834) /n.s.
0,000 (0,695) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Gesundheitsmanagement)
-0,031 (-1,711) /*
0,001 (2,926) /*
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalfreisetzung)
-0,039 (-2,098) /**
0,001 (4,402) /**
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalbeurteilung)
-0,007 (-0,406) /n.s.
0,000 (0,165) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalvergütung)
0,006 (0,329) /n.s.
0,000 (0,108) /n.s.
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant; Angabe der Differenz der korrigierten Bestimmtheitsmaße
Die Ergebnisse der Regressionsanalysen zur moderierenden Wirkung des Alters auf den Zusammenhang zwischen den weichen Faktoren von Age Inclusion und der wahrgenommenen informationalen Gerechtigkeit sind in Tabelle 7-50 dargestellt. Drei von vier Interaktionstermen weisen einen signifikant negativen Effekt auf, wenn auch lediglich auf mittlerem bzw. niedrigem Signifikanzniveau. Werden die Aussagen von Tabelle 7-49 und Tabelle 7-50 zusammengefasst, so ist zu konstatieren, dass Hypothese H6c, die postuliert, dass das Alter eines Mitarbeiters keinen Einfluss darauf hat, wie stark Age Inclusion und die wahrgenommene informationale Gerechtigkeit im Unternehmen zusammenhängen, verworfen werden muss. Gleichzeitig kann jedoch auch nicht von einem systematischen, negativ moderierenden Effekt des Alters auf den Zusammenhang gesprochen werden. Tabelle 7-50: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener informationale Gerechtigkeit
Interaktionsterm
a)
ࡾ -Differenz zu Modell ࢼ (t-Wert)a)/ ohne Interaktionsterm b) Signifikanzniveau (F-Wert) c)/ Signifikanzniveaub)
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Wertschätzungskultur)
-0,041 (-2,194) /**
0,002 (4,815) /**
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Lern-/Kooperationskultur)
-0,027 (-1,498) /n.s.
0,001 (2,234) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Einstellungen/Verhalten Vorgesetzte)
-0,031 (-1,707) /*
0,001 (2,914) /*
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Einstellungen/Verhalten Mitarbeiter)
-0,032 (-1,776) /*
0,001 (3,155) /*
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); b) *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant; c) Angabe der Differenz der korrigierten Bestimmtheitsmaße
Hypothesenprüfung
173
Wie aus Tabelle 7-51 und Tabelle 7-52 hervorgeht, moderiert das Alter der Probanden weder den Einfluss der weichen noch der harten Faktoren von Age Inclusion auf die wahrgenommene interpersonelle Gerechtigkeit in Unternehmen. Keiner der 14 untersuchten Interaktionsterme weist ein signifikantes Beta-Gewicht bzw. einen signifikanten Erklärungsbeitrag auf. Dies ist als empirische Bestätigung von Hypothese H6d zu werten. Tabelle 7-51: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (harte Faktoren) und wahrgenommener interpersonelle Gerechtigkeit
Interaktionsterm
ࡾ -Differenz zu Modell ࢼ (t-Wert)a)/ ohne Interaktionsterm Signifikanzniveaub) (F-Wert) c)/ Signifikanzniveaub)
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Unternehmensstrategie)
0,033 (1,590) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalbedarfsplanung)
0,007 (0,341) /n.s.
0,000 (0,117) /n.s.
-0,017 (-0,807) /n.s.
0,000 (0,651) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalgewinnung)
0,001 (2,527) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalentwicklung)
0,000 (0,010) /n.s.
0,000 (0,000) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Karrieremanagement)
-0,006 (-0,319) /n.s.
0,000 (0,102) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Arbeitszeitgestaltung)
-0,005 (-0,241) /n.s.
0,000 (0,058) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Gesundheitsmanagement)
-0,002 (-0,100) /n.s.
0,000 (0,010) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalfreisetzung)
-0,005 (-0,264) /n.s.
0,000 (0,069) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalbeurteilung)
0,005 (0,274) /n.s.
0,000 (0,075) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Personalvergütung)
0,020 (1,025) /n.s.
0,000 (1,051) /n.s.
a)
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); b) *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant; c) Angabe der Differenz der korrigierten Bestimmtheitsmaße
Tabelle 7-52: Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen zu moderierenden Effekten des Alters auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion (weiche Faktoren) und wahrgenommener interpersonelle Gerechtigkeit
Interaktionsterm
ࡾ -Differenz zu Modell ࢼ (t-Wert)a)/ ohne Interaktionsterm Signifikanzniveaub) (F-Wert) c)/ Signifikanzniveaub)
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Wertschätzungskultur)
0,022 (1,145) /n.s.
0,000 (1,311) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Lern-/Kooperationskultur)
0,010 (0,516) /n.s.
0,000 (0,266) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Einstellungen/Verhalten Vorgesetzte)
0,021 (1,121) /n.s.
0,000 (1,256) /n.s.
Obj. Alter x Age Inclusion (Dim. Einstellungen/Verhalten Mitarbeiter)
0,016 (0,847) /n.s.
0,000 (0,717) /n.s.
a)
Angabe der standardisierten Regressionskoeffizienten (Beta-Gewichte); b) *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1; n.s. = nicht signifikant; c) Angabe der Differenz der korrigierten Bestimmtheitsmaße
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Hypothese H6, welche postuliert, dass der Zusammenhang zwischen Age Inclusion und der organisationalen Gerechtigkeit nicht durch das Alter eines Mitarbeiters beeinflusst wird, lediglich für zwei von vier Dimensionen der wahrge-
174
Ergebnisse der Untersuchung
nommenen Fairness in Unternehmen, der prozeduralen und der interpersonellen Gerechtigkeit, bestätigt werden kann. Im Fall der distributiven Gerechtigkeit wird der positive Zusammenhang zwischen Age Inclusion und wahrgenommener Fairness durch das Alter der Probanden leicht abgeschwächt. Im Hinblick auf die informationale Gerechtigkeit ist zu konstatieren, dass das Alter eines Probanden zusätzlich zu seinem direkten Einfluss auf die wahrgenommene informationale Gerechtigkeit den positiven Effekt von Age Inclusion teilweise, wenn auch lediglich leicht, abschwächt.
7.4
Diskussion der Ergebnisse
Auf Basis der empirischen Daten von 2.029 Probanden kann die in Abschnitt 5.1 postulierte Kausalkette im Wesentlichen bestätigt werden: Age Inclusion, d. h. der von den Mitarbeitern wahrgenommene Grad der Integration unterschiedlicher Altersgruppen durch das Unternehmen, hat einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit. Diese weist wiederum einen positiven Effekt auf die wahrgenommene Qualität der sozialen Austauschbeziehungen im Unternehmen auf, welche sich schließlich positiv auf die arbeitsbezogenen Einstellungen und dadurch auf das arbeitsbezogene Verhalten der Beschäftigten auswirkt (vgl. Abschnitt 7.3.1). Zusammenfassend ist festzustellen, dass Age Inclusion über mediierende Variablen einen positiven Effekt auf die arbeitsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern hat. Die Stärke des Zusammenhangs zwischen Age Inclusion und organisationaler Gerechtigkeit variiert in Abhängigkeit davon, welche Dimensionen von Age Inclusion und welche Dimension von Gerechtigkeit betrachtet werden (vgl. Abschnitt 7.3.1). Die harten Faktoren von Age Inclusion haben einen relativ starken Einfluss auf die wahrgenommene distributive Gerechtigkeit, während die weichen Faktoren einen starken Effekt auf die wahrgenommene interpersonelle Gerechtigkeit aufweisen. Im Hinblick auf die prozedurale und informationale Gerechtigkeit leisten beide Faktoren einen vergleichbar starken Erklärungsbeitrag. Über alle Dimensionen organisationaler Gerechtigkeit hinweg kommt der Dimension Einstellung und Verhalten von Vorgesetzten des Konstrukts Age Inclusion eine relativ hohe Bedeutung zu. Wenn die Einstellung der Führungskräfte eines Unternehmens gegenüber der Zusammenarbeit von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters positiv und ihr Verhalten auf die aktive Integration von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen ausgerichtet ist, hat dies einen relativ starken positiven Effekt auf die wahrgenommene distributive, prozedurale, informationale und interpersonelle Gerechtigkeit im Unternehmen. Die besondere Bedeutung der Einstellungen und Verhaltensweisen von Führungskräften im Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen im Vergleich zu anderen Facetten von Age Inclusion kann darauf zurückgeführt werden, dass die Interaktion mit dem Vorgesetzten den Arbeitsalltag eines Mitarbeiters und dessen Einschätzung der Aktivitäten des Unternehmens stark prägt.
Diskussion der Ergebnisse
175
Dagegen zeigt die vorliegende Studie, dass Aspekte wie die Age Inclusion im Bereich der Personalbedarfsplanung, Personalgewinnung und Personalfreisetzung für die Bewertung der organisationalen Gerechtigkeit durch die Mitarbeiter nicht bzw. lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Diese Dimensionen von Age Inclusion haben gemeinsam, dass sie sich kaum auf den Arbeitsalltag eines Beschäftigten auswirken; sie begegnen dem Mitarbeiter in der Regel lediglich bei seinem Eintritt in das und seinem Austritt aus dem Unternehmen. Auch die Stärke des Zusammenhangs zwischen der organisationalen Gerechtigkeit und der Qualität der sozialen Austauschbeziehungen im Unternehmen variiert, je nachdem, welche Dimensionen der beiden Konstrukte betrachtet werden (vgl. Abschnitt 7.3.1). Den stärksten Einfluss auf die Qualität der Austauschbeziehung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen hat die informationale Gerechtigkeit. Hat ein Mitarbeiter freien Zugang zu Informationen bezüglich ihn betreffenden Entscheidungen, hat dies einen starken positiven Effekt auf dessen Bewertung der Austauschbeziehungen zum Unternehmen. Besondere Bedeutung kommt der informationalen Gerechtigkeit auch im Hinblick auf die Beziehung zwischen einem Mitarbeiter und dessen direkten Vorgesetzten zu. Stärker als andere Dimensionen der organisationalen Gerechtigkeit trägt die informationale Fairness dazu bei, dass ein Mitarbeiter seine Beziehung zu seinem Vorgesetzten als qualitativ hochwertig wahrnimmt. Die Qualität der Austauschbeziehungen eines Mitarbeiters zu seinen Kollegen hängt dagegen wesentlich von der wahrgenommenen interpersonellen Gerechtigkeit ab. Wird der persönliche Umgang miteinander als fair empfunden, entwickeln Beschäftigte insbesondere zu ihren Kollegen eine qualitativ hochwertige Beziehung. Bezüglich der Stärke des Zusammenhangs zwischen der Qualität sozialer Austauschbeziehungen im Arbeitskontext sowie den arbeitsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen eines Mitarbeiters ist zu konstatieren, dass sich die Qualität der Beziehung zwischen Beschäftigtem und Unternehmen bzw. Beschäftigtem und Vorgesetztem wesentlich auf passive Erfolgsgrößen wie das affektive Commitment und die Arbeitszufriedenheit eines Mitarbeiters auswirkt. Eine positive Bewertung der Austauschbeziehung zu seinen Kollegen trägt dagegen dazu bei, dass ein Mitarbeiter bereit ist, sich aktiv und über das formal Vorgeschriebene hinaus im Rahmen seiner Tätigkeit zu engagieren, was sich in einer hohen Lernmotivation sowie einer hohen Motivation zum Wissensaustausch ausdrückt. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Erfolgsrelevanz aktiver Erfolgsgrößen (vgl. Abschnitt 5.1) kommt damit der Austauschbeziehung zwischen einem Mitarbeiter und dessen Kollegen eine besondere Bedeutung für den langfristigen Unternehmenserfolg zu. Dies spiegelt sich auch in dem Befund wider, dass die Lernmotivation unter den betrachteten arbeitsbezogenen Einstellungen eines Mitarbeiters sich am stärksten auf dessen Engagement und damit auf dessen Effektivität auswirkt (vgl. Abschnitt 7.3.1).
176
Ergebnisse der Untersuchung
Im Hinblick auf den moderierenden Effekt des Alters der Beschäftigten auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und organisationaler Gerechtigkeit ergeben die Daten ein gemischtes Bild (vgl. Abschnitt 7.3.2). Die positiven Effekte der verschiedenen Dimensionen von Age Inclusion auf die wahrgenommene prozedurale und interpersonelle Gerechtigkeit hängen nicht vom Alter eines Beschäftigten ab, d. h. Age Inclusion wirkt sich positiv auf die Bewertung der prozeduralen und interpersonellen Fairness durch die Beschäftigten aus, unabhängig davon, wie alt die Mitarbeiter sind. Dies bestätigt die Annahme, dass sich jüngere und ältere Beschäftigte hinsichtlich der Standards und Werthaltungen, auf deren Basis sie die prozedurale und interpersonelle Gerechtigkeit bewerten, nicht unterscheiden (vgl. Abschnitt 5.2.2). In einem Unternehmen, in dem Beschäftigte aller Altersgruppen aktiv integriert und gleichberechtigt behandelt werden, bewerten sowohl jüngere als auch ältere Mitarbeiter die Fairness von Prozessen und Abläufen sowie die Fairness im persönlichen Umgang miteinander als hoch. Im Gegensatz dazu schwächt das Alter eines Mitarbeiters die Bedeutung von Age Inclusion für die distributive Gerechtigkeit ab. Dies bedeutet, dass bei jüngeren Mitarbeitern die Integration und Gleichbehandlung von Beschäftigten unterschiedlichen Alters besonders bedeutsam für die Bewertung der Verteilungsgerechtigkeit ist. Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Dimensionen von Age Inclusion und der informationalen Gerechtigkeit schließlich konnte anhand der vorliegenden Daten eine systematische Moderationswirkung des Alters der Probanden weder bestätigt noch widerlegt werden. Für sechs Dimensionen von Age Inclusion wurde ein schwach signifikanter negativer Moderationseffekt gefunden; bei den übrigen acht Age Inclusion-Dimensionen liegt die moderierende Wirkung des objektiven Alters der Probanden unterhalb des 10%Signifikanzniveaus. Auf Basis dieser Ergebnisse lässt sich keine eindeutige Aussage darüber treffen, inwieweit das Alter eines Mitarbeiters den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und der wahrgenommenen informationalen Gerechtigkeit moderiert. Bei der Interpretation und Bewertung der Ergebnisse der vorliegenden empirischen Studie muss berücksichtigt werden, dass sich aus den Charakteristika von Stichprobe und Methodik der Untersuchung einige Limitationen ergeben. Hinsichtlich der Stichprobe ist zu konstatieren, dass die Daten lediglich in einem Unternehmen, der deutschen Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen IT-Unternehmens, erhoben wurden. Dadurch können aus der vorliegenden Studie ausschließlich unter dem Vorbehalt weiterer empirischer Untersuchungen Rückschlüsse über die betrachteten Zusammenhänge in anderen Unternehmenstypen und Branchen abgeleitet werden. Weitere Einschränkungen können sich aus der Methodik der vorliegenden Untersuchung ergeben. Erstens wurden zur Erfassung der Verhaltensweisen der Mitarbeiter anstelle objektiver Leistungsdaten oder der Einschätzung durch Vorgesetzte Selbstbeurteilungen verwendet. Im Gegensatz zu objektiven Messungen unterliegen subjektive Beurteilungen, unabhängig davon, wer beurteilt, zu einem gewissen Maße Urteilstendenzen. Im Vergleich zu Vorge-
Diskussion der Ergebnisse
177
setztenbeurteilungen, mit denen die Selbsteinschätzungen (metaanalytisch ermittelt) mit = ݎ.22 bis .30 korrelieren, weisen Selbstbeurteilungen zwar eine stärkere Mittelwerttendenz auf, andererseits ist ihre Korrelationstendenz geringer (Moser 2004, S. 86 f.). Dies bedeutet, dass sich Beschäftigte zwar in der Regel milder beurteilen als ihre Vorgesetzten, gleichzeitig gelingt es den Mitarbeitern jedoch besser als ihren Vorgesetzten, sich hinsichtlich mehrerer Beurteilungsdimensionen differenziert einzuschätzen. In der vorliegenden Studie war eben diese differenzierte Einschätzung erforderlich, da hinsichtlich des Verhaltens der Mitarbeiter zwischen den Konstrukten „Engagement“ und „Effektivität“ unterschieden werden sollte. Insofern ist hier von einer hinreichenden Validität der Selbsteinschätzungen auszugehen. Zudem zeigen diverse Studien, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Selbstbeurteilungsvalidität und der Anonymität der Beurteilungsergebnisse bzw. der Erhebung zu Forschungszwecken (vs. Personalentscheidungszwecken) besteht (Moser 2004, S. 92). Dies ist als weiteres Indiz dafür zu werten, dass die Validität der Selbsteinschätzungen in der vorliegenden Studie relativ hoch ist, d. h. die Einflüsse von Urteilstendenzen gering sind. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Validität der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung kaum dadurch eingeschränkt wird, dass die Probanden ihr arbeitsbezogenes Verhalten selbst einschätzten. Eine zweite methodische Schwäche ergibt sich daraus, dass alle Daten zu einem Messzeitpunkt erhoben wurden, d. h. die in Abschnitt 7.3 berichteten Ergebnisse auf Querschnittdaten beruhen. Dies hat zum einen zur Folge, dass eine zentrale Bedingung für das Ziehen kausaler Schlüsse, das zeitliche Aufeinanderfolgen von Ursache und Wirkung (Edwards/Bagozzi 2000, S. 157 ff.), nicht überprüft werden kann. Die theoretisch fundierte Herleitung des Bezugsrahmens der Untersuchung und die Verwendung des Verfahrens der Kausalanalyse stellen zwar Belege für die kausale Wirkungsrichtung der gefundenen Zusammenhänge dar; eine eindeutige Aussage über deren Kausalität lässt sich jedoch ausschließlich auf Basis von Längsschnittdaten treffen (Hailey/Frandale/Truss 2005, S. 63; Rindfleisch et al. 2008, S. 273). Eine weitere Schwäche von Querschnittstudien ist darin zu sehen, dass mögliche Veränderungen der Variablen im Zeitablauf und deren Effekte auf die untersuchten Zusammenhänge unberücksichtigt bleiben. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die untersuchten Variablen und Zusammenhänge Messzeitpunkt spezifischen Einflüssen unterliegen, welche die „wahren“ Ausprägungen und Zusammenhänge verfälschen. Im Bereich empirischer betriebswirtschaftlicher Forschung entsteht ein solcher Periodeneffekt durch Veränderungen der unternehmensoder arbeitsbezogenen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise einer Fusion oder einer Umgestaltung des Anreizsystems, die unmittelbar vor oder während der Datenerhebung erfolgen (Rhodes 1983, S. 330). Eine letzte potenzielle Schwäche einer Studie, bei der zum gleichen Zeitpunkt Probanden unterschiedlichen Alters getestet werden, um Alterseffekte zu analysieren, ist die Gefahr, dass
178
Ergebnisse der Untersuchung
die Wirkung des Alters auf Grund von Kohorteneffekten überschätzt wird (vgl. Abschnitt 2.2.2.2.2). Dies kann in der vorliegenden Arbeit ausgeschlossen werden, da keine bzw. lediglich auf niedrigem Niveau signifikante Effekte des Alters der Probanden gefunden werden (vgl. Abschnitt 7.3.2). Die Ergebnisse der Moderationsanalysen unterliegen zusätzlichen Limitationen. Sie sind vor dem Hintergrund zu bewerten, dass die Untersuchung moderierender Effekte mit Hilfe von Interaktionstermen einer Reihe grundlegender methodischer Probleme unterliegt, die zu einer Unterschätzung der Moderatoreffekte führen können (Klarmann 2008, S. 67): -
-
-
Fehlerhafte Messung der interagierenden Variablen: Die Fehler bei der Messung der unabhängigen und der moderierenden Variable potenzieren sich im Interaktionsterm. Dadurch ist die Analyse von Moderationseffekten besonders anfällig für Messfehler. Geringe Residualvarianz des Produktterms: Die Tatsache, dass in Befragungen in der Regel wenige Extremantworten gegeben werden, führt zu einer geringen Residualvarianz des Interaktionsterms, wenn die direkten Effekte der interagierenden Variablen zusammen mit dem Interaktionsterm in die Regressionsgleichung integriert werden. In der Folge wird dem Interaktionsterm nur ein geringes Gewicht zugeordnet. Multikollinearität zwischen Interaktionsterm und interagierenden Variablen: Korrelieren die interagierenden Variablen erwartungskonform stark mit dem Interaktionsterm, wird der Standardfehler des moderierten Effekts überschätzt und die Wahrscheinlichkeit signifikanter Moderationseffekte sinkt.
Zudem weist das in der vorliegenden Arbeit angewandte Verfahren zur Bestimmung von Moderationseffekten, die lineare Regressionsanalyse mit Interaktionstermen, verfahrensinhärente Grenzen auf. Durch die Integration des Produkts potenziell interagierender Variablen als zusätzlichen Prädiktor werden ausschließlich lineare Interaktionseffekte getestet. Wird hierbei ein nicht signifikantes Ergebnis gefunden, ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass stattdessen nicht-lineare Interaktionen (z. B. der Form ݔȉ ݖଶ oder ݔȉ ݖଵ ȉ ݖଶ ) vorliegen (Jaccard/Turrisi/Wan 1994, S. 24). So wäre beispielsweise denkbar, dass das Alter signifikante nicht-lineare Moderatoreffekte auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und organisationaler Gerechtigkeit hat, die im Rahmen der vorliegenden Analysen nicht identifiziert wurden. Trotz der genannten Limitationen der vorliegenden empirischen Untersuchung leisten die zuvor diskutierten Ergebnisse der Datenanalyse einen Beitrag für die Forschung auf dem Gebiet des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen. Dieser wird zusammen mit dem konzeptionellen Beitrag der vorliegenden Arbeit in Abschnitt 8.1 diskutiert. Zudem wird aufgezeigt, wie zukünftige empirische Untersuchungen die genannten Einschränkungen der vorliegenden Studie überwinden können. Schließlich ergibt sich aus den empirischen Erkenntnissen eine Reihe von Implikationen für die Unternehmenspraxis. Diese werden in Abschnitt 8.2 dargelegt.
179
8 8.1
Zusammenfassende Bewertung der Arbeit Wissenschaftliche Bewertung und Implikationen für die Wissenschaft
In der vorliegenden Arbeit wurden erstmals im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung die Erfolgsauswirkungen des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen analysiert. Der Beitrag der Arbeit für die Forschung auf diesem Gebiet spiegelt sich in drei zentralen Aspekten wider. Ein wesentlicher Beitrag der vorliegenden Arbeit besteht in der umfassenden Aufbereitung theoretisch-konzeptioneller und empirisch gestützter Erkenntnisse der Altersforschung zu Einflussfaktoren und Auswirkungen des Alterungsprozesses, welche im organisationalen Kontext und damit für den Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen relevant sind (vgl. Kapitel 2). Im Rahmen der Literatursichtung wurde ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt, welcher sich nicht auf eine Forschungsdisziplin beschränkt, sondern Theorien, Modelle und Konzepte aus den Bereichen der Biologie, der Psychologie, der Soziologie, der Gerontologie sowie der Betriebswirtschaftslehre gleichermaßen berücksichtigt. Damit überschreitet die vorliegende Arbeit die Grenzen bestehender Literaturübersichten, die sich in der Regel auf die Ansätze eines Forschungsgebiets konzentrieren (z. B. Birren/Schaie 2006; Lehr 2007). Darüber hinaus ist die vorliegende Sichtung theoretisch-konzeptioneller und empirisch gestützter Erkenntnisse zum Alterungsprozess nach Wissen der Verfasserin die erste umfassende Aufbereitung von Ansätzen der Altersforschung, in deren Rahmen Implikationen für organisationale Fragestellungen abgeleitet werden. Damit bietet die vorliegende Arbeit einen geeigneten Ausgangspunkt für die weitere Forschung zum Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen. Der zweite zentrale Beitrag der vorliegenden Arbeit ist in der Entwicklung eines Konstrukts zu sehen, das den von den Mitarbeitern eines Unternehmens wahrgenommenen Grad der Integration unterschiedlicher Altersgruppen in das Unternehmen beschreibt (vgl. Kapitel 3). Das Konstrukt Age Inclusion unterscheidet sich von bestehenden Konzepten zum Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen zum einen durch seine theoretischkonzeptionelle Fundierung:
G. Bieling, Age Inclusion, DOI 10.1007/978-3-8349-6204-1_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
180
Zusammenfassende Bewertung der Arbeit
-
Im Gegensatz zu bestehenden Konzepten basiert die Entwicklung des Konstrukts Age Inclusion auf einer umfassenden Sichtung sowohl wissenschaftlicher als auch praxisnaher Veröffentlichungen, die sich mit dem Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen beschäftigen.
-
Anders als bei bestehenden Konzepten erfolgte die Konzeptualisierung des Konstrukts Age Inclusion auf Basis theoretisch-konzeptioneller Ansätze. Konkret wurden zwei Ansätze der Altersforschung, die Defizitperspektive und die Potenzialperspektive, auf den organisationalen Kontext übertragen, um mögliche Ausprägungen des Konstrukts Age Inclusion zu identifizieren.
Darüber hinaus unterscheidet sich das Konstrukt Age Inclusion in inhaltlicher Hinsicht von bestehenden Konzepten des Umgangs mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters: -
-
-
Im Gegensatz zu den meisten bestehenden Konzepten beschränkt sich das Konstrukt Age Inclusion nicht auf den Umgang mit älteren Mitarbeitern als Untersuchungsgegenstand, sondern macht eine Analyse des Umgangs mit Beschäftigten aller Altersgruppen möglich. Dadurch wird der inhaltliche Untersuchungsrahmen gegenüber bestehenden Konzepten erheblich erweitert. Gegenüber bestehenden Konzepten zeichnet sich das Konstrukt Age Inclusion dadurch aus, dass anstelle der Maßnahmen eines Unternehmens die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen Betrachtungsgegenstand ist. In vorliegenden Veröffentlichungen wird häufig vermutet, dass sich die Aktivitäten eines Unternehmens zur Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken. Wie diese Erfolgsauswirkungen zustande kommen und welche Mechanismen hierbei wirksam werden, wurde bis dato nicht analysiert. Mit dem Konstrukt Age Inclusion ist es erstmals möglich zu untersuchen, welche Effekte solche Maßnahmen seitens des Unternehmens auf die Einstellungen und das Verhalten der Beschäftigten haben. Das Konstrukt trägt damit dazu bei, ein umfassendes Verständnis dafür zu entwickeln, inwieweit die Gestaltung des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen langfristig zum Unternehmenserfolg beiträgt. Das Konstrukt Age Inclusion integriert im Gegensatz zu bestehenden Konzepten alle in vorliegenden Arbeiten thematisierten Dimensionen des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen. Damit trägt das Konstrukt dem Ziel einer ganzheitlichen, nicht auf einzelne Aspekte reduzierten Betrachtung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters Rechnung. Dies ermöglicht beispielsweise, Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Aspekten des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen zu untersuchen.
Wissenschaftliche Bewertung und Implikationen für die Wissenschaft
181
Der dritte zentrale Beitrag der vorliegenden Arbeit zur Forschung im Bereich des Umgangs mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters in Unternehmen ist die empirische Analyse der Erfolgsauswirkungen von Age Inclusion. Im Rahmen einer großzahligen empirischen Studie wurde die in Wissenschaft und Unternehmenspraxis verbreitete Annahme überprüft, dass sich der Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen auf den Unternehmenserfolg auswirkt (z. B. Becker 2010, S. 70; Koper 2006, S. 69). Die Ergebnisse der Studie belegen, dass die subjektive Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich des Grads der Integration von jüngeren und älteren Beschäftigten durch das Unternehmen deren Einstellungen und Verhalten beeinflusst (vgl. Abschnitt 7.3.1). Mit der empirischen Untersuchung gelingt es der vorliegenden Arbeit, eine Reihe von Forschungslücken zu schließen: -
-
-
In der vorliegenden Arbeit wurden erstmals Skalen entwickelt, um alle Dimensionen des Konstrukts Age Inclusion im Rahmen einer Fragebogenstudie zu erfassen. Die Messinstrumente wurden anhand mehrerer, wissenschaftlich anerkannter Gütekriterien umfassend validiert; sie weisen mit Ausnahme einer Dimension eine akzeptable bis sehr zufriedenstellende Güte auf (vgl. Abschnitt 7.1.1). Damit bilden sie einen validen Ausgangspunkt für zukünftige empirische Studien auf diesem Gebiet. Eine weitere Forschungslücke wird mit der vorliegenden Arbeit geschlossen, indem auf Basis anerkannter Theorien aus dem Bereich des organisationalen Verhaltens Mechanismen identifiziert werden, über die sich Age Inclusion auf die Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern auswirkt (vgl. Kapitel 4). Konkret kann auf Basis der empirischen Analysen nachgewiesen werden, dass die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit und die wahrgenommene Qualität sozialer Austauschbeziehungen den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und den individuellen Erfolgsgrößen mediieren (vgl. Abschnitt 7.3.1). Schließlich wird in der vorliegenden Arbeit untersucht, inwieweit das Alter eines Mitarbeiters die Auswirkungen von Age Inclusion beeinflusst. Damit ist die vorliegende Studie eine der wenigen Arbeiten, die das Alter auch als Moderatorvariable und nicht allein als Kontrollvariable berücksichtigt (Ng/Feldman 2009, S. 1070). Damit folgt die vorliegende Arbeit der Forderung zu untersuchen, „how age may moderate the effect of organizational practices on individual performance“ (Caldwell/Farmer/Fedor 2008, S. 312).
Aus den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit sowie den in Abschnitt 7.4 diskutierten Limitationen der empirischen Untersuchung ergeben sich einige Implikationen für die zukünftige Forschung zum Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters. So macht die vorliegende Arbeit deutlich, dass es für ein umfassendes Verständnis der Erfolgsauswirkungen des Umgangs mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen unerlässlich ist, die Perspektive und damit die subjektiven Wahrnehmungen der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Deshalb sollten zukünftige Arbeiten, die beispielsweise zum Ziel haben, Auswirkungen von Unterneh-
182
Zusammenfassende Bewertung der Arbeit
mensaktivitäten zur Gestaltung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen auf den Unternehmenserfolg zu untersuchen, die subjektive Einschätzung der Maßnahmen durch die Beschäftigten im Untersuchungsrahmen integrieren. Das Konstrukt Age Inclusion stellt hierfür ein geeignetes Instrument dar. Die vorliegende Arbeit macht deutlich, dass sich die Wahrnehmung der Beschäftigten hinsichtlich des Grads der Integration unterschiedlicher Altersgruppen durch ein Unternehmen auf verschiedene Aspekte bezieht, d. h. dass das Konstrukt Age Inclusion mehrere Dimensionen umfasst (vgl. Abschnitt 3.4). Hieraus lässt sich eine interessante Forschungsfrage für die weitere Forschung auf diesem Gebiet ableiten. Zukünftige Studien sollten untersuchen, inwieweit Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Dimensionen des Konstrukts bestehen. Insbesondere sollte analysiert werden, welche Facetten von Age Inclusion anderen Dimensionen des Konstrukts vorgelagert sind, indem sie die Wahrnehmung der Mitarbeiter hinsichtlich dieser anderen Dimensionen prägen. Wie in Abschnitt 7.4 dargelegt, unterliegt die vorliegende empirische Untersuchung den üblichen Einschränkungen von Querschnittstudien. Insbesondere kann auf Basis von Querschnittdaten nicht uneingeschränkt auf die Kausalität der gefundenen Zusammenhänge geschlossen werden (Hildebrandt 2008, S. 94). Vor diesem Hintergrund sollten zukünftige Studien zum Zusammenhang zwischen Age Inclusion und den Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern Längsschnittdaten heranziehen, um die langfristigen Auswirkungen der Wahrnehmung des Umgangs mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters auf individuelle Erfolgsgrößen zu untersuchen und die in der vorliegenden Arbeit gefundenen Zusammenhänge auf ihre Kausalität hin zu überprüfen. Darüber hinaus könnten zukünftige empirische Studien Daten aus mehreren Unternehmen einsetzen, um die Allgemeingültigkeit der Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit sicherzustellen. Branchen- und länderübergreifende Untersuchungen würden zudem ermöglichen, Aussagen über branchen- und kulturbedingte Unterschiede im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und den Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitern zu treffen. So wäre beispielsweise denkbar, dass Beschäftigte, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, sich dahingehend unterscheiden, welche Bedeutung sie der Integration von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen zuweisen. Dies würde kulturbedingte Unterschiede der Stärke des Zusammenhangs zwischen Age Inclusion und wahrgenommener organisationaler Gerechtigkeit nach sich ziehen, die sich anhand länderübergreifender Datensätze identifizieren ließen. Zukünftige Studien sollten den Untersuchungsrahmen der vorliegenden Arbeit erweitern, indem zusätzliche Erfolgsgrößen als abhängige Variable berücksichtigt werden. Zum einen könnten objektiv gemessene Erfolgsgrößen (wie z. B. Verkaufszahlen oder Fehlerquoten) herangezogen werden. Zum anderen könnten subjektive Einschätzungen des Verhaltens bzw.
Implikationen für die Unternehmenspraxis
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der Leistung eines Beschäftigten durch Vorgesetzte oder Kunden als abhängige Variablen betrachtet werden. Weitere Implikationen für die zukünftige Forschung ergeben sich im Hinblick auf die Analyse des Alters eines Mitarbeiters als Moderator. In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass das objektive Alter eines Probanden keinen bzw. einen schwach negativen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Age Inclusion und der wahrgenommenen organisationalen Gerechtigkeit hat (vgl. Abschnitt 7.3.2). Dies belegt, dass sowohl für jüngere als auch für ältere Mitarbeiter die Integration unterschiedlicher Altersgruppen durch das Unternehmen von zentraler Bedeutung für die Beurteilung der Fairness im Unternehmen ist. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte jedoch nicht wie beispielsweise von Caldwell, Farmer und Fedor (2008, S. 326) gefordert untersucht werden, inwieweit andere Facetten des Alters (z. B. das relative oder das subjektive Alter; vgl. Abschnitt 2.1) den Zusammenhang moderieren. Hier könnten zukünftige empirische Untersuchungen ansetzen. Darüber hinaus sollten zukünftige Arbeiten überprüfen, ob die weiteren in der vorliegenden Arbeit identifizierten Zusammenhänge durch das objektive Alter (bzw. weitere Alterskonzepte) moderiert werden. Beispielsweise kann auf Basis der Socioemotional Selectivity Theory (vgl. Abschnitt 2.2.2.1.4) postuliert werden, dass sich jüngere und ältere Mitarbeiter hinsichtlich des Gewichts, das sie der interpersonellen Gerechtigkeit oder der Qualität sozialer Austauschbeziehungen zuweisen, unterscheiden. Dies stellt einen weiteren interessanten Ansatzpunkt für zukünftige empirische Untersuchungen dar. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die vorliegende Arbeit sowohl in theoretischkonzeptioneller als auch in inhaltlicher Hinsicht einen wichtigen Beitrag für die Forschung zum Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen leistet. Mit den sich aus der Arbeit ergebenden Implikationen für zukünftige Forschungen in diesem Themenfeld bereitet die vorliegende Arbeit den Weg für die Erschließung eines hochgradig relevanten, bisher jedoch weitgehend unbeachteten Forschungsthemas: des erfolgreichen Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters in Unternehmen.
8.2
Implikationen für die Unternehmenspraxis
Der demographische Wandel als zentrale Herausforderung für Unternehmen wird bereits heute in einer Vielzahl praxisnaher Veröffentlichung diskutiert (u. a. Becker 2010; Burke/Ng 2006; Czaja/Sharit 2009a; Schemme 2002). Dabei steht die eigentliche Alterungsphase in Deutschland noch bevor: Zwischen 2015 und 2035 nimmt das Durchschnittsalter der deutschen Erwerbsbevölkerung am stärksten zu, gleichzeitig beginnt 2015 erstmals die Zahl der Erwerbspersonen zu sinken (Börsch-Supan 2009, S. 22; Börsch-Supan/Düzgün/Weiss 2009, S. 53). In der Folge müssen und werden sich die Altersstrukturen in Unternehmen massiv verändern. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten wird steigen und die altersbezogene He-
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Zusammenfassende Bewertung der Arbeit
terogenität erheblich zunehmen (u. a. Caldwell/Farmer/Fedor 2008, S. 311; Veen/BackesGellner 2009, S. 29 f.). Unternehmen, die bereits heute Strategien entwickeln und Maßnahmen ergreifen, um diesen Veränderungen gerecht zu werden, können gegenüber Konkurrenten nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren. Aus den theoretisch-konzeptionellen, insbesondere aber aus den empirischen Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit lässt sich eine Reihe von Implikationen für einen erfolgreichen Umgang mit einer altersdiversen Belegschaft ableiten. Zunächst setzt ein adäquater Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen voraus, dass Unternehmensführung und Personalverantwortliche sich mit dem Alterungsprozess und den daraus resultierenden Unterschieden zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern auseinandersetzen. „A clearer understanding of the attitudes and motives of older workers can help to guide the management practices and organizational policy aimed at meeting the needs of an aging workforce“ (Barnes-Farrell/Matthews 2007, S. 140). Einen Anhaltspunkt hierfür liefert die Aufbereitung theoretisch-konzeptioneller und empirisch gestützter Ansätze der Altersforschung mit Relevanz im organisationalen Kontext in Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit. Darüber hinaus könnten auf Basis dieser Erkenntnisse der Altersforschung Führungskräfte und Mitarbeiter dafür sensibilisiert werden, was es bedeutet, wenn Unterstellte bzw. Kollegen altern, aber auch dafür, welche Konsequenzen sich aus dem Alterungsprozess für die eigene Person ergeben. Hierzu können beispielsweise umfassende Informationen zu Themen wie „Alter(n) und kognitive Leistungsfähigkeit“, „Alter(n) und Berufsleistung“ oder „Lebenslanges Lernen“ in Workshops, einer Mitarbeiterzeitung oder im firmeninternen Intranet vermittelt werden (für ein Beispiel aus der Unternehmenspraxis siehe Reichart/Bieling 2010). Eine zentrale Erkenntnis der vorliegenden empirischen Studie ist, dass die Art und Weise, wie Mitarbeiter den Umgang mit unterschiedlichen Altersgruppen in Unternehmen wahrnehmen, deren Einstellungen und Verhalten beeinflusst. Wenn es Unternehmen gelingt, Mitarbeiter unterschiedlichen Alters aktiv in ihre Wertschöpfungsprozesse zu integrieren, d. h. den Grad von Age Inclusion zu erhöhen, hat dies positive Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit, die Bindung, die Lernmotivation, die Bereitschaft zum Wissensaustausch, das Engagement sowie die Effektivität der Beschäftigten. Damit wird deutlich, dass der Fokus von Unternehmen, die den Umgang mit einer altersheterogenen Belegschaft erfolgreich gestalten wollen, nicht allein auf der Implementierung von Maßnahmen liegen sollte. Vielmehr ist es für den Erfolg der Maßnahmen wichtig zu reflektieren, wie die Mitarbeiter diese Aktivitäten wahrnehmen und bewerten. Um die subjektive Wahrnehmung ihrer Mitarbeiter hinsichtlich des Integrationsgrads von Beschäftigten unterschiedlichen Alters zu analysieren, können Unternehmen die in der vorliegenden Arbeit entwickelten Messinstrumente zur Erfassung der verschiedenen Dimensionen von Age Inclusion nutzen.
Implikationen für die Unternehmenspraxis
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Die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Studie machen deutlich, dass die Einstellungen und Verhaltensweisen von direkten Vorgesetzten im Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters im Vergleich zu anderen Dimensionen von Age Inclusion einen relativ starken Einfluss auf die wahrgenommene Gerechtigkeit im Unternehmen und damit auf die individuellen Erfolgsgrößen haben. Zur Verbesserung des Umgangs mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters können Unternehmen deshalb insbesondere dadurch beitragen, dass die Führungskultur auf die Integration verschiedener Altersgruppen ausgerichtet wird. Das Verhalten von Führungskräften im Umgang mit Mitarbeitern unterschiedlichen Alters wird maßgeblich durch deren Einstellungen gegenüber jüngeren bzw. älteren Menschen geprägt (Hess 2006, S. 380). Dabei reflektieren die Einstellungen einer Person „one’s valenced evaluation of a stimulus, i. e., how positively or negatively predisposed one is toward a particular attitude object” (Hess 2006, S. 380). Hat eine Führungskraft gegenüber einer bestimmten Altersgruppe negative Vorurteile, so wird sie Personen dieser Altersgruppe nicht aktiv integrieren. Um die Führungskultur im Sinne von Age Inclusion zu verbessern, sollten Unternehmen folglich negative Stereotype von Führungskräften in Bezug auf das Altern bzw. in Bezug auf Menschen bestimmter Altersgruppen abbauen. Empirische Studien haben gezeigt, dass altersbezogene Vorurteile umso geringer sind, (1) je besser eine Person über das Altern informiert ist, (2) je häufiger sie mit Personen der Altersgruppe interagiert, auf die sich die Vorurteile beziehen, und (3) je besser sie in der Lage ist, sich in Personen der anderen Altersgruppe hinein zu versetzen (Hess 2006, S. 388). Um die Einstellungen von Führungskräften gegenüber Mitarbeitern unterschiedlichen Alters zu beeinflussen, können Unternehmen Führungskräfte über Einflussfaktoren und Auswirkungen des Alterungsprozesses und daraus resultierende Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern (beispielsweise in Bezug auf die körperliche oder intellektuelle Leistungsfähigkeit; vgl. Abschnitt 2.2.2.2) informieren sowie Führungskräften gezielt die Führung altersgemischter Teams übertragen. Der an einem Praxisbeispiel für eine entsprechende Neuausrichtung der Führungskultur interessierte Leser sei auf Reichart und Bieling (2010) verwiesen. Eine weitere wichtige Erkenntnis der vorliegenden empirischen Studie ist darin zu sehen, dass die Bedeutung von Age Inclusion für einen Mitarbeiter nicht von dessen Alter abhängt. Sowohl für jüngere als auch für ältere Mitarbeiter ist der Grad der Integration unterschiedlicher Altersgruppen durch das Unternehmen für die Bewertung der organisationalen Gerechtigkeit von zentraler Bedeutung. Viele Unternehmen haben sich bisher einseitig auf die Bedürfnisse jüngerer Beschäftigter konzentriert und insbesondere das Personalmanagement an deren Erwartungen ausgerichtet (Becker 2010, S. 62). Doch auch wenn Mitarbeiter dieser Altersgruppe von einer solchen Strategie profitieren, nehmen sie diese altersbezogene Bevorteilung als unfair wahr, was sich negativ auf ihre Einstellungen gegenüber dem Unternehmen und ihr Verhalten am Arbeitsplatz auswirkt. Dieser Erkenntnis können Unternehmen gerecht werden, indem sie Beschäftigte aller Altersgruppen aktiv in ihre Wertschöpfungsprozesse integrieren,
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Zusammenfassende Bewertung der Arbeit
statt die Bedürfnisse einer Altersgruppe in den Fokus zu stellen und beispielsweise eine jugendzentrierte Personalpolitik zu betreiben, während älteren Mitarbeitern nahe gelegt wird, frühzeitig das Unternehmen zu verlassen. Wie die vorliegende Arbeit zeigt, führt dies zu einem höheren Engagement und einer besseren Effektivität sowohl der älteren als auch der jüngeren Mitarbeiter. Eine letzte wichtige Implikation der vorliegenden Arbeit für den erfolgreichen Umgang mit Beschäftigten unterschiedlichen Alters ist, dass einmal mehr die zentrale Bedeutung der organisationalen Gerechtigkeit für die Einstellungen und das Verhalten von Beschäftigten empirisch bestätigt wurde. Bisher ist jedoch weitgehend unklar, welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen können, um die wahrgenommene Fairness zu erhöhen (Cohen-Charash/Spector 2001, S. 308). Die vorliegende Arbeit identifiziert mit dem Konzept der Age Inclusion einen Ansatzpunkt, um den Erwartungen der Mitarbeiter gerecht zu werden und die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit nachhaltig zu beeinflussen. Dadurch können Mitarbeiter aller Altersgruppen an das Unternehmen gebunden und eine hohe Leistungsbereitschaft gefördert werden. „Betriebliche Ansätze des Alternsmanagements sind noch nicht ausreichend entwickelt und nachhaltig genug gestaltet“ (Frerichs 2010, S. 40). Die mit dem demographischen Wandel einhergehenden Veränderungen der Altersstrukturen in Unternehmen machen ein adäquates, an den Unternehmenszielen orientiertes Alternsmanagement zur Bedingung für den Unternehmenserfolg. Die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit leisten einen Beitrag zur Entwicklung unternehmerischer Strategien und Instrumente, die es ermöglichen, langfristig mit einer alternden und zunehmend altersdiversen Belegschaft erfolgreich am Markt zu agieren.
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